Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne...

160
Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD) Von der Medizinischen Fakultät der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Theoretischen Medizin genehmigte Dissertation vorgelegt von Diplom- Psychologin Charlotte Hanisch aus Hamm Berichter: Herr Universitätsprofessor Dr. rer.nat. Klaus Willmes-von Hinckeldey Frau Universitätsprofessorin Dr. med. Beate Herpertz- Dahlmann Tag der mündlichen Prüfung: 2. September 2005 Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.

Transcript of Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne...

Page 1: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD)

Von der Medizinischen Fakultät der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Theoretischen Medizin

genehmigte Dissertation

vorgelegt von Diplom- Psychologin Charlotte Hanisch

aus Hamm

Berichter: Herr Universitätsprofessor

Dr. rer.nat. Klaus Willmes-von Hinckeldey Frau Universitätsprofessorin Dr. med. Beate Herpertz- Dahlmann

Tag der mündlichen Prüfung: 2. September 2005 Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.

Page 2: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches
Page 3: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

F ü r m e i n e M u t t e r ,

die meinen Aufmerksamkeitsfokus

auf die Psychologie, das wissenschaftliche

Arbeiten und die Kinder gelenkt hat

Page 4: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

Dankeschön an …

• Herrn Prof. Dr. K. Willmes- von Hinckeldey und Frau Prof. Dr. B. Herpertz-

Dahlmann für die Betreuung dieser Arbeit und für die inhaltliche und

motivationale Unterstützung

• Kerstin Konrad für alles, was ich jetzt über ADHD weiß, die vielen Diskussionen

über alles Spannende der Entwicklungsneuropsychologie und die Freundschaft,

die sich daraus entwickelt hat

• Unserer Neuropsychologie- Arbeitsgruppe für das Erdulden aller Vorversuche

und die zeitliche und inhaltliche Unterstützung

• Dem Julian- Betreuungsnetzwerk bestehend aus David, zwei Opas, Nadia und

Tina für die flexible Herbeizauberung freier Computerzeit

• Meiner Klein- und Großfamilie für die Unterstützung auf allen für eine

Fertigstellung einer solchen Arbeit notwenigen Ebenen

• Allen Eltern und Kindern, die an den Untersuchungen teilgenommen haben

Page 5: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

Inhaltsverzeichnis

Z u s a m m e n f a s s u n g 3

A b s t r a c t 5

1 . E i n l e i t u n g

1.1 Einführung Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD) 6

1.2 Ätiologie 8

1.3 Aufmerksamkeitsmodelle 13

1.4 Entwicklung Aufmerksamkeit 17

1.5 Aufmerksamkeitsdefizite bei ADHD 22

1.6 Methylphenidat (MPH) und Aufmerksamkeit 26

1.7 Fragestellung und Studieneinführung 27

2 . E m p i r i s c h e r T e i l

2.1 Neuropsychologische Testbatterien bei Vorschülern mit und ohne ADHD 29

2.2 Der Einfluss von Methylphenidat (MPH) auf die Leistung in

neuropsychologischen Testbatterien bei Vorschülern mit ADHD 41

2.3 Altersabhängige Leistungsunterschiede in der Attention Network Task 50

2.4 Attention Network Task (ANT) bei Kindern mit und ohne ADHD 59

2.5 Modifizierter Attention Network Task bei Kindern mit und ohne ADHD 69

2.6 Altersabhängige Leistungsunterschiede in einem okulomotorischen

Fixations-, Pro-, Anti- und Countermanding Sakkaden Paradigma 77

2.7 Okulomotorische Kontrolle bei Kindern mit und ohne ADHD 98

Page 6: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3 . Ü b e r g r e i f e n d e D i s k u s s i o n

3.1 Zusammenfassung Studienergebnisse 115

3.2 Entwicklungsbedingte Veränderungen des ADHD Phänotyps 118

3.3 Aufmerksamkeitsnetzwerke/ Inhibitionsaspekte 122

3.4 Klinische Relevanz 129

3.5 Kritikpunkte 131

4. L i t e r a t u r 134

5. L e b e n s l a u f

Page 7: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

Zusammenfassung

Aufmerksamkeitsstörungen stellen eins der drei Kardinalsymptome der

Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD) dar. Bisher ist unklar, ob die

Aufmerksamkeitsstörungen unabhängig vom Alter vorhanden sind, oder ob sie erst

im Verlauf der Störung zutage treten. Weiter herrscht keine Einigkeit darüber, welche

spezifischen Aufmerksamkeitsprozesse bei ADHD Patienten gestört sind. Wir legten

unseren Studien ein Aufmerksamkeitsmodell zugrunde, das von drei unabhängigen

Aufmerksamkeitsnetzwerken ausgeht, die je nach Aufgabenanforderung spezifisch

angesprochen werden und anatomisch distinkt sind. Einem anterioren

Aufmerksamkeitssystem werden kontrollierende oder exekutive

Aufmerksamkeitsfunktionen zugeschrieben, während das posteriore System für die

Ausrichtung der Aufmerksamkeit im Raum und für Selektionsprozesse zuständig ist.

Das dritte System ist für die Aufmerksamkeitsaktivierung und Aufrechterhaltung über

die Zeit zuständig und wird durch ein weit gefächertes Vigilanznetzwerk repräsentiert.

Ziel der folgenden Studien war, zum einen auf der Grundlage dieser

Aufmerksamkeitsmodelle das neurokognitive Defizit von ADHD Kindern möglichst

genau zu beschreiben und es in einen neuroanatomischen Zusammenhang

einzuordnen. Weiter sollte überprüft werden, ob es Veränderungen in der Art der

Aufmerksamkeitsstörungen bei ADHD Kindern zwischen Vor- und Grundschulter gibt.

Es wurden hierzu neuropsychologische Testbatterien, ein aufgrund der erwähnten

Aufmerksamkeitsmodelle entwickeltes einheitliches Paradigma und okulomotorische

Aufgaben verwendet. Um die Auffälligkeiten in den gesunden Entwicklungsverlauf

einordnen zu können, wurden Entwicklungsstudien an gesunden Kindern zu den

beiden letztgenannten Methoden durchgeführt.

Bei gesunden Kindern sprachen unsere Befunde dafür, dass sich Aspekte aller drei

Aufmerksamkeitsbereiche während der Grundschulzeit weiterentwickeln, wobei

Leistungen des exekutiven Aufmerksamkeitssystems diejenigen zu sein schienen,

die sich zuletzt weiter differenzieren. ADHD Kinder waren im Vergleich zu den

Gesunden v.a. im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität, und hier besonders bei der

Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit über die Zeit, und in kontrollierenden

Aufmerksamkeitsfunktionen beeinträchtigt. Besondere Defizite schienen die ADHD

Kinder in exekutiven Aufmerksamkeitsfunktionen dann zu haben, wenn eine

Reaktion bereits initiiert war bzw. ein gewohnter Reaktionsstil unterbrochen werden

3

Page 8: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

musste. Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit war dann bei den ADHD Kindern

auffällig, wenn die Aufgabe eine Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem

irrelevanten Reiz und Ort erforderte.

Wir interpretierten unsere Befunde zum neurokognitiven Defizit von ADHD Kindern

dahingehend, dass wir von ähnlichen aber nicht übereinstimmenden Auffälligkeiten

zwischen Vor- und Grundschülern mit ADHD ausgehen. Weiter sprechen die

Ergebnisse für ein Defizit v.a. im Bereich des anterioren präfrontalen

Aufmerksamkeitsnetzwerkes. Das neuroanatomisch weniger distinkte

Vigilanznetzwerk scheint darüber hinaus bei ADHD Kindern weniger funktionsfähig.

4

Page 9: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

A b s t r a c t

Attention deficits are one of the core symptoms of children suffering from attention-deficit/ hyperactivity disorder (ADHD). It remains unclear however whether the severity of these attention deficits is age- dependent and which specific attention aspects are impaired. Our studies are based on an attention model that proposes three anatomically distinct independent attention networks that are used in dependence of the specific task requirements. The anterior attention network functions as a control or executive system, while the posterior attention system is responsible for the allocation of attention in space and for attention selectivity. The third attention network resembles attention intensity and is responsible for maintaining an alert state over time and is anatomically less distinct than the other two systems.

The following studies aim at first describing the specific neurocognitive deficit of children with ADHD and secondly relating these deficits to neuroanatomic correlates. Further, we were interested in examining age-related differences in the attention deficit of pre- and grade-schoolers with ADHD. Neuropsychological test-batteries, a paradigm based on the above mentioned attention model and oculomotor tasks were used. In order to be able to relate the findings in ADHD patients to normal development of the attention aspects healthy control subjects were also studied.

Results in the control children suggested, that all three attention networks continue to develop during grade- school years. The executive attention system seems to be the last to function on an adult-like level. Comparing healthy and ADHD children the patient group was impaired with respect to attention intensity, and here specifically in maintaining an alert state over time, and in executive attention. The most pronounced deficits were found in the ADHD group when an already initiated response was to be stopped or a common response set had to be varied. Allocation of attention in space was impaired in ADHD children only if the attention focus had to be disengaged from an irrelevant stimulus.

We conclude that ADHD preschoolers suffer from quite similar but not exactly the same attention deficits than grade-school patients. Our results further imply that the most pronounced deficits can be found in the anterior executive attention network. The vigilance network seems to be impaired as well in children with ADHD.

5

Page 10: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1.

Ein le i tung

1.1 Einführung Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD) zeichnet sich nach den

gängigen Diagnosekriterien des ICD-10 und DSM-IV durch ein hohes Maß an

motorischer Aktivität, Impulsivität und durch ein Aufmerksamkeitsdefizit aus (DSM-IV:

American Psychiatric Association, 1994; ICD-10: World Health Organization, 1993).

Die Diagnoserichtlinien verlangen, dass sich die Störung vor dem 7. Lebensjahr

manifestiert und kontextunabhängig auftritt. Bei den meisten Kindern wird die

Störung im Alter von 3 bis 4 Jahren deutlich (Palfrey et al., 1985; Taylor et al., 1998)

andere beschreiben mit 2 Jahren einen noch früheren Zeitpunkt der

Diagnosestellung (Zito et al., 2000). Jungen sind 4-9-mal häufiger betroffen als

Mädchen (American Psychiatric Association, 1994). Obwohl die ADHD mit einer

Prävalenz von 3 – 7.5 % die häufigste kinder- und jugendpsychiatrische Diagnose

darstellt (Swanson et al., 1998; American Psychiatric Association, 1994; Goldman et

al., 1998) und sich daraus weitreichende Konsequenzen für die schulische (Weiss

und Hechtman, 1993) und soziale Entwicklung (Mannuzza et al., 1991) der Kinder

ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches Konzept der ADHD.

Im Folgenden soll nun zunächst auf die klinische Einteilung der ADHD Subtypen

eingegangen werden. Anschließend wird ein Überblick über ätiologische Konzepte

der Störung gegeben, wobei neben Umweltfaktoren, die Befundlage zur Genetik, zur

strukturellen und funktionellen Bildgebung und zur Psychopharmakologie erläutert

werden soll. Ergebnisse der neurokognitiven Forschung zur ADHD und deren

Eingliederung in ein ätiologisches Modell der ADHD werden unter 1.5 ausgeführt.

Diagnostische Einteilung von ADHD Subtypen

Die im deutschen Sprachraum gängigen Klassifikationssysteme DSM-IV und ICD-10

unterscheiden sich in der Kategorisierung bzw. Benennung der ADHD. Die

Symptom-Kriterien der ADHD nach ICD-10 (Forschungskriterien, WHO 1994)

umfassen neun Items auf der Skala „Unaufmerksamkeit“, fünf Items für

„Hyperaktivität“ und vier für „Impulsivität“. Während das DSM-IV zwischen drei Typen

(siehe Abbildung 1.1.) der ADHD unterscheidet, sieht ICD-10 nur den Typ ADHD vor,

6

Page 11: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. der sowohl Unaufmerksamkeitssymptome, als auch Überaktivität und Impulsivität

einschließt.

Abbildung 1.1 Kriterien für die Diagnose einerADHD nach DSM-IV und einerhyperkinetischen Störung nachICD-10 (aus Döpfner et al., 2000).

Einig sind sich beide

Diagnosesysteme, dass die Störung

mindestens sechs Monate vorliegen

und vor dem 7. Lebensjahr zum

ersten Mal aufgetreten sein muss.

Es wird außerdem gefordert, dass das Kind in mehreren situationsübergreifenden

Bereichen (z.B. Schule und zu Hause) deutlich beeinträchtigt ist.

Ausschlusskriterien für die Diagnose einer ADHD sind das Vorliegen einer

tiefgreifenden Entwicklungsstörung, einer Schizophrenie oder anderer psychotischer

Störungen. Das DSM-IV fordert, dass keine andere psychische Erkrankung wie z.B.

eine depressive Episode oder eine Angststörung die Symptomatik ausreichend oder

besser erklären kann, während das ICD-10 diese affektiven Störungen als

Ausschlusskriterien definiert.

Nach ICD-10 müssen für Unaufmerksamkeit sechs, für Hyperaktivität drei und für

Impulsivität ein Symptom erfüllt sein, um die Diagnose vergeben zu können. Ist ein

Kind ausschließlich in seiner Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt, führt das ICD-10

in der Restkategorie F98.8 (sonstige, nicht näher bezeichnete Verhaltens- und

emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend) die

Aufmerksamkeitsstörung auf.

7

Page 12: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. 1.2 Ätiologie

Ätiologie: Umweltfaktoren

Psychosoziale oder Umweltfaktoren scheinen bei der Entstehung der ADHD eine

wenig entscheidende Rolle zu spielen. Es gibt allerdings einige Risikofaktoren, die

das Auftreten einer ADHD begünstigen. Zu ihnen gehören frühe massive Deprivation

(Kreppner et al., 2001), mütterliches Rauchen und Alkohol- oder Substanzabusus

während der Schwangerschaft (Mick et al., 2002), Geburtskomplikationen und

ausgeprägte sozioökonomische Schwierigkeiten der Familie (Biederman et al.,

1995), wobei die Befunde zum letztgenannten Punkt uneindeutig sind (McGee et al.,

1984). Bei den Schwangerschaftsrisiken, die zur Entwicklung einer ADHD führen

können, findet sich eine deutliche Interaktion mit dem elterlichen Genotyp: eine

Mutter mit ADHD wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit rauchen oder

Substanzabusus betreiben als eine Mutter ohne eigene ADHD, so dass auch hier

nicht von einem „reinen“ Umweltfaktor zu sprechen ist.

Insgesamt scheinen ungünstige familiäre Bedingungen eher prädiktiv für das

Auftreten von aggressivem als für ADHD spezifisches Verhalten zu sein (Taylor et

al., 1986) und das Ausmaß der Beeinträchtigung durch die ADHD zu beeinflussen

(Barkley und Cunningham, 1980).

Die primären Ursachen der ADHD scheinen somit in einer genetischen

Prädisposition zu liegen, die sekundär zu neuropsychologischen, verhaltensmäßigen

und schließlich auch zu interaktionellen oder emotionalen Problemen führen kann

(Döpfner, 2000).

Die Symptome einer ADHD können ebenfalls nach einem Schädelhirntrauma

(Herskovits et al., 1999) oder Hirninfarkt auftreten, wobei hier das Putamen von

entscheidender Rolle zu sein scheint (Max et al., 2002). Kinder und Jugendliche mit

ADHD Symptomen aufgrund einer neurologischen Vorgeschichte stellen allerdings

eine gesonderte Gruppe dar (Jin und Schachar, 2004; Konrad et al., 2000) und

sollen in dieser Arbeit nicht weiter behandelt werden.

Ätiologie: Genetik

Familien-, Adoptions- und Zwillingsstudien liefern überzeugende Befunde dafür, dass

genetische Variationen an der Ätiologie der ADHD beteiligt sind (Acosta et al., 2004).

Zwillingsstudien berichten von einer genetischen Beeinflussbarkeit des Phänotyps

8

Page 13: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. von bis zu 0.91 (Gillis et al., 1992; Levy et al., 1997). Für das Vorliegen von

Aufmerksamkeitsstörungen werden bei monozygoten Zwillingen Korrelationen von

0.62- 0.78 beichtet, für Hyperaktivität und Impulsivität 0.48 - 0.92 (Smidt et al., 2003).

Geschwister von ADHD Kindern haben ein drei- bis fünffach erhöhtes Risiko, selbst

alle Kriterien einer ADHD zu erfüllen (Biederman et al., 1992; Faraone et al., 1993),

das Risiko eineiiger Zwillinge liegt bei 50- 80% (Bradley und Golden, 2001).

Sowohl ältere als auch neue Adoptions- und Familienstudien führen die familiäre

Häufung von ADHD eher auf genetische als auf Umweltfaktoren zurück (Morrison et

al., 1971; Faraone und Doyle, 2000; Risch und Merikangas, 1996).

Interessanterweise scheint sich v.a. die Prädisposition zu einer ADHD zu vererben,

während die Ausprägung eines bestimmten ADHD Subtyps (siehe Kapitel 1.1) nicht

genetisch determiniert und eher Umwelt- abhängig zu sein scheint (Smalley et al.,

2000).

Zusammenfassend belaufen sich die Schätzungen aus formalgenetischen

Untersuchungen zur Erblichkeit von ADHD über die untersuchten Populationen

hinweg auf über 0.7, wobei von einer genetischen Heterogenität ausgegangen wird,

d.h. dass an der Ausprägung des ADHD Phänotyps unterschiedliche Genvariationen

bzw. Allelkombinationen beteiligt zu sein scheinen (Smalley, 1997; Tannock, 1998;

Faraone et al., 2000; Smidt et al., 2003).

Im Fokus des Interesses molekulargenetischer Studien stand bisher die

Untersuchung dopaminerger (Swanson et al., 2000) und noradrenerger

Kandidatengene (Faraone et al., 2002). Als Kandidatengene des dopamineregen

Systems werden das Dopaminrezeptor-Gen (DRD4) und das Dopamintransportergen

(DAT1) diskutiert (Swanson et al., 2000; Cook et al., 1995). Die Wahrscheinlichkeit

einer ADHD scheint durch Allel- Variationen bestimmter Regionen des DAT1 oder

DRD4 Gens um 20- 40% zu steigen (Castellanos und Tannock, 2002), wobei bisher

unklar ist, wie die Interaktion dieser Gene untereinander einzuschätzen ist (Faraone

et al., 2002). Das Noradrenalin Transporter Gen NET1 bzw. dessen Polimorphismen

wurden - ähnlich wie die dopaminergen Kandidatengene - aufgrund

psychopharmakologischer Erwägungen als Kandidatengen des noradrenergen

Systems angenommen (Spencer et al., 1998), traten allerdings in einer Stichprobe

von 155 ADHD Familien nicht häufiger auf als in der Normbevölkerung (Barr et al.,

2002).

9

Page 14: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. Weltweit wurden bisher drei Genomscan- Untersuchungen bei Familien mit ADHD

durchgeführt. In allen Studien wurden Kopplungsregionen auf unterschiedlichen

Chromosomen (Fisher et al., 2002; Ogdie et al., 2003; Smalley et al., 2002; Bakker et

al., 2003) gefunden. Keine der Studien fand signifikante Auffälligkeiten für die beiden

dopaminergen Kandiatengene. Auch die molekulargenetischen Befunde sprechen

dafür, dass die für ADHD prädisponierenden Faktoren aus Variationen mehrer Gene

bzw. chromosomaler Orte (Sites) und deren Interaktion zusammensetzt und

intraindividuell unterschiedlich sein können (Fischer et al., 2002).

Ein weiterer Ansatz zur Klärung genetischer Faktoren der ADHD ist, die Heritabilität

einzelner Aspekte der Störung zu untersuchen. So konnten z.B. Fan et al. (2001) in

einer Zwillingsstudie zeigen, dass die Heritabilität eines exekutiven

Aufmerksamkeitsnetzwerkes (h2= 0.62) deutlich höher ist als die für

aufmerksamkeitsaktivierende Funktionen (siehe 1.3). In Übereinstimmung mit

diesem Befund wurde in ADHD Familien, die schlechte exekutive Funktionen

aufwiesen, eine größere Auftretenshäufigkeit von ADHD in der Großfamilie gefunden

als in Familien mit guten exekutiven Leistungen (Crosbie und Schachar, 2001), so

dass hier ein Zusammenhang zwischen einer genetischen Prädisposition und einem

wichtigen neurokognitiven Aspekt der ADHD hergestellt werden konnte.

Ätiologie: Bildgebung

ADHD Kinder scheinen ein um 5% vermindertes Gesamthirnvolumen zu haben

(Castellanos et al., 1996; Castellanos et al., 2001). Strukturelle

Magnetresonanztomographie (MR) Untersuchungen weisen auf volumetrische

Auffälligkeiten in den Frontallappen (Castellanos et al., 1996; Filipek et al., 1997,

Casey et al., 1997), in den Basalganglien (Castellanos et al., 1996; Filipek et al.,

1997; Casey et al., 1997; Aylward und Reiss, 1996), im Corpus Callosum (Aylward

und Reiss, 1996), in parietalen Kortexarealen (Filipek et al., 1997) und im

Cerebellum (Berquin et al., 1998; Durston et al., 2003) hin. Im Einzelnen scheint das

verminderte frontale Hirnvolumen v.a. auf kleinere präfrontale und prämotorische

Areale zurückzuführen zu sein (Mostofsky et al., 2002) und Auffälligkeiten der

Basalganglien den Nucleus Caudatus (Castellanos et al., 1994; Castellanos et al.,

1996; Castellanos et al., 2001; Semrud-Clikeman et al., 2000; Filipek et al., 1997),

nicht aber das Putamen (Aylward und Reiss, 1996) zu betreffen. Im Cerebellum ist

insbesondere das Volumen des Wurms reduziert (Berquin et al., 1998; Catellanos et

10

Page 15: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. al., 2001; Mostofsky et al., 1998). In einer Entwicklungsstudie an gesunden Kindern

ging ein kleines Volumen frontaler und striataler Strukturen mit einer schlechten

Inhibitionsleistung einher (Casey et al., 1997). Jüngere morphometrische

Untersuchungen bei ADHD Patienten haben die fronto- striatalen Auffälligkeiten bei

ADHD Patienten bestätigt und finden zusätzlich eine Verminderung der grauen

Substanz im Bereich des bilateralen anterioren temporalen Kortex und ein größeres

Volumen im Bereich des bilateralen posterioren temporalen und inferioren parietalen

Kortex (Sowell et al., 2003). Somit weisen morphometrische Studien auf eine weit

verbreitete Reduktion des cerebralen und cerebellären Hirnvolumens hin, wobei v.a.

Gebiete, die reich an dopaminergen Projektionen sind, betroffen zu sein scheinen.

Ein geringes Hirnvolumen in einem fronto-striatalen Netzwerk konnte direkt mit den

ADHD typischen kognitiven Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht werden

(Casey et al., 1997). Cerebelläre Auffälligkeiten hingen in einer anderen Studie

hingegen nicht direkt mit den ADHD Symptomen zusammen, sondern schienen über

eine Modulation des fronto-striatalen Netzwerks einen indirekten Einfluss auf die

Ausprägung des ADHD Phänotyps zu haben (Giedd et al., 2001).

Während in einer Positron Emission Tomographie (PET)-Studie eine generelle

Reduktion des zentralen Stoffwechsels bei Kindern mit ADHD dokumentiert wurde

(Zametkin et al., 1990), weisen Studien zur funktionellen Magnetresonanz-

tomographie (fMRT) und zur Single Photon Emissions Computertomographie

(SPECT) auf funktionelle Auffälligkeiten im Bereich superiorer und inferiorer

präfrontaler Areale (Vaidya et al., 1998; Zametkin et al., 1990), im Nucleus Caudatus

(Lou et al., 1989, Steinberg et al., 1997) und in parietalen Gebieten (Sieg et al., 1995,

Brandeis et al., 1998) hin. Frontale Hirnregionen scheinen v.a. rechts medial bei

ADHD Patienten im Vergleich zu Kontrollprobanden bei Inhibitionsaufgaben weniger

aktiv (Bush et al., 1999; Rubia et al., 2000; Vaidya und Gabrieli, 1999; Durston,

2003), in einer Stop Signal Aufgabe war diese Unteraktivierung auch im rechten

inferioren präfrontalen Kortex und im linken Nucleus Caudatus zu finden (Rubia et

al., 2000). Zwei andere Studien berichten davon, dass ADHD Kinder in

Inhibitionsaufgaben anstelle eines fronto-striatalen Netzwerkes ein diffuseres

Netzwerk mit eher posterioren Arealen aktivierten (Durston et al., 2003; Konrad et al.,

eingereicht).

11

Page 16: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. Ätiologie: Psychopharmakologie

Die Medikation erster Wahl stellt Methylphenidat (MPH) dar, das bei 65- 75% aller

ADHD Kinder zu einer deutlichen Symptomreduktion führt (Greenhill et al., 2001).

MPH gehört zur Gruppe der Psychostimulanzien, die eine Zunahme der

Ausschüttung bzw. eine Abnahme der Wiederaufnahme von Katecholaminen

(Dopamin und Noradrenalin) und somit eine Erhöhung der extrazellulären

Katecholaminkonzentration bewirken (Pliszka et al., 1996 für eine Übersicht; Volkow

et al., 2001). Während die Wirkung von MPH v.a. auf die Beeinflussung des

dopaminergen Systems zurückgeführt wird und in Zusammenhang mit

molekulargenetischen Veränderungen im Dopamintransportergen (DAT1) zu stehen

scheint (Winsberg und Comings, 1999; Roman et al., 2002), hat es auch Effekte auf

zentrale noradrenerge Bahnen (Solanto, 2002; Michelson et al., 2001).

Aus der Wirksamkeit der Psychostimulanzien, und hier v.a. MPH, wurde

geschlussfolgert, dass ADHD Patienten eine Dysregulation katecholaminerger

Bahnen aufweisen. Obwohl Amphetamine auch bei gesunden Probanden zu einer

Verbesserung der kognitiven und motorischen Kontrolle führen, konnte die

Hypothese eines fehlerhaften Katecholaminstoffwechsels bei ADHD mehrfach belegt

werden (Pliszka et al., 1996; Solanto, 2002).

So wird z.B. angenommen, dass eine dopaminerge Unterversorgung des

präfrontalen Kortex die kognitive Beeinträchtigung hervorruft. Motorische

Überaktivität und Impulsivität scheinen durch eine Hyperaktivität striataler

dopaminerger Bahnen verursacht und eine Folge des präfrontalen Dopaminmangels

zu sein (Solanto, 2002). Es wird also davon ausgegangen, dass MPH über die

Steigerung des präfrontalen Dopaminspiegels primär die kognitiven

Beeinträchtigungen reduziert. Die Erhöhung des präfrontalen Dopamins scheint eine

Beeinflussung des striatalen Dopaminspiegels zur Folge zu haben und so

hypermotorische und impulsive Verhaltensweisen zu verringern. In Übereinstimmung

mit dieser Annahme konnten pharmakologische fMRT Studien zeigen, dass MPH

den Metabolismus und die Durchblutung in frontalen und striatalen Regionen steigert

(Kim et al., 2001; Matochik et al., 1994).

Die Wirksamkeit eines neuen selektiven Noradrenalinwiederaufnahmehemmers

(Atomoxetin), der seit 2002 für die Behandlung von ADHD Patienten in den USA

zugelassen ist, bestätigt die Beteiligung des noradrenergen Systems an den

12

Page 17: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. Symptomen der ADHD (Kratochvil et al., 2002; Michelson et al., 2001; Michelson et

al., 2004).

Zusammenfassend sprechen Befunde der Genetik, der Psychopharmakologie und

der morphometrischen und funktionellen Bildgebung für eine neurobiologische

Grundlagder ADHD. Hierbei scheinen ein fronto-striatales-cerebelläres Netzwerk und

der Transmitter Dopamin von entscheidender Bedeutung, wenngleich neuere

Befunde gleichzeitig auf die Relevanz weiterer Hirnregionen und des noradrenergen

Systems hinweisen.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll sein, das neurokognitive Defizit bei ADHD

Kindern mit Hilfe hand- und okulomotorischer Aufgaben möglichst differenziert zu

beschreiben. Gefundene Auffälligkeiten sollen im Zusammenhang mit dem gesunden

Entwicklungsverlauf und den im Folgenden beschriebenen Modellannahmen zur

visuell-räumlichen Aufmerksamkeit betrachtet werden.

Im Folgenden werden zunächst zwei Aufmerksamkeitsmodelle erläutert.

Anschließend werden der gesunde Entwicklungsverlauf einzelner

Aufmerksamkeitsaspekte und dann die bei ADHD Patienten berichteten spezifischen

Aufmerksamkeitsdefizite beschrieben. Der Diskussion einiger Befunde zum Einfluss

von Methylphenidat (MPH) auf die Aufmerksamkeitsleistung bei ADHD Kindern folgt

eine Überleitung zur Fragestellung und den durchgeführten Studien.

1.3 Aufmerksamkeitsmodelle

Das Thema Aufmerksamkeit nimmt einen großen Raum in der Literatur zur

kognitiven Psychologie ein, wobei Definitionen, Differenzierungen und Modelle auf

diesem Gebiet wenig einheitlich sind (Pashler et al., 1998; Styles et al., 1997, für

eine Übersicht).

Eine häufig zitierte Definition von Aufmerksamkeit stammt von William James (1890):

‚My experience is what I agree to attend to…. Every one knows what attention is. It is

the taking possession by the mind, in clear and vivid form, of one out of what seem

several simultaneously possible objects or trains of thought. Focalization,

concentration, of consciousness are its essence. It implies withdrawal from some

things in order to deal effectively with others…’ (pp. 402-403).

13

Page 18: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1.

Selektivität/Verschiebungsuperiorer Parietallappen,temporalparietaleVerbindung, frontale Augenfelder, Colliculus superior, Thalamus, Striatum Acetylcholin Fokussierte, Geteilte Aufmerksamkeit

Exekutive FunktionenHirnstrukturen: anteriores Cingulum, lateraler ventraler

präfrontaler Kortex, Basalganglien Transmitter: Dopamin Aufmerksamkeits- funktionen: Strategie/ Planung, Flexibilität, Inhibition

Intensität/ Aktivierungrechter präfrontaler und parietaler Kortex, Locus Coeruleus Noradrenalin Alertness, Vigilanz, Daueraufmerksamkeit

Abbildung 1.2 Modell zu visuell- räumlichen Aufmerksamkeitsnetzwerken modifiziert nach Posner und Petersen (1990) und van Zomeren und Brouwer (1994)

Im Folgenden sollen zwei Aufmerksamkeitsmodelle dargestellt werden, deren

Annahmen durch neuropsychologische und bildgebene Studien gestützt werden und

der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt wurden. Sowohl das

Aufmerksamkeitsmodell von Posner und Petersen (1990) als auch das von van

Zomeren und Brouwer (1994) nehmen drei voneinander unabhängige

Aufmerksamkeitsnetzwerke an. Beide Modelle gehen weiter von zwei hierarchisch

geordneten Aufmerksamkeitsebenen aus, von einer tieferen und einer

übergeordneten, kontrollierenden Ebene. Van Zomeren und Brouwer (1994)

schreiben der tieferen Aufmerksamkeitsebene die Aufmerksamkeitsintensität und die

Aufmerksamkeitsselektivität zu. Aufgaben zur Aufmerksamkeitsintensität verlangen

Aufmerksamkeitsaktivierung (tonische oder phasische Alertness) und –

aufrechterhaltung über die Zeit (Vigilanz, Daueraufmerksamkeit), während

Aufmerksamkeitsselektivität bedeutet, dass einem spezifischen Stimulus in einer

Stimuluskonstellation eine besondere Bedeutung zukommt. Posner und Petersen

(1990) nehmen in ihrem Netzwerkmodell der Aufmerksamkeit eine etwas andere

Funktionszuschreibung vor (Fan et al., 2002). Sie gehen von übergeordneten

Funktionen und einem ähnlichen Netzwerk zur Aufmerksamkeitsaktivierung

14

Page 19: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. (Alertness) aus. Neben diesen besteht eines zur räumlichen

Aufmerksamkeitsausrichtung oder –verschiebung. Während

Aufmerksamkeitsintensität und Aufmerksamkeitsaktivierung synonym gebraucht

werden, beschreibt die räumliche Aufmerksamkeitsverschiebung im Modell von

Posner und Petersen die Tatsache, dass ein räumlicher Hinweisreiz oder jegliche Art

von sensorischer Stimulation zur automatischen Verschiebung des

Aufmerksamkeitsfokus im Raum führen und somit die Reaktion auf einen dort

erscheinenden Zielreiz erleichtern kann (Posner und Fan, im Druck). Während

Aufgaben zum Konzept der Aufmerksamkeitsselektivität nach van Zomeren und

Brouwer nicht unbedingt eine räumliche Aufmerksamkeitsverschiebung beinhalten

müssen, können dennoch auch hier deutliche Überlappungen zwischen beiden

Aufmerksamkeitsmodellen gesehen werden. Beiden Konzepten gemeinsam ist die

Selektivität im wörtlichen Sinne, die eine Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf einen

spezifischen Stimulus bzw. auf einen bestimmten Punkt im Raum bei gleichzeitiger

Nicht-Beachtung von irrelevanten Stimuli oder Raumkoordinaten meint (Posner,

1980).

Die obere Aufmerksamkeitsebene wird in beiden Modellen durch die kontrollierenden

(exekutiven) Aufmerksamkeitsfunktionen gebildet, denen die Funktion der

(Interferenz-) Kontrolle, Inhibition, Konfliktlösung oder willentlichen Steuerung der

Informationsverarbeitung zukommt (Jackson et al., 1994; Jonides, 1981). Pennington

und Ozonoff (1996) ordnen den exekutiven Funktionen folgende fünf

Funktionsaspekte zu: Inhibition, Arbeitsgedächtnis, Planung, Kognitive Flexibilität

(Set Shifting) und Fluency, während andere Autoren andere Einteilungen vornehmen

und das Arbeitsgedächtnis gesondert betrachten (Sergeant et al., 2003). Das

Konzept der übergeordneten Aufmerksamkeitsfunktionen wird sowohl durch klinische

(Spikman et al., 2001; Rafal, 1998) als auch durch Bildgebungsstudien gestützt

(Cabeza und Nyberg, 2000), wobei letztere kontrollierende

Aufmerksamkeitsfunktionen je nach Aufgabe mit präfrontalen, hauptsächlich

Dopamin-modulierten Arealen in Verbindung bringen (Cabeza und Nyberg, 2000;

Fan et al., 2003) und mit Bahnen, die die Basalganglien mit dem orbitofrontalen

Kortex verbinden (Castellanos, 1999). Der anteriore cinguläre Kortex und andere

medial präfrontale Kortexareale scheinen hier von entscheidender Bedeutung

(Jackson et al., 1994; Mirsky et al., 1996).

15

Page 20: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. Dem Aufmerksamkeitsaktivierungs- oder Aufmerksamkeitsintensitätssystem wird ein

Vigilanznetzwerk im rechten präfrontalen Kortex, im parietalen Kortex und in

subkortikalen Arealen wie dem Locus Coeruleus zugeordnet (Sturm et al, 2004;

Sturm et al., 2000; Corbetta et al., 2000; Kastner et al., 1999). Noradrenalin wird als

entscheidender Transmitter für das Aufmerksamkeitsaktivierungssystem angesehen

(Marrocco und Davison, 1998; Posner und Fan, im Druck).

Die Aufmerksamkeitsselektivität scheint ein weit gefächertes bilaterales Netzwerk zu

umfassen, das Thalamus und striatale Areale einschließt (Corbetta et al., 1991).

Dem Aufmerksamkeitsausrichtungsnetzwerk nach Posner und Petersen werden der

superiore Parietallappen, die temporal-parietale Verbindung, die frontalen

Augenfelder, die Pulvinar des Thalamus und der Colliculus Superior zugeordnet

(Posner et al., 1984; Posner und Raichle, 1994; Rothbart et al., 1994). Acetylcholin

scheint der entscheidende Transmitter in diesem System zu sein (Posner und Fan,

im Druck). Das Konzept der räumlichen Aufmerksamkeitsverschiebung im Modell

von Posner und Petersen beinhaltet verschiedene Komponenten dieses

Ausrichtungsprozesses, „disengage“, „shift“ und „engage“. Posner hat hier den

Aufmerksamkeitsfokus mit einem sich durch den visuellen Raum bewegenden

Scheinwerfer verglichen (Posner, 1988), der sich zunächst vom aktuellen Fokus

lösen muss (Disengage), um zu einem neuen Objekt zu wechseln (Shift) und sich

darauf zu konzentrieren (Engange). Die Disengage und Shift Komponenten werden

mit dem posterioren oder temporalen Pariatallappen in Verbindung gebracht

(Friedrich et al. 1998; Karnath et al., 2001; Posner, 1984), wobei Mittelhirnstrukturen

auch an der eigentlichen Aufmerksamkeitsbewegung beteiligt zu sein scheinen

(Posner und Petersen, 1990, p.28-29; Posner, 1988). Die Engage- Komponente

scheint ebenfalls subkortikale Strukturen zu aktivieren, hier scheint die Pulvinar des

Thalamus entscheidend zu sein (Posner, 1988; Posner und Petersen, 1990). Über

Interaktionen zwischen posteriorem Parietallappen und frontalem Kortex (Goldman-

Rakic, 1988) ist das Aufmerksamkeitsausrichtungssystem eng mit dem anterioren,

übergeordneten Aufmerksamkeitssystem verbunden (Rothbart et al., 1989). Eine

besonders Verbindung scheint aufgrund der anatomischen Organisation zwischen

der Disengage- Komponente der Aufmerksamkeitsverschiebung und höheren

kognitiven Kontrollmechanismen zu bestehen (Posner, 1988).

16

Page 21: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. Je nachdem, ob die Aufmerksamkeitsverschiebung ein sichtbares Verhalten

beinhaltet (z.B. eine Augenbewegung) oder nicht, wird sie als offene (overt) oder

verdeckte (covert) Ausrichtung bezeichnet. Neuroanatomisch überlappen sich diese

beiden Arten der Aufmerksamkeitsausrichtung im Raum (Corbetta et al. 2000; Cutrell

et al., 2002; Beauchkamp et al., 2001) und erfüllen den gleichen Zweck (Hoffman et

al., 1998).

Die postulierten Aufmerksamkeitsnetzwerke können effektorunabhängig (Hand,

Auge) durch eine systematische Variation der Untersuchungsparadigmen abgebildet

bzw. überprüft werden (Fan et al., 2001).

1.4 Aufmerksamkeitsprüfung und Entwicklung

Die Verbesserung und Ausdifferenzierung der Aufmerksamkeitsfunktionen scheint

eine der wichtigsten Leistungen der gesamten Kindheit zu sein mit weitreichenden

Folgen für die weitere soziale und kognitive Entwicklung (Bornstein et al., 1990). Die

Mehrzahl der Studien, die sich mit der altersabhängigen Veränderung von

Aufmerksamkeitsleistungen beschäftigt, ist als Querschnittsstudie angelegt und kann

somit lediglich eine Aussage darüber machen, wie sich die betrachtete Funktion

zwischen verschiedenen Altersgruppen unterscheidet. Hieraus werden zwar

Schlussfolgerungen bzgl. der altersabhängigen Entwicklung der jeweiligen Funktion

abgeleitet, methodisch einwandfreier wäre dies allerdings durch die längsschnittliche

Betrachtung der Probanden (Band et al., 2000).

Bei der Überprüfung der beschriebenen Aufmerksamkeitsnetzwerke sind v.a.

Reaktionsschnelligkeit, Gleichförmigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit und

Reaktionsgenauigkeit von Interesse. Operationalisiert werden diese Variablen über

die Reaktionslatenz, deren intraindividuelle Standardabweichung und über die

Anzahl der Fehler bzw. über die Genauigkeit einer ausgeführten Bewegung.

Unabhängig vom untersuchten Effektor und unabhängig von den spezifischen

Aufgabengegebenheiten nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit bis zum frühen

Erwachsenenalter zu (z.B. Band et al., 2000; Ridderinkhof und van der Molen, 1997;

Gibson, 1966; Hale et al., 1990). Dieser Reaktionszeiteffekt wird als globale

altersabhängige Veränderung der Informationsverarbeitung verstanden (Kail, 1993)

und schließt sowohl eine bessere Aktivierung richtiger Verarbeitungselemente als

17

Page 22: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. auch eine gesteigerte Inhibition falscher Verarbeitungselemente ein (Band et al.,

2000; Dempster, 1992; Ridderinkhof und van der Molen, 1997; Tipper et al., 1989).

Für die Antwortaktivierung und -inhibition wurden unterschiedliche

Entwicklungsverläufe dokumentiert (Harnishfeger, 1995; Band und van der Molen,

2000).

Einzelne Aufmerksamkeitsfunktionen sind bereits im Säuglingsalter vorhanden,

wobei sich anschließend verschiedene Aufmerksamkeitsfunktionen zu

unterschiedlichen Zeitpunkten weiterzuentwickeln scheinen (Richards, 1989;

Ridderikhof und van der Stelt, 2000; Ruff und Rothbart, 1996; van der Molen, 2000,

für eine Übersicht).

Gesunde Entwicklung Aufmerksintensität/ Aktivierung

Geht einem Zielreiz ein visueller oder akustischer Warnreiz voraus, verringert dieser

sog. Alert-Effekt die Reaktionslatenz auf den Zielreiz. Während einige Autoren

kleinere Alert-Effekte bei 5-10 jährigen Kindern im Vergleich zu Erwachsenen

berichten, finden andere abnehmende Effekte mit zunehmendem Alter (Rueda et al.,

2004; Kraut, 1976; Smothergrill und Kraut, 1989; Ridderinkhof et al., 1997). Wenn

also bisher nicht eindeutig geklärt werden konnte, wie sich der Effekt eines

Warnreizes über das Grundschulalter hinweg entwickelt, scheinen bereits Vorschüler

in ihren Reaktionszeiten von zeitlich stabilen Warnhinweisen deutlich zu profitieren

(Berger et al., 2000).

Einfache Reaktionszeitparameter wie Reaktionslatenz und individuelle

Schwankungen der Reaktionslatenz über die Versuchsdurchgänge hinweg werden

als Indikatoren für Anstrengung und Wachheit (Sergeant et al., 1999; Posner und

Petersen, 1990) angesehen und werden dem Aufmerksamkeitsintensitätsnetzwerk

zugeordnet (Huang- Pollock und Nigg, 2003). Bis ins frühe Erwachsenenalter

verringern sich Reaktionslatenz und die intraindividuelle Variabilität der Reaktionszeit

(DeSonneville, 2001; Zimmermann und Fimm, 1993; Schachar und Logan, 1990;

Klein, 2001; Livesey und Morgan, 1991; Bunge et al., 2002) und deuten somit auf

eine stetige Weiterentwicklung der Aufmerksamkeitsaktivierung hin.

18

Page 23: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. Gesunde Entwicklung Aufmerksamkeitsselektivität/ räumliche

Aufmerksamkeitsverschiebung

Offene oder verdeckte Orientierungsreaktionen zu visuellen oder akustischen Stimuli

finden sich bereits im Säuglingsalter (Lansink und Richards, 1997; Murray und

Trearthan, 1985). Da in den Studien in Kapitel 2 ausschließlich rein visuelle

Paradigmen verwendet werden, soll im Folgenden nur auf die Befunde zu

alterskorrelierten Veränderungen der visuellen selektiven Aufmerksamkeit

eingegangen werden.

Zum Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Lebensjahrs scheint die

Aufmerksamkeitsverschiebung zum Zweck der Selbstregulation eingesetzt werden

zu können (Posner et al., 1997). Willentliches Übergehen der automatischen

Aufmerksamkeitsverschiebung ist mit 18 Monaten beobachtbar (Rothbart et al.,

1994). Kinder im Alter von 6 Jahren reagieren schneller, wenn einem Zielreiz ein

aussagefähiger, also valider räumlicher Hinweisreiz vorausgeht als ohne Hinweisreiz.

In dieser Reaktionszeitdifferenz zwischen Bedingungen mit und ohne räumlichen

Hinweisreiz, die als Nutzen bezeichnet wird, zeigt sich, dass Kinder im Alter von 6

von der Fähigkeit, die Aufmerksamkeit im Raum zu verschieben, profitieren (Akthar

und Enns, 1989; Brodeur und Boden, 2000; Brodeur und Enns, 1997; Enns und

Brodeur, 1989; Pearson und Lane, 1990). Diese einfache Orientierungsreaktion

scheint sich über die Lebensspanne wenig zu verändern (Plude et al., 1994). Die

Verlängerung der Reaktionszeit aufgrund eines invaliden räumlichen Hinweisreizes

wird als Kosten der Aufmerksamkeitsausrichtung bezeichnet. Diese Kosten werden

dadurch erklärt, dass die Aufmerksamkeit von einem invaliden, also falschen

Hinweisreiz zunächst wieder losgelöst werden muss (Disengage), bevor der

Aufmerksamkeitsfokus zum Ort des Zielreizes verschoben (Shift) und sich dort

festigen kann (Engage, siehe 1.3). Die Disengage- Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung scheint sich zwischen Grundschulalter, Pubertät hin

zum Erwachsenenalter weiterzuentwickeln (Akthar und Enns, 1989; Enns und

Brodeur, 1989; Wainwright und Bryson, 2002; Klein, 2001; Klein und Foerster, 2001),

d.h. jüngere Kinder werden in ihrer Leistung mehr von einem räumlich falschen

Hinweisreiz beeinträchtigt. Entsprechend können ältere Kinder besser als Jüngere

mit uneindeutigen Hinweisreizen umgehen und mehr Assoziationen zwischen

19

Page 24: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. Hinweisreiz und Zielstimulus lernen (Canfield et al., 1997; Clohessy et al, 2001; Haith

et al., 1988; Thomas und Nelson, 2001; Posner, 2001).

Die Engage- und Shift- Komponenten hingegen scheinen weniger altersabhängig zu

sein (Enns und Brodeur, 1989; Wainwright und Bryson, 2002; Enns, 1990; Trick und

Enns, 1998; Brodeur und Enns, 1997). Je nach Vorhersagekraft des räumlichen

Hinweisreizes ist aber auch bei der Engage- Komponente ein, wenn auch weniger

ausgeprägter Entwicklungstrend zu vermuten (Wainwright und Bryson, 2002).

Aufgaben zur Aufmerksamkeitsselektivität, wie sie van Zomeren und Brouwer (1994)

definieren, beinhalten ebenfalls die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit von einem oder

mehreren Nicht-Zielobjekt zu entkoppeln, um sie auf den Zielreiz richten zu können.

In Übereinstimmung mit den altersabhängigen Veränderungen der Disengage-

Komponente der räumlichen Aufmerksamkeitsveschiebung zeigen sich somit in

Aufgaben zur Aufmerksamkeitsselektivität ebenfalls altersabhängige

Leistungsverbesserungen (DeSonnevielle, 2001; Shepp und Barrett, 1991; Shepp et

al., 1987).

Gesunde Entwicklung Exekutiver Funktionen

Während einige Autoren unterschiedliche Entwicklungsverläufe für verschiedene

Arten von kontrollierenden Aufmerksamkeitsfunktionen dokumentieren (Harnishfeger,

1995; Dempster, 1993; Asendorpf, 1990), finden andere ähnliche

Entwicklungstrajektorien für unterschiedliche Teilaspekte der exekutiven Funktionen

(Band et al., 2000). Im Folgenden soll der Entwicklungsverlauf in einigen Aufgaben

dieser Aufmerksamkeitskomponente näher erläutert werden.

In Aufgaben zur kognitiven Konfliktlösung haben die Probanden die Aufgabe, eine

nahe liegende, kompatible Reaktion zu Gunsten einer weniger nahe liegenden,

inkompatiblen zu unterdrücken. Zwischen 2 und 4 Jahren scheinen sich basale

Mechanismen für die Konfliktlösung zu entwickeln (Gerardi-Caulton, 2000), die sich

im Verlauf der Kindheit weiter verbessern (Gerstadt et al, 1994; Lane und Pearson,

1982). Im Alter von 10 Jahren konnten ähnlich gute Leistungen wie bei Erwachsenen

in einer Aufgabe erzielt werden, bei der die Richtung eines Zielreiz anzugeben war,

der von anders ausgerichteten Ablenkreizen umgeben war (Flankierungs- Aufgabe,

Eriksen und Eriksen, 1974; Ridderinkhof et al., 1997). Jüngere Kinder waren in

dieser Aufgabe sowohl schlechter als 10- Jährige als auch als Erwachsene (Rueda

et al., 2004; Tipper et al., 1989).

20

Page 25: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. Die Go-Nogo-Aufgabe beinhaltet die Inhibition einer Antwort auf einen Nicht-Zielreiz,

während auf den Zielreiz reagiert werden soll. Dadurch, dass der Zielreiz deutlich

häufiger präsentiert wird, wird die Reaktionsinhibition auf den Nicht- Zielreiz

erschwert. Hier sind sowohl im Vorschulalter als auch im Alter zwischen 6 und 13

Jahren sowohl auf Verhaltens- als auch auf neuronaler Ebene Veränderungen

nachweisbar (Livesey und Morgan, 1991; Casey et al., 1997).

