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147 Auf der Suche nach dem genetischen Material das Tabakmosaikvirus Das Tabakmosaikvirus (TMV) ist ein pflanzen- pathogenes (Pflanzen krank machendes) Virus. Es führt wegen seiner leichten Übertragung zu großen Ertragsverlusten im Tabakanbau sowie bei anderen Kulturpflanzen. Die Viren dringen durch Verletzungen am Blattgewebe in die Zellen ein, vermehren sich dort und stören den Stoffwechsel derart, dass die Blätter ihr Chlorophyll verlieren und absterben. Diese infi- zierten Zonen sind als mosaikartige Flecken auf der Blattoberfläche zu erkennen. Die Viren verschiedener Stämme erzeugen unterschiedliche Flecken (Abb. 1). Das stäbchenförmige TMV besteht nur aus einer Hülle von Proteinteilchen (94 %) und darin enthaltener RNA (6 %). 1 Auswirkung verschiedener Stämme des TMV Heinz Fraenkel-Conrat und seine Mitarbeiter gingen der Frage nach, welcher Bestandteil des TMV das genetische Material trägt. Sie untersuchten 1957 die Virenbestandteile auf ihre Infektiosität bei Tabakpflanzen. Dazu isolierten sie die RNA und die Proteine. Wenn die einzelnen Komponenten im Reagenzglas gemischt wurden, entstanden durch spontanen Selbstzusammenbau wieder intakte Viren. Ihre Versuchsreihen sind in Abb. 2 dargestellt. Versuchsreihe I: Zeichenerklärung: o TMV komplett + isolierte Proteinpartikel (Hüllbestandteile) ++ isolierte RNA neu gebildetes Virus Versuchsreihe II: Zeichenerklärung: + isolierte Proteinpartikel (Hüllbestandteile) ++ isolierte RNA neu gebildetes Virus 2 Verschiedene Versuchsreihen zum Nachweis des genetischen Materials im TMV 1 Beschreiben Sie kurz den Ablauf der dargestellten Versuchsreihen (Abb. 2). 2 Beschreiben Sie die Versuchsbeobachtungen (Abb. 2). 3 Leiten Sie aus diesen Beobachtungen die Folgerungen ab, die die Forscher in Bezug auf die Fragestellung gewinnen konnten und begründen Sie. © Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2020 | www.klett.de | Alle Rechte vor- behalten.Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten. Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

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    © Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2020 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

    Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

    Auf der Suche nach dem genetischen Material – das Tabakmosaikvirus

    Das Tabakmosaikvirus (TMV) ist ein pflanzen-

    pathogenes (Pflanzen krank machendes) Virus. Es führt wegen seiner leichten Übertragung zu großen

    Ertragsverlusten im Tabakanbau sowie bei anderen

    Kulturpflanzen. Die Viren dringen durch Verletzungen

    am Blattgewebe in die Zellen ein, vermehren sich dort

    und stören den Stoffwechsel derart, dass die Blätter

    ihr Chlorophyll verlieren und absterben. Diese infi-

    zierten Zonen sind als mosaikartige Flecken auf der Blattoberfläche zu erkennen. Die Viren verschiedener

    Stämme erzeugen unterschiedliche Flecken (Abb. 1).

    Das stäbchenförmige TMV besteht nur aus einer

    Hülle von Proteinteilchen (94 %) und darin

    enthaltener RNA (6 %).

    1 Auswirkung verschiedener Stämme des TMV

    Heinz Fraenkel-Conrat und seine Mitarbeiter gingen der Frage nach, welcher Bestandteil des TMV das

    genetische Material trägt. Sie untersuchten 1957 die Virenbestandteile auf ihre Infektiosität bei Tabakpflanzen.

    Dazu isolierten sie die RNA und die Proteine. Wenn die einzelnen Komponenten im Reagenzglas gemischt

    wurden, entstanden durch spontanen Selbstzusammenbau wieder intakte Viren. Ihre Versuchsreihen sind in

    Abb. 2 dargestellt.

    Versuchsreihe I:

    Zeichenerklärung:

    o TMV komplett

    + isolierte Proteinpartikel

    (Hüllbestandteile)

    ++ isolierte RNA

    neu gebildetes Virus

    Versuchsreihe II:

    Zeichenerklärung:

    + isolierte Proteinpartikel

    (Hüllbestandteile)

    ++ isolierte RNA neu gebildetes Virus

    2 Verschiedene Versuchsreihen zum Nachweis des genetischen Materials im TMV

    1 Beschreiben Sie kurz den Ablauf der dargestellten Versuchsreihen (Abb. 2).

    2 Beschreiben Sie die Versuchsbeobachtungen (Abb. 2).

    3 Leiten Sie aus diesen Beobachtungen die Folgerungen ab, die die Forscher in Bezug auf die Fragestellung gewinnen konnten und begründen Sie.

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  • 148 Fotos: 1: Mauritius Images (Grant Heilman Photography / Alamy), Mittenwald; 2: T. Moravec, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=655114

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Auf der Suche nach dem genetischen Material – das Tabakmosaikvirus

    Lösungen 1 Versuchsreihe I: Getrennt nach den Stämmen A und B wurden Tabakblätter einmal mit intakten Viren, mit den beiden isolierten Bestandteilen (Proteinpartikeln oder RNA), und mit den wieder zusammengesetzten Viren infiziert. Im Anschluss wurden die „Flecken“ auf die enthaltenen TMV überprüft. Versuchsreihe II: Für diese Infektionen wurden die Kombinationen der Bestandteile jeweils einzeln und zusammengebaut getestet. Dafür wurden die Proteine des einen Stamms vom TMV (Stamm A) und die RNA des anderen Stamms vom TMV (Stamm B) sowie umgekehrt genutzt. Abschließend wurden die „Fle-cken“ auf die darin enthaltenen TMV überprüft.

    2 Versuchsreihe I: Bei beiden TMV-Stämmen sind die isolierten Proteine nicht infektiös. Die Mosaikflecken auf den Blättern entstanden bei beiden Stämmen bei der Infektion mit vollständigen Viren, in geringerem Ausmaß bei der Infektion mit isolierter RNA. Die Flecken sind jeweils stammspezifisch. Versuchsreihe II: Nach wie vor sind die verwende-ten isolierten Proteine nicht infektiös. Die einzeln eingesetzten RNAs rufen stammspe-zifische Flecken hervor. Die neu zusammengesetzten Viren sind wiederum infektiös und erzeugen Flecken, die zum jeweiligen Stamm der eingesetzten RNAs passen. Die aus den jeweiligen Flecken isolierten, neu entstandenen Viren sind entsprechend der Viren der ursprünglichen Stämme aufgebaut, aus denen die RNA entnommen war. Die Infektiosität der isolierten RNAs ist wie in Versuchsreihe I geringer als bei den kombinierten Viren. Das sieht man daran, dass sich durch die isolierten RNAs weniger Flecken bilden.

    3 Die Frage nach der Lokalisation des Erbmaterials im TMV war geklärt. Die isolierten Proteine tragen eindeutig keine Erbinformation, die RNA ist der Träger der genetischen Information. Sie ist einerseits verantwortlich für die spezifischen Flecken und anderer-seits für den Aufbau der stammspezifischen Proteinhülle bei der Vermehrung. Dies wird besonders bei der Überprüfung der neu gebildeten Viren in der Versuchsreihe II deutlich: Wurden Viren, deren Bestandteile aus zwei verschiedenen Stämmen kombiniert worden waren, eingesetzt, so entstanden immer nur die Viren, die zu den eingesetzten Nuclein-säuren passen.

    Zusatzinformation: Die Infektiosität der isolierten Virus-RNA kann möglicherweise dadurch eingeschränkt sein, dass sie gegenüber den Ribonucleasen der Wirtszellen sehr empfindlich ist. Das komplette TMV ist davon nicht betroffen, weil die Virus-RNA durch die Proteinhülle geschützt ist.

    Praktische Tipps Tipp für den Stundeneinstieg und zur VertiefungFolgende Abbildungen können passend zum Arbeitsblatt „Auf der Suche nach dem geneti-schen Material – das Tabakmosaikvirus“ für den Stundeneinstieg genutzt werden.

    1 Gesundes (links) und mit TMV infiziertes Blatt (rechts)

    Als Vertiefung können die Schülerinnen und Schüler das Experiment von Avery (s. Schüler-buch S. 160) mit den Experimenten zum Tabakmosaikvirus des Arbeitsblatts vergleichen, indem sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Experimente schriftlich festhalten.

    Zusatzinformation TabakmosaikvirusDas Capsid (Proteinkapsel) des Tabakmosaikvirus (TMV) ist ein Hohlzylinder und erinnert von außen an einen Maiskolben. Die RNA verläuft in der Wand dieses Hohlzylinders ähnlich wie eine Wendeltreppe. Der Aufbau wurde für die Darstellung der Versuchsreihen im Arbeitsblatt vereinfacht: Der Hohlzylinder entspricht hier einem Rechteck. Die Spirale auf dem Rechteck symbolisiert demnach das komplette TMV: Es handelt sich um die RNA im Capsid.

    2 Tabakmosaikvirus (TMV)

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    Illustratoren: Otto Nehren, Achern; Simone Fass, Leipzig

    Bau der DNA

    Wenn die gesamte DNA einer menschlichen Zelle als ein einziges lineares Makro-

    molekül vorläge, so würde sie eine Länge von 1,8 m erreichen. Die DNA besteht aus

    zwei gegenläufigen Strängen, die schraubig zu einer Doppelhelix gewunden sind

    (Abb. 1). Die beiden DNA-Einzelstränge werden durch Wasserstoffbrückenbindungen

    zwischen den Basenpaaren zusammengehalten (Abb. 2). Bei einer Temperatur-

    erhöhung zerfällt die doppelsträngige DNA in Einzelstränge. Dieser Vorgang wird auch

    als Denaturierung bezeichnet. Dabei wird nicht der sogenannte „Schmelzpunkt“ mit vollständig getrennten Einzelsträngen, sondern der T50-Wert angegeben, bei dem

    50 % der DNA in Einzelsträngen vorliegen (Abb. 3).

    1 DNA-Doppelhelix

    2 DNA-Doppelstrang 3 DNA-Denaturierung

    Organismus Thymin (%) Adenin (%) Cytosin (%) Guanin (%)

    Ratte 28,4 24,8 21,6 21,6

    Hering 27,8 27,8 22,2 22,2

    Hefe 31,3 31,3 18,7 18,7

    Mensch 30,3 ? ? ?

    4 Anteile organischer Basen in der DNA verschiedener Organismen

    1 Beschreiben Sie den Bau der DNA (Abb. 1 und 2).

    2 Ermitteln Sie die T50-Werte für die in Abb. 3 gezeigten DNA-Stränge und deuten Sie die Befunde.

    3 Berechnen Sie die fehlenden Werte zu den Basenanteilen menschlicher DNA und begründen Sie dieErgebnisse (Abb. 4).

    4 Formulieren Sie eine Vermutung zur DNA-Zusammensetzung von Bakterien, die in heißen Quellen leben.

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    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Bau der DNALösungen 1 Die DNA besteht aus zwei Einzelsträngen, die durch Wasserstoffbrückenbindungen

    aneinandergebunden sind. Beide Stränge verlaufen mit jeweils einem 3'- und einem 5'-Ende an einem Ende der Doppelhelix antiparallel. Grundbausteine der DNA sind die Nucleotide. Diese bestehen aus dem Zucker Desoxyribose, einer Phosphatgruppe und aus jeweils einer der vier organischen Basen Adenin, Thymin, Guanin oder Cytosin, wobei jeweils zwei Basen einander komplementär sind: Adenin – Thymin, verbunden durch zwei Wasserstoffbrückenbindungen, und Cytosin – Guanin, verbunden durch drei Wasserstoff-brückenbindungen.

