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Auf dieser Folie werden die Lernziele der folgenden Folien im Rahmen

dieser Lehreinheit dargestellt. Es gilt, zunächst die Hindergründe der

ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung und –analyse zu verstehen. Hier

werden die digitalen Menschmodelle schwerpunktmäßig eingesetzt und

hieraus ergeben sich die wesentlichen Anforderungen an die Modelle. In

diesem Zusammenhang wird besonders auf die Bedeutung der Körpermaße,

wie in der Anthropometrie behandelt werden, sowie der Bewegungen, wie sie

primär von der Biomechanik modelliert werden, abgehoben. Aus den

Anforderungen und Möglichkeiten wurden dann erste Menschmodelle

entwickelt, hierzu werden die Hindergründe der Modellierung erläutert. Ziel

ist es, diese kennen zu lernen und zu verstehen. Ein wesentlicher Anteil

besteht dann in der Vorstellung einer praktischen Anwendung zum Einsatz

eines Digitalen Menschmodells in der Arbeitsplatzgestaltung und –analyse.

Dabei wird auf das praktische Vorgehen zur Durchführung von Sicht-,

Reichweiten- und Komfortanalyse eingegangen. Schließlich ist Ziel, nach

dieser Lerneinheit die aktuellen Möglichkeiten und Beschränkungen Digitaler

Menschmodelle für die Anwendung zu verstehen und entsprechend bei den

eigenen Arbeiten umzusetzen.

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Hintergrund der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung ist die Optimierung

des räumlichen Layouts des Arbeitsplatzes hinsichtlich der Sichtbarkeit,

Reichweite, Kraft, Halt und und Komforts der jeweiligen Benutzer. Bei der

Optimierung werden die unterschiedlichen arbeitswissenschaftlichen

Kriterien zugrunde gelegt. Wie aus vorangegangenen Vorlesungen (AW1:

Lehreinheit 11 - Produktergonomie und Usability Engineering) bekannt ist,

handelt es sich dabei um die Ausführbarkeit (Erreichbarkeit von Stellteilen,

Sichtbarkeit von Instrumenten), die Schädigungslosigkeit (Berücksichtigung

von Maximalkräften, Vermeidung schädlicher Körperhaltungen und

Überbeanspruchung), Beeinträchtigungsfreiheit (Komfort, Optimierung des

Informationsflusses) und schließlich die Persönlichkeitsentfaltung

(Designfragen, Individualisierung des Informationsflusses).

Benutzer, auf die im Wesentlichen in der heutigen Praxis abgezielt wird, sind

die Fahrzeugführer und –insassen, sowie Konstruktions- und

Wartungsarbeiter. Dies liegt in der Historie der Menschmodelle begründet.

Sie wurden primär zur Fahrzeuggestaltung, bzw. zur Gestaltung von

Arbeitsplätzen in der Montage und Produktion entwickelt. Heute ist der

Anwendungsbereich weiter ausgedehnt und digitale Menschmodelle werden

für sämtliche Arbeitsplätze (d.h. auch Büroarbeitsplätze und Anwendungen in

der Sportwissenschaft/Medizin) eingesetzt. Im Rahmen dieser Lehreinheit

wird sich jedoch auf die Arbeitsplatzgestaltung bezogen; benachbarte

Bereiche werden behandelt, soweit sie zu diesem Verständnis dienen.

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Hier wird als konkreter Anwendungsfall dargestellt. Dabei handelt es sich um ein Konzept eines geplanten europäischen Mittelstreckenflugzeugs. Als zwei wesentliche Themengebiete sind hier die Anthropometrie, die sich primär mit den stationären Gegebenheiten, und die Biomechanik, die sich primär mit den dynamischen und kinematischen Gegebenheiten befasst, unterschieden. Diese Unterteilung hat historische Gründe und in den folgenden Folien werden beide Begriffe detailliert erläutert,

Bezüglich der Anthropometrie ergeben sich Fragestellungen zur Sichtbarkeit. Dies beinhaltete die Außensicht, insbesondere bei Landung muss die Runway für den Piloten und Co-Piloten sichtbar sein. Dies wird überprüft, indem der Anstellwinkel des Flugzeugs während des Landeanflugs und eine Position der Piloten mit den Augen im theoretisch angenommenen sog. Design Eye Point (DEP) angenommen werden und dann die Sichtbereiche überprüft wird. Bei gleicher Position werden dann die Sichtbarkeiten der Anzeigen überprüft. Probleme können sich hier durch Verdeckungen (durch Steuerhorn, Sidesticks, oder aber auch durch eigene Körperteile / Hand & Arme) ergeben. Insbesondere die letztgenannten Verdeckungen durch eigene Körperteile sind ohne Zuhilfenahme ergonomischer Hilfsmittel wie z.B. digitaler Menschmodelle häufig erst in späteren Gestaltungsphasen erkennbar – und dann sind Änderungen in Form von Verschiebungen der Instrumente an alternative Positionen im Cockpit nur mit großem Aufwand möglich. Die Sichtbarkeit von Anzeigen ist häufig wesentlich für die Ausführbarkeit der jeweiligen Aufgabe.

Gleiches gilt offensichtlich für die Erreichbarkeit von Bedienelemente . Bei der Sitzposition mit Augen im DEP müssen wichtige Bedienelemente erreichbar sein. Neben maximalen Reichweiten betrifft dies auch Behinderungen durch störende Elemente; dies tritt bei dem auf der Folie gezeigten Beispiel seltener auf, ist bei Montage oder gar Wartungsarbeitsplätzen jedoch sehr häufig der Fall.

Ferner beinhaltet die statische Gestaltung auch die Stellkräfte bei der Benutzung der Stellteile. Entsprechend der Funktion und der Häufigkeit der Benutzung sind die Stellteile hinsichtlich der jeweils erforderlichen Bedienkräfte (ergeben sich z.B. aus Reibungswert, Rückstellkraft zu Nullpunktzentrierung, Trägheit) ausgelegt.

Schließlich werden Haltung- und Komfortanalysen hinsichtlich der höheren ergonomischen Kriterien (Schädigungslosigkeit und Zumutbarkeit) durchgeführt. Hierbei wird sich schon auf die Häufigkeit und Dauer von Arbeiten an diesem Arbeitsplatz bezogen. Moderne Arbeitsplätze wie z.B. in der Innenraumgestaltung berücksichtigen dabei auch dynamische Haltungsänderungen auf der Basis biomechanischer bzw. biokinematischer Verhältnisse.

Dies leitet zur Biomechanik über, die sich primär mit den dynamischen Verhältnissen beschäftigt. Hierbei werden dynamische Haltungsänderungen und ihre Auswirkungen auf Sicht und Erreichbarkeit analysiert. Diese Betrachtungen sind ohne entsprechende Hilfsmittel nur noch durch praktische Erhebungen durchführbar. In diesem Zusammenhang gilt allgemein, dass solche Usability-Studien unter Beteiligung realer Menschen noch stets zur finalen Analyse und Evaluation eines Entwurfs eingesetzt werden; durch die ergonomischen Hilfsmittel wie z.B. die digitalen Menschmodelle kann die Anzahl dieser zeit- und kostenintensiven Experimente minimiert werden. Sie vollständig zu ersetzen wird auch zukünftig nicht möglich sein.

Dies gilt bei der Auslegung von Flug- und Fahrzeuginnenräumen für Untersuchungen zum Crashverhalten noch stärker. Praxisexperimente sind hier nicht möglich. Reale Crashversuche mit Dummies sind sehr zeit- und kostenintensiv und werden. Virtuelle Versuche zum Crashverhalten können damit die Insassensicherheit wesentlich erhöhen.

Bildquelle: Airbus, Hamburg

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In abgewandelter Form gelten auch beim Design von Raumfahrzeugen wie

dem Space Shuttle die gleichen ergonomischen Kriterien. Hierbei ist das

Benutzerkollektiv jedoch meist kleiner, dafür ist die Nutzungsdauer aber

deutlich höher (Space Shuttle: Mai 2010; Nachfolger: Crew Exploration

Vehicle (CEV), jetzt: Orion-Raumschiff ab 2014). Es ergeben sich auch

höhere Anforderungen an die Gestaltung, da hohe Kräfte (Start/Landung)

bzw. Schwerelosigkeit auftreten. Außerdem besteht kein Vordesign, so dass

bei der Gestaltung nur auf Erfahrungen aus dem Avionikbereich und nicht

dem Raumfahrtbereich zurückgegriffen werden konnte.

Quelle: NASA Ames Research Center, Moffett Fields, CA

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Joint Aviation Authorities (JAA): Zusammenschluss der zivilen Luftfahrtbehörden aus 34 europäischen Ländern mit dem Ziel der Regelung der Luftfahrt. Regeln wurden in nationales Recht überführt und von Behörden (z.B. Luftfahrtbundesamt / LBA in Deutschland) überwacht. Ziel ist die Durchsetzung hoher Sicherheitsstandards und Harmonisierung der Regelung in Europa, sowie eine Harmonisierung mit den Regeln der FAA (Federal Aviation Requirements) der USA. Hierzu veröffentlichte die JAA entsprechende Regularien (Joint Aviation Requirements, JAR). Von besonderer Bedeutung für die Konstruktion ist der Bereich der Airworthiness, in welchem die Zertifizierung geregelt ist. Darunter fallen auch die Aerospace Recommended Practices (ARP), welche konkrete Anforderungen an Flugzeuge stellen. Es ist geplant, die JAA in die Europäische Agentur für Flugsicherheit (European Aviation Safety Agency; EASA) zu überführen. Die EASA hat die Aufgabe, einheitliche und hohe Standards für Sicherheit und Umweltschutz auf europäischer Ebene zu erstellen und zu überwachen. Hierzu gibt sie auch Zulassungsvorschriften (Certification Specification, CS) heraus.

Die Federal Aviation Administration (FAA) ist die US-amerikanische Flugaufsichtsbehörde. Sie erlässt Sicherheitsvorschriften und Richtlinien (Federal Aviation Regulations, FAR) zum Flugverkehr der USA. Diese beziehen sich, wie auch die JARs auf Flugzeuggestaltung, -organisation, Personalanforderungen etc.

Konkreter sind die DIN/ISO-Normen, die entweder national, europäisch oder international gelten. Sie gelten als Regeln der Technik. Hier werden konkrete Angaben zu den Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsplätzen gemacht (DIN EN ISO 6385:2004-05: Grundsätze der Ergonomie für die Gestaltung von Arbeitssystemen; EN ISO 7250 Wesentliche Maße des menschlichen Körpers für die technische Gestaltung; DIN EN 614 : Sicherheit von Maschinen - Ergonomische Gestaltungsgrundsätze; …). In die gleiche Sparte fallen auch die Normen des Verbands deutscher Ingenieure (VDI). Auch die Verwaltungsvorschriften der Berufsgenossenschaften gilt es, bei besonderen Arbeitsplätzen zu berücksichtigen.

Von ähnlich hohem Detailgrad sind die Normen der SAE für den Fahrzeugbau. Sie gelten primär für den US-amerikanischen Raum, werden aber aufgrund des Marktes auch bei weiteren Produkten und Fahrzeugen berücksichtigt. Auch hier finden sich konkrete Angaben zur sicheren und ergonomischen Auslegung von Fahrzeugen.

In der Praxis sind besonders die Vordesigns und konzernspezifischen Designs von Bedeutung. Ein komplettes Neudesign von Fahrzeugen findet selten statt. In der Regel bestehen neben den Normen und Richtlinien bereits Rahmenbedingungen des vorangegangenen Designs, bzw. Erkenntnisse aus Vorgängermodellen. Der Einsatz digitaler Menschmodelle findet deshalb stets auf Basis eines bereits bekannten Entwurfs fest. Iterativ werden dann Änderungen eingeführt und dann die positiven oder negativen Auswirkungen mit dem Modell evaluiert. Als Beispiel für ein solches Vorgehen ist hier rechts die Airbus-Cockpitfamilie abgebildet – sie reicht vom A300, bzw. A310 über den A320, A330 und A340 zum A380. Wesentliche Elemente wie Instrumentenposition und (später) Sidestick wurden beibehalten und nur geringfügig abgeändert. Durch den Aufbau auf Vordesigns ist es möglich, Erfahrungen aus der Praxis mit ähnlichen Cockpits oder Arbeitsplätzen zu berücksichtigen und Wiederholungsfehler einzuschränken.