Bei der Stop Signal Aufgabe folgt in der Mehrzahl der Durchgänge dem sog. Go-

Signal ein Zielreiz. In etwa einem Drittel der Durchgänge wird innerhalb eines

variablen Intervalls nach Erscheinen des Zielreizes ein Stop- Signal präsentiert,

woraufhin keine Reaktion erfolgen soll (Logan et al., 1997). Die Stop Signal Aufgabe,

bzw. die Countermanding Sakkaden Aufgabe als ihre okulomotorische

Entsprechung, misst die Fähigkeit, eine bereits initiierte Bewegung zu stoppen und

liefert somit ein Maß für die Inhibitionsfähigkeit einer bereits andauernden

Bewegung. Entwicklungsstudien haben zum einen den altersabhängigen Verlauf der

Reaktionszeit in den Go- Durchgängen und zum anderen der Inhibitionsleistung

betrachtet. Letztere wird durch die Fehlerzahl in Stop- Signal- Durchgängen und

durch die Zeit, die zum Stoppen einer Reaktion benötigt wird (Stop- Signal-

Reaktionszeit), operationalisiert. Go- Reaktionsgeschwindigkeit und die Stop- Signal-

Reaktionszeit scheinen unterschiedliche Entwicklungsverläufe zu zeigen, wobei die

Inhibitionsleistung einer weniger ausgeprägten aber länger andauernden

Verbesserung zu unterliegen scheint (Bedard et al., 2002; Band und van der Molen,

2000; Ridderinkhof et al., 1999; Nigg, 1999). Im Vorschulalter bzw. im Alter von 6 bis

8 und 9 bis 12 Jahren scheint es aber zu einer deutlichen Verbesserung der

Inhibitionsleistung zu kommen (Carver et al., 2001; Williams et al., 1999), wobei

andere diesen Entwicklungstrend nicht bestätigen (Schachar und Logan, 1990).

Wie unter 1.3 erläutert wird das exekutive System strukturell mit einem anterioren

Aufmerksamkeitsnetzwerk in Verbindung gebracht, das präfrontale Hirnregionen mit

den Basalganglien verbindet (Cabeza und Nyberg, 2000; Fan et al., 2003;

Castellanos, 1999). Die Entwicklung dieser Aufmerksamkeitsfunktionen wird somit

mit Entwicklungsprozessen im präfrontalen Kortex assoziiert (Goldman-Rakic, 1987;

Diamond, 1988; Dempster, 1992). Die Strukturen des präfrontalen Kortex scheinen

sich langsamer zu entwickeln als andere Hirnregionen, was durch Befunde zur

Myelinisierung (Yakovlev und Lecours, 1967; Pfefferbaum et al., 1983; Giedd et al.,

21

Page 26: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. 1999), zur Reduzierung grauer Substanz (Jernigan et al., 1991; Pfefferbaum et al.,

1993; Sowell et al., 2001), zum Kortexvolumen (Kanemura et al., 2003) und zum

Ruheenergieumsatz (Chugani et al., 1987; Casey et al., 2000; Gaillard et al., 2001;

Diamond, 2002) gestützt wird. Es wird also davon ausgegangen, dass bis zum

frühen Erwachsenenalter noch deutliche strukturelle und funktionelle Veränderungen

in diesen Kortexbereichen stattfinden (Bunge et al., 2002), wobei ein direkter

Zusammenhang zwischen strukturellen Veränderungen und einer

Funktionsverbesserung höherer Aufmerksamkeitsfunktionen bisher nur in wenigen

Studien untersucht wurde (Casey et al., 1997; Luna et al., 2001, Bunge et al., 2002).

Hier zeigte sich aber übereinstimmend, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen

ein größeres diffuses Netzwerk der an der inhibitorischen Kontrolle beteiligten

Hirnstrukturen zu aktivieren scheinen und dass diese Aktivierung insgesamt stärker

ausgeprägt ist (Casey et al., 1997; Durston et al., 2002; Bunge et al., 2002).

1.5 Aufmerksamkeitsdefizite bei ADHD

Die überwiegende Zahl kognitiver Studien zu ADHD hat sich mit exekutiven

Funktionen und hier besonders mit der Inhibitionsleistung beschäftigt und versteht

ein Defizit in der inhibitorischen Kontrolle als zentrale Störung der ADHD (Nigg,

2001; Tannock, 1998; Barkley, 1997; Pennington und Oozonof, 1996; Quay, 1997).

Neuere Ansätze zur Beschreibung und Erklärung des neurokognitiven Defizits der

ADHD gehen von unterschiedlichen, ätiologisch und neuropsychologisch distinkten

Subgruppen (Endophänotypen) aus (Sergeant et al., 2003; Castellanos und

Tannock, 2002). Die kognitiven Befunde zur ADHD sollen zunächst anhand der oben

beschriebenen Aufmerksamkeitsmodelle erläutert werden. Anschließend wird das

Konzept der ADHD Endophänotypen dargestellt.

ADHD: Aufmerksintensität/ Aktivierung

Während ein Defizit in der Daueraufmerksamkeit oder Vigilanz mehrfach bei ADHD

Patienten beschrieben wurde (Sergeant et al., 1999; van der Meere und Sergeant,

1988; Corkum und Siegel, 1993; Taylor et al., 1998; Konrad et al., 2004; Hanisch et

al., 2004), finden andere Autoren durchschnittliche Leistungen in diesem

Aufmerksamkeitsaspekt (Sergeant und van der Meere, 1990; van der Meere und

Sergeant, 1988). ADHD Probanden scheinen weniger von einem Warnreiz zu

22

Page 27: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. profitieren bzw. langsamer auf Reize ohne vorhergehendes Warnsignal zu reagieren

und somit ein Defizit in der phasischen Aufmerksamkeitsaktivierung zu zeigen

(Swanson et al., 1991; Nigg et al., 1997). Besonders ausgeprägt war dieses Defizit

bei ADHD Erwachsenen für linksseitig präsentierte Zielreize, was auf ein

rechtshemisphärisch lateralisiertes Defizit der Alertness hinweist (Nigg et al., 1997).

Untersuchungen an ADHD Kindern konnten diese verminderte Reaktionsbereitschaft

auf Reize ohne Warnsignal nicht bestätigen (Perchet et al., 2001; Swanson et al.,

1991).

Wie oben beschrieben werden Reaktionszeitparameter wie Latenz und intra-

induviduelle Variablität der Reaktionslatenz als Indikatoren für die Funktionsgüte der

Aufmerksamkeitsintensität angesehen. ADHD Patienten weisen einen stark

schwankenden, z.T. verlangsamten Reaktionsstil auf (Huang-Pollock et al., 2000;

Nigg et al., 1997), der somit als Defizit des Vigilanzsystems interpretiert werden

kann. Andere Autoren finden aber sowohl in einfachen Reaktionsaufgaben als auch

in komplexeren Paradigmen schnellere Reaktionszeiten bei ADHD im Vergleich zu

Kontrollkindern und bringen dies mit einem hohen Maß an kognitiver Impulsivität, und

somit wieder mit einem Inhibitionsdefizit in Verbindung (Koschack et al., 2003).

Eine Metaanalyse zu Defiziten in der Aufmerksamkeitsintensität bei Patienten mit

ADHD kommt zu dem Schluss, dass die Befunde nicht eindeutig sind, aber im Trend

auf eine Störung in diesem Aufmerksamkeitsbereich hinweisen (Huang- Pollack und

Nigg, 2003).

ADHD: Aufmerksamkeitsselektivität/ räumliche

Aufmerksamkeitsverschiebung

Studien, in denen die Aufmerksamkeitsselektivität oder räumliche

Aufmerksamkeitsverschiebung bei ADHD Patienten untersucht wird, verwenden

räumliche Cueing Paradigmen oder operationalisieren die Selektivität über

bestimmte Stimuluskonstellationen oder über die Kombination aus bestimmten

Stimuli und räumlichen Faktoren. In Cueing Paradigmen geht einem Zielreiz ein

Warnreiz voraus, der entweder an einem Fixationspunkt oder peripher davon

dargeboten wird und die Reaktionslatenz auf den folgenden Zielreiz verringert.

In Studien zur visuell-räumlichen Aufmerksamkeitsverschiebung, bei der der

räumliche Hinweisreiz mit hoher Wahrscheinlichkeit den Ort des folgenden Zielreizes

23

Page 28: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. vorhersagt und das Zeitintervall zwischen Cue und Zielreiz kurz ist (SOA), wurden

übereinstimmend keine Unterschiede zwischen Kontrollpersonen und ADHD

Patienten gefunden (Aman et al., 1998; Epstein et al., 1997; Nigg, 2000; Swanson

und Hinshaw, 1997; Pearson et al., 1995; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999).

Bei hoher Prädiktivität des Hinweisreizes und langer SOA sind die Daten weniger

eindeutig: einige Autoren beschreiben ein Defizit der ADHD Patienten bei der

Aufmerksamkeitsverschiebung von einem invaliden räumlichen Hinweisreiz weg hin

zum Zielreiz (Epstein et al., 1997; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999), während

andere dieses Defizit in der Disengage- Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung nicht finden (Novak et al., 1995; Nigg et al., 1997;

Pearson et al., 1995).

Studien, in denen die Hinweisreize nicht prädiktiv für das Erscheinen des Zielreizes

sind, finden übereinstimmend intakte Leistungen in der visuell- räumlichen

Aufmerksamkeitsverschiebung bei ADHD Patienten (Huang-Pollock et al., 2000;

Carter et al., 1995). Vergleichbare Leistungen zwischen Kontrollpersonen und ADHD

Patienten im posterioren Aufmerksamkeitssystem fanden sich auch in einer Studie

zur fokussierten Aufmerksamkeit (Sergeant und van der Meere, 1990), wobei andere

in ähnlichen Aufgaben wiederum Gruppenunterschiede berichten (Novak et al., 1995;

De Sonneville et al., 1994).

Zusammenfassend scheinen die Engage- und Shift- Komponenten des posterioren

Aufmerksamkeitssystems bei ADHD Patienten intakt zu sein, Defizite finden sich –

wenn auch nicht durchgehend- in der Aufmerksamkeitsloslösung (Disengage) von

einem zu ignorierenden Hinweis- oder Distraktorreiz.

ADHD: Exekutive Funktionen

Kinder mit ADHD weisen durchgehend schlechtere Leistungen und langsamere

Reaktionszeiten in Go-Nogo, Stop Signal oder Stroop Aufgaben auf (Schachar,

2000; Seidman et al., 1995, Seidman et al., 1997; Tannock et al., 1998; Oosterlaan

et al., 1998) und sind in anderen Aufgaben der exekutiven Kontrolle wie z.B. zur

kognitiven Flexibilität, zum Arbeitsgedächtnis, zur Planung oder in Fluency

Paradigmen im Vergleich zu Kontrollpersonen beeinträchtigt (Pennington et al.,

1993; Aman et al., 1998; Grodzinsky et al., 1999).

Während einige Autoren davon ausgehen, dass unterschiedliche ADHD Subtypen

(siehe unten) unterschiedliche Defizitprofile in den Variablen der exekutiven Kontrolle

24

Page 29: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. aufweisen (Chhabildas et al., 2002; Castellanos und Tannock, 2002), sehen andere

Arbeitsgruppen das neuropsychologische Inhibitionsdefizit als zentrales Merkmal der

ADHD an (Durston, 2003). Für letztere Annahme spricht, dass inhibitorische Defizite

bei ADHD Patienten eine deutliche genetische Komponente aufweisen (Faraone et

al., 1996). So konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass Kinder mit einem

genetisch erhöhten ADHD- Risiko ähnliche neuropsychologische Profile aufwiesen

wie mit ADHD diagnostizierte Kinder.

Defizite in der exekutiven Kontrolle finden sich allerdings ebenfalls bei anderen

kinderpsychiatrischen Störungsbildern und sind somit nicht ADHD- spezifisch

(Sergeant et al., 2002; Guerts et al., 2004).

ADHD Endophänotypen

Dieses Konzept geht davon aus, dass bei ADHD Patienten nicht einzelne

Aufmerksamkeitsaspekte auffällig sind, sondern dass es eine Anzahl von ADHD

Subgruppen gibt, die sich in der Ätiologie der Störung, in ihren neurobiologischen

Korrelaten und somit auch auf neuropsychologischer und behavioraler Ebene

unterscheiden. Castellanos und Tannock (2002) haben in einer Übersichtsarbeit aus

der Literatur zur Neurokognition und Neurobiologie der ADHD folgende fünf

Subgruppen herauskristallisiert:

1. Motorische Hyperaktivität, die mit einer striatalen dopaminergen Dysfunktion

einhergeht,

2. Aversion gegenüber der Verzögerung von Belohnung, die mit striatalen (Nucleus

Accumbens) Abnormitäten in Zusammenhang gebracht wird,

3. verminderte Fähigkeit zur kognitiven und behavioralen Inhibition, die mit einer

präfrontal repräsentierten Störung exekutiver Funktionen assoziiert ist,

4. Störung der Zeitverarbeitung aufgrund zerebellärer Auffälligkeiten und

5. Arbeitsgedächtnisstörungen, die ebenfalls im Zusammenhang mit einer

präfrontalen Störung stehen.

Die Autoren schlagen vor, diese Einteilung in der Untersuchung von ADHD

Probanden zu berücksichtigen, was allerdings bisher unserer Erkenntnis nach nicht

geschehen ist.

25

Page 30: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. 1.6 Methylphenidat (MPH) und Aufmerksamkeit

Methylphenidat (MPH) verändert auch bei gesunden Probanden die Leistungen der

kognitiven und motorischen Kontrolle (Moll et al., 2003). Der folgende Abschnitt soll

sich allerdings auf die Befunde zu MPH-assoziierter Leistungsverbesserung bei

ADHD Patienten beschränken.

Meist haben sich die Studien zum Einfluss von MPH auf die

Aufmerksamkeitsleistung bei ADHD Patienten mit einem Aufmerksamkeitsaspekt

beschäftigt wie z.B. Inhibition (Van der Meere, 1999), Arbeitsgedächtnis (Tannock et

al., 1995) oder Daueraufmerksamkeit (Lousier et al., 1994). Wenngleich die Befunde

im Detail oft uneindeutig sind, so konnte doch ein positiver Medikationseffekt auf die

Daueraufmerksamkeit (van der Meere, 1995; Konrad et al., 2004; Hanisch et al.,

2004), auf die Antwortgenauigkeit (Jonkman et al., 1999), das Arbeitsgedächtnis

(Tannock et al., 1995) und die Inhibitionsleistung (Tannock et al., 1995) gefunden

werden. Andere Autoren fanden bei moderaten bis großen Stichprobengrößen keine

MPH-assoziierte Leistungsverbesserung in z.B. einer Stroop Interferenz (Jonkmann

et al., 1999) oder GoNogo Aufgabe (van der Meere, 1999) oder in Aufgaben zur

geteilten Aufmerksamkeit (De Sonneville, 1994; Konrad et al., 2004). Mehrfach

wurde beschrieben, dass MPH, unabhängig von der jeweiligen Aufgabe, die intra-

individuelle Variabilität der Reaktionslatenz verringert (Mostofsky et al. 2001;

Douglas, 1999; Denney und Rapport, 2001; Scheres et al., 2003).

Studien, die sich mit mehreren Aufmerksamkeitsaspekten und MPH Dosierungen

beschäftigen, gehen von einer linearen Verbesserung der Aufmerksamkeitsintensität

bis zu einer Dosis von ca. 1mg MPH/kg Körpergewicht aus (Douglas, 1999; Denney

und Rapport, 2001), wohingegen kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen einen

umgekehrt-U-förmigen Dosis-Wirkungszusammenhang zu zeigen scheinen und

somit am deutlichsten von niedrigen bis moderaten Dosen profitieren (Tannock et al.,

1995; Konrad et al., 2004). Frühere Arbeiten fanden allerdings negative

Medikationseffekte auf exekutive Aufmerksamkeitsleistungen (Tannock et al., 1989).

Unklar ist dennoch, ob lediglich einzelne Aufmerksamkeitsaspekte positiv durch MPH

beeinflusst werden, oder ob MPH zu einer generellen Veränderung der

Informationsverarbeitung führt (Bedard et al., 2003). So sprechen Befunde zur

Untersuchung MPH-assoziierter Veränderungen der Inhibitionsleistungen dafür, dass

sich unter MPH sowohl die Reaktionsausführung (erfasst über Reaktionslatenz und

26

Page 31: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. deren intraindividuelle Standardabweichung) als auch die Reaktionsinhibition

verbessert (Tannock et al., 1995; Bedard et al., 2003; Scheres et al., 2003).

1.7 Fragestellung und Studieneinführung

Zusammenfassend spricht die aktuelle Befundlage zum einen für eher umschriebene

Defizite im Bereich von Aufmerksamkeitsintensität und exekutiver Funktionen bei

Patienten mit ADHD. Zum anderen wird ein ADHD- typischer Arbeitsstil (Sonuga-

Barke et al., 1994) bzw. die Existenz neuropsychologisch distinkter ADHD

Endophänotypen (Castellanos und Tannock, 2002) beschrieben.

Im Folgenden soll nun überprüft werden, ob sich die Auffälligkeiten in der

Aufmerksamkeitsleistung, die ADHD Kinder im Vergleich zu gesunden Kindern

aufweisen, in die in 1.3 erläuterten Aufmerksamkeitsmodelle einordnen lassen, oder

ob die Patienten einen qualitativ anderen Arbeitsstil aufweisen, der alle

Aufmerksamkeitsfunktionen gleichermaßen betrifft. Zur Bearbeitung dieser

Fragestellungen wurden drei Herangehensweisen gewählt:

(1) Ein klinisch orientierter Zugang soll zunächst Kinder mit und ohne ADHD in ihren

Leistungen in einer neuropsychologischen Testbatterie vergleichen. Die Aufgaben

wurden hierbei so ausgewählt, dass alle drei Aufmerksamkeitssysteme vertreten

sind. Dem Vergleich der beiden Stichproben folgt eine Studie zum Einfluss von MPH

auf die untersuchten Aufmerksamkeitsvariablen der ADHD Kinder. Da die Literatur

zu Leistungsunterschieden in neuropsychologischen Testbatterien zwischen ADHD

und Kontroll-Grundschülern umfangreich ist, sollen sich diese Studien mit

Vorschülern mit ADHD beschäftigen und die Ergebnisse mit den Erkenntnissen über

Grundschüler mit ADHD und zur Entwicklung der Störung in Beziehung setzen.

(2) Anschließend werden ADHD und gesunde Kinder in ihren Leistungen in einem

anhand des Aufmerksamkeitsmodells von Posner und Petersen entwickelten

Aufgabe (Attention Network Task (ANT), Fan et al., 2001) verglichen, um die

Aufmerksamkeitsnetzwerke beider Gruppen mit Hilfe eines einheitlichen,

modellgeleiteten Untersuchungsparadigmas abzubilden. Nachdem auch hier der

Einfluss von MPH auf die Aufmerksamkeitsleistungen beschrieben wird, folgt ein

Vergleich zwischen Gesunden und ADHD Patienten in einer aufgrund theoretischer

Erwägungen modifizierten Version des ANT.

27

Page 32: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

1. (3) Im dritten Schritt werden die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke bei ADHD und

Kontrollkindern über ein einheitliches okulomotorisches Untersuchungsparadigma

überprüft. Diese Herangehensweise wurde aus folgenden drei Gründen gewählt:

Aufgrund häufiger komorbider Defizite in der grob- und feinmotorischen Koordination

bei Patienten mit ADHD (Pitcher et al., 2003; Karatekin et al., 2003), haben sich

okulomotorische Aufgaben als viel versprechende Methode zur Untersuchung der

Aufmerksamkeitsleistung von ADHD Patienten erwiesen (Trillenber et al., 2004;

Leigh und Kennard, 2003). Zweitens stellt das visuelle und okulomotorische System

das physiologisch und neuroanatisch am besten untersuchte funktionelle System

dar, so dass die okulomotorischen Befunde möglicherweise Rückschlüsse auf

zugrunde liegende neurophysiologische und –anatomische Differenzen zwischen

ADHD Kindern und Gesunden ziehen lassen. Drittens soll die Frage geklärt werden,

ob hand- bzw. okulomotorische Aufgaben ähnliche Ergebnisse bzgl. der

Beeinträchtigung einzelner Aufmerksamkeitsaspekte bei ADHD Patienten liefern.

Um die Leistung der ADHD Kinder in den gesunden Entwicklungsverlauf einordnen

zu können, werden für den ANT und die okulomotorischen Aufgaben jeweils eine

Entwicklungsstudie berichtet.

28

Page 33: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

2.1 Neuropsychologische Testbatterien bei Vorschülern mit und ohne ADHD

Spezifische Einleitung

Wie in Kapitel 1.5 beschrieben, ist die Forschung zu den neurokognitiven Defiziten

von ADHD Kindern im Grundschulalter und zu Jugendlichen und Erwachsenen mit

ADHD umfangreich. Obwohl die gängigen Diagnosekriterien verlangen, dass die

Störung bereits vor Schuleintritt vorhanden ist, haben sich bisher nur wenige Studien

mit ADHD im Vorschulalter beschäftigt. Entwicklungsmodelle von ADHD

charakterisieren Vorschul- ADHD durch v.a. hyperaktive Symptome, während ältere

betroffene Kinder zusätzlich zu Hyperaktivität und Impulsivität Symptome von

Unaufmerksamkeit und Ablenkbarkeit zeigen (Barkley et al., 1997). In der Pubertät

und im Erwachsenenalter scheint sich die Hyperaktivität bei ADHD Patienten weiter

zu verringern das Aufmerksamkeitsdefizit bleibt allerdings auch bei älteren Patienten

weiter bestehen (Biederman et al., 2000). Bildgebende Studien bringen diese

altersabhängige Veränderung des ADHD Phänotypes mit einer Verschiebung der

neuronalen Auffälligkeiten bei ADHD Kindern vom Mittelhirn zu Auffälligkeiten im

präfrontalen Kortex bei Erwachsenen in Verbindung (Ernst et al., 1998; van Dyck et

al., 2002).

Kindgerechte neuropsychologische Testbatterien sind in der Lage, reliable und valide

Werte für die Aufmerksamkeitsleistungen von Kindern ab dem Alter von 4 Jahren zu

erheben (Berger et al., 2000). Zwei Studien an nicht-klinischen Populationen von

Vorschulkindern konnten ähnliche Zusammenhänge zwischen inhibitorischer

Dysfunktion und hohen Werten auf einer ADHD Verhaltensbeurteilung

dokumentieren, wie sie bereits für Grundschulkinder gefunden wurden (Sonuga-

Barke, 2002; Berlin und Bohlin, 2002). Weiter wurde bei ADHD Vorschülern von

Auffälligkeiten im Arbeitsgedächtnis (Kalff et al., 2002), bei der visuellen Suche und

der Vigilanz (DeWolfe et al., 1999; Byrne et al., 1998) sowie im Continuous

Performance Test berichtet (Harper und Ottinger, 1992).

Ziel der vorliegenden Studie war, die Leistung in einer neuropsychologischen

Testbatterie von Vorschülern mit ADHD vor dem Hintergrund der in Kapitel 1.3

beschriebenen Aufmerksamkeitsmodelle zu untersuchen. In Übereinstimmung mit

der ADHD Literatur zu älteren Kindern erwarten wir Aufmerksamkeitsdefizite

29

Page 34: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

besonders in der Aufmerksamkeitsintensität und bei kontrollierenden

Aufmerksamkeitsfunktionen. Den Befunden folgend, die bei Vorschülern mit ADHD

Defizite im Bereich der Impulsivität und Aktivität eher als in der Aufmerksamkeit

beschreiben, erwarten wir Unterschiede zwischen ADHD und Kontrollgruppe v.a. im

Bereich exekutiver Funktionen (Go-Nogo Aufgabe).

Material und Methoden

Probanden und Einschlusskriterien:

Es wurden 43 Vorschulkinder untersucht, die bereits vor Schuleintritt die

Diagnosekriterien einer ADHD nach DSM IV (American Psychiatric Association,

1994) erfüllten. Da die gängigen Fragebogen Items v.a. bezüglich der

Aufmerksamkeit vom Schulkontext ausgehen (FBB HKS, Döpfner und Lehmkuhl,

1998), beinhaltete der Diagnoseprozess keine ADHD-spezifischen Fragebögen,

sondern eine ausführliche Anamneseerhebung, ein halbstrukturiertes Interview der

Eltern zur Psychopathologie des Kindes (K-DIPS; Unnewehr et al., 1995), eine

körperliche Untersuchung, eine Intelligenztestung (K-ABC) und ein Fragebogenurteil

des Verhaltens durch die Eltern (CBCL, Arbeitsgruppe deutsche Child Behavior

Check List, 1998). 22 Kinder nahmen zum Zeitpunkt der Untersuchung

Methylphenidat (MPH), 21 waren medikationsnaiv. Die medizierten Kinder wurden im

Rahmen einer doppelt-blinden placebo- kontrollierten Medikationsstudie zweimal

untersucht (siehe Kapitel 2.2).

Die ADHD Gruppe (mittleres Alter 6.1 ± 0.64 Jahre, 5 Mädchen) wurde mit einer

Gruppe gesunder Kindergartenkinder (n= 43, mittleres Alter 5.9 ± 0.69 Jahre, 11

Mädchen) verglichen. Die ADHD Patienten wurden über die Vorschulsprechstunde

der Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -

psychotherapie des Universitätsklinikums Aachen rekrutiert. Die Kontrollkinder

besuchten einen von drei öffentlichen Kindergärten, die an der Untersuchung

teilnahmen. Die Eltern der Kontrollkinder dokumentierten über die deutsche Fassung

der Child Behavioural Check List (CBCL, Arbeitsgruppe deutsche Child Behavior

Check List, 1998) durchschnittliche Werte auf der Skala „Aufmerksamkeitsstörung“

(mittlerer T-Wert 51.0 ± 5.8). Tabelle 2.1.1 zeigt Stichproben Charakteristika der

ADHD und Kontrollgruppe.

30

Page 35: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

Tabelle 2.1.1 Stichproben Charakteristiker, angegeben sind arithmetische Mittel und

Standardabweichungen bzw. Anzahlen und Prozentangaben

Kontrollen

(n= 43)

ADHD

(n= 43)

Alter in Jahren (Std.)

IQ Mittelwert (Std.)

CBCL (Eltern, mittlere T-Werte, Std.):

Internalisierende Symptome

Externalisierende Symptome

Unaufmerksamkeit

Diagnose: Kombiniert/ Unaufmerksam

Komorbiditäten:

Oppositionelles Trotzverhalten

Angst

Sprachstörungen

Enuresis/ Enkopresis

Motorische Koordinationsstörungen

5.9 (0.7)

52.1 (6.5)

54.0 (5.1)

51.0 (5.8)

0/0

5 (12%)

6 (14%)

1 (2%)

2 (5%)

2 (5%)

6.1 (0.6)

96.0 (15.6)

65.5 (10.4)

69.8 (11.3)

68.3 (9.4)

37/ 6

10 (23%)

7 (16%)

3 (7%)

6 (14%)

11 (26%)

Neuropsychologische Testung:

Die Vorschulkinder saßen auf einem kleineren an die Größe der Vorschüler

angepassten Stuhl. Die Mitte des Computermonitors war so für alle Kinder auf

Augenhöhe. Eine gewöhnliche Computermaus wurde als Antwortbox verwendet. Der

eigentlichen Aufgabe gingen einige Übungsdurchgänge voraus, um die Kinder im

Umgang mit der Maus zu trainieren und ein gutes Instruktionsverständnis zu

gewährleisten.

Abhängige Variablen:

Vier Aufgaben wurden anhand des in Kapitel 1.3 erläuterten theoretischen Modells

ausgewählt: die Aufmerksamkeitsintensität wurde durch eine einfache

Reaktionszeitaufgabe (Baseline Speed) und durch eine Aufgabe zur

Daueraufmerksamkeit (Sustained) überprüft, während die Selektivität durch eine

Aufgabe zur fokussierten Aufmerksamkeit operationaliert wurde. Kontrollierende

Aufmerksamkeitsfunktionen wurden durch eine kognitive Konfliktaufgabe erfasst (Go-

Nogo). Abhängige Variablen für jede Aufgabe waren Reaktionszeitmedian (RZ),

31

Page 36: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

intraindividuelle Standardabweichung der Reaktionszeit, Anzahl der Auslassungen

(misses) und Anzahl der Fehler (false alarms).

Intensität: In der Reaktionszeitaufgabe musste auf das Erscheinen eines Quadrats

reagiert werden. In der Daueraufmerksamkeitsaufgabe mussten die Kinder auf einen

Zielreiz mit dem einen und auf vier Nicht- Zielreize mit dem anderen Knopf reagieren.

Der Test bestand aus 20 Serien von 12 Bildern.

Selektivität: In der Aufgabe zur fokussierten Aufmerksamkeit mussten die Kinder mit

dem Ja-Knopf reagieren, wenn ein Zielreiz an einer bestimmten Zielposition

dargeboten wurde. Der Nein-Knopf musste gedrückt werden, wenn der Zielreiz

entweder nicht anwesend oder an einer anderen Position zu sehen war.

Konflikt: Die Konfliktaufgabe sah eine Reaktion auf einen Zielreiz und das Auslassen

einer Reaktion auf Nicht- Zielreize vor.

Statistische Analysen:

Die statistische Auswertung aller im Folgenden beschriebenen Studien erfolgte über

SPSS 11.5. Gruppenmittelwerte für Reaktionslatenz, intraindividuelle

Standardabweichung der Reaktionsgeschwindigkeit und Fehler (false alarm und

misses) sollten für die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke miteinander verglichen

werden. Da 7 der 14 Variablen weder normalverteilt noch zwischen den Gruppen

varianzhomogen waren und somit die Vorraussetzungen für einen Zwei- Stichproben

t-Test nicht gegeben waren (Havlicek und Petersen, 1974), wurden für Baseline

Speed intraindividuelle Standardabweichung, Fokussierte missings, Fokussierte false

alarms, Go-Nogo intraindividuelle Standardabweichung, Go-Nogo false alarams,

Sustained Missings und Sustained false alarms zum Gruppenvergleich Mann

Whitney U-Tests herangezogen. Die übrigen 7 Variablen wurden zunächst über den

Levenetest auf Varianzgleichheit getestet und anschließend über zweiseitige

Zweistichproben t-Tests miteinander verglichen. Da 14 unabhängige

Gruppenvergleiche angestellt wurden, wurde das Alpha-Niveau je Vergleich auf

0.004 korrigiert. Anschließend wurde mit Hilfe einer multiplen linearen

Diskriminanzanalyse überprüft, wie gut sich die Gruppenzugehörigkeit anhand der 14

abhängigen Variablen voraussagen lässt.

32

Page 37: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

Ergebnisse

Im Folgenden werden Gruppenmittelwerte, Standardabweichungen und

Gruppenvergleiche der abhängigen Variablen nach den drei

Aufmerksamkeitsnetzwerken aufgeteilt dargestellt.

Intensität:

Tabelle 2.1.2 Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen sowie Ergebnisse der Gruppenvergleiche der Variablen der Aufmerksamkeitsintensität

Kontrollen

n= 43

ADHD

n= 43

t(df) bzw. Z p

Baseline Speed RZ (Std.) in

ms

Baseline Speed intraindi-

viduelle Std. RZ (Std.) in ms

Sustained RZ (Std.) in ms

Sustained intraindividuelle Std.

RZ (Std.) in ms

Anzahl Sustained Auslasser

(Std.)

Anzahl Sustained False Alarm

(Std.)

523 (132)

220 (117)

1361 (299)

613 (273)

6.3 (4.3)

5.8 (5.2)

562 (125)

294 (174)

1322 (343)

669 (320)

13.1 (10.5)

15.0 (12.9)

t(84)=1.40

Z = -1.92

t(84)= -0.57

t(84)=0.87

Z = -3.29

Z = -3.78

p= 0.26

p= 0.06

p= 0.57

p= 0.38

p < 0.001

p < 0.001

Wie in Tabelle 2.1.2 und Abbildung 2.1.1 dargestellt ergaben sich für die Variablen

der Aufmerksamkeitsintensität folgende Gruppenunterschiede: die ADHD Kinder

zeigten eine im Trend größere intraindividuelle Standardabweichung der RZ in der

einfachen Reaktionszeitaufgaben (Baseline Speed RZ: Z= -1.92, p= 0.06), ließen

mehr Zielreise in der Daueraufmerksamkeitsaufgabe aus (Sustained Auslasser: Z= -

3.29, p < 0.001) und machten hier mehr Fehler (Sustained false alarm: Z= -3.78, p <

0.001).

33

Page 38: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

0

5

10

15

20

SA false alarm SA m

Anza

hl d

er F

ehle

r

ADHD Kontrolle

0

500

1000

1500

BS RT SA RT BS std SA std

RZ

[ms]

ADHD KontrolleINTENSITÄT

Abbildung 1.1.1 Gruppenmittelwerte und StandardAufmerksamkeitsintensität; RT ReaktionsStandardabweichung, SA Sustained, BS Baseline Spe* signifikanter Gruppenunterschied (αadjustiert= 0.004)

Selektivität:

Tabelle 2.1.3. Gruppenmittelwerte und Standardabweichung Aufmerksamkeitsselektivität

Kontrollen

n= 43

ADHD

n= 43

Fokussierte RZ (Std.) in ms

Fokussierte intra-individuelle

Std. RZ (Std.) in ms

Anzahl Fokussierte

Auslasser (Std.)

Anzahl Fokussierte False

Alarm (Std.)

1753 (453)

635 (302)

1.4 (1.4)

0.5 (1.1)

1912 (487)

819 (362)

3.4 (3.0)

1.5 (2.1)

*

*

issing

fehler für diezeit, Std

ed,

en der Variablen der

t(df) bzw. Z p

t(84)= 1.57

t(84)= 2.55

Z= -3.72

Z= -3.08

p= 0.12

p= 0.013

p< 0.001

p< 0.002

34

Page 39: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

Nach Alpha- Korrektur ergaben sich im Bereich der Aufmerksamkeitsselektivität

tendenzielle Gruppenunterschiede für die intraindividuelle Standardabweichung der

RT (Fokussierte RZ: t(84)= 2.55, p = 0.013) und deutliche Unterschiede für die

Anzahl der Auslassungen (t(84)= 14.53, p < 0.001) und Fehler (Fokussierte false

alarm: Z= -3.08, p < 0.001), wobei die ADHD Gruppe in allen Variablen schlechtere

Leistungen erzielte. Beide Gruppen reagierten vergleichbar schnell (siehe Tabelle

2.1.3. und Abbildung 2.1.2.).

0

1

2

3

4

5

FA false alarm FA missing

Anz

ahl F

ehle

r

ADHD Kontrolle

0

500

1000

1500

2000

FA RT FA std

RZ

[ms]

ADHD Kontrolle

*

SELEKTIVIT ÄT

Abbildung 2.1.2. Gruppenmittelwerte und Standardfehler für dieVariablen der Aufmerksamkeitsselektivität; RT Reaktionszeit, StdStandardabweichung, FA Fokussierte Aufmerksamkeit

35

Page 40: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

Exekutive Funktionen:

Tabelle 2.1.4. Gruppenmittelwerte (Std.) der Variablen der exekutiven Funktionen

Kontrollen

n= 43

ADHD

n= 43

t(df) bzw. Z p

GoNogo RZ (Std.) in ms

GoNogo intra-individuelle

Std. RZ (Std.) in ms

Anzahl GoNogo Auslasser

(Std.)

Anzahl GoNogo False

Alarm (Std.)

678 (165)

144 (65)

0.6 (0.9)

1.4 (1.5)

714 (135)

226 (96)

2.1 (3.1)

8.6 (8.9)

t(84)= 1.09

Z= -4.34

Z= -2.29

Z= -4.46

p= 0.28

p< 0.001

p= 0.022

p< 0.001

0

200

400

600

800

GO

RZ

[ms]

0

2

4

6

8

10

GO fals

Anz

ahl F

ehle

r

ADHD KontrolleEXEKUTIVE

FUNKTIONEN

*

RT GO std

ADHD Kontrolle

e alarm GO missing

*

Abbildung 2.1.3 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für dieVariablen des exekutiven Aufmerksamkeitssystems, RTReaktionszeit, Std Standardabweichung

36

Page 41: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

In der Go-Nogo Aufgabe schwankte die RZ der ADHD Kinder mehr als die der

Kontrollpersonen (t(73.9)= 4.61, p< 0.001), und sie ließen im Trend mehr Reaktionen

aus (Z= -2.29, p= 0.022) und machten mehr Fehler (false alarrm: Z= -4.46, p <

0.001).

Diskiminanzanalyse:

Eine Diskriminanzanalyse, die die 14 abhängigen Variablen gleichzeitig betrachtete,

ergab die in Abbildung 2.1.4 dargestellten Diskriminanzfunktionsverteilungen. Beide

Verteilungen unterschieden sich signifikant (Wilk’s Lambda(14)= 0.48, p< 0.001). Es

ergaben sich ein Eigenwert von 1.08 und einer kanonische Korrelation von 0.72.

Tabelle 2.1.5 zeigt eine richtige Gruppenzuordnung von 91%.

adhd Kontrollen

-3 -2 -1 0 1 2 30%

10%

20%

30%

Perc

ent

-3 -2 -1 0 1 2 3

T

O

O

Abbildung 2.1.4 Kanonische Diskriminanzfunktionsverteilungen für die ADHD undfür die Kontrollgruppe. Der Mittelwert der ADHD Gruppe lag bei -1.02 (Std. 0.65),der Mittelwert der Kontrollgruppe war 1.05 (Std. 1.26)

abelle 2.1.5. Gruppenklassifikation durch die Diskriminanzanalyse

Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit

ADHD Kontrollen

riginal Anzahl ADHD

Kontrollen

36 7

1 42

riginal Prozent ADHD

Kontrollen

83.7 16.3

2.3 97.7

37

Page 42: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

Zusammenfassend ergaben sich Unterschiede zwischen ADHD und Kontrollkindern

in allen Aufmerksamkeitsbereichen: während beide Gruppen gleich schnell

reagierten, schwankten die Reaktionsgeschwindigkeiten der ADHD Patienten zum

Teil mehr, und die Anzahl an Auslassungen und Fehler war bei ihnen in allen

Aufgaben höher. Eine Diskriminanzanalyse war in der Lage, anhand der abhängigen

Variablen mit 91%iger Treffsicherheit eine Gruppenzuordnung vorzunehmen.

Spezifische Diskussion

Die ADHD Gruppe wies im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe Defizite in allen

untersuchten Aufmerksamkeitsbereichen auf. Weiter konnte anhand der Leistungen

in den ausgewählten Untersuchungsparadigmen eine zuverlässige Gruppenzuteilung

vorgenommen werden.

In Übereinstimmung mit Befunden bei ADHD Vor- und Grundschülern fanden sich

somit Auffälligkeiten im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität und bei

kontrollierenden Aufmerksamkeitsfunktionen (DeWolfe et al., 1999; Byrne et al.,

1998; Harper und Ottinger, 1992; Konrad et al., 2001). Entgegen unserer

Erwartungen aber in Übereinstimmung mit Befunden zu Grundschulkindern mit

ADHD aus anderen Arbeitsgruppen (Novak et al., 1995; De Sonneville et al., 1994)

zeigte unsere Vorschul- ADHD Gruppe auch unterdurchschnittliche Leistungen in der

Aufmerksamkeitsselektivität. Auf Variablen- Ebene waren v.a. die intraindividuelle

Standardabweichung der Reaktionszeiten und die Anzahl der Fehler bei den ADHD

Vorschülern erhöht, während sich beide Gruppen in keiner der vier Aufgaben in ihrer

Reaktionsgeschwindigkeit unterschieden.

Zunächst sollen unsere Befunde vor dem Hintergrund der in Kapitel 1.5

beschriebenen Modellannahmen diskutiert werden. Anschließend soll das im

gleichen Abschnitt beschriebene Konzept der Endophänotypen zu unseren

Ergebnissen in Bezug gesetzt werden.

In Kapitel 1.5 wurde beschrieben, dass sich Unterschiede zwischen ADHD und

Kontrollprobanden im Aufmerksamkeitsverschiebungs- oder Selektivitätsnetzwerk

v.a. dann zeigen, wenn eine Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem

irrelevanten Reiz notwendig ist (Epstein et al., 1997; Swanson et al., 1991; Wood et

al., 1999). In unserer Aufgabe zur Aufmerksamkeitsselektivität mussten die Kinder

auf die Kombination aus einem Zielreiz und zwei Zielpositionen reagieren. Eine

38

Page 43: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

richtige Antwort beinhaltete somit eine Entscheidung über Zielreiz vs. Nicht- Zielreiz

und darüber, ob ein möglicher Zielreiz an einer von zwei Zielpositionen präsentiert

wurde (Fokussierte Aufmerksamkeitsaufgabe; DeSonneville, 2001). Somit musste

der Aufmerksamkeitsfokus vom Zielreiz an einer Nicht-Zielposition bzw. von einem

Nicht- Zielreiz an der Zielposition abgewendet werden. Denkbar wäre, dass die

ausgewählte Aufgabe die Disengage- Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung sensitiver misst bzw. mehr durch diesen

Aufmerksamkeitsaspekt beeinflusst wird als erwartet und dass der

Gruppenunterschied zwischen ADHD und Kontrollkindern hieraus resultiert. Weiter

ist bekannt, dass sich dieser Aspekt des Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerks

auch bei gesunden Kindern noch nach dem Vorschulalter weiterentwickelt (Akhtar

und Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson, 2000). Der Befund,

dass sich ältere ADHD Kinder in einer Aufgabe zur fokussierten Aufmerksamkeit

nicht von gesunden Probanden unterschieden (Sergeant und van der Meere, 1990),

hatte zu der eingangs aufgestellten Hypothese vergleichbarer Leistungen in den

Aufgaben zur Aufmerksamkeitsselektivität geführt. Möglicherweise hat eine

Interaktion aus normaler Entwicklung und Störung einzelner Komponenten der

Aufmerksamkeitsselektivität in unserer Studie dazu beigetragen, die Unterschiede

zwischen ADHD und Kontroll- Vorschülern in diesem Aufmerksamkeitsbereich zu

vergrößern. In einer Studie, in der wir die Leistung in neuropsychologischen

Testbatterien zwischen Vor- und Grundschülern untereinander und mit großen

Normstichproben verglichen, fanden wir, dass sich die Defizite in den einzelnen

Aufmerksamkeitsnetzwerken über die Altersgruppen unterschiedlich verteilten und

interpretierten dies im Sinne einer Interaktion zwischen gesunden

Hinreifungsprozessen und altersbedingten Veränderungen der Störung (Hanisch et

al., 2004).

Unterschiede im Arbeitsverhalten zwischen ADHD und Kontrollkindern wurden häufig

losgelöst von den untersuchten Aufmerksamkeitskomponenten beschrieben, wobei

eine erhöhte intraindividuelle Variabilität der Reaktionslatenz und ein hohes Maß an

Auslassungen typisch für ADHD Probanden zu sein scheint und im Sinne häufig

auftretender kurzer Unaufmerksamkeitsphasen interpretiert wurde (Kuntsi et al.,

2001; Carlson und Mann, 2002; Douglas, 1999). In Kapitel 1.5 wurde erwähnt, dass

einige Autoren vorschlagen, die Gruppe der ADHD Patienten aufgrund der

individuellen Symptomatik und daraus abzuleitenden ätiologischen Aspekten in

39

Page 44: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.1

Untergruppen zu unterteilen (Endophänotypen). Castellanos und Tannock (2002)

postulieren einen ADHD Endophänotypus, der sich durch ein Defizit in der

Zeitverarbeitung auszeichnet. Neuroanatomisch bringen sie dieses Defizit mit

cerebellären Auffälligkeiten in Verbindung. Für eine Störung in der Zeitverarbeitung

sprechen aus der klinischen Perspektive die für ADHD Patienten charakteristischen

kurzen Unaufmerksamkeitsphasen (lapses of attention; WHO, 1994) und aus

neuropsychologischer Perspektive die hohe intraindividuelle Variabilität der

Reaktionszeiten (Kuntsi et al., 2001; Douglas, 1999) und eine Störung der

Zeitwahrnehmung oder der Diskrimination und Reproduktion von Zeitintervallen

(Barkley et al., 1997; Smith et al., 2002). Bezogen auf unsere Befunde könnte dies

bedeuten, dass wir entweder besonders viele Kinder dieses ADHD Endophänotyps

untersucht haben oder dass dieser unter ADHD Vorschülern sehr häufig ist und sich

so die Gruppenunterschiede in der intraindividuellen Reaktionsvariabilität und in der

Zahl ausgelassener Reaktionen erklären ließen.

Die erhöhte Fehlerzahl in der ADHD Gruppe in allen Aufgaben und besonders in der

Go-Nogo Aufgabe steht in Übereinstimmung mit den Befunden bei ADHD

Grundschülern, die hohe Fehlerzahlen als Indikator für eine hohe kognitive

Impulsivität interpretieren (Konrad et al., 2000).

Ziel der Studie war, die Leistung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke bei ADHD

Vorschülern im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen zu untersuchen. Wie Tabelle

2.1.1 zeigt, handelt es sich bei unserer ADHD Gruppe um eine stark beeinträchtigte

Gruppe, da ein hoher Prozentsatz neben der ADHD Diagnose weitere kinder- und

jugendpsychiatrische Diagnosen erfüllt. Somit ist fraglich, inwieweit das Ergebnis

einer eher generellen Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsleistung als einer

Störung spezifischer Aufmerksamkeitsaspekte auf eine weniger kranke ADHD

Gruppe generalisierbar ist. Dieses Problem ist aufgrund der Richtlinie, die Diagnose

erst mit Schuleintritt zu vergeben, schwer zu umgehen, da die Kinder, die bereits vor

der Einschulung diagnostiziert werden, wahrscheinlich immer eine schwer

beeinträchtigte Subgruppe darstellen.

Weitere Kritikpunkte, die den Diagnoseprozess und die Untersuchungsparadigmen

betreffen, werden in der Diskussion zu Studie 2 erläutert.

40

Page 45: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

2.2 Der Einfluss von Methylphenidat (MPH) auf die Leistung in neuropsychologischen Testbatterien bei Vorschülern mit ADHD

Spezifische Einleitung

Die Verschreibung von Methylphendiat (MPH) hat sich bei Vorschülern mit ADHD in

den letzten zwei Jahrzehnten verdreifacht (Connor, 2002). Bisher existieren

allerdings lediglich neun kontrollierte Studien zu MPH Effekten bei Vorschulpatienten

mit ADHD (Wilens und Spencer, 2000 für eine Übersicht). Positive

Medikationseffekte lassen sich trotz einer höheren Variabilität bei der

Stimulanzienantwort auch bei ADHD Vorschülern auf der Verhaltensebene finden

(Short et al., 2004; Connor, 2002; Efron et al., 2000; Byrne at al., 1998; Handen et

al., 1999; Barkley, 1988). In einem Papier– und Bleistift- Aufmerksamkeitstest fand

sich weder für eine hohe noch für eine niedrige MPH Dosis ein positiver Effekt

(Musten et al., 1997). MPH bedingte Leistungsverbesserungen konnten allerdings in

einem visuellen und auditiven Vigilanztest gefunden werden (Musten et al., 1997;

Byrne et al., 1998).

Studien, in denen der Einfluss verschiedener MPH Dosierungen auf unterschiedliche

Aufmerksamkeitsaspekte bei Grundschülern mit ADHD untersucht wird (Tannock et

al., 1995; Tannock et al, 1989; Konrad et al., 2004), berichten unterschiedliche

Dosis- Wirkungszusammenhänge für die einzelnen Aufmerksamkeitsfunktionen

(siehe Kapitel 1.6) untereinander und für auf der Verhaltensebene beobachtete

Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität (Schachar und Tannock, 1993, für

eine Übersicht). Zusammenfassend scheint ein linearer Dosis-

Wirkungsszusammenhang für MPH und die Aufmerksamkeitsintensität und für

Verhaltensvariablen zu gelten (Schachar und Tannoch, 1993; Konrad et al., 2004),

während sich die kontrollierende Aufmerksamkeit am deutlichsten unter eher

niedrigen MPH Dosierungen verbessert (Tannock et al., 1995). Die Autoren erklären

dies dadurch, dass MPH die beteiligten Transmittersysteme an unterschiedlichen

Orten des Gehirns differentiell beeinflusst. Wie bereits erläutert scheint MPH v.a. auf

das noradrenerge und dopaminerge System einzuwirken.

Weiter wurde in Kapitel 1.3 die Hypothese aufgestellt, dass Noradrenalin im

Aufmerksamkeitsintensitätsnetzwerk und Dopamin bei kontrollierenden

41

Page 46: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

Aufmerksamkeitsfunktionen von entscheidender Rolle sind. Die folgende

Untersuchung sollte nun klären, ob sich bei ADHD Vorschülern ein positiver MPH

Effekt auf die Leistungen in einer neuropsychologischen Testbatterie zeigt und, wenn

ja, ob dieser Medikationseffekt für die drei Aufmerksamkeitsbereiche unterschiedlich

ausfällt.

