Auf Schuster`s Rappen von Passau nach Wien · 2019-06-25 · Auf Schuster`s Rappen von Passau nach...

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Auf Schuster`s Rappen von Passau nach Wien Als Leopoldine, in Mannersdorf am Leithagebirge geboren, wagte ich meine erste Weitwanderung im Mai 2019. mein StephanuswegWenn man am Fuße des Leithagebirges geboren wird, kommt man sehr früh mit Steinen in Kontakt. Es ist hinlänglich bekannt, dass unsere Vorfahren Stein aus Mannersdorf am Leithagebirge abgebaut und für die Errichtung des Stephansdomes bereits vor knapp 900 Jahren nach Wien transportiert haben. Weniger bekannt dürfte jedoch manchen sein, dass die Anfänge des Doms auf das Jahr 1137 zurückgehen, was aus dem Tauschvertrag von Mautern zwischen Markgraf Leopold IV. von Österreich und dem Bischof Reginmar von Passau überliefert ist. Seit einigen Jahrzehnten hält mich unser Dom und seine Geschichte gefangen. So war es für mich naheliegend, zu den Wurzel meiner/unsere Erzdiözese aufzubrechen. Am 5.5.2019 um 5:05 fiel der Startschuss, mit den ÖBB nach Passau. Im Gepäck jede Menge guter Wünsche von Freunden, Anliegen, Skepsis und vor allem die Frage: warum tust du dir das an??? Die Antwort ist simple wie einfach: Dankbarkeit und Hoffnung Dankbarkeit dafür, nach einigen lebensbedrohlichen Erkrankungen solch ein Experiment wagen zu können. Hoffnung jenen Menschen zu schenken, die an Krebs oder so wie ich auch an Diabetes erkrankt sind. Dankbar auch Menschen gedenken, die den Kampf gegen diese Erkrankungen verlohren und verstorben sind. Schon am Bahnhof begegnete mir eine Schulkameradin, auch sie trägt ihre Erkrankung tapfer, also rein mit ihren Anliegen in meinen Rucksack und auf nach Passau. Nach dem Besuch des Stephansdomes in Passau und einem kräftigen Reisesegen ging meine Weitwanderung bei Nieselregen los.

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Auf Schuster`s Rappen von Passau nach Wien

Als Leopoldine, in Mannersdorf am Leithagebirge geboren, wagte ich meine erste Weitwanderung im Mai 2019.

mein „Stephanusweg“ Wenn man am Fuße des Leithagebirges geboren wird, kommt man sehr früh mit Steinen in Kontakt. Es ist hinlänglich bekannt, dass unsere Vorfahren Stein aus Mannersdorf am Leithagebirge abgebaut und für die Errichtung des Stephansdomes bereits vor knapp 900 Jahren nach Wien transportiert haben.

Weniger bekannt dürfte jedoch manchen sein, dass die Anfänge des Doms auf das Jahr 1137 zurückgehen, was aus dem Tauschvertrag von Mautern zwischen Markgraf Leopold IV. von Österreich und dem Bischof Reginmar von Passau überliefert ist.

Seit einigen Jahrzehnten hält mich unser Dom und seine Geschichte gefangen. So war es für mich naheliegend, zu den Wurzel meiner/unsere Erzdiözese aufzubrechen. Am 5.5.2019 um 5:05 fiel der Startschuss, mit den ÖBB nach Passau. Im Gepäck jede Menge guter Wünsche von Freunden, Anliegen, Skepsis und vor allem die Frage: warum tust du dir das an??? Die Antwort ist simple wie einfach: Dankbarkeit und Hoffnung Dankbarkeit dafür, nach einigen lebensbedrohlichen Erkrankungen solch ein Experiment wagen zu können. Hoffnung jenen Menschen zu schenken, die an Krebs oder so wie ich auch an Diabetes erkrankt sind. Dankbar auch Menschen gedenken, die den Kampf gegen diese Erkrankungen verlohren und verstorben sind. Schon am Bahnhof begegnete mir eine Schulkameradin, auch sie trägt ihre Erkrankung tapfer, also rein mit ihren Anliegen in meinen Rucksack und auf nach Passau. Nach dem Besuch des Stephansdomes in Passau und einem kräftigen Reisesegen ging meine Weitwanderung bei Nieselregen los.