Der Grundtenor der Normen und Richtlinien ist jedoch stets, dass es sich hierbei um Mindestvoraussetzungen handelt, von denen bei Verbesserungen abgewichen werden kann und soll. Ein Hilfsmittel wie ein digitales Menschmodell soll es also nicht nur ermöglichen, das Einhalten der Normen und Richtlinien zu überprüfen, sondern darüber hinaus auch Funktionalität zum Entwurf von Verbesserungsalternativen und zur abschließenden Überprüfung des Entwurfs.

Quellen Bilder: (A310, A320, A330: www.aerospace-technology.com; A380:www.spiegel.de)

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Die ergonomische Gestaltung eines Fahrzeugs oder eines Arbeitsplatzes erfordert die Berücksichtigung der menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt bei der Systementwicklung. Außerdem sind häufig mehrere Schritte erforderlich, also ein aufwändiges Trial-and-Error Verfahren. Ziel dabei ist es, den zukünftigen Benutzer zu modellieren, da eine Einbeziehung von realen Personen oder gar späteren Benutzern (z.B. Piloten) zeit- und kostenaufwändig ist.

Dies bedeutet, dass unterschiedliche relevante Aspekte des Menschen modelliert werden müssen. Der Mensch ist jedoch ein sehr komplexes Wesen. Ein umfassendes Modell des Menschen besteht noch nicht, stattdessen sind Teilaspekte modelliert. Diese Modelle werden neben der Produkt- und Arbeitsplatzgestaltung zur Modellierung und Simulation von Mensch-Maschine-Systemen in der Arbeitswissenschaft, in Ausbildung und Training und zur Prozessplanung eingesetzt. In die rechnergestützte Menschmodellierung (die aufgrund der Bedeutung von CAD/CAM ebenfalls weit verbreitet ist), werden heute Aussehen und Illustration des Menschen (Animation und Präsentation der Ergebnisse), Anthropometrie (Körpermaße), Biomechanik (Bewegungen) und Zuverlässigkeit (Arbeitsabläufe) eingesetzt. Psychologische Aspekte oder spezielle Zusammenhänge der Psychophysik werden seltener modelliert; diese werden meist von Designern z.B. bei der Farbgestaltung berücksichtigt. In speziellen Anwendungen, besonders bei Ausbildung und Training werden zudem Anatomie und Physiologie modelliert.

Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung werden wir aufgrund der praktischen Bedeutung für die Arbeitswissenschaft auf die Anthropometrie, Biomechanik und (teilweise) Zuverlässigkeit fokussieren.

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Oben aufgeführt sind die Definitionen der Anthropometrie und Biomechanik. Beide

Bereiche sind für die räumliche Gestaltung von Arbeitsplätzen und

Fahrzeuginnenräumen von zentraler Bedeutung.

Insbesondere die Anthropometrie besitzt weitreichende historische Wurzeln, die

insbesondere in den Künsten liegen (Malerei, Architektur). Teilweise wurden

menschliche Maße auch als Maß eingesetzt (z.B. Feldrute, Zoll, Inch, Elle). Die

Anthropometrie ist dabei eine eigenständige Wissenschaft, die sich nicht nur mit

anwendungsrelevanten Maßen beschäftigt, sondern deren Maße sich für ein breites

Spektrum an Anwendungen (u.a. Archäologie, Forensik) eignen. Sie stellt für die

Arbeitsplatz- und Produktgestaltung ein breites Methoden- und Dateninventar zur

Verfügung, das teilweise Eingang in technische Hilfsmittel (d.h. Schablonen)

gefunden hat.

Die Wurzeln der Biomechanik reichen weniger weit zurück. Sie entwickelte sich

zusammen mit der Mechanisierung und Industrialisierung. Wesentlichen Einfluss

auf die Biomechanik besaß die Aufnahme bewegter Bilder. In ersten Studien

wurden Bewegungsabläufe von Tieren (Pferde), bzw. militärische Haltungen

bildweise analysiert. Allerdings erfordert die Bewegungssimulation neben der

zugrundeliegenden mathematischen Methodik aufgrund häufig fehlender

analytischer Lösungen hohe Rechenleistungen. Diese wurden erst in der näheren

Vergangenheit verfügbar. Heute ist ein Haupt-Anwendungsbereich der

biomechanischen Modelle die Crash-Simulation bei der Fahrzeugsicherheit, bzw.

die Modellierung von Bewegungen in der Sportwissenschaft.

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In den entsprechenden Normen finden sich anthropometrische Dimensionen

in der Art, dass für jedes Körpermaß zunächst Körperhaltung, Messstrecken

(und Messpunkte am Körper), sowie Messinstrumente genauestens definiert

und beschrieben sind. Dies ist zur konsistenten und reproduzierbaren

Datenerhebung unbedingt erforderlich. Die jeweiligen Messwerte werden

dann für 5., 50. und 95. Perzentil, geteilt nach Geschlecht, angegeben. Das

Perzentil gibt dabei an, wie viel Prozent der gemessenen Stichprobe ein Maß

unterschreiten. Dementsprechend gilt das 5. Perzentil als ein Maß für kleine

Personen (da ja nur 5% kleiner sind), das 50. Perzentil als mittleres Maß,

bzw. Median (da 50% kleiner sind) und das 95. Perzentil als Maß für große

Personen (da ja 95% kleiner sind). Es ist unbedingt zu beachten, dass keine

Personen existieren, die einen konstanten Perzentilwert besitzen.

Zur praktischen Auslegung und zum Design von komplexen Arbeitsplätzen

sind die Tabellen jedoch sehr unhandlich. Insbesondere die korrekte Auswahl

und Zusammenstellung der jeweils relevanten Maße erfordert hohes

Fachwissen. Ein iteratives Vorgehen ist nur schwer möglich.

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Ein erster Schritt in Richtung der Erhöhung der praktischen Verwendbarkeit

war die Entwicklung der Zeichenschablonen. Sie konnten vom Konstrukteur

in seiner technischen Zeichnung am Zeichenbrett direkt verwendet werden.

Sie waren in unterschiedlichen Maßstäben, teilweise für Mann und Frau,

sowie 5., 50. und 95. Perzentil getrennt als Schablone verfügbar.

Der Bosch-Schablone (links) lag ein Skelettmodell mit Stäben und

Punktgelenken zugrunde. Sie konnte ähnlich wie technische Schablonen

verwendet werden und ermöglichte so auch dreidimensionale

Betrachtungen. Allerdings ist über die Umrechnung der Anthropometriedaten

in die Schablonenwerte kaum etwas bekannt; auch ist die Schablone sehr

einfach gehalten und berücksichtigt keine speziellen Gelenkformen oder gar

Haltungen. Zudem ist die Bosch-Schablone uni-geschlechtlich und

berücksichtigt keine geschlechtsspezifischen Unterschiede.

Die Kieler Puppe (Mitte) hingegen ist nur in der Seitenansicht verfügbar; die

Draufsicht hat sich in der Praxis kaum durchgesetzt. Sie beinhaltet bereits

Kulissengelenke, um komplexe Gelenkstrukturen und Außenkonturen des

Menschen besser abzubilden.

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Durch die zunehmende Bedeutung des Computer-Aided Designs (CAD), bzw. Computer-Aided Manufacturing (CAM) in der industriellen Praxis ergab sich ein steigender Bedarf an rechnergestützten, digitalen Konstruktionshilfen. Konnte man sich anfangs durch Ausdrucke des Designs und nachfolgenden Einsatz der Zeichenschablonen kurzfristig helfen, war dieser Weg auf Dauer nicht befriedigend. Auch die einfache Digitalisierung der Zeichenschablonen (z.B. durch Einscannen der Kieler Puppe und zweidimensionale Abbildung im CAD) war nur ein Zwischenschritt.

Stattdessen wurde eine Lösung angestrebt, bei der die Berücksichtigung der anthropometrischen Daten aus den Tabellensammlungen nicht mehr nur mit Expertenwissen möglich war, sondern stattdessen auch Anwender mit begrenztem anthropometrischen Hintergrundwissen durch entsprechende Hilfsmittel in die Lage versetzt werden sollten, entsprechende Innenraumgestaltungen vorzunehmen. Hierzu wurde eine Methodik zur Überführung des Expertenwissens in ein Menschmodell eingeführt.

Dabei wird sich nicht nur auf eine rein statische Abbildung der Maße in Form einfacher CAD-Schablonen beschränkt, sondern zunehmend auch intelligente Verfahren zur Modellierung der Körpermaße, der Körperkonturen, der jeweiligen Variabilitäten in der Bevölkerung, von Haltungen, Komfort und Bewegungen angestrebt. Aktuelle Verfahren gehen noch weiter und streben an, auch höhere Ebenen und Aspekte des Verhaltens zu modellieren, damit diese bei der Innenraumgestaltung entsprechend berücksichtigt werden können. Beispielsweise ließen sich so auch Einflüsse von Ermüdung auf Sichtbereiche und Haltung berücksichtigen; dies geschieht aber mit den heutigen Modellen noch nicht.

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Ziel ist es, durch die digitalen Menschmodelle einen Arbeitsplatz oder Fahrzeuginnenraum ergonomisch zu gestalten (prospektive Ergonomie) oder ihn zu überprüfen und anschließend zu verbessern (korrektive Ergonomie). Wie zuvor schon erläutert, ist dabei häufig schon eine "Nullte" Version des Arbeitsplatzes vorhanden.

Das Menschmodell beinhaltet umfangreiches a-priori Wissen über sämtliche anthropometrischen und biomechanischen Sachverhalte, die bei der Konstruktion von Relevanz sind. Es ermöglicht damit Analysen der Erreichbarkeit, der Sicht oder auch des Komforts.

Je nach Modell unterscheiden sich zwei grundsätzliche Vorgehensweisen:

1 – Modell im CAD:

Hier ist das Digitale Menschmodell in die CAD-Umgebung integriert (bspw. Anthropos in CATIA). Die Geometrie des Produkts muss nicht erst exportiert und gewandelt werden, sondern ist stets vollständig und im korrekten Layer-Format vorhanden. Änderungen können direkt in der Urversion des Designs ausgeführt werden. Vorteil ist, dass keine Verluste beim Transfer des Designs in eine andere CAD-Umgebung auftreten und Änderungen durchgängig sind. Nachteil ist eine ggf. langsamere Berechnung des CAD-Modells, welches hier nur als Modul der CAD-Umgebung implementiert wurde.

2 – Designanalyse in der Umgebung des Menschmodells:

Hierbei handelt es sich um den Normalfall (RAMSIS, JACK, SAFEWORKS). Das Design wird (teilweise) aus der ursprünglichen CAD-Umgebung exportiert und in eine eigene Menschmodell-Umgebung (mit deutlich weniger Optionen als im CAD) importiert. Hier werden dann die Analysen durchgeführt. Vorteil sind schnellere Berechnungen (da nicht stets die gesamte CAD-Umgebung im Hintergrund läuft), Nachteil allerdings Probleme beim Transfer des Designs aus dem CAD in das Menschmodell.

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Die Modellierung des Menschen wurde nicht nur in den Ingenieurwissenschaften zur Konstruktion und Auslegung

von Innenräumen und Arbeitsplätzen betrieben, sondern auch in weiteren wissenschaftlichen Bereichen. Für die

arbeitswissenschaftliche Anwendung der Menschmodelle sind besonders die Modelle der Computergrafik und –

animation, die anthropometrischen Modelle und die biomechanischen Menschmodelle von Relevanz.

In der Computergrafik ist besonders die Illustration und Präsentation des Menschen von Bedeutung. Die

Animation wird hier zur realistischen Bestimmung der Bewegungssequenzen von Lebewesen in (Trick-) Filmen

eingesetzt. Schwerpunkt ist dabei ein möglichst hoher Realitätsgrad des Renderings, also der visuellen

Darstellung. Arbeitswissenschaftliche Kriterien wie Präzision oder Validität der Ergebnisse besitzen dem

gegenüber nur eine geringere Priorität. Allerdings werden zu Bewegungsmodellierung häufig Modelle eingesetzt,

wie sie auch bei den anthropometrischen Modellen oder den biomechanischen Menschmodellen verwendet

werden. Aus diesem Grund werden die Menschmodelle in der Computergrafik und Animation hier kurz vorgestellt.