Wir gehen in Übereinstimmung mit den berichteten Befunden zu Vor- und

Grundschülern mit ADHD und zu der Annahme über die beteiligten

Transmittersysteme davon aus, dass MPH die Aufmerksamkeitsintensität und

kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen beeinflusst. Die

Aufmerksamkeitsselektivität sollte der oben ausgeführten Argumentation folgend von

MPH wenig verändert werden.

Material und Methoden

Probanden und Einschlusskriterien:

Zweiundzwanzig ADHD Patienten aus der zuvor berichteten Studie nahmen an zwei

Testungen teil. Für die Kinder, die zweimal getestet wurden, war die Studie als

doppelt-blinde Placebo- kontrollierte Medikationsstudie konzipiert. Die Kinder

bekamen eine Stunde vor der Testung entweder ihre Morgenmedikation oder ein

Placebo. Medikation und Placebo (Laktose) wurde doppelt- blind in identischen

weißen Gelatine Kapseln verabreicht. Wurden die Kinder unter Placebo getestet,

lagen zwischen der letzten Medikationsgabe und der Testung mindestens 15

Stunden, was bei einer Halbwertszeit von 2.5 Stunden der Empfehlung einer 5fachen

Halbwertszeit als „Wash-Out“ Zeit entspricht (Rapport und Denney, 1997). Die

mittlere Dosis (mit Standardabweichungen in Klammern) war 6.4 (± 1.7) mg. Die

Dosis wurde an das Körpergewicht mit 0.25 bis 0.3 mg/kg Körpergewicht angepasst,

obwohl es keine Evidenz dafür gibt, dass das Körpergewicht Hinweise auf die MPH

Wirksamkeit gibt (Rapport und Denney, 1997). Die ADHD Symptome wurden auf der

Verhaltensebene durch MPH reduziert (paariger t-Test, t(32)= 2.46, p< 0.04). Die

Reihenfolge der Testungen mit Placebo und MPH wurde über die Personen

ausbalanciert. Parallelversionen aller Aufmerksamkeitstests wurden verwandt, um

Lerneffekte zu minimieren.

42

Page 47: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

Die neuropsychologische Testprozedur und die abhängigen Variablen wurden in

Kapitel 2.1 bereits beschrieben.

Statistische Analysen:

Da 3 der 14 Variablen weder normalverteilt noch zwischen den Messzeitpunkten

varianzhomogen waren und somit die Vorraussetzungen für einen paarigen- t-Test

nicht gegeben waren (Havlicek und Petersen, 1974), wurden für Sustained missings,

Sustained false alarms und Fokussierte Reaktionszeit zum Vergleich zwischen

Placebo und MPH Wilcoxon- Vorzeichen-Rang-Tests verwendet. Medikationseffekte

auf die übrigen 11 Variablen wurden über paarige t-Tests geprüft, wobei α aufgrund

multiplen Testens auf 0.004 adjustiert wurde. Zwei Stichproben t-Tests wurden

schließlich zum Vergleich zwischen medizierten und MPH- naiven ADHD Kindern

verwendet. Um die Komplexität der Grafiken zu reduzieren, werden die Variablen

dargestellt, die sich in den Netzwerken am deutlichen zwischen Placebo und MPH

Testung unterschieden.

Ergebnisse

Intensität:

Tabellen 2.2.1 bis 2.2.3. zeigen Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen für

alle untersuchten Variablen für die Testung ohne und mit MPH aufgeteilt nach den

drei Aufmerksamkeitssystemen. Die Variablen, die sich am deutlichen zwischen den

Messungen unterschieden, sind außerdem graphisch dargestellt.

Tabelle 2.2.1. Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen der Variablen der Aufmerksamkeitsintensität für beide Messungen

ADHD ohne

MPH n=22

ADHD mit

MPH n=22

t(df) bzw. Z p

Baseline Speed RZ (Std.) in

ms

Baseline Speed intra-

individuelle Std. RZ in ms

Sustained RZ (Std.) in ms

Sustained intraindividuelle

537 (130)

233 (152)

1288 (386)

666 (373)

495 (129)

203 (136)

1173 (297)

488 (320)

t(21)= 2.25

t(21)= 1.01

t(21)= 1.74

t(21)= 2.20

p= 0.036

p= 0.321

p= 0.097

p= 0.04

43

Page 48: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

Std. RZ (Std.) in ms

Anzahl Sustained Auslasser

(Std.)

Anzahl Sustained False

Alarm (Std.)

11.1 (10.2)

16.5 (14.9)

5.2 (4.7)

6.2 (6.0)

Z= -2.61

Z= -2.64

p< 0.004

p= 0.008

Abbildung 2.2.1 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für beide Untersuchungsbe-dingungen (ohne/ mit MPH) für die Aufmerk-samkeitsintensität (BS intraindividuelle Stan-dardabweichung RZ, SA Auslasser und false alarm) * signifikanter Gruppen-unterschied (αadjustiert < 0.004) 100

200

300

ohne MPH mit MPH

std

RT [m

s]

0

5

10

15

20

Fehl

erza

hl

BS std SA Auslasser SA False Alarm

*

Selektivität:

Tabelle 2.2.2 Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen der Variablen der Aufmerksamkeitsselektivität für beide Messungen

ADHD ohne

MPH n=22

ADHD mit

MPH n=22

t(df) bzw. Z p

Fokussierte RZ (Std.) in ms

Fokussierte intra-individuelle

Std. RZ (Std.) in ms

Anzahl Fokussierte Auslasser

(Std.)

Anzahl Fokussierte Fehler

(Std.)

1908 (542)

807 (371)

2.9 (3.1)

1.1 (1.6)

1578 (352)

567 (297)

2.4 (3.7)

0.7 (0.9)

Z= -1.98

t(21)= 2.33

t(21)= 0.53

t(21)= 0.99

p= 0.048

p= 0.03

p= 0.604

p= 0.334

44

Page 49: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

0

1000

2000

3000

mit MPH mit MPH

RT

[ms]

0

1

2

Fehl

erza

hl

FA std FA RT FA False Alarm

Abbildung 2.2.2 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für beide Untersuchungs-bedingungen (ohne/ mit MPH) für die Aufmerksamkeits-selektivität (FA intraindividuelle Standardabweichung RZ, MS intraindividuelle Standardabweichung RZ, FA false alarms)

Exekutive Funktionen:

Tabelle 2.2.3. Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen der Variablen der exekutiven Funktionen für beide Messungen

ADHD ohne

MPH n=22

ADHD mit

MPH n=22

t(df) p

Go-Nogo RZ (Std.) in

ms

Go-Nogo intra-

individuelle Std. RZ

(Std.) in ms

Anzahl Go-Nogo

Auslasser (Std.)

Anzahl Go-Nogo

Fehler (Std.)

697 (125)

238 (83)

2.3 (2.7)

9.6 (9.7)

647 (105)

176 (78)

2.0 (4.3)

8.0 (9.6)

t(21)=2.41

t(21)= 3.37

t(21)= 0.25

t(21)= 1.02

p= 0.025

p< 0.003

p= 0.802

p= 0.320

45

Page 50: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

150

250

350

ohne MPH mit MPH

std

RT

[ms]

0

4

8

12

Fehl

erza

hl

GO std GO False Alarm GO Auslasser

Abbildung 2.2.3Gruppenmittelwerte und Standardfehler für beide Untersuchungs-bedingungen (ohne/ mit MPH) für exekutive Funktionen (GO intra-individuelle Standard-abweichung RZ, False Alarms, Auslasser) * signifikanter Gruppen-unterschied (αadjustiert < 0.004)

*

Die paarigen t-Tests erbrachten signifikante Medikationseffekte für die intra-

individuellen Standardabweichungen der Reaktionslatenzen in der Go-Nogo Aufgabe

und für die Anzahl an Auslassungen in der Daueraufmerksamkeitsaufgabe. In der

Daueraufmerksamkeitsaufgabe ließen die Probanden unter MPH deutlich weniger

Reaktionen aus (Z= -2.61, p< 0.004). In der Go-Nogo Aufgabe was die

intraindividuelle Standardabweichung der RZ unter MPH kleiner (t(21)= 3.37, p<

0.003). Tendenzielle Verbesserungen ergaben sich unter MPH für beide weiteren

intraindividuellen Standardabweichungen der RZ, für die RZ in der Baseline Speed,

in der fokussierten Aufmerksamkeits- und in der Go-Nogo Aufgabe und für die

Anzahl an Auslassungen in der Daueraufmerksamkeitsaufgabe. Diese Vergleiche

verfehlten allerdings nach Alpha- Adjustierung die Signifikanzgrenze (siehe Tabellen

2.2.1- 2.2.3).

Spezifische Diskussion

In Übereinstimmung mit der Literatur zu medikationsbedingten

Leistungsverbesserungen in neuropsychologischen Tesbatterien bei Grund- (van der

Meere, 1995; Tannock et al., 1995; Konrad et al., 2004) und Vorschülern mit ADHD

(Byrne et al., 1998; Musten et al., 1997), fanden wir einen positiven Effekt von

Methylphenidat (MPH) auf die Aufmerksamkeitsleistung von ADHD Vorschülern.

MPH verringerte die Anzahl von Fehlern und Auslassungen in der

Daueraufmerksamkeitsaufgabe deutlich und führte zu einer Verkleinerung der intra-

46

Page 51: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

individuellen Variabilität der Reaktionslatenz in der Go-Nogo Aufgabe. Unsere

eingangs geäußerten Hypothesen medikationsbedingter Verbesserungen der

Aufmerksamkeitsintensität und kontrollierender Aufmerksamkeitsfunktionen konnten

somit gestützt werden.

In Übereinstimmung mit unseren Ergebnissen fanden auch Byrne und Mitarbeiter

(1998) eine Verringerung von Auslassungen und Fehlern in einer visuellen

Vigilanzaufgabe bei Vorschülern mit ADHD. Auch bei ADHD Grundschülern

verbessert sich die Daueraufmerksamkeitsleistung durch MPH (DeSonneville et al.,

1994; van der Meere et al., 1995). Unabhängig von der Aufgabe scheint die intra-

individuelle Standardabweichung der Reaktionslatenz bei ADHD Grundschülern ein

Parameter zu sein, der deutlich von MPH beeinflusst wird (Kuntsi et al., 2001). Unser

Ergebnis einer Verringerung der Reaktionsvariabilität in der Go-Nogo Aufgabe

entspricht dieser Annahme. Ähnlich wie andere Autoren haben wir in unserer

Vorschulstichprobe keine Medikationseffekte auf die Variablen der

Aufmerksamkeitsselektivität gefunden (DeSonneville, 1994). Es muss allerdings

kritisch angemerkt werden, dass unsere kleine Stichprobe hier ein Problem für die

statistische Power dargestellt haben könnte, da keine sehr großen Effekte erwartet

wurden.

Unsere ADHD Kinder wurden im Gruppenmittel unter einer MPH Dosis von 0.25- 0.3

mg MPH/kg Körpergewicht untersucht. Studien, die sich mit Dosis-

Wirkungszusammenhängen von MPH und Aufmerksamkeitsfunktionen bei

Grundschulkindern mit ADHD beschäftigen, haben dies als niedrigste MPH Dosis

verwendet (Tannock et al., 1989; Tannock et al., 1995; Konrad et al., 2004) und

haben einen linearen Zusammenhang zwischen Dosieung und Leistungen auf der

Verhaltensebene und bzgl. der Aufmerksamkeitsintensität gefunden. Höhere

Aufmerksamkeitsfunktionen wurden in diesen Studien über Aufgaben zur kognitiven

Flexibilität überprüft, und eine niedrige MPH Dosis schien deutlich positive Effekte

auf diese Variablen zu haben. Höhere Dosen führten zu einer Leistungsabnahme im

Vergleich zur niedrigen Dosis (Tannock et al., 1995; Konrad et al., 2004). Der MPH

Effekt auf höhere Aufmerksamkeitsfunktionen in unserer Studie war trotz einer

vergleichbar hohen Stichprobengröße wie in den beiden Studien von Tannock und

Mitarbeitern weniger deutlich. Dies könnte zum einen mit der Wahl der Aufgaben zur

exekutiven Kontrolle zusammenhängen: Unsere Go-Nogo Aufgabe verlangte eine

Reaktion auf einen Zielreiz und keine Reaktion auf Nicht- Zielreize. Bei Nicht-

47

Page 52: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

Zielreizen musste somit lediglich eine Reaktion inhibiert werden, während Aufgaben

zur kognitiven Flexibilität wie sie in den zitierten Arbeiten verwendet wurden, sowohl

eine Inhibition einer nahe liegenden oder einer bereits begonnenen Reaktion und die

Ausführung einer alternativen Reaktion beinhalten und somit mehrere Aspekte

kontrollierender Aufmerksamkeitsfunktionen abbilden (Tannock et al., 1995; Konrad

et al., 2004). Studie 1 hat gezeigt, dass unsere ADHD Gruppe im Vergleich zu den

gesunden Kindern Leistungsdefizite in der Go-Nogo Aufgabe aufwies,

möglicherweise bildet diese Aufgabe aber dennoch Inhibition weniger gut ab als die

zuvor beschriebenen Aufgaben zur kognitiven Flexibilität. Andererseits haben andere

Studien zur kognitiven Flexibilität negative MPH Effekte gefunden (Peters et al.,

1974; Robbins und Sahakin, 1979; Solanto et al., 1984; Scoufe und Stewart, 1973;

Swanson und Kinsbourne, 1979), so dass den neueren Studien zu MPH und

höheren Aufmerksamkeitsfunktionen widersprüchliche Ergebnisse vorausgingen,

(Rapport und Kelly, 1991), die mit unseren Ergebnissen übereinstimmen.

Bisher hat unseres Wissens nach keine Studie MPH bedingte

Leistungsveränderungen auf kontrollierende oder exekutive

Aufmerksamkeitsfunktionen bei Vorschülern mit ADHD untersucht, so dass

uneinheitliche Ergebnissen möglicherweise auch auf altersbedingte Veränderungen

in der Psychopharmakologie der Erkrankung zurückzuführen sind. Wie in Studie 1

beschrieben wird ein Wechsel im ADHD Phänotyp zwischen Kindheit, Jugend und

Erwachsenenalter mit einer Verschiebung der neuronalen Auffälligkeiten vom

Mittelhirn zu Auffälligkeiten im präfrontalen Kortex in Verbindung gebracht (Ernst et

al., 1998; van Dyck et al., 2002). Denkbar wäre, dass diese Verschiebung der

funktionalen Auffälligkeiten auch mit altersbedingten Unterschieden in der Reaktion

auf MPH einhergeht, wie Studien zur MPH Wirksamkeit bei ADHD Erwachsenen

andeuten (Faraone et al., 2004). Eine Studie zum Vergleich neuropsychologischer

Auffälligkeiten zwischen Vor- und Grundschülern mit ADHD aus unserer

Arbeitsgruppe legt deutliche Unterschiede zwischen beiden Altersgruppen nahe, die

möglicherweise mit neuroanatomischen oder –physiologischen Reifungsprozessen in

Verbindung stehen könnten (Hanisch et al., 2004).

Die vorliegende Studie weist drei Limitierungen auf: Erstens stellen die Kinder, die

bereits im Vorschulalter die Diagnose einer ADHD erfüllen und mit MPH behandelt

werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwerer erkrankte Gruppe dar als später

diagnostizierte Kinder. Obwohl sich in unserer Studie die mit MPH behandelte

48

Page 53: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.2

Gruppe weder auf neuropsychologischer noch auf Verhaltensebene deutlich von der

ohne MPH Medikation unterschied, ist fraglich, ob sich unsere Befunde auf eine

„durchschnittliche“ ADHD Population generalisieren lassen.

Weiter umfassen die gängigen Klassifikationssysteme einige schulspezifische ADHD

Symptome, so dass der Diagnoseprozess im Vorschulalter nicht auf die gleichen

Fragebögen bzw. Grenzwerte zurückgreifen kann wie im Grundschulalter und somit

eine Objektivierung der Diagnose bzw. die Beschreibung der Stichprobe schwieriger

ist. Wie oben bereits erwähnt führt dies wahrscheinlich dazu, dass v.a. die

eindeutigen und somit schwereren Fälle bereits vor Schuleintritt diagnostiziert

werden.

Drittens haben wir zur Überprüfung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke kein

einheitliches Untersuchungsparadigma verwandt, so dass unterschiedliche

Aufgabenkomplexität, Farb- oder Formeffekte die „Reinheit“ der zu testenden

Aufmerksamkeitsaspekte verwischt haben könnten. Z.B. enthalten sowohl die

Daueraufmerksamkeits- als auch die GoNogo Aufgabe Aspekte der

Aufmerksamkeitsselektivität und führen so zu einer Vermischung der Leistungen in

den Aufmerksamkeitsnetzwerken.

49

Page 54: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

2.3 Altersabhängige Leistungsunterschiede in der Attention Network Task (ANT)

Spezifische Einleitung

In Kapitel 1.4 wurden bereits einige Befunde zur gesunden Entwicklung der drei

Aufmerksamkeitsnetzwerke erläutert. Zusammenfassend wurde berichtet, dass sich

Variablen der Aufmerksamkeitsintensität oder –aktivierung über das Grundschulalter

hinweg weiterentwickeln (Smothergrill und Kraut, 1989; Ridderinkhof et al, 1997;

Berger et al., 2000; DeSonneville, 2001; Fimm und Zimmermann, 2000; Schachar

und Logan, 1990; Klein, 2000; Livesey und Morgan, 1991; Bunge et al., 2002),

während Variablen der Aufmerksamkeitsverschiebung weniger altersabhängig zu

sein scheinen (Enns und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson, 2000; Trick und

Enns, 1998; Brodeur und Enns, 1997). Erfordern Aufgaben zur

Aufmerksamkeitsverschiebung allerdings das Loslösen (Disengage) des

Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten Hinweis- oder von einem Nicht-

Zielreiz, so finden sich auch im Grundschulalter Leistungsverbesserungen mit

zunehmendem Alter (DeSonneville, 2001; Fimm und Zimmermann, 2000; Shepp und

Barrett, 1991; Shepp et al., 1987; Akhtar und Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989;

Wainright und Bryson, 2000; Klein und Foerster, 2001). Das exekutive

Aufmerksamkeitssystem scheint das Netzwerk zu sein, das sich zuletzt entwickelt

und bis in die Pubertät stetig weiter differenziert (Tipper et al. 1989; Livesey und

Morgan, 1991; Casey et al. 1997; Carver et al., 2001; Williams et al., 1999).

Die hier verwendete Attention Network Task (ANT) wurde von der Arbeitsgruppe um

Posner entwickelt, um die Leistung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke mit Hilfe

eines einheitlichen Untersuchungsparadigmas abzubilden (Fan et al., 2001). Die

Reaktionszeit (RZ) wird in der ANT über eine Kombination aus verschiedenen

Warnreizbedingungen (Posner, 1980) und einer Flankierungs- Aufgabe manipuliert

(Eriksen und Eriksen, 1974), so dass sie neben Komponenten der

Aufmerksamkeitsaktivierung und räumlichen –ausrichtung einen kognitiven Konflikt

beinhaltet.

Das Modell zur visuell- räumlichen Aufmerksamkeitsausrichtung (Posner und

Petersen, 1990) geht von einer funktionell und neuroanatomisch weitestgehenden

Unabhängigkeit der drei Netzwerke aus. Die ANT konnte diese

50

Page 55: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

Unabhängigkeitsannahme nicht vollends bestätigen: während sich bei Erwachsenen

eine Interaktion zwischen aufmerksamkeitsaktivierendem und kontrollierendem

System zeigte, waren die drei Netzwerke in einer kürzlich veröffentlichten

Entwicklungsstudie unkorreliert (Fan et al., 2002; Rueda et al., 2004). Eine

Retestreliabilitätsmessung ergab die höchste Reliabilität für das Ausmaß des

kognitiven Konflikts und moderate bis eher geringe Retestrelibilitäten für das

Aufmerksamkeitsausrichtungs- und für das Aktivierungsnetzwerk (Fan et al., 2002;

Fan et al., 2001). In Übereinstimmung mit diesen Befunden zeigte eine

Zwillingsstudie zur ANT eine hohe Heritabilität für das Konfliktsystem, eine weniger

hohe für das Aktivierungs- und keine für das Aufmerksamkeitsausrichtungsnetzwerk

(Fan et al., 2001).

Ziel der vorliegenden Entwicklungsstudie war, die Altersabhängigkeit der Leistungen

in den drei Aufmerksamkeitsnetzwerken im Grundschulalter anhand der ANT zu

überprüfen und so eine eigene Normstichprobe für einen Vergleich zwischen

Gesunden und ADHD Patienten zu rekrutieren. Die Arbeitsgruppe um Fan und

Posner hat kürzlich eine Entwicklungsstudie zur ANT veröffentlicht (Rueda et al.,

2004). Die Daten sprechen für ähnliche Leistungen des orient- Systems zwischen 6-

Jährigen und Erwachsenen und für Unterschiede zwischen Kindern und

Erwachsenen in den anderen beiden Netzwerken. In Übereinstimmung mit diesen

Befunden und mit den oben beschriebenen Entwicklungsdaten aus anderen

Untersuchungsparadigmen gehen wir von deutlichen Alterseffekten auf die

exekutiven Funktionen und auf die Aufmerksamkeitsaktivierung aus. Wir erwarten,

dass sich die jüngeren Kinder stärker durch inkongruente Flankierungs- Reize

ablenken lassen als Ältere, und dass die jüngere Stichprobe weniger von einem

aufmerksamkeitsaktivierenden Warnstimulus profitiert. Da die ANT keine invaliden

räumlichen Hinweisreize und somit keine Disengage- Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung enthält, erwarteten wir keine altersabhängigen

Veränderungen im Aufmerksamkeitsausrichtungsnetzwerk. Da zur Stützung dieser

Hypothese aus methodischen Erwägungen eine deutliche größere Stichprobe nötig

wäre als verfügbar (Bortz, 1989), gehen wir somit davon aus, über die

Altersentwicklung dieses Aufmerksamkeitsaspekts anhand der ANT keine eindeutige

Aussage machen zu können.

51

Page 56: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

Material und Methoden

Attention Network Task:

+ + * * +

+400- 1600 ms

150 ms Warnreiz

400 ms

RZ< 1700 ms Zielreiz

neutral kongruent inkongruent

+ * * + *

* +

+ *

Kein Cue Zentraler Cue Doppelter Cue

Räumlicher Cue

Zielreiz

Warnreiz

Abbildung 2.3.1 Zeitlicher Ablauf der Warn- und Zielreizbedingungen in der ANT

Probanden und Einschlusskriterien:

Es wurden 35 gesunde Kinder (15 Mädchen und 20 Jungen) im Alter von 5.0 bis 10.5

Jahren untersucht. Das mittlere Alter betrug 8.3 (± 1.6) Jahre. Ein Gruppenvergleich

wurde angestellt über eine Gruppe 5-6 jährige Kinder (n= 7, mittleres Alter 5.83 ±

0.86), eine Gruppe 7-8 Jährige (n= 15, mittleres Alter 8.15 ± 0.48) und eine Gruppe

9-10 Jähriger (n= 13, mittleres Alter 9.89 ± 0.57). Keines der Kinder hatte

Aufmerksamkeitsprobleme oder andere neuropsychiatrische Auffälligkeiten in der

Vorgeschichte. Die deutsche Fassung der Child Behavior Check List (CBCL;

52

Page 57: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

Arbeitsgruppe deutsche Child Behavior Check List, 1998) wurde von den Eltern

ausgefüllt und dokumentierte durchschnittliche Werte auf der Skala

„Aufmerksamkeitsstörung“ für alle untersuchten Kinder. Eltern und Kinder gaben ihr

schriftliches Einverständnis, und die Studie war durch die Ethik- Kommission des

Universitätsklinikums Aachen genehmigt.

Die Kinder wurden vormittags einzeln im Kindergarten bzw. in der Schule untersucht.

Die Aufgabe wurde über einen 14 Zoll Laptop Monitor präsentiert und umfasste wie

in Abbildung 2.3.1 dargestellt vier Warnreize (kein, einzelner zentraler, einzelner

räumlicher und zweifacher Warnreiz) und drei Zielreizbedingungen (neutral,

kongruent, inkongruent). Nach einem variablen Intervall von 400 -1600 ms erschien

für 100 ms ein Warnreiz. Nach 400 ms wurde in 1.06° Sehwinkel ober- oder

unterhalb eines zentralen Fixationskreuzes entweder ein einzelner Fisch (neutrale

Zielreizbedingung) oder fünf Fische präsentiert, die entweder alle in die gleiche

(kongruente Zielreizbedingung) oder aber in unterschiedliche (inkongruente

Zielreizbedingung) Richtungen schwammen. Jeder Fisch hatte eine Größe von ca.

1.6° Sehwinkel. Aufgabe war, so richtig und schnell wir möglich über die Tasten einer

konventionellen Computermaus die Schwimmrichtung des zentralen Fisches

anzugeben. Hierbei sollte das Kreuz in der Bildschirmmitte fixiert werden. Einem

Übungsblock mit 24 Durchgängen folgten drei Experimentalblöcke mit jeweils 48

Durchgängen. Richtige Reaktionen wurden über eine Rückmeldung (Zielfisch öffnet

und schließt das Maul und es erklingt ein bestätigender Ton) belohnt.

Abhängige Variablen:

Die Reaktionslatenz und Fehlerzahl wurden für jede der Versuchsbedingungen

ermittelt. Die Funktionsweise der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke wurde über die

Subtraktion von Reaktionslatenzen der jeweiligen Warn- bzw. Zielreizbedingungen

ermittelt. Das Maß für den individuellen kognitiven Konflikt wurde über die

Reaktionslatenz in inkongruenten minus der Reaktionslatenz in kongruenten

Durchgängen ermittelt. Der Effekt der Aufmerksamkeitsaktivierung (alert Effekt)

berechnete sich aus den Reaktionszeiten der Durchgänge ohne bzw. mit einem

zentralen Warnreiz. Das Aufmerksamkeitsausrichtungssystem (orient Effekt) wurde

über den Differenzwert der Reaktionslatenzen zwischen doppeltem und räumlichem

Warnreiz errechnet (Fan et al., 2001).

53

Page 58: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

Die intraindividuelle Standardabweichung der RZ über alle Versuchsdurchgänge

beinhaltet hier sowohl die „tatsächliche“ individuelle RZ Variabilität als auch eine RZ

Variabilität, die durch die Warn- und Zielreizbedingungen verursacht ist. Wenn nun

davon ausgegangen wird, dass sich zum einen die Warn- und Zielreizbedingungen

altersabhängig auf die RTs auswirken und dass zum anderen die Größe der intra-

individuelle Standardabweichung der RZ an sich altersabhängig ist (siehe Kapitel

1.4), ist die Betrachtung dieser Variablen aufgrund der Konfundierung bzw.

möglichen Interaktion beider Teilaspekte nicht sinnvoll.

Statistische Auswertung:

Haupteffekte von Hinweisreiz, Zielreiz und Alter auf die Reaktionszeiten wurden mit

Hilfe einer drei- faktoriellen- Messwiederholungs- Varianzanalyse überprüft, wobei

Hinweis- und Zielreiz Inner-Subjekt- Faktoren und Alter einen Zwischen- Subjekt-

Faktor darstellte. Um den Effekt des Alters auf die abhängigen Variablen zu ermitteln,

wurden einseitige bivariate Korrelationsanalysen gerechnet. Es wurden

Reaktionslatenz, Fehlerrate und die Kennwerte der drei Aufmerksamkeitssysteme mit

dem Alter in Zusammenhang gesetzt und das Alphaniveau aufgrund multiplen

Testens auf 0.01 korrigiert. Einfaktorielle Varianzanalysen wurden zum Vergleich der

Reaktionszeitwerte zwischen den Altersgruppen herangezogen. Da die Prozent

Fehler weder normalverteilt noch zwischen den Gruppen varianzhomogen waren,

wurde hier zum Gruppenvergleich ein Chiquadrat Test verwendet.

Ergebnisse

Haupteffekte auf die Reaktionszeiten wurden für die Hinweis- (F(3,30)= 23.57, p<

0.001) und Zielreizbedingungen (F(2,31)= 46.24, p< 0.001) gefunden. Es ergaben

sich keine Interaktionen zwischen beiden Bedingungsvariationen (F(6,27)= 1.36, p=

0.27) und keine Interaktion zwischen Hinweisreiz und Gruppe oder zwischen Zielreiz

und Gruppe (F(6,62)= 0.51, p= 0.8; F(4,64)= 1.40, p= 0.24). Es ergab sich ebenfalls

keine dreifache Wechselwirkung zwischen Hinweis-, Zielreiz und Altersgruppe (F(12,

56)= 1.08, p= 0.40). Die Korrelationsanalysen ergaben einen signifikanten

Alterseffekt für die mittlere Reaktionslatenz und tendenziell bedeutsame

Korrelationen zwischen Alter und der Fehlerzahl und zwischen Alter und dem

Ausmaß des kognitiven Konflikts.

54

Page 59: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

Tabelle 2.3.1. Pearson Korrelationskoeffizienten des Alters und RZ,

Gesamtfehlerzahl und Kennwerte der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke.

RZ Fehler (%) Alert Orient Konflikt

ALTER

r

p

-0.473

0.002 *

-0.354

0.019

-0.065

0.356

-0.021

0.452

-0.279

0.053

* nach α- Adjustierung für multiples Testen signifikant (< 0.01)

Der Vergleich der Altersgruppen ergab keine signifikanten Unterschiede (siehe

Tabelle 2.3.2).

Tabelle 2.3.2. Mittelwerte, Standardfehler und Teststatistik für die Altersgruppen und abhängigen Variablen

5- 6 Jährige

n= 7

7- 8 Jährige

n= 15

9- 10 Jährige

n= 13

Gruppenvergleich

RZ Prozent Fehler Alert Orient Konflikt

881 (42)

4.4 (2.1) 71 (27) 51 (9) 105 (28)

829 (29)

3.5 (1.0)

58 (14)

32 (13)

80 (15)

779 (30)

1.3 (0.3)

55 (9)

49 (12)

67 (10)

F(2,32)= 1.86 p= 0.17

Chi²(2)= 3.6 p= 0.169

F(2,32)= 0.19 p= 0.827

F(2,32)= 0.27 p= 0.769

F(2,32) 0.68 p= 0.512

600

700

800

900

1000

5-6 Jahre 7-8 Jahre 9-10 Jahre

RT

[ms]

0

0,1

0,2

0,3

0,4

Proz

ent F

ehle

r

RT Fehler Abbildung 2.3.2 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für Reaktionslatenzen und Prozent Fehler. Es zeigt sich ein nicht-signifikanter Trend in Richtung schnellerer Reaktionszeiten mit zunehmendem Alter.

55

Page 60: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

Abbildung 2.3.3

0

40

80

120

160

200

5-6 Jahre 7-8 Jahre 9-10 Jahre

RT

Diff

eren

z [m

s]Alert Orient Konflikt Gruppenmittelwerte und

Standardfehler für die Aufmerksamkeitsnetzwerk-

Kennwerte. Es zeigt sich ein nicht-signifikanter Trend in Richtung kleinerer Konfliktwerte mit zu-nehmendem Alter.

Spezifische Diskussion

In der untersuchten Altersspanne zeigte sich eine deutliche Verringerung der

Reaktionszeit mit zunehmendem Alter. Die Gesamtzahl der Fehler und das Ausmaß

des kognitiven Konflikts waren tendenziell vom Alter beeinflusst, wobei jüngere

Kinder mehr Fehler machten und stärker von inkongruenten Zielreizbedingungen

abgelenkt wurden als Ältere. Der Einfluss eines zentralen (alert) oder räumlichen

(orient) Hinweisreizes veränderte sich nicht mit dem Alter.

Wie in Kapitel 1.4 beschrieben kann die Reaktionslatenz als Maß für die

Reaktionsbereitschaft und somit als Indikator für die Leistungen des

Aufmerksamkeitsaktivierungssystems betrachtet werden (Huang- Pollack und Nigg,

2003). Somit sprechen unsere Befunde für eine altersabhängige

Leistungsverbesserung in diesem Teilaspekt der Aufmerksamkeitsintensität.

Entgegen unserer Erwartungen zeigte sich keine Altersabhängigkeit bei der

phasischen Aufmerksamkeitsaktivierung, die über die RZ Differenz zwischen der

Bedingung ohne Hinweisreiz und der mit zentralen Hinweisreiz operationalisiert war

(alert Effekt). In Übereinstimmung mit diesem Befund sind die Ergebnisse zur

altersabhängigen Entwicklung des alert- Effekts nicht eindeutig: wie bereits

beschrieben finden einige Autoren abnehmende Effekte mit zunehmendem Alter,

andere finden gerade den umgekehrten Alterstrend (Rueda et al., 2004; Kraut, 1976;

Smothergrill und Kraut, 1989; Ridderinkhof et al, 1997). Fan berichtet in zwei

Arbeiten von alert- Effekten zwischen 38 ms und 42 ms bei erwachsenen Probanden,

56

Page 61: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

so dass unsere Kinderdaten mit 55 ms bei den Ältesten bis 71 ms bei den Jüngsten

möglicherweise einen unsere Hypothese stützenden leichten Entwicklungstrend

nahe legen. Entsprechend zeigte eine kürzlich erschienene Entwicklungsstudie zur

ANT bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen ebenfalls größere Alert- Effekte

(Rueda et al., 2004). Während sich der Alert- Effekt wenig zwischen 6 und 10 Jahren

zu entwickeln scheint, fanden die Autoren noch eine deutliche Verringerung des

alert- Effekts zwischen 10 Jährigen und Erwachsenen,. Die geringen Unterschiede in

der Aufmerksamkeitsaktivierung zwischen 6 und 10 Jahren steht in Übereinstimmung

mit unseren Ergebnissen. Rueda und Mitarbeiter führen die späte Differenzierung der

Aufmerksamkeitsaktivierung darauf zurück, dass es selbst den 10-Jährigen schwer

fällt, den Aufmerksamkeitsfokus aufrecht zu erhalten, wenn einer Reaktion kein

Hinweisreiz vorausgeht und sie somit im Vergleich zu den Erwachsenen in

Durchgängen ohne Hinweisreiz besonders langsam reagieren (Rueda et al., 2004).

Während gleiche Leistungen im orient- System unsere Erwartung von einem intakten

Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerk bereits bei den Jüngsten bestätigte (Enns

und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson, 1990; Wainright und Bryson, 2000; Rueda

et al., 2004), war die Altersabhängigkeit des kognitiven Konflikts geringer als

gedacht. Zwar machten jüngere Kinder im Trend mehr Fehler und zeigten eine

größere RZ Differenz zwischen kongruenten und inkongruenten Zielreizbedingungen,

nach Alphakorrektur verfehlte dieser Trend allerdings die Signifikanzgrenze. Fan

berichtet in seinen Studien an Erwachsenen von Konfliktwerten zwischen 71- 90 ms

(Fan et al., 2001; Fan et al., 2002). Die Kinder in der vorliegenden Studie erzielten

Werte von 67 ms für die Ältesten bis 105 ms für die Jüngsten, so dass unsere 10-11

Jährigen auf den ersten Blick mit den Erwachsenen vergleichbar scheinen. Die von

Fan berichteten Daten stammen allerdings von einer Erwachsenen Version des ANT,

die anstelle von Fischen deutlich kleinere Pfeile verwendet (Fan et al., 2001; Fan et

al., 2002). Möglicherweise ist durch Größen-, Farb- und Formeffekte das Ausmaß

des Konflikts verändert worden (Ridderinkhof und van der Molen, 1997). Ein weiterer

Unterschied zwischen Erwachsenen und Kinder ANT, der sich möglicherweise

besonders auf den Konfliktwert ausgewirkt haben könnte, ist das visuelle Feedback,

das den Kindern, nicht aber den Erwachsenen gegeben wurde. Das

Belohnungssystem scheint aufgrund mesolimbischer- präfrontaler dopaminerger

Projektionen besonders eng mit dem exekutiven Aufmerksamkeitssystem verbunden

(Schulz et al., 2002). Weiter wurde gezeigt, dass Kinder mit ADHD, bei denen sowohl

57

Page 62: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.3

Auffälligkeiten im Belohnungs- als auch im exekutiven Aufmerksamkeitssystem

gefunden wurden (Castellanos und Tannock, 2002), ihre Leistung durch eine

verhaltenskontingente Belohnung deutlich verbessern (Konrad et al., 2001). Denkbar

wäre somit, dass aufgrund der Belohnung richtiger Reaktionen sich die Konfliktwerte

in der Kindergruppe insgesamt verringert haben und somit nicht deutlich höher sind

als die von Fan und Mitarbeitern bei Erwachsenen erhobenen (2001, 2002). Unsere

Daten stimmen sehr gut mit der Entwicklungsstudie zur ANT aus der Arbeitsgruppe

um Posner überein: hier wurden für die Jüngsten Konfliktwerte von 115 ms und für 9

Jährige von 67 ms berichtet. Deutliche altersbedingte Veränderungen im exekutiven

Aufmerksamkeitsnetzwerk fanden diese Autoren lediglich zwischen 6 und 7 Jahren

(Rueda et al., 2004).

Die 5-jährigen Kinder in unserer Studie machten im Gruppenmittel 6.9 % Fehler,

während die 10-Jährigen 0.9% falscher Reaktionen zeigten. Wenngleich dieser

Unterschied im Gruppenvergleich aufgrund der kleinen Stichprobenzahlen nicht

signifikant wurde (siehe Tabelle 2.3.2), könnten diese Differenz einen Einfluss auf die

RZ Differenzwerte des Konflikts gehabt haben: zur Berechnung der Differenzwerte

wurden lediglich die Durchgänge mit richtigen Reaktionen herangezogen. Die

Durchgänge, in denen der kognitive Konflikt als besonders groß erlebt wurde, wurden

möglicherweise falsch beantwortet und so aus der Berechnung des RZ basierten

Konfliktwertes ausgeschlossen. So könnte die unterschiedliche

Aufgabenschwierigkeit zur Unterschätzung des Konfliktmaßes bei den jüngeren

Kindern und zur Verringerung der Unterschiede zwischen den Altersstufen geführt

haben.

Zusammenfassend verbesserten sich die Reaktionsbereitschaft deutlich und die

Bearbeitung eines kognitiven Konflikts tendenziell im Alter zwischen 5 und 10 Jahren.

In einem nächsten Schritt soll nun die Leistung von ADHD Kindern mit diesem

gesunden Entwicklungsverlauf verglichen werden.

58

Page 63: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

2.4 Attention Network Task (ANT) bei Kindern mit und ohne ADHD

Spezifische Einleitung

In Kapitel 1.5 wurden die Befunde zum neurokognitiven Defizit bei ADHD Kindern

ausführlich beschrieben. Relative Einigkeit herrscht darüber, dass ADHD Probanden

im Vergleich zu Gesunden im Bereich der exekutiven Kontrolle beeinträchtigt sind

(Schachar et al., 2000; Seidman et al., 1995; Seidman et al., 1997; Tannock et al.,

1998). Unklar ist allerdings, ob dieses Defizit allein durch eine Inhibitionsstörung zu

erklären ist, die andere kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen sekundär

beeinträchtigt (Barkley, 1997), oder ob auch andere exekutive Funktionen wie z.B.

die Lösung eines kognitiven Konflikts primär beeinträchtigt sind (Pennington et al.,

1993, Aman et al.,1998, Grodzinsky et al., 1999).

Im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung oder –intensität sprechen einige Autoren

von Auffälligkeiten bei der Reaktion auf Zielstimuli ohne vorhergehenden Warnreiz

und somit von einem Defizit der phasischen Reaktionsbereitschaft bei ADHD

Patienten (Swanson et al., 1991; Nigg et al., 1997). Andere berichten lediglich von

einem Defizit der Antwortvorbereitung, das sich in einem verlangsamten und

schwankenden Arbeitsstil äußert (Huang-Pollock et al., 2000; Nigg et al., 1997).

Während die Befundlage somit auf eine Beeinträchtigung des

Aufmerksamkeitsaktivierungsnetzwerks bei ADHD hindeutet, ist unklar, welche

spezifischen Aspekte dieser Aufmerksamkeitskomponente betroffen sind (Huang-

Pollack und Nigg, 2003).

Studien zur Aufmerksamkeitsverschiebung oder –selektivität finden bei ADHD

Patienten überwiegend intakte Leistungen in diesem Aufmerksamkeitsbereich (Aman

et al., 1998; Epstein et al., 1997; Nigg et al., 1997; Swanson und Hinshaw, 1997;

Pearson et al., 1995; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999). ADHD Patienten

scheinen lediglich in der Aufmerksamkeitsloslösung von einem irrelevanten oder

irreführenden Hinweis- oder Distraktorreiz beeinträchtigt (Epstein et al., 1997;

Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999).

Ziel der folgenden Studie war, die Leistungen der Aufmerksamkeitsnetzwerke bei

ADHD Kindern mit Hilfe der Attention Network Tasks (ANT; Fan et al., 2001) zu

überprüfen und in einem zweiten Schritt den Einfluss von Methylphenidat (MPH) auf

59

Page 64: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

die Aufmerksamkeitsleistung der ADHD Kinder in dieser Aufgabe zu dokumentieren.

Vorteil dieser Herangehensweise gegenüber den in Studie 1 und 2 verwendeten

neuropsychologischen Testbatterien ist, dass die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke

über ein einheitliches Untersuchungsparadigma überprüft werden. In

Übereinstimmung mit den berichteten Ergebnissen (siehe Kapitel 1.5 und Studie 2.1)

erwarten wir schlechtere Leistungen der ADHD im Vergleich zur gesunden Gruppe

im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung und bei kontrollierenden

Aufmerksamkeitsfunktionen. Da die ANT ausschließlich valide räumliche

Hinweisreize beinhaltet und die Disengage Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung somit nicht abbildet, gehen wir von vergleichbaren

Ergebnissen beider Gruppen in der Aufmerksamkeitsausrichtung aus.

MPH beeinflusst das dopaminerge und das noradrenerge Transmittersystem (Pliszka

et al., 1996). Während Dopamin als entscheidender Botenstoff im kontrollierenden

Aufmerksamkeitssystem angesehen wird, scheint Noradrenalin eine wichtige Rolle

bei der Aufmerksamkeitsaktivierung zu spielen (Posner und Fan, im Druck). Somit

erwarteten wir eine MPH bedingte Verbesserung der Aufmerksamkeitsaktivierung

und bei kontrollierenden Aufmerksamkeitsfunktionen.

Material und Methoden

Probanden und Einschlusskriterien:

Es wurden 14 mit ADHD diagnostizierte und auf Methylphenidat (MPH) eingestellte

Kinder mit einem mittleren Alter von 10.1 (± 2.2) Jahren und 14 gleichaltrige gesunde

Kontrollkinder (mittleres Alter 9.8 ± 1.9, t26 1.547 p= 0.225) untersucht. In beiden

Gruppen waren 4 Mädchen. Alle Kinder der ADHD Gruppe erfüllten die Diagnose

einer ADHD nach den Kriterien des DSM-IV (American Psychiatric Association,

1994) und wurden über die Institutsambulanz bzw. die Stationen der Klinik für Kinder-

und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums Aachen

rekrutiert. Die 14 Kontrollkinder waren Teil der in Studie 3 bereits beschriebenen

Stichprobe. Für die ADHD Gruppe schloss der Diagnoseprozess eine ausführliche

Anamneseerhebung, eine halbstrukturiertes Interview der Eltern zur

Psychopathologie des Kindes (K-DIPS; Unnewehr et al., 1995), eine körperliche

Untersuchung, eine Intelligenz- (HAWIK III) und Fragebogenuntersuchung und ein

Fragebogenurteil des Verhaltens durch Lehrer und Eltern ein (FBB HKS; CBCL Child

60

Page 65: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

Behavior Checklist). Der FBB Bogen beinhaltet eine Unaufmerksamkeits-, eine

Hyperaktivitäts- und eine Impulsivitätsskala. Werte von 0-3 sind möglich, Werte von 2

oder 3 werden als relevant definiert. Für die jeweiligen Skalen sind Grenzwerte von

6,3 bzw.1 relevante Items festgelegt und weisen somit auf eine hohe

Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer ADHD hin (Döpfner and Lehmkuhl, 1998).

Alle hier beschriebenen Kinder erreichten mindestens auf der Unaufmerksamkeits-

Skala die vorgeschriebene Anzahl von 6 auffälligen Items. Kinder mit einem

Gesamtintelligenzquotient von kleiner 80 wurden von der Auswertung

ausgeschlossen. Weitere Ausschlusskriterien waren zusätzliche Diagnosen einer

Psychose, mittelgradigen oder schweren Depression, tiefgreifenden

Entwicklungsstörung oder rezeptiven Sprachstörung. Keines der Kinder bekam über

die MPH Medikation hinausgehende Medikamente. Die MPH Dosis wurde aufgrund

klinischer Urteile von Eltern und Lehrern individuell ermittelt, so dass die Patienten

zur Testung eine mittlere Dosis von 0.3-0.5 mg/kg Körpergewicht MPH zu sich

genommen hatten. Die Reihenfolge der Testung mit bzw. ohne Medikation war über

die ADHD Gruppe hinweg randomisiert. Die ADHD Kinder wurden vormittags

untersucht. Der Versuchsablauf und die abhängigen Variablen wurden im

Methodenteil der Studie 2.3 bereits beschrieben.

Statistische Analysen:

Für alle Variablen außer der Prozentzahl Fehler in der ADHD Gruppe waren

Normalverteilung und Varianzhomogenität zwischen den Gruppen gegeben.

Zunächst wurden die ADHD und Kontrollkinder über Zweistichproben t-Tests

miteinander verglichen. Für den Gruppenvergleich der Fehlerprozent wurde ein

Mann- Whitney U-Test herangezogen. Haupteffekte der Untersuchungsbedingungen

(Hinweis- und Zielreiz) und Interaktionen zwischen den Hinweis- und

Zielreizbedingungen und den beiden Gruppen wurden über eine drei- faktorielle-

Messwiederholungs- Varianzanalyse überprüft mit Hinweis- und Zielreiz als

Innerhalb- Subjekt- und Gruppe als Zwischen- Subjekt- Faktor. Anschließend wurde

mit Hilfe einer Diskriminanzanalyse überprüft, ob sich eine Gruppenzugehörigkeit

anhand der abhängigen Variablen voraussagen lässt. Um aufgrund der geringen

Stichprobengröße die Anzahl der abhängigen Variablen möglichst gering zu halten,

wurden diejenigen Variablen verwendet, in denen sich Kontroll- und ADHD Kinder

deskriptiv am ehesten unterschieden (Prozent Fehler und Kennwerte des alertness

und Konflikt Netzwerkes).

61

Page 66: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

Eine Messwiederholungs- Varianzanalyse wurde weiter für die beiden

Untersuchungsbedingungen der ADHD Gruppe gerechnet, um Medikations- und

Interaktionseffekte zwischen Aufmerksamkeitsnetzwerken und MPH zu analysieren.

Ein paariger t-Test wurde zur Posthoc Analyse der

Messwiederholungsvarianzanalyse herangezogen.

Ergebnisse

In der Messung ohne MPH unterschieden sich ADHD und Kontrollgruppe weder bzgl.

Reaktionsgeschwindigkeit oder Fehlerzahl noch hinsichtlich der Kennwerte der drei

Aufmerksamkeitsnetzwerke (siehe Tabelle 2.4.1).

Eine drei- faktorielle- Messwiederholungs- Varianzanalyse ergab signifikante

Haupteffekte für Hinweisreiz (F(3,24)= 25.0, p< 0.001) und Zielreiz (F(2,25)= 34.67,

p< 0.001). Es ergaben sich keine Interaktionen zwischen beiden

Bedingungsvariationen (F(6,21)= 1.91, p= 0.13) und keine Interaktion zwischen

Hinweisreiz und Gruppe, zwischen Zielreiz und Gruppe (F(1,24)= 1.0, p= 0.41;

F(2,25)= 1.04, p= 0.37) oder zwischen Hinweis-, Zielreiz und Gruppe (F(6,21)= 2.09,

p= 0.98).

Tabelle 2.4.1 Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen für Reaktionszeit, Anzahl der Fehler und die Kennwerte der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke für Kontrollkinder, ADHD Kinder ohne und ADHD Kinder mit MPH

Kontrollen

n=14

ADHD ohne

n=14

ADHD MPH

n=14

RZ (Std.)

Prozent Fehler (Std.)

Alert (Std.)

Orient (Std.)

Konflikt (Std.)

