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AUFSATZSAMMLUNG ZUM

2. ILLERTISSER SCHLOSS DIALOG

VOM 07.10.2016

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Aufbruch - Change Management Prozesse, unter der Berücksichtigung von Persönlichkeit und den damit einhergehenden Beziehungsdynamiken, professionell begleiten

Ein Beitrag von Astrid Dengler, Samuel Finkbeiner, Lisa Hirschauer und Christine Wiechert

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ (Chinesisches Sprichwort)

Dieses Sprichwort umfasst im Grunde schon die große Herausforderung von Unternehmen unserer Zeit. Denn der Wind der Veränderung weht stetig und fordert Organisationen in einer noch nie dage-wesenen Dynamik heraus, sich auf Veränderungsprozesse einzulassen. Reagiert ein Unternehmen mit Mauern und lässt es sich nicht auf neue Wege ein, riskiert es seine Marktposition zu verlieren. Somit ist der Impuls: „Wir müssen etwas ändern!“ ein wichtiger Motor, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Mit anderen Worten heißt das: Unternehmen müssen sich immer wieder zum Aufbruch bereit machen! Aber nicht nur die Unternehmensführung muss dafür bereit sein, auch der einzelne Mitar-beiter ist gefragt sich verstärkt an zielgerichteten Veränderungen zu beteiligen. Ein kontinuierlicher, faktenbasierter Veränderungsdruck ist demnach für viele Organisationen mittlerweile Realität und Veränderungsprozesse gehören fast schon zum beruflichen Alltag. Dies führt zwangsläufig auch zum Aufbrechen von Emotionen, denn jeder Aufbruch löst zunächst positive und negative Emo-tionen aus. Je nach Persönlichkeit können diese Emotionen variieren (z.B.: Angst und Unsicherheit vor Veränderungen oder Freude und Enthusiasmus hinsichtlich des Wandels). Diese Gefühle gilt es, auf der Basis der Persönlichkeit, zu identifizieren. So kann der Einzelne, mittels gezielter Interven-tionen, immer wieder emotional für den faktenindizierten Aufbruch motiviert werden. Damit wird der Mitarbeiter zur wertvollen Ressource und nicht zum Risiko für das Gelingen des Prozesses. Zudem muss ein Aufbruch in ein neues Unternehmensbewusstsein hinsichtlich der Gestaltung von wiederkehrenden Veränderungsprozessen erfolgen. Eine reine Fokussierung auf offene The-men, die ausschließlich Fachinhalte betreffen (Aufgaben, Strategien, Kunden, Märkte, Konkurrenz, Abläufe, Prozesse), ist hier nicht mehr ausreichend. Auch soziale Themen müssen berücksichtigt werden, damit Veränderungen nachhaltig implementiert werden können und Change Management Prozesse nicht scheitern (persönliche Einstellungen, Fähigkeiten, Beziehungen, Konkurrenz, Res-sentiments, Mikropolitik, Machtstrukturen, Normen, Werte, Spielregeln, Sinnvorstellungen, Tabus) (vgl. Schichtel, 2010, S. 45).

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sollten die heutigen Aufbrüche im Bereich der Or-ganisationsentwicklung zwingend mit Verfahren aus der Persönlichkeitstypologie optimiert werden. Im Zuge dieser Überlegungen erscheint es sinnvoll, die klassischen Persönlichkeitsmodelle (z.B.: Meyers-Briggs Typenindikator, DISG Persönlichkeitsmodell, RiemannThomann Modell) wieder aus den Schubladen zu ziehen um sie, in einer dem Change Management Prozess adaptierten Form, anzuwenden. Damit kann eine stärkenorientierte Prozessbeteiligung auf Basis der Persönlichkeit

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der Mitarbeiter induziert werden und dem erhöhten Veränderungsdruck wird immer wieder aufs Neue nachhaltig begegnet. Getreu dem Motto: „Keine Organisationsentwicklung ohne Personal-entwicklung!“

Bevor hierzu exemplarisch die Darstellung anhand des Riemann-Thomann Modells erfolgt, wird zunächst der Themenbereich Change Management näher skizziert und der Kontext zum Aspekt Persönlichkeit stärker herausgearbeitet.