Computergrafik-Anwendungen der Film- und/oder Unterhaltungsindustrie werden in der Gegenwart zunehmend

ergänzt durch computergenerierte, simulierte Menschen in synthetischen, virtuellen Simulationsumgebungen. In

diesem Zusammenhang wird übrigens häufig der Begriff des "Avatar" oder "Intelligenten Agenten" verwendet. Der

Begriff „Avatar“ wurde ursprünglich aus der hinduistischen Mythologie abgeleitet, in der er die Manifestation eines

übergeordneten Wesens auf der Erde beschreibt. Zunehmend wird er heute für virtuelle Menschen benutzt,

welche durch entsprechende Verfahren von einem Menschen direkt über seine Bewegungen ferngesteuert wird.

Falls der virtuelle Mensch autonom durch Computerprogramme gesteuert, so wird von einem "Intelligenten,

anthropomorphen Agenten" gesprochen.

Auf die Anthropometrischen Modelle gehe ich in den folgenden Folien genauer ein. Sie werden im Wesentlichen

in der Arbeitsplatz- und Innenraumgestaltung eingesetzt. Dabei muss das Modell aus praktischen Gründen der

Anwendung mindestens ein Interface zu CAD-Programmen besitzen oder sogar in das jeweilige Programm

integriert sein. Als Standardinterface zum CAD-Version wird übrigens häufig Initial Graphics Exchange

Specification (IGES) verwendet. Dabei gehen allerdings eine Vielzahl der ursprünglichen CAD-Informationen

verloren. Primäres Ziel der Anthropometrischen Modelle war die Modellierung der Körpermaße in der statischen

räumlichen Arbeitsplatzgestaltung. Zunehmend haben auch Aspekte der Bewegung (keine Haltung oder Arbeit ist

statisch) und des Komforts Eingang gefunden. Hierzu beinhalten die aktuellen digitalen anthropometrischen

Modelle Verfahren und Methoden der Computergrafik und auch der Biomechanik.

Die biomechanischen Menschmodelle werden heute schwerpunktmäßig in der Fahrzeuggestaltung, primär bei

der Auslegung der Sicherheit der Fahrzeuginsassen verwendet. Sie sind digitale Pendants der Crash-Dummies

(Hybrid-Familie etc.) und ermöglichen die Durchführung von virtuellen Crashtests vor einem eigentlichen

Praxistest. Auch diese Modelle müssen ein Interface zu CAD-Systemen besitzen oder in ein CAD-System

integriert werden. Schwerpunkt der biomechanischen Menschmodelle ist die Modellierung der Kräfte und ihrer

Wirkungen auf den Körper. Weitere biomechanischen Menschmodelle werden heute in der Sportwissenschaft und

in der Medizin (Rehabilitation, Prothetik) eingesetzt.

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Ziel der Menschmodelle in Computergrafik und Animation ist die Integration von virtuellen

Menschen in Illustrationen und Präsentation. Anwender dieser Menschmodelle sind

besonders die Film- und Spielindustrie, sowie Anwender im Bereich Ausbildung und

Training. Aufgrund der immensen Entwicklung der Leistungsfähigkeit der Computerhardware

in den letzten Jahren hat die Entwicklung virtueller Menschen in jüngster Vergangenheit eine

immense Entwicklung vollzogen. Waren zuvor virtuelle Menschen auf traditionelle Trickfilme

beschränkt, so können mit den aktuellen Verfahren und Techniken virtuelle und reale

Menschen kaum noch voneinander unterschieden werden. Die hohen Anforderungen an den

Realismus des Aussehens, der Bewegungen und auch –zunehmend- des Verhaltens

werden heute weitgehend erfüllt. Schwerpunkt dieser Menschmodelle ist die korrekte

visuelle Abbildung von statischen und dynamischen Materialeigenschaften. Die betrifft

Einzellösungen zu Fragen wie bspw. Verhalten von Kleidung und Textilien, aber auch die

Modellierung von Haar und Umwelteinflüssen. Auch Änderungen der Körperkonturen bei

Bewegungen werden hier angesprochen. Bei den Computergrafik- und Animationsmodellen

besteht jedoch keine Berücksichtigung von Körpermaßen oder Varianzen der Körpermaße;

auch Körperkräfte sind nur von Bedeutung, wenn sie Auswirkungen auf die visuelle

Darstellung besitzen. Die Ansprüche an Präzision und Validität beschränken sich zumeist

auf eine Augenscheinvalidität. Außerdem ist die Berechnung des Ergebnisses aufgrund der

Komplexität der eingesetzten Verfahren sehr zeitintensiv und für Anwendungen im "Rapid

Prototyping" deshalb nur bedingt geeignet.

Die Bewegungsanimation der heutigen Verfahren basiert zumeist auf der Anbindung von

Motion-Capture Daten. Diese wurden entweder von Schauspielern oder anderen Akteuren

(Tieren) aufgenommen und vorverarbeitet. Modifikationen dieser Daten erfolgen in der Regel

manuell durch eine Änderung der erfassten Bewegungsdaten. Stehen aufgrund von

Aufwandsbeschränkungen keine Motion-Capture Daten zur Verfügung, so erfolgt häufig eine

manuelle Festlegung von einigen Schlüsselhaltungen (sog. Keyframes), zwischen denen

dann die Gelenkwinkel von Zwischenhaltungen interpoliert werden.

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Bei den Anthropometrischen Modellen handelt es sich um den Schwerpunkt

dieser Vorlesungseinheit. Ziel dieser Modelle sind die Modellierung der

Körpermaße, ihrer Variabilität, die Durchführung von Reichweiten-

/Sichtanalysen und Haltungs- und Komfortanalysen. Ein nicht zu

unterschätzendes Ziel ist aber auch die Darstellung der Ergebnisse, damit

Fehler und Ungenauigkeiten im Entwurf erkannt werden, und die Illustration

der Ergebnisse für weitere Mitglieder des Entwicklungsteams,

Entscheidungsträger und Manager.

Das Anwendungsfeld ist primär in der Arbeitswissenschaft und Ergonomie zu

finden. Die Anwender sind deshalb die Produkt- und Arbeitsplatzgestalter in

der industriellen Praxis. Sie besitzen zumeist einen technischen,

ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund.

Die Anforderungen, bzw. Rahmenbedingungen sind deshalb auch in der

Usability der Implementierung zu finden. Die Modelle sind entweder in die

CAD-Umgebung integriert oder aber besitzen eine Schnittstelle zu ihr. Die

Funktionalität hat neben Verfahren zur Überprüfung (z.B. von Reichweiten

oder Sichtbarkeit) auch Verfahren zur Gestaltung (d.h. Maximalreichweiten

auf Oberflächen) bereitzustellen. Es bestehen hohe Anforderungen an

Genauigkeit, Präzision und Validität der Ergebnisse. Außerdem sind die

späteren Benutzer und ihre Variabilität durch entsprechende Verfahren zu

modellieren

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Kern der anthropometrischen Menschmodelle sind natürlich die Körpermaße des

Menschen (Anthropometrie bedeutet ja übersetzt auch „Maße des Menschen“). Jedes

Modell benötigt individuelle oder kollektive Körpermaße als Grundlage für seine

Modellparameter. Die Parameter spezifizieren dann das Modell. Bei der

Parametrisierung des Menschmodells ist zu berücksichtigen, dass die Körpermaße auf

äußeren, tast- oder sichtbaren Messpunkten basieren. Dabei handelt es sich teilweise

zwar um Punkte, wo das Skelett bis dicht unter die Körperoberfläche reicht, teilweise

(bei Weichteilmaßen oder Umfangsmaßen) jedoch auch rein sichtbare Punkte, die sich

auch bei der Messung verschieben können. Aus diesen Maßen wird dann ein „internes“

Modell des Menschmodells berechnet, welches allerdings auf theoretischen Stäben

und Gelenkmittelpunkten aufbaut. Dies innere Modell ist erforderlich, um später

Haltungsänderungen und Bewegungen zu simulieren. Es entspricht quasi einem

vereinfachten Innenskelett des Menschen. In der Regel werden die Stablängen durch

Maßdifferenzen von Knochenlängen, Höhen- und Breitenmaßen bestimmt. Die Maße

sind hier entweder von realen Menschen übernommen oder wurden aus statistischen

Daten von größeren Stichproben entnommen.

Im Anschluss an die Modellierung wird das Modell zur Auslegung von Innenräumen

oder Arbeitsplätzen eingesetzt. Die Ergebnisse basieren auf dem internen Modell,

beispielsweise die maximale Reichweite. Zur Gestaltung werden aber wieder Außen-

und Konturmaße benötigt. Aus diesem Grund wird ein Zusatzwert für den

Weichteilanteil hinzugefügt. Dieser kann entweder gering (Reichweiten des Fingers,

der Hand) oder maßgeblich (Bauch) sein. Allerdings ist mit der Einführung des

Zusatzwerts stets eine Ungenauigkeit aufgrund unklarer Erkenntnisse über den

Weichteilanteil verbunden. Auch obliegt die Kontur noch häufig rein subjektiven

Einschätzungen des Modellierers; die ist aus arbeitswissenschaftlicher Sicht häufig

unbefriedigend.

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Ein Verfahren, die Körperkonturen genauer zu erfassen, um so einerseits ein valides

internes Modell zu erhalten, andererseits aber auch die Modellierung der Körperkonturen zu

verbessern ist der Einsatz von 3D-Scannern zur Erhebung anthropometrischer Daten. Wie

schon erläutert, bauen erste Konturmodelle direkt auf den äußeren Maßen auf und so

können die Ungenauigkeiten, die durch Einführung eines internen Modells entstehen,

minimiert werden. Ein Beispiel für ein erstes Konturmodell war übrigens die „Kieler Puppe“,

eine Zeichenschablone, die ebenfalls auf menschlichen Konturen und Außenmaßen

aufbaute und ein variables Innenskelett besaß. Das Problem der digitalen Konturmodelle

besteht in der Komplexität der Modelle; zur Parametrisierung sind deshalb neue Ansätze

erforderlich, die heute noch Forschungsthema sind. So ist beispielsweise unklar, wie

dreidimensionale Varianzen von Körperkonturen modelliert werden können.

Im Bereich der Datenerfassung hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Heute sind 3D-

Scanner verfügbar, die in wenigen Sekunden 3D-Informationen über die Körperkonturen

aufnehmen und in Datenbanken ablegen. Optische Scanner projizieren dazu

unterschiedliche optische Muster auf die Körperoberfläche, nehmen die (verzerrten) Muster

dann auf und berechnen aus dem Unterschied zwischen ursprünglichen und

aufgenommenen Muster die 3D-Kontur. Die hier abgebildeten Laserscanner setzen 4 Laser

als Entfernungsmesser zum Körper in der Mitte ein; sie setzen aus den eingescannten

Schichten dann ein 3D-Modell des eingescannten Körpers zusammen.

Die sich ergebenden Punktewolken sind allerdings noch zu umfangreich und unstrukturiert

für eine praktische Verwendung. Sie werden intelligent aufbereitet. Intelligent bedeutet, dass

den 3D-Punktwolken im ersten Schritt die jeweiligen Körperteile (Kopf, Torso, Arme, Beine)

zugeordnet werden. Im Anschluss werden Grundformen der Körperteile an die 3D-

Punktwolke angepasst. Hierbei finden Verfahren der Computergrafik Verwendung. Quasi

werden die Grundformen mit ihren Startparametern zur Beschreibung der Oberfläche iterativ

„aufgeblasen“, bis sie den Messdaten entsprechen. Auf diese Weise lassen sich auch

Konturmodelle oder weitere digitale Menschmodelle mit parametrisierbarer Oberfläche an

die Messwerte anpassen.

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Neben der Überführung der einzelnen Körpermaße in das digitale Modell ist auch die Modellierung der Varianz der Stichprobe von wesentlicher Bedeutung. Würde dies nicht geschehen, so wäre der spätere Arbeitsplatz nur für einen einzigen Benutzer verwendbar! Die Varianz der Stichprobe besteht in der Varianz der absoluten Körpermaße, der Körperproportionen, der Kräfte, und schließlich der Bewegungen. Die letzteren beiden variieren nicht nur zwischen unterschiedlichen Benutzern, sondern auch bei demselben Benutzer. Dabei dürfen allerdings Charakteristiken der Stichprobe nicht verlorengehen oder mit anderen vermengt werden. Hierzu ist eine Differenzierung nach Alter und Geschlecht, nach Region bzw. nationaler Zugehörigkeit, und nach Bekleidung erforderlich.