779.99 (103.46) 712.82 (122.96) 689.03 (118.18)

t(26)= -1.56, p= 0.13 ----------------

1.39 (0.28) 12.34 (24.52) 3.57 (6.42)

Z= 20.41, p< 0.001 ----------------

57.08 (31.92) 30.21 (65.04) 102.70 (87.85)

t(26)= -1.39, p= 0.18 t(13)= -2.67, p< 0.019

47.92 (43.17) 33.18 (39.87) 28.34 (38.80)

t(26)= -0.94, p= 0.36 ----------------

71.45 (37.84) 44.24 (58.44) 58.72 (54.76)

t(26)= -1.46 p= 0.16 ----------------

62

Page 67: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

Während sich im direkten Vergleich keine Gruppenunterschiede ergaben (siehe

Tabelle 2.4.1), war eine Diskriminanzanalyse mit Fehleranzahl, Konflikt und Alertness

Kennwert in der Lage, 96% der Fälle den Gruppen richtig zuzuordnen. Es ergaben

sich ein Eigenwert von 10.2 und eine kanonische Korrelation von 0.95. Beide

Diskriminanzfunktionsverteilungen unterschieden sich signifikant (Wilk’s Lambda(3)=

0.089, p< 0.001).

Tabelle 2.4.2. Gruppenklassifikation durch die Diskriminanzanalyse

Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit

ADHD Kontrollen

Original Anzahl ADHD

Kontrollen

13 1

0 14

Original Prozent ADHD

Kontrollen

92.9 7.1

0 100

Ein Messwiederholungs- Varianzanalyse mit beiden Medikationsbedingungen und

Aufmerksamkeitssystem als innerhalb- Subjekt Faktoren ergab eine signifikante

Interaktion zwischen den Aufmerksamkeitsnetzwerken und MPH (F(2)= 4.26, p<

0.025). Die Gruppenmittelwerte legten nah, dass dieser Interaktionseffekt durch die

Veränderung des alert- Kennwertes verursacht war (siehe Tabelle 2.4.1), ein

paariger t-Test bestätigte diese Vermutung (t(13)= -2.67, p< 0.019, siehe Abbildung

2.4.1). Während sich bei beiden Testungen also ähnliche Effekte des räumlichen

Hinweisreizes und des Konflikts zeigten, vergrößerte MPH den Alert Effekt deutlich.

600

700

800

900

1000

ADHD ohne ADHD mit Kontrollen

RT

[ms]

0

0,1

0,2

0,3

0,4

Pro

zent

Feh

ler

RT Fehler

Abbildung 2.4.1 a Gruppenmittelwerte undStandardfehler fürReaktionszeiten undProzent Fehler. Für dieADHD Gruppe sindWerte für die Messungohne und mit MPHabgebildet * signifikanter Gruppen-unterschied (α < 0.05)

63

Page 68: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

0

40

80

120

160

200

ADHD ohne ADHD mit Kontrollen

RT

Diff

eren

z [m

s]Alert Orient Konflikt

Abbildung 2.4.1 b Gruppenmittelwerte undStandardfehler für dieKennwerte der dreiAufmerksamkeits-netzwerke. Für dieADHD Gruppe sindWerte für die Messungohne und mit MPHabgebildet * signifikanter Gruppen-unterschied (α < 0.05)

Tabelle 2.4.3 zeigt Gruppenmittelwerte der RZ für die vier Warnreizbedingungen für

beide Messzeitpunkte der ADHD Gruppe. Die MPH bedingte Vergrößerung des alert-

Effekts scheint eher durch eine Medikations- bedingte Verringerung der

Reaktionslatenz in der Bedingung mit zentralem Warnreiz als durch eine

Veränderung der Reaktionslatenz in der Bedingung ohne Warnreiz verursacht. Der

Vergleich der Reaktionszeiten ohne und mit MPH mit zentralem Warnreiz blieb

allerdings nicht-signifikant (t(13)= 1.01, p= 0.332). Die Betrachtung der individuellen

Differenzwerte der RZ zwischen der Testung ohne und mit MPH legt nahe, dass

MPH die aufmerksamkeitsaktivierende Wirkung der Warnreize verstärkte: so

verringerte sich die Reaktionslatenz in der Bedingung mit doppeltem Cue deutlicher

als in der Bedingung ohne Cue. Auch dieser Vergleich blieb allerdings nicht-

signifikant (t(13) double cue ohne/mit MPH = 1.20, p= 0.252).

Tabelle 2.4.3 Dargestellt sind Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen der RZ für die vier Warnreizbedingungen und der Gruppenmittelwert der individuellen RZ Differenz zwischen der Messung ohne und mit MPH

ADHD ohne ADHD MPH Individuelle Differenz

RZ Kein Cue (Std.)

RZ Zentraler Cue (Std.)

RZ Doppelter Cue (Std.)

RZ Orient Cue (Std.)

747 (126)

709 (136)

708 (141)

673 (120)

758 (135)

673 (126)

652 (122)

642 (119)

-11 (108)

36 (127)

56 (168)

31 (136)

64

Page 69: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

Spezifische Diskussion

ADHD und Kontrollkinder unterschieden sich weder in der Reaktionslatenz und

Fehlerzahl noch in der Funktionsweise der drei untersuchten

Aufmerksamkeitsnetzwerke. Entgegen unserer Erwartungen reagierten die ADHD

Kinder im Trend schneller und zeigten tendenziell kleinere Werte für den alert- und

für den Konflikt- Effekt. Die Zahl der Fehler war in der ADHD Gruppe im Trend größer

als in der Kontrollgruppe. Vergleichbare Leistungen zwischen beiden Gruppen im

Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerk stimmen sowohl mit unseren Erwartungen

als auch mit den Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen überein (Huang-Pollock et al.,

2000; Carter et al., 1995; Sergeant und van der Meere, 1990; Aman et al., 1998;

Nigg et al., 1997; Swanson und Hinshaw, 1997; Pearson et al., 1995). Unterschiede

zwischen den Gruppen hätten sich ggf. dann gefunden, wenn die ANT invalide

Hinweisreize und somit eine Disengage- Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung beinhaltet hätte (Epstein et al., 1997; Swanson et al.,

1991; Wood et al., 1999).

Anhand einer Diskriminanzanalyse ließ sich die Gruppenzugehörigkeit zur ADHD

bzw. Kontrollgruppe in 96% der Fälle voraussagen, so dass die ANT trotz fehlender

Gruppenunterschiede auf Variablenebene in der Lage war, beide Gruppen zu

trennen.

Mit 44 ms zeigten unsere ADHD Kinder einen tendenziell geringeren Konflikteffekt

als sowohl unsere Vergleichsstichprobe (71 ms) als auch als die von Rueda und

Mitarbeitern (2004) untersuchten gesunden 10 Jährigen (69 ms). Wir hatten in

Übereinstimmung mit der ADHD- Literatur zu Aufgaben, die einen kognitiven Konflikt

enthalten (z.B. Jonkman et al., 1999; Bush et al., 1999; Semrud- Clikeman et al.,

2000), erwartet, dass die ADHD Gruppe stärker durch inkongruente Distraktorreize

abgelenkt würde. Die tendenziell höheren Fehlerwerte und tendenziell schnelleren

Reaktionszeiten in der ADHD Gruppe deuten darauf hin, dass diese Gruppe im Sinne

eines Speed- Accuracy-Trade- Offs zugunsten einer schnelleren Reaktionszeit mehr

Fehler machten. Dies wäre in Übereinstimmung mit jenen Autoren, die bei ADHD

Patienten einen impulsiven Arbeitsstil mit schnellen aber ungenauen Antworten

beschreiben (Konrad et al., 2000; Nigg, 2001). In unserer Studie könnte dies ähnlich

wie in Studie 3 beschrieben bedeuten, dass der Konflikt Wert in der ADHD Gruppe

aufgrund höherer Fehler unterschätzt wurde. Andererseits unterschieden sich beide

Gruppen nur im Trend in der Fehlerzahl, so dass diese Hypothese rein spekulativ ist.

65

Page 70: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

Die ADHD Gruppe bestand aus mit MPH medizierten Kindern. MPH wirkt

dopaminagonistisch (Winsberg und Comings, 1999; Roman et al., 2002), und

Dopamin spielt bei der Bearbeitung der Konfliktaufgabe bzw. in den beteiligten

Hirnregionen eine große Rolle (Fan und Posner, in press). Denkbar wäre, dass MPH

bereits zu einer Veränderung oder Beeinflussung der an der Konflikt Aufgabe

beteiligten Hirnregionen geführt hat (Vaidya et al., 2002), auch wenn die Kinder bei

der Placebo Testung mindestens 12 Stunden ohne Medikation waren. In der

Diskussion zu Studie 3 wurde bereits auf einen möglichen Effekt des visuellen

Feedbacks auf richtige Reaktionen eingegangen. Wie in Kapitel 1.5 beschrieben geht

eine Annahme über die Endophänotypen der ADHD davon aus, dass eine

Untergruppe am besten durch Auffälligkeiten im Belohnungssystem bzw. in den

damit assoziierten Hirnarealen beschrieben wird (Castellanos und Tannock, 2002). In

Übereinstimmung hiermit konnte gezeigt werden, dass die Leistungen von ADHD

Kindern im Bereich exekutiver Funktionen durch verhaltenskontingente Belohnung

auf das Niveau von Kontrollkindern angehoben werden konnten (Konrad et al.,

2000). Zum einen könnte das Feedback in der Kinder ANT wie in Studie 3

angenommen zu einer generellen Verringerung des Konfliktwertes geführt haben,

zum anderen ist zu vermuten, dass sich die Belohnung auf ADHD und Gesunde

unterschiedlich ausgewirkt hat.

Der alert-Effekt war in unserer Kontrollgruppe etwas höher und bei den ADHD

Probanden kleiner als in der Entwicklungsstudie aus der Arbeitsgruppe um Rueda

(2004). Während andere beschrieben haben, dass ADHD Patienten v.a. dann

beeinträchtigt sind, wenn einem Zielreiz kein Warnhinweis vorausgeht (Swanson et

al., 1991; Nigg et al., 1997), fanden wir, dass die ADHD Gruppe in der Bedingung

neutraler Zielreiz und centraler Hinweisreiz – die den Effekt des zentralen Cues

unabhängig von etwaigen Interaktionen mit dem Zielreiz am besten abbildet (Fan et

al., 2001) – deutlich schneller reagierte als die Kontrollgruppe (ADHD 707ms,

Kontrollen 787ms, t(26)= 4.5, p< 0.04). Auch hier wäre eine Erklärung, dass die MPH

Medikation das noradrenerge System bereits nachhaltig beeinflusst haben könnte. In

Übereinstimmung mit dieser Hypothese zeigte sich ein deutlicher Medikations- Effekt

auf das Aufmerksamkeitsaktivierungssystem. MPH verringerte die Reaktionslatenz

auf Stimuli nach einem Warnreiz und verstärkte somit den

aufmerksamkeitsaktivierenden Effekt dieser Bedingung. Positive MPH Effekte auf die

Aufmerksamkeitsintensität wurden bereits mehrfach beschrieben (Mostofsky et al.

66

Page 71: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

2001; Douglas, 1999; Denney und Rapport, 2001; Scheres et al., 2003; van der

Meere, 1995; Konrad et al., 2004; Hanisch et al., 2004; Douglas, 1999), wobei sich

diese Studien vornehmlich mit dem Einfluss von MPH auf die

Aufmerksamkeitsaufrechterhaltung beschäftigen. Der von uns gefundene positive

Medikationseffekt auf die Aufmerksamkeitsaktivierung stimmt damit überein, dass

einerseits das Aufmerksamkeitsintensitätsnetzwerk eng mit dem Transmitter

Noradrenalin zusammenhängt (Sturm et al., 2000) und dass andererseits MPH das

noradrenerge System zu beeinflussen scheint (Solanto, 2002; Michelson et al.,

2001).

Entgegen unseren Erwartungen veränderte sich das Ausmaß des Konflikts nicht

unter MPH bzw. wurde im Trend eher größer als kleiner. In Übereinstimmung mit

diesem Befund haben andere Gruppen ebenfalls keine MPH assoziierte

Veränderung der Interferenzkontrolle gefunden (Scheres et al., 2003). Eine weiter

Erklärung wäre, dass durch den Effekt der Belohnung in Übereinstimmung mit

Befunden anderer Arbeitsgruppen (Konrad et al., 2000) die Leistung der ADHD

Kinder in diesem Bereich an die der Kontrollkinder heranreichte und es aufgrund

eines Deckeneffekts nicht zu einer weiteren Verbesserung kommen konnte.

Andererseits könnte eine Verringerung der Impulsivität, wie sie andere durch MPH

beschreiben (Greenhill, 2001), dazu geführt haben, dass die ADHD Gruppe unter

Medikation weniger Fehler machte und somit die Durchgänge, in denen ein starker

kognitiver Konflikt vorhanden war, nicht aufgrund falscher Reaktionen für die

Berechnung des Konfliktwerts heraus fielen. Dieser Argumentation folgend könnte

eine Verringerung der Impulsivität unter MPH dazu geführt haben, dass die Zielreize

eingängiger beachtet oder verarbeitet wurden und so die Inkongruenz der Zielstimuli

einen stärkeren Effekt haben konnte. Wieder müssen diese Hypothesen allerdings

als spekulativ betrachtet werden, da sich weder das Ausmaß des kognitiven Konflikts

unter MPH signifikant vergrößerte noch sich die Fehlerzahl unter MPH deutlich

verringerte.

Zusammenfassend fanden wir in dieser Studie keine Unterschiede zwischen

Kontrollkindern und ADHD Patienten in der Leistung der drei

Aufmerksamkeitsnetzwerke. Wurden allerdings alle relevanten Variablen gleichzeitig

betrachtet, ließ sich eine Zugehörigkeit zur ADHD bzw. Kontrollgruppe mit sehr

großer Wahrscheinlichkeit voraussagen.

67

Page 72: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.4

MPH verstärkte die aufmerksamkeitsaktivierende Wirkung der Warnreize und hatte

keinen Einfluss auf das Konfliktmaß oder auf die Aufmerksamkeitsverschiebung.

Eine anhand der hier beschriebenen Kritikpunkte modifizierte Version des ANT sollte

in einer nächsten Studie den Einfluss dieser Einwände überprüfen.

68

Page 73: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.5

2.5 Modifizierte Attention Network Task bei Kindern mit und ohne ADHD

Spezifische Einleitung

In unterschiedlichen Untersuchungsparadigmen weisen ADHD Patienten Defizite im

Bereich der exekutiven Kontrolle, im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung und bei

der Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten Stimulus auf (siehe

Kapitel 1.5). Die von Fan und Mitarbeitern (2001) entwickelte Attention Network Task

(ANT) ist bei gesunden Kindern in der Lage, die drei Aufmerksamkeitskomponenten

einer Aufmerksamkeitsaktivierung, einer räumliche Verschiebung und eines

kognitiven Konflikts abzubilden (Rueda et al., 2004). Wir fanden entgegen unseren

Erwartungen im Gruppenvergleich zwischen ADHD und gesunden Kindern in der

ANT keine Gruppenunterschiede in der Leistung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke

(siehe Studie 2.4).

Ziel der folgenden Studie war, mit Hilfe einer modifizierten Version der ANT erneut

ADHD und Kontrollkinder hinsichtlich der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke zu

vergleichen. Im Folgenden sollen nun die theoretischen Erwägungen, die zu einer

Modifizierung der Aufgabe geführt haben, erneut zusammengefasst werden.

Die ursprüngliche ANT beinhaltete ausschließlich valide räumliche Hinweisreize. Da

somit einem räumlichen Cue immer an derselben Stelle ein Zielreiz folgte, war in

keinem der Durchgänge eine Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem

irrelevanten Hinweisreiz nötig. ADHD Patienten und Kontrollpersonen unterscheiden

sich aber im Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerk v.a. bzgl. dieser Disengage-

oder Reorient- Komponente der Aufmerksamkeitsverschiebung (Epstein et al., 1997;

Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999), so dass die modifizierte Version der ANT

neben validen räumlichen Hinweisreizen in 20 % der Durchgänge invalide

Hinweisstimuli enthalten sollte (Trick und Enns, 1998). Räumliche Cueing

Paradigmen beinhalten die verdeckte oder offene Verschiebung der Aufmerksamkeit

und beziehen sich hierbei meist auf eine horizontale Verschiebung des

Aufmerksamkeitsfokus (Posner, 1980). Die Aufmerksamkeitsverschiebung in der

ursprünglichen ANT erfolgte vom Fixationskreuz aus betrachtet anhand der

Raumvertikalen. Um die modifizierte ANT besser mit Erkenntnissen aus anderen

Cueing Paradigmen vergleichen und die räumliche Aufmerksamkeitskomponente

69

Page 74: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.5

besser abbilden zu können, wurden die Zielreize in 4° Sehwinkel links und rechts

vom Fixationskreuz dargeboten.

In der Eriksen Flankierungs- Aufgabe hängt das Ausmaß des kognitiven Konflikts von

den Eigenschaften, der Anzahl und der Positionierung der ablenkenden Stimuli im

Vergleich zum Zielreiz ab (Ridderinkhof et al., 1997). Eine Anzahl von vier

Distraktoren führt hierbei zu einem stabilen Effekt (Fan et al., 2001; Fan et al., 2002;

Rueda et al., 2004). Obwohl davon ausgegangen wird, dass sich die neuronalen

Korrelate der offenen und der verdeckten Aufmerksamkeitsverschiebung größtenteils

überschneiden (Corbetta et al., 1998), beinhaltet eine offene

Aufmerksamkeitsverschiebung okulomotorische Aktivität, die sich möglicherweise

zwischen ADHD und Kontrollprobanden unterscheidet (siehe Studie 2.7). Die

Zielreize des ursprünglichen ANT hatten eine Breite von 8.84° Sehwinkel. Wurden

diese in 4°Sehwinkel lateral zum Fixationskreuz dargeboten, war die Aufgabe nicht

ohne Augenbewegung lösbar, so dass die Stimuli in der modifizierten Version des

ANT nicht horizontal sondern vertikal angeordnet wurden. Ähnliche

Flankierungseffekte wurden in unseren Vorversuchen auch bei dieser Anordnung

erzielt. Um konfundierende Effekte von Farbe, Form und Bedeutung zu vermeiden

(Ridderinkhof et al., 1997), wurden anstelle der gelben Fische schwarze Pfeile

gewählt wie sie Fan und Mitarbeiter (2001) in ihrer Erwachsenen Version des ANT

vorschlagen, wobei sich die Größe der Pfeile an der Kinderversion der ANT

orientierte.

Die ursprüngliche ANT beinhaltete bei richtigen Reaktionen eine positive

Rückmeldung. Wie in Kapitel 1.5 erwähnt beschäftigt sich eine Hypothese zur

Ätiologie der ADHD mit Auffälligkeiten im striatalen Dopamin- vermittelten

Belohnungssystem (Castellanos und Tannock, 2002). So wurde nicht nur eine

unterschiedliche Toleranz gegenüber der Verzögerung von Belohnung zwischen

ADHD und gesunden Kindern beschrieben (Sonuga-Barke et al., 1992; Sagvolden et

al., 1998), sondern es konnte auch gezeigt werden, dass ADHD Kinder ihre

Leistungen durch verhaltenskontigente sofortige Belohnung auf das Niveau von

Gesunden steigern können (Konrad et al., 2000). Da Dopamin sowohl bei der

Vermittlung von Belohnungskontingenzen (Schulz et al., 2002) als auch im

exekutiven Aufmerksamkeitssystem (Posner und Petersen, 1990) von

entscheidender Rolle ist, wäre denkbar, dass die Rückmeldung in der ursprünglichen

ANT zu einer Verringerung der Gruppenunterschiede im Konflikt beigetragen haben

70

Page 75: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.5

könnte. Aus diesem Grund wurde in der modifizierten ANT auf die Rückmeldung

verzichtet.

Material und Methoden

Probanden und Einschlusskriterien:

Es wurden 16 mit ADHD diagnostizierte Jungen mit einem mittleren Alter von 10.1 (±

1.3) Jahren und 16 gleichaltrige gesunde Jungen (mittleres Alter 10.4 ± 1.9, p=

0.621) untersucht. Alle ADHD Jungen wurden über die ambulante Vorstellung in der

Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

des Universitätsklinikums Aachen rekrutiert, und es galten die gleichen Ein- und

Ausschluss- bzw. Diagnosekriterien wie in Studien 1 und 4 bereits beschrieben. Die

Jungen der aktuellen Studie waren alle Methylphenidat (MPH)- naiv. Die

Kontrollgruppe wurde über Aushänge am Universitätsklinikum Aachen und im

Forschungszentrum Jülich rekrutiert, alle Kinder erreichten einen Wert oberhalb von

80 in einem Intelligenzscreeningverfahren (CFT 20) und wiesen keine

kinderpsychiatrischen Auffälligkeiten auf (FBB HKS, Döpfner and Lehmkuhl, 1998; K-

DIPS, Unnewehr et al., 1995). Stichprobencharakteristika werden in Tabelle 2.5.1

dargestellt.

Tabelle 2.5.1 Stichproben Charakteristika für beide Gruppen

Kontrollen ADHD

Alter (Std.)

IQ. Mittelwert (Std.)

FBB Gesamtwert Mittelwert (Std.)

Diagnose: Kombiniert/ Unaufmerksam

10.1 (1.3)

104.2 (10.3)

8.73 (4.52)

0/ 0

10.4 (1.9)

101.1 (12.4)

31.15 (9.68)

10/ 6

Modifizierte Attention Network Task:

Die berichteten Daten sind die Verhaltensdaten einer fMRT Studie, so dass alle

Probanden die Aufgabe bearbeiteten, während sie in einem MR Tomographen lagen.

Da sich die vorliegende Arbeit mit dem Gruppenvergleich zwischen ADHD und

Kontrollkindern in ihren verhaltensmäßigen Leistungen in der modifizierten Version

der ANT beschäftigt, werden die fMRI Daten hier nicht berichtet (Konrad et al.,

eingereicht).

71

Page 76: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.5

Im Vergleich zu der in Studien 3 und 4 beschriebenen ANT (Fan et al., 2001) wurden

zusammenfassend folgende fünf Modifikationen vorgenommen: (1) Die räumlichen

und doppelten Hinweisreize und die Zielreize wurden in 4° rechts und links vom

Fixationskreuz dargeboten. (2) In 20% der räumlich gecueten Durchgänge wurde ein

invalider räumlicher Hinweisreiz vorgegeben. (3) Die Zielreize wurden vertikal

präsentiert. (4) Als Zielreize wurden schwarze Pfeile gewählt wie sie Fan und

Mitarbeiter (2001) in ihrer Erwachsenen Version der ANT vorschlagen, wobei deren

Größe an die Kinderversion der ANT angepasst wurde. Die Pfeile waren jeder 1.4°

Sehwinkel groß. (5) Da sich durch den Einschluss invalider Durchgänge die

Gesamtzahl der Trials auf 190 erhöhte, wurde auf die neutrale Zielreizbedingung

verzichtet. Abbildung 2.5.1 stellt die Versuchsbedingungen der modifizierten ANT

dar.

+ +

++400- 1600 ms

150 ms Warnreiz

400 ms

1550 msZielreiz

kongruent inkongruent

+

* * + *

* +

+ *

Kein Cue Zentraler Cue Doppelter Cue

Räumlicher Cue

Zielreiz

Warnreiz

Abbildung 2.5.1 Zeitlicher Ablauf der Warn- und Zielreizbedingungen modifizierter ANT

72

Page 77: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.5

Statistische Analysen:

Tests auf Normalverteilung und Varianzhomogentität ergaben, dass in der ADHD

Gruppe die Prozentzahl der Fehler nicht normalverteilt war. Die Varianzen von allen

abhängigen Variablen waren zwischen den Gruppen homogen. Haupteffekte von

Hinweis- und Zielreiz und Interaktionen zwischen den Untersuchungsbedingungen

und den Gruppen wurden über eine drei- faktorielle Messwiederholungs-

Varianzanalyse überprüft, wobei Hinweis- und Zielreiz zwei Innerhalb- Subjekt

Faktoren darstellten und Gruppe als Zwischen- Subjekt Faktor verwendet wurde. Die

Gruppen wurden anschließend über Zwei Stichproben t-Tests miteinander

verglichen. Für die Prozentzahl der Fehler wurde aufgrund der fehlenden

Normalverteilung ein Mann-Whitney U Test verwendet. Alpha wurde aufgrund der

Anzahl abhängiger Variablen auf 0.01 korrigiert. Anschließend wurde mit Hilfe einer

Diskriminanzanalyse, in die vier abhängige Variablen gleichzeitig eingingen (alert,

reorient und Konflikt Kennwert und Fehleranzahl), eine Gruppenzuordnung

vorgenommen.

Ergebnisse

Eine drei- faktorielle Messwiederholungs- Varianzanalyse ergab signifikante

Haupteffekte für Cue (F(4,27)= 23.5, p< 0.001) und Zielreiz (F(1,30) = 90.13, p<

0.001). Es ergaben sich keine Interaktionen zwischen beiden Bedingungsvariationen

(F(4,27)= 0.80, p= 0.54) und keine Interaktion zwischen Hinweisreiz und Gruppe oder

zwischen Zielreiz und Gruppe (F(4,27) =2.54, p= 0.063; F(1,30) =0.69, p= 0.41).

Wie Tabelle 2.5.2 und Abbildung 2.5.2 zeigen unterschieden sich beide Gruppen in

der Anzahl der Fehler (t(30)= 2.70, p< 0.01) und im Ausmaß des kognitiven Konflikts

(t(30)= 2.84, p < 0.008). ADHD Kinder machten mehr Fehler und waren mehr durch

inkongruente Zielreize abgelenkt. Während sowohl die Reaktionsschnelligkeit

insgesamt (t(30)= 0.84, p = 0.40) als auch der Effekt des zentralen Warnreizes und

somit der alert- Effekt (t(30)= 0.92, p = 0.38) vergleichbar zwischen den Gruppen

waren, zeigte die ADHD Gruppe tendenziell größere Schwierigkeiten, den

Aufmerksamkeitsfokus von einem invaliden räumlichen Hinweisreiz wegzulenken

(t(30)= 2.1, p = 0.08).

73

Page 78: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.5

Tabelle 2.5.2 RZ, Fehler und RZ Differenzwerte der Aufmerksamkeitsnetzwerke

Kontrollen ADHD t(df) bzw. Z p

RZ (Std.)

Fehler (Std.)

Alert (Std.)

Disengage (Std.)

Konflikt (Std.)

822 (107)

4.5 (2.6)

30 (67)

93 (82)

77 (28)

869 (192)

8.4 (5.3)

55 (85)

139 (79)

111 (39)

t(30)= 0.84

Z= -2.51

t(30)= 0.92

t(30)= 2.1

t(30)= 2.84

p = 0.40

p< 0.01

p = 0.38

p = 0.08

p < 0.008

600

700

800

900

1000

ADHD Kontrollen

RT [m

s]

0

0,1

0,2

0,3

0,4

Fehl

er %

RT Fehler

0

40

80

120

160

200

ADHD Kontrollen

RT

Diff

renz

en [m

s]

Alert Disengage Konflikt

Abbildung 2.5.2 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für Reaktionszeiten, Fehler und die Kennwerte der drei Aufmerksamkeits-netzwerke * signifikanter Gruppen-unterschied (αadjustiert < 0.01)

*

74

Page 79: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.5

Eine Diskriminanzanalyse, in die Prozent Fehler, Konflikt, alertness und reorient

Kennwert eingingen, war in der Lage, 78% der Fälle den Gruppen richtig

zuzuordnen. Es ergaben sich ein Eigenwert von 0.191 und eine kanonische

Korrelation von 0.69. Beide Diskriminanzfunktionsverteilungen unterschieden sich

signifikant (Wilk’s Lambda(4)= 0.523, p< 0.002).

Spezifische Diskussion

Mit Hilfe einer modifizierten Version der ANT konnten Unterschiede zwischen ADHD

Patienten und gesunden Kindern im Hinblick auf die Fehlerzahl und im Bereich der

exekutiven Aufmerksamkeitsleistung nachgewiesen werden. In Übereinstimmung mit

der entsprechenden Literatur zu ADHD (Nigg, 2001, für eine Übersicht), machten die

ADHD Kinder mehr Fehler und ließen sich stärker von inkongruenten Zielreizen

ablenken. Es zeigte sich weiter ein Trend dahingehend, dass es den ADHD

Patienten weniger gut gelang, den Aufmerksamkeitsfokus von einem invaliden

Hinweisreiz loszulösen als den Kontrollkindern, was wiederum in Einklang mit

Vorbefunden steht (Epstein et al., 1997; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999).

Die modifizierte ANT war somit im Gruppenvergleich auf Variablenebene besser in

der Lage, Unterschiede zwischen ADHD und gesunden Kindern aufzudecken.

Wurden allerdings die relevanten Variablen gleichzeitig über eine

Diskriminanzanalyse betrachtet, erwies sich die ursprüngliche ANT als besser

geeignet, um eine Gruppenzugehörigkeit vorauszusagen.

Wie in der Diskussion zu Studie 4 und in der aktuellen Einleitung erläutert, könnten

größere Gruppenunterschiede im Konfliktausmaß in der aktuellen im Vergleich zur

zuvor berichteten Studie darauf zurückzuführen sein, dass zum einen auf das

Feedback verzichtet wurde und dass die Aufgabenschwierigkeit durch die periphere

und vertikale Präsentation der Zielreize und durch die Verwendung von Pfeilen

erhöht wurde. So finden Rueda und Mitarbeiter (2004) für die Erwachsenen Version

der ANT, die kein Feedback liefert und Pfeile verwendet, höhere Konfliktwerte als für

die Kinderversion. Für eine höhere Aufgabenschwierigkeit spricht auch, dass die

Kontrollkinder in der aktuellen Studie (trotz gleichen Alters) mit durchschnittlich 4.5

mehr Fehler machten als in Studie 2.4 (1.4 Fehler bei den Kontrollkindern). Dieser

Unterschied in der Fehlerzahl könnte in der aktuellen Studie ähnlich wie zuvor

argumentiert zu einer Unterschätzung des eigentlichen Konfliktmaßes geführt haben,

75

Page 80: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.5

so dass die Kontrollkinder in der aktuellen Studie einen ähnlichen Konfliktwert

zeigten wie in Studie 3. In den ADHD Gruppen war über beide Studien hinweg der

entgegen gesetzte Trend zu beobachten: in Studie 2.3 waren die Fehlerzahlen höher

und Konfliktwerte niedriger als in der aktuellen Studie. Möglicherweise haben

Unterschiede zwischen den ADHD Stichproben zusätzlich zur Aufgabenmodifikation

zu den unterschiedlichen Ergebnissen beigetragen: in der aktuellen Studie wurden

ausschließlich Jungen untersucht. In Übereinstimmung mit Untersuchungen zu

geschlechtsspezifischen Auffälligkeiten von ADHD Kindern (Ernst et al., 1994; Gaub

und Carlson, 1997) ist davon auszugehen, dass der Einschluss beider Geschlechter

in Studie 3 zu einer größeren Streuung innerhalb der Gruppe geführt hat. Wie

erwähnt wurden die aktuellen Daten im Rahmen einer fMRI Studie gewonnen, so

dass nicht nur die konkreten Untersuchungsbedingungen andere waren (z.B.

Abstand zum Bildschirm, Unterschiede in der Antwortbox), sondern dies

wahrscheinlich aufgrund des größeren Aufwands der Studie zu einer weiteren

Selektion der Stichprobe geführt hat und die Probanden der aktuellen Studie

möglicherweise wiederum homogener gemacht hat.

Unklar bleibt, warum weder in Studie 3 noch in der aktuellen Studie ein

Gruppenunterschied im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung gefunden wurde.

Dadurch, dass in der Mehrzahl der Durchgänge dem Zielreiz ein Warnreiz

vorausging, beinhaltete sowohl die Original- ANT als auch unsere Modifikation eine

starke „externally- paced“ Komponente. ADHD Patienten scheinen v.a. dann im

Bereich der Aufmerksamkeitsintensität beeinträchtigt, wenn sie selbst das Tempo

angeben können (Swanson et al., 1991; Nigg et al., 1997; van der Meere und

Stermerdink, 1999). Möglicherweise ist durch die hohe Frequenz an Warnsignalen in

der ANT diese intrinsische Aufmerksamkeitsaktivierungskomponente weniger stark

enthalten, so dass durch den permanenten externen Trigger ein relativ stabiles Maß

an Aufmerksamkeitsaktivierung gehalten werden kann.

Zusammenfassend haben unsere Modifikationen der ursprünglichen ANT dazu

geführt, dass sich Gruppenunterschiede zwischen Gesunden und ADHD Kindern

bzgl. der Gesamtzahl an Fehlern und in der Effizienz des Konfliktssystems zeigten.

ADHD Kinder schienen weiter stärker durch einen invaliden räumlichen Hinweisreiz

beeinträchtigt als Kontrollprobanden.

76

Page 81: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

2.6 Altersabhängige Leistungsunterschiede in einem okulomotorischen Fixations-, Pro-, Anti- und Countermanding Sakkaden Paradigma

Spezifische Einleitung

Ziel der folgenden Studie war, anhand der Leistungen von 8- 13 jährigen gesunden

Kindern in einer Fixations-, in einer Pro- und Antisakkaden und in einer

Countermanding Sakkaden Aufgabe die gesunde Entwicklung dieser

Augenbewegungsparameter zu beschreiben und sie in Zusammenhang mit den in

Kapitel 1.3 erläuterten Aufmerksamkeitsmodellen und mit der Entwicklung der

beteiligten neuroanatomischen Strukturen zu bringen. In einer weiteren Studie

(Studie 2.7) sollte dann der gesunde Entwicklungsverlauf mit der okulomotorischen

Kontrolle bei ADHD Patienten verglichen werden.

Zunächst sollen einige Befunde zur Neuronanatomie der Augenbewegungskontrolle

berichtet werden. Anschließend werden Ergebnisse aus okulomotorischen

Entwicklungsstudien beschrieben.

Neuroanatomie der Okulomotorik

Studien zu Einzelzellableitungen bei Primaten (Everling et al., 1998 a,b; Munoz und

Wurtz, 1993a, 1993b, 1995a, 1995b), bildgebende Techniken (Doricchi, 1997,

O’Discoll, 1995, Luna et al., 2001), Studien zu ereigniskorrelierten Potentialen

(Evdokimidis et al., 1996; Klein et al., 2000) und Läsionsstudien an Patienten

(Pierrot-Deseilligny et al., 1995; Rivaud et al., 1994; Pierrot-Deseilligny, 2002) haben

zu einem differenzierten Verständnis der neuronalen Kontrolle von

Augenbewegungen beigetragen. Weiter haben Studien an verschiedenen

Patientenpopulationen wie Schizophrenen oder ADHD Patienten Auffälligkeiten im

Bereich einzelner sakkadischer Parameter gefunden (Clementz et al., 1994; Curtis et

al., 2001; Armstrong und Munoz, 2003). Die Ähnlichkeit okulomotorischer Variablen

zwischen biologischen Verwandten legt somit eine genetische Komponente der

Sakkadenkontrolle nahe (McDoweill und Clementz, 1997; Sreno und Holzman, 1995;

Malone und Iacono, 2002).

77

Page 82: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

S

u

w

(

d

p

e

v

a

O

a

K

Abbildung 2.6.1 Darstellung der an der okulomotorischen Kontrolle beteiligten kortikalenHirnstrukturen (aus Pierrot-Deseilligny et al., 2004) SEF= supplementary eye field, CEF= cingulate eye field, DLPFC= dorsolateral prefrontalcortex, FEF= frontal eye field, SMG= supramarginal gyrus, PCC= posterior cingulated gyrus, SPL= superior parietal lobule, IPA= intraparietal areas, AG= angular gyrus, PEF= posterioreye field, PHC= parahippocampal cortex, HF= hippocampal formation, SC= superiorcolliculus, RF= reticular formations

trukturen des Hirnstammes, des Mittelhirns, des Diencephalons, des Cerebellums

nd des Kortex sind an der sakkadischen Kontrolle beteiligt. Einige dieser Strukturen

erden in Abbildung 2.6.1 mit den ihnen zugeschriebenen Funktionen gezeigt

Pierrot-Deseilligny et al., 2004). In der Formatio Reticularis des Hirnstammes sind

ie sog. Burst-Neurone, die monosynaptisch auf die okulären Motoneurone

rojizieren, und die sog. Omnipauseneuronen zur Sakkadengenerierung von

ntscheidender Bedeutung (Leigh und Kennard, 2003). Die Burstneurone werden

on den Omnipauseneuronen während einer Fixation gehemmt und sind somit

usschließlich während einer Sakkade aktiv (Horn et al., 1994). Die

mnipauseneurone feuern entsprechend nur in Fixationsintervallen und stellen somit

uf Hirnstammebene einen Schalter zur Sakkadengenerierung dar (Leigh und

ennard, 2003).

78

Page 83: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Auf Mittelhirnebene ist der Colliculus Superior eine wichtige sensomotorische

Schaltstelle und ist bei der Sakkadengenerierung vorrangig für schnelle, reflexartige

Augenbewegungen verantwortlich (Trappenberg et al., 2001). Der Colliculus Superior

wird außerdem im Zusammenhang mit reflexiver okulumotorischer Inhibition

diskutiert (Armstrong und Munoz, 2003). Putamen, Nucleus Caudatus und Thalamus

sind als Strukturen der Basalganglien für die Planung und Ausführung intentionaler

oder gelernter Sakkaden und bei komplexem okulomotorischen Verhalten wichtig

(LaBerge et al., 1990; Petit et al., 1993; Hikosaka et al., 1989; Hikosaka und Wurtz,

1985). Die kortikalen Projektionsgebiete dieser Strukturen erlauben weitere

Rückschlüsse auf deren Funktion: der Nucleus Caudatus wurde aufgrund seiner

Projektionen zu dorsolateralen präfrontalen Arealen für die kognitive

Sakkadenkontrolle verantwortlich gemacht (Hikosaka und Wurtz, 1985), während das

Putamen mit seinen Verbindungen zu v.a. motorischen Areale möglicherweise mehr

motorischen Funktionen zuzuordnen ist (Hikosaka und Wurtz, 1985; O’Driscoll et al.,

1995).

Im Cerebellum spielen der dorsale Wurm und der caudale Teil des Nucleus Fastigial

eine entscheidende Rolle für die Sakkadengenauigkeit (Robinson und Fuchs, 2001).

Intakte Strukturen in diesem Bereich führen zur charakteristischen Hypometrie einer

Sakkade, Störungen äußern sich in einem Hinausschießen über den Zielreiz (Leigh

und Zee, 1999).

Kortikale Areale, die an der Skkadenkontrolle beteiligt sind, sind u.a. das frontale

Augenfeld (FEF), das supplementäre Augenfeld (SEF, mediale Area 6), der

dorsolaterale präfrontale Kortex, das anteriore Cingulum und das im posterioren

Parietallappen gelegene posteriore Augenfeld (PEF). Das FEF scheint über

Verbindungen zur Sustantia Nigra Pars Reticulata und den Colliculus Superior

langsame, nicht-visuell gesteuerte, willkürliche Sakkaden zu generieren (Fox et al.,

1984; Bruce und Goldberg, 1985; Petit et al., 1993). Sowohl im FEF als auch im SEF

wurden Neurone gefunden, die v.a. bei Fixationen aktiv sind und so mit der

Blickkontrolle in Verbindung gebracht wurden (Balan und Ferrera, 2003; Paus et al.,

1991). Zusätzlich ist das SEF mit gelerntem motorischen Verhalten (Diber et al.,

1991), mit zeitabhängiger Sakkadenkontrolle (Petit et al., 1996; Schlag et al., 1987;

Gaymard et al., 1990) und mit der Erinnerung und Initiation von Sakkadensequenzen

beschäftigt (Gaymard et al., 1990; Petit et al., 1996). Dorsolaterale präfrontale

Gebiete wurden u.a. hinsichtlich einer Arbeitsgedächtniskomponente diskutiert

79

Page 84: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

(Gaymard et al., 1998; Petit et al., 1993; Carpenter et al., 1988; Leigh und Zhee

1999; Funahashi et al., 1990, 1993; Paus, 1991, Anderson et al., 1994). Das

anteriore Cingulum scheint bei der Augenbewegungskontrolle zusammen mit dem

cingulären Augenfeld im vorderen Cingulum an der Antwortauswahl beteiligt (Paus et

al., 1993; Devinsky et al., 1995) und für eine erfolgreiche okulomotorische Inhibition

entscheidend zu sein (Paus, 1991).

Der superiore Parietallappen ist an der Generierung visuell geleiteter reflexiver

Sakkaden beteiligt (Pierrot-Desseilligny et al., 1991; Bisley und Goldberg, 2003).

Entwicklung einiger Augenbewegungsparameter:

In den folgenden Studien werden eine Fixations-, eine Pro- und eine Antisakkaden

und eine Countermanding Sakkaden Aufgabe verwendet. Im Folgenden soll auf

altersbedingte Veränderungen in den hierfür relevanten Blickbewegungsparametern

eingegangen werden.

Acht- bis Neunjährige zeigen im Vergleich zu Zehnjährigen in einem

Fixationsparadigma ein erhöhtes Maß an reflexiven Prosakkaden (Paus et al., 1990;

Paus, 1989), so dass die Autoren davon ausgehen, dass sich die Fixationskontrolle

bis ins späte Grundschulalter weiter entwickelt.

Unabhängig vom Effektor und von den spezifischen Aufgabenanforderungen

verringert sich die Reaktionslatenz bis ins frühe Erwachsenenalter (z.B. Band und

van der Molen, 2000; Ridderinkhof et al., 1997; Hale et al., 1990). Entsprechend

haben Prosakkadenaufgaben eine altersabhängig lineare Abnahme der

sakkadischen Reaktionszeit belegen können (Fischer et al., 1997; Klein und

Foerster, 2001). Die intraindividuelle Varianz der sakkadischen Reaktionslatenz

scheint hingegen nicht linear mit dem Alter zusammenzuhängen, sie nimmt bis in die

frühe Adoleszenz drastisch ab und verändert sich dann nur noch wenig (Klein, 2001;

(Fischer et al., 1997). Die altersabhängige Zunahme aller Reaktionszeitparameter

wurde mit einer effizienteren Informationsverarbeitung mit zunehmendem Alter in

Verbindung gebracht (Kail, 1993) und wird daher als eher unabhängig von

bestimmten neuroanatomischen Strukturen angesehen. Die Varianz

okulomotorischer Reaktionszeiten hingegen wurde bei Primaten mit Variationen im

Aktivitätsgrad von Neuronen im FEF erklärt (Hanes und Paré, 1996; Trappenberg et

al., 2001) und legt somit die Relevanz des FEF bei der Abnahme der

intraindividuellen Standardabweichung sakkadischer Reaktionszeiten nahe.

80

Page 85: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Pro- und Antisakkadenaufgaben werden gewöhnlich mit Gap- bzw. Overlap

Bedingungen dargeboten. In der Gap- Bedingung verschwindet der zentrale

Fixationspunkt ca. 200 ms, bevor ein peripherer Zielreiz dargeboten wird und führt zu

einer Reduzierung der Reaktionslatenz auf den peripheren Zielreiz (Gap-Effekt,

Walker et al., 1995; Kingstone und Klein, 1993). Bleibt der Fixationspunkt über das

Erscheinen des Zielreizes hinweg bestehen (Overlap-Bedingung), verlängert sich die

Sakkadenlatenz um ca. 100 ms gegenüber der Gap- Bedingung. Der Gap-Effekt

scheint aus zwei Komponenten zu bestehen: zum einen stellt das Verschwinden des

Fixationspunktes ein aufmerksamkeitsaktivierendes Warnsignal dar, zum anderen ist

die Reduzierung der Reaktionszeit durch einen spezifischen Effekt des visuellen

Offsets zu erklären (Forbes und Klein, 1996; Reuter-Lorenz et al, 1991, 1995). Die

erste Konponente lässt sich im Sinne der in Kapitel 1.3 beschriebenen

Aufmerksamkeitsmodelle als Funktion des Aufmerksamkeitsaktivierungssystems

beschreiben (Tam und Stelmach, 1993). Die zweite Komponente des Gap- Effekts

wird als Fixationsoffset oder als Fixations-Release bezeichnet und spiegelt einen

Abfall an Aktivität in den an der Sakakdenkontrolle beteiligten Neuronen des

Colliculus Superior wider (Dorris und Munoz, 1995). Die Reaktionszeitverlängerung

in der Overlap- Bedingung kann als Korrelat der Aufmerksamkeitsloslösung

(Disengage; siehe Kapitel 1.3) betrachtet werden (Tam und Stelmach, 1993; Fischer

und Weber, 1993; Paré und Munoz, 1996; Dorris et al., 1997).

Der okulomotorische Gap Effekt scheint bei Grundschulkindern größer als bei

Erwachsenen (Cohen und Ross, 1978; Klein, 2001; Munoz et al., 1998; Fukushima

et al., 2000), und mit zunehmendem Alter treffen Sakkaden ihr Ziel präziser (Klein,

2001).

In der Antisakkaden Aufgabe folgt einem zentralen Fixationspunkt ein peripher

dargebotener Zielreiz. Der Proband soll eine Sakkade in die dem Zielreiz entgegen

gesetzte Richtung ausführen (Everling et al., 1998). Diese Aufgabe erfordert somit

zunächst die Inhibition der reflexiven Sakkade, dann das Loslösen (Disengage) des

Aufmerksamkeitsfokus vom Zielreiz und schließlich eine räumliche

Arbeitsgedächtniskomponente, um eine Sakkade zum Zielpunkt in der

Gegenrichtung ausführen zu können (Sweeney et al., 2000). Die Leistung in der

Antisakkadenaufgabe hängt stärker mit dem Alter der Probanden zusammen als die

Performanz in der Prosakkadenaufgabe (Klein, 2001; Fischer et al., 1997).

Richtungsfehler und Fehlerkorrekturlatenzen scheinen im Alter von 9- 15 Jahren

81

Page 86: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

drastisch und bis zum Alter von 25 Jahren weiter aber weniger stark abzunehmen

(Fischer et al., 1997; Klein und Foerster, 2001). Eine ähnliche

Leistungsverbesserung wurde für Probanden zwischen dem frühen Schulalter und

dem frühen Erwachsenenalter beschrieben (Fischer et al., 1997; Fukushima et al.,

2000; Klein und Foerster, 2001; Klein, 2001; Munoz et al, 1998). Im späteren

Erwachsenenalter folgt eine Leistungsverschlechterung (Olincy et al., 1997).

Die Countermanding Sakkaden Aufgabe stellt ein weiteres Paradigma zur Messung

der okulomotorischen Inhibitionsleistung dar. Hier folgt in der Mehrzahl der

Durchgänge dem peripher dargebotenen Zielreiz eine Sakkade. In ca. einem Drittel

der Durchgänge wird mit einem variablen Intervall nach Erscheinen des Zielreizes ein

Stopsignal präsentiert, woraufhin der Proband keine Sakkade ausführen soll.

Abbildung 2.6.2 Darstellung des „Horse-Race“ zwischen GO- und STOP- Prozess in derCountermanding Sakkaden Aufgabe (aus Logan und Schachar, 1984)

Der Erfolg der Sakkadeninhibition hängt von der Art des Stop Signals und von der

Dauer des Intervalls zwischen Erscheinen des Zielreizes und Stopsignals (Stop-

Signal Delay) ab (Hallett et al., 1978; Munoz et al., 2003). Der Wettkamp zwischen

Sakkadenausführung und Sakkadeninhibition wurde als „Horse-Race“ zwischen zwei

unabhängigen Prozessen (Logan und Cowan, 1984), dem Go- und dem Stop-

Prozess, bezeichnet. Wie in Abbildung 2.6.2 dargestellt beeinflussen weitere

Faktoren das Ergebnis des „Horse-Race“: die mittlere Reaktionszeit in den

Durchgängen ohne Stopsignal, die mittlere Reaktionszeit auf das Stop-Signal, die

82

Page 87: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Varianz der Reaktionszeit in Durchgängen ohne Stopsignal (Logan et al., 1984, S.

277). Eine schlechte Inhibitionsleistung kann also entweder durch eine schnelle

Reaktion auf das Go-Signal oder durch eine langsame Reaktion auf das Stop-Signal

oder durch eine hohe Varianz in der Go- Reaktionszeit verursacht sein (Logan, 1982,

1983; Cowan und Davis, 1984, Osman et al., 1986).

Die Leistung in dieser Aufgabe verschlechtert sich nach Erreichen des frühen

Erwachsenenalters mit zunehmendem Alter (Kramer et al., 1994; Williams et al.,

1999). Bisher wurden keine Entwicklungsverläufe für Kindheit oder Jugend mit dieser

Aufgabe untersucht. In Studien zur handmotorischen Entsprechung der

Countermanding Aufgabe wird berichtet, dass es im Vor- und Grundschulalter

(Carver et al., 2001) und über die gesamte Lebensspanne zu deutlichen

Veränderungen kommt (Williams et al., 1999).

Zusammenfassend scheint sich die Leistung des Augenbewegungssystems während

Kindheit und Jugend stetig zu verbessern. Es bleibt allerdings unklar, ob

verschiedene Aspekte der okulomotorischen Kontrolle wie z.B. verschiedene

Inhibitionsaspekte wie sie die Fixations-, die Antisakkaden oder Countermanding

Sakkaden Aufgabe messen oder einfache Blickbewegungsparameter wie

Reaktionslatenz oder –genauigkeit unterschiedliche Entwicklungsverläufe zeigen.

