Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne...
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Aufmerksamkeitsnetzwerke bei Kindern mit und ohne Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD)
Von der Medizinischen Fakultät der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Theoretischen Medizin
genehmigte Dissertation
vorgelegt von Diplom- Psychologin Charlotte Hanisch
aus Hamm
Berichter: Herr Universitätsprofessor
Dr. rer.nat. Klaus Willmes-von Hinckeldey Frau Universitätsprofessorin Dr. med. Beate Herpertz- Dahlmann
Tag der mündlichen Prüfung: 2. September 2005 Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.
F ü r m e i n e M u t t e r ,
die meinen Aufmerksamkeitsfokus
auf die Psychologie, das wissenschaftliche
Arbeiten und die Kinder gelenkt hat
Dankeschön an …
• Herrn Prof. Dr. K. Willmes- von Hinckeldey und Frau Prof. Dr. B. Herpertz-
Dahlmann für die Betreuung dieser Arbeit und für die inhaltliche und
motivationale Unterstützung
• Kerstin Konrad für alles, was ich jetzt über ADHD weiß, die vielen Diskussionen
über alles Spannende der Entwicklungsneuropsychologie und die Freundschaft,
die sich daraus entwickelt hat
• Unserer Neuropsychologie- Arbeitsgruppe für das Erdulden aller Vorversuche
und die zeitliche und inhaltliche Unterstützung
• Dem Julian- Betreuungsnetzwerk bestehend aus David, zwei Opas, Nadia und
Tina für die flexible Herbeizauberung freier Computerzeit
• Meiner Klein- und Großfamilie für die Unterstützung auf allen für eine
Fertigstellung einer solchen Arbeit notwenigen Ebenen
• Allen Eltern und Kindern, die an den Untersuchungen teilgenommen haben
Inhaltsverzeichnis
Z u s a m m e n f a s s u n g 3
A b s t r a c t 5
1 . E i n l e i t u n g
1.1 Einführung Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD) 6
1.2 Ätiologie 8
1.3 Aufmerksamkeitsmodelle 13
1.4 Entwicklung Aufmerksamkeit 17
1.5 Aufmerksamkeitsdefizite bei ADHD 22
1.6 Methylphenidat (MPH) und Aufmerksamkeit 26
1.7 Fragestellung und Studieneinführung 27
2 . E m p i r i s c h e r T e i l
2.1 Neuropsychologische Testbatterien bei Vorschülern mit und ohne ADHD 29
2.2 Der Einfluss von Methylphenidat (MPH) auf die Leistung in
neuropsychologischen Testbatterien bei Vorschülern mit ADHD 41
2.3 Altersabhängige Leistungsunterschiede in der Attention Network Task 50
2.4 Attention Network Task (ANT) bei Kindern mit und ohne ADHD 59
2.5 Modifizierter Attention Network Task bei Kindern mit und ohne ADHD 69
2.6 Altersabhängige Leistungsunterschiede in einem okulomotorischen
Fixations-, Pro-, Anti- und Countermanding Sakkaden Paradigma 77
2.7 Okulomotorische Kontrolle bei Kindern mit und ohne ADHD 98
3 . Ü b e r g r e i f e n d e D i s k u s s i o n
3.1 Zusammenfassung Studienergebnisse 115
3.2 Entwicklungsbedingte Veränderungen des ADHD Phänotyps 118
3.3 Aufmerksamkeitsnetzwerke/ Inhibitionsaspekte 122
3.4 Klinische Relevanz 129
3.5 Kritikpunkte 131
4. L i t e r a t u r 134
5. L e b e n s l a u f
Zusammenfassung
Aufmerksamkeitsstörungen stellen eins der drei Kardinalsymptome der
Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD) dar. Bisher ist unklar, ob die
Aufmerksamkeitsstörungen unabhängig vom Alter vorhanden sind, oder ob sie erst
im Verlauf der Störung zutage treten. Weiter herrscht keine Einigkeit darüber, welche
spezifischen Aufmerksamkeitsprozesse bei ADHD Patienten gestört sind. Wir legten
unseren Studien ein Aufmerksamkeitsmodell zugrunde, das von drei unabhängigen
Aufmerksamkeitsnetzwerken ausgeht, die je nach Aufgabenanforderung spezifisch
angesprochen werden und anatomisch distinkt sind. Einem anterioren
Aufmerksamkeitssystem werden kontrollierende oder exekutive
Aufmerksamkeitsfunktionen zugeschrieben, während das posteriore System für die
Ausrichtung der Aufmerksamkeit im Raum und für Selektionsprozesse zuständig ist.
Das dritte System ist für die Aufmerksamkeitsaktivierung und Aufrechterhaltung über
die Zeit zuständig und wird durch ein weit gefächertes Vigilanznetzwerk repräsentiert.
Ziel der folgenden Studien war, zum einen auf der Grundlage dieser
Aufmerksamkeitsmodelle das neurokognitive Defizit von ADHD Kindern möglichst
genau zu beschreiben und es in einen neuroanatomischen Zusammenhang
einzuordnen. Weiter sollte überprüft werden, ob es Veränderungen in der Art der
Aufmerksamkeitsstörungen bei ADHD Kindern zwischen Vor- und Grundschulter gibt.
Es wurden hierzu neuropsychologische Testbatterien, ein aufgrund der erwähnten
Aufmerksamkeitsmodelle entwickeltes einheitliches Paradigma und okulomotorische
Aufgaben verwendet. Um die Auffälligkeiten in den gesunden Entwicklungsverlauf
einordnen zu können, wurden Entwicklungsstudien an gesunden Kindern zu den
beiden letztgenannten Methoden durchgeführt.
Bei gesunden Kindern sprachen unsere Befunde dafür, dass sich Aspekte aller drei
Aufmerksamkeitsbereiche während der Grundschulzeit weiterentwickeln, wobei
Leistungen des exekutiven Aufmerksamkeitssystems diejenigen zu sein schienen,
die sich zuletzt weiter differenzieren. ADHD Kinder waren im Vergleich zu den
Gesunden v.a. im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität, und hier besonders bei der
Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit über die Zeit, und in kontrollierenden
Aufmerksamkeitsfunktionen beeinträchtigt. Besondere Defizite schienen die ADHD
Kinder in exekutiven Aufmerksamkeitsfunktionen dann zu haben, wenn eine
Reaktion bereits initiiert war bzw. ein gewohnter Reaktionsstil unterbrochen werden
3
musste. Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit war dann bei den ADHD Kindern
auffällig, wenn die Aufgabe eine Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem
irrelevanten Reiz und Ort erforderte.
Wir interpretierten unsere Befunde zum neurokognitiven Defizit von ADHD Kindern
dahingehend, dass wir von ähnlichen aber nicht übereinstimmenden Auffälligkeiten
zwischen Vor- und Grundschülern mit ADHD ausgehen. Weiter sprechen die
Ergebnisse für ein Defizit v.a. im Bereich des anterioren präfrontalen
Aufmerksamkeitsnetzwerkes. Das neuroanatomisch weniger distinkte
Vigilanznetzwerk scheint darüber hinaus bei ADHD Kindern weniger funktionsfähig.
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A b s t r a c t
Attention deficits are one of the core symptoms of children suffering from attention-deficit/ hyperactivity disorder (ADHD). It remains unclear however whether the severity of these attention deficits is age- dependent and which specific attention aspects are impaired. Our studies are based on an attention model that proposes three anatomically distinct independent attention networks that are used in dependence of the specific task requirements. The anterior attention network functions as a control or executive system, while the posterior attention system is responsible for the allocation of attention in space and for attention selectivity. The third attention network resembles attention intensity and is responsible for maintaining an alert state over time and is anatomically less distinct than the other two systems.
The following studies aim at first describing the specific neurocognitive deficit of children with ADHD and secondly relating these deficits to neuroanatomic correlates. Further, we were interested in examining age-related differences in the attention deficit of pre- and grade-schoolers with ADHD. Neuropsychological test-batteries, a paradigm based on the above mentioned attention model and oculomotor tasks were used. In order to be able to relate the findings in ADHD patients to normal development of the attention aspects healthy control subjects were also studied.
Results in the control children suggested, that all three attention networks continue to develop during grade- school years. The executive attention system seems to be the last to function on an adult-like level. Comparing healthy and ADHD children the patient group was impaired with respect to attention intensity, and here specifically in maintaining an alert state over time, and in executive attention. The most pronounced deficits were found in the ADHD group when an already initiated response was to be stopped or a common response set had to be varied. Allocation of attention in space was impaired in ADHD children only if the attention focus had to be disengaged from an irrelevant stimulus.
We conclude that ADHD preschoolers suffer from quite similar but not exactly the same attention deficits than grade-school patients. Our results further imply that the most pronounced deficits can be found in the anterior executive attention network. The vigilance network seems to be impaired as well in children with ADHD.
5
1.
Ein le i tung
1.1 Einführung Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHD) zeichnet sich nach den
gängigen Diagnosekriterien des ICD-10 und DSM-IV durch ein hohes Maß an
motorischer Aktivität, Impulsivität und durch ein Aufmerksamkeitsdefizit aus (DSM-IV:
American Psychiatric Association, 1994; ICD-10: World Health Organization, 1993).
Die Diagnoserichtlinien verlangen, dass sich die Störung vor dem 7. Lebensjahr
manifestiert und kontextunabhängig auftritt. Bei den meisten Kindern wird die
Störung im Alter von 3 bis 4 Jahren deutlich (Palfrey et al., 1985; Taylor et al., 1998)
andere beschreiben mit 2 Jahren einen noch früheren Zeitpunkt der
Diagnosestellung (Zito et al., 2000). Jungen sind 4-9-mal häufiger betroffen als
Mädchen (American Psychiatric Association, 1994). Obwohl die ADHD mit einer
Prävalenz von 3 – 7.5 % die häufigste kinder- und jugendpsychiatrische Diagnose
darstellt (Swanson et al., 1998; American Psychiatric Association, 1994; Goldman et
al., 1998) und sich daraus weitreichende Konsequenzen für die schulische (Weiss
und Hechtman, 1993) und soziale Entwicklung (Mannuzza et al., 1991) der Kinder
ergeben, besteht bisher kein einheitliches ätiologisches Konzept der ADHD.
Im Folgenden soll nun zunächst auf die klinische Einteilung der ADHD Subtypen
eingegangen werden. Anschließend wird ein Überblick über ätiologische Konzepte
der Störung gegeben, wobei neben Umweltfaktoren, die Befundlage zur Genetik, zur
strukturellen und funktionellen Bildgebung und zur Psychopharmakologie erläutert
werden soll. Ergebnisse der neurokognitiven Forschung zur ADHD und deren
Eingliederung in ein ätiologisches Modell der ADHD werden unter 1.5 ausgeführt.
Diagnostische Einteilung von ADHD Subtypen
Die im deutschen Sprachraum gängigen Klassifikationssysteme DSM-IV und ICD-10
unterscheiden sich in der Kategorisierung bzw. Benennung der ADHD. Die
Symptom-Kriterien der ADHD nach ICD-10 (Forschungskriterien, WHO 1994)
umfassen neun Items auf der Skala „Unaufmerksamkeit“, fünf Items für
„Hyperaktivität“ und vier für „Impulsivität“. Während das DSM-IV zwischen drei Typen
(siehe Abbildung 1.1.) der ADHD unterscheidet, sieht ICD-10 nur den Typ ADHD vor,
6
1. der sowohl Unaufmerksamkeitssymptome, als auch Überaktivität und Impulsivität
einschließt.
Abbildung 1.1 Kriterien für die Diagnose einerADHD nach DSM-IV und einerhyperkinetischen Störung nachICD-10 (aus Döpfner et al., 2000).
Einig sind sich beide
Diagnosesysteme, dass die Störung
mindestens sechs Monate vorliegen
und vor dem 7. Lebensjahr zum
ersten Mal aufgetreten sein muss.
Es wird außerdem gefordert, dass das Kind in mehreren situationsübergreifenden
Bereichen (z.B. Schule und zu Hause) deutlich beeinträchtigt ist.
Ausschlusskriterien für die Diagnose einer ADHD sind das Vorliegen einer
tiefgreifenden Entwicklungsstörung, einer Schizophrenie oder anderer psychotischer
Störungen. Das DSM-IV fordert, dass keine andere psychische Erkrankung wie z.B.
eine depressive Episode oder eine Angststörung die Symptomatik ausreichend oder
besser erklären kann, während das ICD-10 diese affektiven Störungen als
Ausschlusskriterien definiert.
Nach ICD-10 müssen für Unaufmerksamkeit sechs, für Hyperaktivität drei und für
Impulsivität ein Symptom erfüllt sein, um die Diagnose vergeben zu können. Ist ein
Kind ausschließlich in seiner Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt, führt das ICD-10
in der Restkategorie F98.8 (sonstige, nicht näher bezeichnete Verhaltens- und
emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend) die
Aufmerksamkeitsstörung auf.
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1. 1.2 Ätiologie
Ätiologie: Umweltfaktoren
Psychosoziale oder Umweltfaktoren scheinen bei der Entstehung der ADHD eine
wenig entscheidende Rolle zu spielen. Es gibt allerdings einige Risikofaktoren, die
das Auftreten einer ADHD begünstigen. Zu ihnen gehören frühe massive Deprivation
(Kreppner et al., 2001), mütterliches Rauchen und Alkohol- oder Substanzabusus
während der Schwangerschaft (Mick et al., 2002), Geburtskomplikationen und
ausgeprägte sozioökonomische Schwierigkeiten der Familie (Biederman et al.,
1995), wobei die Befunde zum letztgenannten Punkt uneindeutig sind (McGee et al.,
1984). Bei den Schwangerschaftsrisiken, die zur Entwicklung einer ADHD führen
können, findet sich eine deutliche Interaktion mit dem elterlichen Genotyp: eine
Mutter mit ADHD wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit rauchen oder
Substanzabusus betreiben als eine Mutter ohne eigene ADHD, so dass auch hier
nicht von einem „reinen“ Umweltfaktor zu sprechen ist.
Insgesamt scheinen ungünstige familiäre Bedingungen eher prädiktiv für das
Auftreten von aggressivem als für ADHD spezifisches Verhalten zu sein (Taylor et
al., 1986) und das Ausmaß der Beeinträchtigung durch die ADHD zu beeinflussen
(Barkley und Cunningham, 1980).
Die primären Ursachen der ADHD scheinen somit in einer genetischen
Prädisposition zu liegen, die sekundär zu neuropsychologischen, verhaltensmäßigen
und schließlich auch zu interaktionellen oder emotionalen Problemen führen kann
(Döpfner, 2000).
Die Symptome einer ADHD können ebenfalls nach einem Schädelhirntrauma
(Herskovits et al., 1999) oder Hirninfarkt auftreten, wobei hier das Putamen von
entscheidender Rolle zu sein scheint (Max et al., 2002). Kinder und Jugendliche mit
ADHD Symptomen aufgrund einer neurologischen Vorgeschichte stellen allerdings
eine gesonderte Gruppe dar (Jin und Schachar, 2004; Konrad et al., 2000) und
sollen in dieser Arbeit nicht weiter behandelt werden.
Ätiologie: Genetik
Familien-, Adoptions- und Zwillingsstudien liefern überzeugende Befunde dafür, dass
genetische Variationen an der Ätiologie der ADHD beteiligt sind (Acosta et al., 2004).
Zwillingsstudien berichten von einer genetischen Beeinflussbarkeit des Phänotyps
8
1. von bis zu 0.91 (Gillis et al., 1992; Levy et al., 1997). Für das Vorliegen von
Aufmerksamkeitsstörungen werden bei monozygoten Zwillingen Korrelationen von
0.62- 0.78 beichtet, für Hyperaktivität und Impulsivität 0.48 - 0.92 (Smidt et al., 2003).
Geschwister von ADHD Kindern haben ein drei- bis fünffach erhöhtes Risiko, selbst
alle Kriterien einer ADHD zu erfüllen (Biederman et al., 1992; Faraone et al., 1993),
das Risiko eineiiger Zwillinge liegt bei 50- 80% (Bradley und Golden, 2001).
Sowohl ältere als auch neue Adoptions- und Familienstudien führen die familiäre
Häufung von ADHD eher auf genetische als auf Umweltfaktoren zurück (Morrison et
al., 1971; Faraone und Doyle, 2000; Risch und Merikangas, 1996).
Interessanterweise scheint sich v.a. die Prädisposition zu einer ADHD zu vererben,
während die Ausprägung eines bestimmten ADHD Subtyps (siehe Kapitel 1.1) nicht
genetisch determiniert und eher Umwelt- abhängig zu sein scheint (Smalley et al.,
2000).
Zusammenfassend belaufen sich die Schätzungen aus formalgenetischen
Untersuchungen zur Erblichkeit von ADHD über die untersuchten Populationen
hinweg auf über 0.7, wobei von einer genetischen Heterogenität ausgegangen wird,
d.h. dass an der Ausprägung des ADHD Phänotyps unterschiedliche Genvariationen
bzw. Allelkombinationen beteiligt zu sein scheinen (Smalley, 1997; Tannock, 1998;
Faraone et al., 2000; Smidt et al., 2003).
Im Fokus des Interesses molekulargenetischer Studien stand bisher die
Untersuchung dopaminerger (Swanson et al., 2000) und noradrenerger
Kandidatengene (Faraone et al., 2002). Als Kandidatengene des dopamineregen
Systems werden das Dopaminrezeptor-Gen (DRD4) und das Dopamintransportergen
(DAT1) diskutiert (Swanson et al., 2000; Cook et al., 1995). Die Wahrscheinlichkeit
einer ADHD scheint durch Allel- Variationen bestimmter Regionen des DAT1 oder
DRD4 Gens um 20- 40% zu steigen (Castellanos und Tannock, 2002), wobei bisher
unklar ist, wie die Interaktion dieser Gene untereinander einzuschätzen ist (Faraone
et al., 2002). Das Noradrenalin Transporter Gen NET1 bzw. dessen Polimorphismen
wurden - ähnlich wie die dopaminergen Kandidatengene - aufgrund
psychopharmakologischer Erwägungen als Kandidatengen des noradrenergen
Systems angenommen (Spencer et al., 1998), traten allerdings in einer Stichprobe
von 155 ADHD Familien nicht häufiger auf als in der Normbevölkerung (Barr et al.,
2002).
9
1. Weltweit wurden bisher drei Genomscan- Untersuchungen bei Familien mit ADHD
durchgeführt. In allen Studien wurden Kopplungsregionen auf unterschiedlichen
Chromosomen (Fisher et al., 2002; Ogdie et al., 2003; Smalley et al., 2002; Bakker et
al., 2003) gefunden. Keine der Studien fand signifikante Auffälligkeiten für die beiden
dopaminergen Kandiatengene. Auch die molekulargenetischen Befunde sprechen
dafür, dass die für ADHD prädisponierenden Faktoren aus Variationen mehrer Gene
bzw. chromosomaler Orte (Sites) und deren Interaktion zusammensetzt und
intraindividuell unterschiedlich sein können (Fischer et al., 2002).