Aufbruch - Aktuelle Anlässe für Change Management Prozesse

Wie bereits angeführt reagieren Unternehmen mit Change Management Prozessen auf veränderte Bedingungen. Diese können intern, aber auch extern begründet sein. Die deutliche Zunahme von Aufbrüchen in Veränderungsprozessen lässt sich aktuell auf folgende Faktoren zurückführen:

❶ GLOBALER WANDEL UND DIVERSITÄT: Mit Zunahme der Globalisierung ist der Konkurrenzdruck national und international stark angestiegen. Zudem spielen ökologische Veränderungen eine grö-ßere Rolle (z.B. Begrenztheit natürlicher Ressourcen, Umweltverschmutzung). Aber auch veränder-te, rechtliche Rahmenbedingen (z.B. Freihandelsabkommen) und auch das Diversity Management führen zu Veränderungsprozessen.

❷DEMOGRAPHISCHE ENTWICKLUNG UND FACHKRÄFTEMANGEL: Ein weiterer wichtiger Punkt für Aufbrüche ist die demographische Entwicklung und der damit einhergehende Fachkräfteman-gel. Dadurch zeichnet sich ein zunehmender Kampf um geeignete Mitarbeiter ab. Zudem müssen für die erhöhte Anzahl älterer Mitarbeiter neue Arbeitszeitmodelle entwickelt werden.

❸ DYNAMIK UND KOMPLEXITÄT: Aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen entstehen immer komplexere Gebilde. Ein vernetztes Denken und Handeln, aber auch neue Her-angehensweisen sind hier erforderlich. Dabei unterscheidet man die externe Komplexität, die bei-spielsweise durch die Globalisierung stetig zunimmt, sowie die interne Komplexität.

❹ STRATEGISCHE NEUPOSITIONIERUNG UND KONTINUIERLICHE VERBESSERUNG: Um auf den nationalen und internationalen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen ihre Organisationsstrukturen sowie die Prozesse regelmäßig optimieren. Diese Veränderungen gehen meist mit personellen Umstrukturierungen einher.

❺ TECHNOLOGISCHER WANDEL UND HALBWERTSZEIT VON WISSEN: Der extrem schnelle tech-nische Fortschritt führte in den letzten Jahren zu einer starken Dynamisierung in Unternehmen. Um anschlussfähig zu bleiben, müssen Unternehmen deshalb Wissen und neue Technologien schnell aufgreifen und zeitnah implementieren (vgl. Bartscher/Stöckl, 2011, S. 15ff.).

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Kennzeichen von Change Management Prozessen

Das Konzept des Change Managements umfasst „[…] alle geplanten, gesteuerten und kontrollierten Veränderungen in den Strukturen, Prozessen und Kulturen sozioökonomischer Systeme. Ein integ-riertes und differenziertes Veränderungsmanagement beschäftigt sich unter anderem mit den Fra-gen der Organisation, des Personalmanagements, der Unternehmensführung sowie der Kommuni-kation und der Information […].“ (Thom Norbert, 1995, zit. in: ebd. S.32). Geleitet sollte der Aufbruch und Wandel von den drei folgenden Aspekten sein:

Strategie: Richtungsweisende zielorientierte Vorgabe, die das zukünftige Handeln prägt und den Mitarbeitern den Weg aufzeigt.

Kultur: Richtlinie, die Werte und Normen des Unternehmens festlegt.

Struktur: Rahmen im Bereich der Organisationsebenen und bei der Aufgabe und Prozessgestal-tung (vgl. ebd. 35 ff.).

Nicht immer ist in Change Management Prozessen eine gute Vorplanung möglich. In der Regel muss eine schnelle Reaktion auf veränderte Bedingungen erfolgen. Dies kann zunächst zu Irritati-onen und je nach Persönlichkeit zu starken emotionalen Reaktionen führen. Um den Prozess gut begleiten zu können, sollten deshalb die typischen Phasen im Veränderungsprozess bekannt sein, damit sie gezielt durch geeignete Interventionen begleitet werden können. Es handelt sich dabei um folgenden Verlauf:

❶ Strategische Planungsphase „Wir müssen was ändern!“

❷ Thematisierungsphase, Überraschungs- oder Schockphase „Das kann doch nicht wahr sein!“

❸ Verneinungs-, Abwehr und Positionierungsphase „Das stimmt nicht!“

❹ Rationale Akzeptanz-, Klärungs- und Entscheidungsphase „Es ist furchtbar, aber es ist schon klar, dass…“

❺ Emotionale Akzeptanzund Planungsphase „Es stimmt eigentlich doch!“

❻ Test- oder Ausprobierphase „Wir können es mal versuchen!“

❼ Erkenntnisphase „So könnte es tatsächlich gehen!“

❽ Integrationund Konsolidierungsphase „Das ist schon selbstverständlich!“

(vgl. Leao/Hofmann, 2007, S. 13 ff.)

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Je nach Persönlichkeitsstruktur können diese Phasen in einer unterschiedlichen Emotionsintensität beziehungsweise auch in einer variierenden zeitlichen Struktur durchlaufen werden.