Entsprechend der in Kapitel 1.4 beschriebenen Befunde zur Entwicklung der drei

Aufmerksamkeitsnetzwerke erwarten wir, dass sich die inhibitorischen Leistungen

und die der Aufmerksamkeitsloslösung später entwickeln als Parameter der

einfachen sakkadischen Antwortgenerierung (Smothergill und Kraut, 1989; Brodeur

und Enns, 1997; Ruff und Rothbart, 1996, für eine Übersicht). Weiter gehen wir

davon aus, dass die Inhibitionsaspekte am spätesten vorhanden sind, die eine starke

willentliche oder kognitive Inhibitionskomponente enthalten.

Material und Methoden

Probanden und Einschlusskriterien:

34 Kinder im Alter von 8-13 Jahren wurden untersucht. Die Gruppe der 8-10 Jährigen

bestand aus 18 Kindern mit einem mittleren Alter von 9.8 (Std. 0.71, 6 Mädchen), die

Gruppe der 11-13 Jährigen war im Mittel 12.3 (Std. 0.66, 10 Mädchen) Jahre alt.

Zusätzlich wurden 14 Erwachsene (mittleres Alter 25.6 Jahre, Std. 2.2, 7 Frauen)

83

Page 88: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

untersucht. Mit allen Eltern wurde ein semistrukturiertes klinisches Interview (K-DIPS,

Unnewehr et al., 1995) durchgeführt, um das Vorliegen einer

Aufmerksamkeitsstörung auszuschließen. Zusätzlich wurde mit den Kindern ein

Intelligenzsceening mit Hilfe der deutschen Adaptation des „Culture Fair Intelligence

Test- Scale 2 (CFT- 20, Cattell, 1960) durchgeführt, um ein durchschnittliches

intellektuelles Leistungsniveau zu gewährleisten. Die Erwachsenengruppe bestand

aus Studierenden der RWTH Aachen. Keiner der untersuchten Erwachsenen hatte

Aufmerksamkeitsprobleme oder andere neuropsychiatrische Auffälligkeiten in der

Vorgeschichte. Alle Eltern und Kinder und erwachsene Probanden gaben ihr

schriftliches Einverständnis; die Studie war durch die Ethik- Komission des

Universitätsklinikums Aachen genehmigt.

Okulomotorische Aufgaben:

Tracker Host PCTracker Host PC Abbildung 2.6.3

Wie in Abbildung 2.6.3

dargestellt saßen die

Probanden auf einem

höhenverstellbaren Stuhl, 53

cm vom Präsentationsmonitor

entfernt. Während der

Aufgabendurchführung ruhte

das Kinn auf einer höhenverstellbaren Kinnstütze. Die Messung der

Augenbewegungen erfolgte mittels des Eye Link System der SR Research Ltd,

Canada, und der SensoMotoric Instruments GmbH, Teltow, Deutschland. Die

Aufnahmefrequenz lag bei 250 Hz (4 ms Zeitauflösung). Die zeitliche Verzögerung

der Bildverarbeitung ist relativ gering (ca. 6-12 ms). Die Position der Pupillen und der

Lichtquellen werden in Echtzeit verarbeitet, um die Blickposition mit extrem geringen

Störungen und hoher Auflösung (<0.01°) berechnen zu können. Die relative

Auflösung der Blick- und Augenposition beträgt 0,005°. Die Auflösung der Pupille

liegt bei 0.1%, so dass Bewegungen der Pupille ab 0,01 mm zuverlässig erkannt

werden. Das Kopfteil des Eyelink2 Gerätes wurde an die Kopfgröße der

53 cm DisplayComputer

Chin Rest

Eyelink2Head-band

53 cm DisplayComputer

Chin Rest

Eyelink2Head-band

Darstellung des Versuchs-aufbaus, Kinnstütze und Stuhlhöhe wurden an die Größe des Probanden angepasst

84

Page 89: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Versuchsperson angepasst und war so bequem zu tragen. Um Ermüdungseffekten

dennoch vorzubeugen, wurde das Kopfteil nach Beendigung der jeweiligen Aufgabe

kurz abgesetzt. Jede Aufgabe begann mit einer Kalibrierung, nach jeweils 30

Durchgängen folgte eine weitere Kalibrierung. Die Datengewinnung und –reduktion

erfolgte mit Hilfe des zum EyeLink-Systems gehörenden Onlinesakkadenparsers.

Schwellenwerte für das Erkennen einer Sakkade waren 30°/sek

Sakkadengeschwindigkeit, 8000°/sec2 Sakkadenbeschleunigung und 0.15°

Minimalamplitude.

Fixationsaufgabe:

Die Fixationsaufgabe bestand aus 10 Fixationsintervallen von je 30 sec Dauer.

Während des Fixationsintervalls sollte die Versuchsperson einen zentralen Punkt

fixieren. Anschließend sollte eine Sakkade zu einem bei 8° randomisiert links bzw.

rechts dargebotenen Zielreiz erfolgen. Als abhängige Variablen wurden hier die

Anzahl der im

jeweiligen Fixations-

interval aus-

geführten Sakkaden

und die Größe

dieser Sakkaden

analysiert. Jede

Bewegung größer

0.5° wurde als

Sakkade definiert.

Abbildung 2.6.4 Darstellung desVersuchsablaufs für die Fixations-,Pro- und Anti-sakkaden Aufgabeund für dieCountermanding Sakkaden Aufgabe

85

Page 90: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Prosakkaden Aufgabe:

Die Prosakkadenufgabe bestand aus 120 Durchgängen, mit jeweils der Hälfte in der

Gap- bzw. in der Overlap- Bedingung. Entsprechend der gängigen Literatur waren in

den Overlap- Trials Fixationspunkt und Zielreiz für 200 ms gleichzeitig vorhanden,

während der Fixationspunkt in den Gap- Trials mit Erscheinen des Zielreizes

verschwand. Der Zielreiz wurde pseudorandomisiert mit einer Exzentrizität von 8°

links oder recht dargeboten. Abhängige Variablen waren die Latenz der

Primärsakkade, deren Standardabweichung, die Größe der Primärsakkade (=

Genauigkeit der ausgeführten Bewegung) und die Differenz in Sakkadenlatenz

zwischen Overlap- und Gap- Bedingung.

Countermanding Aufgabe:

Die Countermanding Aufgabe bestand aus 180 Trials, von denen 120 als Go-Trials

und 60 als Stop-Trials konzipiert waren und pseudorandomisiert dargeboten wurden.

Ein Fixationspunkt wurde mit einer variablen Dauer von 1000-1500 ms präsentiert.

Anschließend erschien bei 8° links oder rechts der Zielreiz (Go-Trials), und es sollte

eine Sakkade ausgeführt werden. In Stop-Trials folgte dem Erscheinen des Zielreizes

mit einem Intervall von 75ms, 125ms oder 175 ms ein zentral dargebotenes Stop

Signal, woraufhin keine Sakkade in Richtung Zielreiz ausgeführt werden sollte. Als

Sakkade wurden entsprechend der okulomotorischen Entwicklungsliteratur

Augenbewegungen definiert, die größer als 0,5° und kleiner als 12° waren und mit

einer Latenz von 60 bis 800 ms begonnen wurden (Klein, 2001; Katsanis et al., 1998;

Evdokimidis et al., 2002; Cabel et al., 2000; Munoz et al., 1998).

Abhängige Variablen waren die Sakkadenlatenz und deren Varianz in Go-Trials, die

Prozentzahl der korrekt inhibitierten Sakkaden und die Zeit, die zum Stoppen einer

Sakkade benötigt wurde (Stop Signal Reaktionszeit). Die Stop Signal Reaktionszeit

(SSRZ) wird für die Probanden berechnet, die in mindestens 10% und höchstens

90% der Stop Trials einfolgreich inhibierten. Per Instruktion sollen die Probanden in

möglichst wenigen Stop Durchgängen eine Sakkade ausführen, so dass sie Stop

Signal Reaktionszeit nicht direkt messbar ist und aufgrund der am Stop- Prozess

beteiligten Größen (siehe Abbildung 2.6.2) geschätzt werden muss (Logan und

Schachar, 1984). Zunächst wird eine Rangfolge aller Go- Reaktionszeiten gebildet.

Das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit, bei dem jeweiligen Stop-Signal-Delay trotz

Stop- Signal eine Reaktion auszuführen (= Prozent Fehler), und der Anzahl gültiger

86

Page 91: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Go- Durchgänge, ergibt die Größe m (m= P(Reaktion/ Signal)n), anhand der die m-te

Reaktionszeit aus der Rangverteilung der Reaktionszeiten ausgewählt wird. Im

letzten Schritt wird die Größe des Stop Signal Delays von der mten Reaktionszeit

abgezogen. Der Mittelwert aus den so für jedes Stop- Signal Intervall ermittelten Stop

Signal- Reaktionszeiten ergibt die Gesamt SSRZ. Da sich die Reaktionszeit und v.a.

die intraindividuelle Standardabweichung der SRZ in den Go- Durchgängen mit

zunehmendem Alter deutlich verringert (Klein und Foerster, 2001), ist für eine

Vergleichbarkeit zwischen den Altersgruppen eine Korrektur der SSRZ um die Go-

Reaktionszeit und deren intraindividueller Standardabweichung sinnvoll (Logan und

Cowan, 1984; Tannock et al., 1995). Diese korrigierte Größe wird ZSSRZ genannt

und hat einen Mittelwert von 0 und eine Standardabweichung von 1.5 und berechnet

sich folgendermaßen: ZSSRZ = (MSRZ- SSD-SSRZ)/ SdSRZ, wobei MSRZ die

mittlere individuelle Reaktionszeit in GO-Durchgängen und SdSRZ deren

intraindividuelle Standardabweichung darstellen. SSD ist die Länge des jeweiligen

Stop Signal Intervalls, und SSRZ die Stop Signal Reaktionszeit. ZSSRZ wird für

jedes Stop Signal Intervall getrennt ermittelt, und anschließend wird der individuelle

Mittelwert berechnet (Logan und Cowan, 1984).

Antisakkaden Aufgabe:

Die Antisakkaden Aufgabe bestand aus 120 Durchgängen mit der gleichen

Präsentationsprozedur wie in der Prosakkadenaufgabe. Die Probanden hatten hier

allerdings die Aufgabe, eine reflexive Augenbewegung zum Zielreiz zu unterdrücken

und anstelle dessen so schnell wie möglich eine Sakkade in die Gegenrichtung

auszuführen. Hierbei galt es, den imaginär zur gegenüberliegenden Seite

gespiegelten Zielreiz möglichst genau zu treffen. Als abhängige Variable wurde die

Anzahl der Fehler betrachtet.

Statistische Analysen:

Die Anzahl der Sakkaden während eines Fixationsintervalls in der Fixationsaufgabe

wurde mit Hilfe des Kruskal-Wallis Tests zwischen den Gruppen verglichen.

Vergleiche innerhalb einer Person, z.B. hinsichtlich der Sakkadenfrequenz im ersten

und letzten Fixationsintervall, wurden über den Wilcoxon Vorzeichen- Rangtest

angestellt. Da ein Test auf Normalverteilung für die Größe der Sakkaden in der

Fixationsaufgabe eine Normalverteilung der Daten nicht stützte, wurden hier zum

Gruppenvergleich Kruskal-Wallis-Tests bzw. zum Posthoc Vergleich zweier Gruppen

87

Page 92: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

der Mann-Whitney U-Test verwendet. Alle anderen Variablen waren normalverteilt

und zwischen den Gruppen varianzhomogen und wurden über einfaktorielle

Varianzanalysen mit der Altersgruppe als Zwischensubjektfaktor miteinander

vergleichen. Für posthoc Analysen wurde der Bonferroni Test verwendet.

Ergebnisse

Fixationsaufgabe:

Gruppenmittelwerte für Sakkadenfrequenz und –amplitude über alle zehn

Fixationsintervalle ergaben Unterschiede zwischen der jüngeren Kindergruppe und

der Erwachsenengruppe sowohl für die Anzahl an Sakkaden (Chi-Quadrat(2)= 9.69,

p< 0.008) als auch für deren Größe (Chi-Quadrat(2)= 14.37, p <0.001). Die Kinder

machten entgegen der Instruktion mehr und größere Sakkaden während der

Fixationsintervalle. Abbildung 2.6.3 zeigt, dass sich die Leistung beider

Kindergruppen über die Fixationsintervalle hinweg unterschieden: während die

älteren Kinder im ersten Fixationsintervall kleinere Sakkaden machten als die

Jüngeren (Mann-Whitney-U Z= -2.62, p< 0.008), unterschieden sich beide Gruppen

nicht im zehnten Fixationsintervall (Mann-Whitney-U Z =-0.62, p = 0.54). Die Leistung

der Erwachsenen war sowohl im ersten als auch im letzten Fixationsintervall besser

als die der jüngeren Kinder, unterschied sich aber nicht bedeutsam von der der

älteren Kinder. Abbildung und Gruppenvergleiche verdeutlichen somit, dass die

älteren Kinder zunächst eine mit den Erwachsenen vergleichbare Leistung zeigte, die

sich dann aber im Verlauf der Aufgabe immer mehr der Leistung der jüngeren Kinder

anglich. Diese Leistungsverschlechterung wurde durch die Differenz in der

Sakkadenfrequenz zwischen erstem und letztem Fixationsintervall noch deutlicher:

Während die ältere Gruppe im Vergleich zum ersten Intervall im letzten deutlich mehr

Sakkaden machte (Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtest Z= -2,73, p<0.006), zeigte sich

dieser Trend nicht bei den Kleineren (Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtest Z= -1,40,

p=0.163).

Tabelle 2.7.1. Sakkadenzahl und –amplitude im Gruppenvergleich

10 Jahre 13 Jahre Erwachsene Chi²(2) p

Sakkadenzahl (Std)

während Fixationsintervall

11.9 (6.1)

12.9 (9.7)

5.8 (5.9)

9,69

p <0.008

88

Page 93: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Sakkadenamplitude (Std.)

während Fixationsintervall

2.0 (1.5) 1.4 (1.1) 0.7 (0.3) 14.37 p <0.001

0

1

2

3

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Fixationsintervall

Sak

kade

nam

plitu

de in

°

8-10 Jahre 11-13 Jahre Erwachsene

Abbildung 2.6.5 Gruppenmittelwerte fürSakkadenanzahl undSakkadenamplitude überdie zehn Fixations-intervalle

2

6

10

14

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Fixationsintervall

Sacc

aden

freq

uenz

8-10 Jahre 11-13 Jahre Erwachsene

Pro-/ Antisakkenaufgabe:

Die mittlere sakkadische Reaktionszeit (SRZ) war in Gap-Trials schneller als in

Overlap- Trials (t(44)= -18.08, p< 0.001). Es wurde ein signifikanter Alterseffekt für

SRZ gefunden (F(2,42)= 4.61, p< 0.02), wobei die Posthoc-Analyse zeigte, dass die

jüngeren Kinder langsamer reagierten als die Erwachsenen und sich die ältere

Kindergruppe weder von den Jüngeren noch von den Erwachsenen unterschied. Der

Gap Effekt (SRZoverlap- SRZgap) war bei den jüngeren Kindern signifikant größer als

bei den Erwachsenen (F(2,42)= 4.03, p< 0.03). Es ergaben sich erneute keine

89

Page 94: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Gruppenunterschiede zwischen den Kindergruppen und zwischen den Älteren und

den Erwachsenen. Abbildung 2.6.4 legt nah, dass die altersabhängige Zunahme der

Gesamtreaktionsschnelligkeit durch Gruppenunterschiede v.a. in SRZoverlap erklärt

wird. Statistisch zeigte sich allerdings sowohl für SRZgap (t(43)= 2.28, p< 0.03), als

auch für SRZoverlap ein deutlicher Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen

(t(43)= 3.23, p< 0.002).

Abbildung 2.6.4 Verteilung der SRZ aufgeteilt nach Gruppen und Gap-/ Overlap- Trials

0 250 500 7500%

10%

20%

30%

Pnt

roze

1,00 2,00

0 250 500 750

11-13 Jahre

0 250 500 7500%

10%

20%

30%

Proz

ent

90

1,00 2,00

0 250 500 750

Erwachsene

Latenz Gap Latenz Overlap 1,00 2,00

8-10 Jahre

0 250 500 7500%

10%

20%

30%

Proz

ent

0 250 500 750

Page 95: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Die Erwachsenen reagierten genauer als die jüngeren (t(30)= -4.15, p< 0.001), nicht

aber als die älteren Kinder (t(25)= -2.0, p= 0.06). Beide Kindergruppen unterschieden

sich nicht (t(29)= 1.87, p= 0.07). Die Gruppenmittelwerte der intraindividuellen

Standardabweichung der SRZ waren zwischen den Gruppen unterschiedlich

(F(2,42)= 11.81, p<0.001) und ähnlich sich für jüngere und ältere Kinder (t(29)= -

1.78, p =0.09). Entsprechend unterschied sich die intraindividuelle

Standardabweichung der sakkdischen Genauigkeit: Die Gruppen unterschieden sich

insgesamt, beide Kindergruppen reagierten ähnlich und waren in ihrer Genauigkeit

variabler als die Erwachsenen (F(2,42)= 13.46, p<0.001, t(29)= -0.54, p =0.59, t(43)=

5.20, p< 0.001). Zusammenfassend waren SRZ, sakkadische Genauigkeit und der

Gap- Effekt ähnlich zwischen Erwachsenen und der älteren Kindergruppe, die

intraindividuellen Standardabweichung der SRZ und der Genauigkeit veränderte sich

auch nach einem Alter von 13 Jahren noch deutlich.

In der Antisakkaden Aufgabe machten beide Kindergruppen mehr Richtungsfehler

als die Erwachsenengruppe (t(40)= 4.19, p< 0.001), während sich die Kinder

untereinander nicht unterschieden (t(25)= -0.06, p= 0.95).

Abbildung 2.6.5

10

20

30

40

50

8- 10 Jahre 11-13 Jahre Erwachsene

% F

ehle

r

Gruppenmittelwerte und Standardfehler der drei Altersgruppen für die Fehlerprozent in der Antisakkadenaufgabe

91

Page 96: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Tabelle 2.6.2 Variablen der Pro- und Antisakkaden Aufgabe im Gruppenvergleich, dargestellt sind jeweils die Ergebnisse der Varianzanalysen

10 Jahre 13 Jahre Erwach

sene

F

(2,42)

p

Prosakkaden SRZ (Std.)

Prosakkaden SRZ gap

(Std.)

Prosakkaden SRZ overlap

(Std.)

Prosakkaden Amplitude

(Std.)

Prosakkaden Gap Effekt

Prosakkaden

intraindividuelle

Standardabweichung SRZ

(Std)

Prosakkaden

intraindividuelle

Standardabweichung

Amplitude

Antisakkaden Fehler

177 (28)

141 (24)

213 (36)

7.1 (0.6)

72 (24)

68 (23)

1.2 (0.3)

45 (19)

171 (34)

137 (26)

205 (44)

7.5 (0.5)

68 (24)

55 (16)

1.2 (0.2)

44 (22)

148 (21)

123 (20)

173 (25)

7.9 (0.4)

50 (17)

37 (10)

0.7 (0.3)

19 (12)

4.61

2.69

5.31

9.29

4.03

11.81

13.46

8.56

p<0.02

p=0.08

p<0.021

p<0.001

p<0.03

p<0.001

p<0.001

p<0.01

92

Page 97: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Countermanding Sakkaden Aufgabe:

Alle Probanden inhibierten mehr Sakkaden erfolgreich im 75 ms als im 125 ms

(t(42)= 7.53, p< 0.001) oder 175 ms Stop Signal Intervall (SSDelay; t(42)= 9.56, p<

0.001). Die Kinder inhibierten mehr Sakkaden als die Erwachsenen (t(42)= 3.65, p<

0.001).

p

i

u

f

Z

0

0

ä

p

T

C

W

C

Z

Abbildung 2.6.6 Zusammenhang zwischen SRZ

380

Percent inhibition

,9,7,5,3,1

SR

T on

go

trial

s

280

180

Group

Adult

13 Years

10 Years

Da die Wahrscheinlichkeit, eine

Sakkade erfolgreich zu stoppen,

signifikant mit der SRZ in GO Trials

zusammenhing (r= .68, p<0.001,

siehe Abbildung 2.6.6), und

Erwachsene deutlich schneller

reagierten als Kinder (t(42)= 2.32,

< 0.03), wurde ZSSRZ berechnet als um die Sakkadenlatenz und deren

ntraindividuellen Standardabweichung korrigiertes Maß für die Zeit, die benötigt wird,

m auf ein Stop Signal zu reagieren (siehe Methodenteil Studie 2.6). ZSSRZ wurde

ür die Probanden berechnet, deren Inhibitionsleistung zwischen 10% und 90% lag.

SSRZ war für die Erwachsenen deutlich kleiner als für die Kinder (ZSSRZErwachsene

.03 ± 0.42, ZSSRZ10Jährige 0.29 ± 0.59, ZSSRZ13Jährige 0.41 ± 0.21, t(42)= 2.56, p<

.014). Die Kindergruppen unterschieden sich nicht (t(27)= -0.67, p= 0.51), und die

ltere Kindergruppe zeigte größere ZSSRZ Werte als die Erwachsenen (t(26)= -2.24,

< 0.03).

abelle 2.6.3. Variablen der Countermanding Sakkaden Aufgabe 10 Jahre 13 Jahre Erwachsene

ountermanding

ahrscheinlichkeit (p)

ountermanding

SSRZ

0.58 (0.16)

0.29 (0.59)

0.57 (0.10)

0.41 (0.21)

0.39 (0.19)

0.03 (0.42)

F2,40

6.63

F1,39

14.63

p<0.04

p<0.001

in Go Durchgängen und Prozenterfolgreich inhibierter Sakkadenin Stop Durchgängen aufgeteiltnach Gruppen

93

Page 98: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

Spezifische Diskussion

Es zeigten sich Unterschiede zwischen den 8-10 Jährigen und den Erwachsenen in

allen untersuchten Aufgaben. Während die ältere Kindergruppe ähnliche Leistungen

wie die Erwachsenen in Hinblick auf die sakkadische Reaktionszeit und Genauigkeit

und bzgl. des Gap Effekts erzielte, veränderte sich die intraindividuelle Variabilität der

Reaktionszeit, die Leistung in der Fixations-, in der Antisakkaden- und in der

Countermanding Sakkaden Aufgabe weiter zwischen 11-13 Jahren und den

Erwachsenen.

Unsere Fixationsaufgabe legte nah, dass sich die Fähigkeit einer stabilen Fixation

noch nach einem Alter von 13 Jahren weiter entwickelt. Während sich beide

Kindergruppen hinsichtlich der Anzahl der explorativen Sakkaden während der

Fixationsintervalle ähnelten, waren die Sakkaden bei den kleineren Kindern größer.

Weiter zeigten die älteren Kinder ähnliche Leistungen wie die Erwachsenen zu

Beginn der Aufgabe, verschlechterten sich aber im Verlauf so deutlich, dass sie in

den letzten Fixationsintervallen ähnliche Leistungen wie die jüngere Kindergruppe

aufwiesen. Somit scheinen sich die Leistungen in unserer Fixationsaufgabe sowohl

zwischen 8-10 und 11-13 Jahren als auch danach zu verbessern. In

Übereinstimmung hiermit haben andere Autoren eine Verbesserung der

Fixationsleistung bis zum späten Grundschulalter berichtet (Paus, 1990; Klein und

Foerster, 2001). Obwohl diese Studien während der Fixationsintervalle zusätzliche

visuelle Distraktorreize darboten, sind die Befunde einer fortschreitenden

Leistungsverbesserung auch noch nach einem Alter von 11 Jahren vergleichbar mit

den hier berichteten. Zellen, die spezifisch für Fixationen zu sein scheinen, wurden

sowohl im frontalen Augenfeld als auch in supplementär motorischen Arealen

gefunden (Balan und Ferrera, 2003; Paus et al., 1991). Somit könnten unabhängig

davon, dass unsere Aufgabe eine eher motorische als kognitive

Inhibitionskomponente geprüft haben mag, die Leistungsverbesserung in

Fixationsaufgaben mit einer Reifung frontaler Hirnregionen in Verbindung stehen.

In Übereinstimmung mit der Annahme einer verbesserten Informationsverarbeitung

mit zunehmendem Alter (Kail, 1993) fanden wir eine Verringerung der

Reaktionszeiten bei den älteren Probanden. Zwischen der älteren Kindergruppe und

den Erwachsenen zeigte sich keine weitere Abnahme der Reaktionslatenz, was in

Einklang mit Befunden von anderen Arbeitsgruppen steht, die keine Unterschiede

94

Page 99: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

zwischen Teenagern und Erwachsenen in der einfachen Reaktionsvorbereitung

fanden (Fischer et al., 1997). Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die

altersabhängige Abnahme der sakkadischen Reaktionszeit v.a. durch einen

Gruppenunterschied in den Overlap- Durchgängen begründet war. Offensichtlich

hatte der bestehen bleibende Fixationspunkt zwischen den Gruppen einen

unterschiedlichen Effekt auf das Fixationssystem bzw. auf die Disengage-

Komponente des Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerks. Der Befund eines

abnehmenden Gap- Effekts wurde von anderen Autoren bereits als

Entwicklungskorrelat einer verbesserten Aufmerksamkeitsloslösung interpretiert

(Klein und Foerster, 2001). In unserer Studie waren die jüngeren Kinder weniger als

Erwachsene in der Lage, die Aufmerksamkeit von dem bestehenden Fixationspunkt

weg und zum Zielreiz hin zu verschieben, während dies den älteren Kindern

vergleichbar gut gelang (Klein und Foerster, 2001). Somit bestätigen unsere

okulomotorischen Daten die zuvor in handmotorischen Studien gefundenen

entwicklungsbedingten Veränderungen einzelner Aspekte des

Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerks zwischen 8 und 13 Jahren (Akhtar und

Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson, 2000).

11-13 Jährige unterschieden sich hinsichtlich der sakkadischen Genauigkeit weder

von den jüngeren Kindern noch von den Erwachsenen, während die 8-10 Jährigen

weniger genaue Sakkaden machten als die Erwachsenen. Der zerebelläre Wurm

wurde mit der Treffsicherheit von Sakkaden in Verbindung gebracht (Leigh und

Kennard, 2003; Robinson et al., 1993), und morphometrische Veränderungen in

dieser Hirnregion wurden zwischen 8-10 Jährigen und Erwachsenen berichtet

(Jernigan und Tallal, 1990). Unser Befund steht mit diesen morphometrischen

Ergebnissen in Einklang und deutet möglicherweise darauf hin, dass gleiche

Leistungen der sakkadischen Genauigkeit zwischen 11-13 Jährigen und

Erwachsenen für eine strukturelle und/ oder funktionelle Ähnlichkeit des cerebellären

Wurms in diesen beiden Altersgruppen spricht. Da allerdings andere Autoren

morphometrische Veränderungen dieser Strukturen zwischen vier und 18 Jahren

finden (Giedd et al., 1996), sollte diese Vermutung mit Vorsicht betrachtet werden.

Unabhängig von der spezifischen neuroanatomischen Basis sprechen unsere Daten

dafür, dass sich die sakkadische Genauigkeit früh zu entwickeln scheint.

Beide Kindergruppen schwankten in ihrer sakkadischen Reaktionszeit und

Genauigkeit mehr als die Erwachsenen. Eine drastische Verringerung der

95

Page 100: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

intraindividuellen Varianz der Reaktionslatenz und –genauigkeit wurde bereits von

anderen beschrieben (z.B. Klein, 2000; Munoz et al., 1998). Primatenstudien bringen

die Variabilität von okulomotorischen Reaktionszeiten mit Aktivitätsschwankungen in

Neuronen des frontalen Augenfelds in Verbindung (Hanes und Paré, 1996;

Trappenberg et al., 2001). Somit könnten die Variabilitätsmaße in okulomotorischen

Paradigmen die Entwicklung frontaler Kortexregionen widerspiegeln und so die

relativ späten entwicklungsbedingten Verbesserungen erklären.

Die Inhibitonsleistung in der Antisakkadenaufgabe verbesserte sich in

Übereinstimmung mit Befunden aus anderen Arbeitsgruppen auch nach 11-13

Jahren weiter (Klein, 2000; Klein und Foerster, 2001) und bestätigt Ergebnisse, die

relativ späte Leistungsverbesserungen in Aufgaben zeigen, die exekutive oder

Frontallappen- Funktionen messen (Harnishfeger 1995; Band und van der Molen,

2000; Ridderinkhof et al., 1997; Casey et al., 1997). In unserer Studie unterschieden

sich jüngere und ältere Kinder nicht, während andere eine substantielle Reduzierung

der Fehler in Antisakkadenaufgaben zwischen 5-8 und 15 Jährigen berichten (Munoz

et al., 1998). Dieser Unterschied könnte auf die relativ große Altersspanne, die wir für

unsere Kindergruppen definierten, zurückzuführen sein. Elektroenzephalographische

Studien haben eine Antisakkaden- spezifische kontingente negative Variation

gefunden (Brickett, 1984), die mit Aktivität des dopaminergen Systems bzw. mit der

Dopminkonzentration in Verbindung gebracht wurde (Cohen, 1992). Diese Parameter

scheinen zumindest bei Rhesusaffen erst mit dem Alter sexueller Reife mit

Erwachsenen vergleichbar zu sein (Goldman- Rakic et al., 1982). Zusammenfassend

laufen somit Befunde aus hand- und okolomotorischen Studien und aus

Bildgebungs- und Tierversuchen auf die Annahme hinaus, dass eine während der

Adoleszenz fortschreitende Fehlerabnahme in der Antisakkaden Aufgabe tatsächlich

mit Hirnentwicklungsprozessen in Verbindung steht.

In der Countermanding Sakkaden Aufgabe reagierten die Erwachsenen ebenso wie

in den anderen Aufgaben deutlich schneller als die Kinder und waren somit mit einer

höheren Aufgabenschwierigkeit konfrontiert, so dass der Vergleich der Fehlerwerte

kaum Licht auf die Frage nach entwicklungsbedingten Veränderungen in dieser

Inhibitionsleistung wirft. Wurden Unterschiede in der sakkadischen Reaktionszeit und

in deren intraindividuellen Variabilität kontrolliert, zeigte sich, dass Erwachsene

weniger Zeit benötigten, um eine bereits initiierte Sakkade zu stoppen. Bei den

Erwachsenen verteilte sich ZSSRZ um Null, während die Verteilung von ZSSRZ bei

96

Page 101: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.6

den Kindern rechtsseitig verschoben war. In einer Studie zu gesunden Erwachsenen

und Erwachsenen mit ADHD interpretierten Armstrong und Munoz (2003) die

Rechtsverschiebung der ZSSRZ Verteilung in der ADHD Gruppe als „nicht-normale“

Leistung. Übertragen auf unsere Studie hieße dies, dass die Kinder eine im Vergleich

zu den Erwachsenen weniger normale Inhibitionsleistung aufwiesen. Man sollte

allerdings bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Aufgabe die bereits erwähnten

Reaktionszeit- abhängigen Unterschiede in der Aufgabenschwierigkeit beachten.

In einem nächsten Schritt sollen die Leistung von Kindern mit ADHD in den vier

okulomotorischen Untersuchungsparadigmen mit diesem gesunden

Entwicklungsverlauf verglichen werden.

97

Page 102: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

2.7 Okulomotorische Kontrolle bei Kindern mit und ohne ADHD

Spezifische Einleitung

Ziel der folgenden Studie war, erstens bei Kindern mit ADHD zwischen einem

generellen Defizit der okulomotorischen Kontrolle und einem spezifischen

okulomotorischen Inhibitionsdefizit zu unterscheiden. Weiter sollte überprüft werden,

ob ein mögliches Inhibitionsdefizit sich auf bestimmte Aspekte okulomotorischer

Inhibition beschränken lässt. Die bereits beschriebene Prosakkadenaufgabe wurde

verwendet, um generelle okulomotorische Parameter zu erheben. Eine Fixations-,

eine Antisakkaden und eine Countermanding Sakkaden Aufgabe wurden eingesetzt,

um verschiedene inhibitorische Teilaspekte zu untersuchen. In Anlehnung an ein von

Nigg (2001) postuliertes Modell zum Inhibitionsdefizit bei ADHD Patienten wurden

den einzelnen Paradigmen die in Tabelle 2.7.1 dargestellten spezifischen

Inhibitionsprozesse und die daran beteiligten neuronalen Strukturen zugeordnet.

Tabelle 2.7.1 Inhibitionsaspekte, die hier verwendeten jeweiligen okulomotorischen Paradigmen und die entsprechenden neuronalen Korrelate

Inhibition … Okulomotorische

Aufgabe

Neuronales Korrelat

Explorativer intrinsisch

generierter Sakkaden

Fixationsaufgabe Supplementär-motorisches Areal,

präfrontaler Kortex, Striatum

Prepotenter Reaktionen Antisakkaden-

aufgabe

Dorsolateraler präfrontaler Kortex,

frontales Augenfeld (FEF),

supplementäres Augenfeld

Bereits initiierter

ablaufender Reaktion

Countermanding

Sakkaden Aufgabe

anteriorer cingulärer Gyrus,

Colliculus Superior, FEF

Die neuroanatomischen Hintergründe der okulomotorischen Kontrolle wurden bereits

in der Einleitung zu Studie 2.6 ausführlich beschrieben. Im Folgenden sollen die

Befunde zur Augenbewegungskontrolle bei ADHD Patienten bzw. die sich daraus

ergebenden Hypothesen grob in diesen neuroanatomischen Zusammenhang

eingeordnet werden.

Untersuchungen, die sich mit allgemeinen Parametern der okulomotorischen

Kontrolle wie sakkadischer Reaktionslatenz, sakkadischer Genauigkeit und der

98

Page 103: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

intraindividuellen Variabilität von Reaktionsschnelligkeit und –genauigkeit bei

Patienten mit ADHD beschäftigen, liefern kontroverse Ergebnisse: einige Studien

dokumentieren Unterschiede zwischen Gesunden und ADHD Patienten (Klein et al.,

2003; Munoz et al., 2003; Mostofsky et al., 2001), andere berichten von unauffälligen

Leistungen der ADHD Probanden in diesen allgemeinen

Augenbewegungsparametern (Mostofsky et al., 2001; Ross et al., 1994; Ross et al.,

2000). Für die Ausführung reflexiver visuell gesteuerter Augenbewegungen werden

die parietalen Augenfelder, die im posterioren Parietallappen lokalisiert sind,

verantwortlich gemacht (Pierrot-Desseilligny et al., 2004). Wie bereits beschrieben

wird die Variation von sakkadischen Reaktionszeiten mit einer Aktivitäts- Variabilität

der Zellen im frontalen Augenfeld in Verbindung gebracht (Hanes und Schall, 1996;

Trappenberg et al., 2001). Bezüglich der Genauigkeit von Sakkaden scheint der

cerebelläre Wurm eine entscheidende Rolle zu spielen (Leigh und Kennard, 2003;

Robinson et al., 1993).

Die Leistung von ADHD Probanden wurde in unterschiedlichen Fixationsparadigmen

wiederholt als abweichend beschrieben (Munoz et al., 2003; Munoz et al., 1999;

Armstrong und Munoz, 2003; Gould et al., 2001). Je nach spezifischer

Aufgabenstellung beinhalten Fixationsparadigmen die Unterdrückung reflexiver

Sakkaden hin zu einem visuellen Ablenkreiz oder explorativer, intrinsisch ausgelöster

Sakkaden und werden mit Aktivierung in prämotorischen, präfrontalen (Paus et al.,

1991; Balan und Ferrera, 2003; Perrot-Desseilligny, 1994) und striatalen Arealen in

Verbindung gebracht (Doricchi et al., 1997).

Die Antisakkadenaufgabe wurde bereits bei unterschiedlichen Patienpopulationen

verwendet. Einige Autoren beschreiben abweichende Leistungen bei Patienten mit

ADHD (Munoz et al., 2003 ; Mostofsky et al., 2001 ; Munoz et al., 1999; Klein et al.,

2003), während andere keine Unterschiede zwischen Patienten und

Kontrollpersonen finden (Aman et al., 1998; Rothlind et al., 1991). Wie erwähnt

werden sowohl dorsolateral präfrontale (Funahashi et al., 1990; Funahashi et al.,

1993; Sweeney et al., 1996; Luna et al., 2001; Nigg, 2001) als auch motorische und

prämotorische Bereiche als entscheidend für eine gute Performanz in dieser Aufgabe

diskutiert (O’Driscoll et al., 1995).

Bisher wurde die Countermanding Sakkaden Aufgabe lediglich bei erwachsenen

Patienten mit ADHD eingesetzt. Hier wurde im Vergleich zu erwachsenen

99

Page 104: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Kontrollpersonen unter den beiden schwierigeren Untersuchungsbedingungen ein

Defizit in der Inhibtionsleistung nachgewiesen (Armstrong und Munoz, 2003). Mit

Hilfe der handmotorischen Entsprechung der Countermanding Sakkaden Aufgabe,

der Stop- Signal Aufgabe, wurde bei Kindern mit ADHD sowohl die Fehlerzahl als

auch die Zeit, die benötigt wurde, um auf das Stopsignal zu reagieren, als erhöht

beschrieben (Osterlaan et al., 1998; Konrad et al., 2000; Sergeant et al., 2002;

Guerts et al., 2004). Obwohl sich dieser Effekt immer wieder replizieren ließ

(Effektstärke 0.6), ist dieses Defizit nicht spezifisch für ADHD und findet sich somit

auch bei einigen anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen wie z.B. beim high-

functioning Autismus (Guerts et al., 2004; Nigg, 1999). Die Countermanding

Sakkaden Aufgabe wurde mit dem anterioren cingulären Kortex (Ito et al., 2003) und

vermehrter Aktivität in einem frontastriatalen Netzwerk in Verbindung gebracht (Pare

und Hanes, 2003).

Da Bildgebungsstudien Auffälligkeiten in präfrontalen und striatalen Arealen bei

ADHD Patienten betonen (Castellanos et al., 1996; Hynd et al., 1993; Vaidya et al.,

1998; Giedd et al., 2001) und unsere okulomotorischen Aufgaben verschiedene

Aspekte dieser kortikalen und subkortikalen Gebiete involvieren (Funahashi et al.,

1990; Funahashi et al., 1993; Luna et al. 2001; O’Driscoll et al., 1995; Paus et al.,

1991; Balan und Ferrera, 2003; Pierrot-Desseilligny, 1994, Doricchi et al. 1997),

beruhte diese Studie auf folgenden Hypothesen: es wurde erwartet, dass die ADHD

Patienten v.a. in den Aufgaben beeinträchtigt sein würden, die eine starke kognitive

Inhibitionskomponente beinhalten und somit präfrotale Kortexfunktionen

repräsentieren. Somit vermuteten wir den deutlichsten Unterschied zwischen

Kontrollkindern und ADHD Patienten in der Countermanding Sakkaden Aufgabe. Wir

erwarteten weiter Unterschiede in der Antisakkaden- und möglicherweise in der

Fixationsaufgabe, während beide Gruppen in der Prosakkadenaufgabe vergleichbar

sein sollten. Ähnliche Leistungen vermuteten wir v.a. für die Reaktionslatenz und

Reaktionsgenauigkeit.

100

Page 105: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Material und Methoden

Probanden und Einschlusskriterien:

Es wurden zwei Kindergruppen untersucht. Die Patientengruppe bestand aus 22

Kindern mit der Diagnose einer ADHD (7 Mädchen, mittleres Alter 12.0 ± 1.7). Die

Gruppe der gesunden Kinder setzte sich aus 22 Kindern gleichen Alters und

Geschlechts zusammen (8 Mädchen, mittleres Alter 11.8 ± 1.1). Alle Kinder der

ADHD Gruppe erfüllten die Diagnose einer ADHD nach den Kriterien des DSM-IV

(American Psychiatric Association, 1994) und wurden über die Institutsambulanz der

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des

Universitätsklinikums Aachen rekrutiert. Der Diagnoseprozess schloss eine

ausführliche Anamneseerhebung, eine halbstrukturiertes Interview der Eltern zur

Psychopathologie des Kindes (K-DIPS; Unnewehr et al., 1995), eine körperliche

Untersuchung, eine Intelligenztestung und Fragebogenuntersuchung (HAWIK III) und

ein Fragebogenurteil des Verhaltens durch Lehrer und Eltern ein (FBB HKS; CBCL

Child Behavior Checklist). Die ADHD Patienten erreichten deutlich höhere

Gesamtwerte auf den Skalen des FBB HKS (FBB ADHD= 33.6, FBB Kontrollen=

5.8). Der FBB Bogen beinhaltet eine Unaufmerksamkeits-, eine Hyperaktivitäts- und

eine Impulsivitätsskala. Werte von 0-3 sind möglich, Werte von 2 oder 3 werden als

relevant definiert. Für die jeweiligen Skalen sind Grenzwerte von 6,3 bzw.1 relevante

Items festgelegt und weisen somit auf eine hohe Wahrscheinlichkeit für das

Vorliegen einer ADHD hin (Döpfner and Lehmkuhl, 1998). Keines der Kontrollkinder

erreichten einen Wert von 6 auf der Unaufmerksamkeitsskala, und keines der ADHD

Kinder wies hier einen Wert kleiner 6 auf. Kinder mit einem Gesamtintelligenzquotient

von kleiner 80 wurden von der Auswertung ausgeschlossen. Die Kinder der

Kontrollgruppe erreichten einen leicht höheren Intelligenzwert als die ADHD Gruppe

(t(40)= 2.70, p= 0.11). Stichproben Charakteristika für beide Gruppen sind in Tabelle

2.7.2 dargestellt.

Tabelle 2.7.2 Stichproben Charakteristika für beide Gruppen

Kontrollen ADHD

Alter (Std.)

IQ Mittelwert (Std.)

FBB Gesamtwert Mittelwert (Std.)

Diagnose: Kombiniert/ Unaufmerksam

10.1 (1.3)

104.3 (10.8)

5.4 (4.3)

0/ 0

10.4 (1.9)

101.2 (12.3)

33.6 (11.7)

16/ 6

101

Page 106: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

13 ADHD Patienten nahmen regulär Methylphenidat (MPH), hatten aber zum

Zeitpunkt der Untersuchung mindestens 12 Stunden keine Medikation bekommen.

Keines der medizierten Kinder nahm ein MPH lang- wirkendes (retard) Produkt. Für

die kurzwirksamen MPH Produkte mit einer Halbwertszeit von 2 Stunden wird

empfohlen, das Fünffache dieser Zeitspanne als Wash- Out Zeit zu verwenden, um

das Fehlen von Medikationseffekten zu gewährleisten (Rapport und Denney, 1997).

42 Kinder waren normalsichtig, zwei Kinder wurden mit Brille untersucht. Keines der

Kinder hatte die zusätzliche Diagnose einer Psychose, mittelgradigen oder schweren

Depression, tiefgreifenden Entwicklungsstörung oder rezeptiven Sprachstörung.

Keines der Kinder bekam über die MPH Medikation hinausgehende Medikamente.

Eltern und Kinder gaben ihr schriftliches Einverständnis, und die Studie war durch die

Ethik- Komission des Universitätsklinikums Aachen genehmigt.

Der experimentelle Aufbau und die abhängige Variablen entsprachen den im

Methodenteil zu Studie 2.6 beschriebenen Experimentalbedingungen und werden

somit hier nicht erneut ausgeführt.

Zwei ADHD und zwei Kontrollkinder brachen die Testung vor der Antisakkenaufgabe

ab. Aufgrund von Computerproblemen oder fehlerhaften Daten (noise artefacts)

konnten die Daten von zwei Kindern für die Fixationsaufgabe, von vier Kindern für

die Prosakkaden- und von zwei Kindern für die Countermanding Sakkaden Aufgabe

nicht verwertet werden. Somit wurden 20 ADHD und Kontrollkinder für das

Fixationsparadigma, 42 (22 ADHD) für die Pro- und Countermanding Sakkaden

Aufgabe und 40 (20 ADHD) für die Antisakkaden Aufgabe in die Gruppenvergleiche

eingeschlossen.

Statistische Analysen:

Die Anzahl der Sakkaden während eines Fixationsintervalls in der Fixationsaufgabe

wurde mit Hilfe des Mann-Whitney U Tests zwischen den Gruppen verglichen. Da die

Variable „Größe der Sakkaden während des Fixationsintervalls“ nicht normalverteilt

und zwischen den Gruppen nicht varianzhomogen war, wurden hier ebenfalls ein

nonparametrischer Gruppenvergleich mit Hilfe des Mann-Whitney U Tests

durchgeführt. Alle Variablen der Pro-, Anti- und Countermanding Sakkaden Aufgaben

waren normalverteilt und varianzhomogen, so dass hier die Gruppen über zwei-

Stichproben- t-Tests miteinander verglichen wurden. Intraindividuelle Effekte wurden

über paarige t-Tests berechnet. Aufgrund der Anzahl abhängiger Variablen wurde

102

Page 107: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Alpha für die zwei- Stichproben t-Tests auf 0.003 korrigiert. Interaktionen zwischen

der Präsentationsrichtung der Zielreize und der Stop- Signal- Intervalle in der

Counteranding Sakkaden Aufgabe wurden über eine

Messwiederholungsvarianzanalyse berechnet. Pearson Korrelationskoeffizienten

wurden herangezogen, um den Zusammenhang der Aufgaben zueinander zu

untersuchen. Alpha wurde hier aufgrund der Vergleiche innerhalb einer Gruppe auf

0.0017 abjustiert. Abschließend wurde mit Hilfe einer Diskriminanzanalyse überprüft,

ob sich eine Gruppenzugehörigkeit anhand der abhängigen Variablen voraussagen

lässt. Da es aufgrund der Stichprobengröße nicht sinnvoll erschien, alle 14 Variablen

in die Diskriminanzanalyse einzubeziehen, wurden diejenigen Variablen verwendet,

in denen sich Kontroll- und ADHD Kinder deskriptiv am ehesten unterschieden

(Antisakkaden Fehler, mittlere SSRZ, Latenz in Go Trials,

Inhibitionswahrscheinlichkeit, Wahrscheinlichkeit, bei rechtsseitigen Zielreizen zu

inhibieren, mittlere Prosakkaden SRZ und deren intraindividuelle

Standardabweichung). Die Sakkadengröße in der Fixationsaufgabe konnte aufgrund

der fehlenden Normalverteilung nicht mit betrachtet werden. Alle Variablen wurden

gleichzeitig in der Diskriminanzanalyse berücksichtigt.

Ergebnisse

Fixationsaufgabe:

Wurden die Anzahl und die Größe der ausgeführten Sakkaden über alle zehn

Fixatiosintervalle gemittelt, ergaben sich keine Gruppenunterschiede

(Sakkadenanzahl: Mann-Whitney-U Z= -0.92, p = 0.358; Sakkadenamplitude: Mann-

Whitney-U Z= -0.35, p= 0.724).

Tabelle 2.7.3 Sakkadenzahl und –amplitude im Gruppenvergleich

Kontrollen ADHD P

Sakkadenzahl (Std.) während

Fixationsintervall

Sakkadenamplitude (Std.)

während Fixationsintervall

11.7 (8.6)

1.3 (1.0)

13.6 (8.7)

1.8 (2.0)

Mann-Whitney-

U Z= -0.92

Mann-Whitney-

U Z= -0.3

p = 0.36

p = 0.72

103

Page 108: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Abbildung 2.7.1 zeigt Gruppenmittelwerte pro Fixationsintervall für

Sakkadenamplitude und –frequenz. Die ADHD Patienten machten größere Sakkaden

in den ersten vier Fixationsintervallen (Mann-Whitney-U Z= -2.70, p= 0.007), wobei

dieser Trend nach Alpha- Adjustierung die Signifikanzgrenze knapp verfehlte.

5

10

15

20

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Fixationsintervall

Sakk

aden

anza

hl

Kontrolle ADHD

Abbildung 2.7.1

a) Gruppenmittelwerte

für Sakkadenanzahl

über die zehn Fixations-

intervalle

0,5

1,5

2,5

3,5

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Fixationintervall

Sakk

aden

größ

e [°

]

Kontrolle ADHD

Abbildung 2.7.1

b) Gruppenmittelwerte

für Sakkadenamplitude

über die zehn Fixations-

intervalle

Pro-/ Antisakkenaufgabe:

Die mittlere sakkadische Reaktionszeit (SRZ) war in beiden Gruppen in Gap-

schneller als in Overlap- Trials (t(39)= -15.1, p< 0.001). Wie Tabelle 2.7.2 dargestellt,

zeigten beide Gruppen ähnliche Leistungen bzgl. SRZ (t(40)= -0.90, p= 0.38),

sakkadischer Genauigkeit (t(40)= 0.89, p= 0.38), intrasubjekt Standardabweichung

104

Page 109: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

von SRZ (t(40)= 0.14, p= 0.89) oder Genauigkeit (t(40)= 0.60, p= 0.55) und bzgl. des

Gap- Effekts auf die SRZ (SRZoverlap- SRZgap , t(40)= -1.73, p= 0.09). Weder ADHD

noch Kontrollkinder reagierten schneller in Abhängigkeit von der

Targetpräsentationsrichtung (t(19)ADHD= -0.70, p=0.49; t(19)Kontrolle= -0.04, p=0.97).