Ein weiterer Ansatz zur Klärung genetischer Faktoren der ADHD ist, die Heritabilität
einzelner Aspekte der Störung zu untersuchen. So konnten z.B. Fan et al. (2001) in
einer Zwillingsstudie zeigen, dass die Heritabilität eines exekutiven
Aufmerksamkeitsnetzwerkes (h2= 0.62) deutlich höher ist als die für
aufmerksamkeitsaktivierende Funktionen (siehe 1.3). In Übereinstimmung mit
diesem Befund wurde in ADHD Familien, die schlechte exekutive Funktionen
aufwiesen, eine größere Auftretenshäufigkeit von ADHD in der Großfamilie gefunden
als in Familien mit guten exekutiven Leistungen (Crosbie und Schachar, 2001), so
dass hier ein Zusammenhang zwischen einer genetischen Prädisposition und einem
wichtigen neurokognitiven Aspekt der ADHD hergestellt werden konnte.
Ätiologie: Bildgebung
ADHD Kinder scheinen ein um 5% vermindertes Gesamthirnvolumen zu haben
(Castellanos et al., 1996; Castellanos et al., 2001). Strukturelle
Magnetresonanztomographie (MR) Untersuchungen weisen auf volumetrische
Auffälligkeiten in den Frontallappen (Castellanos et al., 1996; Filipek et al., 1997,
Casey et al., 1997), in den Basalganglien (Castellanos et al., 1996; Filipek et al.,
1997; Casey et al., 1997; Aylward und Reiss, 1996), im Corpus Callosum (Aylward
und Reiss, 1996), in parietalen Kortexarealen (Filipek et al., 1997) und im
Cerebellum (Berquin et al., 1998; Durston et al., 2003) hin. Im Einzelnen scheint das
verminderte frontale Hirnvolumen v.a. auf kleinere präfrontale und prämotorische
Areale zurückzuführen zu sein (Mostofsky et al., 2002) und Auffälligkeiten der
Basalganglien den Nucleus Caudatus (Castellanos et al., 1994; Castellanos et al.,
1996; Castellanos et al., 2001; Semrud-Clikeman et al., 2000; Filipek et al., 1997),
nicht aber das Putamen (Aylward und Reiss, 1996) zu betreffen. Im Cerebellum ist
insbesondere das Volumen des Wurms reduziert (Berquin et al., 1998; Catellanos et
10
1. al., 2001; Mostofsky et al., 1998). In einer Entwicklungsstudie an gesunden Kindern
ging ein kleines Volumen frontaler und striataler Strukturen mit einer schlechten
Inhibitionsleistung einher (Casey et al., 1997). Jüngere morphometrische
Untersuchungen bei ADHD Patienten haben die fronto- striatalen Auffälligkeiten bei
ADHD Patienten bestätigt und finden zusätzlich eine Verminderung der grauen
Substanz im Bereich des bilateralen anterioren temporalen Kortex und ein größeres
Volumen im Bereich des bilateralen posterioren temporalen und inferioren parietalen
Kortex (Sowell et al., 2003). Somit weisen morphometrische Studien auf eine weit
verbreitete Reduktion des cerebralen und cerebellären Hirnvolumens hin, wobei v.a.
Gebiete, die reich an dopaminergen Projektionen sind, betroffen zu sein scheinen.
Ein geringes Hirnvolumen in einem fronto-striatalen Netzwerk konnte direkt mit den
ADHD typischen kognitiven Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht werden
(Casey et al., 1997). Cerebelläre Auffälligkeiten hingen in einer anderen Studie
hingegen nicht direkt mit den ADHD Symptomen zusammen, sondern schienen über
eine Modulation des fronto-striatalen Netzwerks einen indirekten Einfluss auf die
Ausprägung des ADHD Phänotyps zu haben (Giedd et al., 2001).
Während in einer Positron Emission Tomographie (PET)-Studie eine generelle
Reduktion des zentralen Stoffwechsels bei Kindern mit ADHD dokumentiert wurde
(Zametkin et al., 1990), weisen Studien zur funktionellen Magnetresonanz-
tomographie (fMRT) und zur Single Photon Emissions Computertomographie
(SPECT) auf funktionelle Auffälligkeiten im Bereich superiorer und inferiorer
präfrontaler Areale (Vaidya et al., 1998; Zametkin et al., 1990), im Nucleus Caudatus
(Lou et al., 1989, Steinberg et al., 1997) und in parietalen Gebieten (Sieg et al., 1995,
Brandeis et al., 1998) hin. Frontale Hirnregionen scheinen v.a. rechts medial bei
ADHD Patienten im Vergleich zu Kontrollprobanden bei Inhibitionsaufgaben weniger
aktiv (Bush et al., 1999; Rubia et al., 2000; Vaidya und Gabrieli, 1999; Durston,
2003), in einer Stop Signal Aufgabe war diese Unteraktivierung auch im rechten
inferioren präfrontalen Kortex und im linken Nucleus Caudatus zu finden (Rubia et
al., 2000). Zwei andere Studien berichten davon, dass ADHD Kinder in
Inhibitionsaufgaben anstelle eines fronto-striatalen Netzwerkes ein diffuseres
Netzwerk mit eher posterioren Arealen aktivierten (Durston et al., 2003; Konrad et al.,
eingereicht).
11
1. Ätiologie: Psychopharmakologie
Die Medikation erster Wahl stellt Methylphenidat (MPH) dar, das bei 65- 75% aller
ADHD Kinder zu einer deutlichen Symptomreduktion führt (Greenhill et al., 2001).
MPH gehört zur Gruppe der Psychostimulanzien, die eine Zunahme der
Ausschüttung bzw. eine Abnahme der Wiederaufnahme von Katecholaminen
(Dopamin und Noradrenalin) und somit eine Erhöhung der extrazellulären
Katecholaminkonzentration bewirken (Pliszka et al., 1996 für eine Übersicht; Volkow
et al., 2001). Während die Wirkung von MPH v.a. auf die Beeinflussung des
dopaminergen Systems zurückgeführt wird und in Zusammenhang mit
molekulargenetischen Veränderungen im Dopamintransportergen (DAT1) zu stehen
scheint (Winsberg und Comings, 1999; Roman et al., 2002), hat es auch Effekte auf
zentrale noradrenerge Bahnen (Solanto, 2002; Michelson et al., 2001).
Aus der Wirksamkeit der Psychostimulanzien, und hier v.a. MPH, wurde
geschlussfolgert, dass ADHD Patienten eine Dysregulation katecholaminerger
Bahnen aufweisen. Obwohl Amphetamine auch bei gesunden Probanden zu einer
Verbesserung der kognitiven und motorischen Kontrolle führen, konnte die
Hypothese eines fehlerhaften Katecholaminstoffwechsels bei ADHD mehrfach belegt
werden (Pliszka et al., 1996; Solanto, 2002).
So wird z.B. angenommen, dass eine dopaminerge Unterversorgung des
präfrontalen Kortex die kognitive Beeinträchtigung hervorruft. Motorische
Überaktivität und Impulsivität scheinen durch eine Hyperaktivität striataler
dopaminerger Bahnen verursacht und eine Folge des präfrontalen Dopaminmangels
zu sein (Solanto, 2002). Es wird also davon ausgegangen, dass MPH über die
Steigerung des präfrontalen Dopaminspiegels primär die kognitiven
Beeinträchtigungen reduziert. Die Erhöhung des präfrontalen Dopamins scheint eine
Beeinflussung des striatalen Dopaminspiegels zur Folge zu haben und so
hypermotorische und impulsive Verhaltensweisen zu verringern. In Übereinstimmung
mit dieser Annahme konnten pharmakologische fMRT Studien zeigen, dass MPH
den Metabolismus und die Durchblutung in frontalen und striatalen Regionen steigert
(Kim et al., 2001; Matochik et al., 1994).
Die Wirksamkeit eines neuen selektiven Noradrenalinwiederaufnahmehemmers
(Atomoxetin), der seit 2002 für die Behandlung von ADHD Patienten in den USA
zugelassen ist, bestätigt die Beteiligung des noradrenergen Systems an den
12
1. Symptomen der ADHD (Kratochvil et al., 2002; Michelson et al., 2001; Michelson et
al., 2004).
Zusammenfassend sprechen Befunde der Genetik, der Psychopharmakologie und
der morphometrischen und funktionellen Bildgebung für eine neurobiologische
Grundlagder ADHD. Hierbei scheinen ein fronto-striatales-cerebelläres Netzwerk und
der Transmitter Dopamin von entscheidender Bedeutung, wenngleich neuere
Befunde gleichzeitig auf die Relevanz weiterer Hirnregionen und des noradrenergen
Systems hinweisen.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll sein, das neurokognitive Defizit bei ADHD
Kindern mit Hilfe hand- und okulomotorischer Aufgaben möglichst differenziert zu
beschreiben. Gefundene Auffälligkeiten sollen im Zusammenhang mit dem gesunden
Entwicklungsverlauf und den im Folgenden beschriebenen Modellannahmen zur
visuell-räumlichen Aufmerksamkeit betrachtet werden.
Im Folgenden werden zunächst zwei Aufmerksamkeitsmodelle erläutert.
Anschließend werden der gesunde Entwicklungsverlauf einzelner
Aufmerksamkeitsaspekte und dann die bei ADHD Patienten berichteten spezifischen
Aufmerksamkeitsdefizite beschrieben. Der Diskussion einiger Befunde zum Einfluss
von Methylphenidat (MPH) auf die Aufmerksamkeitsleistung bei ADHD Kindern folgt
eine Überleitung zur Fragestellung und den durchgeführten Studien.
1.3 Aufmerksamkeitsmodelle
Das Thema Aufmerksamkeit nimmt einen großen Raum in der Literatur zur
kognitiven Psychologie ein, wobei Definitionen, Differenzierungen und Modelle auf
diesem Gebiet wenig einheitlich sind (Pashler et al., 1998; Styles et al., 1997, für
eine Übersicht).
Eine häufig zitierte Definition von Aufmerksamkeit stammt von William James (1890):
‚My experience is what I agree to attend to…. Every one knows what attention is. It is
the taking possession by the mind, in clear and vivid form, of one out of what seem
several simultaneously possible objects or trains of thought. Focalization,
concentration, of consciousness are its essence. It implies withdrawal from some
things in order to deal effectively with others…’ (pp. 402-403).
13
1.
Selektivität/Verschiebungsuperiorer Parietallappen,temporalparietaleVerbindung, frontale Augenfelder, Colliculus superior, Thalamus, Striatum Acetylcholin Fokussierte, Geteilte Aufmerksamkeit
Exekutive FunktionenHirnstrukturen: anteriores Cingulum, lateraler ventraler
präfrontaler Kortex, Basalganglien Transmitter: Dopamin Aufmerksamkeits- funktionen: Strategie/ Planung, Flexibilität, Inhibition
Intensität/ Aktivierungrechter präfrontaler und parietaler Kortex, Locus Coeruleus Noradrenalin Alertness, Vigilanz, Daueraufmerksamkeit
Abbildung 1.2 Modell zu visuell- räumlichen Aufmerksamkeitsnetzwerken modifiziert nach Posner und Petersen (1990) und van Zomeren und Brouwer (1994)
Im Folgenden sollen zwei Aufmerksamkeitsmodelle dargestellt werden, deren
Annahmen durch neuropsychologische und bildgebene Studien gestützt werden und
der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt wurden. Sowohl das
Aufmerksamkeitsmodell von Posner und Petersen (1990) als auch das von van
Zomeren und Brouwer (1994) nehmen drei voneinander unabhängige
Aufmerksamkeitsnetzwerke an. Beide Modelle gehen weiter von zwei hierarchisch
geordneten Aufmerksamkeitsebenen aus, von einer tieferen und einer
übergeordneten, kontrollierenden Ebene. Van Zomeren und Brouwer (1994)
schreiben der tieferen Aufmerksamkeitsebene die Aufmerksamkeitsintensität und die
Aufmerksamkeitsselektivität zu. Aufgaben zur Aufmerksamkeitsintensität verlangen
Aufmerksamkeitsaktivierung (tonische oder phasische Alertness) und –
aufrechterhaltung über die Zeit (Vigilanz, Daueraufmerksamkeit), während
Aufmerksamkeitsselektivität bedeutet, dass einem spezifischen Stimulus in einer
Stimuluskonstellation eine besondere Bedeutung zukommt. Posner und Petersen
(1990) nehmen in ihrem Netzwerkmodell der Aufmerksamkeit eine etwas andere
Funktionszuschreibung vor (Fan et al., 2002). Sie gehen von übergeordneten
Funktionen und einem ähnlichen Netzwerk zur Aufmerksamkeitsaktivierung
14
1. (Alertness) aus. Neben diesen besteht eines zur räumlichen
Aufmerksamkeitsausrichtung oder –verschiebung. Während
Aufmerksamkeitsintensität und Aufmerksamkeitsaktivierung synonym gebraucht
werden, beschreibt die räumliche Aufmerksamkeitsverschiebung im Modell von
Posner und Petersen die Tatsache, dass ein räumlicher Hinweisreiz oder jegliche Art
von sensorischer Stimulation zur automatischen Verschiebung des
Aufmerksamkeitsfokus im Raum führen und somit die Reaktion auf einen dort
erscheinenden Zielreiz erleichtern kann (Posner und Fan, im Druck). Während
Aufgaben zum Konzept der Aufmerksamkeitsselektivität nach van Zomeren und
Brouwer nicht unbedingt eine räumliche Aufmerksamkeitsverschiebung beinhalten
müssen, können dennoch auch hier deutliche Überlappungen zwischen beiden
Aufmerksamkeitsmodellen gesehen werden. Beiden Konzepten gemeinsam ist die
Selektivität im wörtlichen Sinne, die eine Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf einen
spezifischen Stimulus bzw. auf einen bestimmten Punkt im Raum bei gleichzeitiger
Nicht-Beachtung von irrelevanten Stimuli oder Raumkoordinaten meint (Posner,
1980).
Die obere Aufmerksamkeitsebene wird in beiden Modellen durch die kontrollierenden
(exekutiven) Aufmerksamkeitsfunktionen gebildet, denen die Funktion der
(Interferenz-) Kontrolle, Inhibition, Konfliktlösung oder willentlichen Steuerung der
Informationsverarbeitung zukommt (Jackson et al., 1994; Jonides, 1981). Pennington
und Ozonoff (1996) ordnen den exekutiven Funktionen folgende fünf
Funktionsaspekte zu: Inhibition, Arbeitsgedächtnis, Planung, Kognitive Flexibilität
(Set Shifting) und Fluency, während andere Autoren andere Einteilungen vornehmen
und das Arbeitsgedächtnis gesondert betrachten (Sergeant et al., 2003). Das
Konzept der übergeordneten Aufmerksamkeitsfunktionen wird sowohl durch klinische
(Spikman et al., 2001; Rafal, 1998) als auch durch Bildgebungsstudien gestützt
(Cabeza und Nyberg, 2000), wobei letztere kontrollierende
Aufmerksamkeitsfunktionen je nach Aufgabe mit präfrontalen, hauptsächlich
Dopamin-modulierten Arealen in Verbindung bringen (Cabeza und Nyberg, 2000;
Fan et al., 2003) und mit Bahnen, die die Basalganglien mit dem orbitofrontalen
Kortex verbinden (Castellanos, 1999). Der anteriore cinguläre Kortex und andere
medial präfrontale Kortexareale scheinen hier von entscheidender Bedeutung
(Jackson et al., 1994; Mirsky et al., 1996).
15
1. Dem Aufmerksamkeitsaktivierungs- oder Aufmerksamkeitsintensitätssystem wird ein
Vigilanznetzwerk im rechten präfrontalen Kortex, im parietalen Kortex und in
subkortikalen Arealen wie dem Locus Coeruleus zugeordnet (Sturm et al, 2004;
Sturm et al., 2000; Corbetta et al., 2000; Kastner et al., 1999). Noradrenalin wird als
entscheidender Transmitter für das Aufmerksamkeitsaktivierungssystem angesehen
(Marrocco und Davison, 1998; Posner und Fan, im Druck).
Die Aufmerksamkeitsselektivität scheint ein weit gefächertes bilaterales Netzwerk zu
umfassen, das Thalamus und striatale Areale einschließt (Corbetta et al., 1991).
Dem Aufmerksamkeitsausrichtungsnetzwerk nach Posner und Petersen werden der
superiore Parietallappen, die temporal-parietale Verbindung, die frontalen
Augenfelder, die Pulvinar des Thalamus und der Colliculus Superior zugeordnet
(Posner et al., 1984; Posner und Raichle, 1994; Rothbart et al., 1994). Acetylcholin
scheint der entscheidende Transmitter in diesem System zu sein (Posner und Fan,
im Druck). Das Konzept der räumlichen Aufmerksamkeitsverschiebung im Modell
von Posner und Petersen beinhaltet verschiedene Komponenten dieses
Ausrichtungsprozesses, „disengage“, „shift“ und „engage“. Posner hat hier den
Aufmerksamkeitsfokus mit einem sich durch den visuellen Raum bewegenden
Scheinwerfer verglichen (Posner, 1988), der sich zunächst vom aktuellen Fokus
lösen muss (Disengage), um zu einem neuen Objekt zu wechseln (Shift) und sich
darauf zu konzentrieren (Engange). Die Disengage und Shift Komponenten werden
mit dem posterioren oder temporalen Pariatallappen in Verbindung gebracht
(Friedrich et al. 1998; Karnath et al., 2001; Posner, 1984), wobei Mittelhirnstrukturen
auch an der eigentlichen Aufmerksamkeitsbewegung beteiligt zu sein scheinen
(Posner und Petersen, 1990, p.28-29; Posner, 1988). Die Engage- Komponente
scheint ebenfalls subkortikale Strukturen zu aktivieren, hier scheint die Pulvinar des
Thalamus entscheidend zu sein (Posner, 1988; Posner und Petersen, 1990). Über
Interaktionen zwischen posteriorem Parietallappen und frontalem Kortex (Goldman-
Rakic, 1988) ist das Aufmerksamkeitsausrichtungssystem eng mit dem anterioren,
übergeordneten Aufmerksamkeitssystem verbunden (Rothbart et al., 1989). Eine
besonders Verbindung scheint aufgrund der anatomischen Organisation zwischen
der Disengage- Komponente der Aufmerksamkeitsverschiebung und höheren
kognitiven Kontrollmechanismen zu bestehen (Posner, 1988).