Zur Modellierung der Variabilität wurden in der Vergangenheit häufig Perzentile eingesetzt. Sie geben an, wie viel Prozent einer Stichprobe einen Wert unterschreiten. Geht man beispielsweise vom 5. und 95. Perzentil aus, so werden bei der Gestaltung 90% der späteren Benutzer berücksichtigt. Wie hier gezeigt, sind sehr viele Körpermaße, besonders Körperlängen- und Höhenmaße normalverteilt. Körperbreiten- und Umfangsmaße oder Hautfaltendicken sind dagegen nur in seltenen Fällen normalverteilt. Für Männer und Frauen gelten ähnliche Verteilungskurven, die jedoch häufig verschoben sind. Allerdings gelten Perzentile nur stets für ein einzelnes Maß; Personen, die in sämtlichen Maßen einem identischen Perzentil entsprechen, gibt es praktisch nicht. Eine Kombination der Perzentile für unterschiedliche Maße ermöglicht zwar eine grundsätzliche Modellierung unterschiedlicher Körperbautypen (z.B. 5. Perzentil für Körperstammlänge und 95. Perzentil für Beinlänge bildet eine Sitzzwerg ab), allerdings können die Kombinationen auch zu einem Überschätzen der tatsächlichen Varianz führen.

Als Alternative hat sich nach Einführung der digitalen Menschmodelle die Integration statistischer Verfahren und Methoden in das Modell erwiesen. Hier wurde u.a. durch Hauptkomponentenanalyse (Safeworks) oder Faktorenanalyse (RAMSIS) die wesentlichen Körperbaufaktoren ermittelt. Bei den drei Faktoren handelt es sich um Längen-, Höhen- und Reichweitenmaße (variieren zwischen groß und klein), sowie Breiten-, Tiefen- und Korpulenzmaße (variieren zwischen schlank und korpulent), und schließlich die Proportionalitätsmaße (variieren zwischen langbeinig und kurzbeinig). Durch Einsatz von Modellen (2 (minimal, maximal) je Faktor) kann die Varianz genauer abgebildet werden als bei Einsatz von Perzentilkombinationen.

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Der wesentliche Einsatzbereich der anthropometrischen Modelle sind Durchführung von Sicht- und

Reichweitenanalysen.

Bei den Sichtanalysen wird von einem durch die Struktur vorgegebenen Augenpunkt

(Flugzeuggestaltung: Design Eye Point) oder einer Augenellipse (Fahrzeuggestaltung) ausgegangen.

Bei einer Positionierung in diesem Punkt oder Bereich mit entsprechender Körperhaltung sind dann

Außensicht und Instrumentsicht gegeben. Die Sichtanalyse ist dabei aber nicht auf die –einfach zu

realisierende- direkte Sichtbarkeit beschränkt, sondern berücksichtigt insbesondere Sichtschatten und

Sichtbehinderungen durch weitere Elemente. Ein Beispiel hierfür die der Sichtschatten des Lenkrads

auf dem Instrumentenfeld eines PKW. Insbesondere bei komplexen Wartungsarbeiten (Stichwort

Inspektionslöcher) ergeben sich hier Analysen, wie sie mit anderen Hilfsmitteln nicht durchführbar

sind. In der Vergangenheit wurden hierzu aufwändige Mock-Ups, als vereinfachte Aufbauten gebaut.

Auch Sichtbehinderungen durch den eigenen Körper (Hände, Arme, etc.) lassen sich in die

Sichtbarkeitsanalyse einbinden. Auch dies ist auf andere Weise nur mit großem Aufwand (Mock-Ups)

möglich.

Die Reichweitenanalyse zielt darauf ab, maximale und minimale Reichweiten zu ermitteln. Die

Bedeutung der Maximalwerte dürfte klar sein: Schalter oder Elemente, die weiter entfernt sind, können

nicht betätigt werden. In der Anwendung werden hierzu Hüllkurven eingesetzt, wie sie auf der Folie für

ein Menschmodell abgebildet sind. Von gleicher Bedeutung sind aber auch die Minimalwerte. Nicht

jedes Element, das sich nahe am Körper befindet, kann auch betätigt werden. Häufig kommt es

aufgrund von Gelenkwinkeleinschränkungen oder Behinderungen durch andere Elemente dazu, dass

nahe Elemente nicht erreicht werden können. Insbesondere bei Arbeitsplätzen mit eingeschränktem

Raumangebot sind deshalb auch solche Minimalanalysen erforderlich. Bei Wartungs- oder

Instandsetzungsarbeiten in solch engen Räumen kann zudem nicht von den Hüllkurven ausgegangen

werden, da hier starke Bewegungseinschränkungen vorliegen. Hier sind die tatsächlichen

anatomischen und physiologischen Gelenkgrenzen durch enge Räume weiter eingeschränkt.

Sichtbarkeits- und Reichweitenanalysen lassen sich sowohl in der gestalterischen, planerischen

Ergonomie wie in der analytischen, korrektiven Ergonomie einsetzen. Im ersten Falle dienen die

Ergebnisse zur Positionierung von Instrumenten und Elementen im Entwurf. Im zweiten Fall werden

Sichtbarkeit und Erreichbarkeit eines schon fertigen Entwurfs überprüft, analysiert und ggf. korrigiert.

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Neben Sichtbarkeit und Erreichbarkeit haben aktuell auch höhere ergonomische Gestaltungskriterien Eingang in

die Gestaltung gefunden. Hierzu zählen die Haltung und der Komfort, welche wesentlichen Einfluss auf die

Schädigungslosigkeit und Beeinträchtigungsfreiheit besitzen. Bei der Haltungsmodellierung ist zu beachten, dass

die reale Arbeitshaltung nicht mit den anthropometrischen Standardhaltungen bei der Maßerhebung

übereinstimmt. Auch die funktionalen anthropometrischen Maße, wie beispielsweise die Greifweite nach oben oder

vorne, werden in standardisierten Haltungen aufgenommen, die im realen Arbeitsumfeld kaum über einen

längeren Zeitraum eingenommen werden. Aus diesem Grund wird bei den digitalen Menschmodellen eine

Modellierung der Haltung durchgeführt. Dabei besteht besonderes Augenmerk auf einem variablen

Einsatzbereich, der von der Innenraumgestaltung (hintere Sitzhaltung) über die Gestaltung von Büroarbeitsplätzen

(mittlere, vordere Sitzhaltung) bis hin zu Arbeitsplätzen in der Montage oder Wartung/Instandhaltung

(Standarbeitsplätze) reichen. Neben dem variablen Einsatzbereich besteht hier die Forderung nach präzisen und

validen Ergebnissen der Haltungssimulation, denn die Ergebnisse können bei unterschiedlichen

Rahmenbedingungen stark unterschiedlich sein. Eine einfach Portierung des Haltungsmodells von einer

Grundhaltung (z.B. Fahrerhaltung) zu einer anderen (z.B. Büroarbeitsplatz) kann deshalb zu Ungenauigkeiten

führen. Schließlich gilt auch bei der Haltung, dass die Varianz oder Haltungsänderung entsprechend zu

berücksichtigen ist; Haltungen und Arbeiten sind nicht statisch, sondern vielmehr sind Haltungsänderungen und

Anpassungen sicherzustellen. Dies ist bei der Gestaltung entsprechend zu berücksichtigen.

Die zugrundeliegenden Modelle zur Haltungsoptimierung basieren zunächst auf der Abbildung von

Standardhaltungen aus Datenbanken. Hierbei werden Gelenkwinkel der abgespeicherten Haltungen aufgerufen

und mit unterschiedliche „großen“ Modellen verbunden. Allerdings ist der entsprechende Anwendungsbereich und

die Variabilität dieses Ansatzes aufgrund der eingeschränkten Datenbankgröße eingeschränkt. Variabler sind

Haltungsmodelle, die auf Basis eines Wahrscheinlichkeitsmodells und einer entsprechenden Optimierungsfunktion

funktionieren. Hierbei werden Optimalwinkel und –verteilungen für jedes Gelenk einer Körperteilkette bestimmt

und so versucht, eine zuvor definierte Idealhaltung zu erreichen. Bei dieser Idealhaltung kann es sich um eine

Standardhaltung oder um eine subjektiv „komfortable“ Haltung handeln. Aus der Vielzahl der möglichen

Körperhaltungen wird dann diejenige ausgewählt, deren Gesamtabweichung von der Idealhaltung minimal ist.

Durch Gewichtung der einzelnen Körpergelenke können diese Modelle weiter spezifiziert und optimiert werden.

Die Idealhaltung muss dazu natürlich zuvor experimentell bestimmt werden. Im Zusammenhang mit der

Haltungsmodellierung fließt bei einigen Menschmodellen der Komfort, bzw. Dis-Komfort ein. Dabei handelt es sich

um eine fiktive, subjektive Größe, welche in Vorexperimenten einzelnen Haltungen zugeordnet wurde. Dabei

wurden Versuchspersonen in speziellen Haltungen zu ihrem subjektiven Urteil über Komfortempfinden befragt. Auf

dieser Basis konnte jeder Haltung und jedem Gelenkwinkel ein subjektiver Wert des Dis-Komforts zugeordnet

werden. Dieser Wert lässt sich prädiktiv zur Festlegung einer Haltung (Minimaler Dis-Komfort definiert die

Haltung), aber auch korrektiv als Kriterium bei einer Haltungsanalyse (Haltung ist festgelegt und Dis-Komfort wird

berechnet) verwenden. Selbstverständlich ist diese Betrachtung des Diskomforts nur auf die Haltung beschränkt;

weitere Faktoren wie Oberflächengestaltung eines Sitzes, Federung etc. fließen hier nicht ein.

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Die Ergebnisdarstellung und Illustration der erhaltenen Ergebnisse besitzt wesentlichen Einfluss auf

die Gebrauchstauglichkeit in der konstruktiven Praxis. Durch eine anwendungsbezogene Darstellung

soll deshalb der Konstrukteur bei seinen Arbeiten unterstützt werden. Dabei wird zwischen zwei

Anwendungsbereichen unterschieden.

In der Konstruktion existiert, wie zuvor erläutert, eine Vordesign, welches durch die äußere Struktur

oder Designer vorgegeben wird. Dieses liegt als Basis der räumlichen Gestaltung im jeweiligen

elektronischen (CAD)-Format vor. Je nach möglichen Freiheitsgraden liefert das Menschmodell

Informationen über die Sichtbereiche und die jeweiligen Reichweiten. Dies kann sowohl räumlich

(Hüllkurven) als auch projiziert auf spezielle Ebenen oder Elemente (Reichweitenbereiche)

geschehen. Während die Konstruktion voranschreitet, wird der Arbeitsplatz spezifiziert, so dass stets

Wechselwirkungen mit bereits entworfenen Bereichen zu berücksichtigen sind. Hierzu bieten die

Menschmodelle entsprechende Funktionalitäten.

In der Analyse ist der Entwurf bereits weitgehend fertig gestellt. Durch den Einsatz digitaler

Menschmodelle werden konstruktive Forderungen überprüft. Beispielsweise müssen in Flugzeugen

auch im angeschnallten Zustand sicherheitsrelevante Schalter stets erreichbar sein. Falls

Unstimmigkeiten auftreten, so können diese durch den Einsatz der Modelle identifiziert, behoben und

die Korrektur überprüft werden.