Widerstand in Change Management Prozessen

Widerstand ist, entsprechend der soeben beschriebenen Phasen, durchaus als normal zu bewerten. Gerade in der Phase 3 kommt es beispielsweise gehäuft zur Mitarbeiterfluktuation beziehungsweise das Phänomen der inneren Kündigung tritt auf. In seiner Ausprägung ist der Widerstand jedoch auch von der Persönlichkeit des Mitarbeiters abhängig. Berücksichtigt man diesen Aspekt in der pro-fessionellen Begleitung von Change Management Prozessen, gelingt es in der Regel Widerstände im Phasenverlauf zu minimieren und dem Entstehen von Konflikten vorzubeugen. Natürlich ist an dieser Stelle anzumerken, dass Widerstand auch ein wichtiger Indikator für die Prozessgestaltung sein kann und darauf hinweist, welche Maßnahmen, unabhängig von der Persönlichkeit des Mitar-beiters, auf der organisatorischen Ebene bergriffen werden müssen. Darunter fallen beispielsweise die Bereiche: Kommunikation, Transparenz, Schulung von Mitarbeitern, Know-How und Gestaltung von eigenverantwortlichen Arbeitsbereichen. Manifestiert sich jedoch der Widerstand des Einzel-nen und kommt es sogar aufgrund von Koalitionsbildungen zu dauerhaften Konflikten zwischen unterschiedlichen Gruppierungen im Unternehmen, schadet dies der Produktivität erheblich und Veränderungen können nicht nachhaltig implementiert werden. Der Mensch, in seiner individuellen Persönlichkeit, kann somit die größte Ressource aber auch das größte Risiko für den Aufbruch in Veränderung sein!

Persönlichkeit

Um ein grundlegendes Verständnis für die Relevanz unterschiedlicher Persönlichkeitsstrukturen und den damit einhergehenden möglichen Beziehungsdynamiken im Change Management Prozess zu bekommen, wird im folgenden Teil auf den Aspekt Persönlichkeit näher eingegangen.

Das Wort Persönlichkeit leitet sich von dem lateinischen Wortstamm „persona“ ab, was mit dem Be-griff „Rolle“, „Maske“ oder „Charakter“ übersetzt wird. Einen Großteil unserer Persönlichkeitsstruktur haben wir bereits bei der Geburt über die genetische Determination in die Wiege gelegt bekommen. Der andere Teil unserer Persönlichkeitsentwicklung basiert auf unseren Umwelterfahrungen beim Heranwachsen. Besonders hervorzuheben ist hier die Pubertät, in welcher sich die größte Persön-lichkeitsformung vollzieht (vgl. Schulz, 2015, S. 25ff.). Somit ist die Persönlichkeitsstruktur bereits in jungen Jahren weitgehend stabil. Natürlich führen neue Erfahrungen zu einer Weiterentwicklung. Hier geht man jedoch eher von Reifungsprozessen aus bei welchen die Grundstruktur des Individu-ums, sprich die Persönlichkeit, erhalten bleibt. Eysenck definiert beispielsweise den Begriff der Per-sönlichkeit als „integrierte Totalität von Charakter, Temperament, Intellekt und Körperbau“ (Eysenck, 1953, zit. in: Fisseni 1991, S. 202).

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Persönlichkeitstypen – ihre Entwicklung und Bedeutung

Bereits seit der Antike bestehen Bemühungen den Menschen in seiner Vielfalt und individuellen Persönlichkeit bestimmten Typen zuzuordnen. Bis heute sind hier die Begriffe Choleriker, Melan-choliker, Phlegmatiker und Sanguiniker geläufig. Mittlerweile gibt es jedoch weitaus differenziertere, persönlichkeitstheoretische Grundmodelle. Einer der wichtigsten Vertreter der Typenlehre ist bis heute der Schweizer Carl Gustav Jung (1875 – 1961). Jung entwickelte Typologien der Persönlich-keiten und unterschied in Introversion und Extraversion. Dieses Gegensatzpaar steht für eine stabile Persönlichkeitseigenschaft. Demnach richten Extravertierte ihre Energie nach außen und Introver-tierte die Energie in ihre innere Welt. Mit dem Modell der Extraversion – Introversion gekoppelt mit den vier Bereichen: Denken, Fühlen, Empfinden und Intuieren, hat er ein Grundkonzept für die heute angewendeten Modelle geschaffen (vgl. Simon, 2007, S. 30ff.). Auch das später vorgestellte Riemann-Thomann-Modell basiert darauf.