16
1. Je nachdem, ob die Aufmerksamkeitsverschiebung ein sichtbares Verhalten
beinhaltet (z.B. eine Augenbewegung) oder nicht, wird sie als offene (overt) oder
verdeckte (covert) Ausrichtung bezeichnet. Neuroanatomisch überlappen sich diese
beiden Arten der Aufmerksamkeitsausrichtung im Raum (Corbetta et al. 2000; Cutrell
et al., 2002; Beauchkamp et al., 2001) und erfüllen den gleichen Zweck (Hoffman et
al., 1998).
Die postulierten Aufmerksamkeitsnetzwerke können effektorunabhängig (Hand,
Auge) durch eine systematische Variation der Untersuchungsparadigmen abgebildet
bzw. überprüft werden (Fan et al., 2001).
1.4 Aufmerksamkeitsprüfung und Entwicklung
Die Verbesserung und Ausdifferenzierung der Aufmerksamkeitsfunktionen scheint
eine der wichtigsten Leistungen der gesamten Kindheit zu sein mit weitreichenden
Folgen für die weitere soziale und kognitive Entwicklung (Bornstein et al., 1990). Die
Mehrzahl der Studien, die sich mit der altersabhängigen Veränderung von
Aufmerksamkeitsleistungen beschäftigt, ist als Querschnittsstudie angelegt und kann
somit lediglich eine Aussage darüber machen, wie sich die betrachtete Funktion
zwischen verschiedenen Altersgruppen unterscheidet. Hieraus werden zwar
Schlussfolgerungen bzgl. der altersabhängigen Entwicklung der jeweiligen Funktion
abgeleitet, methodisch einwandfreier wäre dies allerdings durch die längsschnittliche
Betrachtung der Probanden (Band et al., 2000).
Bei der Überprüfung der beschriebenen Aufmerksamkeitsnetzwerke sind v.a.
Reaktionsschnelligkeit, Gleichförmigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit und
Reaktionsgenauigkeit von Interesse. Operationalisiert werden diese Variablen über
die Reaktionslatenz, deren intraindividuelle Standardabweichung und über die
Anzahl der Fehler bzw. über die Genauigkeit einer ausgeführten Bewegung.
Unabhängig vom untersuchten Effektor und unabhängig von den spezifischen
Aufgabengegebenheiten nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit bis zum frühen
Erwachsenenalter zu (z.B. Band et al., 2000; Ridderinkhof und van der Molen, 1997;
Gibson, 1966; Hale et al., 1990). Dieser Reaktionszeiteffekt wird als globale
altersabhängige Veränderung der Informationsverarbeitung verstanden (Kail, 1993)
und schließt sowohl eine bessere Aktivierung richtiger Verarbeitungselemente als
17
1. auch eine gesteigerte Inhibition falscher Verarbeitungselemente ein (Band et al.,
2000; Dempster, 1992; Ridderinkhof und van der Molen, 1997; Tipper et al., 1989).
Für die Antwortaktivierung und -inhibition wurden unterschiedliche
Entwicklungsverläufe dokumentiert (Harnishfeger, 1995; Band und van der Molen,
2000).
Einzelne Aufmerksamkeitsfunktionen sind bereits im Säuglingsalter vorhanden,
wobei sich anschließend verschiedene Aufmerksamkeitsfunktionen zu
unterschiedlichen Zeitpunkten weiterzuentwickeln scheinen (Richards, 1989;
Ridderikhof und van der Stelt, 2000; Ruff und Rothbart, 1996; van der Molen, 2000,
für eine Übersicht).
Gesunde Entwicklung Aufmerksintensität/ Aktivierung
Geht einem Zielreiz ein visueller oder akustischer Warnreiz voraus, verringert dieser
sog. Alert-Effekt die Reaktionslatenz auf den Zielreiz. Während einige Autoren
kleinere Alert-Effekte bei 5-10 jährigen Kindern im Vergleich zu Erwachsenen
berichten, finden andere abnehmende Effekte mit zunehmendem Alter (Rueda et al.,
2004; Kraut, 1976; Smothergrill und Kraut, 1989; Ridderinkhof et al., 1997). Wenn
also bisher nicht eindeutig geklärt werden konnte, wie sich der Effekt eines
Warnreizes über das Grundschulalter hinweg entwickelt, scheinen bereits Vorschüler
in ihren Reaktionszeiten von zeitlich stabilen Warnhinweisen deutlich zu profitieren
(Berger et al., 2000).
Einfache Reaktionszeitparameter wie Reaktionslatenz und individuelle
Schwankungen der Reaktionslatenz über die Versuchsdurchgänge hinweg werden
als Indikatoren für Anstrengung und Wachheit (Sergeant et al., 1999; Posner und
Petersen, 1990) angesehen und werden dem Aufmerksamkeitsintensitätsnetzwerk
zugeordnet (Huang- Pollock und Nigg, 2003). Bis ins frühe Erwachsenenalter
verringern sich Reaktionslatenz und die intraindividuelle Variabilität der Reaktionszeit
(DeSonneville, 2001; Zimmermann und Fimm, 1993; Schachar und Logan, 1990;
Klein, 2001; Livesey und Morgan, 1991; Bunge et al., 2002) und deuten somit auf
eine stetige Weiterentwicklung der Aufmerksamkeitsaktivierung hin.
18
1. Gesunde Entwicklung Aufmerksamkeitsselektivität/ räumliche
Aufmerksamkeitsverschiebung
Offene oder verdeckte Orientierungsreaktionen zu visuellen oder akustischen Stimuli
finden sich bereits im Säuglingsalter (Lansink und Richards, 1997; Murray und
Trearthan, 1985). Da in den Studien in Kapitel 2 ausschließlich rein visuelle
Paradigmen verwendet werden, soll im Folgenden nur auf die Befunde zu
alterskorrelierten Veränderungen der visuellen selektiven Aufmerksamkeit
eingegangen werden.
Zum Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Lebensjahrs scheint die
Aufmerksamkeitsverschiebung zum Zweck der Selbstregulation eingesetzt werden
zu können (Posner et al., 1997). Willentliches Übergehen der automatischen
Aufmerksamkeitsverschiebung ist mit 18 Monaten beobachtbar (Rothbart et al.,
1994). Kinder im Alter von 6 Jahren reagieren schneller, wenn einem Zielreiz ein
aussagefähiger, also valider räumlicher Hinweisreiz vorausgeht als ohne Hinweisreiz.
In dieser Reaktionszeitdifferenz zwischen Bedingungen mit und ohne räumlichen
Hinweisreiz, die als Nutzen bezeichnet wird, zeigt sich, dass Kinder im Alter von 6
von der Fähigkeit, die Aufmerksamkeit im Raum zu verschieben, profitieren (Akthar
und Enns, 1989; Brodeur und Boden, 2000; Brodeur und Enns, 1997; Enns und
Brodeur, 1989; Pearson und Lane, 1990). Diese einfache Orientierungsreaktion
scheint sich über die Lebensspanne wenig zu verändern (Plude et al., 1994). Die
Verlängerung der Reaktionszeit aufgrund eines invaliden räumlichen Hinweisreizes
wird als Kosten der Aufmerksamkeitsausrichtung bezeichnet. Diese Kosten werden
dadurch erklärt, dass die Aufmerksamkeit von einem invaliden, also falschen
Hinweisreiz zunächst wieder losgelöst werden muss (Disengage), bevor der
Aufmerksamkeitsfokus zum Ort des Zielreizes verschoben (Shift) und sich dort
festigen kann (Engage, siehe 1.3). Die Disengage- Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung scheint sich zwischen Grundschulalter, Pubertät hin
zum Erwachsenenalter weiterzuentwickeln (Akthar und Enns, 1989; Enns und
Brodeur, 1989; Wainwright und Bryson, 2002; Klein, 2001; Klein und Foerster, 2001),
d.h. jüngere Kinder werden in ihrer Leistung mehr von einem räumlich falschen
Hinweisreiz beeinträchtigt. Entsprechend können ältere Kinder besser als Jüngere
mit uneindeutigen Hinweisreizen umgehen und mehr Assoziationen zwischen
19
1. Hinweisreiz und Zielstimulus lernen (Canfield et al., 1997; Clohessy et al, 2001; Haith
et al., 1988; Thomas und Nelson, 2001; Posner, 2001).
Die Engage- und Shift- Komponenten hingegen scheinen weniger altersabhängig zu
sein (Enns und Brodeur, 1989; Wainwright und Bryson, 2002; Enns, 1990; Trick und
Enns, 1998; Brodeur und Enns, 1997). Je nach Vorhersagekraft des räumlichen
Hinweisreizes ist aber auch bei der Engage- Komponente ein, wenn auch weniger
ausgeprägter Entwicklungstrend zu vermuten (Wainwright und Bryson, 2002).
Aufgaben zur Aufmerksamkeitsselektivität, wie sie van Zomeren und Brouwer (1994)
definieren, beinhalten ebenfalls die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit von einem oder
mehreren Nicht-Zielobjekt zu entkoppeln, um sie auf den Zielreiz richten zu können.
In Übereinstimmung mit den altersabhängigen Veränderungen der Disengage-
Komponente der räumlichen Aufmerksamkeitsveschiebung zeigen sich somit in
Aufgaben zur Aufmerksamkeitsselektivität ebenfalls altersabhängige
Leistungsverbesserungen (DeSonnevielle, 2001; Shepp und Barrett, 1991; Shepp et
al., 1987).
Gesunde Entwicklung Exekutiver Funktionen
Während einige Autoren unterschiedliche Entwicklungsverläufe für verschiedene
Arten von kontrollierenden Aufmerksamkeitsfunktionen dokumentieren (Harnishfeger,
1995; Dempster, 1993; Asendorpf, 1990), finden andere ähnliche
Entwicklungstrajektorien für unterschiedliche Teilaspekte der exekutiven Funktionen
(Band et al., 2000). Im Folgenden soll der Entwicklungsverlauf in einigen Aufgaben
dieser Aufmerksamkeitskomponente näher erläutert werden.
In Aufgaben zur kognitiven Konfliktlösung haben die Probanden die Aufgabe, eine
nahe liegende, kompatible Reaktion zu Gunsten einer weniger nahe liegenden,
inkompatiblen zu unterdrücken. Zwischen 2 und 4 Jahren scheinen sich basale
Mechanismen für die Konfliktlösung zu entwickeln (Gerardi-Caulton, 2000), die sich
im Verlauf der Kindheit weiter verbessern (Gerstadt et al, 1994; Lane und Pearson,
1982). Im Alter von 10 Jahren konnten ähnlich gute Leistungen wie bei Erwachsenen
in einer Aufgabe erzielt werden, bei der die Richtung eines Zielreiz anzugeben war,
der von anders ausgerichteten Ablenkreizen umgeben war (Flankierungs- Aufgabe,
Eriksen und Eriksen, 1974; Ridderinkhof et al., 1997). Jüngere Kinder waren in
dieser Aufgabe sowohl schlechter als 10- Jährige als auch als Erwachsene (Rueda
et al., 2004; Tipper et al., 1989).
20
1. Die Go-Nogo-Aufgabe beinhaltet die Inhibition einer Antwort auf einen Nicht-Zielreiz,
während auf den Zielreiz reagiert werden soll. Dadurch, dass der Zielreiz deutlich
häufiger präsentiert wird, wird die Reaktionsinhibition auf den Nicht- Zielreiz
erschwert. Hier sind sowohl im Vorschulalter als auch im Alter zwischen 6 und 13
Jahren sowohl auf Verhaltens- als auch auf neuronaler Ebene Veränderungen
nachweisbar (Livesey und Morgan, 1991; Casey et al., 1997).
Bei der Stop Signal Aufgabe folgt in der Mehrzahl der Durchgänge dem sog. Go-
Signal ein Zielreiz. In etwa einem Drittel der Durchgänge wird innerhalb eines
variablen Intervalls nach Erscheinen des Zielreizes ein Stop- Signal präsentiert,
woraufhin keine Reaktion erfolgen soll (Logan et al., 1997). Die Stop Signal Aufgabe,
bzw. die Countermanding Sakkaden Aufgabe als ihre okulomotorische
Entsprechung, misst die Fähigkeit, eine bereits initiierte Bewegung zu stoppen und
liefert somit ein Maß für die Inhibitionsfähigkeit einer bereits andauernden
Bewegung. Entwicklungsstudien haben zum einen den altersabhängigen Verlauf der
Reaktionszeit in den Go- Durchgängen und zum anderen der Inhibitionsleistung
betrachtet. Letztere wird durch die Fehlerzahl in Stop- Signal- Durchgängen und
durch die Zeit, die zum Stoppen einer Reaktion benötigt wird (Stop- Signal-
Reaktionszeit), operationalisiert. Go- Reaktionsgeschwindigkeit und die Stop- Signal-
Reaktionszeit scheinen unterschiedliche Entwicklungsverläufe zu zeigen, wobei die
Inhibitionsleistung einer weniger ausgeprägten aber länger andauernden
Verbesserung zu unterliegen scheint (Bedard et al., 2002; Band und van der Molen,
2000; Ridderinkhof et al., 1999; Nigg, 1999). Im Vorschulalter bzw. im Alter von 6 bis
8 und 9 bis 12 Jahren scheint es aber zu einer deutlichen Verbesserung der
Inhibitionsleistung zu kommen (Carver et al., 2001; Williams et al., 1999), wobei
andere diesen Entwicklungstrend nicht bestätigen (Schachar und Logan, 1990).
Wie unter 1.3 erläutert wird das exekutive System strukturell mit einem anterioren
Aufmerksamkeitsnetzwerk in Verbindung gebracht, das präfrontale Hirnregionen mit
den Basalganglien verbindet (Cabeza und Nyberg, 2000; Fan et al., 2003;
Castellanos, 1999). Die Entwicklung dieser Aufmerksamkeitsfunktionen wird somit
mit Entwicklungsprozessen im präfrontalen Kortex assoziiert (Goldman-Rakic, 1987;
Diamond, 1988; Dempster, 1992). Die Strukturen des präfrontalen Kortex scheinen
sich langsamer zu entwickeln als andere Hirnregionen, was durch Befunde zur
Myelinisierung (Yakovlev und Lecours, 1967; Pfefferbaum et al., 1983; Giedd et al.,
21
1. 1999), zur Reduzierung grauer Substanz (Jernigan et al., 1991; Pfefferbaum et al.,
1993; Sowell et al., 2001), zum Kortexvolumen (Kanemura et al., 2003) und zum
Ruheenergieumsatz (Chugani et al., 1987; Casey et al., 2000; Gaillard et al., 2001;
Diamond, 2002) gestützt wird. Es wird also davon ausgegangen, dass bis zum
frühen Erwachsenenalter noch deutliche strukturelle und funktionelle Veränderungen
in diesen Kortexbereichen stattfinden (Bunge et al., 2002), wobei ein direkter
Zusammenhang zwischen strukturellen Veränderungen und einer
Funktionsverbesserung höherer Aufmerksamkeitsfunktionen bisher nur in wenigen
Studien untersucht wurde (Casey et al., 1997; Luna et al., 2001, Bunge et al., 2002).
Hier zeigte sich aber übereinstimmend, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen
ein größeres diffuses Netzwerk der an der inhibitorischen Kontrolle beteiligten
Hirnstrukturen zu aktivieren scheinen und dass diese Aktivierung insgesamt stärker
ausgeprägt ist (Casey et al., 1997; Durston et al., 2002; Bunge et al., 2002).
1.5 Aufmerksamkeitsdefizite bei ADHD
Die überwiegende Zahl kognitiver Studien zu ADHD hat sich mit exekutiven
Funktionen und hier besonders mit der Inhibitionsleistung beschäftigt und versteht
ein Defizit in der inhibitorischen Kontrolle als zentrale Störung der ADHD (Nigg,
2001; Tannock, 1998; Barkley, 1997; Pennington und Oozonof, 1996; Quay, 1997).
Neuere Ansätze zur Beschreibung und Erklärung des neurokognitiven Defizits der
ADHD gehen von unterschiedlichen, ätiologisch und neuropsychologisch distinkten
Subgruppen (Endophänotypen) aus (Sergeant et al., 2003; Castellanos und
Tannock, 2002). Die kognitiven Befunde zur ADHD sollen zunächst anhand der oben
beschriebenen Aufmerksamkeitsmodelle erläutert werden. Anschließend wird das
Konzept der ADHD Endophänotypen dargestellt.
ADHD: Aufmerksintensität/ Aktivierung
Während ein Defizit in der Daueraufmerksamkeit oder Vigilanz mehrfach bei ADHD
Patienten beschrieben wurde (Sergeant et al., 1999; van der Meere und Sergeant,
1988; Corkum und Siegel, 1993; Taylor et al., 1998; Konrad et al., 2004; Hanisch et
al., 2004), finden andere Autoren durchschnittliche Leistungen in diesem
Aufmerksamkeitsaspekt (Sergeant und van der Meere, 1990; van der Meere und
Sergeant, 1988). ADHD Probanden scheinen weniger von einem Warnreiz zu
22
1. profitieren bzw. langsamer auf Reize ohne vorhergehendes Warnsignal zu reagieren
und somit ein Defizit in der phasischen Aufmerksamkeitsaktivierung zu zeigen
(Swanson et al., 1991; Nigg et al., 1997). Besonders ausgeprägt war dieses Defizit
bei ADHD Erwachsenen für linksseitig präsentierte Zielreize, was auf ein
rechtshemisphärisch lateralisiertes Defizit der Alertness hinweist (Nigg et al., 1997).
Untersuchungen an ADHD Kindern konnten diese verminderte Reaktionsbereitschaft
auf Reize ohne Warnsignal nicht bestätigen (Perchet et al., 2001; Swanson et al.,
1991).
Wie oben beschrieben werden Reaktionszeitparameter wie Latenz und intra-
induviduelle Variablität der Reaktionslatenz als Indikatoren für die Funktionsgüte der
Aufmerksamkeitsintensität angesehen. ADHD Patienten weisen einen stark
schwankenden, z.T. verlangsamten Reaktionsstil auf (Huang-Pollock et al., 2000;
Nigg et al., 1997), der somit als Defizit des Vigilanzsystems interpretiert werden
kann. Andere Autoren finden aber sowohl in einfachen Reaktionsaufgaben als auch
in komplexeren Paradigmen schnellere Reaktionszeiten bei ADHD im Vergleich zu
Kontrollkindern und bringen dies mit einem hohen Maß an kognitiver Impulsivität, und
somit wieder mit einem Inhibitionsdefizit in Verbindung (Koschack et al., 2003).
Eine Metaanalyse zu Defiziten in der Aufmerksamkeitsintensität bei Patienten mit
ADHD kommt zu dem Schluss, dass die Befunde nicht eindeutig sind, aber im Trend
auf eine Störung in diesem Aufmerksamkeitsbereich hinweisen (Huang- Pollack und
Nigg, 2003).