Bei der Darstellung der Analyseergebnisse wird zwischen der exo- und egozentrischen Perspektive

unterschieden. Im ersten Falle, der hier bei den Beispielen abgebildet ist, ist der Konstrukteur ein

Beobachter, der den Entwurf und das Menschmodell aus unterschiedlichen Perspektiven und

Blickwinkeln betrachtet. Details oder auch generelle Unstimmigkeiten des Entwurf können aus dieser

Ansicht identifiziert und behoben werden. Im zweiten Fall, der besonders für die Sichtanalyse

eingesetzt wird, wird die Darstellung auf die Augenposition des späteren Benutzers bezogen. Der

Konstrukteur erhält so einen anschaulichen Eindruck über die Gestaltung und eventuell vorhandene

Sichtprobleme. Durch die Integration weiterer Simulationstechniken, wie beispielsweise der Virtuellen

Umgebungen (VU), kann dieser Eindruck verstärkt werden und zudem auch funktionale

Betrachtungen ermöglicht werden. In diesem Falle würde der Konstrukteur simulierte Fahraufgaben

durchführen und so räumliche Reichweiten- und Sichtbehinderungen während des tatsächlichen

Fahrens identifizieren können.

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Während der Schwerpunkt der anthropometrischen Menschmodellen die Modellierung und Simulation der

Körpermaße und Haltungen des Menschen ist, beschäftigen sich die biomechanischen Menschmodelle mit der

Modellierung der Bewegungen. Dies geschieht unter besonderer Berücksichtigung der Bewegungskräfte. Der

Übergang zwischen anthropometrischen und biomechanischen Menschmodellen ist dabei fließend, denn die

anthropometrischen Menschmodelle berücksichtigen zunehmend auch eine Bewegungssimulation. Hierzu bauen

sie häufig auf biomechanischen Modellen auf.

Bewegungskräfte werden in Menschmodellen in zweierlei Hinsicht betrachtet: Zum einen bewirken Muskelkräfte

Bewegungen. Dies ist der Fall bei sämtlichen willentlich kontrollierten Bewegungen. Zum Anderen können auch

externe Kräfte Bewegungen des Menschen hervorrufen. Dies ist beispielsweise bei Unfällen der Fall. Die

Einsatzbereiche der entsprechenden Menschmodelle finden sich deshalb auch primär bei der Optimierung von

Bewegungsabläufen und in der Sicherheitsanalyse (Durchführung virtueller Crashtests).

Die Anwender sind dementsprechend zunächst in der Fahrzeugindustrie zu finden (virtuelle Crashtests). Die

entsprechenden Modelle besitzen, ähnlich wie die bereits besprochenen Modelle, ein Interface zu Standard-CAD

Anwendungen oder sind sogar als Module in ihnen integriert.

Ein weiteres Anwenderfeld ist in der Sportwissenschaft und der Medizin zu finden. Die entsprechenden

Anwendungen fokussieren auf die Wirkung von Muskelkräften auf Bewegungen und die Optimierung von

Bewegungsabläufen. Bei der Sportwissenschaft gilt es, die Modelle zur Optimierung von Leistungsdaten

einzusetzen, während es sich bei den Anwendungen in der medizinischen Prothetik um die Gestaltung von

Prothesen handelt. Ein weiterer medizinischer Anwendungsschwerpunkt ist die Rehabilitation durch Identifikation

von Bewegungsschwächen und Ableitung eines entsprechenden Trainings zur Behebung.

Die sich ergebenden Anforderungen sind neben der Integration in CAD-Pakete und die damit verbundenen

Forderungen an Usability der Modelle vor allem eine hohe Genauigkeit und Validität der Ergebnisse. Im Falle der

virtuellen Crashtests muss sichergestellt sein, dass die Ergebnisse der eingesetzten biomechanischen Modelle

denen der späteren Crash-Dummies entsprechen.

Besonders die in der Sportwissenschaft eingesetzten Modelle sind häufig mit Motion-Capture Systemen zur

Bewegungserfassung verbunden. Wie auch in der medizinischen Rehabilitation ist der Schwerpunkt die

Durchführung individueller Untersuchungen und Optimierungsansätze. Hierzu ist eine kontinuierliche

Datenerfassung der Realsituation erforderlich, um Erfolg oder Misserfolg zu identifizieren und mit entsprechenden

Modifikationen ggf. entgegenzuwirken. Im Gegensatz zu den anthropometrischen Modellen wird bei den

biomechanischen Modellen die Variabilität zwischen Bewegungen zwar erfasst, jedoch besteht derzeit noch keine

umfassende Methodik zur statistischen Aufbereitung und Abbildung. Aufgrund der Komplexität von Bewegungen

und der hier zu erwartenden Variabilität stellt dies auch heute noch ein umfangreiches Forschungsthema dar.

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Bei den relevanten Bewegung wird generell zwischen den willentlichen,

kontrollierten Bewegungen einerseits und den unwillkürlichen Bewegungen

andererseits unterschieden.

Die willentlichen, kontrollierten Bewegungen werden vom Menschen selbst

veranlasst. Hier bewirken Muskelkontraktionen koordinierte Bewegungen der

Körperteile. Diese Bewegungen sind durch einen ballistischen und einen

visuell-kontrollierten Anteil charakterisiert. Zudem sind die Muskelkräfte

bekannt, bzw. können in Reihenuntersuchungen erfasst werden. In der

täglichen Praxis gehen wir meist von dieser Bewegungsart aus.

Ferner gibt es die unwillkürlichen Bewegungen, die durch externe Kräfte

verursacht werden. Die resultierenden Bewegungen besitzen lediglich die

rein ballistische Phase und werden lediglich durch Trägheits- und

Widerstandskräfte der beteiligten Körperteile beeinflusst. Besonders bei

Unfall- oder Crashversuchen sind die einwirkenden Kräfte im Vergleich zu

den Muskelkräften immens. Auch die zu erwartende Schädigung durch die

externen Kräfte ist groß.

Augenscheinlich erfordern beide Bewegungen unterschiedliche

Modellansätze. Im Folgenden werden entsprechende Ansätze erläutert.

Zunächst wird sich dabei auf die kontrollierten Bewegungen bezogen.

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Schon vor Beginn der sichtbaren Bewegung ein kognitiver Planungsprozess statt. In diesen Prozess fließen Informationen über das Zielobjekt, seine räumliche Position und die Art des Kontakts (Greifen, Tasten etc.) ein. Dieser Vorgang ist wissensbasiert und beinhaltet das zusätzliche Erfahrungen des Menschen. Die wesentlichen Fragen bei der Bewegungsvorbereitung sind: „Wo ist das Ziel der Bewegung ?“ (Wahrnehmung und Lokalisierung des Ziels im Raum), „Was ist das Ziel ?“ (Perzeptives Abbild des Objekts zur Identifikation) und „Wie soll es behandelt werden ?“ (Intention, Ziel der Aktion). Auf Basis dieser Informationen erfolgt die Bewegungsplanung und nachfolgende Bewegungsprogrammierung.

Die perzeptiv/kognitive Leistung bei der Bewegungsplanung und -ausführung setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Im Anschluss an die vorangegangene egozentrische Erfassung der Umwelt durch das sensorische System erfolgt eine Abbildung auf ein internes Koordinatensystem für Hand- und Fingerposition. Im folgenden werden die Gelenkwinkel der kinematischen Kette des Arms nach internen Regeln festgelegt. Schließlich werden die aktuelle Position der Hand sowie die Gelenkwinkel am Arm bei der Ausführung der Bewegung beobachtet, mit den zuvor bestimmten Sollwerten verglichen und Abweichungen ausgeglichen. Die Bewegungsplanung in einem egozentrischen Referenzsystem wird auch durch die nur gering gekrümmt verlaufende Bewegungsbahn des ausführenden Körperteils bewiesen. Bei Verwendung eines Modells, welches auf den Rotationen an den einzelnen Gelenken basiert, wären danach stärkere Krümmungen der Bewegungsbahnen zu erwarten.

Die eigentliche Bewegungsausführung ist in eine ballistische und visuell kontrollierte Bewegungsphase aufgeteilt. Die erste Phase umfasst die Grobeinstellung mit einer schnellen Annäherung an das Ziel und erfolgt weitgehend aufgabeninvariant. Dabei erfolgt keine propriozeptorische Regelung, sondern vielmehr eine programmierte Ansteuerung von Bewegungsmustern. Vom Bewegungsablauf handelt es sich um eine ballistische Bewegung.

Erst in der folgenden Positionierungsphase entspricht die Bewegung einer visuell kontrollierten Bewegung. Dabei erfolgt ein Feinabstimmen des Zielerreichens. Es setzt eine Regelung der Position des Endeffektors (Zeigefingers) bei Annährung an das Ziel ein.

Die Aufteilung zwischen ballistischer und visueller Bewegungsphase ist ca. 2/3 zu 1/3, d.h. die ballistische Phase dauert doppelt so lange wie die visuell-kontrollierte Phase.

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Die Bewegung der oberen Extremitäten wird durch den anatomischen Aufbau maßgeblich geprägt. Dabei wird sich besonders auf

die Knochen, Gelenke, Muskeln, Bänder und Sehnen sowie ihre wechselseitigen Befestigungen und die Verbindungen

untereinander bezogen. Im folgenden wird schwerpunktmäßig auf die Knochen und Gelenke eingegangen.

Die oberen Extremitäten bestehen aus ca. 64 Knochen. Bei den Extremitäten selbst handelt es sich um lange, mit Gelenken

versehene "Anhängsel" des Körpers, deren eines Ende mit dem Körper über Gelenke verbunden und deren zweites Ende frei ist.

Die oberen Extremitäten sind über das Schultergelenk mit dem Thorax verbunden und werden zur Interaktion mit der Umwelt

eingesetzt, beispielsweise zum Greifen von Objekten. Die Beweglichkeit der Knochenenden gegeneinander ist durch Gelenke

gegeben. Es wird zwischen echten Gelenken, die Bewegungen ermöglichen, und unechten Gelenken, bei denen zwischen den

Knochenstücken ein verbindendes Gewebe eingeschaltet ist, unterschieden. In einem Gelenk sind die durch einen Gelenkspalt

getrennten, überknorpelten Knochenenden durch eine bindegewebige, nach außen abgeschlossene Gelenkkapsel miteinander

verbunden. Die Kapsel wird durch Gelenkbänder verstärkt, welche das Gelenk zusammenhalten und bestimmte Bewegungen

verhindern.

Ein Ansatz zur vereinfachten Modellierung der anatomischen durch technische Gelenke und zur Einteilung in unterschiedliche

funktionelle Gelenkarten ist links unten in der Folie abgebildet. Dabei handelt es sich um: Das Scharniergelenk für Bewegungen um

eine Achse, das Zapfengelenk als weiteres einachsiges Gelenk, das Eigelenk, welches um seine kurze und lange Achse bewegt

werden kann, nicht jedoch um die senkrechte Achse, das Kugelgelenk, welches eine Drehung um alle drei Achsen ermöglicht und

schließlich das Sattelgelenk als weiteres zweiachsiges Gelenk. Ferner gibt es irreguläre Gelenke, deren Aufbaue nicht mit

einfachen Rotationskörpern vergleichbar sind.

Die Bewegungen werden durch die mit den Knochen verbundenen Muskeln bewirkt. Ein Muskel besteht aus einer Vielzahl von

einzelnen Muskelfasern. Die motorischen Einheiten der Skelettmuskulatur werden durch ihre jeweiligen Motoneurone aktiviert.

Infolgedessen kontaktiert der Muskel und zieht den beteiligten Knochen mit. Bei der Kontraktion wird zwischen der isometrischen

Zuckung, d.h. Erhöhung der Muskelanspannung ohne Verkürzung und der isotonen Zuckung, d.h. tatsächliche Verkürzung des

Muskels, unterschieden. Durch die Muskelkontraktion wird eine Kraft erzeugt, die durch die Verbindung mit den Knochen in einer

Bewegung resultiert. In der Regel sind an Bewegungen mehrere Muskelgruppen beteiligt. Auf diese Weise sind auch komplexe

Bewegungen ausführbar.

Das gesamte System ist folglich hochkomplex und besitzt eine Vielzahl mechanischer Freiheitsgrade. Unter Einbeziehung der

Einzelgelenke des Arms werden über 100 solcher mechanischen Freiheitsgrade ermittelt. Aus dieser Komplexität folgt eine sehr

große Variabilität der Bewegungsvorgänge. Da hier die Anzahl der zu bestimmenden Variablen größer als die zur Bestimmung

verfügbaren Gleichungen ist, ist eine eindeutige Berechnung nicht ohne weiteres möglich. Diese Gesamtproblematik wird als

„Bernstein Problem“ bezeichnet. Aus seinen Beobachtungen folgerte Bernstein, dass die motorische Kontrolle die Elimination von

redundanten Freiheitsgraden darstellt. Durch die Einführung von Randbedingungen soll die Anzahl der Bestimmungsgleichungen

erhöht werden und das Bewegungsverhalten eindeutig bestimmbar werden.