Als Ergebnis lässt sich demnach festhalten, dass sich Organisationen darauf einstellen müssen, dass ihre Mitarbeiter eine bereits festgelegte Persönlichkeit haben. Diese gilt es, im Rahmen eines Ch-ange Management Prozesses, ausreichend zu berücksichtigen. Hilfreich ist hier die Kategorisierung von verschiedenen Persönlichkeitstypen, um einen Leitfaden für eine stärkenorientierte Beteiligung für den Aufbruch in nachhaltige Veränderung zu entwickeln.

Verfahren zur Kategorisierung von Persönlichkeiten

Die heutigen Modelle sind neben dem Gedankengut von Jung zudem von der Haltung geprägt, dass formelle und informelle Beziehungen am Arbeitsplatz Einfluss auf die Produktivität haben. Erstmals wurde diese Erkenntnis von der Human Relation Bewegung (ab 1930) formuliert. Der Gedanke führ-te in seiner Weiterentwicklung zur Berücksichtigung von Beziehungsdynamiken in Unternehmen. Diese werden, basierend auf der Persönlichkeit, ebenso mit Hilfe der Verfahren analysiert. Grund-sätzlich gibt es in der Kategorisierung von Persönlichkeiten zwei unterschiedliche Verfahrensweisen. Zum einen stark differenzierte „Persönlichkeits-Struktur-Tests“, die differenzierte Skalenwerte erfas-sen und mit einer Referenzgruppe vergleichen und zum anderen sogenannte „Typenbildende Ver-fahren“, worunter das Riemann-Thomann-Modell fällt (vgl. Graf, 2014, S.8). Hier werden Teilnehmer entweder befragt und anschließend, anhand ihrer Antworten, Kategorisierungen abgeleitet, oder die Einordung erfolgt durch Fremdbewertung von Vorgesetzten oder Beratern. Die Typenbildenden Verfahren können mit relativ geringem Aufwand eingesetzt werden und eignen sich deshalb sehr gut für Trainings, Seminare, Coachings und lassen sich insbesondere im Prozess der Veränderung sehr gut anwenden. Bevor die gezielten Interventionen im Change Management Prozess auf Basis des Riemann-Thomann-Modells erläutert werden, erfolgt eine theoretische Hinführung.

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Das Riemann-Thomann-Modell

Das Riemann-Thomann-Modell beschreibt typische Verhaltensweisen bestimmter Persönlichkeiten und orientiert sich dabei an den vier Polen: Nähe, Distanz, Wechsel und Dauer. Diese vier Pole des Riemann-Thomann-Kreuzes basieren auf den Typen des Psychoanalytikers Fritz Riemann (1975). Dieser erfasste in seiner tiefenpsychologischen Studie zu den „Grundformen der Angst“ vier Haupt-formen von seelischen Erkrankungen, nämlich schizoide, depressive, zwanghafte und hysterische Persönlichkeiten. Diese Typologie wurde vom Schweizer Psychologen Christoph Thomann (Tho-mann und Schulz von Thun 1988) assimiliert in der Beschreibung von gesunden, „normal-neu-rotischen“ Profilen. Er ordnete die Depressivität dem Pol „Nähe“, Schidzoidie dem Pol „Distanz“, Zwanghaftigkeit dem Pol „Dauer“ und die Hysterie dem Pol „Wechsel“ zu (vgl. Stahl, 2002, S. 220 ff. und Abb. 1). Entsprechend der Pole klassifizierte er vier Persönlichkeitstypen mit entsprechenden Persönlichkeitsmerkmalen, die das Verhalten bestimmen. In der Realität sind diese Ausprägungen bei jedem Menschen in verschiedenen Anteilen vorhanden, im Riemann-Thomann-Modell jedoch vereinfacht klassifiziert.

Folgendes Modell gibt einen guten Überblick hinsichtlich der vier Pole und den zuzuordnenden Persönlichkeitseigenschaften:

Abbildung 1: Riemann-Thomann Kreuz, Quelle: Eigene Darstellung

Die Raum-Achse beschreibt hier die Stellung einer Person in ihrem Umfeld und die Neigung zu Nähe oder Distanz. Auf der Raum-Achse stehen sich diese beiden Ausprägungen bipolar gegen-über. Die Zeit-Achse beschreibt hingegen Dauer und Wechsel. Es wird dadurch einerseits eine lang-fristige und andererseits eine kurzfristige Perspektive eingenommen.