ADHD Patienten reagierten aber genauer, wenn die Zielreize im linken verglichen mit

dem rechten Hemifeld dargeboten wurde (t(19)= 3.09, p< 0.002), wohingegen sich

diese Überlegenheit der Augenbewegungen nach links bei den Kontrollkindern nicht

zeigte (t(19)= -1.33, p= 0.20).

In der Antisakkenaufgabe zeigte sich ein nicht-signifikanter Trend zu mehr Fehlern in

der ADHD Gruppe (t(40)= 1.44, p = 0.16).

Tabelle 2.7.4 Variablen des Pro- und Antisakkaden Aufgaben im Gruppenvergleich

Kontrollen ADHD t(40) p

Prosakkaden SRZ (Std.)

Prosakkaden SRZ gap (Std.)

Prosakkaden SRZ overlap (Std.)

Prosakkaden Amplitude (Std.)

Prosakkaden Gap Effekt

Prosakkaden intraindividuelle

Standardabweichung SRZ (Std.)

Prosakkaden intraindividuelle

Standardabweichung Amplitude

(Std.)

Antisakkaden Fehler

174 (31)

139 (23)

210 (41)

7.4 (0.6)

70 (24)

58 (14)

1.2 (0.2)

43.1 (22)

165 (37)

137 (33)

193 (45)

7.5 (0.8)

56 (28)

59 (22)

1.2 (0.4)

53 (19)

-0.90

-0.29

-1.23

0.89

-1.73

0.14

0.60

1.44

p = 0.38

p = 0.77

p = 0.23

p = 0.38

p = 0.09

p = 0.89

p = 0.55

p = 0.16

Countermaning Sakkaden Aufgabe:

Alle Probanden inhibierten mehr Sakkaden beim 75 ms Stop-Signal-Intervall (SSD)

als beim 125 (t(41)= 6.46, p< 0.001) oder 175 ms SSD (t(41)= 9.73, p< 0.001).

105

Page 110: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Tabelle 2.7.5 Variablen der Countermading Sakkaden Aufgabe im Gruppenvergleich

Kontrollen ADHD t(40) p

Countermanding Wahrscheinlichkeit

zu inhibieren bei linksseitigen

Zielreizen

Countermanding Wahrscheinlichkeit

zu inhibieren bei rechtsseitigen

Zielreizen

Countermanding SRZ (GO Trials)

Countermanding SSRZ

0.58 (0.16)

0.61 (0.14)

267 (43)

91 (30)

0.47 (0.18)

0.37 (0.15)

237 (37)

113 (51)

-2.2

-5.1

-2.43

1.69

p= 0.04

p< 0.001

p= 0.02

p= 0.09

Die Kontrollkinder zeigten im Vergleich zu den ADHD Patienten eine höhere

Prozentzahl richtiger Inhibitionen (t(40)= -4.00, p< 0.001). Abbildung 2.7.2 legt nahe,

dass die ADHD Patienten v.a. dann schlechtere Leistungen zeigten, wenn die

Zielreize im rechten Halbfeld dargeboten wurden. Eine mehrfaktorielle

Messwiederholungs- Varianzanalyse mit Präsentationsrichtung und Stop- Signal

Delay als inner- Subjekt und Gruppe als Zwischen- Subjekt Faktoren ergab eine

signifikante Richtung*Gruppe Interaktion (F(1,40)= 5.83, p< 0.02). Weiter zeigte sich

ein Haupteffekt für die Stop-Signal-Intervalle und für die Interaktion der Stop Signal

Intervalle mit der Präsentationsrichtung (F(2,39)= 45.84, p< 0.001; F(2,39)= 8.62, p<

0.001).

Die Zeit, die benötigt wurde, um auf ein Stop Signal zu reagieren, war im längsten

Stop- Signal Intervall bei den Patienten etwas länger als bei den Kontrollkindern

(SSDelay 175: t(40)= 2.44, p< 0.02), dieser Gruppenunterschied blieb allerdings

nach Alpha- Korrektur nicht bestehen. ADHD Patienten brauchten länger, um eine

Sakkade ins rechte Halbfeld zu stoppen als bei Sakkaden nach links (t(21ADHD)=

3.25, p< 0.004), wobei dieser Richtungsunterschied in der Kontrollgruppe erneut

nicht vorhanden war (t(19Kontrolle)= 1.73, p= 0.1). In Durchgängen ohne Stop Signal

reagierten die ADHD Patienten tendenziell schneller als die Kontrollkinder (t(40)= -

2.43, p< 0.02) und unterschieden sich nicht bzgl. der intraindividuellen

Standardabweichung der SRZ (t(40)= -1.2, p=0.237).

106

Page 111: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

0,00 250,00 500,00 750,000%

5%

10%

15%

Perc

ent

0,00 250,00 500,00 750,000%

5%

10%

15%

Perc

ent

75,125,175 stop signal delay

SSRZ

GO Reaktionszeit ADHD

GO Reaktionszeit Kontrollen

P(respond) P(inhibit)

SSRZ

P(respond) P(inhibitit)

target presentation

Abbildung 2.7.2

Verteilung der Reaktionszeiten in

Durchgängen ohne Stop Signal

für beide Gruppen. Der Zeitpunkt

der Targetpräsentation wird als

Nullpunkt auf der Zeitachse

definiert, die gestrichelten Pfeile

markieren die drei Stop Signal

Intervalle, 75,125 bzw. 175 ms

nach Targetpräsentation.

Der Gruppenmittelwert der SSRZ

zum mittleren SSD addiert, trennt

theoretisch die SRZ, die zu einer

Reaktion geführt hätten (P(respond))

von den Durchgängen, in denen

der Stop Prozess über den GO

Prozess gewonnen hätte (P(inhibit))

und keine Sakkade ausgeführt

würde

107

Page 112: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

0,1

0,3

0,5

0,7

0,9

SSDelay75 SSDelay125 SSDelay175

Pro

zent

Inhi

bitio

nADHD links Kontrollen links

Abbildung 2.7.3 a) Gruppenmittel-werte und Standardfehler für die Wahr-scheinlichkeit eine Sakkade bei links präsentierten Ziel-reizen zu unter-drücken * Gruppenunter-schied signifikant

Targets links

*

0,1

0,3

0,5

0,7

0,9

SSDelay75 SSDelay125 SSDelay175

Pro

zent

Inhi

bitio

n

ADHD links Kontrolle links

Abbildung 2.7.3 b) Gruppenmittel-werte und Standardfehler für die Wahr-scheinlichkeit eine Sakkade bei rechts präsentierten Ziel-reizen zu unter-drücken * Gruppenunter-schied signifikant

Targets rechts

**

*

Zusammenhang zwischen den Aufgaben

Nach der Alpha-Adjustierung war die SRZ in der Prosakkadenaufgabe lediglich bei

den Kontrollkindern, nicht aber bei der ADHD Gruppe, signifikant mit der

Reaktionslatenz in den GO- Durchgängen der Countermanding Sakkaden Aufgabe

korreliert (Kontrollen: r= .66 p< 0.002; ADHD: r= .51 p= 0.02). Die Fehlerzahl in der

Antisakkadenaufgabe hing nicht bedeutsam mit der SRZ in der Prosakkadenaufgabe

zusammen (Kontrollen: r= -.28 p= 0.245; ADHD: r= -.391 p= 0.108) oder mit der

mittleren SSRZ in der Countermanding Sakkaden Aufgabe (Kontrollen: r= -.11 p=

0.66; ADHD: r= .27 p= 0.276). Die SSRZ war in der Kontroll- nicht aber in der ADHD

Gruppe stark mit der SRZ in den GO Durchgängen der Countermanding Sakkaden

Aufgabe korreliert (Kontrollen: r= .71 p< 0.001; ADHD: r= .11 p= 0.654).

108

Page 113: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Diskriminanzanalyse

Eine Diskriminanzanalyse, die die im Abschnitt 2.7 statistische Analysen

beschriebenen Variablen gleichzeitig betrachtete, ordnete 75% der Fälle den

Gruppen richtig zu. Es ergaben sich ein Eigenwert von 0.80 und eine kanonische

Korrelation von 0.67. Beide Diskriminanzfunktionsverteilungen unterschieden sich

signifikant (Wilk’s Lambda(7)= 0.557, p< 0.01).

Tabelle 2.7.2. Gruppenklassifikation durch die Diskriminanzanalyse

Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit

ADHD Kontrollen

Original Anzahl ADHD

Kontrollen

16 6

5 17

Original Prozent ADHD

Kontrollen

72.7 27.3

22.7 77.3

Spezifische Diskussion

Die beschriebene Studie führte zu zwei Hauptresultaten: erstens legt die

Prosakkadenaufgabe ähnliche Leistungen für beide Gruppen in der sakkadische

Antwortvorbereitung und in der sakkadischen Genauigkeit nahe. Zweitens ergaben

sich aus dem Fixationsparadigma, aus der Antisakkaden- und aus der

Countermanding Sakkaden Aufgabe Hinweise auf defizitäre okulomotorische

Inhibitionsleistungen bei Kindern mit ADHD. Weiter schienen spezifische

Inhibtionsaspekte beeinträchtigt, während andere eher mit der Kontrollgruppe

vergleichbar waren.

Wurden alle relevanten Variablen gleichzeitig betrachtet, gelang eine Vorhersage

über die Zugehörigkeit zur ADHD bzw. Kontrollgruppe in 75% der Fälle. Während

also im Gruppenvergleich sehr deutliche Unterschiede auf der Variablenebene

hervortraten, eigneten sich die Paradigmen weniger gut, die Gruppen zuverlässig

voneinander zu trennen.

In unserer Fixationsaufgabe zeigten sich keine Gruppenunterschiede, wenn

Sakkadenamplitude und –frequenz über alle 10 Fixationsintervalle gemittelt wurden.

Betrachtete man lediglich die ersten vier Fixationsintervalle, so machten die ADHD

Kinder größere Sakkaden während des Fixationsintervalls als die Kontrollkinder.

109

Page 114: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Somit weisen unsere Resultate auf ein eher spezifisches Defizit bei den ADHD

Patienten zu Beginn der Aufgabe als auf eine generelle Beeinträchtigung der

Fixationsleistung hin. Möglicherweise bereitete die Fixation der ADHD Gruppe

besonders am Anfang der Aufgabe Schwierigkeiten, weil die Fixationsaufgabe zu

Beginn der Testung präsentiert wurde und die experimentelle Umgebung den

Probanden noch neu war. Mit anderen Worten waren die Kontrollkinder trotz der

neuen Umgebung in der Lage, den Instruktionen zu folgen und die zentrale Fixation

zu halten, während die ADHD Kinder hier beeinträchtigt waren. Andere Autoren

interpretieren das Ergebnis einer generell difizitären Fixationsleistung als

Fixationsinstabilität (Munoz et al., 2003; Munoz et al., 1999; Gould et al., 2001).

Bezüglich der neuronalen Basis dieser Leistungen bzw. Defizite stimmen die in

Kapitel 1.2 erläuterten ADHD assoziierten Auffälligkeiten in prämotorischen,

präfrontalen und striatalen Hirngebieten mit den an der Fixationskontrolle beteiligten

Gebieten überein (Paus et al., 1991; Balan und Ferrera, 2003; Pierrot-Desseilligny,

1994; Doricchi et al., 1997) und legen einen Zusammenhang zwischen

verhaltensmäßigen und neuronalen Auffälligkeiten nahe.

Das Ergebnis ähnlicher sakkadischer Reaktionszeitparameter in beiden Gruppen

stimmt mit den Befunden anderer Arbeitsgruppen überein (Ross et al., 1994; Ross et

al., 2000) und spricht für eine intakte generelle okulomotorische Kontrolle bei ADHD

Kindern. Andere finden ähnliche Reaktionslatenzen für Patienten und

Kontrollprobanden, berichten aber von einer größeren intraindividuellen Variabilität

der Reaktionszeiten (Mostofsky et al., 2001), was zu Befunden aus handmotorischen

Aufgaben passt (Teicher et al. 1996) und als Evidenz eines Defizits der

Antwortvorbereitung interpretiert wird (Munoz et al., 1999; Munoz et al., 2003). Wie in

der Einleitung zu Studie 6 erläutert wird der posteriore Parietallappen mit der

Ausführung visuell geleiteter reflexiver Sakkaden in Verbindung gebracht (Pierrot-

Deseilligny et al., 1991; Lynch und McLaren, 1989). Befunde sowohl aus

Bildgebungsstudien als auch zur Aufmerksamkeitsverschiebung sprechen gegen

eine generelle Beeinträchtigung dieser Hirngebiete oder -funktionen (Swanson et al.,

1991) und passen zu der hier berichteten durchschnittlichen Leistung der

sakkadischen Antwortvorbereitung.

Da die Variabilität der sakkadischen Reaktionslatenz mit dem frontalen Augenfeld in

Verbindung gebracht werden und ADHD Patienten auch hier Auffälligkeiten

110

Page 115: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

aufweisen, wären Auffälligkeiten in diesem sakkadischen Parameter plausibel,

werden aber nicht von unseren Befunden gestützt.

Wie bereits beschrieben scheint der cerebelläre Wurm für die sakkadische

Genauigkeit entscheidend zu sein (Leigh und Kennard, 2003; Robinson et al., 1993),

der wiederum bei Patienten mit ADHD auffällig zu sein scheint (Berquin et al., 1998).

Defizite in der Antisakkadenaufgabe bei Patienten mit ADHD wurden mit funktionalen

Auffälligkeiten in dorsolateral präfrontalen und striatalen Arealen in Zusammenhang

gebracht (Mostofsky et al., 2001). Entgegen unserer Erwartungen unterschieden sich

unsere ADHD und Kontrollkinder in der Antisakkadenaufgabe nicht in der Fehlerzahl.

Dies stimmt mit den Befunden anderer Arbeitsgruppen überein (Aman et al., 1998;

Rothlind et al., 1991) und spricht für ähnliche Leistungen beider Gruppen in dieser

Art der Interferenzkontrolle. Unterschiede in der Aufgabenstellung sollten allerdings

bei der Interpretation widersprüchlicher Ergebnisse bedacht werden: z.B.

präsentieren andere Untersucher Pro- und Antisakkaden in einer Aufgabe und

variieren die Instruktion blockweise. Dies hätte die Aufgabe möglicherweise schwerer

gemacht und die Unterschiede zwischen ADHD und Kontrollgruppe vergrößern

können (Klein et al., 2003). Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass Patienten

und Kontrollprobanden in der zitierten Studie unterschiedlich schnell regierten

(ADHD: 320 (+- 36) ms, Kontrollen: 288 (+- 40), während sich die Reaktionslatenzen

in unserer Antisakkadenaufgabe nicht zwischen den Gruppen unterschieden (ADHD:

297 (+-80) ms, Kontrollen 294 (+-47) ms).

In der Countermanding Sakkaden Aufgabe inhibierten die ADHD Kinder weniger

Sakkaden erfolgreich als die Kontrollgruppe. Dieser Gruppenunterschied wurde v.a.

im längsten und somit schwierigsten Stop- Signal-Intervall deutlich. Unseres Wissens

nach hat bisher lediglich eine Studie dieses Paradigma zur Untersuchung der

okulomotorischen Inhibition vom ADHD Patienten verwandt (Armstrong und Munoz,

2003). In ihrer Studie waren die ADHD Probanden lediglich dann beeinträchtigt,

wenn das Stop Signal peripher und nicht zentral dargeboten wurde und die Aufgabe

somit besonders schwierig war. Die Autoren gehen davon aus, dass ihr zentrales

Stop Signal automatische, Hirnstamm basierte Inhibitionskreisläufe aktiviert, die

möglicherweise bei ADHD Patienten intakt sind. Peripher präsentierte Stop-Signale

scheinen entsprechend auf cerebralen Inhibitionskreisen zu basieren und bei ADHD

Probanden beeinträchtigt zu sein (Armstrong und Munoz, 2003). In der hier

berichteten Studie führten auch zentrale Stop-Signale zu einer

111

Page 116: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Leistungsbeeinträchtigung, da wir aber die Qualität des Stop Signals nicht variierten,

können wir keine Aussage hinsichtlich Hirnstamm bzw. Kortex basierter

Inhibitionskomponenten machen.

Die ADHD Patienten machten mehr Fehler, wenn die Zielreize im linken im Vergleich

zum rechten Halbfeld präsentiert wurden, während die Kontrollkinder keine

Leistungsunterschiede abhängig vom Präsentationsort zeigten. Bildgebungsstudien

weisen auf eine Hypoaktivität der rechten Hemisphäre bei ADHD Patienten hin

(Rubia et al., 1999). Da Sakkaden grundsätzlich von der Gehirnhälfte kontralateral

zur auszuführenden Bewegung generiert werden (Schall, 1991; Evdokiminis et al.,

1992; Everling et al., 1998, Wauschkuhn et al., 1998; van der Lubbe et al., 2000),

widerspricht die Annahme einer rechtsseitigen Hypofrontalität auf den ersten Blick

unseren Befunden. Es ist allerdings mehrfach gezeigt worden, dass

Lesegewohnheiten Augenbewegungsmuster auch in davon völlig unabhängigen

Situationen beeinflussen (Morikawa und McBeath, 1992). Für von links- nach-rechts

Lesende heißt dies, dass Augenbewegungen nach rechts mit einer größeren

Wahrscheinlichkeit auftreten und somit ein deutlich gewöhnlicheres Reaktionsmuster

darstellen (Deijen et al., 1986). Patienten mit ADHD sind weniger gut in der Lage,

zwischen verschiedenen Reaktionsmustern zu wechseln (McLean et al., 2004;

Hanisch et al., 2004). Somit könne man annehmen, dass die Schwierigkeit bei der

Inhibition rechtsseitiger Sakkaden in der ADHD Gruppe aus der Präferenz von

rechtsseitigen Sakkaden im Alltagsleben und der Unfähigkeit, ein dominantes

Reaktionsmuster zu unterbinden, resultiert. Dieser Argumentation folgend sollte die

Inhibition von Sakkaden nach rechts schwieriger sein. Dieser Lateralitätsunterschied

sollte sich aber lediglich bei Sakkaden, nicht bei handmotorischen Reaktionen

zeigen, wenn die Leserichtung eine Rolle in diesem Vorgang spielt. Bei 6 ADHD

Patienten haben wir neben der okulomotorischen auch eine handmotorische Stop

Signal Aufgabe mit gleicher Stimuluspräsentation und angepassten Stop-Signal

Intervallen (Logan und Irwin, 2000) angewandt. Während diese Probanden ebenso

wie die Gesamtsstichprobe weniger gut Sakkaden nach rechts inhibierten (t(5)= 3.80,

p<0.01), zeigte sich dieser Richtungsunterschied in den Ergebnissen der

handmotorischen Aufgabe nicht (t(5)= 0.29, p= 0.78) und steht somit mit unserer

Hypothese in Einklang.

Weiter konnte als Begründung der häufigen Komorbidität zwischen

Leseschwierigkeiten und ADHD eine deutliche genetische Überlappung zwischen

112

Page 117: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

beiden Störungen gefunden werden (Friedman et al., 2003). Möglicherweise

basieren Lesefähigkeiten und die Leistungen in okulomotorischen Aufgaben auf

ähnlichen Neuropathologien und interagieren aus diesem Grund bei Kontrollkindern

und ADHD Patienten unterschiedlich. In Übereinstimmung mit dieser Hypothese

wurden wiederholt signifikante Zusammenhänge zwischen der Performanz in der

handmotorischen Stop Signal Aufgabe und der Lesefähigkeit gefunden (Nigg, 1999;

Purvis und Tannock, 2000).

Die Zeit, die benötigt wurde, um eine bereits initiierte Sakkade zu stoppen, war im

längsten Stop Signal Intervall bei ADHD Patienten länger als bei den Kontrollkindern,

was wiederum ein Defizit in späten Anteilen des Stop Prozesses unterstreicht.

Unsere Stop Signal Reaktionszeiten waren mit 113 ms für Patienten und 91 für

Kontrollen kürzer als die Zeiten, die von anderen Autoren im Zusammenhang mit

einer okulomotorischen Stop Signal Aufgabe berichtet wurden (Armstrong und

Munoz, 2003; Hanes und Carpenter, 1999). Dies lässt sich auf methodologische

Aspekte wie die Größe der Stop-Signal-Intervalle zurückführen lässt. Längere Stop

Signal Intervalle verführen möglicherweise eher zu einer „Wait and see“ Strategie als

unsere eher kurzen Intervalle. In Übereinstimmung hiermit berichten Armstrong und

Munoz (2003) von primären Reaktionszeiten von 400 (± 125) ms für

Kontrollpersonen und 324 (± 67) ms für ADHD Patienten, während unsere Patienten

nach 236 (± 37) ms und die Kontrollen nach 267 (± 43) ms reagierten. Die

Reaktionszeitdifferenz zwischen der zitierten und unserer Studie ist besonders

erstaunlich, da unsere Probanden ca. 20 Jahre jünger waren und die sakkadische

Reaktionszeit stark altersabhängig ist (siehe Studie 2.6; Klein und Foerster, 2001).

Der Zeitpunkt, an dem der Go-Prozess über den Stop-Prozess siegt, wird häufig als

„point of no return“ beschrieben. Paré und Hanes (2003) schlussfolgerten aus ihrer

Studie zur Sakkadeninhibition bei Rhesusaffen, dass dieser „point of no return“ sehr

spät im Verlauf des Go-Prozesses stattfindet. Auf anatomischer Ebene wurde er mit

Sakkaden bedingter Aktivität im frontalen Augenfeld assoziiert, die 20-30 ms vor

Sakkadenausführung beginnt (Sparks, 1978; Hanes et al., 1995). Obwohl unsere

SSRZs kürzer waren als die, die in Studien mit unterschiedlichen Variationen der

Countermanding Sakkaden Aufgabe berichtet wurden, sind sie dennoch anatomisch

plausibel. Weiter berichten Cable et al. (2000) von Stoplatenzen von 90-126 ms und

somit von mit unseren Ergebnissen vergleichbaren Werten.

113

Page 118: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

2.7

Die Patientengruppe reagierte in unserer Countermanding Sakkaden Aufgabe

schneller als die Kontrollkinder. Man könnte dies darauf zurückführen, dass die

Kontrollkinder die oben erwähnte „wait and see“ Strategie angewandt haben

könnten. Hiergegen spricht allerdings, dass nur bei den Kontrollkindern die

Reaktionszeiten zwischen Pro- und Countermanding Sakkadenaufgabe signifikant

korrelierten. Der Gruppenunterschied in der sakkadischen Reaktionslatenz scheint

somit eher auf einen impulsiveren Reaktionsstil in der ADHD Gruppe in der

Countermanding Sakkaden Aufgabe zurückzuführen zu sein. Mit anderen Worten,

solange inhibitorische Funktionen nicht gefragt waren, zeigten die ADHD Patienten

keinen impulsiveren Arbeitsstil als die Kontrollen. Da die Leistungen der ADHD

Kinder nur unter den schwierigeren Aufgabenbedingungen beeinträchtigt waren

(Zielreiz rechtsseitig präsentiert, längstes Stop Signal Intervall), waren außerdem

lediglich spezifische Aspekte des Stop Prozesses auffällig.

114

Page 119: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Übergre i fende Diskussion

3.1 Zusammenfassung der Studienergebnisse

Ziel der beschriebenen Studien war, das neurokognitive Defizit von Kindern mit

ADHD möglichst genau zu beschreiben und zu den eingangs erläuterten

Aufmerksamkeitsmodellen in Verbindung zu setzen. Es sollte weiter versucht

werden, das Defizit der ADHD Kinder mit dem gesunden Entwicklungsverlauf

einzelner Aufmerksamkeitsfunktionen in Beziehung zu setzen und anhand des

Defizits der Patienten Hypothesen über die der Störung zugrunde liegenden

neuronalen Mechanismen aufzustellen.

Aus einer eher klinischen Perspektive beschäftigten sich Studien 1 und 2 mit der

Frage, ob Vorschüler mit ADHD ähnliche Leistungsdefizite in einer

neuropsychologischen Testbatterie zeigen wie sie bei Grundschülern mit ADHD

bereits beschrieben wurden und ob sich Methylphenidat (MPH) ähnlich auf die

Aufmerksamkeitsleistungen in dieser Altersgruppe auswirkt.

1. Vorschulkinder mit ADHD waren in einer neuropsychologischen Testbatterie

im Vergleich zu gesunden Kontrollkindern in allen untersuchten

Aufmerksamkeitsbereichen beeinträchtigt. Besonders ausgeprägt waren die

Gruppenunterschiede in den Parametern der Aufmerksamkeitsintensität und

bei kontrollierenden Aufmerksamkeitsfunktionen. Insgesamt zeichneten sich

die ADHD Kinder durch einen stark schwankenden, durch kurze

Unaufmerksamkeitsphasen und hohe Impulsivität geprägten Arbeitsstil aus.

Somit fanden sich bei der Vorschulgruppe ähnliche Befunde wie bei

Grundschülern mit ADHD.

2. Methylphenidat (MPH) verbesserte bei Vorschulkindern mit ADHD die

Aufmerksamkeitsintensität und exekutive Aufmerksamkeitsfunktionen in einer

neupsychologischen Testbatterie, so dass auch diese Befunde mit den

Ergebnissen zu Grundschülern mit ADHD vergleichbar sind.

In Studien 3, 4 und 5 wurde zur Abbildung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke ein

einheitliches Untersuchungsparadigma verwendet. Studie 3 sollte den gesunden

Entwicklungsverlauf dokumentieren, Studie 4 beinhaltete einen Vergleich zwischen

Gesunden und ADHD Patienten, und Studie 5 stellte diesen Gruppenvergleich erneut

115

Page 120: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

mit einer modifizierten Version des zunächst verwendeten Paradigmas an. Ziel war,

die in Studie 1 gefunden Defizite über eine modellgeleitete, einheitliche Aufgabe zu

verifizieren.

3. In der Attention Network Task (ANT; Fan et al., 2001) zeigte sich für das

Grundschulalter lediglich eine Verbesserung der Aufmerksamkeitsintensität

mit zunehmendem Alter. Das Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerk und

kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen veränderten sich nicht während

dieser Zeitspanne.

4. ADHD Kinder schnitten in der ANT ähnlich ab wie Kontrollkinder. MPH

vergrößerte den aufmerksamkeitsaktivierenden Effekt visueller Warnreize,

was mit der Beeinflussung des noradrenergen Transmittersystems durch MPH

in Verbindung gebracht wurde. Beide Studien zur ANT konnten die

Hypothesen eines sich im Grundschulalter weiterentwickelnden

kontrollierenden Aufmerksamkeitssystems, das bei ADHD beeinträchtigt ist,

nicht bestätigen, so dass die ursprüngliche Aufgabe anhand theoretischer

Erwägungen modifiziert wurde.

5. Eine modifizierte Version der ANT erbrachte Gruppenunterschiede zwischen

ADHD und Kontrollkindern im Bereich exekutiver Aufmerksamkeitsfunktionen

und tendenziell für die Disengage Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung, wobei die ADHD Gruppe durch inkongruente

Zielreize einem stärkeren kognitiven Konflikt ausgesetzt war und den

Aufmerksamkeitsfokus schlechter von einem irrelevanten Hinweisreiz loslösen

konnte. Somit bestätigte die modifizierte Version der ANT die anfangs

aufgestellte Hypothese eines defizitären exekutiven

Aufmerksamkeitsnetzwerkes und beeinträchtigter Leistungen in der

Aufmerksamkeitsloslösung. Die Aufmerksamkeitsintensität unterschied sich

hier nicht zwischen Gesunden und ADHD Kindern.

Für Studien 6 und 7 wurden einheitliche okulomotorische Aufgaben entwickelt, die

sowohl die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke abbilden, als auch im Bereich

kontrollierender Aufmerksamkeitsfunktionen weiter zwischen verschiedenen

Inhibitionsaspekten unterscheiden sollten. Zunächst wurde der gesunde

Entwicklungsverlauf und anschließend der Vergleich zwischen ADHD und

Kontrollkindern betrachtet. Das okulomotorische Defizit der ADHD Kinder sollte mit

116

Page 121: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

den Erkenntnissen über die neuroanatomische Kontrolle einzelner

Augenbewegungsparameter verbunden werden und so zu Hypothesen bzgl. der am

neurokognitiven Defizit der ADHD beteiligten anatomischen Strukturen führen.

6. Es zeigten sich Unterschiede zwischen den jüngeren Kindern und den

Erwachsenen in allen untersuchten Aufgaben. Während die ältere

Kindergruppe ähnliche Leistungen wie die Erwachsenen in Hinblick auf

sakkadische Reaktionszeit und Genauigkeit und bzgl. des Gap- Effekts

erzielte, veränderte sich die intraindividuelle Variabilität der Reaktionszeit, die

Leistung in der Fixations-, in der Antisakkaden- und in der Countermanding

Sakkaden Aufgabe weiter nach einem Alter von 13 Jahren. Diese Ergebnisse

wurden mit der Reifung präfrontaler Hirnregionen in Verbindung gebracht.

7. Beide Gruppen zeigten ähnliche Leistungen in der sakkadischen

Antwortvorbereitung und in der sakkadischen Genauigkeit. Das

Fixationsparadigma, die Antisakkaden- und die Countermanding Sakkaden

Aufgabe ergaben Hinweise auf defizitäre okulomotorische

Inhibitionsleistungen bei Kindern mit ADHD. Die Tatsache, dass sich dieses

Defizit v.a. in der Countermanding Aufgabe und hier besonders in der

schwierigsten Bedingung zeigte, spricht für Schwierigkeiten dabei, eine

initiierte, bereits ablaufende Reaktion zu unterbrechen. Weiter wird diese

Aufgabe mit einer erhöhten Aktivität im Gyrus Cinguli Anterior in Verbindung

gebracht, so dass unsere Befunde mit den Bildgebungsstudien

übereinstimmen, die dieser Struktur eine wichtige Bedeutung in der

Pathophysiologie der ADHD zuschreiben.

Zusammenfassend sprechen unsere Ergebnisse dafür, dass Vor- und Grundschüler

mit ADHD ähnliche, aber möglicherweise nicht identische neuropsychologische

Defizitprofile aufweisen, die sich v.a. in einer Störung der Aufmerksamkeitsintensität

und exekutiver Aufmerksamkeitsfunktionen zeigen. Im Bereich der

Aufmerksamkeitsverschiebung scheinen die ADHD Kinder dann beeinträchtigt, wenn

die Aufgabe eine Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten

Stimulus oder Ort verlangt. Die Aufgaben, die wir zur Überprüfung der exekutiven

Aufmerksamkeitsfunktionen verwendeten, beinhalteten entweder einen kognitiven

Konflikt oder unterschiedliche Formen der Inhibition. Eine Differenzierung der

117

Page 122: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Inhibitionsprozesse legte nah, dass v.a. das späte Unterbrechen einer bereits

initiierten, ablaufenden Reaktion bei ADHD Grundschülern beeinträchtigt ist.

Im Folgenden sollen nun zunächst Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zwischen ADHD

Vor- und Grundschülern im Detail betrachtet und diese mit Erkenntnissen aus

klinischen und bildgebenden Studien in Verbindung gesetzt werden. Anschließend

sollen die Ergebnisse, die bzgl. der Störung der Aufmerksamkeitsnetzwerke und

einzelner Aspekte exekutiver Funktionen bei ADHD Kindern gewonnen wurden, im

Rahmen von drei Modellen zum Inhibitions- bzw. kognitiven Defizit bei ADHD

diskutiert werden. Das Ende der übergreifenden Diskussion soll sich mit den

klinischen Implikationen und den theoretischen Einwänden beschäftigen.

3.2 Entwicklungsbedingte Veränderungen des ADHD Phänotyps

Unsere Vorschulgruppe unterschied sich in allen untersuchten

Aufmerksamkeitsbereichen von der gesunden Kontrollgruppe. Wenngleich Befunde

zu den drei Aufmerksamkeitsnetzwerken bei Grundschülern mit ADHD nicht

einheitlich sind, sprechen sie doch dafür, dass die Aufmerksamkeitsselektivität

weniger beeinträchtigt ist als die Aufmerksamkeitsintensität oder –aktivierung und

kontrollierende oder exekutive Aufmerksamkeitsfunktionen (Huang- Pollock und

Nigg, 2003, für eine Übersicht). Unsere ADHD Vorschüler waren in Übereinstimmung

mit diesen Befunden auch in den letztgenannten Aufmerksamkeitsbereichen stärker

beeinträchtigt als im posterioren Aufmerksamkeitssystem, dennoch wäre denkbar,

dass hier störungsspezifische Entwicklungsaspekte eine Rolle spielen. Das

posteriore Aufmerksamkeitssystem entwickelt sich wie in Kapitel 1.4 beschrieben

während Vorschul- und Grundschulzeit noch weiter v.a. dann, wenn die Aufgabe eine

Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten Stimulus oder Ort

erfordert (Akhtar und Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson,

2000; Klein, 2001; Klein und Foerster, 2001). In der Diskussion zu Studie 1 wurde

erwähnt, dass unsere Aufgabe zur Überprüfung der Aufmerksamkeitsselektivität

diese Disengage Komponente möglicherweise stärker beinhaltete als zunächst

erwartet. Denkbar wäre nun, dass sich in der ADHD Gruppe diese

Aufmerksamkeitskomponente anders entwickelt als in der Kontrollgruppe. Anders

gesagt, eine störungsspezifische Entwicklungsverzögerung könnte in der ADHD

118

Page 123: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Gruppe dazu geführt haben, dass die Loslösung des Aufmerksamkeitsscheinwerfers

noch schlechter gelingt als in der Kontrollgruppe. Diese Hypothese einer

störungsspezifischen Entwicklungsverzögerung wurde bereits von anderen Autoren

postuliert (Barkley, 1997). Einige Studien zur Aufmerksamkeitsverschiebung bei

Grundschülern mit ADHD finden auch in dieser Altersgruppe, wenn auch nicht

durchgängig, ebenfalls Defizite im Bereich der Aufmerksamkeitsloslösung (Epstein et

al., 1997; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999), so dass es sich auch um ein von

entwicklungsbedingten Veränderungen unabhängiges störungsspezifisches Defizit

handeln könnte. Auf eine mögliche Interaktion aus Entwicklung und Störung wurde

bereits in der Diskussion zu Studie 1 eingegangen.

Bisher existieren unsers Wissens nach keine Studien, die die morphometrische und

strukturelle Hirnentwicklung zwischen Vor- und Grundschülern mit ADHD

vergleichen. Bildgebungsstudien, die anatomische und funktionelle Unterschiede

zwischen Kindern und Erwachsenen mit ADHD betrachten, finden im

Erwachsenenalter eine im Vergleich zu gesunden Probanden stärker ausgeprägte

frontale Hypoaktivität als bei jugendlichen ADHD-Patienten (Ernst et al., 1998). Van

Dyk und Mitarbeiter (2002) fanden bei erwachsenen Patienten im Gegensatz zu den

jüngeren ADHD Probanden keine eindeutigen Abnormitäten in der striatalen

Dopamin-Transporterdichte und brachten dies mit der altersbedingten Abnahme der

motorischen Unruhe in Verbindung.

Bildgebungsstudien zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit ADHD Abweichungen

in der Anatomie und Funktion des Nucleus Caudatus, der Frontallappen, des Corpus

Callosum und des cerebellären Wurms aufweisen (Giedd et al., 1996; Filipek et al.,

1997) sowie eine funktionelle Unteraktivierung in fronto-striatalen Bahnen (Vaidya et

al., 1998). Die gesunde Entwicklung dieser Hirnstrukturen wurde bereits vom

Vorschulalter an untersucht: während sich das Gesamthirnvolumen nach dem 5.

Lebensjahr nicht mehr signifikant zu verändern scheint, nimmt die weiße Substanz

im Alter von 4 bis 18 Jahren zu, wobei die größte Volumenzunahme im Bereich des

präfrontalen Kortex stattfindet (Giedd et al., 1996; Reiss et al., 1996). Das

Basalganglienvolumen, und hier besonders das Volumen des Kopfes des Nucleus

Caudatus, scheint hingegen in dieser Altersspanne graduell abzunehmen

(Thompson et al., 2000). Auch das Cerebellum unterliegt in dieser Alterspanne

reifungsbedingten Veränderungen und erreicht als letzte Hirnstruktur das Volumen

eines Erwachsenen (Doyon et al., 2000).

119

Page 124: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Zusammenfassend legen die Ergebnisse zu altersbedingten Veränderungen des

ADHD Phänotyps zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter nahe, dass

cerebrale Reifungsvorgänge auch zu früheren Zeitpunkten eine Rolle bei einer

altersbedingten Veränderung der ADHD spielen, auch, wenn bisher keine Befunde

zum Vergleich zwischen Vor- und Grundschülern mit ADHD vorliegen.

Einschränkend sollte allerdings bedacht werden, dass sowohl kognitive als auch

Bildgebungsstudien trotz deutlicher Veränderungen im frühen Kindesalter den

Zeitpunkt kurz vor bzw. in der Pubertät für die Reifung präfrontalen Hirngebiete als

entscheidend erachten (Kanemura et al., 2003; Fuster, 1997; Takahashi et al., 1999).

Castellanos und Tannock (2002) schlagen vor, die Gruppe der ADHD Patienten in

fünf Untergruppen zu unterteilen, wobei sie dem Endophänotyp, der v.a. Defizite im

Bereich der Zeitverarbeitung aufweist, besonders cerebellären Auffälligkeiten

zuordnen. Unsere ADHD Vorschulgruppe reagierte schwankender als die

Kontrollgruppe, wie es zwar auch bei Grundschülern mit ADHD beschrieben wurde

(Kuntsi et al., 2001; Kuntsi und Stevenson, 2001). Denkbar wäre aber auch, dass

aufgrund struktureller Veränderungen im Cerebellum im Vorschulalter (Giedd et al.,

1996) dieser Endophänotyp im Vorschulter häufiger vorkommt als im

Grundschulalter.

In einem Vergleich zwischen ADHD Vor- und Grundschülern mit großen

Normstichproben fanden wir, dass 73% der Vorschüler und 72% der Grundschüler

Defizite in mindestens einem Aufmerksamkeitsbereich zeigten und somit hinsichtlich

der Auftretenshäufigkeit von objektivierbaren Aufmerksamkeitsstörungen identisch

waren (Hanisch et al., 2004). Wenn auch möglicherweise die Art der Auffälligkeiten

entwicklungsbedingt unterschiedlich sein mag, spricht dieser Befund gegen die

Annahme einer altersabhängigen grundsätzlichen Veränderung des ADHD

Phänotyps (Döpfner et al., 2000). Aufmerksamkeitsdefizite, die bei ADHD Kindern

auf objektiver neuropsychologischer Ebene bereits vor Schuleintritt vorzuliegen

scheinen, werden möglicherweise aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an die

Aufmerksamkeitsleistung von Vor- und Grundschülern nicht erkannt (Barkley, 1997).

Hierfür sprach weiter, dass die Vorschüler in unserem Vergleich zwischen Vor- und

Grundschülern im Widerspruch zu den neuropsychologischen Befunden als weniger

unaufmerksam beschrieben wurden als die Grundschüler. Ein ähnliches Ausmaß an

motorischer Überaktivität in beiden Gruppen legte aber nah, dass sie vergleichbar

beeinträchtigt waren.

120

Page 125: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Zusammenfassend führen Hirnreifungsprozesse bzw. die Interaktion aus Hirnreifung

und der ADHD möglicherweise zu altersabhängigen Unterschieden in den

neuropsychologischen Defiziten. Unsere Befunde sprechen allerdings dafür, dass

sich die Defizite auch bei Vorschülern mit ADHD v.a. auf die

Aufmerksamkeitsintensität und auf kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen

beziehen.

Bezüglich der Wirksamkeit von MPH auf die Aufmerksamkeitsleistungen von ADHD

Kindern fanden wir bei den Vorschülern ähnliche Ergebnisse wie sie in der Literatur

zu Grundschülern mit ADHD beschrieben wurden (van der Meere, 1995; Tannock et

al., 1995; Konrad et al., 2004). Wie bereits beschrieben ist nicht abschließend

geklärt, ob MPH zu einer generellen Verbesserung der Informationsverarbeitung

führt oder einzelne spezifische Aufmerksamkeitsaspekte beeinflusst (Bedard et al.,

2003). Da sich in unserer Studie 2 alle Variablen im Trend, aber nur die der

Aufmerksamkeitsintensität und kontrollierender Funktionen deutlich verbesserten,

können wir diese Frage ebenfalls nicht beantworten. In Übereinstimmung mit den

Studien, die bei ADHD Vorschülern auf der Verhaltensebene MPH assoziierte

Veränderungen fanden (Connor, 2002), gehen wir davon aus, dass MPH bei

Vorschülern zu ähnlichen Effekten führt wie bei Grundschülern.

Studien, die sich mit dem Einfluss von verschiedenen MPH Dosierungen auf

unterschiedliche Aufmerksamkeitsaspekte beschäftigen, schlagen vor, das

individuelle neuropsychologische Defizitprofil zur Bestimmung der optimalen

Medikationsdosis heranzuziehen (Tannock et al., 1995; Tannock et al., 1999; Konrad

et al., 2004). Während auch bei Grundschülern Uneinigkeit darüber herrscht, ob

Verhaltensbeobachtungsbögen Unaufmerksamkeit unabhängig vom Maß der

Impulsivität und Hyperaktivität messen können (Konrad et al., im Druck; Wolraich et

al., 2003), sprechen unsere Befunde zum fehlenden Zusammenhang zwischen

objektivierbaren Aufmerksamkeitsbeeinträchtigungen und der Bewertung der

Aufmerksamkeitsleistung in der Verhaltensbeobachtung dafür, dass im Vorschulalter

eine Beurteilung der Aufmerksamkeit im Alltag schwierig ist (Hanisch et al., 2004).

Somit scheint gerade im Vorschulalter eine neuropsychologische Diagnostik sinnvoll,

um das Vorliegen einer Aufmerksamkeitsstörung zu objektivieren und Hinweise auf

eine sinnvolle Dosierung der MPH Medikation zu geben.

121

Page 126: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

3.3 Aufmerksamkeitsnetzwerke/ Inhibitionsaspekte

Es wurde davon ausgegangen, dass die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke sowohl

unterschiedliche Entwicklungstrajektorien aufweisen als auch eine unterschiedliche

Rolle im neurokognitiven Defizit der ADHD spielen.

Unsere Entwicklungsstudien sowohl zur ANT als auch mit Hilfe okulomotorischer

Paradigmen sprachen dafür, dass gesunde Kinder bereits im Alter von 5 Jahren in

der Lage sind, die Aufmerksamkeit im Raum auszurichten. Die Fähigkeit, den

Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten Reiz wegzulenken scheint sich

entsprechend unserer Annahmen im Alter zwischen 5 und 13 Jahren noch weiter zu

entwickeln. Beide Untersuchungsmethoden sprachen weiter für eine kontinuierliche

Verbesserung des Aufmerksamkeitsintensitätsnetzwerkes in der untersuchten

Altersspanne. Während unsere Entwicklungsstudie zur ANT keine Veränderungen in

der Leistung des exekutiven Aufmerksamkeitsnetzwerkes belegen konnte, legten

unsere okulomotorischen Inhibitionsparadigmen deutliche Verbesserungen im

Bereich anteriorer Aufmerksamkeitsfunktionen auch nach einem Alter von 13 Jahren

nahe.

Unsere neuropsychologische Testbatterie, die modifizierte Version der ANT und die

okulomotorischen Aufgaben zeigten Unterschiede zwischen ADHD und

Kontrollkindern in der Aufmerksamkeitsintensität und in exekutiven

Aufmerksamkeitsleistungen. Weniger ausgeprägt waren die Gruppenunterschiede im

Bereich der Aufmerksamkeitsausrichtung.

Unsere unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen erbrachten somit

ähnliche Ergebnisse wie wir sie anfangs vermutet hatten sowohl bzgl. der gesunden

Entwicklung als auch bzgl. der ADHD korrelierten Beeinträchtigung der drei

Aufmerksamkeitsnetzwerke. Im Detail zeigten sich allerdings auch Widersprüche

zwischen den Untersuchungsparadigmen, die auf die Operationalisierung der

Aufmerksamkeitsparameter zurückgeführt werden können und im Folgenden

beschrieben werden sollen. Abschließend sollen zwei miteinander konkurrierende

Modelle zum neurokognitiven Defizit bei ADHD Patienten mit unseren Ergebnissen in

Beziehung gesetzt werden.

122

Page 127: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Operationalisierung Aufmerksamkeitsintensität

Die neuropsychologische Testbatterie operationalisierte diesen

Aufmerksamkeitsbereich über eine Aufgabe zur einfachen Reaktionsbereitschaft und

über eine Daueraufmerksamkeitsaufgabe. Gruppenunterschiede zeigten sich v.a. im

Bereich der Daueraufmerksamkeit. Sowohl der ursprüngliche als auch die

modifizierte ANT beinhaltete in Durchgängen, in denen dem Zielreiz ein zentraler

Hinweisstimulus vorausging, eine Komponente der phasischen

Aufmerksamkeitsaktivierung. Keine der beiden ANT Varianten war in der Lage,

Unterschiede zwischen ADHD und Kontrollkindern nachzuweisen. In den

okulomotorischen Untersuchungsparadigmen stellte die Reaktionsgeschwindigkeit in

der Gap- Bedingung der Prosakkadenaufgabe ein ähnliches Maß der phasischen

Alertness dar: ein Teil der Reaktionszeitdifferenz zwischen Gap- und Overlap-

Durchgängen wird auf die aufmerksamkeitsaktivierende Komponente des Erlöschend

des zentralen Fixationsreizes in Gap- Trials zurückgeführt (Findley und Walker,

1999). ADHD und Kontrollkinder reagierten in Gap- Durchgängen gleich schnell und

zeigten somit vergleichbare aufmerksamkeitsaktivierende Effekte.

Die allgemeine Reaktionsgeschwindigkeit und die intraindividuelle Schwankung der

Reaktionsschnelligkeit stellen Maße der Aufmerksamkeitsintensität dar (Sergeant et

al., 1999; Posner und Petersen, 1990; Huang- Pollack und Nigg, 2003), so dass sich

die Güte dieser Aufmerksamkeitskomponente in den Leistungen in anderen

Aufmerksamkeitsbereichen widerspiegelt (Parasuraman et al., 1998; Tucker und

Williamson, 1984). In der neuropsychologischen Testbatterie neigte die ADHD

Gruppe zu größeren intraindividuellen Standardabweichungen der Reaktionslatenz,

in den okulomotorischen Aufgaben zeigte sich dieser Trend nicht. In der ANT wurde

dieses Maß der Reaktionsbereitschaft aus methodischen Erwägungen nicht

betrachtet (siehe Methodenteil Studie 2).

Während somit die ADHD Patienten Leistungsdefizite in der neuropsychologischen

Testbatterie im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität zeigten, fanden wir keine

Gruppenunterschiede über die anderen beiden Herangehensweisen.

Hauptunterschied zwischen unseren Studien war, dass Studie 1 die Fähigkeit

überprüfte, einen tonischen Status der Wachheit und Aufmerksamkeit über die Zeit

aufrecht zu erhalten (Weinberg und Harper, 1993), während Studien 4, 5 und 7

Gruppenunterschiede in der phasischen Alertness aufzudecken versuchten. Die

123

Page 128: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Schwankung der Reaktionslatenz von Durchgang zu Durchgang wird der phasischen

Aufmerksamkeitsaktivierung zugeordnet (Huong- Pollock et al, 2000). Bzgl. beider

Parameter der Aufmerksamkeitsintensität, tonischer und phasischer Alertness, liefert

die ADHD Literatur uneinheitliche Befunde (siehe 1.5). Unsere neuropsychologische

Testbatterie bestätigt das von anderen berichtete ADHD assoziierte

Daueraufmerksamkeitsdefizit (Sergeant et al., 1999; van der Meere und Sergeant,

1988) und legt aufgrund hoher intraindividueller Reaktionszeitschwankungen weiter

Probleme im Bereich der phasischen Aufmerksamkeitsaktivierung nah. Da sich v.a.

die phasische Wachheit im Grundschulalter noch fortentwickelt, könnten

Altersunterschiede in den ADHD Gruppen bei den widersprüchlichen Ergebnissen

zwischen den Untersuchungsmethoden eine Rolle gespielt haben (siehe 3.2).

Andererseits wurde besonders für die Aufrechterhaltung eines aufmerksamen

Wachheitszustandes über die Zeit die Rolle einer intrinsischen, von äußerer

Stimulation unabhängigen Aktivierung betont (van Zomeren und Brouwer, 1994).

ADHD Patienten sind in hohem Maße von einer externen Stimulation abhängig

(Swanson et al., 1991; Nigg et al., 1997; van der Meere und Stermerdink, 1999), so

dass ein Defizit im Bereich der intrinsischen Aktivierung Leistungseinbußen in den

anderen Aufmerksamkeitsaspekten zur Folge gehabt haben könnte (siehe unten).