    2 Der T50-Wert wird von der DNA-Probe 1 bereits bei einer Temperatur von ca. 86 °C er-reicht, d. h. hier liegt die Hälfte der DNA in Einzelsträngen vor. Der T50-Wert der DNA-Pro-be 2 liegt bei ca. 89 °C. Daraus folgt, dass für die DNA 2 mehr Energie benötigt wird, um die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Basen zu lösen, da diese Probe erst bei 89 °C den T50-Wert erreicht. Da Guanin und Cytosin drei Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden, Adenin und Thymin nur zwei, enthält die erste Probe einen höheren Anteil an Adenin und Thymin, die zweite Probe einen höheren Anteil an Guanin und Cytosin.

    3 Da Thymin und Adenin komplementär zueinander sind, kommen diese Basen im gleichen Verhältnis in der DNA vor. Der Anteil von Adenin beträgt demnach 30,3 %. Zusammen machen diese Basen 60,6 % aus. Das bedeutet, dass 39,4 % der Basen der menschlichen DNA aus Guanin und Cytosin bestehen. Somit beträgt der Anteil von Guanin und Cytosin jeweils 19,7 %.

    4 Die DNA dieser Bakterien wird wahrscheinlich einen höheren Anteil an Cytosin und Guanin enthalten. Das Basenpaar Guanin/Cytosin wird durch drei Wasserstoffbrückenbin-dungen verbunden und ist somit bei einer höheren Temperatur noch stabil.

    Praktische Tipps Bau von DNA-ModellenDer Bau eines DNA-Modells aus verschiedenen Materialien (z. B. Bastelperlen, Fotodosen, Gummibärchen, Legosteine, Origami etc.) fördert ein besseres Verständnis der dargestellten DNA-Struktur. Falls in der Schulsammlung bereits selbstgebaute DNA-Modelle existieren, ist auch die Analyse dieser Modelle gewinnbringend. Die anschließende Bewertung der unterschiedlichen Modelle nach zuvor festgelegten Kriterien (Anschaulichkeit, Gültigkeit, Korrektheit, Kosten etc.) fördert die Bewertungskompetenz. Am Beispiel der Entdeckung der DNA-Struktur kann die naturwissenschaftliche Arbeitsweise thematisiert werden: Beobach-tung (Ergebnisse der Röntgenstrukturanalyse) – Hypothesenbildung (theoretische Model-le) – Überprüfung (Übereinstimmung des Modells mit Bildern der Röntgenstrukturanalyse).

    Zusatzinformation Entdecker der DNA-StrukturFrancis Crick (1916 – 2004), James Watson und Maurice Wilkins (1916 – 2004) erhielten 1962 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entdeckung der Molekularstruktur der DNA (1953) und ihre Bedeutung für die Informationsübertragung in lebenden Zellen. Rosa-lind Franklin (1920 – 1958), die mit ihren Röntgenstrukturanalysen von kristalliner DNA die entscheidenden Vorarbeiten für die Entdeckung der DNA-Struktur geleistet hatte, war vier Jahre vor der Nobelpreisverleihung an Krebs verstorben.

    Differenzierende Aufgabe

    Erleichterte Aufgabenstellungen zum Arbeitsblatt „Bau der DNA“ als binnen differenzierende MaßnahmeFür sehr schwache Schülerinnen und Schüler besteht die Möglichkeit, die Fragestellungen der Aufgaben vom Arbeitsblatt folgendermaßen umzuformulieren:

    1 Beschreiben Sie den Bau der DNA. Berücksichtigen Sie dabei auch die Wasserstoff-brücken zwischen den jeweiligen Basenpaaren (Abb. 1 und 2).

    2 Ermitteln Sie die T50-Werte für die in Abb. 3 gezeigten DNA-Stränge und deuten Sie die Befunde unter Berücksichtigung der Anzahl der Wasserstoffbrücken zwischen den kom-plementären Basen.

    3 Geben Sie die Basenanteile von Adenin und Cytosin menschlicher DNA unter der Voraus-setzung an, dass der Anteil von Thymin bei 30,3 und der Anteil von Cytosin und Guanin gemeinsam einen Anteil von 39,4 % ausmachen.

    4 Formulieren Sie eine Vermutung zum Anteil des Basenpaares Guanin und Cytosin in der DNA von Bakterien, die in heißen Quellen leben.

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    Okazaki-Fragmente – Experimente zur Replikation

    Der Wissenschaftler Arthur Kornberg isolierte 1956

    das entscheidende Enzym, das während der Syn-

    these der neuen DNA-Stränge die DNA-Bausteine

    verbindet, die DNA-Polymerase. Die Ergebnisse zu

    diesem Enzym zeigten, dass die DNA-Synthese nur

    in eine Richtung am DNA-Strang entlang, von 5' nach

    3' erfolgt. Da beide DNA-Stränge in eine Richtung

    abgelesen werden, jedoch antiparallel vorliegen, kann

    an einem der beiden DNA-Stränge der Lesemecha-

    nismus nicht ununterbrochen ablaufen. Der Wissen-

    schaftler Reiji Okazaki und seine Frau Tsuneko

    Okazaki konnten 1968 einen entscheidenden Beitrag

    zur Lösung dieses Rätsels liefern.

    Sie führten während des Vorgangs der DNA-

    Replikation Experimente mit radioaktiv markierten

    Nucleotiden in Bakterienzellen durch. Die Zugabe

    der Nucleotide erfolgte über kurze Zeiträume von

    2 Sekunden (s) bis zu 120 s (Abb. 1), es wurdenzudem auch nicht markierte Nucleotide zugegeben.

    Danach wurde die Replikation durch Zugabe von

    Chemikalien beendet und die DNA mithilfe der

    Dichtegradienten-Zentrifugation getrennt. Hierbei

    ordnen sich die DNA-Teile entsprechend ihrer Dichte

    (abhängig von der Länge) an. Die längeren DNA-

    Abschnitte mit der höheren Dichte befinden sich im

    Zentrifugenröhrchen weiter unten mit einer großen

    Distanz zur Oberfläche, die kürzeren weiter oben.

    Anschließend wurde die Menge der radioaktiv

    markierten DNA-Abschnitte gemessen, die in den

    jeweiligen Zeiträumen neu synthetisiert wurden. In

    einem weiteren Experiment wurde die gleiche

    Versuchsdurchführung gewählt, jedoch wurden

    mutierte Bakterienzellen gewählt, denen das Enzym

    DNA-Ligase fehlt (Abb. 2). Dieses Enzym verknüpft

    DNA-Abschnitte.

    1 Markierte DNA in Zellen 2 Markierte DNA in Zellen ohne DNA-Ligase

    1 Beschreiben Sie Abb. 1 und Abb. 2 und vergleichen Sie diese unter dem Aspekt der Länge der DNA-Abschnitte.

    2 Beschreiben Sie die Durchführung der beiden Versuche. Erläutern Sie hierbei die Bedeutung des zweitenVersuchsansatzes.

    3 Diskutieren Sie, welche Aussagen R. Okazaki und T. Okazaki in Bezug auf die Fragestellung anhand desersten und des zweiten Experimentes machen konnten.

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    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Okazaki-Fragmente – Experimente zur ErforschungLösungen 1 In Abb. 1 sind die Ergebnisse der Auftrennung der DNA-Abschnitte nach der Dichtegradi-

    enten-Zentrifugation gezeigt. Auf der x-Achse ist die Entfernung der DNA-Abschnitte zur Oberfläche im Zentrifugenröhrchen aufgetragen. Auf der y-Achse ist der Anteil an radio-aktiv markierten Stoffen in Form des radioaktiven Zerfalls dargestellt. Die Messkurven geben die DNA-Abschnitte nach unterschiedlich langen Markierungszeiträumen wieder. Bei den Messwerten nach 2 s liegt die gesamte Radioaktivität im Bereich der kurzen DNA-Abschnitte. Die Anzahl der radioaktiven Zerfälle ist gering. Bei den Messungen nach 15 s, 30 s und 60 s steigt die Anzahl der radioaktiven Zerfälle. Bei diesen Werten findet man kurze markierte DNA-Abschnitte und zunehmend lange markierte DNA-Abschnitte. In den Ergebnissen der Messung nach 120 s liegt der Schwerpunkt bei den langen und weniger bei den kurzen DNA-Abschnitten. In Abb. 2 ist eine ähnliche Grafik dargestellt, hier wurden jedoch Zellen ohne DNA-Ligase verwendet. Gemessen wurden die DNA-Ab-schnitte in diesem 2. Experiment nach Markierungszeiten von 10 s, 20 s, 40 s und 60 s. Bei den Messungen liegen alle Werte der markierten DNA-Abschnitte im Bereich der kurzen Abschnitte. Im Bereich der langen Abschnitte sind nur sehr geringe Messwerte zu finden.

    2 Während der DNA-Replikation in Bakterienzellen wurden radioaktiv markierte Nucleotide in den Versuchsansatz gegeben. Bei der Replikation wurden dann diese markierten Bau-steine genutzt. Die Zeit, in der die Replikation ablaufen konnte, variierte nach der Zugabe der markierten Nucleotide von 2 bis 120 s. Danach wurde die Replikation gestoppt und die DNA zentrifugiert. Unterschiedlich lange DNA-Abschnitte ordnen sich je nach Dichte in den verschiedenen Zonen im Zentrifugenröhrchen an. Die einzelnen Zonen wurden auf ihre Radioaktivität untersucht. Im zweiten Versuch wurden mutierte Bakterienzellen ver-wendet, die kein Enzym (Ligase) zur Verknüpfung von DNA-Abschnitten besitzen. Durch das Fehlen von Ligase kann man folgern, dass längere (dichtere) Stücke nur entstehen können, wenn sie aus kürzeren verbunden werden.

    3 Die durch die Experimente von Kornberg entstandene Fragestellung nach der Bildung des DNA-Strangs in 3' – 5' Richtung konnte erst durch die Experimente von R. Okazaki und T. Okazaki beantwortet werden, da diese nicht nur die gesamte DNA, sondern auch DNA-Stücke während der Replikation untersuchten. Durch den Nachweis der kurzen DNA-Abschnitte, die im zeitlichen Verlauf zu längeren Abschnitten zusammengesetzt wurden, konnte gezeigt werden, dass zuerst kurze DNA-Abschnitte in der richtigen Leserichtung gebildet werden. Diese werden anschließend zu längeren Abschnitten verknüpft. Das lässt sich durch die initiale Zunahme der kurzen Abschnitte und der deutlich verzögerten Zunahme der langen DNA-Abschnitte zeigen. Der zweite Versuch zeigt durch das Fehlen der langen Abschnitte, dass diese nur aus den kurzen gebildet werden und kein alternati-ver Replikationsweg vorhanden ist.

    Praktische Tipps Modellversuch zur Dichtegradienten-ZentrifugationDer Modellversuch ermöglicht es, ein besseres Verständnis für einen Dichtegradienten zu entwickeln. Er eignet sich zur Veranschaulichung der Trennung von Zellbestandteilen, des Meselson-Stahl-Experiments (s. Schülerbuch S. 166) oder der Okazaki-Experimente.Material: 3 Bechergläser (250 ml), 1 Messzylinder (100 ml), 1 Spritze mit Injektionsnadel, 1 großer Standzylinder oder durchsichtiger Behälter, 3 Tischtennisbälle, Kochsalz, Rohrzucker. Durchführung:

    Glasgefäß

    1 1

    2

    3

    23

    Wasser Zuckerlösung

    1 Modellversuch zum Dichtegradienten

    Lösen Sie in einem Becherglas so viel Kochsalz auf, dass eine gesättigte Kochsalzlösung entsteht. Entnehmen Sie 10 ml dieser Kochsalzlösung und verdünnen Sie diese in einem zweiten Becher glas im Verhältnis 1 : 10. Nehmen Sie von dieser verdünnten Lösung 10 ml und verdünnen Sie diese in einem dritten Becherglas erneut im Verhältnis 1 : 10. Drei unterschiedlich markierte Tischtennisbälle werden nun mithilfe einer Injektionsnadel mit den drei verschieden konzentrierten Kochsalzlösungen gefüllt. Beginnen Sie mit der geringsten Konzentration. Die drei Tischtennisbälle gibt man in einen Standzylinder mit Wasser. Danach löst man langsam Rohrzucker in dem Standzylinder auf. Die drei Tischtennisbälle liegen im Wasser auf dem Gefäßboden. Bei Zugabe des Zuckers steigt der Tischten nisball mit der geringsten Konzentration zuerst. Bei einer bestimm-ten Zuckermenge schwimmen die drei Bälle hoch.