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Meine Wanderstiefel wurden von Schritt zu Schritt schwerer. Eindeutig falsches Schuhwerk. Rasch die Laufschuhe angezogen und die nassen Stiefel auf den Rucksack gebunden. Einige Kilometer später holte mich ein Radfahrer ein und übergab mir einen meiner Stiefel. Der zweite blieb verschollen. Also trage ich ab jetzt auf meinen Füßen den einen Stiefel abwechselnd – mal links, mal rechts. +zwinker+ Nach den ersten 27 Kilometer erreichte ich das einzige Trappistenkloster Österreichs in Engelhartszell. Ein herzliches Willkommen und natürlich ein Schnaps`erl aus der hauseigenen Erzeugung beflügelten sogleich wieder meine Lebensgeister.

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Entlang der Donau auf Treppelwegen ging es weiter in Richtung Osten. Sattes Grün in Wald und Feld erfreuten mein Auge, ja sogar die Donau hatte diese Grünfärbung angenommen. Strahlend gelb leuchten die frischen Rapsfelder zu meiner rechten Seite. Ein kleiner Einkehrschwung in Haibach, schwarzer Kaffe und die 83 jährige Wirtin war ein besonderes Erlebnis. Auf mein Geld verzichtete sie lächelnd: „Wallfahrer zahlen nichts bei mir, bete für mich auf deinem Weg ein Vater unser.“ Erika erzählte mir die Geschichte ihres Lebens. Ihre Familie waren die letzten Zillenbauer an der Donau und jetzt… fährt kein einziges Schiff mehr unter österreichischer Flagge: „alles verkauft, alles verscherbelt, weit haben wir`s gebracht,“ klagte sie. Ihr Mann war vor drei Jahren am 26.4 1916 an Krebs verstorben, an diesem Tag feierte ich meine 60. Geburtstag. Wir gedachten unserer Männer, denn auch ich hatte genau an diesem Tag wo Erika und ich so nett beisammen saßen am 7.Mai 2019, also vor 6 Jahren meinen Mann durch eine Krebserkrankung verloren.

Still und nachdenklich ziehe ich weiter.

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So stelle ich mir das Paradies vor der Weg in Oberösterreich führte mich durch Landschaften von höchster Bedeutung für den Naturschutz. Das Life-Projekt „Hang- und Schluchtwälder im oberen Donautal“ sichert langfristig naturnahe Waldbestände und besondere Pflanzen und Tiere.

Entlang der Kaiserau Buchenwald in den oberen und flacheren Hangbereichen, Felsfluren, Extremstandorte mit lockeren Kiefern- und Eichenbeständen, Eichen-/Hainbuchenwald, Schlucht- und Hangmischwälder, Edellaubgehölze, deren Unterwuchs reich ist an Farnen und Kräutern durchwandere ich und jede Menge Auwälder aber davon noch später.

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Radfahrer jeder Altersgruppen überholten mich oder kamen mir entgegen. Immer wieder blieben einige von ihnen stehen um mit mir zu plaudern. Interessant wie klein doch die Welt ist. Jede Begegnung beinhaltete kleinere oder größere Berührungspunkte. Aktive Pensionisten aus Nürnberg schwärmten von ihrer letzten Radtour entlang des Kirschblütenweges am Leithagebirge und der Umrundung des Neusiedlersees. Meine Pulsuhr zeigte mir 23,8 gewanderte Kilometer als ich im Gasthof Camping Kaiserhof in Aschach ankam. „Leider kein Nachtquartier für sie, die Radfahrer waren schneller, sie müssen hinüber ans andere Ufer.“ Die letzte Zille des Tages brachte mich nach Neuhaus, wo ich mit meinem riesigen Rucksack im Gasthof Ernst Aufsehen erregte. Das Bett musste dann noch ein bisserl warten, denn mir wurden wieder die obligatorischen Fragen gestellt: woher, wohin, warum? .