Die eigentliche Regulation und Abstimmung der Körpermotorik findet auf unterschiedlichen Ebenen statt. Bei fast allen Vorgängen

der Motorik sind mehrere Schaltzentren in Form eines distributiven Systems beteiligt. Eine zielgerichtete Armbewegung setzt

zunächst die visuelle Erfassung des Zielobjekts und die Motivation, es zu erreichen, voraus. Es erfolgt eine Bewegung der Augen,

des Kopfes und des Rumpfes zur Abbildung des Ziels auf den Retinae beider Augen. In der Folgephase kann eine erhöhte Aktivität

einer größeren Population im „Armareal“ der motorischen Hirnrinde beobachtet werden, die ca. 100-200 ms vor Beginn der

Bewegung einsetzt und sich während der Bewegung wieder abschwächt. Dabei entspricht die Richtung des Populationsvektors der

Bewegungsrichtung. Hieraus wird auf eine prädiktive Bedeutung für die Richtung der Bewegung geschlossen. Der Prozess der

Bewegungsvorbereitung wie auch die eigentliche Bewegung geschieht in einem distributiven System von zentralnervöser Kontrolle,

in das multiple Areale der sensomotorischen Hirnrinde, Basalganglien und Cerebellum eingebunden sind.

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Ein solch komplexes System kann praktisch kaum umfassend modelliert werden. Auch ist die Einbeziehung sämtlicher Einflussgrößen kaum möglich. Aus diesem Grunde werden bei der Simulation Abstraktionen und Vereinfachungen eingegangen. Zur Simulation der kontrollierten Bewegungen werden in der Praxis folgende, unterschiedliche Verfahren eingesetzt:

Das einfachste Verfahren ist die Animation und Haltungsfestlegung durch direkte Eingabe der Gelenkwinkel. In diesem Falle werden die einzelnen Gelenkwinkel der einzelnen Gelenkachsen direkt eingegeben und so eine vorgegebene Haltung modelliert. Diese Art der Animation setzt hohes Verständnis von Haltungen, Bewegungen und Zusammenhängen von Körperteilbewegungen bei komplexen Bewegungen voraus. Die Gelenkwinkeln können dabei indirekt über Steuerungselement oder direkt durch entsprechende Manipulation des Körperteils festgelegt werden.

Ein weiteres, gebräuchliches Verfahren zur Simulation kontrollierter Bewegungen ist der Einsatz von Motion Capture und entsprechenden vorher aufgezeichneten Bewegungssequenzen aus entsprechenden Versuchen. In diesem Falle werden aus den Bewegungsdaten die zeitlichen Veränderungen der Winkel der beteiligten Gelenke berechnet und diese dann zur Animation eines Menschmodells eingesetzt. Durch Modifikationen der Bewegungsbahnen (z.B. durch manuelle Animation) können auch aus Grundhaltungen ähnliche Haltungen und Bewegungen erzeugt werden.

Die Keyframe-Animation setzt ebenfalls auf vorhandenen Haltungsinformationen auf. Zu bestimmten Schlüsselzeitpunkten (Keyframes) sind Zwischenhaltungen bekannt, zwischen denen dann interpoliert wird. Zur Interpolation wird zumeist auf die Gelenkwinkel zurückgegriffen. Die Zwischenwinkel werden dann durch beliebig komplexe Übergangfunktionen zwischen vorangegangenen Haltungen berechnet. Die entsprechenden Zwischenhaltungen können entweder manuell bestimmt oder durch Motion Capture Versuche ermittelt werden.

Die inverse Kinematik baut auf einem internen kinematischen Modell auf, das vergleichbar einem Körperskelett ist. Während bei der direkten Kinematik die Position des Endgliedes einer kinematischen Kette (bspw. des Armes) durch die Gelenkwinkel und Längen der Skelettstäbe definiert wird, werden bei der inversen Kinematik die Gelenkwinkel durch die Position des Endgliedes bestimmt. Dabei muss lediglich das Endglied geführt werden, während die Zwischenglieder simuliert werden. Bei der inversen Kinematik werden stets Rahmenbedingungen zur Vermeidung von Mehrdeutigkeiten eingesetzt; eine ist beispielsweise eine minimale Summe der Winkelinkremente beim Übergang von einer Haltung in eine andere.

Die bei modernen Bewegungsmodellen eingeführte inverse Dynamik geht noch einen Schritt weiter. Hier werden ebenfalls Gelenkwinkel und Zwischenglieder aufgrund von Rahmenbedingungen berechnet, allerdings fließen in die Berechnung nicht nur Gelenkwinkel ein, sondern vielmehr werden aus der Positionierung der Kraftansatzpunkte am Knochen auch Muskelkräfte bestimmt.

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Hier ist die Vorgehensweise der manuellen Animation dargestellt.

Es wird mit einer Anfangshaltung aus einer Bibliothek begonnen.

Danach erfolgt eine iterative Anpassung der Haltung an die Zielhaltung. Es

wird Gelenk für Gelenk vorgegangen.

Je Gelenk werden die entsprechenden Rotationswinkel angepasst. Gelenke

mit drei Freiheitsgraden können um die x-, die y- oder die z-Achse gedreht

werden. Zu beachten ist, dass das Ergebnis abhängig ist von dem Weg

(bzw. die Reihenfolge der Drehungen), den man beschreibt. Es ist nicht

dasselbe, ob zuerst um die x, dann die projizierte y' und dann um die

ebenfalls projizierte z''-Achse gedreht wird oder in der umgekehrten

Reihenfolge. Praktisch wird bei Drehungen in der Reihenfolge x-, y'-, z''-

Achse von den Kardanwinkeln, bei Drehungen in der Reihenfolge z-, x'-, z'-'

von Eulerwinkeln gesprochen.

Abschließend erfolgt eine Sichtprüfung der (neuen) Endhaltung. Die

Haltungen werden häufig als Keyframes für eine weitergehende Simulation

der Bewegung eingesetzt.

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Die zeitliche Erfassung von Bewegungen ist mit verschiedenen Systemen möglich,

die mit unterschiedlichen Verfahren arbeiten. Diese Bewegungsmesssysteme

werden in unterschiedlichen Fachgebieten verwendet, wobei Orthopädie

(Haltungsstudien, Gangstudien), Sportmedizin (Optimierung von

Bewegungsabläufen) und Virtual Reality (Animation) die maßgeblichen sind.

Generell kann zwischen sieben verschiedenen Verfahren unterschieden werden,

die sich hinsichtlich Funktionsweise, Sensoren, Genauigkeit, Automatisierungsgrad

und Echtzeittauglichkeit unterscheiden.

Die markerlosen Verfahren basieren auf Videoaufzeichnungen und eine

aufwändige Anpassung eines Modells an die Videodaten.

Bei allen markerbasierten Bewegungsmessverfahren ist das Funktionsprinzip

ähnlich. Die zu erfassenden Körpermesspunkte sowie Referenzpunkte am

Arbeitsplatz werden vor Beginn der Messung mit Markern gekennzeichnet. Das

jeweilige Messsystem erfasst im Anschluss die Position dieser Marker und

speichert sie ab. Die Messverfahren sind in aktive und passive Verfahren unterteilt.

Bei den aktiven Verfahren senden die Marker eigene optische oder akustische

Signale aus, die von Aufnahmeeinheiten registriert und teilweise auch direkt den

entsprechend markierten Punkten zugeordnet werden. Bei den passiven Verfahren

senden die Marker keine eigenen Signale aus. Die Intertialsysteme oder

Trägheitssysteme erfassen Änderungen der Orientierung vom Ursprungszustand

(Kreiselprinzip). Die Optischen Systeme bestrahlen die Marker und diese

reflektieren das auftreffende Licht. Erst die Reflektionen werden von

Aufnahmeeinheiten registriert. Eine automatische Zuordnung ist bei passiven

Verfahren systembedingt aufwendiger.

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Hier ist ein Beispiel für das Vorgehen beim markerlosen, videobasierten

Verfahren abgebildet. Beim System PC-MAN wird ein virtuelles

Menschmodell an die spezielle Haltung angepasst und dann Bild für Bild

animiert.

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Bei dem hier beispielsweise abgebildeten passiven Infrarot-Verfahren handelt es sich um ein markerbasiertes Verfahren. Es verwendet als Marker Reflektoren. Diese sind kugelförmig und besitzen eine stark infrarot-reflektierende Oberfläche. Sie werden durch eine Infrarot-Lichtquelle mit gepulstem Infrarotlicht angestrahlt und reflektieren dieses. Die Reflexionen werden von infrarotempfindlichen Kameras erfaßt. In der Folge werden die aufgenommenen Bilder von Videoprozessoren digitalisiert und über einen Personal Computer als Bilddateien gespeichert. In der später durchgeführten Analyse erfolgt schließlich die teilautomatisierte Berechnung der Positionen der Marker. Sämtlichen markerbasierten gemein ist umfangreiche, teilweise automatisierte Kalibrierung. Hierfür stellen die jeweiligen Verfahren entsprechende Kalibrierrahmen bereit. Erst über die bekannte Geometrie der Kalibrierrahmen ist die exakte Bestimmung der Positionen der Marker in einem räumlichen Koordinatensystem möglich.

Besonders der Empfindlichkeit gegenüber Umgebungseinflüssen bestehen Unterschiede zwischen den Systemen. Ultraschall- und elektromagnetische Verfahren sind sehr empfindlich gegenüber Geräuschen und Lärm bzw. ferromagnetischen Metallen im Messbereich. Die Empfindlichkeit zeigt sich in einer hohen Ungenauigkeit bei der Messung. IR-Verfahren besitzen dagegen eine Empfindlichkeit gegenüber IR-Anteilen im Licht. Aus diesem Grund sind sie bei Außenlicht praktisch nicht einsetzbar. Unter Laborbedingungen lässt sich der IR-Anteil des Lichts jedoch filtern, so dass diese Empfindlichkeit nicht ins Gewicht fällt.

Die passiven IR-Verfahren erfordern eine an den Messzyklus anschließende, zeitintensive Nachbereitung der erfassten Bilder. Sie sind folglich für Echtzeit-Anwendungen nicht geeignet. Dies ist eher ein Einsatzbereich der Ultraschall- und elektromagnetischen Bewegungsmesssysteme.

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Bei der schon häufiger angesprochenen Keyframe-Animation sind

Einzelhaltungen einer Bewegungssequenz bekannt. Zwischenhaltungen

werden interpoliert, bzw. durch ein zugrundeliegendes Bewegungsmodell

simuliert. Je nach Bewegungsmodell entsteht so eine fließende Bewegung in

die auch Anfangs- und Endhaltung einfließen.

In der Regel sind die Winkel der Gelenke der kinematischen Kette die

abhängigen Variablen der Interpolation. Zwischen Anfangs- und Endwinkel

wird eine Änderungsfunktion definiert und entsprechend parametrisiert. Die

entsprechende Übertragungsfunktion kann beliebig kompliziert sein.

Im einfachsten Falle wird eine Gerade mit konstanter Steigung durch

Anfangs- und Endwinkel angenommen. In diesem Falle kommt es jedoch zu

sehr unrealistischen Bewegungen, die abrupt beginnen und enden. Werden

kinematische Funktionen höherer Ordnung angenommen, so werden die

Bewegungen geglättet und erscheinen realistisch. Auf der Folie abgebildet

sind Funktionen dritter Ordnung. Diese werden zur Interpolation zwischen

vier Keyframes eingesetzt. Bei einer Funktion dritter Ordnung für den

Gelenkwinkel wird linear zwischen Anfangs- und Endwerten der

Winkelbeschleunigung interpoliert. Da die Beschleunigung proportional der

Kraft ist (F=m a), wird so eine beschleunigende und eine abbremsende Kraft

modelliert werden. Dies ergibt realistische Bewegungsprofile.

Als Alternative zu den Gelenkwinkeln können natürlich auch Positionen mit

der Keyframe-Animation interpoliert werden. Auch in diesem Falle wird in der

Regel eine kinematische Funktion höherer Ordnung verwendet.