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    Die Zusammenarbeit von t-RNA-Molekülen und Ribosomen

    Die Transfer-RNA-Moleküle haben die Aufgabe, in einer Zelle die passenden Aminosäuren zur m-RNA an den

    Ribosomen zu transportieren, wo die Polypeptide gebildet werden. Alle t-RNA-Moleküle in Lebewesen sind

    nach dem gleichen Bauprinzip aufgebaut, ihre Sekundärstrukturen sind kleeblattartig (Abb. 1). Darin enthaltene

    modifizierte Basen weichen zwar strukturell von den Standard-Nucleotiden ab, bleiben aber im Bindungs-

    verhalten unverändert.

    1 Vier t-RNA-Moleküle aus E. coli

    Ein E. coli-Bakterium enthält ca. 10 000 Ribosomen.

    Bei diesen handelt es sich um 25 nm große Partikel,

    deren Aufbau durch Ultrazentrifugation im Dichte-

    gradienten untersucht wurde (Abb. 2). Dabei wurde

    festgestellt, dass die beiden ribosomalen Unter-

    einheiten neben Proteinen zu 75 % verschiedene

    ribosomale RNA (r-RNA)-Moleküle enthalten. Die

    Sedimentationsgeschwindigkeit wird in Svedberg-

    Einheiten (S) gemessen. Sie ist abhängig von der

    Masse und der Gestalt der Teilchen.

    Die Translation im Ribosom ist ein dynamischer

    Vorgang, bei dem die r-RNA-, die t-RNA- und die

    m-RNA-Moleküle im Ribosom zusammenarbeiten. So

    werden die eintreffenden beladenen t-RNA-Moleküle

    von bestimmten Bereichen der r-RNA gebunden. Die

    entstehende Polypeptidkette gelangt durch einen

    Tunnel, der von der r-RNA gebildet wird, nach außen.

    2 Zusammensetzung des prokaryotischen Ribosoms

    3 Antibiotikawirkung im Ribosom

    Antibiotika verhindern auf verschiedene Art und Weise das Bakterienwachstum: Tetracyclin (Abb. 3 „T“) bindet aufgrund seiner chemischen Struktur an die 16S-r-RNA im Ribosom. Erythromycin (Abb. 3 „E“) bindet im Ribosom an die 23S-r-RNA. Beide Antibiotika verhindern die Bildung von Polypeptiden.

    1 Beschreiben Sie die Gemeinsamkeiten im Aufbau der t-RNA-Moleküle (Abb. 1) und recherchieren Sie die

    Bedeutung der charakteristischen Strukturen.

    2 Werten Sie Abb. 2 aus.

    3 Erläutern Sie die Wirkung der beiden vorgestellten Antibiotika (Abb. 3) unter Bezugnahme auf die im

    Ribosom ablaufenden Prozesse. Nutzen Sie dabei das Internet als Hilfe.

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    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Die Zusammenarbeit von t-RNA-Molekülen und Ribosomen

    Lösungen 1 Gemeinsamkeiten:• eine ungepaarte Aminosäurebindungsstelle am 3'-Ende (-CCA, oder hier ACCA), • zur D-Schleife führt ein Arm mit variabler Basenpaaranzahl (hier drei bis vier), die

    Schleifengröße ist ebenfalls variabel (hier acht bis elf Nucleotide), • die Anticodonschleife ist eine 7-Nucleotid-Schleife, zu ihr führt ein Arm mit vier bis fünf

    Basenpaarungen, • viele Basenpaarungen in den vergleichbaren Regionen der vorgestellten t-RNA-Mole-

    küle werden nicht von identischen Nucleotiden gebildet. Bedeutung: • Aminosäurebindungsstelle: Die zum Codon bzw. Anticodon passende Aminosäure wird

    dort enzymatisch gebunden (verestert). • Anticodon: komplementär zum Codon auf der m-RNA, Codon-Anticodon-Paarung• D-Schleife: wichtig bei der Anlagerung der t-RNA an die Aminoacyl-t-RNA-Synthetase• T-Schleife: Dieser Bereich bindet an die 5S-r-RNA der großen Ribosomenuntereinheit. • variable Schleife: noch nicht geklärt

    2 In einem Zentrifugenröhrchen liegt ein Dichtegradient vor, d. h. die Dichte der Lösung steigt zum Boden des Röhrchens an. Die kleinen Untereinheiten (30S) der Ribosomen sammeln sich bei der Dichtegradienten-Zentrifugation in einer Bande in dem Bereich mit der geringsten Dichte. Die großen Untereinheiten (50S) bilden eine Bande bei einer mitt-leren Dichte. Die Bande der kompletten Ribosomen (70S) liegt im Bereich der größten Dichte. Je größer die Dichte der Stoffe ist, desto näher liegen die Banden zum Boden-bereich des Röhrchens. Da die Banden sich immer im Bereich der Lösung befinden, der ihrer eigenen Dichte entspricht, und da die Banden im gleichen Abstand zueinander liegen, kann man schlussfolgern, dass die S-Werte der Banden nicht additiv sind.

    3 Tetracyclin besetzt die Akzeptorstelle in der kleinen Untereinheit des Ribosoms und verhindert damit den Neuzugang von beladenen t-RNA-Molekülen. Erythromycin hemmt die Bildung von Peptidbindungen zwischen zwei benachbarten t-RNA-Molekülen und blockiert auch den Ausgangstunnel für die wachsende Peptidkette aus dem Ribosom.

    Praktische Tipps Erstellung von PlakatenDer gerichtete Informationsfluss von der DNA zum Polypeptid (DNA → m-RNA → Protein) durch Transkription und Translation kann während der Unterrichtsreihe „Molekulargenetik“ auf Plakaten im Fachraum dauerhaft präsentiert werden. Dafür eignet sich die vergleichende Gegenüberstellung dieser Prozesse in einer prokaryotischen und in einer eukaryotischen Zelle auf zwei einzelnen Plakaten. In die Übersichtsdarstellung jeweils einer typischen Zelle kann fortlaufend eingetragen oder eingezeichnet werden, wie und wo die Replikation, die Transkription und die Translation erfolgen. Am Ende der Unterrichtsreihe sind dann die Abläufe der Proteinbiosynthese bei Pro- und Eukaryoten in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden schematisch abgebildet.

    Zusatzinformation Svedberg-EinheitDie Sedimentationsgeschwindigkeit von Ribosomen und ihren Untereinheiten wird mit der Saccharose-Dichtegradienten-Zentrifugation ermittelt. Dies ist eine gebräuchliche Methode zur analytischen Auftrennung von biologischen Makromolekülen. Die untersuchten Partikel sedimentieren bei einer künstlich erzeugten Zentrifugalkraft aufgrund ihrer unterschiedli-chen Masse, Dichte, Größe oder Gestalt unterschiedlich schnell. Da die Sedimentationsge-schwindigkeit von biologischen Molekülen sehr klein ist, hat man die Svedberg-Einheit ein-geführt. Die Zeit von 10 – 13 Sekunden wird als 1 Svedberg (S) bezeichnet. Der schwedische Chemiker Theodor Svedberg (1884 – 1971) konstruierte die ersten Ultrazentrifugen. Es gilt: Je größer das Molekül, desto größer die Sedimentationsgeschwindigkeit, also der S-Wert. Allerdings steigt bei zunehmender Molekülmasse die Sedimentationsgeschwindigkeit nicht linear. Daher ist der S-Wert eines kompletten Ribosoms nicht die Summe der S-Werte seiner Untereinheiten.

    Medienhinweise• Beck, C.: Auf der Baustelle des Lebens – wie die Proteinfabriken der Zelle funktionieren. In:

    Biomax 2009/10, Vol. 25 S. 1 – 4. https://www.max-wissen.de/71094/ribosomen• A Clip from Venkatraman Ramakrishnan's Nobel Lecture – Animated Summary (03:48 min).

    2009. The Official Web Site of the Nobel Prize. http://www.nobelprize.org/mediaplayer/index.php?id=1936

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    Das Ribosom als Roboter: Die richtige t-RNA am richtigen Platz

    Der Ablauf der Translation wurde am Modellbakterium E. coli genau untersucht. Besonders die hohe

    Geschwindigkeit von Aminosäureverknüpfungen – ca. 20 Aminosäuren in der Sekunde – und die geringeFehlerrate – ca. 1 Einbaufehler pro 1000 eingebaute Aminosäuren – warfen Fragen auf.

    Die t-RNA-Moleküle haben die Aufgabe, in einer Zelle die passenden Aminosäuren in der richtigen Reihenfolge

    zur m-RNA in den Ribosomen zu transportieren. Dies ist nur möglich durch die Hilfe von sogenannten „Trans-lationsfaktoren“. Das sind Proteine, die entsprechend ihrer Beteiligung in den drei Schritten der Translation alsInitiationsfaktoren (IF), als Elongationsfaktoren (EF) oder als Terminationsfaktoren (RF) bezeichnet werden.

    Sie fördern und dirigieren chemische Reaktionen zwischen allen beteiligten Molekülen im Ribosom.

    1 Translation bei korrekter Basenpaarung

    2 Translation bei falscher Basenpaarung

    1 Ermitteln Sie mithilfe der Codesonne (s. Schülerbuch S. 170) die möglichen Codons für die Aminosäurender fertiggestellten Peptidkette (Abb. 1). Geben Sie auch die restlichen Aminosäuren gemäß der m-RNA

    an (Abb. 1 und 2).

    2 Erläutern Sie den Ablauf der Translation bei korrekter Basenpaarung anhand der Darstellung (Abb. 1).

    3 Beschreiben und erklären Sie den Ablauf der Translation bei falscher Basenpaarung (Abb. 2).

    Die drei t-RNA-Bindungsstellen im Ribosom

    A-Stelle: Aminoacylstelle, Akzeptorstelle, Erkennungsort

    P-Stelle: Peptidylstelle, Bindungsort

    E-Stelle: Exitstelle, Ausgangsort

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  • 156

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Das Ribosom als Roboter: Die richtige t-RNA am richtigen Platz

    Lösungen 1 Codons: Met (AUG), Glu (GAA/G), Gln (CAA/G), Arg (CGA/G/C/U), Trp (UGG), Ser (UCA/G/C/U, AGC/U), Asn (AAC/U), Lys (AAA/G), Ala (GCA/G/C/U), Pro (CCA/G/C/U) Aminosäuren für: ACU (Thr), UGC (Cys), CAC (His), UUU (Phe)

    2 a) Die passende, beladene t-RNA gelangt an die A-Stelle des Ribosoms. b) Die t-RNA bindet komplementär mit ihrem Anticodon an das Codon der m-RNA. Der an

    der t-RNA zusätzlich befindliche Translationsfaktor EF 1 kann in der zugehörigen Bin-dungsstelle binden. Hier wird das am EF 1 gebundene GTP gespalten und der Komplex aus EF 1 und GDP wird abgegeben.

    c) Die t-RNA kann nun in Richtung der P-Stelle rotieren. Hier wird die Peptidbindungzwischen den benachbarten Aminosäuren hergestellt.

    d) Ein anderer Translationsfaktor EF 2 bindet kurzzeitig im Ribosom, auch dieses GTPwird gespalten und der Komplex aus EF 2 und GDP wird abgegeben. Dadurch wird die Translokation ermöglicht. Das Ribosom wandert um ein Basentriplett weiter in Richtung 3’-Ende der m-RNA. Die mit der Peptidkette beladene t-RNA wechselt dabei aus der A-Stelle in die P-Stelle des Ribosoms. Die ehemals in der P-Stelle befindliche t-RNA ist nicht mehr beladen und befindet sich nun in der E-Stelle. Eine neue passende, beladene t-RNA gelangt an die A-Stelle des Ribosoms.