Elektrolyte und Energie mussten aufgetankt werden. Ein Rehbeuschel und ein Radler ;)

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Der Umweg am nächsten Tag ging’s los mit einer Bergwertung. Vorbei am Kettenturm bei Schloss Neuhaus über den Falkenberg nach St. Martin im Mühlkreis. Dieser „Umweg“ wurde nötig, da ich mein Handy geschrottet hatte. Dringend nötig für Navigation, Fotos, um Kontakt zu meinen Freunden und Familie zu halten. Leider war diese Strapaze umsonst, es gab keinen Vertragspartner meines Anbieters. Die Zeit wurde knapp, in letzter Minute noch einem Bus nachgelaufen, der mich nach Ottensheim brachte.

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Ausgerüstet mit neuester Technologie ging es mit einer Fähre zurück wieder ans rechte Donauufer. Durch Donauauen ging es begleitet von unzähligen Singvögeln dem Ort Wilhering entgegen.

Das Stift Wilhering ist eine im Jahr 1146 gegründete Zisterzienserabtei. Die von 1733 bis 1751 errichtete Stiftskirche zählt zu den bedeutendsten Bauten des Rokoko im deutschen Sprachraum und gilt als wichtigster Sakralbau, der kurz vor der Fertigstellung seiner Generalsanierung steht.

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Auf meine Bitte um ein Nachtlager öffnete mir Abt Reinhold persönlich die Pforte und teilte mir eine gemütliche Zelle zu, welche über einer Selchkammer lag, in welcher frisch gefangene Forellen im Kamin hingen und geräuchert wurden. Extra brauche ich wohl nicht erwähnen, dass ich zu einer Kostprobe und einem kühlen Klosterbier eingeladen wurde. Dies lies mich die knapp 32 km die hinter mir lagen leichter vergessen.

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Die Unterbrechung Nach einem gemeinsamen Chorgebet um 5:30, einem reichhaltigem Frühstück und vielen guten Wünschen für meine Wallfahrt ging es über 10 km entlang der Landstraße nach Linz.

Für dieses Zwischenziel meiner Wanderung war eine Unterbrechung geplant. Die ÖBB brachten mich ins Ennstal nach Schladming. Für 3 Tage war ein Treffen der Gruppenleiter der Diabetiker Selbsthilfegruppen angesetzt, zu dem ich eingeladen war. Als Gruppenleiterin werde ich ab September 2019 auch in Mannersdorf das Angebot von ADA – Aktive Diabetiker Austria – anbieten. Viele interessante Vorträge zum Thema Diabetes und Angebote für Betroffene und deren Angehörige sind in Planung. Es waren sehr lehrreiche, auffrischende, informative und lustige Tage.

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Linz Sonntagabend zurück in Linz begrüßte mich dunkler Himmel und Regen. Ein Besuch des größten Domes von Österreich musste einfach sein. 1862 wurden die Grundmauern gelegt und galt zu der damaligen Zeit als die größte Kirche Europas, aber nicht höchste Kirche von Österreich. Der Treppelweg Grauer Himmel und Wolken besprühten mit Nieselregen den Asphalt und zogen hinter mir her. Abermals überquerte ich die Donau und lief in eine Sackgasse. 8 km mehr als nötig in den Waden – wäre ich doch nur der Umleitung gefolgt. Am Treppelweg fand ich dann einen Hinweis: noch 226 km bis Wien. Immerhin ein Drittel hatte ich bereits geschafft. Juhu

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Zurück wieder am Südufer stieg Dampf aus Wäldern und Auen, unzählige Singvögeln fliegen von Baum zu Baum und begleiteten mich so bis Steyregg. Ein Holländer war ebenso unterwegs wie ich zu Fuß von Passau nach Wien. Eine nette Begegnung mit einem Hünen von fast 2 Meter. Seine langen Beine brachten ihn dann um eine viertel Stunde früher nach Luftenberg, wo er mir doch tatsächlich das letzte Gästebett wegschnappte. Wieder den Weg zurück zur Donau und über das Kraftwerk Abwinden-Asten hinauf zum Stift St. Florian. Der Gewaltmarsch des Tages sollte nicht ungestraft bleiben. Dunkelrote Flecken schmückten meine Unterschenkel. Die Fußsohlen brannten und die Beine liefen die halbe Nacht noch alleine ohne mich weiter.

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Besorgnis machte sich am Morgen breit ,da die roten Flecken sich sehr heiß von der anderen Haut unterschieden und die Beine „wurrelten“. Nicht einmal ignorieren dachte ich und schlüpfte wieder in Socken und Schuhe. Nach einer kurzen Besichtigung des imposanten Stift St. Florian ging es weiter Richtung Enns. Diese Stadt sollte ich jedoch anders erreichen als geplant.