ADHD: Aufmerksamkeitsselektivität/ räumliche
Aufmerksamkeitsverschiebung
Studien, in denen die Aufmerksamkeitsselektivität oder räumliche
Aufmerksamkeitsverschiebung bei ADHD Patienten untersucht wird, verwenden
räumliche Cueing Paradigmen oder operationalisieren die Selektivität über
bestimmte Stimuluskonstellationen oder über die Kombination aus bestimmten
Stimuli und räumlichen Faktoren. In Cueing Paradigmen geht einem Zielreiz ein
Warnreiz voraus, der entweder an einem Fixationspunkt oder peripher davon
dargeboten wird und die Reaktionslatenz auf den folgenden Zielreiz verringert.
In Studien zur visuell-räumlichen Aufmerksamkeitsverschiebung, bei der der
räumliche Hinweisreiz mit hoher Wahrscheinlichkeit den Ort des folgenden Zielreizes
23
1. vorhersagt und das Zeitintervall zwischen Cue und Zielreiz kurz ist (SOA), wurden
übereinstimmend keine Unterschiede zwischen Kontrollpersonen und ADHD
Patienten gefunden (Aman et al., 1998; Epstein et al., 1997; Nigg, 2000; Swanson
und Hinshaw, 1997; Pearson et al., 1995; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999).
Bei hoher Prädiktivität des Hinweisreizes und langer SOA sind die Daten weniger
eindeutig: einige Autoren beschreiben ein Defizit der ADHD Patienten bei der
Aufmerksamkeitsverschiebung von einem invaliden räumlichen Hinweisreiz weg hin
zum Zielreiz (Epstein et al., 1997; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999), während
andere dieses Defizit in der Disengage- Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung nicht finden (Novak et al., 1995; Nigg et al., 1997;
Pearson et al., 1995).
Studien, in denen die Hinweisreize nicht prädiktiv für das Erscheinen des Zielreizes
sind, finden übereinstimmend intakte Leistungen in der visuell- räumlichen
Aufmerksamkeitsverschiebung bei ADHD Patienten (Huang-Pollock et al., 2000;
Carter et al., 1995). Vergleichbare Leistungen zwischen Kontrollpersonen und ADHD
Patienten im posterioren Aufmerksamkeitssystem fanden sich auch in einer Studie
zur fokussierten Aufmerksamkeit (Sergeant und van der Meere, 1990), wobei andere
in ähnlichen Aufgaben wiederum Gruppenunterschiede berichten (Novak et al., 1995;
De Sonneville et al., 1994).
Zusammenfassend scheinen die Engage- und Shift- Komponenten des posterioren
Aufmerksamkeitssystems bei ADHD Patienten intakt zu sein, Defizite finden sich –
wenn auch nicht durchgehend- in der Aufmerksamkeitsloslösung (Disengage) von
einem zu ignorierenden Hinweis- oder Distraktorreiz.
ADHD: Exekutive Funktionen
Kinder mit ADHD weisen durchgehend schlechtere Leistungen und langsamere
Reaktionszeiten in Go-Nogo, Stop Signal oder Stroop Aufgaben auf (Schachar,
2000; Seidman et al., 1995, Seidman et al., 1997; Tannock et al., 1998; Oosterlaan
et al., 1998) und sind in anderen Aufgaben der exekutiven Kontrolle wie z.B. zur
kognitiven Flexibilität, zum Arbeitsgedächtnis, zur Planung oder in Fluency
Paradigmen im Vergleich zu Kontrollpersonen beeinträchtigt (Pennington et al.,
1993; Aman et al., 1998; Grodzinsky et al., 1999).
Während einige Autoren davon ausgehen, dass unterschiedliche ADHD Subtypen
(siehe unten) unterschiedliche Defizitprofile in den Variablen der exekutiven Kontrolle
24
1. aufweisen (Chhabildas et al., 2002; Castellanos und Tannock, 2002), sehen andere
Arbeitsgruppen das neuropsychologische Inhibitionsdefizit als zentrales Merkmal der
ADHD an (Durston, 2003). Für letztere Annahme spricht, dass inhibitorische Defizite
bei ADHD Patienten eine deutliche genetische Komponente aufweisen (Faraone et
al., 1996). So konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass Kinder mit einem
genetisch erhöhten ADHD- Risiko ähnliche neuropsychologische Profile aufwiesen
wie mit ADHD diagnostizierte Kinder.
Defizite in der exekutiven Kontrolle finden sich allerdings ebenfalls bei anderen
kinderpsychiatrischen Störungsbildern und sind somit nicht ADHD- spezifisch
(Sergeant et al., 2002; Guerts et al., 2004).
ADHD Endophänotypen
Dieses Konzept geht davon aus, dass bei ADHD Patienten nicht einzelne
Aufmerksamkeitsaspekte auffällig sind, sondern dass es eine Anzahl von ADHD
Subgruppen gibt, die sich in der Ätiologie der Störung, in ihren neurobiologischen
Korrelaten und somit auch auf neuropsychologischer und behavioraler Ebene
unterscheiden. Castellanos und Tannock (2002) haben in einer Übersichtsarbeit aus
der Literatur zur Neurokognition und Neurobiologie der ADHD folgende fünf
Subgruppen herauskristallisiert:
1. Motorische Hyperaktivität, die mit einer striatalen dopaminergen Dysfunktion
einhergeht,
2. Aversion gegenüber der Verzögerung von Belohnung, die mit striatalen (Nucleus
Accumbens) Abnormitäten in Zusammenhang gebracht wird,
3. verminderte Fähigkeit zur kognitiven und behavioralen Inhibition, die mit einer
präfrontal repräsentierten Störung exekutiver Funktionen assoziiert ist,
4. Störung der Zeitverarbeitung aufgrund zerebellärer Auffälligkeiten und
5. Arbeitsgedächtnisstörungen, die ebenfalls im Zusammenhang mit einer
präfrontalen Störung stehen.
Die Autoren schlagen vor, diese Einteilung in der Untersuchung von ADHD
Probanden zu berücksichtigen, was allerdings bisher unserer Erkenntnis nach nicht
geschehen ist.
25
1. 1.6 Methylphenidat (MPH) und Aufmerksamkeit
Methylphenidat (MPH) verändert auch bei gesunden Probanden die Leistungen der
kognitiven und motorischen Kontrolle (Moll et al., 2003). Der folgende Abschnitt soll
sich allerdings auf die Befunde zu MPH-assoziierter Leistungsverbesserung bei
ADHD Patienten beschränken.
Meist haben sich die Studien zum Einfluss von MPH auf die
Aufmerksamkeitsleistung bei ADHD Patienten mit einem Aufmerksamkeitsaspekt
beschäftigt wie z.B. Inhibition (Van der Meere, 1999), Arbeitsgedächtnis (Tannock et
al., 1995) oder Daueraufmerksamkeit (Lousier et al., 1994). Wenngleich die Befunde
im Detail oft uneindeutig sind, so konnte doch ein positiver Medikationseffekt auf die
Daueraufmerksamkeit (van der Meere, 1995; Konrad et al., 2004; Hanisch et al.,
2004), auf die Antwortgenauigkeit (Jonkman et al., 1999), das Arbeitsgedächtnis
(Tannock et al., 1995) und die Inhibitionsleistung (Tannock et al., 1995) gefunden
werden. Andere Autoren fanden bei moderaten bis großen Stichprobengrößen keine
MPH-assoziierte Leistungsverbesserung in z.B. einer Stroop Interferenz (Jonkmann
et al., 1999) oder GoNogo Aufgabe (van der Meere, 1999) oder in Aufgaben zur
geteilten Aufmerksamkeit (De Sonneville, 1994; Konrad et al., 2004). Mehrfach
wurde beschrieben, dass MPH, unabhängig von der jeweiligen Aufgabe, die intra-
individuelle Variabilität der Reaktionslatenz verringert (Mostofsky et al. 2001;
Douglas, 1999; Denney und Rapport, 2001; Scheres et al., 2003).
Studien, die sich mit mehreren Aufmerksamkeitsaspekten und MPH Dosierungen
beschäftigen, gehen von einer linearen Verbesserung der Aufmerksamkeitsintensität
bis zu einer Dosis von ca. 1mg MPH/kg Körpergewicht aus (Douglas, 1999; Denney
und Rapport, 2001), wohingegen kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen einen
umgekehrt-U-förmigen Dosis-Wirkungszusammenhang zu zeigen scheinen und
somit am deutlichsten von niedrigen bis moderaten Dosen profitieren (Tannock et al.,
1995; Konrad et al., 2004). Frühere Arbeiten fanden allerdings negative
Medikationseffekte auf exekutive Aufmerksamkeitsleistungen (Tannock et al., 1989).
Unklar ist dennoch, ob lediglich einzelne Aufmerksamkeitsaspekte positiv durch MPH
beeinflusst werden, oder ob MPH zu einer generellen Veränderung der
Informationsverarbeitung führt (Bedard et al., 2003). So sprechen Befunde zur
Untersuchung MPH-assoziierter Veränderungen der Inhibitionsleistungen dafür, dass
sich unter MPH sowohl die Reaktionsausführung (erfasst über Reaktionslatenz und
26
1. deren intraindividuelle Standardabweichung) als auch die Reaktionsinhibition
verbessert (Tannock et al., 1995; Bedard et al., 2003; Scheres et al., 2003).
1.7 Fragestellung und Studieneinführung
Zusammenfassend spricht die aktuelle Befundlage zum einen für eher umschriebene
Defizite im Bereich von Aufmerksamkeitsintensität und exekutiver Funktionen bei
Patienten mit ADHD. Zum anderen wird ein ADHD- typischer Arbeitsstil (Sonuga-
Barke et al., 1994) bzw. die Existenz neuropsychologisch distinkter ADHD
Endophänotypen (Castellanos und Tannock, 2002) beschrieben.
Im Folgenden soll nun überprüft werden, ob sich die Auffälligkeiten in der
Aufmerksamkeitsleistung, die ADHD Kinder im Vergleich zu gesunden Kindern
aufweisen, in die in 1.3 erläuterten Aufmerksamkeitsmodelle einordnen lassen, oder
ob die Patienten einen qualitativ anderen Arbeitsstil aufweisen, der alle
Aufmerksamkeitsfunktionen gleichermaßen betrifft. Zur Bearbeitung dieser
Fragestellungen wurden drei Herangehensweisen gewählt:
(1) Ein klinisch orientierter Zugang soll zunächst Kinder mit und ohne ADHD in ihren
Leistungen in einer neuropsychologischen Testbatterie vergleichen. Die Aufgaben
wurden hierbei so ausgewählt, dass alle drei Aufmerksamkeitssysteme vertreten
sind. Dem Vergleich der beiden Stichproben folgt eine Studie zum Einfluss von MPH
auf die untersuchten Aufmerksamkeitsvariablen der ADHD Kinder. Da die Literatur
zu Leistungsunterschieden in neuropsychologischen Testbatterien zwischen ADHD
und Kontroll-Grundschülern umfangreich ist, sollen sich diese Studien mit
Vorschülern mit ADHD beschäftigen und die Ergebnisse mit den Erkenntnissen über
Grundschüler mit ADHD und zur Entwicklung der Störung in Beziehung setzen.
(2) Anschließend werden ADHD und gesunde Kinder in ihren Leistungen in einem
anhand des Aufmerksamkeitsmodells von Posner und Petersen entwickelten
Aufgabe (Attention Network Task (ANT), Fan et al., 2001) verglichen, um die
Aufmerksamkeitsnetzwerke beider Gruppen mit Hilfe eines einheitlichen,
modellgeleiteten Untersuchungsparadigmas abzubilden. Nachdem auch hier der
Einfluss von MPH auf die Aufmerksamkeitsleistungen beschrieben wird, folgt ein
Vergleich zwischen Gesunden und ADHD Patienten in einer aufgrund theoretischer
Erwägungen modifizierten Version des ANT.
27
1. (3) Im dritten Schritt werden die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke bei ADHD und
Kontrollkindern über ein einheitliches okulomotorisches Untersuchungsparadigma
überprüft. Diese Herangehensweise wurde aus folgenden drei Gründen gewählt:
Aufgrund häufiger komorbider Defizite in der grob- und feinmotorischen Koordination
bei Patienten mit ADHD (Pitcher et al., 2003; Karatekin et al., 2003), haben sich
okulomotorische Aufgaben als viel versprechende Methode zur Untersuchung der
Aufmerksamkeitsleistung von ADHD Patienten erwiesen (Trillenber et al., 2004;
Leigh und Kennard, 2003). Zweitens stellt das visuelle und okulomotorische System
das physiologisch und neuroanatisch am besten untersuchte funktionelle System
dar, so dass die okulomotorischen Befunde möglicherweise Rückschlüsse auf
zugrunde liegende neurophysiologische und –anatomische Differenzen zwischen
ADHD Kindern und Gesunden ziehen lassen. Drittens soll die Frage geklärt werden,
ob hand- bzw. okulomotorische Aufgaben ähnliche Ergebnisse bzgl. der
Beeinträchtigung einzelner Aufmerksamkeitsaspekte bei ADHD Patienten liefern.
Um die Leistung der ADHD Kinder in den gesunden Entwicklungsverlauf einordnen
zu können, werden für den ANT und die okulomotorischen Aufgaben jeweils eine
Entwicklungsstudie berichtet.
28
2.1
2.1 Neuropsychologische Testbatterien bei Vorschülern mit und ohne ADHD
Spezifische Einleitung
Wie in Kapitel 1.5 beschrieben, ist die Forschung zu den neurokognitiven Defiziten
von ADHD Kindern im Grundschulalter und zu Jugendlichen und Erwachsenen mit
ADHD umfangreich. Obwohl die gängigen Diagnosekriterien verlangen, dass die
Störung bereits vor Schuleintritt vorhanden ist, haben sich bisher nur wenige Studien
mit ADHD im Vorschulalter beschäftigt. Entwicklungsmodelle von ADHD
charakterisieren Vorschul- ADHD durch v.a. hyperaktive Symptome, während ältere
betroffene Kinder zusätzlich zu Hyperaktivität und Impulsivität Symptome von
Unaufmerksamkeit und Ablenkbarkeit zeigen (Barkley et al., 1997). In der Pubertät
und im Erwachsenenalter scheint sich die Hyperaktivität bei ADHD Patienten weiter
zu verringern das Aufmerksamkeitsdefizit bleibt allerdings auch bei älteren Patienten
weiter bestehen (Biederman et al., 2000). Bildgebende Studien bringen diese
altersabhängige Veränderung des ADHD Phänotypes mit einer Verschiebung der
neuronalen Auffälligkeiten bei ADHD Kindern vom Mittelhirn zu Auffälligkeiten im
präfrontalen Kortex bei Erwachsenen in Verbindung (Ernst et al., 1998; van Dyck et
al., 2002).
Kindgerechte neuropsychologische Testbatterien sind in der Lage, reliable und valide
Werte für die Aufmerksamkeitsleistungen von Kindern ab dem Alter von 4 Jahren zu
erheben (Berger et al., 2000). Zwei Studien an nicht-klinischen Populationen von
Vorschulkindern konnten ähnliche Zusammenhänge zwischen inhibitorischer
Dysfunktion und hohen Werten auf einer ADHD Verhaltensbeurteilung
dokumentieren, wie sie bereits für Grundschulkinder gefunden wurden (Sonuga-
Barke, 2002; Berlin und Bohlin, 2002). Weiter wurde bei ADHD Vorschülern von
Auffälligkeiten im Arbeitsgedächtnis (Kalff et al., 2002), bei der visuellen Suche und
der Vigilanz (DeWolfe et al., 1999; Byrne et al., 1998) sowie im Continuous
Performance Test berichtet (Harper und Ottinger, 1992).
Ziel der vorliegenden Studie war, die Leistung in einer neuropsychologischen
Testbatterie von Vorschülern mit ADHD vor dem Hintergrund der in Kapitel 1.3
beschriebenen Aufmerksamkeitsmodelle zu untersuchen. In Übereinstimmung mit
der ADHD Literatur zu älteren Kindern erwarten wir Aufmerksamkeitsdefizite
29
2.1
besonders in der Aufmerksamkeitsintensität und bei kontrollierenden
Aufmerksamkeitsfunktionen. Den Befunden folgend, die bei Vorschülern mit ADHD
Defizite im Bereich der Impulsivität und Aktivität eher als in der Aufmerksamkeit
beschreiben, erwarten wir Unterschiede zwischen ADHD und Kontrollgruppe v.a. im
Bereich exekutiver Funktionen (Go-Nogo Aufgabe).
Material und Methoden
Probanden und Einschlusskriterien:
Es wurden 43 Vorschulkinder untersucht, die bereits vor Schuleintritt die
Diagnosekriterien einer ADHD nach DSM IV (American Psychiatric Association,
1994) erfüllten. Da die gängigen Fragebogen Items v.a. bezüglich der
Aufmerksamkeit vom Schulkontext ausgehen (FBB HKS, Döpfner und Lehmkuhl,
1998), beinhaltete der Diagnoseprozess keine ADHD-spezifischen Fragebögen,
sondern eine ausführliche Anamneseerhebung, ein halbstrukturiertes Interview der
Eltern zur Psychopathologie des Kindes (K-DIPS; Unnewehr et al., 1995), eine
körperliche Untersuchung, eine Intelligenztestung (K-ABC) und ein Fragebogenurteil
des Verhaltens durch die Eltern (CBCL, Arbeitsgruppe deutsche Child Behavior
Check List, 1998). 22 Kinder nahmen zum Zeitpunkt der Untersuchung
Methylphenidat (MPH), 21 waren medikationsnaiv. Die medizierten Kinder wurden im
Rahmen einer doppelt-blinden placebo- kontrollierten Medikationsstudie zweimal
untersucht (siehe Kapitel 2.2).
Die ADHD Gruppe (mittleres Alter 6.1 ± 0.64 Jahre, 5 Mädchen) wurde mit einer
Gruppe gesunder Kindergartenkinder (n= 43, mittleres Alter 5.9 ± 0.69 Jahre, 11
Mädchen) verglichen. Die ADHD Patienten wurden über die Vorschulsprechstunde
der Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -
psychotherapie des Universitätsklinikums Aachen rekrutiert. Die Kontrollkinder
besuchten einen von drei öffentlichen Kindergärten, die an der Untersuchung
teilnahmen. Die Eltern der Kontrollkinder dokumentierten über die deutsche Fassung
der Child Behavioural Check List (CBCL, Arbeitsgruppe deutsche Child Behavior
Check List, 1998) durchschnittliche Werte auf der Skala „Aufmerksamkeitsstörung“
(mittlerer T-Wert 51.0 ± 5.8). Tabelle 2.1.1 zeigt Stichproben Charakteristika der
ADHD und Kontrollgruppe.