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Das Erleben von Situationen und Ereignissen innerhalb der zugeordneten Pole wird als angenehm empfunden und daher werden diese persönlichkeitsentsprechenden Punkte Heimatgebiete ge-nannt. Der heimatliche Schwerpunkt ist demnach mit dem Pol verbunden, der größtmögliche Si-cherheit und Wohlbefinden auslöst. Ausgehend vom individuellen Schwerpunkt im Heimatgebiet ergeben sich Kombinationen aus Abgegrenztheit und Berechenbarkeit, die der Aufrechterhaltung der seelischen Stabilität dienen. Hier hat jeder Mensch seinen individuellen Toleranzbereich und macht darin sein seelisches Heimatgebiet fest. Der Bereich innerhalb dieses Gebiets wird mit see-lischer Sicherheit verbunden, der Bereich außerhalb mit Unsicherheit. Sobald die Grenze des Hei-matgebietes überschritten wird, entsteht Unsicherheit.

Als Schatten wird im Riemann-Thomann-Kreuz, in Anlehnung an C.G. Jung, das maximale Unsicher-heitsempfinden durch Fremdheit bezeichnet. Der Schatten befindet sich punktsymmetrisch zum Heimatgebiet. Stahl spricht auch von einer „Antiheimat“ und dem „Reich der Unsicherheit“ (vgl. Stahl, 2002, S. 234). Viele Menschen verspüren gegenüber dem Schattenbereich eine Ambivalenz zwischen Bedrohung und Anziehung. Oftmals ist ein ferner Blick auf den Schatten voller Sehnsucht möglich. So kann der Gegenpol der eigenen Persönlichkeit durchaus eine Anziehung haben, solange ausrei-chend Distanz besteht. Werden allerdings Situationen aus dem Schattenbereich tatsächlich erlebt, so fühlen sich Personen zunehmend bedrängt und reagieren ängstlich, ablehnend bis intolerant.

Das Riemann-Thomann Modell für das Change Management nutzen

Das Riemann-Thomann-Modell hilft dem Berater, aber auch den Führungskräften das Empfinden, die Wahrnehmung und das Verhalten Einzelner und Gruppen besser zu verstehen. Neben den fach-lichen und sachlichen Argumenten werden persönliche Eigenschaften transparent. Dadurch kann die Führungskraft Stärken und Schwächen des Einzelnen besser identifizieren und diese Erkennt-nisse für den Aufbruch nutzen. Die Erhebung der Persönlichkeitstypologien kann mit Befragungen oder durch das Ausfüllen von Fragebögen erfolgen. Über die Auswertung und die Zuordnung zu den Persönlichkeitskategorien, erfolgt die Evaluierung. Die Ergebnisse können dem Mitarbeiter mit folgenden Zielstellungen verbal oder visualisiert gespiegelt werden:

Entwicklung eines Verständnisses gegenüber dem eigenen Empfinden und Handeln in Ver-änderungsprozessen. Persönliche Stärken im Heimatgebiet werden sichtbar und eine Her-anführung an die eigenen Schatten (Ängste) wird eingeleitet.

Dynamiken in Veränderungsprozessen werden verdeutlicht. Ein besseres Verständnis für das Verhalten des Anderen kann erreicht werden. Unterschiedliche Stärken werden wahrge-nommen.

Darüber hinaus kann der Berater, auf der Basis der Analyse, hypothetische Verhaltensweisen und Dynamiken ableiten, die während des Prozesses auftreten könnten und die Führungskraft dafür sensibilisieren. Diese Hypothesen gilt es jedoch während des Beratungsprozesses kontinuierlich zu überprüfen, um nicht im Schubladendenken zu verharren. Erfahrungsgemäß sind diese Muster

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aber ein wichtiger Anhaltspunkt für den Einsatz geeigneter Interventionen, um eine gezielte intrinsi-sche und extrinsische Motivation zu erreichen. Gemeinsam mit der Führungskraft sollte deshalb ein Leitfaden für stärkenorientierte Aktivierung im sogenannten Heimatgebiet des Einzelnen entwickelt werden. Zudem muss auch ein sensibler Umgang mit den Schattengebieten gewährleistet sein, damit der Mitarbeiter sich überhaupt auf den Aufbruch einlassen kann und sich konstruktiv betei-ligt. Inhalte aus den Bereichen: Kultur, Struktur und Strategie können hier bei Bedarf entsprechend angepasst werden. Im folgenden Teil wird deshalb konkret auf unterschiedliche Muster im Kontext „Aufbruch“ eingegangen, um Aktivierungspotenziale und mögliche Interventionen für die professi-onelle Begleitung aufzuzeigen.