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Sowohl in der Biomechanik als auch in der Animation wird zur Bewegungssteuerung häufig die Inverse Kinematik eingesetzt. Die Inverse Kinematik ist

eine weit verbreitete Methode zur Modellierung und Simulation von Bewegungen. Sie wurde ursprünglich zur Berechnung von kinematischen Ketten aus

n Elementen bei einem einzelnen geführtem Endglied der Kette in der Robotik verwendet und anschließend in der Bewegungsmodellierung eingesetzt

(vgl. Flash, 1994; Paul, 1981; Jägersand & Nelson, 1994).

Die Bestimmung der einzelnen Anordnung der Kettenglieder basiert auf einer vorgegebenen Zielfunktion. Im Fall der Modellierung von menschlichen

Bewegungsabläufen wird das letzte Glied der Kette (meist der Zeigefinger) geführt, und die Anordnung der folgenden kinematischen Kette von Hand,

Unterarm, Oberarm, Schulter und Oberkörper mittels der vorgegebenen Zielfunktion berechnet.

Die bei der Inversen Kinematik unterstellte Ausgangsbedingung einer Steuerung des Endgliedes im Gegensatz zu einer Steuerung der einzelnen

Gelenkwinkel wird durch heutige Erkenntnisse zur menschlichen Bewegungsplanung und -ausführung unterstützt.

Aufgrund der großen Anzahl von Freiheitsgraden und der damit verbundenen Problematik sind Rahmenbedingungen einzuführen. Die gebräuchlichsten

sind nach Arlt (1999):

Minimale quadratische Summe der Winkelinkremente

Eine Bewegung wird modelliert, indem die Winkeländerungen sämtlicher beteiligter Gelenke der kinematischen Kette minimiert werden. Die Bewegung

wird so auf mehrere Gelenke aufgeteilt.

Minimale potentielle Energie

Mittels dieser Rahmenbedingung wird der Einfluss der trägen Masse der Körperglieder sowie der Schwerkrafteinfluss einbezogen. Neuere Ansätze

gehen von einem komplexen, erlernten Verhaltensschema aus, das nicht global formuliert, sondern nur lokal für bestimmte Aufgabenstellungen gültig ist

(Haggard et al., 1997).

Die Inverse Kinematik ermöglicht eine fließende und dem ersten Anschein nach realistische Modellierung des Bewegungsverhaltens. Durch die

Festsetzung weiterer Rahmenbedingungen sind auf diese Weise auch Bewegungen des ganzen Körpers modellierbar (Badler et al., 1992).

Wie auch in der Biomechanik und Animation ist eine Schwachstelle die vereinfachte Modellierung der Einzelgelenke, des anatomischen Körperbaus und

der intra- und interindividuellen Variabilität. Diese zwangsläufig durchgeführten Vereinfachungen können Auswirkungen auf das modellierte

Bewegungsverhalten besitzen und zu Ungenauigkeiten führen. Arlt (1999) weist darauf hin, dass ein grundsätzliches Problem in der korrekten

Festsetzung der Rahmenbedingungen besteht. Diese sind auf rein physikalische Einflussgrößen beschränkt, die zudem häufig nur schwer bestimmbar

sind. Weitere individuelle Einflussgrößen wie psychologische Faktoren, Konstitutions- oder Motivationszustand können dagegen nur schwer

mathematisch erfasst und als Rahmenbedingungen formuliert und konkretisiert werden.

Ein Menschmodell setzt sich aus einem äußeren und einem inneren Modell zusammen. Das innere Modell ist ein durch Gelenkpunkte miteinander

verbundenes Stabmodell mit theoretischen Gelenkpunkten. Das äußere Modell basiert auf Scheiben, die horizontalen Querschnitten des Körpers auf

unterschiedlichen Höhen entsprechen. Äußeres und inneres Modell sind miteinander verbunden. Die Verbindung der Punkte auf den Scheiben des

äußeren Modells ergibt die äußere Ansicht, die „Haut“ des Manikins. Eine Änderung des einen Modells zieht die Änderung des anderen Modells nach

sich.

Die Haltungssimulation selbst beruht auf inverser Kinematik. Die Definition der Randbedingungen für das Auffinden der optimalen Haltung geschieht mit

Hilfe eines Haltungswahrscheinlichkeitsmodells. Dieses Haltungswahrscheinlichkeitsmodell basiert auf einer Datenbank von Gelenkwinkeln, die bei einer

Untersuchung zur Vermessung von kraftfahrzeugtypischen Körperhaltungen erstellt wurde. Anhand dieser ergeben sich für bestimmte Situationen (z.B.

Fahrerhaltung im Auto) verschiedene Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Gelenkwinkel. Auch bei unterschiedlichen Aufgaben nehmen die

Verteilungen für die einzelnen Gelenke ähnliche Mittelwerte an. Aufgrund dieser Werte wurde in das RAMSIS-Modell ein Modell zur Bewertung der

Wahrscheinlichkeit von Fahrer-Haltungen implementiert. Durch Einbeziehung dieses Modells in das automatische Bewegen wird sichergestellt, dass

jeweils die wahrscheinlichste der verschiedenen Haltungen verwendet wird, mit denen eine bestimmte Aufgabe erreicht werden kann (Seidl, 1995).

1.Bewegungsvorhersage: Eine Bewegungsvorhersage kann entweder auf der Basis importierter Bewegungsbahnen für einzelne Körperpunkte oder auf

der Basis systemseitig generierter Bewegungsbahnen zwischen zwei vorgegebenen Haltungen durchgeführt werden. Eine Anzahl von Stützstellen auf

diesen Bewegungsbahnen sowie die jeweilige Bewegungsgeschwindigkeit können vorgegeben werden. Anhand dessen errechnet das Modell statische

Stützhaltungen, die mittels einer Keyframe-Animation verbunden werden können. Somit basiert die Bewegungsberechnung auf der

Haltungsmodellierung.

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Der zweite Anwendungsbereich biomechanischer Menschmodelle sind die

Modelle zur Simulation der Wirkung äußerer Kräfte auf den Menschen. Diese

Modelle werden hauptsächlich zur Gestaltung der Insassensicherheit bei

Fahrzeugen oder zur Unfallverhütung eingesetzt. Sie modellieren und

simulieren die in Crash-Versuchen eingesetzten Dummies (z.B. Hybrid-III).

Die Dummies wiederum basieren auf (teilweise) empirischen Daten. Die

realen Dummies sind für das 5., 50. und 95. Perzentil männlich und weiblich

für Erwachsene verfügbar. Zusätzlich existieren drei Körpermodelle für

Kinder mit 16,2 kg (3 Jahre), 23,4 kg (6 Jahre) und 35,2 kg (10 Jahre).

Die heutigen digitalen Menschmodelle sind auch derzeit noch nicht in der

Lage, bei einem Unfall sämtliche Effekte in Form einer Ganzkörpersimulation

abzubilden und zu simulieren. Ein Problem besteht darin, sämtliche

relevanten Randbedingungen der Struktur (Auto) und des Körpers zu

modellieren. Auch die Variabilität ist stark eingeschränkt. Der Vorteil der

biomechanischen Menschmodelle besteht jedoch darin, sämtliche

Einflussparameter kontrolliert modifizieren zu können. Auf diese Weise sind

potenzielle Unfallfolgen systematischer zu analysieren und der Bedarf an

realen Crashtests wird reduziert. Dies reduziert Zeit und Kosten bei der

Fahrzeugentwicklung.

Die entsprechenden biomechanischen Modelle lassen sich entsprechend

ihrer Modellbasis strukturieren in die Rigid-Body-Modelle (Festkörper- oder

Mehrkörpersysteme) und Fenite-Elemente Modelle.

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Bei den Mehrkörpersystemen wird der menschliche Körper vereinfacht als

ein System aus mehreren starren Körpern angenommen. Die starren Körper

sind untereinander durch Gelenke gekoppelt. Die Kinematik dieser Modelle

lässt sich mit Regeln der Physik, bzw. der Kinematik als Teilgebiet der

Mechanik beschreiben. Unter dem Körper wird folglich auch ein fester oder

flexibler Körper im mechanischen Sinne verstanden. Gleiches gilt für die

Gelenke, die unterschiedlich viele Freiheitsgrade besitzen können.

Mehrkörpersystem-Menschmodelle weisen in der Regel eine Baumstruktur

auf, d.h. die Körperteile einer kinematischen Kette sind miteinander

gekoppelt und die Bewegung eines Körperteils wird durch die Bewegung des

übergeordneten Körperteils beeinflusst. Die schon angesprochene hohe

Anzahl an Freiheitsgraden wird durch Zwangsbedingungen (kinematic

constraints) eingeschränkt. Diese können sowohl zwischen zwei Körpern als

auch zwischen einem Körper und einem Fixpunkt im Raum bestehen. Sie

beziehen sich auf Winkel, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen.

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Bei den Mehrkörpersystemen findet stets eine multiple

Koordinatentransformation statt. Beispielsweise wird zur Berechnung

resultierender Gelenkmomente beim Aufbringen externer Kräfte eine Addition

der jeweiligen Stabvektoren durchgeführt. Bei Mehrkörpermodell werden, wie

schon zuvor erläutert, starre Körper angenommen, so dass keine

Deformationen auftreten. Der Kraftübertrag ist deshalb durch ein einfaches

Kontaktmodell gegeben.

Bei der Berechnung der Bewegungen werden die entsprechenden

Bewegungsgleichungen einbezogen. So entspricht das Produkt aus Masse

eines Körperteils und Entfernung des Körperteils vom Ursprung der

wirkenden Kraft. Analoges gilt für die Rotationsbewegung: Hier entspricht

das Produkt des Trägheitstensors und der Winkelbeschleunigung der

Differenz aus dem resultierenden Moment und dem Kreuzprodukt aus

Winkelgeschwindigkeit und Trägheitstensor und Winkelgeschwindigkeit.

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FEM-Modelle werden ebenfalls zur Gestaltung von Innenräumen mit Hinblick

auf die Insassensicherheit eingesetzt. Dies betrifft die Auslegung von

Knautschzonen, Sicherheitsgurten oder Airbags bei virtuellen

Crashversuchen. Die Finite-Elemente Methode ist ein spezielles

numerisches Verfahren zur näherungsweisen Lösung der hierbei

auftretenden Verhältnisse.

Konkret besteht bei den FEM-Menschmodellen das Problem, die komplexe

Geometrie der menschlichen Kontur abzubilden und entsprechend zu

modellieren. Auch die Parametrisierung des Modells, also die Anpassung an

die Eigenschaften des menschlichen Gewebes, ist aufgrund der mangelnden

Verfügbarkeit entsprechender Informationen problematisch. Häufig werden

deshalb Vereinfachungen eingegangen.

Es entsteht so ein System aus beschreibenden Differenzialgleichungen, das

nicht kontinuierlich lösbar ist. Mittels des FEM-Ansatzes erfolgt eine

Reduktion des Kontinuums auf ein diskretes numerisches Modell.

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Hier ist kurz die allgemeine Vorgehensweise der FEM skizziert. Zur

Vertiefung sei auf die entsprechenden Vorlesungen und Fachliteratur

verwiesen.

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Digitale Menschmodelle (DHM) werden heute bei einer großen Anzahl von Anwendungen

eingesetzt. Die fotorealistische Darstellung der Modelle, die hohe Auflösung der CAD-Systeme

und das Vorhandensein von Validierungsstudien können dem Nutzer eine hohe Genauigkeit und

Validität vortäuschen. Dies kann zu einer unkritischen Haltung gegenüber den erhaltenen

Ergebnissen führen. Zudem wurden die DHMs meist nur für bestimmte Anwendungen konzipiert.

Über die Auswirkungen auf die Genauigkeit der DHMs bei Einsatz für Anwendungen außerhalb

dieser Anwendungsbereiche gibt es nur wenig Informationen.

In dieser Arbeit wird das Bewegungsverhalten des DHM bei einer Anwendung überprüft, für die

es ursprünglich nicht konzipiert war. Bei beiden Anwendungen werden aber Greiftätigkeiten nach

vorne im Sitzen durchgeführt, so dass die Unterschiede der Körperhaltungen nur marginal sind.

In dieser Untersuchung wurden Bewegungen von Versuchspersonen aufgezeichnet und später

mit dem DHM nachvollzogen.