30
2.1
Tabelle 2.1.1 Stichproben Charakteristiker, angegeben sind arithmetische Mittel und
Standardabweichungen bzw. Anzahlen und Prozentangaben
Kontrollen
(n= 43)
ADHD
(n= 43)
Alter in Jahren (Std.)
IQ Mittelwert (Std.)
CBCL (Eltern, mittlere T-Werte, Std.):
Internalisierende Symptome
Externalisierende Symptome
Unaufmerksamkeit
Diagnose: Kombiniert/ Unaufmerksam
Komorbiditäten:
Oppositionelles Trotzverhalten
Angst
Sprachstörungen
Enuresis/ Enkopresis
Motorische Koordinationsstörungen
5.9 (0.7)
52.1 (6.5)
54.0 (5.1)
51.0 (5.8)
0/0
5 (12%)
6 (14%)
1 (2%)
2 (5%)
2 (5%)
6.1 (0.6)
96.0 (15.6)
65.5 (10.4)
69.8 (11.3)
68.3 (9.4)
37/ 6
10 (23%)
7 (16%)
3 (7%)
6 (14%)
11 (26%)
Neuropsychologische Testung:
Die Vorschulkinder saßen auf einem kleineren an die Größe der Vorschüler
angepassten Stuhl. Die Mitte des Computermonitors war so für alle Kinder auf
Augenhöhe. Eine gewöhnliche Computermaus wurde als Antwortbox verwendet. Der
eigentlichen Aufgabe gingen einige Übungsdurchgänge voraus, um die Kinder im
Umgang mit der Maus zu trainieren und ein gutes Instruktionsverständnis zu
gewährleisten.
Abhängige Variablen:
Vier Aufgaben wurden anhand des in Kapitel 1.3 erläuterten theoretischen Modells
ausgewählt: die Aufmerksamkeitsintensität wurde durch eine einfache
Reaktionszeitaufgabe (Baseline Speed) und durch eine Aufgabe zur
Daueraufmerksamkeit (Sustained) überprüft, während die Selektivität durch eine
Aufgabe zur fokussierten Aufmerksamkeit operationaliert wurde. Kontrollierende
Aufmerksamkeitsfunktionen wurden durch eine kognitive Konfliktaufgabe erfasst (Go-
Nogo). Abhängige Variablen für jede Aufgabe waren Reaktionszeitmedian (RZ),
31
2.1
intraindividuelle Standardabweichung der Reaktionszeit, Anzahl der Auslassungen
(misses) und Anzahl der Fehler (false alarms).
Intensität: In der Reaktionszeitaufgabe musste auf das Erscheinen eines Quadrats
reagiert werden. In der Daueraufmerksamkeitsaufgabe mussten die Kinder auf einen
Zielreiz mit dem einen und auf vier Nicht- Zielreize mit dem anderen Knopf reagieren.
Der Test bestand aus 20 Serien von 12 Bildern.
Selektivität: In der Aufgabe zur fokussierten Aufmerksamkeit mussten die Kinder mit
dem Ja-Knopf reagieren, wenn ein Zielreiz an einer bestimmten Zielposition
dargeboten wurde. Der Nein-Knopf musste gedrückt werden, wenn der Zielreiz
entweder nicht anwesend oder an einer anderen Position zu sehen war.
Konflikt: Die Konfliktaufgabe sah eine Reaktion auf einen Zielreiz und das Auslassen
einer Reaktion auf Nicht- Zielreize vor.
Statistische Analysen:
Die statistische Auswertung aller im Folgenden beschriebenen Studien erfolgte über
SPSS 11.5. Gruppenmittelwerte für Reaktionslatenz, intraindividuelle
Standardabweichung der Reaktionsgeschwindigkeit und Fehler (false alarm und
misses) sollten für die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke miteinander verglichen
werden. Da 7 der 14 Variablen weder normalverteilt noch zwischen den Gruppen
varianzhomogen waren und somit die Vorraussetzungen für einen Zwei- Stichproben
t-Test nicht gegeben waren (Havlicek und Petersen, 1974), wurden für Baseline
Speed intraindividuelle Standardabweichung, Fokussierte missings, Fokussierte false
alarms, Go-Nogo intraindividuelle Standardabweichung, Go-Nogo false alarams,
Sustained Missings und Sustained false alarms zum Gruppenvergleich Mann
Whitney U-Tests herangezogen. Die übrigen 7 Variablen wurden zunächst über den
Levenetest auf Varianzgleichheit getestet und anschließend über zweiseitige
Zweistichproben t-Tests miteinander verglichen. Da 14 unabhängige
Gruppenvergleiche angestellt wurden, wurde das Alpha-Niveau je Vergleich auf
0.004 korrigiert. Anschließend wurde mit Hilfe einer multiplen linearen
Diskriminanzanalyse überprüft, wie gut sich die Gruppenzugehörigkeit anhand der 14
abhängigen Variablen voraussagen lässt.
32
2.1
Ergebnisse
Im Folgenden werden Gruppenmittelwerte, Standardabweichungen und
Gruppenvergleiche der abhängigen Variablen nach den drei
Aufmerksamkeitsnetzwerken aufgeteilt dargestellt.
Intensität:
Tabelle 2.1.2 Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen sowie Ergebnisse der Gruppenvergleiche der Variablen der Aufmerksamkeitsintensität
Kontrollen
n= 43
ADHD
n= 43
t(df) bzw. Z p
Baseline Speed RZ (Std.) in
ms
Baseline Speed intraindi-
viduelle Std. RZ (Std.) in ms
Sustained RZ (Std.) in ms
Sustained intraindividuelle Std.
RZ (Std.) in ms
Anzahl Sustained Auslasser
(Std.)
Anzahl Sustained False Alarm
(Std.)
523 (132)
220 (117)
1361 (299)
613 (273)
6.3 (4.3)
5.8 (5.2)
562 (125)
294 (174)
1322 (343)
669 (320)
13.1 (10.5)
15.0 (12.9)
t(84)=1.40
Z = -1.92
t(84)= -0.57
t(84)=0.87
Z = -3.29
Z = -3.78
p= 0.26
p= 0.06
p= 0.57
p= 0.38
p < 0.001
p < 0.001
Wie in Tabelle 2.1.2 und Abbildung 2.1.1 dargestellt ergaben sich für die Variablen
der Aufmerksamkeitsintensität folgende Gruppenunterschiede: die ADHD Kinder
zeigten eine im Trend größere intraindividuelle Standardabweichung der RZ in der
einfachen Reaktionszeitaufgaben (Baseline Speed RZ: Z= -1.92, p= 0.06), ließen
mehr Zielreise in der Daueraufmerksamkeitsaufgabe aus (Sustained Auslasser: Z= -
3.29, p < 0.001) und machten hier mehr Fehler (Sustained false alarm: Z= -3.78, p <
0.001).
33
2.1
0
5
10
15
20
SA false alarm SA m
Anza
hl d
er F
ehle
r
ADHD Kontrolle
0
500
1000
1500
BS RT SA RT BS std SA std
RZ
[ms]
ADHD KontrolleINTENSITÄT
Abbildung 1.1.1 Gruppenmittelwerte und StandardAufmerksamkeitsintensität; RT ReaktionsStandardabweichung, SA Sustained, BS Baseline Spe* signifikanter Gruppenunterschied (αadjustiert= 0.004)
Selektivität:
Tabelle 2.1.3. Gruppenmittelwerte und Standardabweichung Aufmerksamkeitsselektivität
Kontrollen
n= 43
ADHD
n= 43
Fokussierte RZ (Std.) in ms
Fokussierte intra-individuelle
Std. RZ (Std.) in ms
Anzahl Fokussierte
Auslasser (Std.)
Anzahl Fokussierte False
Alarm (Std.)
1753 (453)
635 (302)
1.4 (1.4)
0.5 (1.1)
1912 (487)
819 (362)
3.4 (3.0)
1.5 (2.1)
*
*issing
fehler für diezeit, Std
ed,
en der Variablen der
t(df) bzw. Z p
t(84)= 1.57
t(84)= 2.55
Z= -3.72
Z= -3.08
p= 0.12
p= 0.013
p< 0.001
p< 0.002
34
2.1
Nach Alpha- Korrektur ergaben sich im Bereich der Aufmerksamkeitsselektivität
tendenzielle Gruppenunterschiede für die intraindividuelle Standardabweichung der
RT (Fokussierte RZ: t(84)= 2.55, p = 0.013) und deutliche Unterschiede für die
Anzahl der Auslassungen (t(84)= 14.53, p < 0.001) und Fehler (Fokussierte false
alarm: Z= -3.08, p < 0.001), wobei die ADHD Gruppe in allen Variablen schlechtere
Leistungen erzielte. Beide Gruppen reagierten vergleichbar schnell (siehe Tabelle
2.1.3. und Abbildung 2.1.2.).
0
1
2
3
4
5
FA false alarm FA missing
Anz
ahl F
ehle
r
ADHD Kontrolle
0
500
1000
1500
2000
FA RT FA std
RZ
[ms]
ADHD Kontrolle
*
SELEKTIVIT ÄT
Abbildung 2.1.2. Gruppenmittelwerte und Standardfehler für dieVariablen der Aufmerksamkeitsselektivität; RT Reaktionszeit, StdStandardabweichung, FA Fokussierte Aufmerksamkeit
35
2.1
Exekutive Funktionen:
Tabelle 2.1.4. Gruppenmittelwerte (Std.) der Variablen der exekutiven Funktionen
Kontrollen
n= 43
ADHD
n= 43
t(df) bzw. Z p
GoNogo RZ (Std.) in ms
GoNogo intra-individuelle
Std. RZ (Std.) in ms
Anzahl GoNogo Auslasser
(Std.)
Anzahl GoNogo False
Alarm (Std.)
678 (165)
144 (65)
0.6 (0.9)
1.4 (1.5)
714 (135)
226 (96)
2.1 (3.1)
8.6 (8.9)
t(84)= 1.09
Z= -4.34
Z= -2.29
Z= -4.46
p= 0.28
p< 0.001
p= 0.022
p< 0.001
0
200
400
600
800
GO
RZ
[ms]
0
2
4
6
8
10
GO fals
Anz
ahl F
ehle
r
ADHD KontrolleEXEKUTIVE
FUNKTIONEN
*
RT GO std
ADHD Kontrolle
e alarm GO missing
*
Abbildung 2.1.3 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für dieVariablen des exekutiven Aufmerksamkeitssystems, RTReaktionszeit, Std Standardabweichung
36
2.1
In der Go-Nogo Aufgabe schwankte die RZ der ADHD Kinder mehr als die der
Kontrollpersonen (t(73.9)= 4.61, p< 0.001), und sie ließen im Trend mehr Reaktionen
aus (Z= -2.29, p= 0.022) und machten mehr Fehler (false alarrm: Z= -4.46, p <
0.001).
Diskiminanzanalyse:
Eine Diskriminanzanalyse, die die 14 abhängigen Variablen gleichzeitig betrachtete,
ergab die in Abbildung 2.1.4 dargestellten Diskriminanzfunktionsverteilungen. Beide
Verteilungen unterschieden sich signifikant (Wilk’s Lambda(14)= 0.48, p< 0.001). Es
ergaben sich ein Eigenwert von 1.08 und einer kanonische Korrelation von 0.72.
Tabelle 2.1.5 zeigt eine richtige Gruppenzuordnung von 91%.
adhd Kontrollen
-3 -2 -1 0 1 2 30%
10%
20%
30%
Perc
ent
-3 -2 -1 0 1 2 3
T
O
O
Abbildung 2.1.4 Kanonische Diskriminanzfunktionsverteilungen für die ADHD undfür die Kontrollgruppe. Der Mittelwert der ADHD Gruppe lag bei -1.02 (Std. 0.65),der Mittelwert der Kontrollgruppe war 1.05 (Std. 1.26)
abelle 2.1.5. Gruppenklassifikation durch die Diskriminanzanalyse
Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit
ADHD Kontrollen
riginal Anzahl ADHD
Kontrollen
36 7
1 42
riginal Prozent ADHD
Kontrollen
83.7 16.3
2.3 97.7
37
2.1
Zusammenfassend ergaben sich Unterschiede zwischen ADHD und Kontrollkindern
in allen Aufmerksamkeitsbereichen: während beide Gruppen gleich schnell
reagierten, schwankten die Reaktionsgeschwindigkeiten der ADHD Patienten zum
Teil mehr, und die Anzahl an Auslassungen und Fehler war bei ihnen in allen
Aufgaben höher. Eine Diskriminanzanalyse war in der Lage, anhand der abhängigen
Variablen mit 91%iger Treffsicherheit eine Gruppenzuordnung vorzunehmen.
Spezifische Diskussion
Die ADHD Gruppe wies im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe Defizite in allen
untersuchten Aufmerksamkeitsbereichen auf. Weiter konnte anhand der Leistungen
in den ausgewählten Untersuchungsparadigmen eine zuverlässige Gruppenzuteilung
vorgenommen werden.
In Übereinstimmung mit Befunden bei ADHD Vor- und Grundschülern fanden sich
somit Auffälligkeiten im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität und bei
kontrollierenden Aufmerksamkeitsfunktionen (DeWolfe et al., 1999; Byrne et al.,
1998; Harper und Ottinger, 1992; Konrad et al., 2001). Entgegen unserer
Erwartungen aber in Übereinstimmung mit Befunden zu Grundschulkindern mit
ADHD aus anderen Arbeitsgruppen (Novak et al., 1995; De Sonneville et al., 1994)
zeigte unsere Vorschul- ADHD Gruppe auch unterdurchschnittliche Leistungen in der
Aufmerksamkeitsselektivität. Auf Variablen- Ebene waren v.a. die intraindividuelle
Standardabweichung der Reaktionszeiten und die Anzahl der Fehler bei den ADHD
Vorschülern erhöht, während sich beide Gruppen in keiner der vier Aufgaben in ihrer
Reaktionsgeschwindigkeit unterschieden.
Zunächst sollen unsere Befunde vor dem Hintergrund der in Kapitel 1.5
beschriebenen Modellannahmen diskutiert werden. Anschließend soll das im
gleichen Abschnitt beschriebene Konzept der Endophänotypen zu unseren
Ergebnissen in Bezug gesetzt werden.
In Kapitel 1.5 wurde beschrieben, dass sich Unterschiede zwischen ADHD und
Kontrollprobanden im Aufmerksamkeitsverschiebungs- oder Selektivitätsnetzwerk
v.a. dann zeigen, wenn eine Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem
irrelevanten Reiz notwendig ist (Epstein et al., 1997; Swanson et al., 1991; Wood et
al., 1999). In unserer Aufgabe zur Aufmerksamkeitsselektivität mussten die Kinder
auf die Kombination aus einem Zielreiz und zwei Zielpositionen reagieren. Eine
38
2.1
richtige Antwort beinhaltete somit eine Entscheidung über Zielreiz vs. Nicht- Zielreiz
und darüber, ob ein möglicher Zielreiz an einer von zwei Zielpositionen präsentiert
wurde (Fokussierte Aufmerksamkeitsaufgabe; DeSonneville, 2001). Somit musste
der Aufmerksamkeitsfokus vom Zielreiz an einer Nicht-Zielposition bzw. von einem
Nicht- Zielreiz an der Zielposition abgewendet werden. Denkbar wäre, dass die
ausgewählte Aufgabe die Disengage- Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung sensitiver misst bzw. mehr durch diesen
Aufmerksamkeitsaspekt beeinflusst wird als erwartet und dass der
Gruppenunterschied zwischen ADHD und Kontrollkindern hieraus resultiert. Weiter
ist bekannt, dass sich dieser Aspekt des Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerks
auch bei gesunden Kindern noch nach dem Vorschulalter weiterentwickelt (Akhtar
und Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson, 2000). Der Befund,
dass sich ältere ADHD Kinder in einer Aufgabe zur fokussierten Aufmerksamkeit
nicht von gesunden Probanden unterschieden (Sergeant und van der Meere, 1990),
hatte zu der eingangs aufgestellten Hypothese vergleichbarer Leistungen in den
Aufgaben zur Aufmerksamkeitsselektivität geführt. Möglicherweise hat eine
Interaktion aus normaler Entwicklung und Störung einzelner Komponenten der
Aufmerksamkeitsselektivität in unserer Studie dazu beigetragen, die Unterschiede
zwischen ADHD und Kontroll- Vorschülern in diesem Aufmerksamkeitsbereich zu
vergrößern. In einer Studie, in der wir die Leistung in neuropsychologischen
Testbatterien zwischen Vor- und Grundschülern untereinander und mit großen
Normstichproben verglichen, fanden wir, dass sich die Defizite in den einzelnen
Aufmerksamkeitsnetzwerken über die Altersgruppen unterschiedlich verteilten und
interpretierten dies im Sinne einer Interaktion zwischen gesunden
Hinreifungsprozessen und altersbedingten Veränderungen der Störung (Hanisch et
al., 2004).
Unterschiede im Arbeitsverhalten zwischen ADHD und Kontrollkindern wurden häufig
losgelöst von den untersuchten Aufmerksamkeitskomponenten beschrieben, wobei
eine erhöhte intraindividuelle Variabilität der Reaktionslatenz und ein hohes Maß an
Auslassungen typisch für ADHD Probanden zu sein scheint und im Sinne häufig
auftretender kurzer Unaufmerksamkeitsphasen interpretiert wurde (Kuntsi et al.,
2001; Carlson und Mann, 2002; Douglas, 1999). In Kapitel 1.5 wurde erwähnt, dass
einige Autoren vorschlagen, die Gruppe der ADHD Patienten aufgrund der
individuellen Symptomatik und daraus abzuleitenden ätiologischen Aspekten in
39
2.1
Untergruppen zu unterteilen (Endophänotypen). Castellanos und Tannock (2002)
postulieren einen ADHD Endophänotypus, der sich durch ein Defizit in der
Zeitverarbeitung auszeichnet. Neuroanatomisch bringen sie dieses Defizit mit
cerebellären Auffälligkeiten in Verbindung. Für eine Störung in der Zeitverarbeitung
sprechen aus der klinischen Perspektive die für ADHD Patienten charakteristischen
kurzen Unaufmerksamkeitsphasen (lapses of attention; WHO, 1994) und aus
neuropsychologischer Perspektive die hohe intraindividuelle Variabilität der
Reaktionszeiten (Kuntsi et al., 2001; Douglas, 1999) und eine Störung der
Zeitwahrnehmung oder der Diskrimination und Reproduktion von Zeitintervallen
(Barkley et al., 1997; Smith et al., 2002). Bezogen auf unsere Befunde könnte dies
bedeuten, dass wir entweder besonders viele Kinder dieses ADHD Endophänotyps
untersucht haben oder dass dieser unter ADHD Vorschülern sehr häufig ist und sich
so die Gruppenunterschiede in der intraindividuellen Reaktionsvariabilität und in der
Zahl ausgelassener Reaktionen erklären ließen.