Pol Dauer - Der Revisor im Change Management Prozess

Gerade Persönlichkeiten, die dem Heimatgebiet Dauer zugeordnet sind, können geschockt auf Change Management Prozesse reagieren. Besonders revolutionäre Ansätze schrecken sie ab und führen bei ihnen bisweilen zu einem Gefühl der Bedrohung hinsichtlich des Verlustes ihrer verlässli-chen Struktur. Diese Angst kann zum Widerstand führen. Um die Veränderung zu verhindern suchen sie sich Verbündete. Koalitionen schließen sie hier vermehrt mit Personen aus ihren eigenen Reihen („Dauertypus“) und gehen diese Bündnisse bei Bedarf auch abteilungsübergreifend ein. Zudem ver-suchen sie Persönlichkeiten aus dem Bereich Nähe für ihre Gruppierung zu gewinnen und stillen damit deren Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Dadurch kann es zu offenen Konflikten mit Gruppie-rungen aus dem Bereich „Wechsel“ kommen. Aber nicht immer agiert die Dauer-Persönlichkeit in Gruppen. Oftmals neigt sie dazu, sich zurückzuziehen und hält mit aller Gewalt an Gewohntem fest.

AKTIVIERUNGSPOTENZIAL UND INTERVENTION: Für einen gelungenen Aufbruch ist besonders wichtig, die Gruppe der Bedenkenträger für den Prozess zu aktivieren, da sie ihn nachhaltig bremsen kann. Beteiligt man sie jedoch zu einem frühen Zeitpunkt aktiv am Change Management Prozess, kann der Widerstand konstruktiv für den Prozess genutzt werden. Im Rahmen von Einzelgesprächen können beispielsweise Ängste thematisiert werden und Hinweise bezüglich der zu erhaltenden Er-rungenschaften der Vergangenheit (zu erhaltende Strukturen) und zukünftiger Gefahren aufgegrif-fen werden. Diese Einwände gilt es dann in der Planung zu berücksichtigen (z.B. im Rahmen von Strategieworkshops). Damit sieht sich der Dauertypus wahrgenommen und kann sich emotional auf den Prozess einlassen. Zudem erreicht man durch seine Beteiligung einen wichtigen Verbündeten bei der verlässlichen Umsetzung von Veränderungen in der Integrationsphase.

Pol Wechsel – Der Visionär im Change Management Prozess

Hier finden sich die Visionäre wieder. Dieser Typus ist der Antreiber des Aufbruchs. In der Regel besetzen diese Personen Managementfunktionen oder Leitungspositionen, aber auch in den her-kömmlichen Teams sind sie vorhanden. Sie fühlen sich durch den Wandel beflügelt und bringen sich mit großer Energie ein. Mitunter kann dieses überhöhte Engagement andere Mitglieder in eine

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Abwehrhaltung bringen. Gerade Personen im Bereich „Distanz“ können sich bedrängt fühlen und zu-nehmend vom Prozess distanzieren. Ebenso kann ihr schnelles und zum Teil unüberlegtes Vorgehen Persönlichkeiten mit dem Heimatgebiet „Dauer“ abschrecken. Hin und wieder neigen Visionäre dazu den Prozess zu nutzen, um sich beruflich für höhere Positionen zu empfehlen oder der alltäglichen Monotonie zu entfliehen. Dem Enthusiasmus fehlt jedoch oft die Ausdauer. Wenn die Veränderungen nicht schnell genug umgesetzt werden oder eintreten, kann sich bei ihnen Frust entwickeln.

AKTIVIERUNGSPOTENZIAL UND INTERVENTION: Grundsätzlich sind Personen vom Pol „Wech-sel“ wichtige Stellschrauben für den Prozess. Ihre Heimat haben sie in kreativen Settings (z.B.: Zu-kunftswerkstatt). Verbreiten sie ihren Enthusiasmus maßvoll, können sie gezielt eingesetzt werden, um Mitarbeiter von ihrer Idee zu begeistern. Gerade Persönlichkeiten des Pols „Nähe“ schließen sich dann gerne einer Gruppe an, um sich der Gemeinschaft zugehörig zu fühlen. Zeigen sie sich zudem auch gegenüber den Bedenkenträgern offen und wertschätzend (z.B. im Rahmen von Ein-zelgesprächen), gelingt es ihnen sogar Persönlichkeiten aus dem Bereich „Dauer“ für den Change Management Prozess zu aktivieren. Damit leisten sie einer zukünftigen Implementierung ihrer Ideen Vorschub. Können sie zudem die Fähigkeiten des Distanztypus wahrnehmen und nutzen, haben sie einen wichtigen Strategen für ihre Visionen an der Seite. Gerade für den Typus Wechsler ist es des-halb wichtig, ein Verständnis hinsichtlich der unterschiedlichen Persönlichkeitstypen auf Basis des Riemann Thomann Modells zu haben, um diese als Kooperationspartner zu gewinnen. Weiterhin muss er in einem kommunikativen Austausch mit den wichtigen Unterstützungspartnern sein. Um diese nicht mit seinem Tempo zu überrollen, kann das beispielweise im geschützten Rahmen von moderierten Settings stattfinden (z.B.: Teamtacho, Kleingruppensetting, Change Werkstatt).