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Der diabetische Fuß Hinter mir Gewitterwolken und vor mir der „Glutmugl“ ließen mich schweißgebadet Schloss Tyllisburg erreichen. Jeder Schritt wurde zur Qual. Was tun?? Ein Telefonat mit Dr. Adalbert Strasser, der „Don Quijote“ für diabetische Füße und gleichzeitig Präsident von ADA – Aktive Diabetiker Austria - nahm mir jegliche weitere Überlegung ab. Ein Taxi brachte mich in ein naheliegendes Ärztezentrum. Die erste Frage der Ärztin: „hat sie eine Spinne gebissen??“ „NEIN und schon gar nicht auf beiden Beinen. Ich bin auf einem Weitwanderweg und Diabetikerin“. Darauf verschrieb sie mir eine Cortison-Salbe und „verordnete“ mir 2-3 Tage Schonung und Beine hoch lagern. Wieder telefonierte ich mit Dr. Strasser: „das geht gar nicht, du musst zu einem Dermatologen, so schnell wie möglich. Wie tröstlich, langsam begann ich mir wirklich Sorgen zu machen. Da hilft auch kein Zähne zusammenbeißen, Gesundheit geht über alles.

Ich erinnerte mich an eine Dermatologische Ambulanz in Wien. Gut dass ich wieder auf der rechten Seite der Donau war und so stieg ich in einen Rail-Chat der ÖBB und brauste nach Wien. Angekommen im Spital wartete ich fast vier Stunden bis sich ein Arzt meiner Beine ansah. „Hat sie eine Spinne gebissen“? „NEIIIIN, ich bin auf einem Weitwanderweg und Diabetikerin.“ Herr Doktor sagen Sie mir doch bitte Ihre Diagnose.“ Ein erstaunter Blick streifte mich: „kann ich Ihnen nicht sagen, ich bin Chirurg und kein Hautarzt. Schmieren sie sich die Beine ein, legen sie sie hoch und wenn es in drei Tagen nicht besser ist gehen sie zu einem Dermatologen.“ „Vielen Dank Herr Doktor, sie haben mir sehr weitergeholfen“ (knurr) Auf das Anraten meines „Fußgurus“ Dr. Adalbert Strasser unbedingt einen kompetenten Dermatologen aufzusuchen landete ich am nächsten Tag in Wr.Neustadt auf der Hautambulanz. Kurze Wartezeit, ein überaus freundlicher Arzt, ein Blick und dann die Diagnose: „Wanderpurpura! Hurra !! Purpura d’effort (im Ärztejargon „Wanderpurpura“) deren oberstes Merkmal kleine Kapillarblutungen sind, die in unterschiedlichen Ausbreitungen unter anderem den unteren Teil der Beine betreffen können. Purpura d’effort wird unter Medizinern als belastungsinduzierte Purpura bezeichnet, die, wie der Name bereits vermuten lässt, nur dann auftritt, wenn die Beine eine starke Belastung ertragen müssen. Charakteristisch ist bei den rötlichen Hautveränderungen, dass sie zumeist in Höhe der Socken ihr Ende finden. „Keine Sorge, ein bisserl Ruhe und dann weiter marschieren. Gehen ist das Beste das sie mit ihrer Diabetes machen können. Gratulation zu ihrer bisherigen Leistung, von mir haben sie grünes Licht. Weiterhin viel Erfolg, ab sofort Kompressionswanderstutzen und gute Reise.“ Erleichtert und mit einem Lächeln im Gesicht verlasse ich die Klinik. Gott sei Dank, es gibt sie ja doch noch: Ärzte mit Wissen, Können und Herz. Danke.

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Das Elixier des Lebens Wenige Tage später nach Abklingen meiner Purpura fähren mich die ÖBB zurück nach Enns. Am Himmel tobt ein Wettstreit zwischen Sonne und Wolken. Pfiat di Oberösterreich, über die historische Ennsbrücke komme ich in mein Bundesland Niederösterreich.