Die erhöhte Fehlerzahl in der ADHD Gruppe in allen Aufgaben und besonders in der
Go-Nogo Aufgabe steht in Übereinstimmung mit den Befunden bei ADHD
Grundschülern, die hohe Fehlerzahlen als Indikator für eine hohe kognitive
Impulsivität interpretieren (Konrad et al., 2000).
Ziel der Studie war, die Leistung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke bei ADHD
Vorschülern im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen zu untersuchen. Wie Tabelle
2.1.1 zeigt, handelt es sich bei unserer ADHD Gruppe um eine stark beeinträchtigte
Gruppe, da ein hoher Prozentsatz neben der ADHD Diagnose weitere kinder- und
jugendpsychiatrische Diagnosen erfüllt. Somit ist fraglich, inwieweit das Ergebnis
einer eher generellen Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsleistung als einer
Störung spezifischer Aufmerksamkeitsaspekte auf eine weniger kranke ADHD
Gruppe generalisierbar ist. Dieses Problem ist aufgrund der Richtlinie, die Diagnose
erst mit Schuleintritt zu vergeben, schwer zu umgehen, da die Kinder, die bereits vor
der Einschulung diagnostiziert werden, wahrscheinlich immer eine schwer
beeinträchtigte Subgruppe darstellen.
Weitere Kritikpunkte, die den Diagnoseprozess und die Untersuchungsparadigmen
betreffen, werden in der Diskussion zu Studie 2 erläutert.
40
2.2
2.2 Der Einfluss von Methylphenidat (MPH) auf die Leistung in neuropsychologischen Testbatterien bei Vorschülern mit ADHD
Spezifische Einleitung
Die Verschreibung von Methylphendiat (MPH) hat sich bei Vorschülern mit ADHD in
den letzten zwei Jahrzehnten verdreifacht (Connor, 2002). Bisher existieren
allerdings lediglich neun kontrollierte Studien zu MPH Effekten bei Vorschulpatienten
mit ADHD (Wilens und Spencer, 2000 für eine Übersicht). Positive
Medikationseffekte lassen sich trotz einer höheren Variabilität bei der
Stimulanzienantwort auch bei ADHD Vorschülern auf der Verhaltensebene finden
(Short et al., 2004; Connor, 2002; Efron et al., 2000; Byrne at al., 1998; Handen et
al., 1999; Barkley, 1988). In einem Papier– und Bleistift- Aufmerksamkeitstest fand
sich weder für eine hohe noch für eine niedrige MPH Dosis ein positiver Effekt
(Musten et al., 1997). MPH bedingte Leistungsverbesserungen konnten allerdings in
einem visuellen und auditiven Vigilanztest gefunden werden (Musten et al., 1997;
Byrne et al., 1998).
Studien, in denen der Einfluss verschiedener MPH Dosierungen auf unterschiedliche
Aufmerksamkeitsaspekte bei Grundschülern mit ADHD untersucht wird (Tannock et
al., 1995; Tannock et al, 1989; Konrad et al., 2004), berichten unterschiedliche
Dosis- Wirkungszusammenhänge für die einzelnen Aufmerksamkeitsfunktionen
(siehe Kapitel 1.6) untereinander und für auf der Verhaltensebene beobachtete
Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität (Schachar und Tannock, 1993, für
eine Übersicht). Zusammenfassend scheint ein linearer Dosis-
Wirkungsszusammenhang für MPH und die Aufmerksamkeitsintensität und für
Verhaltensvariablen zu gelten (Schachar und Tannoch, 1993; Konrad et al., 2004),
während sich die kontrollierende Aufmerksamkeit am deutlichsten unter eher
niedrigen MPH Dosierungen verbessert (Tannock et al., 1995). Die Autoren erklären
dies dadurch, dass MPH die beteiligten Transmittersysteme an unterschiedlichen
Orten des Gehirns differentiell beeinflusst. Wie bereits erläutert scheint MPH v.a. auf
das noradrenerge und dopaminerge System einzuwirken.
Weiter wurde in Kapitel 1.3 die Hypothese aufgestellt, dass Noradrenalin im
Aufmerksamkeitsintensitätsnetzwerk und Dopamin bei kontrollierenden
41
2.2
Aufmerksamkeitsfunktionen von entscheidender Rolle sind. Die folgende
Untersuchung sollte nun klären, ob sich bei ADHD Vorschülern ein positiver MPH
Effekt auf die Leistungen in einer neuropsychologischen Testbatterie zeigt und, wenn
ja, ob dieser Medikationseffekt für die drei Aufmerksamkeitsbereiche unterschiedlich
ausfällt.
Wir gehen in Übereinstimmung mit den berichteten Befunden zu Vor- und
Grundschülern mit ADHD und zu der Annahme über die beteiligten
Transmittersysteme davon aus, dass MPH die Aufmerksamkeitsintensität und
kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen beeinflusst. Die
Aufmerksamkeitsselektivität sollte der oben ausgeführten Argumentation folgend von
MPH wenig verändert werden.
Material und Methoden
Probanden und Einschlusskriterien:
Zweiundzwanzig ADHD Patienten aus der zuvor berichteten Studie nahmen an zwei
Testungen teil. Für die Kinder, die zweimal getestet wurden, war die Studie als
doppelt-blinde Placebo- kontrollierte Medikationsstudie konzipiert. Die Kinder
bekamen eine Stunde vor der Testung entweder ihre Morgenmedikation oder ein
Placebo. Medikation und Placebo (Laktose) wurde doppelt- blind in identischen
weißen Gelatine Kapseln verabreicht. Wurden die Kinder unter Placebo getestet,
lagen zwischen der letzten Medikationsgabe und der Testung mindestens 15
Stunden, was bei einer Halbwertszeit von 2.5 Stunden der Empfehlung einer 5fachen
Halbwertszeit als „Wash-Out“ Zeit entspricht (Rapport und Denney, 1997). Die
mittlere Dosis (mit Standardabweichungen in Klammern) war 6.4 (± 1.7) mg. Die
Dosis wurde an das Körpergewicht mit 0.25 bis 0.3 mg/kg Körpergewicht angepasst,
obwohl es keine Evidenz dafür gibt, dass das Körpergewicht Hinweise auf die MPH
Wirksamkeit gibt (Rapport und Denney, 1997). Die ADHD Symptome wurden auf der
Verhaltensebene durch MPH reduziert (paariger t-Test, t(32)= 2.46, p< 0.04). Die
Reihenfolge der Testungen mit Placebo und MPH wurde über die Personen
ausbalanciert. Parallelversionen aller Aufmerksamkeitstests wurden verwandt, um
Lerneffekte zu minimieren.
42
2.2
Die neuropsychologische Testprozedur und die abhängigen Variablen wurden in
Kapitel 2.1 bereits beschrieben.
Statistische Analysen:
Da 3 der 14 Variablen weder normalverteilt noch zwischen den Messzeitpunkten
varianzhomogen waren und somit die Vorraussetzungen für einen paarigen- t-Test
nicht gegeben waren (Havlicek und Petersen, 1974), wurden für Sustained missings,
Sustained false alarms und Fokussierte Reaktionszeit zum Vergleich zwischen
Placebo und MPH Wilcoxon- Vorzeichen-Rang-Tests verwendet. Medikationseffekte
auf die übrigen 11 Variablen wurden über paarige t-Tests geprüft, wobei α aufgrund
multiplen Testens auf 0.004 adjustiert wurde. Zwei Stichproben t-Tests wurden
schließlich zum Vergleich zwischen medizierten und MPH- naiven ADHD Kindern
verwendet. Um die Komplexität der Grafiken zu reduzieren, werden die Variablen
dargestellt, die sich in den Netzwerken am deutlichen zwischen Placebo und MPH
Testung unterschieden.
Ergebnisse
Intensität:
Tabellen 2.2.1 bis 2.2.3. zeigen Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen für
alle untersuchten Variablen für die Testung ohne und mit MPH aufgeteilt nach den
drei Aufmerksamkeitssystemen. Die Variablen, die sich am deutlichen zwischen den
Messungen unterschieden, sind außerdem graphisch dargestellt.
Tabelle 2.2.1. Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen der Variablen der Aufmerksamkeitsintensität für beide Messungen
ADHD ohne
MPH n=22
ADHD mit
MPH n=22
t(df) bzw. Z p
Baseline Speed RZ (Std.) in
ms
Baseline Speed intra-
individuelle Std. RZ in ms
Sustained RZ (Std.) in ms
Sustained intraindividuelle
537 (130)
233 (152)
1288 (386)
666 (373)
495 (129)
203 (136)
1173 (297)
488 (320)
t(21)= 2.25
t(21)= 1.01
t(21)= 1.74
t(21)= 2.20
p= 0.036
p= 0.321
p= 0.097
p= 0.04
43
2.2
Std. RZ (Std.) in ms
Anzahl Sustained Auslasser
(Std.)
Anzahl Sustained False
Alarm (Std.)
11.1 (10.2)
16.5 (14.9)
5.2 (4.7)
6.2 (6.0)
Z= -2.61
Z= -2.64
p< 0.004
p= 0.008
Abbildung 2.2.1 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für beide Untersuchungsbe-dingungen (ohne/ mit MPH) für die Aufmerk-samkeitsintensität (BS intraindividuelle Stan-dardabweichung RZ, SA Auslasser und false alarm) * signifikanter Gruppen-unterschied (αadjustiert < 0.004) 100
200
300
ohne MPH mit MPH
std
RT [m
s]
0
5
10
15
20
Fehl
erza
hl
BS std SA Auslasser SA False Alarm
*
Selektivität:
Tabelle 2.2.2 Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen der Variablen der Aufmerksamkeitsselektivität für beide Messungen
ADHD ohne
MPH n=22
ADHD mit
MPH n=22
t(df) bzw. Z p
Fokussierte RZ (Std.) in ms
Fokussierte intra-individuelle
Std. RZ (Std.) in ms
Anzahl Fokussierte Auslasser
(Std.)
Anzahl Fokussierte Fehler
(Std.)
1908 (542)
807 (371)
2.9 (3.1)
1.1 (1.6)
1578 (352)
567 (297)
2.4 (3.7)
0.7 (0.9)
Z= -1.98
t(21)= 2.33
t(21)= 0.53
t(21)= 0.99
p= 0.048
p= 0.03
p= 0.604
p= 0.334
44
2.2
0
1000
2000
3000
mit MPH mit MPH
RT
[ms]
0
1
2
Fehl
erza
hl
FA std FA RT FA False Alarm
Abbildung 2.2.2 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für beide Untersuchungs-bedingungen (ohne/ mit MPH) für die Aufmerksamkeits-selektivität (FA intraindividuelle Standardabweichung RZ, MS intraindividuelle Standardabweichung RZ, FA false alarms)
Exekutive Funktionen:
Tabelle 2.2.3. Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen der Variablen der exekutiven Funktionen für beide Messungen
ADHD ohne
MPH n=22
ADHD mit
MPH n=22
t(df) p
Go-Nogo RZ (Std.) in
ms
Go-Nogo intra-
individuelle Std. RZ
(Std.) in ms
Anzahl Go-Nogo
Auslasser (Std.)
Anzahl Go-Nogo
Fehler (Std.)
697 (125)
238 (83)
2.3 (2.7)
9.6 (9.7)
647 (105)
176 (78)
2.0 (4.3)
8.0 (9.6)
t(21)=2.41
t(21)= 3.37
t(21)= 0.25
t(21)= 1.02
p= 0.025
p< 0.003
p= 0.802
p= 0.320
45
2.2
150
250
350
ohne MPH mit MPH
std
RT
[ms]
0
4
8
12
Fehl
erza
hl
GO std GO False Alarm GO Auslasser
Abbildung 2.2.3Gruppenmittelwerte und Standardfehler für beide Untersuchungs-bedingungen (ohne/ mit MPH) für exekutive Funktionen (GO intra-individuelle Standard-abweichung RZ, False Alarms, Auslasser) * signifikanter Gruppen-unterschied (αadjustiert < 0.004)
*
Die paarigen t-Tests erbrachten signifikante Medikationseffekte für die intra-
individuellen Standardabweichungen der Reaktionslatenzen in der Go-Nogo Aufgabe
und für die Anzahl an Auslassungen in der Daueraufmerksamkeitsaufgabe. In der
Daueraufmerksamkeitsaufgabe ließen die Probanden unter MPH deutlich weniger
Reaktionen aus (Z= -2.61, p< 0.004). In der Go-Nogo Aufgabe was die
intraindividuelle Standardabweichung der RZ unter MPH kleiner (t(21)= 3.37, p<
0.003). Tendenzielle Verbesserungen ergaben sich unter MPH für beide weiteren
intraindividuellen Standardabweichungen der RZ, für die RZ in der Baseline Speed,
in der fokussierten Aufmerksamkeits- und in der Go-Nogo Aufgabe und für die
Anzahl an Auslassungen in der Daueraufmerksamkeitsaufgabe. Diese Vergleiche
verfehlten allerdings nach Alpha- Adjustierung die Signifikanzgrenze (siehe Tabellen
2.2.1- 2.2.3).
Spezifische Diskussion
In Übereinstimmung mit der Literatur zu medikationsbedingten
Leistungsverbesserungen in neuropsychologischen Tesbatterien bei Grund- (van der
Meere, 1995; Tannock et al., 1995; Konrad et al., 2004) und Vorschülern mit ADHD
(Byrne et al., 1998; Musten et al., 1997), fanden wir einen positiven Effekt von
Methylphenidat (MPH) auf die Aufmerksamkeitsleistung von ADHD Vorschülern.
MPH verringerte die Anzahl von Fehlern und Auslassungen in der
Daueraufmerksamkeitsaufgabe deutlich und führte zu einer Verkleinerung der intra-
46
2.2
individuellen Variabilität der Reaktionslatenz in der Go-Nogo Aufgabe. Unsere
eingangs geäußerten Hypothesen medikationsbedingter Verbesserungen der
Aufmerksamkeitsintensität und kontrollierender Aufmerksamkeitsfunktionen konnten
somit gestützt werden.
In Übereinstimmung mit unseren Ergebnissen fanden auch Byrne und Mitarbeiter
(1998) eine Verringerung von Auslassungen und Fehlern in einer visuellen
Vigilanzaufgabe bei Vorschülern mit ADHD. Auch bei ADHD Grundschülern
verbessert sich die Daueraufmerksamkeitsleistung durch MPH (DeSonneville et al.,
1994; van der Meere et al., 1995). Unabhängig von der Aufgabe scheint die intra-
individuelle Standardabweichung der Reaktionslatenz bei ADHD Grundschülern ein
Parameter zu sein, der deutlich von MPH beeinflusst wird (Kuntsi et al., 2001). Unser
Ergebnis einer Verringerung der Reaktionsvariabilität in der Go-Nogo Aufgabe
entspricht dieser Annahme. Ähnlich wie andere Autoren haben wir in unserer
Vorschulstichprobe keine Medikationseffekte auf die Variablen der
Aufmerksamkeitsselektivität gefunden (DeSonneville, 1994). Es muss allerdings
kritisch angemerkt werden, dass unsere kleine Stichprobe hier ein Problem für die
statistische Power dargestellt haben könnte, da keine sehr großen Effekte erwartet
wurden.
Unsere ADHD Kinder wurden im Gruppenmittel unter einer MPH Dosis von 0.25- 0.3
mg MPH/kg Körpergewicht untersucht. Studien, die sich mit Dosis-
Wirkungszusammenhängen von MPH und Aufmerksamkeitsfunktionen bei
Grundschulkindern mit ADHD beschäftigen, haben dies als niedrigste MPH Dosis
verwendet (Tannock et al., 1989; Tannock et al., 1995; Konrad et al., 2004) und
haben einen linearen Zusammenhang zwischen Dosieung und Leistungen auf der
Verhaltensebene und bzgl. der Aufmerksamkeitsintensität gefunden. Höhere
Aufmerksamkeitsfunktionen wurden in diesen Studien über Aufgaben zur kognitiven
Flexibilität überprüft, und eine niedrige MPH Dosis schien deutlich positive Effekte
auf diese Variablen zu haben. Höhere Dosen führten zu einer Leistungsabnahme im
Vergleich zur niedrigen Dosis (Tannock et al., 1995; Konrad et al., 2004). Der MPH
Effekt auf höhere Aufmerksamkeitsfunktionen in unserer Studie war trotz einer
vergleichbar hohen Stichprobengröße wie in den beiden Studien von Tannock und
Mitarbeitern weniger deutlich. Dies könnte zum einen mit der Wahl der Aufgaben zur
exekutiven Kontrolle zusammenhängen: Unsere Go-Nogo Aufgabe verlangte eine
Reaktion auf einen Zielreiz und keine Reaktion auf Nicht- Zielreize. Bei Nicht-
47
2.2
Zielreizen musste somit lediglich eine Reaktion inhibiert werden, während Aufgaben
zur kognitiven Flexibilität wie sie in den zitierten Arbeiten verwendet wurden, sowohl
eine Inhibition einer nahe liegenden oder einer bereits begonnenen Reaktion und die
Ausführung einer alternativen Reaktion beinhalten und somit mehrere Aspekte
kontrollierender Aufmerksamkeitsfunktionen abbilden (Tannock et al., 1995; Konrad
et al., 2004). Studie 1 hat gezeigt, dass unsere ADHD Gruppe im Vergleich zu den
gesunden Kindern Leistungsdefizite in der Go-Nogo Aufgabe aufwies,
möglicherweise bildet diese Aufgabe aber dennoch Inhibition weniger gut ab als die
zuvor beschriebenen Aufgaben zur kognitiven Flexibilität. Andererseits haben andere
Studien zur kognitiven Flexibilität negative MPH Effekte gefunden (Peters et al.,
1974; Robbins und Sahakin, 1979; Solanto et al., 1984; Scoufe und Stewart, 1973;
Swanson und Kinsbourne, 1979), so dass den neueren Studien zu MPH und
höheren Aufmerksamkeitsfunktionen widersprüchliche Ergebnisse vorausgingen,
(Rapport und Kelly, 1991), die mit unseren Ergebnissen übereinstimmen.
Bisher hat unseres Wissens nach keine Studie MPH bedingte
Leistungsveränderungen auf kontrollierende oder exekutive
Aufmerksamkeitsfunktionen bei Vorschülern mit ADHD untersucht, so dass
uneinheitliche Ergebnissen möglicherweise auch auf altersbedingte Veränderungen
in der Psychopharmakologie der Erkrankung zurückzuführen sind. Wie in Studie 1
beschrieben wird ein Wechsel im ADHD Phänotyp zwischen Kindheit, Jugend und
Erwachsenenalter mit einer Verschiebung der neuronalen Auffälligkeiten vom
Mittelhirn zu Auffälligkeiten im präfrontalen Kortex in Verbindung gebracht (Ernst et
al., 1998; van Dyck et al., 2002). Denkbar wäre, dass diese Verschiebung der
funktionalen Auffälligkeiten auch mit altersbedingten Unterschieden in der Reaktion
auf MPH einhergeht, wie Studien zur MPH Wirksamkeit bei ADHD Erwachsenen
andeuten (Faraone et al., 2004). Eine Studie zum Vergleich neuropsychologischer
Auffälligkeiten zwischen Vor- und Grundschülern mit ADHD aus unserer
Arbeitsgruppe legt deutliche Unterschiede zwischen beiden Altersgruppen nahe, die
möglicherweise mit neuroanatomischen oder –physiologischen Reifungsprozessen in
Verbindung stehen könnten (Hanisch et al., 2004).