Pol Nähe - Der Teamplayer im Change Management Prozess

Gerade in Veränderungsprozessen ist der Nähe-Typ stark mit der Meinung der Mehrheit verwoben. In der Regel schließt er sich der größten Gruppierung an, wenn diese ihm ein Gefühl von Heimat gibt. Diese Zugehörigkeit bestimmt dann auch seine Einstellung hinsichtlich des Wandels, da er zu einer gruppenkonformen Haltung tendiert. Aufgrund seines Harmoniebedürfnisses versucht er Konflikten auszuweichen. Kontroversen, die während eines Change Management Prozesses auftreten, belasten ihn emotional sehr und sollten im geschützten Rahmen mit ihm thematisiert werden. Bei der Lösung von Konflikten muss er professionell unterstützt werden und sollte hier keinesfalls Hauptakteur sein.

AKTIVIERUNGSPOTENZIAL UND INTERVENTION: Aufgrund seiner Sensibilität nimmt dieser Typus allgemeine Stimmungen und Haltungen im Team gut wahr. Diese Stärke kann ein nützlicher Indika-tor für die weitere Gestaltung des Prozesses sein (z.B.: stehen Sachthemen oder soziale Themen im Vordergrund, welche Widerstände formieren sich etc.) und sollte in einem geschützten Setting er-fragt werden (z.B.: Einzelgespräch mit Berater). Nur so traut sich der Teamplayer Hinweise zu geben ohne das Gefühl zu haben anderen in den Rücken zu fallen. Demnach muss der Empfänger auch sensibel mit den erhaltenen Informationen umgehen. Da dem Nähetypus die Arbeitsatmosphäre aber wichtig ist, hat er diesbezüglich grundlegend eine hohe Kooperationsbereitschaft, die nur ent-sprechend aktiviert werden muss. Das trifft auch bei der Neubildung von Teams zu, wo er sich gerne in teambildende Maßnahmen einbringt. Somit kann er den Change Management Prozess besonders im Bereich der Kulturentwicklung unterstützen.

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Pol Distanz – Der Stratege im Change Management Prozess

Persönlichkeiten die dem Pol „Distanz“ zuzuordnen sind, haben das Bestreben nach Abgrenzung und klaren Leitlinien. In Veränderungsprozessen kann diesem Bedürfnis oft nicht Rechnung ge-tragen werden. Wenn eine Organisation im Aufbruch ist und neue Strukturen entstehen oder sich Verantwortlichkeiten ändern, gibt es Zeiträume in denen Abläufe sich ändern und Zuständigkeiten neu verhandelt werden müssen. In solchen Situationen kann es durchaus auch vorkommen, dass sich die Qualität der Arbeit durch den Veränderungsprozess vorübergehend verschlechtert. Das rührt an den Schatten dieser Persönlichkeiten. Wenn der Change Management Prozess zusätzlich emotionsgeladen ist kann es ebenso passieren, dass der Distanz-Typ sich gegenüber dem Verände-rungsprozess völlig abgrenzt.

AKTIVIERUNGSPOTENZIAL UND INTERVENTION: Aufgrund seiner hohen Fachkompetenz ist die-ser Typus wichtig für die Prozessgestaltung im Bereich Strategie, deshalb sollt er bereits zu einem frühen Zeitpunkt als Fachexperte angefragt werden. Durch diese Intervention erlebt er sich zudem, im wenig geregelten Aufbruch, handlungsfähig und kann so für eine Prozessbeteiligung aktiviert werden. Hier muss man ihm aber die Freiheit geben alleine oder unter Seinesgleichen an der stra-tegischen Ausarbeitungen zu arbeiten. Als Weisungsvorgabe sollte er aber die Bedenken des Dau-ertypus in seine Überlegungen integrieren. Teaminhalte müssen jedoch von anderer Seite ergänzt werden, da ihm hier der persönliche Zugang fehlt.