    3 a) Eine nicht passende, beladene t-RNA gelangt an die A-Stelle des Ribosoms. b) Die t-RNA bindet mit ihrem Anticodon nur teilweise an das Codon der m-RNA. Da die

    erste Base im Codon nicht komplementär zum Anticodon ist, gelangt die t-RNA räum-lich nicht vollständig in die A-Stelle des Ribosoms. Der Translationsfaktor EF 1 kann nicht in seiner Bindestelle binden, sodass auch GTP nicht gespalten wird.

    c) Die unpassende t-RNA samt EF 1 und gebundenem GTP wird wieder entfernt.

    Praktische Tipps Möglichkeit zum unterrichtlichen VorgehenDie Lehrkraft kann zum Einstieg eine Abbildung von einem Ribosom während der Kettenver-längerung mit freier A-Stelle über eine Dokumentenkamera präsentieren. In der Umgebung des Ribosoms sollten sich mindestens 20 verschiedene beladene t-RNAs befinden, um den Schülerinnen und Schülern zu veranschaulichen, dass in der Zelle nicht immer nur geordnet ein Vorgang abläuft. Die Bindung der beladenen t-RNAs am Ribosom ist auch nicht immer zielgerichtet. Im Anschluss werden die Phasen der Translation (s. Schülerbuch S. 172/173) erarbeitet. Anhand des Arbeitsblatts „Das Ribosom als Roboter: Die richtige t-RNA am richtigen Platz“ wird das erworbene Wissen in Kleingruppen an einem konkreten Beispiel angewandt. In der Vertiefungsphase bietet es sich an, die Schülerinnen und Schüler ein Modell zum Ablauf der Translation anfertigen zu lassen, das die Initiations-, Elongations- und Termi-nationsphase am Ribosom verdeutlicht (s. u.).

    Modell zur TranslationDie Problematik, dass für die korrekte komplementäre Bindung einer beladenen t-RNA im Ribosom gleichzeitig mindestens 19 andere, nicht passende t-RNAs vorhanden sind und „konkurrieren“, lässt sich einfach auf dem Tageslichtprojektor demonstrieren. Mit entspre-chenden puzzleartigen Teilen für m-RNAs und t-RNAs lässt sich verdeutlichen, dass die Pass-genauigkeit von Codon und Anticodon für den Einbau der korrekten Aminosäure ins Peptid verantwortlich ist, und dass demnach viele erfolglose Bindungsversuche stattfinden werden, die unbemerkt bleiben. Den Ablauf der Translation mit Kettenstart (Initiation), Kettenverlän-gerung (Elongation) und Kettenende (Termination) können Schülergruppen mit selbstgebas-teltem Material phasen- und schrittweise darstellen. Ein solches Modell kann dann für eine Präsentation abfotografiert werden. Eine Alternative wäre die Erstellung eines Stop-Motion-Films als Hausaufgabe für einen längeren Zeitraum. Diese Methode fördert die Kreativität der Schülerinnen und Schüler, ist allerdings zeitaufwendig.

    Zusatzinformation Ribosomen-VerschiebungDie Translationsfaktoren sind GTP-bindende Proteine, die durch Spaltung des GTP und Entfernen des Komplexes aus Translationsfaktor und GDP eine Konformationsänderung im Ribosom hervorrufen. Diese Veränderung bewirkt dann eine sogenannte Rotation, eine Verschiebung oder Wanderung des Ribosoms.Translationsgeschwindigkeit bei Prokaryoten: 10 – 20 Aminosäuren/Sekunde Translationsgeschwindigkeit bei Eukaryoten: 2 Aminosäuren/Sekunde

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    Proteine und ihre Struktur

    Die Struktur eines Proteins wird durch die Abfolge seiner Bausteine, der Aminosäuren, bestimmt. Die

    Aminosäuren sind über eine Peptidbindung miteinander verknüpft. Sind mehrere Aminosäuren verknüpft,

    spricht man von einem Peptid. Man unterscheidet zwischen Dipeptiden, die aus 2 Aminosäuren, Tripeptiden,

    die aus 3 Aminosäuren, Oligopeptiden (gr. oligo wenige), die aus bis zu 10 Aminosäuren, und Polypeptiden,

    die aus mehr als 10 Aminosäuren bestehen. Noch längere Aminosäureketten nennt man Proteine, wobei die

    Einteilung in diese beiden Gruppen nicht immer genau eingehalten wird.

    1 Peptidbindung

    3 Primärstruktur

    2 Bindungen und Kräfte zwischen den Aminosäureresten

    4 Sekundärstruktur 5 Tertiärstruktur 6 Quartärstruktur

    1 Erläutern Sie anhand von Abb. 1 die Bildung einer Peptidbindung.

    2 Benennen Sie in Abb. 2 die entsprechenden Bindungen, Anziehungs- bzw. Abstoßungskräfte (a – d).

    3 Beschreiben Sie die Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärstruktur eines Proteins (Abb. 3 – 6).

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  • 158 Illustratoren: Otto Nehren, Achern;Dr. Guido Hegasy, Hamburg

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Proteine und ihre StrukturLösungen 1 Die Peptidbindung entsteht bei der Reaktion zwischen der Aminogruppe einer Amino-

    säure und der Carboxygruppe einer weiteren. Dabei wird ein Wassermolekül abgespalten.

    2 a) Wasserstoffbrücke (zwischenmolekulare Anziehungskraft)b) Disulfidbrücke (echte Bindung)c) Van-der-Waals-Kräfte (zwischenmolekulare Anziehungskräfte)d) Ionenbindung (echte Bindung)

    3 Die Primärstruktur entspricht der linearen Abfolge der Aminosäuren (= Aminosäurese-quenz). Sie beginnt mit einer Aminogruppe (N-Ende) und endet mit einer Carboxygruppe (C-Ende) (Abb. 3, S. 157). Bei der Sekundärstruktur nimmt die Aminosäurekette aufgrund von innermolekularen Wechselwirkungen eine räumliche α-Helixstruktur an. Sie wird durch intramolekulare Wasserstoffbrücken zwischen den NH- und den CO-Gruppen stabilisiert (Abb. 4). Diese α-Helix ist auch in der Tertiärstruktur (Abb. 5) erkennbar. Die zweite häufig vorkommende Sekundärstruktur, das β-Faltblatt, ist in diesen Abbildungen nicht dargestellt.Die Kräfte zwischen den Resten der Aminosäurenkette sind Disulfidbrücken, Ionenbin-dungen, Wasserstoffbrückenbindungen, Van-der-Waals-Kräfte. Diese ermöglichen eine charakteristische dreidimensionale Struktur, die Tertiärstruktur (Abb. 5). Werden mehrere Aminosäureketten mit ihrer Tertiärstruktur aneinandergelagert, wird die Ausrichtung der Proteinmoleküle zueinander als Quartärstruktur bezeichnet (Abb. 6).

    Zusatzinformation Molekulare UnordnungNeueren Forschungsarbeiten zufolge sind etwa ein Drittel aller menschlichen Proteine zumindest teilweise, häufig sogar vollständig ungeordnet. Dieser Zustand vermag nach dem klassischen Schlüssel-Schloss-Modell zunächst ungünstig erscheinen, ermöglicht jedoch eine höhere Flexibilität und dadurch erst eine Erfüllung der großen Aufgabenvielfalt der Proteine. Man nimmt an, dass sich dies z. B. auch bei evolutiven Prozessen als vorteilhaft erwiesen hat.

    Beispiel KinesinMikrotubuli (= Proteinröhren) sorgen als Bestandteile des Cytoskeletts für Stabilität und dienen als Transportwege innerhalb einer Zelle. Auf ihnen kommen Kinesine zum Einsatz, die molekulare Frachten von einer Stelle der Zelle zu einer anderen transportieren können (Abb. 1). Unter ATP-Verbrauch wird das ungefaltete Verbindungsstück des Moleküls in Rich-tung eines „Fußes“ verformt. Gleichzeitig wird das Verbindungsstück des „hinteren“ Fußes nachgezogen, nach vorne gedreht und wiederum am Mikrotubulus verankert. Der starr gefaltete Teil des Kinesins festigt die Verbindung zur Fracht.

    Transportvesikel

    KinesinMikrotubulus

    1 Bewegung der Motorproteine

    Differenzierende Aufgabe

    Übung zur ProteinstrukturZwei Aminosäuren sind in ihrer Strukturformel (Abb. 2) dargestellt.

    1 Skizzieren Sie ein Dipeptid, das sich aus den beiden Amino-säuren (Abb. 2.) bilden lässt.

    2 Erläutern Sie, welche Wechselwirkungen die Seitengruppen der abgebildeten Aminosäuren in einer Aminosäurekette eingehen können.

    Lösung1 H

    R1 R2

    C CH2NO H

    C COH

    ONH

    2 Der saure (R1) und der basische (R2) Seitenkettenrest können Ionenbindungen eingehen.

    2 Zwei Aminosäuren

    HH

    HC CN

    OH(CH2)2

    O

    CHO O

    +

    R1

    Glutaminsäure(Glu)

    Lysin (Lys)

    HH

    HC CN

    OH(CH2)4

    O

    NH

    R2

    H

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    Proteine und Enzyme

    Trypsin und Chymotrypsin sind Verdauungsenzyme. In der Bauchspeicheldrüse werden die beiden Enzyme

    als inaktive Vorstufen gebildet. Trypsinogen wird erst durch Abspaltung von sechs Aminosäuren zu dem

    aktiven Trypsin (Abb. 2). Trypsin und Chymotrypsin spalten als Proteasen Proteine in Aminosäuren, Di- oder

    Tripeptide, die dann durch das Darmepithel in die Blutbahn gelangen (Abb. 1).

    Wird Trypsin ausnahmsweise bereits in der Bauchspeicheldrüse aktiv, erfolgt eine Zerstörung des Enzyms

    durch spezielle Bauchspeicheldrüsen-Enzyme. Dadurch wird eine Schädigung der Bauchspeicheldrüse durch

    Selbstverdauung verhindert. Diese Enzyme nutzen zum Abbau des aktiven Trypsins eine bestimmte Amino-

    säureabfolge als Erkennungssignal. Bei manchen Menschen ist die Aminosäuresequenz an dieser Stelle

    verändert, sodass dieser Schutzmechanismus nicht funktioniert. Die Betroffenen leiden unter der Hereditären

    Pankreatitis. Symptome der Erkrankung sind unter anderem starke, schubweise auftretende Schmerzen im

    Oberbauch.

    1 Trypsin und Chymotrypsin – Enzyme der Bauchspeicheldrüse

    2 Trypsinogen und Trypsin 3 Ausschnitt der codierenden DNA des Erkennungssignals

    1 Beschreiben Sie den Ablauf des Proteinabbaus durch Trypsin und Chymotrypsin mithilfe der Abb. 1.

    2 Erläutern Sie auf molekulargenetischer Ebene die Ursache der Hereditären Pankreatitis (Abb. 1 bis 3).Nutzen Sie dazu die Codesonne im Schülerbuch S. 170.