Eine Pracht von wilden Kräutern und Blumen liegen im Wettstreit um die schönsten Plätze. Ein kleiner Mocca und ein großer Hollunderblütensaft sollen meinen Flüssigkeitsverlust ausgleichen. Meine Trinkblase befülle ich auf Anraten des Wirtes zur Gänze mit Wasser, die nächsten 22 km werde ich kein einziges Haus zu sehen bekommen. Unbesorgt stapfe ich los. Über viele Kilometer ist ein riesiger Baumstamm in der Mitte der Donau mein Begleiter. WOW ich marschiere mit Flussgeschwindigkeit. Unzählige Donauarme gilt es zu umgehen und der Weg nach Wallsee wird immer länger. Nach drei vergeblichen Herbergssuchen gilt es noch 150 Höhenmeter zu erklimmen – ein Königreich für ein Bett.

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Am nächsten Morgen hat der Regen den Wettstreit gewonnen und der Himmel hat seine Schleusen geöffnet. Mairegen soll besonders gut für die Haut sein UND es gibt kein schlechtes Wetter nur unzureichende Kleidung. Mein Ganzkörper-Regenschutz hatte ein Sichtfenster in der Kapuze, das sollte mir zum Verhängnis werden. Fröhlich marschierte ich dahin und begann immer mehr zu dampfen. Das Sichtfenster wurde „blind“, ich übersah wohl einen Wegweiser und irrte so über zwei Stunden durch die Donauauen. Ohne einen trockenen Faden am Leib aber mit viel Sonne im Herzen erreiche Ardagger. Trocken gelegt geht es weiter, wieder einmal über die Donau mit dem Tagesziel Grein.

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Wasser wohin ich schaue, es mag einfach nicht aufhören zu „kübeln“ und so ziehe ich nach s(r)egenreichen Tagen Melk entgegen.

nicht meine – wo ist der Wassermann?

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Melk Ist endlich erreicht, ein kleiner Spaziergang durch die Altstadt, den Berg zum Stift erklimme ich heute nicht mehr. 2/3 meines Weges liegen nun schon hinter mir und es sind nur noch bisserl über 120 Kilometer zu marschieren. Die Stadtpfarrkirche

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Eine Schifffahrt die ist lustig über 180 km liegen nun schon hinter mir und es regnet schon wieder. Der Versuchung der „Wachau“, die in Melk vor Anker liegt kann ich nicht wiederstehen. Ein paar Kilometer tragen lassen, ich ertrage doch auch geduldig meine Diabetes. Trotz dunklem Himmel genieße ich die Fahrt auf der Donau bis Krems. Aggstein, Willendorf mit seiner Venus, Spitz, Weißenkirchen und Dürnstein ziehen an mir vorbei. Wieder an Land geht es auf Schusters Rappen nach Hollenburg. Weitere 26 km gelaufen. Gott sei´s gedankt, nach längerem Suchen wieder einmal noch ein Kämmerchen für die Nachtruhe gefunden. Schön langsam wird mir mein Rucksack und dessen Inhalt ein bisserl schwer.

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Atomkraft unter einer Donaubrücke finde ich drei Sprüche, die mich zum Lachen bringen: „lieber brennende Herzen als erloschene Träume!“ darunter: „liebe saubere Wände als poetische Sprüche.“ Welch wahre Worte Wenige Meter weiter stand in großen Lettern: „niemand hat gesagt, dass es bequem wird.“ Auch wahr, also auf und weiter geht’s in Richtung Zwentendorf. Wolkenloser Himmel und die Sonne nagelt wie verrückt auf meinen Körper, ich denke zurück: niemand hat gesagt, dass es bequem wird. Nach 21,7 km erreiche ich den Reaktor, irgendwie sieht der unspektakulär und harmlos aus. Mit Sicherheit gäbe es die Strecke mit ihren traumhaften Donauauen nicht zu durchwandern, wäre hier dieses Atomkraftwerkt in Betrieb gegangen. Danke liebe Landsleute für eure Entscheidung.