Zusammenfassende Übersicht der vier Pole im Change Management Prozess unter Berücksichti-gung des Aktivierungspotenzials:

Abbildung 2: Kennzeichen der Persönlichkeitsausprägung und Aktivierungspotenziale, Quelle: Eigene Darstellung

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Grenzen und Möglichkeiten von Verfahren zur Kategorisierung von Persönlichkeiten im Change Management Prozess

Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, ist das Riemann-Thomann-Kreuz ein gutes Instrument, um faktenindizierte Organisationsentwicklungsprozesse mit Verfahren aus der Persönlichkeitstypi-sierung zu optimieren. So kann der Einzelne mittels einer stärkenorientierten Aktivierung persön-lich für den Change Management Prozess gewonnen werden und entsprechend seiner Fähigkei-ten eingesetzt werden. Durch die Zunahme von Aufbrüchen in Change Management Prozesse ist diese Beteiligungsform ein wichtiger Schritt, um Mitarbeiter auch bei wiederholten Veränderungs-druck immer wieder neu zu motivieren. Ein guter Coach kann zudem mit Hilfe des Riemann-Tho-mann-Modells herausarbeiten, warum manche Mitarbeiter mauern und den sachlichen Grund des ihres Verhaltens ergründen.

Ein stärkenorientierte Beteiligung im Change Management Prozess, auf Basis der Persönlichkeit, verringert kostenintensive Mitarbeiterfluktuation und beugt dem Aspekt der inneren Kündigung vor, da die Fähigkeiten des Mitarbeiters berücksichtigt werden und man nicht entgegen seiner persön-lichen Veranlagung eingesetzt wird. Nach dem Motto „Stärken stärken“ kann so in Zeiten des Auf-bruchs eine Steigerung der Produktivität erreicht werden und Frustration und Widerstand entge-gengewirkt werden.

Persönlichkeitsmodelle werden natürlich auch kritisch diskutiert, da sie nur vereinfachte und sche-matische Darstellungen der Realität abbilden. Es besteht die Gefahr, dass Menschen unreflektiert in Schubladen einsortiert werden (vgl. Zimmer, 2013) und dadurch Stereotypen entwickeln. Ein Coach sollte deswegen darauf achten, seine Arbeitshypothesen stets zu überprüfen und diese auch in komplexere Zusammenhänge zu stellen. Widerstand hängt beispielsweise nicht immer nur von ei-ner eingeschränkten persönlichen Veränderungsbereitschaft (Wollen) ab, sondern kann auch von anderen Faktoren bestimmt sein. Dazu zählen vor allem mangelndes Wissen, Können und Dürfen (vgl. Schlichterle, 2010, S. 370). Diesen Faktoren muss im Change Management Prozess auf or-ganisatorischer Ebene begegnet werden. Somit erscheint eine begleitende Analyse der Gesam-torganisation dringen notwendig, falsche Bewertungen hinsichtlich des Verhaltens des Einzelnen vorzubeugen und von einer ungenauen Kategorisierung auszugehen. Ein Arbeitnehmer, der einem Veränderungsprozess mit Widerstand entgegentritt hat seine Gründe. Diese Gründe sollten sachlich ermittelt und werden. Eine vorschnelle, oberflächliche Bewertung des Mitarbeiters, wie zum Bei-spiel, dass dieser mauert und sich nicht konstruktiv am Veränderungsprozess beteiligt, ist hier nicht hilfreich. Im schlechtesten Fall kann sie sich sogar negativ auf dessen Arbeitsmotivation auswirken.

Als Resümee ist demnach festzuhalten, dass die Anwendung des Riemann-Thomann-Modells nicht als „alleiniges Allheilmittel“ angesehen werden darf, sondern als Kommunikations- und Diskussions-grundlage verwendet werden sollte. In der professionellen Begleitung von Change Management Prozessen ist der Coach deshalb auch auf Analysen der Gesamtorganisation angewiesen, um zu keiner falschen Bewertung hinsichtlich des Verhaltens von einzelnen Mitarbeitern und Mitarbeiter-gruppierungen zu kommen. Seine subjektiven Arbeitshypothesen muss er stetig überprüfen, um geeignete Interventionen anzuwenden. Nur so können Aufbrüche im Rahmen des Change Ma-nagement Prozesses in eine nachhaltige Integrations- und Konsolidierungsphase geführt werden. Damit bleiben Unternehmen wettbewerbsfähig und reagieren auf den Wind der Veränderung mit Windmühlen und nicht mit Mauern.

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Quellenverzeichnis:

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Leao, Anja/Hofmann, Mathias (Hrsg.) (2007), Fit for Change, Bonn: managerSeminare Verlags GmbH

Mil, Richard (1999): IO-Management Nr. 11, Band 68, Erfolg dank Authentizität, S. 84-89, Zürich

Schlichtel, Alexandra 2010: Change Management für Dummies, WEINHEIM: WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

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