Operationalisierung Aufmerksamkeitsselektivität

Die neuropsychologische Testbatterie erfasste die Aufmerksamkeitsselektivität über

eine Aufgabe zur fokussierten Aufmerksamkeit. In der Diskussion zu Studie 1 wurde

bereits darauf eingegangen, dass diese spezielle Aufgabe neben Komponenten der

selektiven Wahrnehmung und Aufmerksamkeit auch eine

Aufmerksamkeitsverschiebung im Raum erforderte und das Loslösen des

Aufmerksamkeitsfokus von irrelevanten Reizen und Orten im Raum (DeSonneville,

2001). ADHD Kinder zeigten hier schlechtere Leistungen als Kontrollkinder. Die

ursprüngliche ANT bildete lediglich die Fähigkeit ab, die Aufmerksamkeit im Raum

auszurichten, während die modifizierte Version auch die Disengage Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung überprüfte. Tendenzielle Unterschiede zwischen

ADHD und Kontrollgruppe zeigten sich in der Modifizierung der ANT. In den

okulomotorischen Untersuchungsparadigmen spiegelte die Größe des Gap- Effekts

in der Prosakkadenaufgabe die Fähigkeit wider, den Aufmerksamkeitsfokus vom

bestehen bleibenden Fixationspunkt weg und zum Zielreiz hin zu verschieben. Die

124

Page 129: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Entwicklungsstudie legte nah, dass sich diese Fähigkeit im Alter von 11-13 Jahren

dem Erwachsenen- Niveau anpasst. Die ADHD Kinder zeigten hier vergleichbare

Leistungen wie Kontrollkinder. Um die unterschiedlichen Befunde zwischen den

Untersuchungsmethoden zu erklären, sind mindestens zwei Argumente denkbar:

Erstens könnte der Altersunterschied zwischen den in den drei Studien untersuchten

ADHD Gruppen eine Rolle gespielt haben. Die Disengage- Komponente der

Aufmerksamkeitsverschiebung entwickelt sich später als andere Komponenten

dieses Aufmerksamkeitsbereichs (Akthar und Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989;

Wainright und Bryson, 2000; Klein 2001; Klein und Foerster, 2001), so dass eine

Interaktion aus Entwicklung und Störung den Gruppenunterschied in Studie 1

produziert haben könnte (siehe Kapitel 3.2). Zweitens könnten Unterschiede in der

Erfassung der Aufmerksamkeitsverschiebung Differenzen erklären. Der Gap- Effekt

in der okulomotorischen Aufgabe beinhaltet das Loslösen des zentral ausgerichteten

Aufmerksamkeitsfokus hin zu einem peripher erscheinenden Zielreiz. Das

Erscheinen des peripher dargebotenen Zielstimulus beinhaltet sowohl eine

aufmerksamkeitsaktivierende Komponente als auch eine reflexive

Aufmerksamkeitsausrichtung in die Peripherie (Findley und Walker, 1999; Leigh und

Kennard, 2004). Diese beiden Anteile könnten die Loslösung der Aufmerksamkeit

vom zentralen Fixationspunkt erleichtert und dadurch Gruppenunterschiede

verringert haben. Hierfür spricht, dass in handmotorischen Aufgaben ohne zentrale

Fixation die Aufmerksamkeits- Disengage- Komponente auch in der Pubertät

weniger gut zu gelingen scheint als im Erwachsenenalter (Wainright und Bryson,

2000), wir aber in unserer okulomotorischen Entwicklungsstudie keine Unterschiede

zwischen 11-13 Jährigen und Erwachsnen fanden.

Insgesamt entsprechen somit unserer uneinheitlichen Befunde bzgl. eines ADHD

assoziierten Defizits in der Aufmerksamkeitsausrichtung der Literatur zu diesem

Aufmerksamkeitsbereich, die sowohl Befunde für (Epstein et al., 1997; Swanson et

al., 1991; Wood et al., 1999) als auch solche gegen (Novak et al., 1995; Nigg et al.,

1997; Pearson et al., 1995) ein Defizit im Bereich der Aufmerksamkeitsloslösung

beschreibt. Wir fanden am ehesten dann einen Gruppenunterschied, wenn die

Aufgabe sowohl eine räumliche Aufmerksamkeitsausrichtung als auch eine selektive

Reaktion auf Stimuluskonstellationen beinhaltete, wobei Unterschiede in den

untersuchten Altersgruppen keine eindeutige Schlussfolgerung zulassen.

125

Page 130: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Der posteriore und temporalen Parietallappen und hier v.a. die rechte Hemisphäre

wird mit der Disengage- Komponente der Aufmerksamkeitsverschiebung in

Verbindung gebracht (Friedrich et al. 1998; Karnath et al., 2001; Posner, 1984; Perry

und Zeki, 2000), und es wird angenommen, dass von hier aus starke Verbindungen

zum frontalen Kortex bestehen (Goldman-Rakic et al., 1988). Somit legen die

beteiligten anatomischen Netzwerke eine deutliche Assoziation zwischen exekutivem

Aufmerksamkeitsnetzwerk und der Aufmerksamkeitsloslösung nahe (Posner und

Fan, im Druck). Eine neuere Arbeit zu morphometrischen Auffälligkeiten von ADHD

Kindern fand vergrößerte Volumina im Bereich des bilateralen posterioren

temporalen und posterioren parietalen Kortex und interpretierte dies im Sinne weit

ausgedehnter neuroanatomischer Auffälligkeiten bei ADHD Patienten (Sowell et al.,

2003). Ginge man also davon aus, dass bei ADHD primär das anteriore

Aufmerksamkeitssystem beeinträchtigt ist (Barkley, 1997), scheint plausibel, dass

über die engen inhaltlichen und anatomischen Verbindungen zwischen anteriorem

Netzwerk und der Aufmerksamkeitsloslösung auch im letztgenannten Defizite bei

ADHD Patienten vorliegen.

Operationalisierung exekutive Aufmerksamkeit

Da einem Inhibitionsdefizit eine wichtige Rolle bei der Beschreibung der kognitiven

Störung von ADHD Patienten zukommt (Barkley, 1997; Sergeant et al., 2003),

überprüfen alle hier verwendeten Aufgaben verschiedene Aspekte inhibitorischer

Leistungen. Barkley (1997) unterscheidet drei Formen der Inhibition: Erstens

Inhibition einer prepotenten Reaktion, zweitens Inhibition einer bereits begonnenen

Reaktion und drittens Interferenzkontrolle. Nigg (2001) ordnet die erst genannten

Inhibitionsformen in seinem Modell zum Inhibitionsdefizit bei ADHD Patienten der

exekutiven motorischen Inhibition zu, während er die Interferenzkontrolle separat

betrachtet. Barkleys Einteilung befolgend gehen wir davon aus, dass unsere Go-

Nogo Aufgabe und die Antisakkadenaufgabe die Inhibition einer prepotenten

Reaktion abbildet, während die Countermanding Sakkaden Aufgabe die Inhibition

einer bereits andauernden Reaktion misst. Die Flankierungs-Aufgabe in der ANT

sollte ein Maß für die Interferenzkontrolle darstellen.

Wenngleich somit sowohl Barkley als auch Nigg der Go-Nogo Aufgabe und der

Antisakkadenaufgabe ähnliche Inhibitionsaspekte zuordnen, unterscheiden sich die

Anforderungen doch im Detail: in der Go-Nogo Aufgabe wird durch die häufigere

126

Page 131: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Präsentation des Go-Stimulus ein Reaktionsmodus aufgebaut, der die Reaktion auf

den Zielreiz deutlich erleichtert. Die Reaktionsinhibition auf das Erscheinen des

Nicht-Zielreizes stellt somit eine Unterbrechung des gewohnten Reaktionsmodus dar.

Im Unterschied zur Go-Nogo Aufgabe muss in der Antisakkadenaufgabe nicht nur

eine prepotente Reaktion unterdrückt werden, sondern es muss zusätzlich eine

Sakkade in die Gegenrichtung ausgeführt werden, so dass hier eine

Arbeitsgedächtniskomponente enthalten ist (Funahashi et al., 1990; Sweeney et al.,

1996). Die Literatur, die ADHD assoziierte Defizite in der Go-Nogo Aufgabe

beschreibt, ist umfangreich und geht überwiegend von geringeren Leistungen bei

ADHD Probanden aus (z.B. Borger und van der Meere, 2000; Vaidya et al., 1998;

Trommer et al., 1991). Die Befunde zur Antisakkadenaufgabe sind weniger

einstimmig (Aman et al., 1998; Castellanos et al., 2000; Munoz et al., 1999; Nigg et

al., 2001; Rothlind et al., 1991).

Aufgaben zur exekutiven Aufmerksamkeit werden mit dem präfrontalen Kortex, und

hier v.a. mit den dorsolateralen Anteilen, und dem anterioren Cingulum in

Verbindung gebracht (Casey et al., 1997; Casey et al., 2000; Funahashi et al., 1990;

Funahashi et al., 1993; Sweeney et al., 1996; Luna et al., 2001; Ito et al., 2003),

wobei letztgenanntes mit der aktiven Unterdrückung konkurrierender Reaktionen

assoziiert zu sein scheint (Posner und DiGirolamo, 1998; van Veen et al., 2001;

Isomura et al. 2003). Im Detail widersprechen sich die Befunde hinsichtlich der

genauen Lokalisation Aufgaben- spezifischer Aktivierungen. So bringen einige

Autoren z.B. die Antisakkadenaufgabe eher mit prämotorischen (O’Driscoll 1995) als

mit präfrontalen (Funahashi et al., 1990; Funahashi et al., 1993; Sweeney et al.,

1996; Luna et al., 2001) Arealen in Zusammenhang. Zum Teil widersprüchliche

Befunde lassen sich, wie bereits in der Diskussion zu Studie 7 angesprochen, durch

Unterschiede in der Operationalisierung der Aufgabe erklären. Die Annahme eines

exekutiven Aufmerksamkeitsnetzwerkes, das unabhängig von den spezifischen

Aufgabenanforderungen im präfrontalen Kortex anzusiedeln ist, wurde durch eine

fMRT Studie bestätigt, die für einen Wort- Stroop, einen Farben- Stroop und für eine

Flankierungs- Aufgabe distinkte, aber überlappende Aktivierungen fand (Fan et al.,

2003). Allen Aufgaben gemeinsam war die Aktivierung im anterioren Cingulum und

im präfrontalen Kortex.

Gehen wir also davon aus, dass alle verwendeten Inhibitionsparadigmen das

eingangs postulierte anteriore Aufmerksamkeitssystem aktivieren (Posner und

127

Page 132: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

DiGirolamo, 1998; Posner und Fan, im Druck), ist für die Beschreibung des ADHD

assoziierten Defizits in diesem Aufmerksamkeitsbereich von Interesse, welche

spezifischen Prozesse beeinträchtigt sind. Unsere Studien deuten darauf hin, dass

die exekutive motorische Inhibition, wie sie Nigg (2001) definiert und wie sie die Stop

Signal und die Go-Nogo Aufgabe misst, bei ADHD Kindern beeinträchtigt ist. Unsere

Befunde zur Stop Signal Aufgabe sprachen weiter für ganz spezifische Auffälligkeiten

im Stop Prozess, die sich v.a. dann zeigten, wenn gewohnte Reaktionsmodi

unterdrückt werden mussten (siehe Diskussion zu Studie 7). Andere Aspekte der

motorischen Inhibition wie sie in der Antisakkadenaufgabe gefordert werden,

schienen unbeeinträchtigt. Die Interferenzkontrolle, gemessen über die Flankierungs-

Aufgabe, scheint ebenfalls bei ADHD Kindern schlechter, wobei sich dieses Defizit

durch die Einführung eines verhaltenskontingenten Feedbacks oder durch andere

methodische Aspekte (siehe Einleitung Studie 5) verringern zu lassen schien.

Über die Untersuchungsmethoden hinweg schienen unseren ADHD Probanden im

Bereich exekutiver Aufmerksamkeitsleistungen v.a. die Inhibition gewohnter

Reaktionsmuster weniger gut zu gelingen als den Kontrollkindern.

Gehen wir nun aufgrund unserer Befunde davon aus, dass ADHD Kinder ein Defizit

im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität, und hier v.a. bei der Aufrechterhaltung der

Aufmerksamkeit über die Zeit, und im Bereich der exekutiven Kontrolle v.a. bei der

Unterbrechung gewohnter oder prepotenter Reaktionsweisen haben, stellt sich die

Frage, was diesem Aufmerksamkeitsdefizit zugrunde liegt.

Modelle zum neurokognitiven Defizit der ADHD: Inhibitionsstörung vs. Störung

der Aktivierung

Barkley (1997) beschreibt in seinem Modell zur kognitiven Störung bei ADHD

Patienten, dass übergeordnete Aufmerksamkeitsfunktionen und hier wiederum in

erster Linie die Inhibitionsleistungen primär gestört sind und sekundär andere

kognitiven Funktionen beeinträchtigen. Ein weiteres Modell zum neurokognitiven

Defizit der ADHD, das „cognitive-energetic-model“ von Sergeant und Mitarbeitern

betrachtet die kognitive Störung aus der umgekehrten Perspektive und versteht ein

Defizit im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung oder der Anstrengung als primäre

Störung, das andere Aufmerksamkeitsbereiche in Mitleidenschaft zieht (Sergeant et

al., 1999).

128

Page 133: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Ein Argument für die zweite Annahme ist, dass sich die Leistung von ADHD Kindern

in Inhibitionsaufgaben verbessert, wenn die Präsentationsrate der Stimuli gesteigert

und so das Aktivierungsmaß verändert wird (Van der Meere und Stermerdink, 1999).

Das bereits erwähnte Defizit im Bereich des Belohnungssystems (siehe Diskussion

zu Studie 4; Sonuga- Barke et al., 1992, 1996; Johansen et al., 2002) spricht weiter

für Sergeants Annahme eines ADHD- assoziierten Defizits im Bereich der

Anstrengung.

Barkleys Modell findet Unterstützung in der Beobachtung, dass besonders die

Inhibitionsleistungen bei ADHD Kindern gestört und keinesfalls alle

Aufmerksamkeitsprozesse beeinträchtigt sind, wie man es bei einem grundsätzlichen

Defizit in der Aufmerksamkeitsaktivierung oder Anstrengung wie oben angenommen

erwarten würde (Nigg, 2001).

Unsere Netzwerk orientierte Herangehensweise versucht lediglich, die Unterschiede

zwischen ADHD und Kontrollkindern zu beschrieben und hat nicht den Anspruch zu

klären, welches Defizit einem anderen zugrunde liegt. Die gefundenen Auffälligkeiten

im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität und in kontrollierenden

Aufmerksamkeitsfunktionen sind mit beiden oben beschriebenen Modellannahmen

vereinbar.

3.4 Klinische Relevanz

Im Folgenden sollen zunächst die Vor- und Nachteile unserer drei

Herangehensweisen zur Überprüfung der Aufmerksamkeitsleistungen von ADHD

Kindern für die klinische Praxis erläutert werden. Anschließend soll eine

Stellungnahme zur klinischen Relevanz der Ermittlung eines individuellen

neuropsychologischen Defizitprofils folgen.

Vor- und Nachteile der drei Untersuchungsmethoden

Neuropsychologische Testbatterien wie die Amsterdam Neuropsychological

Testbatterie (DeSonneville, 2001) oder die Testbatterie zur

Aufmerksamskeitsprüfung (Fimm und Zimmermann, 2001) finden seit einiger Zeit

Anwendung in der klinischen Diagnostik von Aufmerksamkeitsstörungen im Kindes-

und Jugendalter, so dass mit diesen und anderen neuropsychologischen

Testverfahren nicht nur umfangreiche Normdaten sondern auch umfassende

129

Page 134: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

klinische Erfahrungen bei der Erfassung von Aufmerksamkeitsstörungen vorliegen

(DeSonneville, 2001; Fimm und Zimmermann, 2001; Costa et al., 2004). Geht es

aber um die Überprüfung einzelner Aufmerksamkeitsaspekte, um z.B. anhand der

Funktionsfähigkeit der jeweiligen Aufmerksamkeitsnetzwerke eine MPH

Dosisempfehlung abzugeben (siehe 1.6), stellt die wenig einheitliche

Operationlisierung verschiedener Aufmerksamkeitsparameter ein Problem dar. In der

klinischen Anwendung sind diese methodischen Aspekte allerdings als eher wenig

bedeutend einzuschätzen.

Eine einheitliche, effiziente und Modell geleitete Erfassung der drei

Aufmerksamkeitsnetzwerke bietet die ANT. In unseren Studien hat sie sich zwar als

weniger geeignet erwiesen, die Gruppen auf Variablenebene voneinander zu

unterscheiden, betrachtete man allerdings die relevanten Variablen gleichzeitig,

konnte eine zuverlässige Vorhersage über die jeweilige Gruppenzugehörigkeit

gemacht werden. Die Erhebung größerer altersabhängiger Stichproben müsste

klären, ob die Befunde zur ursprünglichen und zur modifizierten Version der ANT auf

weitere Stichproben generalisierbar sind bzw. ob sie in der Lage ist, Defizite in den

Aufmerksamkeitsnetzwerken bei ADHD Probanden reliabel aufzudecken.

Vorteil okulomotorischer Paradigmen ist, dass es hier nicht zu einer Konfundierung

von feinmotorischen Komorbiditäten und Aufmerksamkeitsproblemen kommt, so

dass sie gerade bei Kindern, bei denen neben der ADHD auch noch eine fein- oder

grobmotorische Koordinationsstörung vorliegt, eine viel versprechende

Untersuchungsmethode darstellen. Eine Vorhersage über die Gruppenzugehörigkeit

gelang anhand der Leistungen in den ausgewählten Paradigmen allerdings weniger

gut als über die neurpsychologischen Testbatterien oder über die ANT.

Darüber hinaus ist die Datenerhebung und –auswertung bei okulomotorischen

Aufgaben deutlich umfangreicher als bei handmotorischen Computeraufgaben, so

dass dadurch die Verwendbarkeit in der klinischen Diagnostik eingeschränkt ist. In

unseren Voruntersuchungen war es außerdem schwierig, ADHD Kinder unter 8 oder

9 Jahren und deutlich hypermotorische Kinder mit dieser Methode zu untersuchen.

Für den klinischen Einsatz sind somit die neuropsychologischen Testbatterien nach

wie vor am praktikabelsten und können ADHD und Kontrollgruppe am

zuverlässigsten anhand ihrer Leistungsprofile voneinander trennen.

130

Page 135: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Relevanz eines neuropsychologischen Defizitprofils

Unterschiedliche Aufmerksamkeitsleistungen sprechen unterschiedlich gut auf eine

Methylphenidat (MPH) Medikation an (siehe 1.6). Zusätzlich unterscheiden sich die

Dosierungen, von denen Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität auf der

Verhaltensebene optimal profitieren (Swanson et al., 2002). Einige Autoren schlagen

daher vor, in den Dosierungsprozess neuropsychologische Daten mit einzubeziehen

(Tannock et al., 1995; Konrad et al., 2004). Andererseits wird die ökologische

Validität der Aufmerksamkeitsmaße, die durch neuropsychologische Testbatterien

erhoben werden, kontrovers diskutiert (Chaytor und Schmitter- Edgecombe, 2003).

So ist z.B. anzunehmen, dass im Schulalltag kontrollierende

Aufmerksamkeitsfunktionen nicht allein oder unabhängig von beispielsweise

Daueraufmerksamkeitsleistungen gefragt sind. Der geringe Zusammenhang

zwischen neuropsychologischen und verhaltensmäßigen Aufmerksamkeits- und

Aktivitätsmaßen (Konard et al., 2004; Konrad et al., im Druck) legt nah, dass die

Betrachtung einer Variablenebene (z.B. Verhaltensbeurteilungen durch die Lehrer)

möglicherweise zu wenig Informationen bietet und spricht dafür, in den Diagnostik-

und Dosierungsprozess möglichst viele Messgrößen einzuschließen. Der

Zusammenhang zwischen subjektiven und objektiven Größen der Aufmerksamkeit,

Impulsivität und Aktivität wurde bisher kaum systematisch im Zusammenhang mit

einer MPH Medikation untersucht. Die klinische Erfahrung zeigt allerdings, dass

neuropsychologische Defizitprofile bzw. Aufmerksamkeitsuntersuchungen unter

unterschiedlichen MPH Dosierungen eine hilfreiche Unterstützung bei der

Dosisfindung darstellen und gerade in klinisch unklaren Fällen aufschlussreich sein

können. Weiter ist es bei manchen Patienten aufgrund niedriger Behandlungs-

Compliance schwer, Informationen von Lehrern und Eltern zu bekommen, so dass

auch hier der Einschluss neuropsychologischer Daten zur Erweiterung der

Informationen führen kann.

3.5 Kritikpunkte

Die beschriebenen Studien weisen einige generelle Kritikpunkte auf, die im

Folgenden diskutiert werden sollen. Ziel der Studien war, das kognitive Defizit von

Kindern mit ADHD mit Hilfe unterschiedlicher Untersuchungsparadigmen zu

beschreiben. Außerdem sollte ein Vergleich zwischen ADHD Vor- und

131

Page 136: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

Grundschülern vorgenommen werden. Zunächst sollen methodische Schwierigkeiten

der untersuchten Altersgruppen beschrieben werden, anschließend werden einige

generelle Erwägungen zu Problemen der Stichprobenwahl und schließlich zum

Einfluss der Medikation betrachtet.

Alter

Ein besserer Vergleich zwischen den Altersgruppen wäre möglich gewesen, hätte

man pro Untersuchungsmethode jeweils eine Vorschul- und eine Grundschulgruppe

eingeschlossen. Dies war aus praktischen Erwägungen nicht umsetzbar, da im

Vorschulalter weitaus weniger Kinder mit ADHD diagnostiziert werden und somit

keine ausreichend großen Stichproben hätten rekrutiert werden können. Der direkte

Vergleich zwischen neuropsychologischen Defizitprofilen von Vor- und

Grundschülern musste somit aufgrund der Literatur zur Grundschul- ADHD erfolgen

bzw. ein Vergleich zwischen den Untersuchungsmethoden barg die Gefahr einer

Konfundierung von Entwicklungsfaktoren und methodischen Aspekten.

Weiter ist ein Vergleich unterschiedlicher Altersgruppen mit den beschriebenen

Methoden schwierig, da die Aufgaben altersangepasst sein müssten, dann aber

meist schwer vergleichbar sind. Den okulomotorischen Studien gingen z.B.

Pilotuntersuchungen mit jüngeren Kindern voraus. Diese waren allerdings nicht in der

Lage, die Paradigmen auch in vereinfachter Form zu durchlaufen.

Wie sich v.a. in Studie 6 zeigte sind Teilaspekte der untersuchten

Aufmerksamkeitsfunktionen im Grundschulalter einer deutlichen Entwicklung

unterworfen. Durch den Einschluss einer relativ großen Altersbandbreite in den

ADHD Gruppen zu Studien 4,5 und 7 könnte die normale Entwicklung zu einer

Vergrößerung der Gruppenstreuung geführt haben. Darüber hinaus wurde bereits

mehrfach erwähnt, dass eine Interaktion aus Entwicklung und Störung zu anderen

Alterseinfüssen in den ADHD Stichproben als in der Kontrollgruppen geführt haben

könnte. Die beste Möglichkeit, diesen Kritikpunkt zu umgehen, wäre, in zukünftigen

Studien zum einen die Altersbreite geringer zu halten oder alters-, Geschlecht- und

IQ- parallelisierte Paare zwischen Patienten und Kontrollen zu bilden.

Stichprobenauswahl

Es wurde bereits in den Diskussionen der einzelnen Studien erwähnt, dass

Stichprobenunterschiede die Vergleichbarkeit der Untersuchungsmethoden

beeinträchtigt haben könnten. Wie bereits beschrieben gehen einige Autoren davon

132

Page 137: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

3.

aus, dass die Gruppe der ADHD Kinder hinsichtlich ätiologischer und

neuropsychologischer Variablen sehr inhomogen ist (Castellanos und Tannock,

2002). Streng genommen müsste dies bedeuten, dass einer neuropsychologischen

Studie mit ADHD Kindern eine deutlich ausführlichere Diagnostik vorausgehen

müsste, die eine Einteilung in die erwähnten Endophänotypen der Störung und somit

eine Kontrolle für mögliche phänotypische Unterschiede ermöglicht.

Praktisch ist eine solche Phänotypisierung allerdings bisher nicht möglich, ohne sich

der Kritik einer zu stark selektierten Stichprobe aussetzen zu müssen. Ein

Kompromiss wäre, die einzelnen ADHD Subtypen besser zu trennen bzw. getrennt

zu betrachten.

In Übereinstimmung mit der überwiegenden Zahl an Studien zu ADHD wurde in den

beschriebenen Studien auf die Kontrolle von Effekten durch IQ und Komorbiditäten

verzichtet. Einige Autoren betonen allerdings, den deutlichen Einfluss dieser beiden

Variablen auf die Aufmerksamkeitsleistungen von ADHD Patienten (z.B. Nigg, 2001),

so dass eine Kontrolle dieser Faktoren bzw. der strengere Ausschluss komorbider

Störungen ggf. erneut die Streuung innerhalb der Gruppen verringert haben könnte.

Methylphenidat

Ein Kritikpunkt, der den Einfluss von Methylphenidat (MPH) auf die

Aufmerksamkeitsleistung von ADHD Kindern betrifft, ist die Verwendung einer

einzelnen Dosis in Studien 2 und 4. Da es Hinweise darauf gibt, dass verschiedne

kognitive Funktionen unterschiedlich auf MPH reagieren und optimal durch

unterschiedliche Dosierungen beeinflusst werden (siehe Kapitel 1.6), hätten

mindestens eine niedrige und eine hohe besser aber drei Dosierungen

eingeschlossen werden sollen.

Es wurde bereits erwähnt, dass in Studien 1, 4 und 6 problematisch war, dass

sowohl medizierte als auch nicht- medizierte Kinder untersucht wurden. Zwar gehen

wir in Übereinstimmung mit der Literatur davon aus, dass sich die Medikation

aufgrund der kurzen Halbwertszeit nicht direkt auf die Aufmerksamkeitsleistung

ausgewirkt hat, es bleibt allerdings unklar, ob eine längere Einnahme von MPH

möglicherweise zu längerfristigen Veränderungen der funktionellen und strukturellen

Neuronanatomie führt. Wie in Studie 5 geschehen sollten aus diesem Grund

ausschließlich medikationsnaive Kinder untersucht werden.

133

Page 138: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Li teratur

Acosta MT, Arcos-Burgos M, Muenke M (2004), Attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD): complex phenotype, simple genotype? Genet Med 6:1-15

Akhtar N, Enns JT (1989), Relations between covert orienting and filtering in the development of visual attention. J Exp Child Psychol 48: 315-334

Aman CJ, Roberts RJ Jr, Pennington BF (1998), A neuropsychological examination of the underlying deficit in attention deficit hyperactivity disorder: frontal lobe versus right parietal lobe theories. Dev Psychol 34: 956-69

American Psychiatric Association (1994) Diagnostic and statistical manual of mental disorders, 4th ed. Washington, DC

Anderson T, Jenkins L, Brooks D, Hawken M, Frackowiak R, Kennard C (1994), Cortical control of saccades and fixation in man: A PET study. Brain 117: 1073-1084

Arbeitsgruppe deutsche Child Behaviour Check List (1998). Köln: Arbeitsgruppe Kinder- Jugend- und Familiendiagnostik (KJFD).

Armstrong IT, Munoz DP (2003), Inhibitory control of eye movements during oculomotor countermanding in adults with attention-deficit hyperactivity disorder. Exp Brain Res 152: 444-52

Armstrong IT, Munoz DP (2003), Attentional blink in adults with attention-deficit hyperactivity disorder. Influence of eye movements. Exp Brain Res 152: 243-50

Aylward EH, Reiss AL, Reader MJ, Singer HS, Brown JE, Denckla MB (1996), Basal ganglia volumes in children with attention-deficit hyperactivity disorder. J Child Neurol 11: 112-5

Balan PF, Ferrera VP (2003), Effects of gaze shifts on maintenance of spatial memory in macaque frontal eye field. J Neurosci 23:

Band GP, van der Molen MW, Overtoom CC, Verbaten MN (2000), The ability to activate and inhibit speeded responses: separate developmental trends. J Exp Child Psychol 75: 263-90

Barkley RA, Koplowitz S, Anderson T, Mc Murray MB (1997), Sense of time in children with ADHD: effects of duration, distraction, and stimulant medication. J Int Neuropsychol Soc 3: 359-369

Barkley RA (1997), Behavioral inhibition, sustained attention, and executive functions: constructing a unifying theory of ADHD. Psychol Bull 121: 65-94

Barkley RA, Grodinsky G, DuPaul GJ (1992), Frontal lobe functions in attention deficit disorder with and without hyperactivity: A review and research report. J Abnorm Child Psychol 20: 163-188

Barkley RA (1988), The effects of methylphenidate on the interactions of preschool ADHD children with their mothers. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 27:336-41

Barkley RA (1981), Hyperactive children: A handbook for diagnosis and treatment. New York: Guilford Press.

Barr CL, Kroft J, Feng Y, Wigg K, Roberts W, Malone M, Ickowitcz A, Schachar R, Tannock R, Kennedy JL (2002), The Norepinephrine transporter gene and attention- deficit hyperactivity disorder. Am J Med Gen 114: 255-259

Beauchkamp MP, Petit L, Ellmore TM, Ingeholm J, Haxby JV (2001), A parametric fMRI study of overt and covert shifts of visuospatial attention. Neuroimage 14: 23-29

Bedard AC, Nichols S, Schachar R, Logan GD, Tannock R (2002), The development of selective inhibitory control across the life span. Dev Neuropsychol 21: 93-111

134

Page 139: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Berger A, Jones L, Rothbart MK, Posner MI (2000), Computerized games to study the development of attention in childhood. Behav Res Methods Instrum Comput 32:297-303

Berlin L, Bohlin G, Nyberg L, Janols LO (2003). Sustained performance and regulation of effort in clinical and non-clinical hyperactive children. Child Care Health Dev 29: 257-67

Berquin PC, Giedd JN, Jacobsen LK, Hamburger SD, Krain AL, Rapoport JL, Castellanos FX (1998), Cerebellum in attention-deficit hyperactivity disorder: a morphometric MRI study. Neurology 50:1087-93

Biederman J, Mick E, Faraone S, Braaten E, Doyle A, Spencer T, Wilens T, Frazier E, Johnson MA (2002), Influence of gender on attention deficit hyperactivity disorder in children referred to a psychiatric clinic. Am J Psychiatry 159: 36-42

Biedermann J, Milberger S, Faraone S, Kiely K, Guite J, Mick E, Ablon S, Warburton R, Reed E (1995), Family- environment risk factors for ADHD. A test of Rutter’s indicators of adversity. Arch Gen Psychiatry 52: 464-470

Biederman J, Faraone SV, Keenan K, Benjamin J, Krifcher B, Moore C, Sprich-Buckminster S, Ugaglia K, Jellinek MS, Steingard R, et al. (1992), Further evidence for family-genetic risk factors in attention deficit hyperactivity disorder. Patterns of comorbidity in probands and relatives psychiatrically and pediatrically referred samples. Arch Gen Psychiatry 49: 728-38

Bisley JW, Goldberg ME (2003), Neuronal activity in the lateral intraparietal area and spatial attention. Science 299: 81-6

Bisley JW, Goldberg ME (2003), The role of the parietal cortex in the neural processing of saccadic eye movements. Adv Neurol 93:141-57

Borger N, van der Meere J (2000), Visual behaviour of ADHD during an attention test: an almost forgotten variable. J Child Psychol Psychiatry 41: 525-32

Bornstein MH (1990). Attention in infancy and the prediction of cognitive capacities in childhood. In: J. Enns (Ed.). The development of attention: Research and theory (pp.3-19). Amsterdam: North-Holland.

Bortz J (1989), Statistik für Sozialwissenschaftler. Berlin: Springer- Verlag Bradley JD, Golden CJ (2001), Biological contributions to the presentation and

understanding of attention-deficit/hyperactivity disorder: a review. Clin Psychol Rev 21:907-29

Brandeis D, van Leeuwen TH, Rubia K, Vitacco D, Steger J, Pascual-Marqui RD, Steinhausen HC (1998), Neuroelectric mapping reveals precursor of stop failures in children with attention deficits. Behav Brain Res 94: 111-25

Brickett PA, Weinberg H, Davis CM (1984). Cerebral potentials preceding visually triggered saccades. Ann N Y Acad Sci 425: 429-33

Brodeur DA, Boden C (2000), The effects of spatial uncertainty and cue predictability on visual orienting in children. Cog Dev 15: 367-382

Brodeur DA, Enns JT (1997), Covert visual orienting across the lifespan. Can J Exp Psychol 51:20-35

Bruce CJ, Goldberg ME (1985), Primate frontal eye fields. I. Single neurons discharging before saccades. J Neurophysiol 53: 603-35

Bühl A, Zöfel P (2002), SPSS 11. München: Pearson Studium. Bunge SA, Dudukovic NM, Thomason ME, Vaidya CJ, Gabrieli JD (2000), Immature

frontal lobe contributions to cognitive control in children: evidence from fMRI. Neuron 33:301-11

135

Page 140: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Bush G, Frazier JA, Rauch SL, Seidman LJ, Whalen PJ, Jenike MA, Rosen BR, Biederman J (1999), Anterior cingulate cortex dysfunction in attention-deficit/hyperactivity disorder revealed by fMRI and the Counting Stroop. Biol Psychiatry 45:1542-52

Byrne JM, Bawden HN, DeWolfe NA, Beattie TL (1998), Clinical assessment of psychopharmacological treatment of preschoolers with ADHD. J Clin Exp Neuropsychol 20: 613-27

Cabeza R, Nyberg L (2000), Imaging cognition II: An empirical review of 275 PET and fMRI studies. J Cogn Neurosci 12:1-47

Cabel DW, Armstrong IT, Reingold E, Munoz DP (2000), Control of saccade initiation in a countermanding task using visual and auditory stop signals. Exp Brain Res 133: 431-41

Campbell SB (1990), Behaviour Problems in preschool children. New York: Guilford Press.

Canfield RL, Smith EG, Brezsnyak MP, Snow KL (1997), Information processing through the fist year of life: A longitudinal study using the visual expectation paradigm. Monographs of the Society for Research in Child Development, 62 (Serial No.250).

Carlson CL, Mann M (2002), Sluggish cognitive tempo predicts a different pattern of impairment in the attention deficit hyperactivity disorder, predominantly inattentive type. J Clin Child Adolesc Psychol 31: 123-9

Carter CS, Krener P, Chaderjian M., Northcutt C, Wolfe V (1995), Asymmetrical visual-spatial attentional performance in ADHD: evidence for a right hemispheric deficit. Biological Psychiatry 37: 789-797

Carver AC, Livesey DJ, Charles M (2001), Age related changes in inhibitory control as measured by stop signal task performance. Int J Neurosi 107: 43-61

Carver AC, Livesey DJ, Charles M (2001), Further manipulation of the stop-signal task: developmental changes in the ability to inhibit responding with longer stop-signal delays. Int J Neurosci 111:39-53

Casey BJ, Forman SD, Franzen P, Berkowitz A, Braver TS, Nystrom LE, Thomas KM, Noll DC (2001), Sensitivity of prefrontal cortex to changes in target probability: A functional MRI study. Human Brain Mapping 13: 26-33

Casey BJ, Castellanos FX, Giedd JN, Marsh WL, Hamburger SD, Schubert AB, Vauss YC, Vaituzis AC, Dickstein DP, Sarfatti SE, Rapoport JL (1997), Implication of right frontostriatal circuitry in response inhibition and attention-deficit/hyperactivity disorder. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 36:374-83

Casey BJ, Trainor R, Orendi JL, Schubert A, Nystrom LE, Gieed JN, Castellanos FX, Haxby JV, Noll DC, Cohen JD, Forman SD, Dahl RE, Rapoport JL (1997), A Developmental Functional MRI Study of Prefrontal Activation during Performance of a Go-No-Go-Task. J Cog Neurosci 9: 835-847

Castellanos FX, Tannock R (2002), Neuroscience of attention-deficit/hyperactivity disorder: the search for endophenotypes. Nat Rev Neurosci 3: 617-28

Castellanos FX, Giedd JN, Berquin PC, Walter JM, Sharp W, Tran T et al. (2001), Quantitative brain magnetic resonance imaging in girls with attention-deficit/ hyperactivity disorder. Arch Gen Psychiatry 58: 289-295

Castellanos FX (1999), The psychobiology of attention-deficit/ hyperactivity disorder. In: Handbook of Disruptive Behaviour Disorders, Quay HC, Hogan AE (Eds.) New York: Kluwer/ Plenum, pp 179-198

136

Page 141: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Castellanos FX, Giedd JN, Marsh WL, Hamburger SD, Vaituzis AC, Dickstein DP, Sarfatti SE, Vauss YC, Snell JW, Lange N, Kaysen D, Krain AL, Ritchie GF, Rajapakse JC, Rapoport JL (1996), Quantitative brain magnetic resonance imaging in attention-deficit hyperactivity disorder. Arch Gen Psychiatry 53: 607-16

Castellanos FX, Giedd JN, Eckburg P, Marsh WL, Vaituzis AC, Kaysen D, Hamburger SD, Rapoport, JL (1994), Quantitative morphology of the caudate nucleus in Attention Deficit Hyperactivity Disorder. Journal of Psychiatry 151: 1791-1796

Castellanos FX, Elia J, Kruesi MJP, Gulotta CS, Mefford IN, Potter WZ, Ritchie GF, Rapoport JL (1994), Cerebrospinal fluid monoamine metabolites in boys with ADHD. Psychiatric Research 52: 305-336

Chaytor N, Schmitter- Edgecombe M (2003), The ecological validity of neuropsychological tests: a review of the literature on everyday cognitive skills. Neuropsychol Rev 13: 181-97

Chhabildas N, Pennington BF, Willcutt EG (2001), A comparison of the neuropsychological profiles of the DSM-IV subtypes of ADHD. J Abnorm Child Psychol 29: 529-40

Chugani HT, Phelps ME, Mazziotta JC (1987), Positron emission tomography study of human brain functional development. Ann Neurol 22: 487-97

Clementz BA, McDowell JE, Zisook S (1994), Saccadic system functioning among schizophrenia patients and their first-degree biological relatives. J Abnorm Psychol103: 277-87

Clohessy AB, Posner MI, Rothbart MK (2001), Development of the functional visual field. Acta Psychol (Amst) 106: 51-68

Cohen ME, Ross LE (1978), Latency and accuracy characteristics of saccades and corrective saccades in children and adults. J Exp Child Psychol 26: 517-27

Connor DF, Edwards G, Fletcher KE, Baird J, Barkley RA, Steingard RJ (2003), Correlates of comorbid psychopathology in children with ADHD. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 42: 193-200

Cook EH Jr, Stein MA, Krasowski MD, Cox NJ, Olkon DM, Kieffer JE, Leventhal BL (1995), Association of attention-deficit disorder and the dopamine transporter gene. Am J Hum Genet 56:993-8

Corbetta M, Kincade JM, Ollinger JM, McAvoy MP, Shulman GL (2000), Voluntary orienting is dissociated from target detection in human posterior parietal cortex. Nat Neurosci 3: 292-7

Corbetta M (1993), Positron emission tomography as a tool to study human vision and attention. Proc Natl Acad Sci U S A 90:10901-3

Corbetta M, Miezin FM, Dobmeyer S, Shulman GL, Petersen SE (1991). Selective and divided attention during visual discriminations of shape, color, and speed: functional anatomy by positron emission tomography. J Neurosci 11: 2383-402

Corkum PV, Siegel LS (1993), Is the Continuous Performance Task a valuable research tool for use with children with Attention-Deficit-Hyperactivity Disorder? J Child Psychol Psychiatry 34: 1217-39

Costa DI, Azambuja LS, Portuguez MW, Costa JC (2004), Neuropsychological assessment in children. J Pediatr 80: 111-6

Crosbie J, Schachar R (2001), Deficient inhibition as a marker for familial ADHD. Am J Psychiatry 158:1884-90

Curtis CE, D'Esposito M (2003), Success and failure suppressing reflexive behavior. J Cogn Neurosci 15: 409-18

137

Page 142: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Cutrell EB, Marrocco RT (2002), Electrical microstimulation of primate posterior parietal cortex initiates orienting and alerting components of covert attention. Exp Brain Res 144:103-13

Dempster FN (1992), The rise and fall of the inhibitory mechanism: Toward a unified theory of cognitive development and aging. Developmental Review 12: 45- 75

Denney C, Rapport M (2001), The cognitive pharmacology of stimulants in children with ADHD. In: Stimulant Drugs and ADHD: Basic and Clinical Neuroscience, Solanto MV, Arnsten AFT, Castellanos FX (Eds.) New York: Oxford University Press, pp 283-302

DeSonneville LMJ (2001) ANT 2.1 Amsterdam Neuropsychological Tasks, Manual. Amstelveen: Sonar

DeSonneville LMJ, Njiokiktjien C, Bos H (1994), Methylphenidate and information processing. Part I: Differentiation between responders and nonresponders; Part 2: Efficacy in responders. J Clin Exp Neuropsychol 16: 877-897

Devinsky O, Morrell MJ, Vogt BA (1995), Contributions of anterior cingulate cortex to behaviour. Brain 118: 279-306

DeWolfe NA, Byrne JM, Bawden HN (1999), Early clinical assessment of attention. Clin Neuropsych 13: 458-73

Diamond A, Kirkham N, Amso D (2002), Conditions under which young children can hold two rules in mind and inhibit a prepotent response. Dev Psychol 38: 352-62

Diamond A (1988), Abilities and neural mechanisms underlying AB performance. Child Dev 59: 523-7

Döpfner M, Schürmann S, Lehmkuhl G (2000), Hyperkinetische Störungen. In: Lehrbuch der klinischen Kinderpsychologie und –psychotherapie, Petermann F ed., Göttingen: Hogrefe, 151- 86

Döpfner M, Lehmkuhl G (1998), Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter nach ICD-10 und DSM-IV. Bern: Huber

Doricchi F, Perani D, Incoccia C, Grassi F, Cappa SF, Bettinardi V, Galati G, Pizzamiglio L, Fazio F (1997), Neural control of fast-regular saccades and antisaccades: an investigation using positron emission tomography. Exp Brain Res 116: 50-62

Dorris MC, Munoz DP (1995), A neural correlate for the gap effect on saccadic reaction times in monkey. J Neurophysiol 73: 2558-62

Douglas VI (1999), Cognitive control processes in attention-deficit/hyperactivity disorder. In: Handbook of Disruptive Behavior Disorders, Quay HC, Hogan AE, eds. New York: Kluwer Academic/Plenum, pp 105-138

Durston S (2003), A review of the biological bases of ADHD: what have we learned from imaging studies? Ment Retard Dev Disabil Res Rev 9:184-95

Durston S, Tottenham NT, Thomas KM, Davidson MC, Eigsti IM, Yang Y, Ulug AM, Casey BJ (2003), Differential patterns of striatal activation in young children with and without ADHD. Biol Psychiatry 53:871-8

Durston S, Thomas KM, Worden MS, Yang Y, Casey BJ (2002), The effect of preceding context on inhibition: an event-related fMRI study. Neuroimage 16: 449-53

Efron D, Jarman FC, Barker MJ (2000), Medium-term outcomes are comparable with short-term outcomes in children with attention deficit hyperactivity disorder treated with stimulant medication. J Paediatr Child Health, 36: 457-61

Enns JT (1990). Relations between components of visual attention. In: The development of attention: Research and theory, JT Enns, ed. Amsterdam: Elsevier, pp.139-158

Enns JT, Brodeur DA (1989), A developmental study of covert orienting to peripheral

138

Page 143: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

visual cues. J Exp Child Psychol 48: 171-89 Epstein JN, Conners CK, Erhardt D, March JS, Swanson JM (1997), Asymmetrical

hemispheric control of visual-spatial attention in adults with attention deficit hyperactivity disorder. Neuropsychology 11: 467-73

Eriksen BA, Eriksen CW (1974), The effect of noise letters upon the identification of a target letter in a nonsearch task. Percept Psychophysics 16: 143- 149

Ernst M, Zametkin AJ, Matochik JA, Liebenauer L, Fitzgerald GA, Cohen RM (1994), Effects of intravenous dextroamphetamine on brain metabolism in adults with attention-deficit hyperactivity disorder (ADHD). Preliminary findings. Psychopharmacol Bull 30: 219-25

Evdokimidis I, Smyrnis N, Constantinidis TS, Stefanis NC, Avramopoulos D, Paximadis C, Theleritis C, Efstratiadis C, Kastrinakis G, Stefanis CN (2002), The antisaccade task in a sample of 2,006 young men. I. Normal population characteristics. Exp Brain Res147: 45-52

Evdokimidis I, Mergner T, Lucking CH (1992), Dependence of presaccadic cortical potentials on the type of saccadic eye movement. Electroencephalogr Clin Neurophysiol 83: 179-91

Everling S, Dorris MC, Munoz DP (1998), Reflex suppression in the anti-saccade task is dependent on prestimulus neural processes. J Neurophysiol 80:1584-9

Everling S, Fischer B (1998), The antisaccade: a review of basic research and clinical studies. Neuropsychologia 36: 885-99

Fan J, Flombaum JI, McCandliss BD, Thomas KM, Posner MI (2003), Cognitive and brain consequences of conflict. Neuroimage 18: 42-57

Fan J, McCandliss BD, Sommer T, Raz M, Posner MI (2002), Testing the efficiency and independence of attentional networks. J Cog Neurosci 14 : 340-347

Fan J, Wu Y, Fossella JA, Posner MI (2001), Assessing the heritability of attentional networks. BMC Neurosci 2: 14

Faraone SV (2003), Report from the 4th international meeting of the attention deficit hyperactivity disorder molecular genetics network. Am J Med Genet 15: 55-9

Faraone SV, Doyle AE, Mick E, Biederman J (2001), Meta-analysis of the association between the 7-repeat allele of the dopamine D(4) receptor gene and attention deficit hyperactivity disorder. Am J Psychiatry 158: 1052-7

Faraone SV, Biederman J, Feighner JA, Monuteaux MC (2000), Assessing symptoms of attention deficit hyperactivity disorder in children and adults: which is more valid? J Consult Clin Psychol 68:830-42

Faraone SV, Doyle AE (2000), Genetic influences on attention deficit hyperactivity disorder. Curr Psychiatry Rep 2: 143-6

Faraone SV, Biederman J, Mennin D, Gershon J, Tsuang MT (1996), A prospective four-year follow-up study of children at risk for ADHD: psychiatric, neuropsychological, and psychosocial outcome. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 35: 1449-59

Faraone SV, Biederman J, Lehman BK, Spencer T, Norman D, Seidman LJ, Kraus I, Perrin J, Chen WJ, Tsuang MT (1993), Intellectual performance and school failure in children with attention deficit hyperactivity disorder and in their siblings. J Abnorm Psychol 102: 616-23

Filipek PA, Semrud-Clikeman M, Steingard RJ, Renshaw PF, Kennedy DN, Biederman J (1997), Volumetric MRI analysis comparing subjects having attention-deficit hyperactivity disorder with normal controls. Neurology 48: 589-601

139

Page 144: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Filipek PA (1996) Brief report: neuroimaging in autism: the state of the science 1995. J Autism Dev Disord 26: 211-5

Fimm B, Zimmermann P (2001) Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) Psytest Fischer B, Hartnegg K (2002), Age effects in dynamic vision based on orientation

identification. Exp Brain Res 143: 120-5 Fischer B, Weber H, Biscaldi M, Aiple F, Otto P, Stuhr V (1993), Separate populations of

visually guided saccades in humans: reaction times and amplitudes. Exp Brain Res 92: 528-41

Fisher SE, Francks C, McCracken JT, McGough JJ, Marlow AJ, MacPhie IL, Newbury DF, Crawford LR, Palmer CG, Woodward JA, Del'Homme M, Cantwell DP, Nelson SF, Monaco AP, Smalley SL (2002) A genomewide scan for loci involved in attention-deficit/hyperactivity disorder. Am J Hum Genet 70: 1183-96

Friedrich FJ, Egly R, Rafal RD, Beck D (1998) Spatial attention deficits in humans: a comparison of superior parietal and temporal-parietal junction lesions. Neuropsychology 12: 193-207

Funahashi S, Chafee MV, Goldman-Rakic PS (1993), Prefrontal neuronal activity in rhesus monkeys performing a delayed anti-saccade task. Nature 365: 753-6

Funahashi S, Bruce CJ, Goldman-Rakic PS (1990), Visuospatial coding in primate prefrontal neurons revealed by oculomotor paradigms. J Neurophysiol 63: 814-31

Gaub M, Carlson CL (1997), Gender differences in ADHD: A meta-analysis and critical review. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 36: 1036-45

Gaillard WD, Pugliese M, Grandin CB, Braniecki SH, Kondapaneni P, Hunter K, Xu B, Petrella JR, Balsamo L, Basso G (2001), Cortical localization of reading in normal children: an fMRI language study. Neurology 57: 47-54

Gaymard B, Pierrot-Deseilligny C, Rivaud S (1990), Impairment of sequences of memory-guided saccades after supplementary motor area lesions. Ann Neurol 28: 622-6

Gerardi-Caulton G (2000), Sensitivity to spatial conflict and the development of self regulation in children 24-36 months of age. Dev Sci 3: 397- 404

Gerstadt CL, Hong YJ, Diamond A (1994), The relationship between cognition and action: performance of children 3 1/2-7 years old on a Stroop-like day-night test. Cognition 53:129-53

Geurts HM, Verte S, Oosterlaan J, Roeyers H, Sergeant JA (2004), How specific are executive functioning deficits in attention deficit hyperactivity disorder and autism? J Child Psychol Psychiatry 45:836-54

Giedd JN, Blumenthal J, Molloy E, Castellanos FX (2001), Brain imaging of attention deficit/hyperactivity disorder. Ann N Y Acad Sci 931: 33-49

Giedd JN, Snell JW, Lange N, Rajapaske JC, Casey BJ, Kozuch PL et al. (1996), Quantitative megnetic resonance imaging of human brain development: ages 4-18. Cerebral Cortex 6: 551-560

Gibson JJ (1966), The problem of temporal order in stimulation and perception. J Psychol 62:141-9

Gillis JJ, Gilger JW, Pennington BF, DeFries JC (1992), Attention deficit disorder in reading-disabled twins: evidence for a genetic etiology. J Abnorm Child Psychol 20: 303-15

Goldman LS, Genel M, Bezman RJ, Slanetz PJ (1998), Diagnosis and treatment of attention-deficit/hyperactivity disorder in children and adolescents. Council on Scientific Affairs, American Medical Association. JAMA 279:1100-7

140

Page 145: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Goldman-Rakic PS (1988), Topography of cognition: parallel distributed networks in primate association cortex. Annu Rev Neurosci 11:137-56

Goldman-Rakic PS (1987), Development of cortical circuitry and cognitive function. Child Dev 58:601-22

Goldman-Rakic PS (1984), The frontal lobes: Uncharted provinces of the brain. Trends in Neurosciences 7: 425-429

Gould TD, Bastain TM, Israel ME, Hommer DW, Castallanos FX (2001), Altered performance on an ocular fixation task in attention-deficit/hyperacitivity disorder. Biol Psychiatry 14: 225-29.