Die vorliegende Studie weist drei Limitierungen auf: Erstens stellen die Kinder, die
bereits im Vorschulalter die Diagnose einer ADHD erfüllen und mit MPH behandelt
werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwerer erkrankte Gruppe dar als später
diagnostizierte Kinder. Obwohl sich in unserer Studie die mit MPH behandelte
48
2.2
Gruppe weder auf neuropsychologischer noch auf Verhaltensebene deutlich von der
ohne MPH Medikation unterschied, ist fraglich, ob sich unsere Befunde auf eine
„durchschnittliche“ ADHD Population generalisieren lassen.
Weiter umfassen die gängigen Klassifikationssysteme einige schulspezifische ADHD
Symptome, so dass der Diagnoseprozess im Vorschulalter nicht auf die gleichen
Fragebögen bzw. Grenzwerte zurückgreifen kann wie im Grundschulalter und somit
eine Objektivierung der Diagnose bzw. die Beschreibung der Stichprobe schwieriger
ist. Wie oben bereits erwähnt führt dies wahrscheinlich dazu, dass v.a. die
eindeutigen und somit schwereren Fälle bereits vor Schuleintritt diagnostiziert
werden.
Drittens haben wir zur Überprüfung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke kein
einheitliches Untersuchungsparadigma verwandt, so dass unterschiedliche
Aufgabenkomplexität, Farb- oder Formeffekte die „Reinheit“ der zu testenden
Aufmerksamkeitsaspekte verwischt haben könnten. Z.B. enthalten sowohl die
Daueraufmerksamkeits- als auch die GoNogo Aufgabe Aspekte der
Aufmerksamkeitsselektivität und führen so zu einer Vermischung der Leistungen in
den Aufmerksamkeitsnetzwerken.
49
2.3
2.3 Altersabhängige Leistungsunterschiede in der Attention Network Task (ANT)
Spezifische Einleitung
In Kapitel 1.4 wurden bereits einige Befunde zur gesunden Entwicklung der drei
Aufmerksamkeitsnetzwerke erläutert. Zusammenfassend wurde berichtet, dass sich
Variablen der Aufmerksamkeitsintensität oder –aktivierung über das Grundschulalter
hinweg weiterentwickeln (Smothergrill und Kraut, 1989; Ridderinkhof et al, 1997;
Berger et al., 2000; DeSonneville, 2001; Fimm und Zimmermann, 2000; Schachar
und Logan, 1990; Klein, 2000; Livesey und Morgan, 1991; Bunge et al., 2002),
während Variablen der Aufmerksamkeitsverschiebung weniger altersabhängig zu
sein scheinen (Enns und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson, 2000; Trick und
Enns, 1998; Brodeur und Enns, 1997). Erfordern Aufgaben zur
Aufmerksamkeitsverschiebung allerdings das Loslösen (Disengage) des
Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten Hinweis- oder von einem Nicht-
Zielreiz, so finden sich auch im Grundschulalter Leistungsverbesserungen mit
zunehmendem Alter (DeSonneville, 2001; Fimm und Zimmermann, 2000; Shepp und
Barrett, 1991; Shepp et al., 1987; Akhtar und Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989;
Wainright und Bryson, 2000; Klein und Foerster, 2001). Das exekutive
Aufmerksamkeitssystem scheint das Netzwerk zu sein, das sich zuletzt entwickelt
und bis in die Pubertät stetig weiter differenziert (Tipper et al. 1989; Livesey und
Morgan, 1991; Casey et al. 1997; Carver et al., 2001; Williams et al., 1999).
Die hier verwendete Attention Network Task (ANT) wurde von der Arbeitsgruppe um
Posner entwickelt, um die Leistung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke mit Hilfe
eines einheitlichen Untersuchungsparadigmas abzubilden (Fan et al., 2001). Die
Reaktionszeit (RZ) wird in der ANT über eine Kombination aus verschiedenen
Warnreizbedingungen (Posner, 1980) und einer Flankierungs- Aufgabe manipuliert
(Eriksen und Eriksen, 1974), so dass sie neben Komponenten der
Aufmerksamkeitsaktivierung und räumlichen –ausrichtung einen kognitiven Konflikt
beinhaltet.
Das Modell zur visuell- räumlichen Aufmerksamkeitsausrichtung (Posner und
Petersen, 1990) geht von einer funktionell und neuroanatomisch weitestgehenden
Unabhängigkeit der drei Netzwerke aus. Die ANT konnte diese
50
2.3
Unabhängigkeitsannahme nicht vollends bestätigen: während sich bei Erwachsenen
eine Interaktion zwischen aufmerksamkeitsaktivierendem und kontrollierendem
System zeigte, waren die drei Netzwerke in einer kürzlich veröffentlichten
Entwicklungsstudie unkorreliert (Fan et al., 2002; Rueda et al., 2004). Eine
Retestreliabilitätsmessung ergab die höchste Reliabilität für das Ausmaß des
kognitiven Konflikts und moderate bis eher geringe Retestrelibilitäten für das
Aufmerksamkeitsausrichtungs- und für das Aktivierungsnetzwerk (Fan et al., 2002;
Fan et al., 2001). In Übereinstimmung mit diesen Befunden zeigte eine
Zwillingsstudie zur ANT eine hohe Heritabilität für das Konfliktsystem, eine weniger
hohe für das Aktivierungs- und keine für das Aufmerksamkeitsausrichtungsnetzwerk
(Fan et al., 2001).
Ziel der vorliegenden Entwicklungsstudie war, die Altersabhängigkeit der Leistungen
in den drei Aufmerksamkeitsnetzwerken im Grundschulalter anhand der ANT zu
überprüfen und so eine eigene Normstichprobe für einen Vergleich zwischen
Gesunden und ADHD Patienten zu rekrutieren. Die Arbeitsgruppe um Fan und
Posner hat kürzlich eine Entwicklungsstudie zur ANT veröffentlicht (Rueda et al.,
2004). Die Daten sprechen für ähnliche Leistungen des orient- Systems zwischen 6-
Jährigen und Erwachsenen und für Unterschiede zwischen Kindern und
Erwachsenen in den anderen beiden Netzwerken. In Übereinstimmung mit diesen
Befunden und mit den oben beschriebenen Entwicklungsdaten aus anderen
Untersuchungsparadigmen gehen wir von deutlichen Alterseffekten auf die
exekutiven Funktionen und auf die Aufmerksamkeitsaktivierung aus. Wir erwarten,
dass sich die jüngeren Kinder stärker durch inkongruente Flankierungs- Reize
ablenken lassen als Ältere, und dass die jüngere Stichprobe weniger von einem
aufmerksamkeitsaktivierenden Warnstimulus profitiert. Da die ANT keine invaliden
räumlichen Hinweisreize und somit keine Disengage- Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung enthält, erwarteten wir keine altersabhängigen
Veränderungen im Aufmerksamkeitsausrichtungsnetzwerk. Da zur Stützung dieser
Hypothese aus methodischen Erwägungen eine deutliche größere Stichprobe nötig
wäre als verfügbar (Bortz, 1989), gehen wir somit davon aus, über die
Altersentwicklung dieses Aufmerksamkeitsaspekts anhand der ANT keine eindeutige
Aussage machen zu können.
51
2.3
Material und Methoden
Attention Network Task:
+ + * * +
+400- 1600 ms
150 ms Warnreiz
400 ms
RZ< 1700 ms Zielreiz
neutral kongruent inkongruent
+ * * + *
* +
+ *
Kein Cue Zentraler Cue Doppelter Cue
Räumlicher Cue
Zielreiz
Warnreiz
Abbildung 2.3.1 Zeitlicher Ablauf der Warn- und Zielreizbedingungen in der ANT
Probanden und Einschlusskriterien:
Es wurden 35 gesunde Kinder (15 Mädchen und 20 Jungen) im Alter von 5.0 bis 10.5
Jahren untersucht. Das mittlere Alter betrug 8.3 (± 1.6) Jahre. Ein Gruppenvergleich
wurde angestellt über eine Gruppe 5-6 jährige Kinder (n= 7, mittleres Alter 5.83 ±
0.86), eine Gruppe 7-8 Jährige (n= 15, mittleres Alter 8.15 ± 0.48) und eine Gruppe
9-10 Jähriger (n= 13, mittleres Alter 9.89 ± 0.57). Keines der Kinder hatte
Aufmerksamkeitsprobleme oder andere neuropsychiatrische Auffälligkeiten in der
Vorgeschichte. Die deutsche Fassung der Child Behavior Check List (CBCL;
52
2.3
Arbeitsgruppe deutsche Child Behavior Check List, 1998) wurde von den Eltern
ausgefüllt und dokumentierte durchschnittliche Werte auf der Skala
„Aufmerksamkeitsstörung“ für alle untersuchten Kinder. Eltern und Kinder gaben ihr
schriftliches Einverständnis, und die Studie war durch die Ethik- Kommission des
Universitätsklinikums Aachen genehmigt.
Die Kinder wurden vormittags einzeln im Kindergarten bzw. in der Schule untersucht.
Die Aufgabe wurde über einen 14 Zoll Laptop Monitor präsentiert und umfasste wie
in Abbildung 2.3.1 dargestellt vier Warnreize (kein, einzelner zentraler, einzelner
räumlicher und zweifacher Warnreiz) und drei Zielreizbedingungen (neutral,
kongruent, inkongruent). Nach einem variablen Intervall von 400 -1600 ms erschien
für 100 ms ein Warnreiz. Nach 400 ms wurde in 1.06° Sehwinkel ober- oder
unterhalb eines zentralen Fixationskreuzes entweder ein einzelner Fisch (neutrale
Zielreizbedingung) oder fünf Fische präsentiert, die entweder alle in die gleiche
(kongruente Zielreizbedingung) oder aber in unterschiedliche (inkongruente
Zielreizbedingung) Richtungen schwammen. Jeder Fisch hatte eine Größe von ca.
1.6° Sehwinkel. Aufgabe war, so richtig und schnell wir möglich über die Tasten einer
konventionellen Computermaus die Schwimmrichtung des zentralen Fisches
anzugeben. Hierbei sollte das Kreuz in der Bildschirmmitte fixiert werden. Einem
Übungsblock mit 24 Durchgängen folgten drei Experimentalblöcke mit jeweils 48
Durchgängen. Richtige Reaktionen wurden über eine Rückmeldung (Zielfisch öffnet
und schließt das Maul und es erklingt ein bestätigender Ton) belohnt.
Abhängige Variablen:
Die Reaktionslatenz und Fehlerzahl wurden für jede der Versuchsbedingungen
ermittelt. Die Funktionsweise der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke wurde über die
Subtraktion von Reaktionslatenzen der jeweiligen Warn- bzw. Zielreizbedingungen
ermittelt. Das Maß für den individuellen kognitiven Konflikt wurde über die
Reaktionslatenz in inkongruenten minus der Reaktionslatenz in kongruenten
Durchgängen ermittelt. Der Effekt der Aufmerksamkeitsaktivierung (alert Effekt)
berechnete sich aus den Reaktionszeiten der Durchgänge ohne bzw. mit einem
zentralen Warnreiz. Das Aufmerksamkeitsausrichtungssystem (orient Effekt) wurde
über den Differenzwert der Reaktionslatenzen zwischen doppeltem und räumlichem
Warnreiz errechnet (Fan et al., 2001).
53
2.3
Die intraindividuelle Standardabweichung der RZ über alle Versuchsdurchgänge
beinhaltet hier sowohl die „tatsächliche“ individuelle RZ Variabilität als auch eine RZ
Variabilität, die durch die Warn- und Zielreizbedingungen verursacht ist. Wenn nun
davon ausgegangen wird, dass sich zum einen die Warn- und Zielreizbedingungen
altersabhängig auf die RTs auswirken und dass zum anderen die Größe der intra-
individuelle Standardabweichung der RZ an sich altersabhängig ist (siehe Kapitel
1.4), ist die Betrachtung dieser Variablen aufgrund der Konfundierung bzw.
möglichen Interaktion beider Teilaspekte nicht sinnvoll.
Statistische Auswertung:
Haupteffekte von Hinweisreiz, Zielreiz und Alter auf die Reaktionszeiten wurden mit
Hilfe einer drei- faktoriellen- Messwiederholungs- Varianzanalyse überprüft, wobei
Hinweis- und Zielreiz Inner-Subjekt- Faktoren und Alter einen Zwischen- Subjekt-
Faktor darstellte. Um den Effekt des Alters auf die abhängigen Variablen zu ermitteln,
wurden einseitige bivariate Korrelationsanalysen gerechnet. Es wurden
Reaktionslatenz, Fehlerrate und die Kennwerte der drei Aufmerksamkeitssysteme mit
dem Alter in Zusammenhang gesetzt und das Alphaniveau aufgrund multiplen
Testens auf 0.01 korrigiert. Einfaktorielle Varianzanalysen wurden zum Vergleich der
Reaktionszeitwerte zwischen den Altersgruppen herangezogen. Da die Prozent
Fehler weder normalverteilt noch zwischen den Gruppen varianzhomogen waren,
wurde hier zum Gruppenvergleich ein Chiquadrat Test verwendet.
Ergebnisse
Haupteffekte auf die Reaktionszeiten wurden für die Hinweis- (F(3,30)= 23.57, p<
0.001) und Zielreizbedingungen (F(2,31)= 46.24, p< 0.001) gefunden. Es ergaben
sich keine Interaktionen zwischen beiden Bedingungsvariationen (F(6,27)= 1.36, p=
0.27) und keine Interaktion zwischen Hinweisreiz und Gruppe oder zwischen Zielreiz
und Gruppe (F(6,62)= 0.51, p= 0.8; F(4,64)= 1.40, p= 0.24). Es ergab sich ebenfalls
keine dreifache Wechselwirkung zwischen Hinweis-, Zielreiz und Altersgruppe (F(12,
56)= 1.08, p= 0.40). Die Korrelationsanalysen ergaben einen signifikanten
Alterseffekt für die mittlere Reaktionslatenz und tendenziell bedeutsame
Korrelationen zwischen Alter und der Fehlerzahl und zwischen Alter und dem
Ausmaß des kognitiven Konflikts.
54
2.3
Tabelle 2.3.1. Pearson Korrelationskoeffizienten des Alters und RZ,
Gesamtfehlerzahl und Kennwerte der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke.
RZ Fehler (%) Alert Orient Konflikt
ALTER
r
p
-0.473
0.002 *
-0.354
0.019
-0.065
0.356
-0.021
0.452
-0.279
0.053
* nach α- Adjustierung für multiples Testen signifikant (< 0.01)
Der Vergleich der Altersgruppen ergab keine signifikanten Unterschiede (siehe
Tabelle 2.3.2).
Tabelle 2.3.2. Mittelwerte, Standardfehler und Teststatistik für die Altersgruppen und abhängigen Variablen
5- 6 Jährige
n= 7
7- 8 Jährige
n= 15
9- 10 Jährige
n= 13
Gruppenvergleich
RZ Prozent Fehler Alert Orient Konflikt
881 (42)
4.4 (2.1) 71 (27) 51 (9) 105 (28)
829 (29)
3.5 (1.0)
58 (14)
32 (13)
80 (15)
779 (30)
1.3 (0.3)
55 (9)
49 (12)
67 (10)
F(2,32)= 1.86 p= 0.17
Chi²(2)= 3.6 p= 0.169
F(2,32)= 0.19 p= 0.827
F(2,32)= 0.27 p= 0.769
F(2,32) 0.68 p= 0.512
600
700
800
900
1000
5-6 Jahre 7-8 Jahre 9-10 Jahre
RT
[ms]
0
0,1
0,2
0,3
0,4
Proz
ent F
ehle
r
RT Fehler Abbildung 2.3.2 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für Reaktionslatenzen und Prozent Fehler. Es zeigt sich ein nicht-signifikanter Trend in Richtung schnellerer Reaktionszeiten mit zunehmendem Alter.
55
2.3
Abbildung 2.3.3
0
40
80
120
160
200
5-6 Jahre 7-8 Jahre 9-10 Jahre
RT
Diff
eren
z [m
s]Alert Orient Konflikt Gruppenmittelwerte und
Standardfehler für die Aufmerksamkeitsnetzwerk-
Kennwerte. Es zeigt sich ein nicht-signifikanter Trend in Richtung kleinerer Konfliktwerte mit zu-nehmendem Alter.
Spezifische Diskussion
In der untersuchten Altersspanne zeigte sich eine deutliche Verringerung der
Reaktionszeit mit zunehmendem Alter. Die Gesamtzahl der Fehler und das Ausmaß
des kognitiven Konflikts waren tendenziell vom Alter beeinflusst, wobei jüngere
Kinder mehr Fehler machten und stärker von inkongruenten Zielreizbedingungen
abgelenkt wurden als Ältere. Der Einfluss eines zentralen (alert) oder räumlichen
(orient) Hinweisreizes veränderte sich nicht mit dem Alter.
Wie in Kapitel 1.4 beschrieben kann die Reaktionslatenz als Maß für die
Reaktionsbereitschaft und somit als Indikator für die Leistungen des
Aufmerksamkeitsaktivierungssystems betrachtet werden (Huang- Pollack und Nigg,
2003). Somit sprechen unsere Befunde für eine altersabhängige
Leistungsverbesserung in diesem Teilaspekt der Aufmerksamkeitsintensität.