Bei der Bewegungssimulation durch das DHM ergaben sich Abweichungen gegenüber den

Bewegungen der Versuchspersonen. Diese zeigen sich auch bei korrekter Anfangs- und

Endposition der Messpunkte und der Körperhaltung. Sie haben Ihre Ursache in

modellspezifischen Charakteristika und im konzeptionellen Verständnis des

Bewegungsverhaltens.

Die Übereinstimmung des Modells mit der Realität bezieht sich auf die drei Bereiche Statik,

Kinematik und Dynamik. Die Statik berücksichtigt hier die Modellierung der Körpermaße und ihrer

Variabilität, sowie die Modellierung der statischen Haltung. Die Kinematik bezieht sich auf die

Modellierung der Bewegungen. Im Speziellen werden dabei Bewegungsbahnen und

Gelenkwinkel überprüft. Die Modellierung von Geschwindigkeiten ist dagegen auch heute noch

mit den aktuellen anthropometrischen Menschmodellen kaum möglich. Schließlich gilt es,

besonders bei den biomechanischen Menschmodellen auch die dynamischen Verhältnisse

einzubeziehen. Dies bezieht sich auf die Kräfte, Momente und resultierenden Deformationen bei

Bewegungen.

In der Folge werden die Ergebnisse einer eigenen Validierungsstudie für ein digitales

Menschmodell vorgestellt, die sich auf die Statik und Kinematik bezieht.

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Im ersten Schritt wurden aus den Daten einer größeren anthropometrischen

Reihenuntersuchung eine Stichprobe (20 Datensätze) zufällig ausgewählt.

Diese wurden dann zur Parametrisierung eines anthropometrischen Modells

verwendet. Auf diese Weise wurden 20 virtuelle Modelle von realen

Versuchsteilnehmern erstellt. Die Modelle wurden dann in die entsprechende

anthropometrische Standardhaltung versetzt und virtuell gemessen. Der

Vergleich zwischen modellierten und realen Daten zeigte Unterschiede in

mehreren Aspekten.

So war die simulierte Sitzhöhe größer als die reale. Die simulierte Armlänge

war größer als die real bestimmte und die simulierten Reichweiten nach

vorne und oben geringer als in der Realität. Die absoluten Unterschiede

variierten zwischen den Versuchspersonen. Ein Ergebnis war jedoch, dass

die vom CAD anscheinend erwartete Genauigkeit von keinem Menschmodell

erreicht wurde und deshalb stets die Ergebnisse der Modelle mit einem

Sicherheitsfaktor oder Unschärfefaktor versehen werden müssen.

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Bezüglich der durchgeführten Haltungs- und Bewegungssimulation zeigen sich die hier gezeigten Ergebnisse. Dabei wurden die Positionen an fünf Messpunkten (Auge, Schulter, Ellenbogen, Handgelenk, Zeigefinger) bei einfachen zielgerichteten Armbewegungen mit einem Motion Capture System aufgezeichnet. In der Folge wurde eine Bewegungsfolge simuliert, wobei allerdings drei Rahmenbedingungen eingehalten wurden:

Beim neutralen Sitzen erfolgte eine Spezifikation des Sitzes (Sitzreferenzpunkt, Sitzebene, Sitzlehne, Füße auf dem Boden und Hände auf der Handablage fixiert). Es zeigte sich eine etwas erhöhte Position des Augenpunkts und Ungenauigkeiten bei der Schulter- und Ellenbogenposition. Die Handgelenkposition war nur mit einem geringen Fehler verbunden.

Beim fixierten Sitzen wurde zusätzliche die Augenposition fixiert. Hierdurch wurde die Modellierung der Haltung hinsichtlich der Schulter- und Ellenbogenposition geringfügig verbessert und auch die Handgelenkposition wurde genauer simuliert.

Beim Greifen nach einem Nahziel beim Sitzen wurde ebenfalls der Augenpunkt fixiert. Bezüglich der Haltung konnte eine gute Übereinstimmung sämtlicher Messpunkte in Bewegungsrichtung festgestellt werden. Es traten jedoch Fehler bei der Ellenbogenposition in seitlicher Richtung auf; die erforderlichen Freiräume waren hier geringer als in der Realität. Bei der Position von Schulter und Handgelenk traten nur geringe Fehler auf.

Bei der Modellierung des Greifens nach einem entfernten Ziel wurden jedoch große Fehler in der Bewegungsrichtung festgestellt. Demgegenüber waren die Abweichungen in seitlicher Richtung und in der Höhe geringer.

Die Untersuchung ergab, dass das Modell die Personen weitgehend realistisch nachbildet. Dies gilt sowohl für die anthropometrischen Körpermaße als auch für die Haltungen. Als potenzieller Schwachpunkt wurde die Schultergelenkmodelation und die Modellierung der kinematischen Kette des Arms (insbesondere der Ellenbogenposition) ermittelt. Diese führt zwar im Nahbereich zu genauen Ergebnissen, bei Bewegungen zu Zielen im Randbereich des Greifraum jedoch zu Ungenauigkeiten. Des weiteren führt die fehlende Weichteilverformung zu einer zu großen Stammlängenberechnung. Bei der exakten Nachbildung von Handhaltungen kann es zu Problemen kommen, da die Standardhaltung aus dem Kraftfahrzeug übernommen wurde und umfassend an die Körperhaltung an einer Konsole angepasst werden muss.

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... Auch Modelle machen Fehler

Dass die von Menschmodellen simulierten Bewegungen oder

Haltungen nicht uneingeschränkt für die Auslegung von Produkten

verwendet werden dürfen zeigen diese Abbildungen. Hier sind einige

Fehlinterpretationen des durch den menschlichen Bewegungsapparat

theoretisch zulässigen Freiheitsgrade abgebildet, die zwar theoretisch

durch die mathematischen Zusammenhänge des Menschmodells

zulässig sind, aber durch den Menschen so tatsächlich nicht

eingenommen werden können.

Dies trifft vor allem auf die eingenommenen Körperwinkel oder –

torsionen und Durchdringungen mit angrenzenden Gegenständen zu.

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RAMSIS ist das 3D-CAD-Ergonomiewerkzeug. Mit RAMSIS lassen sich Package- und

Designstudien während der Konstruktionsphase eines Fahrzeugs umfassend

bearbeiten. RAMSIS ist das weltweit führende CAD-Werkzeug zur ergonomischen

Gestaltung und Analyse von Fahrzeuginnenräumen und Arbeitsplätzen und wird

bereits bei mehr als 60% der Automobilhersteller verwendet. Vorteil: Umfangreiche

Analyse bereits in der Vorentwicklung möglich, ohne das teure physische Modelle

gebaut werden müssen. (siehe auch Luczak & Volpert, 1997, S. 383f)

Anthropometrische Datenbank: 90 reale, statistisch abgesicherte Körperbautypen

Standardanimation: Translation/Rotation interaktiv oder numerisch, Gelenkanimation

numerisch oder interaktiv, schnelle automatische Zielpunktanimation für frei

definierbare Ketten von Körperteilen, Interaktives Nachziehen von Körperteilketten,

Analyse von Raumkoordinaten und Gelenkwinkeln

Restriktionsanimation: Grenzkörperhaltungsberechnung, typunabhängige Aufgaben-

beschreibung, interaktive Zieldefinition, Berücksichtigung von Grenzflächen,

Tangentialitätsbedingungen, Berücksichtigung von Selbstdurchdringung

Gesundheits- und Komfortanalyse: Analyse des Haltungskomforts,

Haltungsabhängige Körperteilkomfortbewertung, Ermüdungsanalyse, Orthopädische

Bewertung der Wirbelsäulenkrümmung

Sichtanalyse: Einbeziehung der Augen- Kopf- und Halsbewegungen in die

Restriktions-animation. Interne Sicht, Ergonomische Bewertung des Sichtfeldes,

Berücksichtigung der Sehentfernung, Simulation der Spiegelsicht

Gurtanalyse: Berechnung des Gurtverlaufs, Berechnung der Gurtablösepunkte,

Erreichbarkeitsanalyse: Typabhängige Berechnung der Erreichbarkeitsflächen,

(auch) für Extremitäten, Berechnung von Erreichbarkeitsflächen für Körperteilketten

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Mit CAD Anthropos überprüfen Konstrukteure und Produktdesigner ihre Entwürfe während

des gesamten Planungsprozesses. Durch das rechtzeitige Erkennen ergonomischer Defizite

wird die Produktqualität deutlich gesteigert und Kosten gesenkt. Das Menschmodell

Anthropos ist in drei Modulen erhältlich:

VR Anthropos Echtzeitsimulation in Virtual-Reality-Umgebungen (SGI: Open Inventor,

Perfomer)

CAD Anthropos Ergonomie-Analysen und Simulation (Windows: AutoCAD, CADKEY; IBM

RS6000: CATIA; Sun & HP: CADDS)

VIS Anthropos hochwertige Visualisierung in 3D Studio MAX und Character Studio

Die gemeinsame Datenbasis aller Module garantiert einen durchgängigen Datenaustausch.

So können bspw. ergonomische Fragestellungen im CAD Anthropos bearbeitet werden,

dann in 3D Studio MAX hochwertig visualisiert und anschließend in die Virtual Reality-

Umgebung integriert werden. Einsatz z.B. bei Airbus, AME, BMW, Bosch, DaimlerChrysler,

DASA, MTU, Saab, Still.

Da die Modelle nicht nur unterschiedlich bekleidet, sondern auch nackt und als Skelett mit

„gläserner“ Haut sowie entsprechenden Alters- und Rassenmerkmalen dargestellt werden

können, ist das Programm auch für Mediziner interessant. Es kann im aktuellen

Ausbaustadium zur Erstellung von Vortragsfolien, für Publikationsgrafiken und für die

Produktion von Videos eingesetzt werden. (Vgl. Jerosch, J.; Nicol, K.; Peikenkamp, K.

(Hrsg.): Rechnergestützte Verfahren in Orthopädie und Unfallchirurgie. Steinkopff,

Darmstadt, 1999.)

Auch die Anwendung rechnergestützter Verfahren ist immer mit einer Vielzahl von

Ungenauigkeiten verbunden. Ein Vergleich verschiedener Werkzeuge zeigte, dass zum Teil

erhebliche Unterschiede in Analysen wie Reichweiten, Sichtbedingungen etc. existieren.

(Luczak, 1998, S. 599).

Weitere Programme: siehe Luczak, 1998, S. 472

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Das Menschmodell JACK besitzt einen Hintergrund primär in der

Computergrafik, beispielsweise in der Animation virtueller Menschen in

Filmen. Es wird aber häufig auch im englischsprachigen Raum zur

Gestaltung von Produkten (primär: Fahrzeugen) eingesetzt und dient

darüber hinaus auch als Illustrationsmedium für Ausbildungsfilme.

Hauptanwendung ist heute neben der Produktgestaltung die Darstellung von

Menschen in Virtuellen Umgebungen. Dabei wird der JACK über bestimmte

Hardware vom Benutzer quasi ferngesteuert und folgt den Bewegungen des

realen Menschen. Durch Darstellung der "virtuellen" Sicht des Jack-Modells

entsteht dann der Eindruck, im Fahrzeug selbst anwesend zu sein. Dies

ermöglicht sehr frühe und detaillierte Produktanalysen.

Die Datenbank für Körpermaße basiert primär auf US-amerikanischen

Datensätzen; sie werden als Perzentilpersonen abgebildet. JACK bietet

Funktionen zur Analyse der Sicht, Reichweite, Haltung und von

Bewegungen.

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Das vierte große Menschmodell ist Safeworks. Es ist heute ein Bestandteil

der Delmia CATIA-Umgebung. Entwicklungsschwerpunkt war die Abbildung

von Körpermaß-Variabilitäten für den Einsatz in der Fahrzeuggestaltung.

Ähnlich wie bei RAMSIS ist hierzu auch eine umfangreiche Methodik

vorhanden, die weit über einfache Perzentilpersonen hinausreicht.

Die vorhandenen Analysefunktionen umfassen Sicht-, Reichweiten-,

Haltungs- und Bewegungsanalysen. Zusätzlich sind Funktionen zur

Durchführung von MTM-, Kraft- und Leistungsanalysen vorhanden.

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