Greenhill LL, Pliszka S, Dulcan MK, et al. (2001), Summary of the practise parameter for the use of stimulant medications in the treatment of children, adolescents, and adults. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 40: 1352-1355

Grodzinsky GM, Barkley RA (1999), Predictive power of frontal lobe tests in the diagnosis of attention deficit hyperactivity disorder. Clin Neuropsychol 13:12-21

Haith MM, Hazan C, Goodman GS (1988), Expectation and anticipation of dynamic visual events by 3.5-month-old babies. Child Dev 59: 467-479

Hale S (1990), A global developmental trend in cognitive processing speed. Child Dev 61:653-63

Hallett PE (1978), Primary and secondary saccades to goals defined by instructions. Vision Res 18:1279-96

Handen BL, Feldman HM, Lurier A, Murray PJ (1999), Efficacy of methylphenidate among preschool children with developmental disabilities and ADHD. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 38: 805-12

Hanisch C, Konrad K, Günther T, Herpertz- Dahlmann B (2004), Age-dependent neuropsychological deficits and effects of Methylphenidate in children with attention-deficit/ hyperactivity disorder: a comparison of pre- and grade-school children. J Neural Transmission

Harnishfeger KK (1995). The development of cognitive inhibition. Theories, definitions, and research evidence. In: Interference and inhibition in cognition, F.N. Dempster C.J. Brainerd ,eds., pp. 175-204. San Diego, CA: Academic Press.

Harnishfeger KK, Bjorklund DF (1993), The ontology of inhibition mechanisms: A renewed approach to cognitive development. In: Emerging themes in cognitive development: Vol.1., ML Howe, R Pasnak eds.,Foundations. New York: Springer- Verlag.

Harper GW, Ottinger DR (1992), The performance of hyperactive and control preschoolers on a new computerized measure of visual vigilance: the Preschool Vigilance Task. J Child Psychol Psychiatry 33:1365- 72

Havlicek LL, Peterson NL (1974), Robustness of the t-Test: A guide for researchers on effect of violation assumptions. Psychol Reports 34: 1095-114

Herskovits EH, Megalooikonomou V, Davatzikos C, Chen A, Bryan RN, Gerring JP (1999), Is the spatial distribution of brain lesions associated with closed-head injury predictive of subsequent development of attention-deficit/hyperactivity disorder? Analysis with brain-image database. Radiology 213: 389-94

Hikosaka O, Sakamoto M, Usui S (1989), Functional properties of monkey caudate neurons. I. Activities related to saccadic eye movements. J Neurophysiol 61:780-98

Hikosaka O, Wurtz RH (1985), Modification of saccadic eye movements by GABA-related substances. I. Effect of muscimol and bicuculline in monkey superior

141

Page 146: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

colliculus. J Neurophysiol 53:266-91 Hikosaka O, Wurtz RH (1985), Modification of saccadic eye movements by GABA-

related substances. II. Effects of muscimol in monkey substantia nigra pars reticulata. J Neurophysiol 53:292-308

Huang-Pollock CL, Nigg JT (2003), Searching for the attention deficit in attention deficit hyperactivity disorder: the case of visuospatial orienting. Clin Psychol Rev 23: 801-30

Huang-Pollock CL, Nigg JT, Henderson JM, Carr TH (2000), Covert attention in children with ADHD. Annual Meeting of the American Psychological Society, Miami, FL.

Ito S, Stuphorn V, Brown JW, Schall JD (2003), Performance monitoring by the anterior cingulate cortex during saccade countermanding. Science 302: 120-2

Jackson S, Marrocco R, Posner MI (1994), Networks of anatomical areas controlling visuospatial attention. Neural Networks 7: 925-944

Jernigan TL, Hesselink JR, Sowell E, Tallal PA (1991), Cerebral structure on magnetic resonance imaging in language- and learning-impaired children. Arch Neurol 48: 539-45

Jernigan TL, Tallal P (1990), Late childhood changes in brain morphology observable with MRI. Dev Med Child Neurol 32: 379-85

Jin C, Schachar R (2004), Methylphenidate treatment of attention-deficit/hyperactivity disorder secondary to traumatic brain injury: a critical appraisal of treatment studies. CNS Spectr 9: 217-26

Jonides J (1981), Voluntary versus automatic control over the mind’s eye’s movement. In: Attention and performance: IX, J Long, A Baddeley, eds., pp.187-203. Hillsdale, NJ: Öawrence Erlbaum Associates.

Jonkman LM, Kemner C, Verbaten MN, Van Engeland H, Kenemans JL, Camfferman G, Buitelaar JK, Koelega HS (1999), Perceptual and response interference in children with attention-deficit hyperactivity disorder, and the effects of methylphenidate. Psychophysiology 36: 419-429

Kail R (1993), The role of a global mechanism in developmental change in speed of processing. In: Emerging themes in cognitive development: Vol. 1. Foundations, M Howe, R Pasnak eds., 97-119. New York: Springer Verlag

Kalff AC, Hendriksen JG, Kroes M, Vles JS, Szeyaer J, Feron FJ, van Zeben TM, Jolles J (2002), Neurocognitive performance of 5- and 6-years-old children who met criteria for attention deficit/ hyperactivity disorder at 18 months follow up: results from a prospective population study. J Abnorm Child Psychol 30: 589-98

Kanemura H, Aihara M, Aoki S, Araki T, Nakazawa S (2003), Development of the prefrontal lobe in infants and children: a three-dimensional magnetic resonance volumetric study. Brain Dev 25:195-9

Karatekin C, Markiewicz SW, Siegel MA (2003), A preliminary study of motor problems in children with attention-deficit/hyperactivity disorder. Percept Mot Skills 97: 1267-80

Karnath H-O, Ferber S, Himmelbach M (2001), Spatial awareness is a function of the temporal not the posterior parietal lobe. Nature 411: 950- 953

Kastner S, Pinsk MA, De Weerd P, Desimore R, Ungerleider LG (1999), Increased activity in human visual cortex during directed attention in the absence of visual stimulation. Neuon 22: 751-761

Katsanis J, Iacono WG, Harris M (1998), Development of oculomotor functioning in preadolescence, adolescence, and adulthood. Psychophysiology 35: 64-72

142

Page 147: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Kim BN, Lee JS, Cho SC, Lee DS (2001), Methylphenidate increased regional cerebral blood flow in subjects with attention deficit/hyperactivity disorder. Yonsei Med J. 42: 19-29

Kingstone A, Klein RM (1993), Visual offsets facilitate saccadic latency: does predisengagement of visuospatial attention mediate this gap effect? J Exp Psychol Hum Percept Perform 19: 1251-65

Klein CH, Raschke A, Brandenbusch A (2003), Development of pro- and antisaccades in children with attention-deficit hyperactivity disorder (ADHD) and healthy controls. Psychophysiology 40: 17-28

Klein C, Foerster F (2001), Development of prosaccade and antisaccade task performance in participants aged 6 to 26 years. Psychophysiology 38:179-89

Klein C (2001), Developmental functions for saccadic eye movement parameters derived from pro- and antisaccade tasks. Exp Brain Res 139:1-17

Klein RM (2000), Inhibition of return. Trends Cogn Sci4:138-147 Konrad K, Neufang S, Thiel CM, Hanisch C, Herpertz-Dahlmann B, Fan J Fink GR (in

Vorbereitung). An fMRI study on the development of attentional networks Konrad K, Günther T, Gutenbrunner M, Herpertz-Dahlmann B (im Druck), Clinical

evaluation of subjective and objective changes in motor activity and attention in children with attention-deficit / hyperactivity disorder in a double-blind methylphenidate trial. Journal of Child and Adolescent Psychopharmacology.

Konrad K, Gunther T, Hanisch C, Herpertz-Dahlmann B (2004), Differential effects of methylphenidate on attentional functions in children with attention-deficit/hyperactivity disorder. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 43: 191-8.

Konrad K, Gauggel S, Schöll M, Manz A (2002), Lack of inhibition? Motivational deficits in children with traumatic brain injury (TBI) and children with attention deficits/hyperactivity disorder (ADHD). Child Neuropsychology 6: 286-96

Konrad K, Gauggel S, Manz A, Scholl M (2000), Inhibitory control in children with traumatic brain injury (TBI) and children with attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD). Brain Inj 14: 859-875

Koschack J, Kunert HJ, Derichs G, Weniger G, Irle E (2003), Impaired and enhanced attention function in children with attendion deficit/ hyperactivity disorder. Psychological Medicine 33: 481-89

Kramer AF, Humphrey DG, Larish JF, Logan GD, Strayer DL (1994), Aging and inhibition: Beyond a unitary view of inhibitory processing in attention. Psychology and Aging 9: 491

Kratochvil CJ, Bohac D, Harrington M, Baker N, May D, Burke WJ (2001), An open-label trial of tomoxetine in pediatric attention deficit hyperactivity disorder. J Child Adolesc Psychopharmacol 11:167-70

Kraut AG (1976), Effects of familiarization on alertness and encoding in children. Developmental Psychology 12: 491-6

Kreppner JM, O'Connor TG, Rutter M, English and Romanian Adoptees Study Team (2001), Can inattention/overactivity be an institutional deprivation syndrome? J Abnorm Child Psychol 29: 513-28

Kuntsi J, Oosterlaan J, Stevenson J (2001), Psychological mechanisms in hyperactivity: I. Response inhibition deficit, working memory impairment, delay aversion, or something else? J Child Psychol Psychiatry 42: 199-210

LaBerge D, Brown V, Carter M, Bash D (1991), Reducing the effects of adjacent distractors by narrowing attention. J Exp Psychol Hum Percept Perform 17: 65-76

143

Page 148: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Lane DM, Pearson DA (1983), Attending to spatial locations: a developmental study. Child Dev 54: 98-104

Lansink JM, Richards JE (1997), Heart rate and behavioural measures of attention in six-, nine-, and twelve-month-old infants during object exploration. Child Dev 68: 610-20

Livesey DJ, Morgan GA (1991), The development of response inhibition in 4- and 5- year- old children. Austr J Psychol 43: 133- 7

Leigh RJ, Kennard C (2004), Using saccades as a research tool in the clinical neurosciences. Brain 127: 460-77

Leigh RJ, Zee DS (1999), The neurology of eye-movements. 3rd ed. New York: Oxford University Press.

Levy F, Hay DA, McStephen M, Wood C, Waldman I (1997), Attention-deficit hyperactivity disorder: a category or a continuum? Genetic analysis of a large-scale twin study. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 36: 737-44

Logan GD, Irwin DE (2000), Don’t look! Don’t touch! Inhibitory control of eye and hand movements. Psychonomic Bulletin& Reviews 7: 107-12

Logan GD (1994), On the ability to inhibit thought and action: A user’s guide to the stop signal paradigm. In: Inhibitory processes in attention, memory and language, Dagenbach D Carn TH eds. San, Diego, Academic Press:1994

Logan GD, Cowan WG (1984), On the ability to inhibit thought and action: a theory of an act of control. Psychol Rev 91: 295-327

Logan GD, Cowan WB, Davis KA (1984), On the ability to inhibit simple and choice reaction time responses: a model and a method. J Exp Psychol Hum Percept Perform 10: 276-91

Logan GD (1983), On the ability to inhibit simple thoughts and actions: 1. Stop signal studies of decision and memory. J Exp Psychol Learning, Memory and Cognition, 11: 675–91

Logan GD (1982), On the ability to inhibit complex actions: a stop signal study of typewriting. J Exp Psychol Hum Percept Perform 8: 778-92

Lou HC, Henriksen L, Bruhn P, Borner H, Nielsen JB (1989), Striatal dysfunction in attention deficit and hyperkinetic disorder. Archives of Neurology 46: 48-52

Luna B, Thulborn KR, Munoz DP, Merriam EP, Garver KE, Minshew NJ, Keshavan MS, Genovese CR, Eddy WF, Sweeney JA (2001), Maturation of widely distributed brain function subserves cognitive development. Neuroimage 13: 786-93

Lynch JC, McLaren JW (1989), Deficits of visual attention and saccadic eye movements after lesions of parietooccipital cortex in monkeys. J Neurophysiol 61:74-90

Malone SM, Iacono WG (2002), Error rate on the antisaccade task: heritability and developmental change in performance among preadolescent and late-adolescent female twin youth. Psychophysiology 39:664-73

Mannuzza S, Klein RG, Addalli KA (1991), Young adult mental status of hyperactive boys and their brothers: a prospective follow-up study. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 30:743-51

Marrocco RT, Davidson MS (1998), Neurochemistry of attention. In: The Attentive Brain, R Parasuraman ed., Cambridge, Mass: MIT Press, 35-50.

Matochik JA, Liebenauer LL, King AC, Szymanski HV, Cohen RM, Zametkin AJ (1994), Cerebral glucose metabolism in adults with attention deficit hyperactivity disorder after chronic stimulant treatment. Am J Psychiatry 151:658-64

144

Page 149: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Max JE, Fox PT, Lancaster JL, Kochunov P, Mathews K, Manes FF, Robertson BA, Arndt S, Robin DA, Lansing AE (2002), Putamen lesions and the development of attention-deficit/hyperactivity symptomatology. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 41: 563-71

McDowell JE, Clementz BA (1997), The effect of fixation condition manipulations on antisaccade performance in schizophrenia: studies of diagnostic specificity. Exp Brain Res 115:333-44

McGee R, Silva PA, Williams S (1984), Perinatal, neurological, environmental and developmental characteristics of seven-year-old children with stable behaviour problems.J Child Psychol Psychiatry 25:573-86

McLean A, Dowson J, Toone B, Young S, Bazanis E, Robbins TW, Sahakian BJ (2004), Characteristic neurocognitive profile associated with adult attention-deficit/hyperactivity disorder. Psychol Med 34:681-92

Michelson D, Buitelaar JK, Danckaerts M, Gillberg C, Spencer TJ, Zuddas A, Faries DE, Zhang S, Biederman J (2004), Relapse prevention in pediatric patients with ADHD treated with atomoxetine: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 43:896-904

Michelson D, Faries D, Wernicke J, Kelsey D, Kendrick K, Sallee FR, Spencer T; Atomoxetine ADHD Study Group (2001), Atomoxetine in the treatment of children and adolescents with attention-deficit/hyperactivity disorder: a randomized, placebo-controlled, dose-response study. Pediatrics 108: 423-9

Mick E, Biederman J, Faraone SV, Sayer J, Kleinman S (2002), Case-control study of attention-deficit hyperactivity disorder and maternal smoking, alcohol use, and drug use during pregnancy. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 41:378-85

Mirsky A (1996), Disorders of attention: A neuropsychological perspective. In: Attention, memory and executive function In: GR Lyon, NA Krasnegor eds. pp.71-95, Baltimore: Paul H. Brooks.

Morikawa K, McBeath MK (1992), Lateral motion bias associated with reading direction. Vision Res 32:1137-41

Mostofsky SH, Cooper KL, Kates WR, Denckla MB, Kaufmann WE (2002), Smaller prefrontal and premotor volumes in boys with attention-deficit/hyperactivity disorder.Biol Psychiatry 52:785-94

Mostofsky SH, Lasker AG, Singer HS, Denckla MB, Zee DS (1998), Oculomotor abnormalities in boys with tourette syndrome with and without ADHD. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 40:1464-72

Munoz DP, Everling S (2004), Look away: the anti-saccade task and the voluntary control of eye movement. Nat Rev Neurosci 5:218-28

Munoz DP, Armstrong IT, Hampton KA, Moore KD (2003), Altered control of visual fixation and saccadic eye movements in attention-deficit hyperactivity disorder. J Neurophysiol 90:503-14

Munoz DP, Armstrong IT, Hampton KA, Moore KD (2003), Altered control of visual fixation and saccadic eye movements in attention-deficit hyperactivity disorder. J Neurophysiol 90:503-14

Munoz DP, Hampton KA, Moore KD, and Goldring JE (1999), Control of purposive saccadic eye movements and visual fixation in children with attention deficit hyperactivity disorder. In: Current Oculomotor Research: Physiological and Psychological Aspects, Becker W, Deubel H, Mergner T eds. New York: Plenum, 1999, p. 415-423.

145

Page 150: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Munoz DP, Broughton JR, Goldring JE, Armstrong IT (1998), Age-related performance of human subjects on saccadic eye movement tasks. Exp Brain Res 121: 391-400

Munoz DP, Wurtz RH (1995), Saccade-related activity in monkey superior colliculus. II. Spread of activity during saccades. J Neurophysiol 73:2334-48

Munoz DP, Wurtz RH (1995), Saccade-related activity in monkey superior colliculus. I. Characteristics of burst and buildup cells. J Neurophysiol 73:2313-33

Munoz DP, Wurtz RH (1993), Fixation cells in monkey superior colliculus. II. Reversible activation and deactivation. J Neurophysiol 70:576-89

Munoz DP, Wurtz RH (1993), Fixation cells in monkey superior colliculus. I. Characteristics of cell discharge. J Neurophysiol 70:559-75

Murray L, Trevarthan C (1985), Emotional regulation of interaction between two-month-olds and their mothers. In: Social perception in infants, TM Field, NA Fox eds. Norwood, NJ: Ablex, pp.177-179

Nigg JT (2001), Is ADHD a disinhibitory disorder? Psychol Bull 127:571-98 Nigg JT (2000), On inhibition/disinhibition in developmental psychopathology: Views for

cognitive and personality psychology and a working inhibition taxonomy. Psychol Bull 126: 220-46

Nigg JT, Swanson J, Hinshaw SP (1997), Covert visual attention in boys with attention deficit hyperactivity disorder: Lateral effects, methylphenidate response, and results for parents. Neuropsychologia 35: 165-76

Novak GP, Solanto M, Abikoff H (1995), Spatial orienting and focused attention in attention deficit hyperactivity disorder. Psychophysiology 32:546-59

O`Driscoll GA, Alpert NA, Matthysse SW, Levy DL, Rauch SL, Holzman PS (1995), Functional neuroanatomy of antisaccade eye movements investigated with positron emission tomography. Proc Nat Acad Sci USA 92: 925-29

Ogdie MN, Macphie IL, Minassian SL, Yang M, Fisher SE, Francks C, Cantor RM, McCracken JT, McGough JJ, Nelson SF, Monaco AP, Smalley SL (2003), A genomewide scan for attention-deficit/hyperactivity disorder in an extended sample: suggestive linkage on 17p11. Am J Hum Genet 72:1268-79

Oosterlaan J, Sergeant JA (1998), Response inhibition and response re-engagement in attention-deficit/ hyperactivity disorder, disruptive, anxious and normal chirdren. Behav Brain Res 94: 33-43

Osman A, Kornblum S, Meyer DE (1986), The point of no return in choice reaction time: controlled and ballistic stages of response preparation. J Exp Psychol Hum Percep Perform 12: 243-58

Palfrey JS, Levine MD, Walker DK, Sullivan M (1985), The emergence of attention deficits in early childhood: a prospective study. J Dev Behav Pediatr 6: 339-48

Pashler H (1989), Dissociations and dependencies between speed and accuracy: Evidence for a two component theory of divided attention in simple tasks. Cognitive Psychology 21: 469- 514

Paus T, Kalina M, Patockova L, Angerova Y, Cerny R, Mecir P, Bauer J, Krabec P (1991), Medial vs. lateral frontal lobe lesions and differential impairment of central-gaze fixation maintenance in man. Brain 114:2051-67

Paus T (1991), Related two modes of central gaze fixation maintenance and oculomotor distractibility in schizophrenics. Schizophr Res 5:145-52

Paus T, Babenko V, Radil T (1990), Development of an ability to maintain verbally instructed central gaze fixation studied in 8- to 10-year-old children. Int J Psychophysiol 10:53-61

146

Page 151: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Pearson DA, Yaffee L, Loveland L, Norton M (1995), Covert visual attention in children with ADHD: Evidence for developmental immaturity? Development and Psychopathology 7: 351-367

Pearson DA, Lane DM (1990), Visual attention movements: a developmental study. Child Dev 61: 1779-1795

Pennington BF, Ozonoff S (1996), Executive functions and developmental psychopathology. Journal of Child Psychology and Psychiatry 37: 51-87

Pennington BF, Groisser D, Welsh MC (1993), Contrasting cognitive deficits in attention-deficit hyperactivity disorder versus reading disability. Developmental Psychology 29: 511-523

Perchet C, Garcia-Larrea L (2000), Visuospatial attention and motor reaction in children: an electrophysiological study of the "Posner" paradigm. Psychophysiology 37: 231-41

Perry RJ, Zeki S (2000), The neurology of saccades and covert shifts in spatial attention: an event-rekated fMRI study. Brain 123: 2273-88

Peters JE (1974), Minimal brain dysfunctions in children. Am Fam Physician 10:115-23 Petit L, Orssaud C, Tzourio N, Crivello F, Berthoz A, Mazoyer B (1996), Functional

anatomy of a prelearned sequence of horizontal saccades in humans. J Neurosci 16:3714-26

Petit L, Tzourio N, Orssaud C, Pietrzyk U, Berthoz A, Mazoyer B (1995), Functional Neuroanatomy of the human visual fixation system. Eur J Neurosci 7: 169-174

Pfefferbaum A, Ford J, Johnson R Jr, Wenegrat B, Kopell BS (1983), Manipulation of P3 latency: speed vs. accuracy instructions. Electroencephalogr Clin Neurophysiol 55:188-97

Pierrot-Deseilligny C, Milea D, Muri RM (2004), Eye movement control by the cerebral cortex. Curr Opin Neurol 17:17-25

Pierrot-Deseilligny C, Ploner CJ, Muri RM, Gaymard B, Rivaud-Pechoux S (2002), Effects of cortical lesions on saccadic: eye movements in humans. Annual N Y Academic Sciences 956:216-29

Pierrot-Deseilligny C (1994), Saccade and smooth-pursuit impairment after cerebral hemispheric lesions. Eur Neurol 34: 121-34

Pierrot-Deseilligny C, Rivaud S, Gaymard B, Agid Y (1991), Cortical control of reflexive visually-guided saccades. Brain 114: 1473-85

Pitcher TM, Piek JP, Hay DA (2003). Fine and gross motor ability in males with ADHD. Dev Med Child Neurol 45: 525-35

Plizka SR, Borcherding SH, Spratley K, Leon S, Irick S (1997), Measuring inhibitory control in children. Developmental and Behavioural Pediatrics 18: 254-259

Plude DJ, Enns JT, Brodeur D (1994), The development of selective attention : a life-span overview. Acta Psychologica 86: 227-72

Posner MI, Fan J (im Druck), Attention as an organ system. In: Neurobiology of perception and communication: from Synapse to Society the IVth De Lange Conference, I Pomerantz ed. Cambridge, UK: Cambridge University Press.

Posner MI (2001), Developing brains: The work of the Sackler Institute. Clinical Neuroscience Research, 1, 258-266

Posner MI, DiGirolamo DJ, Fernandez- Duque D (1997), Brain mechanisms of cognitive skills. Conscious Cogn 6: 267-90

147

Page 152: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Posner MI, Rothbart MK, Thomas-Trapp L (1997), Functions of orienting in early infancy. In Attention and orienting: Sensory and motivational processes, PJ Lan, RF Simons, MT Balaban eds., Mahwah, NJ: Erlbaum, pp 327-345

Posner MI, Raichle ME (1994), Networks of attention. In Images of mind, MI Posner ME Raichle eds., New York: Scientific American Library, pp. 153-179

Posner MI, Petersen SE (1990), The attention system of the human brain. Annu Rev Neurosci 13:25-42

Posner MI, Early TS, Reiman E, Pardo PJ, Dhawan M (1988), Asymmetries in hemispheric control of attention in schizophrenia. Arch Gen Psychiatry 45: 814-21

Posner MI, Walker JA, Friedrich FJ, Rafal RD (1984), Effects of parietal injury on covert orienting of attention. J Neurosci 4:1863-74

Posner MI (1980), Orienting of attention. Quarterly Journal of Experimental Psychology 32: 3-25

Purvis K, Tannock R (2000), Response inhibition in ADHD and reading disorder. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 39: 485-94

Quay HC (1997), Inhibition and attention deficit hyperactivity disorder. J Abnorm Child Psychol 25: 7-13

Rafal R (1998), Neglect. In The Attentive Brain, R Parasuraman ed., Cambridge, MA: MIT Press, pp.711-733

Rapport MD, Denney C (1997), Titrating methylphenidate in children with attention-deficit/hyperactivity disorder: is body mass predictive of clinical response? J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 36: 523-30

Rapport MD, Kelly KL (1991), Psychostimulant effects on learning and cognitive function: Findings and implications for children with Attention Deficit Hyperactivity Disorder. Clinical Psychology Review 11: 61-92

Reuter-Lorenz PA, Oonk HM, Barnes LL, Hughes HC (1995), Effects of warning signals and fixation point offsets on the latencies of pro- versus antisaccades: implications for an interpretation of the gap effect. Exp Brain Res 103: 287-93

Reuter-Lorenz PA, Hughes HC, Fendrich R (1991), The reduction of saccadic latency by prior offset of the fixation point: an analysis of the gap effect. Percept Psychophys 49:167-75

Richards JE (1989), Development and stability in visual sustained attention in 14, 20, and 26 week old infants. Psychophysiology 26:422-30

Ridderikhof KR, van der Stelt O (2000), Attention and selection in the growing child: Views from developmental psychophysiology. Biol Psychol 54: 55-106

Ridderinkhof KR, Band GPH, Logan GD (1999), A study of adaptive behaviour: Effects of Age and irrelevant information on the ability to inhibit one`s actions. Acta Psychologia 101: 315-337

Ridderinkhof KR, van der Molen MW (1997), Mental resources, processing speed, and inhibitory control: a developmental perspective. Biol Psychol 45:241-61

Ridderinkhof KR, van der Molen MW, Band GP (1997), Sources of interference from irrelevant information: A developmental study. J Exp Child Psychol 65: 315-41

Risch N, Merikangas K (1996), The future of genetic studies of complex human diseases. Science 273: 1516-7

Rivaud S, Muri RM, Gaymard B, Vermersch AI, Pierrot-Deseilligny C (1994), Eye movement disorders after frontal eye field lesions in humans. Exp Brain Res 102:110-20

148

Page 153: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Robbins TW, Sahakian BJ (1979), "Paradoxical" effects of psychomotor stimulant drugs in hyperactive children from the standpoint of behavioural pharmacology. Neuropharmacology 18:931-50

Robinson FR, Fuchs AF (2001), The role of the cerebellum in voluntary eye movements. Annu Rev Neurosci 24:981-1004

Robinson FR, Straube A, Fuchs AF (1993), Role of the caudal fastigial nucleus in saccade generation. II. Effects of muscimol inactivation. J Neurophysiol 70:1741-58

Roman T, Szobot C, Martins S, Biederman J, Rohde LA, Hutz MH (2002), Dopamine transporter gene and response to methylphenidate in attention-deficit/hyperactivity disorder. Pharmacogenetics 12:497-9

Roman T, Schmitz M, Polanczyk GV, Eizirik M, Rohde LA, Hutz MH (2002), Further evidence for the association between attention-deficit/hyperactivity disorder and the dopamine-beta-hydroxylase gene. Am J Med Genet 114:154-8

Ross RG, Harris JG, Olincy A, Radant A (2000), Eye movement task measures inhibition and spatial working memory in adults with schizophrenia, ADHD, and an normal comparison group. Psychiatry Research 95: 35-42

Ross RG, Hommer D, Breiger D, Varley C, Radant A (1994), Eye movement task related to frontal lobe functioning in children with attention deficit hyperactivity disorder. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry, 33, 869-74

Rothbart MK, Posner MI, Rosicky J (1994), Orienting in normal and pathological development. Developmental and Psychopathology 6: 635-52

Rothbart MK, Posner MI, Boylan A (1989), Regulatory mechanisms in infant development. In The development of attention: Research and theory, J Enns ed., Amsterdam: Elsevier, pp.47-63

Rothlind JC, Posner MI, Schaughency EA (1991), Lateralized Control of Eye Movements in ADHD. J Cog Neurosci 3: 377-81

Rubia K, Taylor E, Smith AB, Oksannen H, Overmeyer S, Newman S (2001), Neuropsychological analyses of impulsiveness in childhood hyperactivity. British Journal of Psychiatry 179: 138- 43

Rubia K, Overmeyer S, Taylor E, Brammer M, Williams SC, Simmons A, Bullmore ET (1999), Hypofrontality in attention deficit hyperactivity disorder during higher-order motor control: a study with functional MRI. Am J Psychiatry 156:891-6

Rueda MR, Fan J, McCandliss BD, Halparin JD, Gruber DB, Lercari LP, Posner MI (2004), Development of attention networks in childhood. Neuropsychologia 42: 1029-40

Ruff HA, Rothbart MK (1996), Attention in early development: Themes and variations. New York: Oxford University Press.

Sagvolden T, Aase H, Zeiner P, Berger D. Altered reinforcement mechanisms in attention-deficit/hyperactivity disorder. Behav Brain Res 94:61-71

Schachar R, Mota VL, Logan GD, Tannock R, Klim P (2000), Confirmation of an inhibitory control deficit in attention deficit/ hyperactivity disorder. J Abnorm Child Psychol 28: 227- 235

Schachar R, Tannock R, Logan G (1993), Inhibitory control, impulsiveness, and attention deficit hyperactivity disorder. Clin Psychol Rev 13: 721-39

Schachar RJ, Logan GD (1990), Impulsivity and inhibitory control in normal development and childhood psychopathology. Dev Psychol 26: 710-20

149

Page 154: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Schall JD (1997), Visuomotor areas of the frontal lobe. In Extrastriate Cortex of Primates, Volume 12 of Cerebral Cortex, Rockland K, Peters A, Kaas J, eds., New York: Plenum, pp. 527- 638

Scheres A, Osterlaan J, Swanson J, Morein-Zamir S, Meiran N, Schut H, Vlasveld L, Sergeant JA (2003), The effect of methylphenidate of three forms of repsonse inhibition in boys with ADHD. J Abnorm Child Psychol 31: 105-120.

Schlag J, Schlag-Rey M (1987), Evidence for al supplementary eye field. J Neurophysiology 57: 179- 200

Schultz W (2002), Getting formal with dopamine and reward. Neuron 36: 241-63 Seidman LJ, Biederman J, Faraone SV, Weber W, Ouellette C (1997), Toward defining

a neuropsychology of attention-deficit/ hyperactivity disorder: Performance of children and adolescents from a a large clinically referred sample. J Consult Clinic Psychol 65: 150-60

Seidman LJ, Biederman J, Faraone SV, Milberger S, Norman D, Seiverd K, Benedict K, Guite J, Mick E, Kiely K (1995), Effects of family history and comorbidity on the neuropsychological performance in ADHD children: Preliminary findings. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 34: 1015-24

Semrud-Clikeman M, Steingard RJ, Filipek P, Biederman J, Bekken K, Renshaw PF (2000), Using MRI to examine brain-behavior relationships in males with attention deficit disorder with hyperactivity. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 39:477-84

Sereno AB, Holzman PS (1995), Antisaccades and smooth pursuit eye movements in schizophrenia. Biol Psychiatry 37:394-401

Sergeant JA, Geurts H, Huijbregts S, Scheres A, Oosterlaan J (2003), The top and the bottom of ADHD: a neuropsychological perspective. Neurosci Biobehav 27: 583-92

Sergeant JA, Geurts H, Oosterlaan J (2002), How specific is a deficit of executive functioning for attention-deficit/hyperactivity disorder? Behav Brain Res 130: 3-28

Sergeant JA, Oosterlaan J, Van der Meere JJ (1999), Information processing and energetic factors in attention-deficit/ hyperactivity disorder. In Handbook of disruptive behaviour disorders, HC Quay, AE Hogan eds. New York: Kluwer/Plenum, pp.75-104

Sergeant JA, van der Meere, JJ (1990), Additive factor methology applied to to psychopathology with spezial reference to hyperactivity. Acta Psychologica 74: 277-95

Shepp BE, Barrett SE (1991), The development of perceived structure and attention: Evidence from divided and selective attention tasks. J Exp Child Psychol 51: 434-58

Shepp BE, Barrett SE, Kolbet LK (1987), The development of selective attention: Holistic perception versus resource allocation. J Exp Child Psychol 43: 159-80

Short EJ, Manos MJ, Findling RI, Schubel EA (2004), A prospective study of stimulant response in preschool children: Insights from ROC analyses. J Am Acad Child Adolesc Psychitry 43: 251-59

Sieg KG, Gaffney GR, Preston DF, Hellings JA (1995), SPECT brain imaging abnormalities in attention deficit hyperactivity disorder. Clin Nucl Med 20:55-60

Smalley SL, Kustanovich V, Minassian SL, Stone JL, Ogdie MN, McGough JJ, McCracken JT, MacPhie IL, Francks C, Fisher SE, Cantor RM, Monaco AP, Nelson SF (2002), Genetic linkage of attention-deficit/hyperactivity disorder on chromosome 16p13, in a region implicated in autism. Am J Hum Genet 71: 959 -63.

150

Page 155: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Smalley SL, McGough, J.J., Del'Homme, M.A., NewDelman J, Gordon E, Kim T, Lui A, McCracken J (2000), Familial clustering of symptoms and disruptive behaviours in multiplex families with attention- deficit/ hyperactivity disorder. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 39: 1135-43

Smalley SL, Bailey JN, Palmer CG, Cantwell DP, McGough JJ, Del'Homme MA, Asarnow JR, Woodward JA, Ramsey C, Nelson SF (1998), Evidence that the dopamine D4 receptor is a susceptibility gene in attention deficit hyperactivity disorder. Moleculare Psychiatry 3: 427-30

Smidt J, Heiser P, Dempfle A, Konrad K, Hemminger U, Kathöfer A, Halbach A, Strub J, Grabarkiewicz J, Kiefl H, Linder M, Knölker U, Warnke A, Remschmidt H, Herpertz-Dahlmann B, Hebebrand J (2003), Formalgenetische Befunde zur Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung. Fortschr Neurol Psychiatr 71: 366-77

Smith A, Taylor E, Rogers JW, Newman S, Rubia K (2002), Evidence for a pure time perception deficit in children with ADHD. J Child Psychol Psychiatry 43:529-42

Smothergill DW, Kraut AG (1989), Developmental studies of alertness and encoding effects of stimulus repetition. Adv Child Dev Behav 22: 249-70

Solanto MV (2002), Dopamine dysfunction in AD/HD: integrating clinical and basic neuroscience research. Behav Brain Res 130: 65-71

Solanto MV (1984), Neuropharmacological basis of stimulant drug action in attention deficit disorder with hyperactivity: a review and synthesis. Psychol Bull 95:387-409

Sonuga-Barke EJS (2002), Psychological heterogeneity in AD/HD- a dual pathway model of behaviour and cognition. Behav Brain Res 130: 29-36

Sonuga-Barke EJS, Taylor E, Sembi S, Smith J (1992), Hyperactivity and delay aversion-I. The effect of delay choice. J Child Psychol Psychiat 33: 387-98

Sowell ER, Thompson PM, Welcome SE, Henkenius AL, Toga AW, Peterson BS (2003), Cortical abnormalities in children and adolescents with attention-deficit hyperactivity disorder. Lancet 362: 1699-707.

Sowell ER, Thompson PM, Tessner KD, Toga AW (2001), Mapping continued brain growth and gray matter density reduction in dorsal frontal cortex: Inverse relationships during postadolescent brain maturation. J Neurosci 21: 8819-29

Sowell ER, Mattson SN, Thompson PM, Jernigan TL, Riley EP, Toga AW (2001), Mapping callosal morphology and cognitive correlates: effects of heavy prenatal alcohol exposure. Neurology 57:235-44

Sowell ER, Delis D, Stiles J, Jernigan TL (2001), Improved memory functioning and frontal lobe maturation between childhood and adolescence: a structural MRI study. J Int Neuropsychol Soc 7:312-22

Sowell ER, Thompson PM, Mattson SN, Tessner KD, Jernigan TL, Riley EP, Toga AW (2001), Voxel-based morphometric analyses of the brain in children and adolescents prenatally exposed to alcohol. Neuroreport 12: 515-23

Sparks DL (1978), Functional properties of neurons in the monkey superior colliculus: coupling of neuronal activity and saccade onset. Brain Res 156:1-16

Spencer T, Biederman J, Wilens T (1998), Growth deficits in children with attention deficit hyperactivity disorder. Pediatrics 102:501-6

Spencer T, Biederman J, Wilens T, Prince J, Hatch M, Jones J, Harding M, Faraone SV, Seidman L (1998), Effectiveness and tolerability of tomoxetine in adults with attention deficit hyperactivity disorder. Am J Psychiatry 155:693-5

151

Page 156: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Sroufe LA, Stewart MA (1973), Treating problem children with stimulant drugs. N Engl J Med 289: 407-13

Sturm W, Longoni F, Fimm B, Dietrich T, Weis S, Kemna S, Herzog H, Willmes K (2004), Network for auditory intrinsic alertness: a PET study. Neuropsychologia 42: 563-8

Sturm W, Herrmann M, Wallesch CW eds. (2000), Lehrbuch der klinischen Neuropsychologie. Lisse: Swets Zeitlinger

Spikman JM, Kiers HA, Deelman BG, van Zomeren AH (2001), Construct validity of concepts of attention in helahty controls and patients with CHI. Brain and Cogn 47: 446-60

Swanson JM, Kraemer HC, Hinshaw SP, Arnold LE, Conners CK, Abikoff HB, Clevenger W, Davies M, Elliott GR, Greenhill LL, Hechtman L, Hoza B, Jensen PS, March JS, Newcorn JH, Owens EB, Pelham WE, Schiller E, Severe JB, Simpson S, Vitiello B, Wells K, Wigal T, Wu M (2001), Clinical relevance of the primary findings of the MTA: success rates based on severity of ADHD and ODD symptoms at the end of treatment. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 40: 168-79

Swanson JM, Flodman P, Kennedy J, Spence MA, Moyzip R, Schuck S, Murias M, Moriarity J, Barr C, Smith M, Posner M (2000), Dopamine genes and ADHD. Neurosci Biobehav Rev 24: 23-25

Swanson JM, Castellanos FX, Murias M, LaHoste G, Kennedy J (1998), Cognitive neuroscience of attention deficit hyperactivity disorder and hyperkinetic disorder. Current Opinion on Neurobiology 8: 263-71

Swanson JM, Kinsbourne M, Roberts W, Zucker K (1978), A time-response analysis of the effect of stimulant medication on the learning ability of children referred for hyperactivity. Pediatrics 61:21-9

Tam WJ, Stelmach LB (1993), Viewing behavior: ocular and attentional disengagement. Percept Psychophys 54:211-22

Tannock R (1998), Attention deficit hyperactivity disorder: Advances in cognitive, neurobiological, and genetic research. J Child Psychol Psychiatry Allied Disc 39: 65-99

Tannock R, Ickowicz A, Schachar R (1995), Differential effects of methylphenidate on working memory in ADHD children with and without comorbid anxiety. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 34: 886-96

Tannock R, Schachar R, Logan GD (1995), Methylphenidate and cognitive flexibility: dissociated dose effects in hyperactive children. J Abnorm Child Psychol 23: 235-66

Taylor E (1998), Clinical foundations of hyperactivity research. Behav Brain Res 94: 11-24

Taylor E, Sergeant J, Doepfner M, Gunning B, Overmeyer S, Mobius HJ, Eisert HG (1998), Clinical guidelines for hyperkinetic disorder. Eur Child Adolesc Psychiatry 7:184-200

Taylor E, Everitt B, Thorley C, Schachar R, Rutter M, Wieselberg HM (1986), Conduct disorder and hyperactivity: II. A cluster analytic approachto the identification of a behavioural syndrome. Br J Psychiatry 149: 768-77

Teicher MH, Ito Y, Glod CA, Barber NI (1996), Objective measurement of hyperactivity and attentional problems in ADHD. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 35: 334-42

152

Page 157: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Tipper SP, Bourque TA, Anderson SH, Brehaut JC (1989), Mechanisms of attention: A developmental study. J Exp Child Psychol 48: 353-78

Thomas KM, Nelson CA (2001), Serial reaction time learning in preschool- and school-age children. J Exp Child Psychol 79:364-87

Trappenberg TP, Dorris MC, Munoz DP, Klein RM (2001), A model of saccade initiation based on the competitive integration of exogenous and endogenous signals in the superior colliculus. J Cogn Neurosci 13: 256-71

Trick LM, Enns JT (1998), Lifespan changes in attention: the visual search task. Cog Dev 13: 369-86

Trommer BL, Hoeppneer JA, Zecker SG (1991), The go-no go test in attention deficit disorder is sensitive to methylphenidate. J Child Neurol 6: S128-31

Unnewehr S, Schneider S, Margraf J (1995), Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Berlin: Springer

Vaidya CJ, Zhao M, Desmond JE, Gabrieli JD (2002), Evidence for cortical encoding specificity in episodic memory: memory-induced re-activation of picture processing areas. Neuropsychologia 40:2136-43

Vaidya CJ, Austin G, Kirkorian G, Ridlehuber HW, Desmond JE, Glover GH, Gabrieli JD (1998), Selective effects of methylphenidate in attention deficit hyperactivity disorder: a functional magnetic resonance study. Proc Natl Acad Sci 95:14494-9

Van der Lubbe RH, Wauschkuhn B, Wascher E, Niehoff T, Kompf D, Verleger R (2000), Lateralized EEG components with direction information for the preparation of saccades versus finger movements. Exp Brain Res 132:163-78

Van der Meere JJ, Gunning B, Stemerdink N (1999), The effects of methylphenidate and clonidine on response inhibition and state regulation in children with ADHD. J Child Psychol Psychiatry 40: 291-298

Van der Meere JJ, Shalev R, Borger N, Gross-Tsur, V (1995), Sustained attention, activation and MPH in ADHD: a research note. J Child Psychol Psychiatry 36: 697-703

Van der Meere JJ, Sergeant J (1988), Focused attention and vigilance in hyperactivity: Time will tell. J Abnorm Child Psychol 16: 641-55

Van der Molen MW (2000), Developmental changes in inhibitory processing: Evidence from psychophysiological measures. Biol Psychol 54: 207-39

van Dyck PC, McPherson M, Strickland BB, Nesseler K, Blumberg SJ, Cynamon ML, Newacheck PW (2002), The national survey of children with special health care needs.Ambul Pediatr 2(1):29-37

Van Zomeren AH, Brouwer WH (1994), Clinical Neuropsychology of Attention, New York: Oxford Press

Volkow ND, Fowler JS, Wang G, Ding Y, Gatley SJ (2002). Mechanism of action of methylphenidate: insights from PET imaging studies. J Atten Disord 6: S31-43

Walker R, Husain M, Hodgson TL, Harrison J, Kennard C (1998), Saccadic eye movement and working memory deficits following damage to human prefrontal cortex. Neuropsychologia 36:1141-59

Walker R, Deubel H, Schneider WX, Findlay JM (1997), Effect of remote distractors on saccadic programming: evidence of an extended fixation zone. J Neurophysiology 78: 1108-19

Wauschkuhn B, Verleger R, Wascher E, Klostermann W, Burk M, Heide W, Kompf D (1998), Lateralized human cortical activity for shifting visuospatial attention and initiating saccades. J Neurophysiol 80:2900-10

153

Page 158: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

4.

Wainwright A, Bryson SE (2002), The development of exogenous orienting: mechanisms of control. J Exp Child Psychol 82:141-55

Weiss M, Hechtman L, Weiss G (2000) ADHD in parents. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 39:1059-61

Weiss RH (1998), Grundintelligenztest Skala 2 (CFT 20). Göttingen: Hogrefe Wilens TE, Spencer TJ (2000), The stimulant revisited. Child Adolesc Psychiatric Clinics

North America 2: 573-95 Winsberg BG, Comings DE (1999), Association of the dopamine transporter gene

(DAT1) with poor methylphenidate response. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 38:1474-7

Wood C, Maruff P, Levy F, Farrow M, Hay D (1999), Covert orienting of visual spatial attention in attention deficit hyperactivity disorder: does comorbidity make a difference? Arch Clin Neuropsychol 14:179-89

World Health Organization (1993), Tenth Revision of the International classification of diseases, chapter V (F): mental and behavioural disorders. Diagnostic criteria for research, WHO.

Zametkin AJ, Nordahl TE, Gross M, King C, Sempla WE, Rumsey J, Hamburger S, Cohen RM (1990), Cerebral glucose metabolism in adults with hyperactivity of childhood onset. New England Journal of Medicine 323: 1361-66

Zito JM (2000), Trends in the prescribing of psychotropic medications to preschoolers. JAMA 283: 1025- 30

154

Page 159: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

Lebenslauf Diplom Psychologin Charlotte Hanisch

geboren 13.05.1974 in Hamm

Tätigkeit als Diplom Psychologin Seit 7.2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für

Psychiatrie des Kinder- und Jugendalters der Universität zu Köln

12. 2000 – 6.2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für

Kinder- und Jugendpsychiatrie der RWTH Aachen

5.2000 – 11. 2000 Wissenschaftliche Hilfskraft an der Universitätskinderklinik Bonn

Hochschulstudium 10.1994 – 3. 2000 Psychologiestudium an der Heinrich Heine

Universität, Düsseldorf März 2000 Diplom in Psychologie, Note: sehr gut ´ Juli 1996 Vordiplom in Psychologie, Note: sehr gut Weiterbildungen Seit Oktober 2001 Verhaltenstherapeutische Weiterbildung zur Kinder-

und Jugendlichen Psychotherapeutin, AkiP Köln 2000 – 2001 Grundausbildung in Rational- Emotiver und

kognitiv- behavioraler Therapie, Albert Ellis Institut Würzburg

studentische Hilfskraft 10.1996- 4.2000 Institut für Allgemeine Psychologie an der HHU

Düsseldorf, Arbeitsgruppe zur sensomotorischen Integration

studienbezogene Praktika 2.1998 – 6.1998 University of Oklahoma, Heakth Sciences Center,

Department of Psychiatry and Behavioural Sciences (DAAD Stipendium)

Page 160: Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne ...darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2005/1242/pdf/Hanisch_Charlotte.pdf · ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches

7.1997 – 8.1997 Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen

Kliniken Düsseldorf 3.1997 – 4.1997 Kind in Düsseldorf KID 7.1996 – 9.1996 Daimler Benz AG Berlin, Abteilung Mensch und

Fahrzeug Schulbildung 1987 – 1994 Gymnasium Johanneum Lingen (Ems), Allgemeine

Hochschulreife, Abschlussnote 1.8 1991 – 1992 Reicher Catholic High School Waco, Texas, USA Amerikanischer High School Abschluss Köln, September 2005