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  • 160 Illustrator: Dr. Guido Hegasy, Hamburg

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Proteine und EnzymeLösungen 1 In der Bauchspeicheldrüse werden Trypsinogen und Chymotrypsinogen synthetisiert.

    Beide Enzym-Vorstufen werden in den Zwölffingerdarm abgegeben. Hier wird Trypsino-gen durch das Enzym Enteropeptidase in seine aktive Form umgewandelt. Trypsin selbst aktiviert daraufhin das Enzym Chymotrypsin. Es folgt die hydrolytische Zerlegung der Proteine aus der aufgenommenen Nahrung.

    2 Bei den betroffenen Personen liegt in der Codierung der DNA ein Basenaustausch im 2. Basenpaar des Tripletts 122 vor (missense-Mutation). Statt dem Nucleotid mit der BaseCytosin befindet sich an dieser Position ein Nucleotid mit der Base Thymin. Dies führt zu einer Veränderung in der Aminosäuresequenz, da die beiden Tripletts für unterschiedli-che Aminosäuren codieren: Statt Arginin wird die Aminosäure Histidin bei der Translation in das Protein eingebaut. Das Erkennungssignal für die Enzyme, die aktives Trypsin in der Bauchspeicheldrüse abbauen, ist damit verändert und wird von den Enzymen nicht mehr erkannt. Die Enzyme können vorzeitig aktiviertes Trypsin nicht mehr spalten.Die Bauchspeicheldrüse wird durch das aktive Trypsin geschädigt. Dadurch kommt es bei den betroffenen Personen zu Schmerzen im Oberbauch.

    Praktische Tipps SprachgenauigkeitSchülerinnen und Schüler tendieren mitunter dazu, lapidar mit Begrifflichkeiten umzuge-hen. Beispielsweise ist in Klausuren des Öfteren zu lesen „… Durch die Mutation wird eine andere Aminosäure hergestellt/synthetisiert.“. Gemeint ist dabei jedoch, dass eine andere Aminosäure in das Protein eingebaut wird. Häufig werden auch die Begriffe „Aminosäure“ und „Aminosäuresequenz“ mit „Basen“ und „Basensequenz“ verwechselt oder gleichgesetzt. Dadurch wird die Aussage falsch, auch wenn das Richtige gemeint ist. Es bietet sich deshalb an, die Schülerinnen und Schüler auf gängige Fehler dieser Art schon im Vorfeld hinzuweisen und einen sensiblen Umgang mit der Sprache und Fachsprache zu trainieren.

    Differenzierende Aufgabe

    Krankheitsdiagnose mittels Gel-ElektrophoreseNach der Bearbeitung des Arbeitsblatts besteht die Möglichkeit, eine Verknüpfung zur Methode der Gel-Elektrophorese herzustellen. Hierzu lesen die Schülerinnen und Schüler den Text der Methoden-Box „Gel-Elektrophorese“ (s. Schülerbuch S. 189). Nachdem mögliche Fragen geklärt sind, erfolgt ein kurzer Lehrervortrag zur Verwendung von Restriktionsenzy-men. Im Anschluss wird die anwendungsorientierte Aufgabe zur Diagnose der Heriditären Pankreatitis in Kleingruppen bearbeitet.

    Zur Diagnose der Hereditären Pankreatitis lässt sich das Restriktionsenzym Afl 3 einsetzen, welches die DNA an der Sequenz 3'TGCAC//A 5' schneidet.

    1 Skizzieren Sie das Ergebnis der Gel-Elektrophorese für Personen mit dem Genotyp A: aa, B: AA und C: Aa. Berücksichtigen Sie dabei, dass die Erkrankung autosomal-dominant vererbt wird. Nutzen Sie zur Bearbeitung die Abb. 3 vom Arbeitsblatt.

    Lösung1 Person A ist homozygot. Die DNA weist keine Schnitt-

    stelle für das Restriktionsenzym auf und wandert durch die Länge des DNA-Fragments entsprechend langsam durch das Gel. Person A ist gesund. Die DNA der Person B weist in beiden Allelen eine Schnittstelle auf. Die kurzen DNA-Fragmente wandern schneller durch das Gel. Durch die Schnittstelle in beiden Allelen entstehen zwei Banden. Person B leidet unter der Heriditären Pankreatitis. Person C ist heterozygot. Dementsprechend entstehen insgesamt drei Banden, die aufgrund der geringeren DNA-Menge entspre-chend schmaler in der Gel-Elektrophorese zu erken-nen sind. Da die Erkrankung autosomal-dominant vererbt wird, ist Person C erkrankt.

    A B C

    1 Gel-Elektrophorese

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    Adipositas – wenn Mutationen dick machen

    Bei Adipositas handelt es sich um eine überdurchschnittliche

    Ansammlung von Fettgewebe im Körper (Abb. 1). Die Ursachen

    hierfür sind vielfältig. Adipositas tritt auf, wenn langfristig mehr

    Nährstoffe aufgenommen als verbraucht werden. Eine bestimmte

    Gehirnregion, der Hypothalamus, fungiert bei der Appetitregulation

    über unterschiedliche Stellglieder. Das sogenannte POMC-Protein

    ist ein Beispiel dafür. Es wird in den Botenstoff MSH umgewandelt,

    der durch Bindung an spezifische Rezeptoren zur Appetithemmung

    führt (Abb. 2). In einigen Fällen sind Mutationen in beteiligten Genen

    die Ursache der Adipositas (Abb. 3).

    1 Mäuse mit und ohne Adipositas

    2 Vereinfachtes Schema zur Regulation des Hungergefühls

    a) Mutation im Leptin-Gen

    m-RNA einer gesunden Person 5' … U G G G G G G U G U … 3'm-RNA eines Betroffenen 5' … U G G G G G G U G U … 3'b) Mutation im POMC-Gen

    m-RNA einer gesunden Person 5' … G A C C U G G A G C A C … 3'm-RNA eines Betroffenen 5' … G A C C U G U A G C A C … 3'c) Mutation im MC4-Rezeptor-Gen

    m-RNA einer gesunden Person 5' … A A G C G G G U U … 3'm-RNA eines Betroffenen 5' … A A G C G G A U U … 3'

    3 Mutationen bei adipösen Betroffenen

    1 Beschreiben Sie die Regulation des Hungergefühlsmithilfe von Abb. 2.

    2 Analysieren Sie die Art der aufgetretenen Mutationenund entwickeln Sie eine Hypothese zu deren

    Auswirkungen (Abb. 3 und 4).

    3 Erläutern Sie, ob und inwiefern regelmäßige Leptin- oder MSH-Injektionen für Personen mit den in Abb. 3

    aufgeführten Mutationen geeignet wären. 4 Codesonne

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  • 162

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Adipositas – wenn Mutationen dick machenLösungen 1 Nach der Nahrungsaufnahme wird im Fettgewebe des Menschen das Protein Leptin syn-

    thetisiert. Das Leptin wird in das Blut abgegeben und zum Hypothalamus transportiert. Es bindet dort an den Leptin-Rezeptor und aktiviert die Transkription und Translation des POMC-Gens. Das POMC-Protein wird umgewandelt in MSH. MSH bindet an die MC4-Rezeptoren, sodass eine Erregung ausgelöst und weitergeleitet wird und eine Hemmung des Hungergefühls einsetzt. Nach einiger Zeit geben die Fettzellen weniger Leptin in die Blutbahn ab, es entsteht ein Hungergefühl.

    2 a) Es handelt sich um eine Deletion, da die Base Cytosin (codogener DNA-Strang) wegfällt. Dies führt zu einer Leserasterverschiebung und zieht wahrscheinlich einen völligen Funktionsverlust des Proteins nach sich. Eine Person ohne Mutation weist die Aminosäuresequenz „… Trp – Gly – Val …“ auf. Eine betroffene Person weist die Aminosäuresequenz „… Trp – Gly – Cys …“ auf.

    b) Die Base Cytosin ist durch Adenin ausgetauscht. Es handelt sich um eine Basenpaar-substitution. Durch diesen Austausch entsteht ein Stopp-Codon (Nonsense-Mutation), sodass das Protein verkürzt ist und möglicherweise seine Funktion nicht mehr erfüllt. Eine Person ohne Mutation weist die Aminosäuresequenz „… Asp – Leu – Glu – His …“ auf. Eine betroffene Person weist die Aminosäuresequenz „… Asp – Leu – Stopp“ auf.

    c) Es handelt sich um eine Basenpaarsubstitution (Missense-Mutation), da die BaseCytosin durch Thymin (codogener Strang der DNA) ersetzt ist. Statt der Aminosäure Valin ist nun Isoleucin codiert. Tritt durch die veränderte Aminosäure eine Konforma-tionsänderung des Rezeptors auf, führt das zu einer eingeschränkten Funktion bzw. zu einem völligen Funktionsverlust. Sind die Reste der Aminosäuren ähnlich, kann es auch sein, dass die Struktur des Rezeptors erhalten bleibt. Eine Person ohne Mutation weist die Aminosäuresequenz „… Lys – Arg – Val …“auf. Eine betroffene Person weist die Aminosäuresequenz: „… – Lys – Arg – Ile – …“ auf.

    3 Für die betroffene Person im Fall a) ist sowohl eine regelmäßige Injektion von Leptin als auch von MSH geeignet. Beide Medikamente würden den Appetit hemmen, da der Man-gel an Leptin durch die Injektion von Leptin bzw. von MSH ausgeglichen werden kann. Für die Person mit einer Mutation im POMC-Gen ist nur die Gabe von MSH hilfreich. Eine künstliche Zuführung von Leptin ist nicht sinnvoll, da MSH dennoch nicht an den Rezep-toren binden kann.Bei Personen mit einer Mutation im MC4-Rezeptor-Gen hilft weder die Gabe von Leptin noch von MSH, da der MC4-Rezeptor aufgrund der veränderten Raumstruktur MSH nicht binden kann und somit die Information nicht weiterleitet.

    Zusatzinformation Auswirkungen stummer MutationenWird die dritte Base eines Tripletts der DNA verändert, so entspricht der genetische Code in vielen Fällen der gleichen Aminosäure wie vorher. Solche stummen Mutationen sollten daher keinerlei Auswirkungen auf das gebildete Protein haben. In der DNA von Bakterien wurde je-doch viel häufiger das Triplett AAC als AAT gefunden, beide codieren für die Aminosäure Leu-cin. Für das Codon UUG stehen mehr t-RNA-Moleküle mit dem entsprechenden Anti-Codon bereit als für das Codon UUA. Demzufolge läuft die Translation entsprechend schneller ab.Stumme Mutationen können aber auch eine Auswirkung auf das Spleißen in eukaryotischen Zellen haben. So gibt es am Ende eines Exons Basensequenzen, die den Spleißvorgang begünstigen. Durch eine „stumme Mutation“ kann die Erkennungssequenz so verändert sein, dass sie als solche nicht mehr erkannt wird und der Spleißvorgang an dieser Stelle unterbleibt. Der zu translatierende Bereich wird demzufolge länger, das Protein ist verändert. Umgekehrt kann aber auch eine zusätzliche Spleißstelle entstehen, sodass das entstehende Protein verkürzt ist.Ebenso verändern stumme Mutationen die Faltstruktur der m-RNA, denn entgegen vieler vereinfachter Abbildungen, liegt die m-RNA nicht als Einzelstrang, sondern als spezifisch ge-faltete Raumstruktur vor. Durch komplementäre Basen nimmt das RNA-Molekül eine andere Raumstruktur ein. Die doppelsträngige m-RNA muss vor der Translation in einen Einzelstrang umgewandelt werden. Dies benötigt umso mehr Zeit, je kompakter und stabiler die m-RNA-Faltung ist. Nimmt dieser Vorgang eine längere Zeit in Anspruch, so beginnen die Enzyme des Zellplasmas damit, die m-RNA zu zerlegen. Demzufolge entstehen weniger Proteinmole-küle, da erstens einige m-RNA-Moleküle bereits vor der Translation zerstört werden, und da zweitens der gesamte Vorgang länger andauert. Läuft die Translation sehr langsam ab, kann es passieren, dass der schon translatierte Proteinabschnitt in die Tertiärstruktur übergeht, obwohl die Translation noch nicht beendet ist. Dies kann unter Umständen zum totalen Funktionsverlust des Proteins führen.