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Durstig und matt kehre ich in die Bärendorferhütte neben dem Reaktor ein. Der Wirt sei legendär für sein Gulasch sagt man mir. Das kann ich nur bestätigen! Wieder falle ich mit meinem Rucksack auf wie ein bunter Hund und es prasseln die legendären Fragen auf mich ein: woher kommst du, wohin gehst du, welch einen Sinn hat diese Plackerei…. und wieder einmal keine Übernachtungsmöglichkeit. Ob ich wohl nicht besser auf das Gulasch und den Radler verzichten hätte sollen?? Ich befürchte, dass mich meine Füße heute nicht mehr bis nach Tulln tragen. Ein wissbegieriger Gast lädt mich ein, mich mit seinem Lieferwagen zu einem Hotel in Tulln zu fahren. Ein Licht am Ende des Tunnels. Danke mehr kann ich da heute nicht mehr sagen.

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Marschmusik belebt die Sinne. Die Stöpsel meines MP3-Players im Ohr und mit gespitzten Lippen pfeife ich auf das Ziehen in den Lenden. Die Hüften machen sich bemerkbar und der Gleitwirbel lässt grüßen. Die Sonne brennt unbarmherzig auf den Brand, den sie mir am Vortag geschenkt hat. Der Rucksack wird immer schwerer und schneidet in die Schultern. So kurz vor dem Ziel – aufgeben??? Auf keinen Fall, aber eine kleine Marscherleichterung vielleicht??? Das Rattern eines Zuges lässt mich meine Schritte nochmals beschleunigen. In Muckendorf hüpfe ich mit letzter Kraft in die Schnellbahn. Nur ein kleines Stückerl sich mitnehmen lassen. Nach 20 Minuten habe ich Klosterneuburg erreicht. Mit Musik geht alles besser.

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Das Ziel vor Augen Noch heute will ich mein Ziel, den Stephansdom erreichen! Es ist ja erst Mittag und gestärkt mache ich mich auf die letzten Kilometer. Wo bin ich da gelandet??? Ohrenbetäubender Lärm dringt an meine Ohren. Autos ohne Zahl brausen neben mir her, das liebgewohnte Plätschern der Donau ist nicht mehr zu hören. Die riesigen Löwen der Nussdorfer Brücke („Schemmerlbrücke)“ grinsen mich an als wollten sie mir sagen: Wien ist anders. Wie recht sie haben. Unzählige Radfahrer auf ihren Rennrädern brausen ohne Rücksicht auf mich zu, nur kleine Sprünge meiner müden Füße in Richtung Donaukanal verhindern Schlimmeres. Eine riesige Leuchtreklame einer Tageszeitung auf ihrem Bürohaus erinnert mich, wie wenig mir die News aus der ganzen Welt in den letzten Tagen gefehlt haben.

Die Müllverbrennungsanlage in Spittelau mit ihrer bunten Fassade hat wohl unzählige Stadtbewohner inspiriert, sich entlang des Kanals mit mehr oder weniger schönen Graffitis zu verewigen. Mit jedem Meter nimmt der Lärmpegel zu, ein wildes, sehr lautes Fest wird von der Rossauerlände bis zum Schwedenplatz gefeiert, Müll ohne Ende liegt am Weg.

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Endlich ist die Rotenturmstraße erreicht und zum ersten Mal erblicke ich einen Zipfel des Südturms des Stephansdomes. Nur noch wenige Höhenmeter und ein letzter Kilometer – das Ziel ist erreicht! Es ist geschafft!

16 Wandertage 319,8 Kilometer,

der Schrittzähler sagt mir 586 743 Schritte!

Das alles liegt hinter nun mir und das mit sensationellen Zuckerwerten fast im Normalbereich.

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Dankbar und erschöpft betrete ich den Dom und beuge mit den letzten Reserven mein Knie vor dem Hochaltar mit der Abbildung des Heiligen Stephanus.

Tränen rollen über meine Wangen, aber das ist eine andere Geschichte.

©Leopoldine J. Martschitz

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Leopoldine J. Martschitz Gruppenleiterin ADA – Aktive ddiabetiker-Austria Halterzeile 29 2452 Mannersdorf a. Lgb. Te.: 0676 53 040 53 www.aktive-diabetiker.at [email protected] Hier noch ein paar empfehlenswerte Unterkünfte: www.gasthofkaiser.at www.hotel-roemerhof.at www.kaffeehaustradion.at/de/Kaffeehaeuser_Cafe_zu_Fuersten_Melk.htm www.stiftskeller.co.at www.gasthof-ernst.at www.stift-engelszell.at www.freizeitanlage-schloegen.at