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    Proteinbiosynthese angewandt – Auf die Dosis kommt es an

    Codein wird in der Medizin als Schmerzmittel eingesetzt. Das Medikament wird im Körper durch ein Enzym zu

    Morphin umgesetzt, welches die schmerzstillende Wirkung hat (Abb. 1). Eine Codein-Gabe zeigt jedoch bei manchen Patienten im Vergleich mit einer direkten Gabe von Morphin kaum eine Wirksamkeit (Abb. 2). Als

    gegensätzliches Extrem treten bei manchen Patienten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Verstopfungen und

    Kopfschmerz auf. Eine Überdosierung kann sogar den Tod durch Atemstillstand auslösen.

    Andere Medikamentengruppen (z. B. viele Antidepressiva) zeigen sofortige Wirksamkeit, ohne zuvor in ein

    anderes Produkt umgesetzt zu werden, sie müssen aber durch Enzyme im Körper abgebaut werden.

    Für beide genannten Reaktionswege ist das Enzym CYP2D6 verantwortlich. Es hat zwei unterschiedliche Wirkungsweisen im menschlichen Körper und setzt Medikamente in eine wirksame, aktive Form um, ist aber

    auch für den Abbau anderer direkt aktiver Medikamente verantwortlich (Abb. 3). Da das Enzym CYP2D6 je

    nach Genotyp einer Person unterschiedlich codiert ist, hängt die Wirksamkeit eines Medikaments von der

    jeweiligen Allel-Kombination des Patienten ab.

    1 Katalyse von Codein zu Morphin 2 Versuch zur Schmerzlinderung

    3 CYP2D6-Genotypen und Konzentration eines aktiven Antidepressivums während der Abbauphase im Blutplasma

    1 Beschreiben Sie mithilfe von Abb. 1 und 2 die Wirksamkeit von Codein bei den zwei gezeigten Personengruppen und ziehen Sie eine Schlussfolgerung aus dem Versuchsergebnis.

    2 Erklären Sie den Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Genotypen und der durch die Abbaurate beeinflussten Konzentration des Medikaments. Erläutern Sie die Problematik (Abb. 3).

    3 Erörtern Sie mögliche Konsequenzen für die Verabreichung derartiger Medikamente.

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  • 164 Illustrator: Dr. Guido Hegasy, Hamburg

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Proteinbiosynthese angewandt – Auf die Dosis kommt es an

    Lösungen 1 Personen der Gruppe I zeigen bei Einnahme von Codein eine starke Schmerzlinderung. Dagegen weist die Personengruppe II, auch im Vergleich zur direkten Morphin-Gabe, kaum eine Schmerzlinderung bei Codein-Einnahme auf. Die direkte Morphin-Gabe dient als Kontrollversuch. Die direkte Gabe von Morphin reduziert in beiden Versuchsgruppen die Schmerzwahrnehmung. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Umsetzungsra-te von Codein zu Morphin bei der Versuchsgruppe II nur stark verlangsamt abläuft.

    2 Bei der Personengruppe A mit zwei defekten CYP2D6-Allelen wird das Enzym CYP2D6 fehlerhaft synthetisiert, sodass der Abbau des Antidepressivums stark verzögert abläuft. Personen der Gruppe B weisen ein intaktes und ein defektes Allel auf. Dadurch erfolgt der Abbau leicht verlangsamt. Die Personen der Gruppe C besitzen zwei intakte Allele. Der Abbau des Medikaments erfolgt bei einer Standard-Dosierung entsprechend der Erwartung. Personen der Gruppe D weisen eine Duplikation auf, d.h. diese Personen besitzen drei intakte Allele, sodass mehr funktionsfähige Enzyme synthetisiert werden. Daher wird das Medikament schneller als normal abgebaut. Problematisch ist also die unterschiedliche Wirksamkeit des Medikaments bei verschiedenen Personen. So kann es z.B. bei der Verabreichung einer Standard-Dosierung bei der Personengruppe A relativ schnell zu einer Überdosierung kommen, da das Medikament nicht schnell genug abge-baut wird. Bei Personen der Gruppe D ist das Medikament unter Umständen wirkungs-los, da es durch zu schnellen Abbau im Körper nicht zum Erreichen der erforderlichen Konzentration kommt.

    3 Bei der Dosierung von Medikamenten, die von körpereigenen Enzymen ab- oder umge-baut werden müssen, sollte zuvor der Genotyp der Patienten ermittelt werden, um die Dosierung individuell anzugleichen. Ebenso wäre es möglich auf andere Medikamente auszuweichen, die z. B. nicht durch ein solches Enzym umgesetzt oder abgebaut werden.

    Differenzierende Aufgabe

    Mögliche Alternative zu Aufgabe 2 des Arbeitsblatts zur BinnendifferenzierungDa die Aufgabe 2 des Arbeitsblatts relativ komplex und anspruchsvoll ist, bietet sich für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler eine vereinfachte Aufgabe an.

    1 Vervollständigen Sie die Tabelle zur Wirksamkeit von Medikamenten, die sofort bzw. erst nach Umsetzung wirken, für Personen mit unterschiedlichen Genotypen.

    CYP2D6-Allele

    Menge des aktiven Enzyms CYP2D6

    Medikament, das für die Wirksamkeit durch CYP2D6-Enzyme erst in einen anderen Stoff umgesetzt werden muss

    Auswirkungen bei der Gabe eines di-rekt aktiven Medikaments, das durch CYP2D6-Enzyme abgebaut wird

    Gefahr einer Überdosierung, starke Nebenwirkungen

    verminderte Menge an aktiven Enzymen

    erwartete Wirksamkeit

    Lösung1

    CYP2D6-Allele

    Menge des aktiven Enzyms CYP2D6

    Medikament, das für die Wirksamkeit durch CYP2D6-Enzyme erst in einen anderen Stoff umgesetzt werden muss

    Auswirkungen bei der Gabe eines di-rekt aktiven Medikaments, das durch CYP2D6-Enzyme abgebaut wird

    keine Enzymaktivität keine Wirksamkeit Gefahr einer Überdosierung, starke Nebenwirkungen

    verminderte Menge an aktiven Enzymen

    kaum wirksam stärkere Nebenwirkungen

    normale Menge an aktivem Enzym

    erwartete Wirksamkeit erwartete Wirksamkeit

    sehr hohe Menge an aktivem Enzym

    Gefahr einer Überdosierung, starke Nebenwirkungen

    eingeschränkte Wirksamkeit

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    Foto: Picture-Alliance (dpa/epa PA Margaret Mcfall-Ngai), Frankfurt

    Lichtschalter im Tintenfisch

    Der kleine Tintenfisch Euprymna scolopes wird nur ca. 3 cm groß (Abb. 1). Als nachtaktives Tier vergräbt er sich tagsüber im Sand

    und geht gegen Abend auf Beutesuche. Das Bakterium Aliivibrio

    fischeri bietet ihm dabei eine nahezu perfekte Tarnung. Die

    Einzeller werden von den Jungkalmaren kurz nach dem Schlüpfen

    aufgenommen und synthetisieren das Protein Luciferase, das

    durch eine Oxidationsreaktion an der Erzeugung von Licht beteiligt

    ist. Das Licht besitzt die gleiche Wellenlänge wie das Mondlicht

    und wird vom Tintenfisch nur nach unten abgestrahlt. Dadurch wirft 1 Tintenfisch Euprymna scolopes

    der Tintenfisch keinen Schatten und ist auf einer vom Mondlicht erleuchteten Wasserfläche kaum noch

    wahrnehmbar. Freilebende Bakterien leuchten nicht. Erst wenn sie vom Zwergtintenfisch aufgenommen

    werden und sich vermehren, setzt die Lichtabgabe ein, bis der Kalmar einen Großteil der Bakterien wieder ins

    Meerwasser entlässt (Abb. 3).

    2 Besiedelung des Leuchtorgans durch Bakterien 3 Bakterien im Leuchtorgan

    4 Lux-Operon (links: A.fischeri im freien Meerwasser, rechts: A.fischeri im Leuchtorgan des Tintenfisches)

    1 Beschreiben Sie gemäß den Abb. 1, 2 und 3 das Zusammenleben vom Tintenfisch E. scolopes und dem

    Bakterium A. fischeri.

    2 Erläutern Sie die Bedingungen, unter denen bei A. fischeri „Leucht-Gene“ an- und ausgeschaltet werden(Abb. 4).

    3 Vergleichen Sie das Lux-Operon mit dem Operon-Modell der Substratinduktion und erläutern Sie die

    Unterschiede.

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  • 166 Illustrator: Otto Nehren, Achern

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Lichtschalter im TintenfischLösungen 1 Die Bakterien A. fischeri werden an den Cilien des Jungkalmars gesammelt und über

    eine gerichtete Cilienbewegung zur Vorkammer transportiert. Von dort aus gelangen die Bakterien zum Leuchtorgan. Im Leuchtorgan des Tintenfisches vermehren sich die Bakterien tagsüber exponentiell. Nachts stagniert das Bakterienwachstum. In den frühen Morgenstunden gibt der Kalmar dann ca. 90 % der Bakterien wieder an das Meerwasser ab. Während der Tintenfisch tagsüber im Sand des Meeresbodens ruht, findet erneutes Bakterienwachstum statt.

    2 Das Lux-Operon ist ein dichteabhängiger Regulationsmechanismus. Im Zellplasma wer-den von der Autoinduktorsynthase stetig Autoinduktor-Moleküle synthetisiert, die in das Meerwasser diffundieren. Dort liegen sie so stark verdünnt vor, dass die Konzentration nicht messbar ist. Befinden sich die Bakterien jedoch im Leuchtorgan eines Kalmars, steigt die Konzentration stark an. Die Autoinduktor-Moleküle diffundieren nun auch von außen in die Bakterien hinein und binden an den sogenannten LuxR-Proteinen. Dieser Komplex bindet als Aktivator am Operator, sodass vermehrt die Strukturgene zur Herstel-lung von Luciferase transkribiert und translatiert werden.

    3 Beim Lux-Operon werden im Gegensatz zum Modell der Substratinduktion dauerhaft LuxR-, LuxI- und kaum Luciferase-Gene exprimiert. Wird jedoch die Konzentration des Autoinduktors erhöht, wirkt der LuxR-Autoinduktor-Komplex als Aktivator und erhöht die Synthese von Luciferase. Bedingt durch einen zweiten Promotor wirkt der Komplex aber auch als Inhibitor und zügelt die Synthese von LuxR, dargestellt durch einen gestri-chelten Pfeil. Das Produkt des Regulatorgens (LuxI) ist in diesem Fall also kein aktiver Repressor, der das Ablesen von Strukturgenen blockiert wie bei der Substratinduktion. Er beschleunigt vielmehr durch die Bindung mit dem Autoinduktor die Syntheseleistung bezüglich der Luciferase, andererseits verlangsamt er aber auch durch die Bindung am Operator (lux- Box) die Transkription des luxR-Gens.

    Differenzierende Aufgabe

    Tryptophan-Synthese als Alternativaufgabe zur BinnendifferenzierungFür leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler bietet sich die Möglichkeit, anstelle des Arbeitsblatts das Tryptophan-Operon (s. Schülerbuch S. 179) zu beschreiben und die unten aufgeführten Aufgaben zu bearbeiten.

    1 Deuten Sie den Kurvenverlauf der Konzentration des Enzyms 1(Trypt.) (Abb. 1 und 2).

    2 Erläutern Sie die biologische Bedeutung der Regulation der Tryptophansynthese.

    Gen1 Gen2 Gen3

    E1 E2 E3

    A B C Tryptophan

    1 Syntheseweg von Tryptophan bei Bakterien

    Lösung1 Ist kein Tryptophan vorhanden, so wird das Enzym 1 hergestellt, um Tryptophan über die

    Genwirkkette zu synthetisieren. Enzym 1 liegt demnach in einer höheren Konzentration vor. Wird die Aminosäure jedoch hinzugefügt, bindet Tryptophan am Repressor und akti-viert ihn. Die Strukturgene werden nicht mehr exprimiert, sodass auch das Enzym 1 nicht mehr hergestellt wird. Die Konzentration des Enzyms nimmt ab.

    2 Mit diesem Regulationsprozess wird einer Überproduktion an Tryptophan vorgebeugt. Ist die Aminosäure in einer ausreichenden Menge vorhanden, ändert der Repressor durch Bindung mit Tryptophan seine Konfiguration und blockiert die weitere Synthese. Auf diese Weise werden Stoffe genau nach Bedarf hergestellt, Energie wird eingespart und eine Ansammlung von Produkten wird verhindert.

    10 60 120

    Zugabe von Tryptophan

    Zeit (min)

    Kon

    zent

    rati

    on v

    on E

    nzym

    1(r

    el. E

    inhe

    it)

    2 Konzentration von Enzym 1

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    Epigenetische Mechanismen bei der Honigbiene

    Während sich die Arbeiterinnen eines Bienenstaats z. B. als

    Ammen um die Brut kümmern oder als Sammlerinnen Nektar

    und Pollen in den Stock schaffen, ist die Königin damit beschäf-

    tigt, Eier zu legen.

    Je nach der Nahrung, mit der die Bienenlarven gefüttert werden,

    entwickeln sie sich entweder zu Arbeiterinnen oder zur Königin.

    Zukünftige Königinnen werden mit einem Saft namens Gelée

    royale gefüttert, Arbeiterinnen erhalten ein Gemisch aus Pollen

    und Nektar. Die Aufnahme von Gelée royale bewirkt, dass an

    bestimmten Stellen der DNA Methylgruppen gebunden werden.

    Dadurch werden die Gene häufig weniger oder gar nicht mehr

    exprimiert. Dies bedingt letztlich die Unterschiede in Körperbau

    und Verhalten von Königin und Arbeiterinnen (Abb. 1).

    1 Auswirkung der Methylierung

    Arbeiterinnen machen im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Verhaltensänderungen durch. Mit 3 Tagen

    betätigen sich diese Bienen als Ammen. Es folgen später ganz unterschiedliche Aufgaben im Stock. Mit

    16 Tagen fliegen die Bienen dann aus und beginnen als Sammlerinnen auf Nahrungssuche zu gehen. Nun

    haben Forscher festgestellt, dass Sammlerinnen ihren „Beruf“ wieder wechseln und zu Ammen werden, wennman zuvor alle Bienenammen aus einem Stock entfernt (Abb. 2).

    2 Experiment zum unterschiedlichen Methylierungsmuster in verschiedenen „Berufen” der Honigbiene

    1 Beschreiben Sie eine Versuchsdurchführung, um nachzuweisen, dass die Entwicklung zur Königin bzw.zur Arbeiterbiene von der Ernährung der Bienenlarven abhängig ist (Abb. 1).

    2 Fassen Sie kurz das Experiment und die Ergebnisse zur Untersuchung der DNA-Methylierung bezüglichdes „Berufs“ der Bienen zusammen (Abb. 2).

    3 Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen DNA-Methylierung und „Beruf“ der Arbeiterinnen (Abb. 2).

    4 Nehmen Sie Stellung zur Aussage: „Das Methylierungsmuster der Biene wird durch die Umwelt bestimmt“ (Abb. 2).

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    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Epigenetische Mechanismen bei der HonigbieneLösungen 1 Um nachzuweisen, dass die Entwicklung zur Arbeiterin bzw. zur Königin ernährungsab-

    hängig ist, könnte man Bienenlarven die Nahrung künstlich verabreichen. Dabei sollten die Larven in zwei Gruppen geteilt werden, wobei eine Gruppe Pollen und Nektar erhält und die andere Gruppe mit Gelée royale gefüttert wird. Ist die Entwicklung der Honigbie-ne von der Ernährung abhängig, so sollten sich aus der Larven-Gruppe, die mit Gelée roy-ale gefüttert wurden, Königinnen und aus der anderen Gruppe Arbeiterinnen entwickeln.

    2 Forscher entfernten aus einem Bienenstaat die Hälfte der Brut und alle Ammen, die für die Versorgung der Eier und Larven zuständig sind. Es ließ sich feststellen, dass ein Teil der Sammlerinnen wieder zu Ammen wurden, wenn diese fehlten. In dem Bienenstaat ließ sich ein unterschiedliches Methylierungsmuster von Ammen und Sammlerinnen feststellen. Bienen jedoch, die erst als Sammlerinnen tätig waren, zeigten nach der Wiederaufnahme der Ammentätigkeit ein nahezu identisches Methylierungsmuster mit jungen ursprünglichen Ammen.

    3 Je nachdem, welcher DNA-Bereich methyliert ist, werden unterschiedliche Genprodukte hergestellt. Diese Genprodukte haben Auswirkungen auf das Verhalten der Biene. Deut-lich wird dieses beim „Berufswechsel“ von der Sammlerin zur Amme. Bienen, die Pollen und Nektar sammeln, besitzen an ganz bestimmten Stellen auf der DNA Methylgruppen. Liegen die Methylierungen in anderen DNA-Bereichen vor, zeigen diese Bienen das Ver-halten von Ammen und versorgen die Brut.

    4 Einerseits stimmt die Aussage, da die Ernährung bestimmt, ob sich aus einer Bienenlarve eine Königin oder eine Arbeiterbiene entwickelt. Die Veränderung des Methylierungs-muster bei einem „Berufswechsel“ der Biene (von Sammlerin zurück zur Amme) könnte jedoch auch durch das neue Verhalten ausgeprägt werden.Zusatzinformation: Sammlerinnen wird der Pollen und Nektar nach Ankunft im Stock von anderen Bienen abgenommen. Es wird diskutiert, ob eine längere Wartezeit bis zur Nahrungsabnahme der Auslöser für eine Änderung im Methylierungsmuster sein könnte.

    Praktische Tipps Hinweis für die UnterrichtsplanungDas Schulbuch bietet auf S. 183 eine gute Grundlage, um auch den generationsübergreifen-den Aspekt der Epigenetik zu besprechen. Es bietet sich an, mit den Schülerinnen und Schü-lern Überlegungen anzustellen, inwiefern sich diese Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragen lassen. In diesem Zusammenhang könnte beispielsweise diskutiert werden, ob die mütterliche Ernährung, Bewegung und Stress vor oder während der Schwangerschaft Auswirkungen auf die Gesundheit der Nachkommen haben könnten. Im Anschluss können verschiedene Filmsequenzen (s. Medienhinweis) gezeigt und diskutiert werden, in denen das Thema Epigenetik auf den Menschen bezogen behandelt wird. Medienhinweis: Quarks und Co: Mach was aus deinen Genen. WDR, 2017. 43:05 Min. https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/quarks-und-co/video-mach-was-aus-deinen-genen-100.html

    Zusatzinformation Die tropische Tigermücke in DeutschlandDie tropische Tigermücke stammt aus Südostasien. Infizierte Mücken können dabei eine Vielzahl von Krankheitserregern übertragen, die z. B. beim Menschen Dengue-, Zika- oder Gelbfieber verursachen. Seit 2011 wird diese Mückenart immer häufiger in Deutschland nach-gewiesen.Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ein epigenetischer Anpassungsmechanismus es den Tieren ermöglicht, schlagartig mit der kalten Jahreszeit zurechtzukommen. Ein For-scherteam konnte durch die Gabe von Vinclozolin (ein Fungizid) und Genestein (ein Pflan-zenhormon) die Frostresistenz der Mückeneier deutlich erhöhen. Beide Substanzen haben Auswirkungen auf das Methylierungsmuster der DNA. Es wäre möglich, dass bestimmte Um-weltfaktoren, wie z. B. Pflanzenschutzmittel, eine Änderung der Methylierung an der DNA der Tigermücken hervorgerufen haben. Dies kann bei der sonst kälteempfindlichen Mücke für eine Frostresistenz sorgen, wenn eine Acetylierung bzw. Demethylierung von DNA-Bereichen dazu führt, dass Bereiche mit Auswirkungen auf Kälteschutzmechanismen verstärkt tran-skribiert und translatiert werden. Alternativ könnte eine Methylierung der DNA an regula-torischen Stellen, die die Genexpression von „Frostschutzgenen“ hemmen, diese Inhibitoren inaktiv werden lassen, sodass diese Gene verstärkt exprimiert werden. Da das erworbene Methylierungsmuster auf die folgende Generation übertragen werden kann, besitzen dann auch die Nachkommen der Tigermücke einen Kälteschutz. Die erhöhte Frostresistenz würde so die schnelle Verbreitung dieser tropischen Mücke in Deutschland erklären.

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    Der Ames-Test

    Bei der Herstellung von Kartoffelchips werden Kartoffelscheiben geröstet,

    um ihnen mit den sogenannten Röstaromen den typischen Geschmack zu

    verleihen (Abb. 1). Sieht man sich die Chips genauer an, sind oftmals kleine

    schwarze Stellen erkennbar, an denen Verbrennungen stattgefunden

    haben. Durch diesen Verbrennungsprozess entstehen reaktive Produkte,

    wie z. B. Nitrosamine. Gelangen diese Nitrosamine über den Magen-

    Darmtrakt in die Körperzellen, können sie dort die DNA verändern, was

    wiederum zu unkontrollierten Zellteilungen führen kann. Nitrosamine sind

    mutagene Substanzen, die Krebs auslösen können.

    Um Mutagene nachzuweisen, kann der Ames-Test durchgeführt werden.

    Bei diesem Testverfahren nutzt man Mangelmutanten des Bakteriums

    Salmonella typhimurium, die die Fähigkeit verloren haben, die Aminosäure

    Histidin herzustellen (Abb. 3). 1 Kartoffelchips mit Röststellen

    2 Veränderungen von Guanin durch Einwirkung von Nitrosaminen nach der Replikation

    1 Vergleichen Sie die Strukturformeln von Guanin und

    Methylguanin (Abb. 2).

    2 Erläutern Sie mithilfe von Abb. 2 die Entstehung einer

    Krebszelle aufgrund von Nitrosaminen.

    3 Planen Sie den Ablauf und die Auswertung des

    Ames-Tests am Beispiel von Kartoffelchips.

    4 Beschreiben Sie unter Verwendung von Abb. 3, wie

    ein Kontrollversuch zur Mutagenität von Stoffen im

    Ames-Test aussehen müsste und inwiefern er

    ratsam ist.

    3 Ames-Test

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  • 170

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Der Ames-TestLösungen 1 Das Grundgerüst ist gleich gebaut. Der Unterschied zwischen den beiden Basen besteht

    darin, dass am Methylguanin eine CH3-Gruppe angelagert ist. Daraus resultiert das Feh-len einer Wasserstoffbrücke.

    2 Durch Nitrosamine ist die Base Guanin methyliert worden. Im Gegensatz zu Guanin kann Methylguanin nur zwei Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden. Im Falle einer Replikation lagert sich an dieser Stelle Thymin statt Cytosin an. Erfolgt diese Mutation beispielsweise in einem DNA-Bereich, der die Zellteilung kontrolliert, kann eine Krebszel-le entstehen, die sich dauerhaft unkontrolliert teilt.

    3 Teile von Kartoffelchips mit Röststellen werden zerkleinert und auf eine Petrischale mit einem Nährmedium, das kein Histidin enthält, aufgetragen. Anschließend werden die Mangelmutanten, die kein Histidin herstellen können, hinzugefügt. Nach einiger Zeit im Wärmeschrank wird das Bakterienwachstum kontrolliert. Je mehr Bakterienkolonien sichtbar sind, desto mutagener muss die zu überprüfende Substanz sein, in diesem Falle das Nitrosamin in Kartoffelchips. Die in den Chips enthaltenen Nitrosamine könnten Veränderungen in der DNA der Bakterien bewirken, sodass u. a. zufällig Rückmutationen entstehen, die es den Bakterien erlauben, wieder eigenständig Histidin zu synthetisieren. Auf der Petrischale ohne Histidin sind also Bakterienkolonien zu sehen.

    4 Als Kontrollversuch wird parallel eine Petrischale ohne Kartoffelchips-Suspension oder Chips ohne Röststellen mit Bakterien beimpft. Diese Schale darf nach der Inkubationszeit kaum Bakterienkolonien aufweisen. Ein Kontrollversuch sollte stattfinden, um erstens mögliche Verunreinigungen (mit Histidin-Anteilen) des Minimalmediums auszuschließen und zweitens, um die Anzahl möglicher Spontanmutationen abschätzen zu können.

    Praktische Tipps Möglicher StundeneinstiegZum Stundeneinstieg kann der Satz: „WAS TUT DER AAL AUF DEM EIS?“ als Tafelanschrieb festgehalten werden. Anschließend werden Buchstaben in diesem Satz ausgetauscht, einge-fügt oder entfernt. Auf diese Weise lassen sich die unterschiedlichen „Mutationen“ veran-schaulichen. Anhand des Tafelbildes können die entsprechenden Fachbegriffe eingeführt werden, indem die unterschiedlichen Veränderungen im „Triplett“-Muster überprüft werden.

    WAS TAT DER WAL AUF DEM EIS?Dieser Satz kann verändert werden zu:

    WAS TAT DER AAL AUF DEM EIS?WAS TUT DER WAL AUF DEM EIS?WAS TAT DEN WAL AUF DEM EIS?WAS TAD ERW ALA UFD EME IS?WAA STA TDE RWA LAU FDE MEI S?

    Hinweis zum ArbeitsblattDie Aufgaben 3 und 4 vom Arbeitsblatt können auch alternativ zusammen mit den Aufgaben 4, 5 und 6 aus dem Schülerbuch, S. 186 in Form einer arbeitsteiligen Gruppenarbeit gelöst werden.

    Mutationen in Körper- und KeimbahnzellenMutationen in Keimbahnzellen sind von Mutationen in somatischen Zellen zu unterscheiden. Schülerinnen und Schülern sind häufig die unterschiedlichen Auswirkungen zwischen Muta-tionen in Körper- und Keimbahnzellen nicht ganz klar. Es bietet sich daher an, eine Aufgabe zu dieser Problematik zu stellen (s. Differenzierende Aufgabe).

    Differenzierende Aufgabe

    Mutationen in Körper- und Keimbahnzellen Aus den Keimbahnzellen entstehen die Eizellen oder Spermien. Mutationen können in allen Zellen auftreten. Es besteht jedoch ein Unterschied, ob Keimbahnzellen oder Körperzellen von einer Mutation betroffen sind.

    1 Stellen Sie den Unterschied zwischen Mutationen in Körper- und Keimbahnzellen dar.

    Lösung1 Mutationen, die in Körperzellen entstehen, werden nicht an die nächste Generation ver-

    erbt. Mutationen die in Keimbahnzellen auftreten, werden jedoch an die Nachkommen weitergeben.

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    Es müssen nicht immer Mutationen sein, die Krebs auslösen

    Für die Entstehung von Krebs gibt es unterschied-

    liche Ursachen. Proto-Onkogene sind Gene, die die

    Zellteilung fördern. Findet in diesen Proto-Onkogenen

    eine Mutation statt, kann es zu dauerhaften Zellteilun-

    gen kommen. Das Proto-Onkogen wird zu einem

    Onkogen (Krebs-Gen). Gene, die die Zellteilung

    unterdrücken, werden Tumor-Suppressorgene

    genannt. Veränderungen können hier die Hemmung

    der Zellteilung aufheben, sodass sich die Zelle

    dauerhaft teilt (Abb. 1). Veränderungen, die Krebs

    hervorrufen, müssen dabei nicht zwangsläufig die

    Basenabfolge der DNA betreffen.

    Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das 1 Regulation der Zellteilung

    Anheften von Methylgruppen durch Enzyme die Transkription von Genen blockiert. Umgekehrt fördert eine

    Demethylierung die Aktivität von Genen (Abb. 3). Diese epigenetischen Mechanismen können von Umwelt-

    faktoren beeinflusst werden und sind erblich. Der Vergleich von Rauchern und Nichtrauchern zeigte beispiels-

    weise, dass sich die Methylierung von über 1000 Genen unterschied. Zu diesen Genen zählten auch Gene, die

    die Entstehung von Krebs beeinflussen.

    2 Entstehung von Krebs

    3 Mechanismus zum An- und Ausschalten von Genen 4 Krebs auslösende Faktoren

    1 Beschreiben Sie für Heilungsprozesse, z. B. nach einer Schnittverletzung, die Regulation der Zellteilung mithilfe von Abb. 1.

    2 Stellen Sie den Verlauf einer Tumorentstehung anhand von Abb. 2 dar.

    3 Ordnen Sie für den Fall, dass Krebs durch Zigarettenrauch ausgelöst wird, den Genen in Abb. 3 jeweils die Begriffe „Proto-Onkogen“ und „Tumor-Suppressorgen“ zu. Begründen Sie Ihre Zuordnung.

    4 Stellen Sie dar, wie sich das Risiko, an Krebs zu erkranken, minimieren lässt (Abb. 4).

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    Illustratoren: Otto Nehren, Achern;Dr. Guido Hegasy, Hamburg

    Grafik neu von Hr. Hegasy S760_049003_171_02.eps

    je 165 x 42 mm

    Metastasenbildung

    Tumor

    Krebszelle

    Blutgefäß

    A B C

    neues Blutgefäß

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  • 172 Illustrator: Dr. Guido Hegasy, Hamburg

    3. 2 Molekulargenetik

    ARBEITSBLATT Es müssen nicht immer Mutationen sein, die Krebs auslösen

    Lösungen 1 Sind Zellschichten durch eine Schnittwunde beschädigt worden, werden Wachstums-faktoren freigesetzt. Diese binden an einem Membranrezeptor. Dadurch wird innerhalb der Zelle eine Enzymkaskade aktiviert, die die Transkription und Translation von Genen bewirkt, die die Zellteilung einleiten. Sind genügend neue Zellen vorhanden, wird dieser Vorgang durch die Aktivität von Genen, die die Zellteilung hemmen beendet.

    2 Durch eine Mutation in der DNA teilt sich eine Zelle dauerhaft. Auch das äußere Er-scheinungsbild der Zellen verändert sich. Es entsteht eine Zellanhäufung (Tumor) mit entarteten Zellen. Zudem entstehen neue Blutgefäße, die die Tumorzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Diese wachsen in das Tumorgewebe hinein. Gelangt eine der entarteten Zellen in die Blutbahn, so wird sie zu anderen Organen transportiert. Es entstehen Metastasen.

    3 Die Giftstoffe im Zigarettenrauch könnten das Enzym Methyltransferase aktivieren. Die-ses Enzym katalysiert die Anlagerung von Methylgruppen an die DNA. Wird beispielswei-se ein Tumor-Suppressorgen methyliert, so kann es nicht mehr transkribiert werden und verliert seine Funktion Zellteilungen zu hemmen (Abb. 3, Fall A). Möglich ist auch, dass die Demethylase durch Giftstoffe im Tabakrauch aktiviert wird und Methylgruppen von Proto-Onkogenen entfernt, sodass diese schneller abgelesen und transkribiert werden (Abb. 3, Fall B). Beide Prozesse fördern die Entstehung von Krebs.

    4 Individuelle Lösung. Das Risiko an Krebs zu erkranken lässt sich minimieren. So sollte man sich z. B. vor dem Sonnenbad mit einer hauttypgerechten Sonnencreme eincremen. Eine gesunde Ernäh-rung beugt ebenfalls einer Krebserkrankung vor. Auf das Rauchen von Zigaretten und auf das Trinken von Alkohol sollte verzichtet werden. An Arbeitsstellen mit erhöhter Schad-stoffbelastung sollten beispielsweise Schutzkleidung und Atemmaske getragen werden. Liegt eine genetische Disposition vor, ist es ratsam regelmäßig eine Krebsvorsorgeunter-suchung durchführen zu lassen.

    Differenzierende Aufgabe

    Die Bisulfit-Methode In vielen Krebszellen lassen sich Abweichungen in der DNA-Methylierung nachweisen. Die Methylierung der DNA findet meist an Cytosin-Phosphat-Guanin (CpG)-Einheiten statt. Tritt Cytosin also in direkter Nachbarschaft zu Guanin in der DNA auf, kann das 5. Kohlenstoffatom des Cytosinrings (5mC) methyliert werden. Da CpG-Einheiten besonders häufig im Bereich der Promotoren zu finden sind, werden durch die Methylierung oder Demethylierung dieser Bereiche die Gene an- oder abgeschaltet. Sind dabei Gene betroffen, die die Zellteilung hemmen oder fördern kann es zu Fehlregulationen in der Zellteilung kommen.

    Unter Einwirkung von Bisulfit lässt sich Cytosin in Uracil umwandeln, methyliertes Cytosin bleibt jedoch unverändert.

    Analysieren Sie die Abbildung und erläutern Sie die Bisulfit-Methode im Hinblick auf die Früherkennung einer möglichen Krebserkrankung.

    LösungDurch Zugabe von Bisulfit wird unmethyliertes Cytosin in Uracil umgewandelt. Nach der PCR erscheint durch Anlagerung komplementärer Basen an diesen Stellen letztendlich Thymin. Nach der Sequenzierung erfolgt ein Abgleich mit der ursprünglichen Basensequenz. An Stel-len, an denen Cytosin wie in der ursprünglichen DNA auftritt, ist die DNA methyliert.Wird beispielsweise ein Ausschnitt der Promotorsequenz eines Tumor-Suppressorgens mit-tels dieser Methode untersucht, so lässt sich anhand der abschließenden Sequenzierung des DNA-Bereiches bestimmen, ob ein Hinweis auf einer möglichen Krebserkrankung vorliegt. Zeigt sich nach der Sequenzierung Cytosin an den gleichen Positionen, so ist dieser DNA-Bereich methyliert. Damit verliert das Gen seinen hemmenden Einfluss auf die Zellteilung.

    Sequenzierung, Abgleich mit Ausgangs-DNA

    Denaturierung und Zugabe von Bisulfit

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    PCR

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  • 173© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2020 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen

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    Illustrator: Otto Nehren, Achern

    Mondscheinkinder

    UV-Strahlen können in Hautzellen Mutationen auslösen. Häufig verbinden

    sich durch die ultraviolette Strahlung zwei Thyminbasen (Abb. 1). Es

    entstehen Thymin-Dimere, die die Replikation der Zellen stören und zu

    Krebs führen können. Ein Reparatursystem im Zellkern behebt in der

    Regel derartige Schäden (Abb. 2).

    Xeroderma pigmentosum (XP) ist eine seltene genetisch bedingte

    Krankheit, bei der die Betroffenen sehr empfindlich auf Sonnenstrahlen

    reagieren. Betroffene Personen verlegen daher ihre Aktivität meist in die

    Nacht. Umgangssprachlich werden sie auch �