Entgegen unserer Erwartungen zeigte sich keine Altersabhängigkeit bei der
phasischen Aufmerksamkeitsaktivierung, die über die RZ Differenz zwischen der
Bedingung ohne Hinweisreiz und der mit zentralen Hinweisreiz operationalisiert war
(alert Effekt). In Übereinstimmung mit diesem Befund sind die Ergebnisse zur
altersabhängigen Entwicklung des alert- Effekts nicht eindeutig: wie bereits
beschrieben finden einige Autoren abnehmende Effekte mit zunehmendem Alter,
andere finden gerade den umgekehrten Alterstrend (Rueda et al., 2004; Kraut, 1976;
Smothergrill und Kraut, 1989; Ridderinkhof et al, 1997). Fan berichtet in zwei
Arbeiten von alert- Effekten zwischen 38 ms und 42 ms bei erwachsenen Probanden,
56
2.3
so dass unsere Kinderdaten mit 55 ms bei den Ältesten bis 71 ms bei den Jüngsten
möglicherweise einen unsere Hypothese stützenden leichten Entwicklungstrend
nahe legen. Entsprechend zeigte eine kürzlich erschienene Entwicklungsstudie zur
ANT bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen ebenfalls größere Alert- Effekte
(Rueda et al., 2004). Während sich der Alert- Effekt wenig zwischen 6 und 10 Jahren
zu entwickeln scheint, fanden die Autoren noch eine deutliche Verringerung des
alert- Effekts zwischen 10 Jährigen und Erwachsenen,. Die geringen Unterschiede in
der Aufmerksamkeitsaktivierung zwischen 6 und 10 Jahren steht in Übereinstimmung
mit unseren Ergebnissen. Rueda und Mitarbeiter führen die späte Differenzierung der
Aufmerksamkeitsaktivierung darauf zurück, dass es selbst den 10-Jährigen schwer
fällt, den Aufmerksamkeitsfokus aufrecht zu erhalten, wenn einer Reaktion kein
Hinweisreiz vorausgeht und sie somit im Vergleich zu den Erwachsenen in
Durchgängen ohne Hinweisreiz besonders langsam reagieren (Rueda et al., 2004).
Während gleiche Leistungen im orient- System unsere Erwartung von einem intakten
Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerk bereits bei den Jüngsten bestätigte (Enns
und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson, 1990; Wainright und Bryson, 2000; Rueda
et al., 2004), war die Altersabhängigkeit des kognitiven Konflikts geringer als
gedacht. Zwar machten jüngere Kinder im Trend mehr Fehler und zeigten eine
größere RZ Differenz zwischen kongruenten und inkongruenten Zielreizbedingungen,
nach Alphakorrektur verfehlte dieser Trend allerdings die Signifikanzgrenze. Fan
berichtet in seinen Studien an Erwachsenen von Konfliktwerten zwischen 71- 90 ms
(Fan et al., 2001; Fan et al., 2002). Die Kinder in der vorliegenden Studie erzielten
Werte von 67 ms für die Ältesten bis 105 ms für die Jüngsten, so dass unsere 10-11
Jährigen auf den ersten Blick mit den Erwachsenen vergleichbar scheinen. Die von
Fan berichteten Daten stammen allerdings von einer Erwachsenen Version des ANT,
die anstelle von Fischen deutlich kleinere Pfeile verwendet (Fan et al., 2001; Fan et
al., 2002). Möglicherweise ist durch Größen-, Farb- und Formeffekte das Ausmaß
des Konflikts verändert worden (Ridderinkhof und van der Molen, 1997). Ein weiterer
Unterschied zwischen Erwachsenen und Kinder ANT, der sich möglicherweise
besonders auf den Konfliktwert ausgewirkt haben könnte, ist das visuelle Feedback,
das den Kindern, nicht aber den Erwachsenen gegeben wurde. Das
Belohnungssystem scheint aufgrund mesolimbischer- präfrontaler dopaminerger
Projektionen besonders eng mit dem exekutiven Aufmerksamkeitssystem verbunden
(Schulz et al., 2002). Weiter wurde gezeigt, dass Kinder mit ADHD, bei denen sowohl
57
2.3
Auffälligkeiten im Belohnungs- als auch im exekutiven Aufmerksamkeitssystem
gefunden wurden (Castellanos und Tannock, 2002), ihre Leistung durch eine
verhaltenskontingente Belohnung deutlich verbessern (Konrad et al., 2001). Denkbar
wäre somit, dass aufgrund der Belohnung richtiger Reaktionen sich die Konfliktwerte
in der Kindergruppe insgesamt verringert haben und somit nicht deutlich höher sind
als die von Fan und Mitarbeitern bei Erwachsenen erhobenen (2001, 2002). Unsere
Daten stimmen sehr gut mit der Entwicklungsstudie zur ANT aus der Arbeitsgruppe
um Posner überein: hier wurden für die Jüngsten Konfliktwerte von 115 ms und für 9
Jährige von 67 ms berichtet. Deutliche altersbedingte Veränderungen im exekutiven
Aufmerksamkeitsnetzwerk fanden diese Autoren lediglich zwischen 6 und 7 Jahren
(Rueda et al., 2004).
Die 5-jährigen Kinder in unserer Studie machten im Gruppenmittel 6.9 % Fehler,
während die 10-Jährigen 0.9% falscher Reaktionen zeigten. Wenngleich dieser
Unterschied im Gruppenvergleich aufgrund der kleinen Stichprobenzahlen nicht
signifikant wurde (siehe Tabelle 2.3.2), könnten diese Differenz einen Einfluss auf die
RZ Differenzwerte des Konflikts gehabt haben: zur Berechnung der Differenzwerte
wurden lediglich die Durchgänge mit richtigen Reaktionen herangezogen. Die
Durchgänge, in denen der kognitive Konflikt als besonders groß erlebt wurde, wurden
möglicherweise falsch beantwortet und so aus der Berechnung des RZ basierten
Konfliktwertes ausgeschlossen. So könnte die unterschiedliche
Aufgabenschwierigkeit zur Unterschätzung des Konfliktmaßes bei den jüngeren
Kindern und zur Verringerung der Unterschiede zwischen den Altersstufen geführt
haben.
Zusammenfassend verbesserten sich die Reaktionsbereitschaft deutlich und die
Bearbeitung eines kognitiven Konflikts tendenziell im Alter zwischen 5 und 10 Jahren.
In einem nächsten Schritt soll nun die Leistung von ADHD Kindern mit diesem
gesunden Entwicklungsverlauf verglichen werden.
58
2.4
2.4 Attention Network Task (ANT) bei Kindern mit und ohne ADHD
Spezifische Einleitung
In Kapitel 1.5 wurden die Befunde zum neurokognitiven Defizit bei ADHD Kindern
ausführlich beschrieben. Relative Einigkeit herrscht darüber, dass ADHD Probanden
im Vergleich zu Gesunden im Bereich der exekutiven Kontrolle beeinträchtigt sind
(Schachar et al., 2000; Seidman et al., 1995; Seidman et al., 1997; Tannock et al.,
1998). Unklar ist allerdings, ob dieses Defizit allein durch eine Inhibitionsstörung zu
erklären ist, die andere kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen sekundär
beeinträchtigt (Barkley, 1997), oder ob auch andere exekutive Funktionen wie z.B.
die Lösung eines kognitiven Konflikts primär beeinträchtigt sind (Pennington et al.,
1993, Aman et al.,1998, Grodzinsky et al., 1999).
Im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung oder –intensität sprechen einige Autoren
von Auffälligkeiten bei der Reaktion auf Zielstimuli ohne vorhergehenden Warnreiz
und somit von einem Defizit der phasischen Reaktionsbereitschaft bei ADHD
Patienten (Swanson et al., 1991; Nigg et al., 1997). Andere berichten lediglich von
einem Defizit der Antwortvorbereitung, das sich in einem verlangsamten und
schwankenden Arbeitsstil äußert (Huang-Pollock et al., 2000; Nigg et al., 1997).
Während die Befundlage somit auf eine Beeinträchtigung des
Aufmerksamkeitsaktivierungsnetzwerks bei ADHD hindeutet, ist unklar, welche
spezifischen Aspekte dieser Aufmerksamkeitskomponente betroffen sind (Huang-
Pollack und Nigg, 2003).
Studien zur Aufmerksamkeitsverschiebung oder –selektivität finden bei ADHD
Patienten überwiegend intakte Leistungen in diesem Aufmerksamkeitsbereich (Aman
et al., 1998; Epstein et al., 1997; Nigg et al., 1997; Swanson und Hinshaw, 1997;
Pearson et al., 1995; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999). ADHD Patienten
scheinen lediglich in der Aufmerksamkeitsloslösung von einem irrelevanten oder
irreführenden Hinweis- oder Distraktorreiz beeinträchtigt (Epstein et al., 1997;
Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999).
Ziel der folgenden Studie war, die Leistungen der Aufmerksamkeitsnetzwerke bei
ADHD Kindern mit Hilfe der Attention Network Tasks (ANT; Fan et al., 2001) zu
überprüfen und in einem zweiten Schritt den Einfluss von Methylphenidat (MPH) auf
59
2.4
die Aufmerksamkeitsleistung der ADHD Kinder in dieser Aufgabe zu dokumentieren.
Vorteil dieser Herangehensweise gegenüber den in Studie 1 und 2 verwendeten
neuropsychologischen Testbatterien ist, dass die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke
über ein einheitliches Untersuchungsparadigma überprüft werden. In
Übereinstimmung mit den berichteten Ergebnissen (siehe Kapitel 1.5 und Studie 2.1)
erwarten wir schlechtere Leistungen der ADHD im Vergleich zur gesunden Gruppe
im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung und bei kontrollierenden
Aufmerksamkeitsfunktionen. Da die ANT ausschließlich valide räumliche
Hinweisreize beinhaltet und die Disengage Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung somit nicht abbildet, gehen wir von vergleichbaren
Ergebnissen beider Gruppen in der Aufmerksamkeitsausrichtung aus.
MPH beeinflusst das dopaminerge und das noradrenerge Transmittersystem (Pliszka
et al., 1996). Während Dopamin als entscheidender Botenstoff im kontrollierenden
Aufmerksamkeitssystem angesehen wird, scheint Noradrenalin eine wichtige Rolle
bei der Aufmerksamkeitsaktivierung zu spielen (Posner und Fan, im Druck). Somit
erwarteten wir eine MPH bedingte Verbesserung der Aufmerksamkeitsaktivierung
und bei kontrollierenden Aufmerksamkeitsfunktionen.
Material und Methoden
Probanden und Einschlusskriterien:
Es wurden 14 mit ADHD diagnostizierte und auf Methylphenidat (MPH) eingestellte
Kinder mit einem mittleren Alter von 10.1 (± 2.2) Jahren und 14 gleichaltrige gesunde
Kontrollkinder (mittleres Alter 9.8 ± 1.9, t26 1.547 p= 0.225) untersucht. In beiden
Gruppen waren 4 Mädchen. Alle Kinder der ADHD Gruppe erfüllten die Diagnose
einer ADHD nach den Kriterien des DSM-IV (American Psychiatric Association,
1994) und wurden über die Institutsambulanz bzw. die Stationen der Klinik für Kinder-
und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums Aachen
rekrutiert. Die 14 Kontrollkinder waren Teil der in Studie 3 bereits beschriebenen
Stichprobe. Für die ADHD Gruppe schloss der Diagnoseprozess eine ausführliche
Anamneseerhebung, eine halbstrukturiertes Interview der Eltern zur
Psychopathologie des Kindes (K-DIPS; Unnewehr et al., 1995), eine körperliche
Untersuchung, eine Intelligenz- (HAWIK III) und Fragebogenuntersuchung und ein
Fragebogenurteil des Verhaltens durch Lehrer und Eltern ein (FBB HKS; CBCL Child
60
2.4
Behavior Checklist). Der FBB Bogen beinhaltet eine Unaufmerksamkeits-, eine
Hyperaktivitäts- und eine Impulsivitätsskala. Werte von 0-3 sind möglich, Werte von 2
oder 3 werden als relevant definiert. Für die jeweiligen Skalen sind Grenzwerte von
6,3 bzw.1 relevante Items festgelegt und weisen somit auf eine hohe
Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer ADHD hin (Döpfner and Lehmkuhl, 1998).
Alle hier beschriebenen Kinder erreichten mindestens auf der Unaufmerksamkeits-
Skala die vorgeschriebene Anzahl von 6 auffälligen Items. Kinder mit einem
Gesamtintelligenzquotient von kleiner 80 wurden von der Auswertung
ausgeschlossen. Weitere Ausschlusskriterien waren zusätzliche Diagnosen einer
Psychose, mittelgradigen oder schweren Depression, tiefgreifenden
Entwicklungsstörung oder rezeptiven Sprachstörung. Keines der Kinder bekam über
die MPH Medikation hinausgehende Medikamente. Die MPH Dosis wurde aufgrund
klinischer Urteile von Eltern und Lehrern individuell ermittelt, so dass die Patienten
zur Testung eine mittlere Dosis von 0.3-0.5 mg/kg Körpergewicht MPH zu sich
genommen hatten. Die Reihenfolge der Testung mit bzw. ohne Medikation war über
die ADHD Gruppe hinweg randomisiert. Die ADHD Kinder wurden vormittags
untersucht. Der Versuchsablauf und die abhängigen Variablen wurden im
Methodenteil der Studie 2.3 bereits beschrieben.
Statistische Analysen:
Für alle Variablen außer der Prozentzahl Fehler in der ADHD Gruppe waren
Normalverteilung und Varianzhomogenität zwischen den Gruppen gegeben.
Zunächst wurden die ADHD und Kontrollkinder über Zweistichproben t-Tests
miteinander verglichen. Für den Gruppenvergleich der Fehlerprozent wurde ein
Mann- Whitney U-Test herangezogen. Haupteffekte der Untersuchungsbedingungen
(Hinweis- und Zielreiz) und Interaktionen zwischen den Hinweis- und
Zielreizbedingungen und den beiden Gruppen wurden über eine drei- faktorielle-
Messwiederholungs- Varianzanalyse überprüft mit Hinweis- und Zielreiz als
Innerhalb- Subjekt- und Gruppe als Zwischen- Subjekt- Faktor. Anschließend wurde
mit Hilfe einer Diskriminanzanalyse überprüft, ob sich eine Gruppenzugehörigkeit
anhand der abhängigen Variablen voraussagen lässt. Um aufgrund der geringen
Stichprobengröße die Anzahl der abhängigen Variablen möglichst gering zu halten,
wurden diejenigen Variablen verwendet, in denen sich Kontroll- und ADHD Kinder
deskriptiv am ehesten unterschieden (Prozent Fehler und Kennwerte des alertness
und Konflikt Netzwerkes).
61
2.4
Eine Messwiederholungs- Varianzanalyse wurde weiter für die beiden
Untersuchungsbedingungen der ADHD Gruppe gerechnet, um Medikations- und
Interaktionseffekte zwischen Aufmerksamkeitsnetzwerken und MPH zu analysieren.
Ein paariger t-Test wurde zur Posthoc Analyse der
Messwiederholungsvarianzanalyse herangezogen.
Ergebnisse
In der Messung ohne MPH unterschieden sich ADHD und Kontrollgruppe weder bzgl.
Reaktionsgeschwindigkeit oder Fehlerzahl noch hinsichtlich der Kennwerte der drei
Aufmerksamkeitsnetzwerke (siehe Tabelle 2.4.1).
Eine drei- faktorielle- Messwiederholungs- Varianzanalyse ergab signifikante
Haupteffekte für Hinweisreiz (F(3,24)= 25.0, p< 0.001) und Zielreiz (F(2,25)= 34.67,
p< 0.001). Es ergaben sich keine Interaktionen zwischen beiden
Bedingungsvariationen (F(6,21)= 1.91, p= 0.13) und keine Interaktion zwischen
Hinweisreiz und Gruppe, zwischen Zielreiz und Gruppe (F(1,24)= 1.0, p= 0.41;
F(2,25)= 1.04, p= 0.37) oder zwischen Hinweis-, Zielreiz und Gruppe (F(6,21)= 2.09,
p= 0.98).
Tabelle 2.4.1 Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen für Reaktionszeit, Anzahl der Fehler und die Kennwerte der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke für Kontrollkinder, ADHD Kinder ohne und ADHD Kinder mit MPH
Kontrollen
n=14
ADHD ohne
n=14
ADHD MPH
n=14
RZ (Std.)
Prozent Fehler (Std.)
Alert (Std.)
Orient (Std.)
Konflikt (Std.)
779.99 (103.46) 712.82 (122.96) 689.03 (118.18)
t(26)= -1.56, p= 0.13 ----------------
1.39 (0.28) 12.34 (24.52) 3.57 (6.42)
Z= 20.41, p< 0.001 ----------------
57.08 (31.92) 30.21 (65.04) 102.70 (87.85)
t(26)= -1.39, p= 0.18 t(13)= -2.67, p< 0.019
47.92 (43.17) 33.18 (39.87) 28.34 (38.80)
t(26)= -0.94, p= 0.36 ----------------
71.45 (37.84) 44.24 (58.44) 58.72 (54.76)
t(26)= -1.46 p= 0.16 ----------------
62
2.4
Während sich im direkten Vergleich keine Gruppenunterschiede ergaben (siehe
Tabelle 2.4.1), war eine Diskriminanzanalyse mit Fehleranzahl, Konflikt und Alertness
Kennwert in der Lage, 96% der Fälle den Gruppen richtig zuzuordnen. Es ergaben
sich ein Eigenwert von 10.2 und eine kanonische Korrelation von 0.95. Beide
Diskriminanzfunktionsverteilungen unterschieden sich signifikant (Wilk’s Lambda(3)=
0.089, p< 0.001).
Tabelle 2.4.2. Gruppenklassifikation durch die Diskriminanzanalyse
Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit
ADHD Kontrollen
Original Anzahl ADHD
Kontrollen
13 1
0 14
Original Prozent ADHD
Kontrollen
92.9 7.1
0 100
Ein Messwiederholungs- Varianzanalyse mit beiden Medikationsbedingungen und
Aufmerksamkeitssystem als innerhalb- Subjekt Faktoren ergab eine signifikante
Interaktion zwischen den Aufmerksamkeitsnetzwerken und MPH (F(2)= 4.26, p<
0.025). Die Gruppenmittelwerte legten nah, dass dieser Interaktionseffekt durch die
Veränderung des alert- Kennwertes verursacht war (siehe Tabelle 2.4.1), ein
paariger t-Test bestätigte diese Vermutung (t(13)= -2.67, p< 0.019, siehe Abbildung
2.4.1). Während sich bei beiden Testungen also ähnliche Effekte des räumlichen
Hinweisreizes und des Konflikts zeigten, vergrößerte MPH den Alert Effekt deutlich.
600
700
800
900
1000
ADHD ohne ADHD mit Kontrollen
RT
[ms]
0
0,1
0,2
0,3
0,4
Pro
zent
Feh
ler
RT Fehler
Abbildung 2.4.1 a Gruppenmittelwerte undStandardfehler fürReaktionszeiten undProzent Fehler. Für dieADHD Gruppe sindWerte für die Messungohne und mit MPHabgebildet * signifikanter Gruppen-unterschied (α < 0.05)
63
2.4
0
40
80
120
160
200
ADHD ohne ADHD mit Kontrollen
RT
Diff
eren
z [m
s]Alert Orient Konflikt
Abbildung 2.4.1 b Gruppenmittelwerte undStandardfehler für dieKennwerte der dreiAufmerksamkeits-netzwerke. Für dieADHD Gruppe sindWerte für die Messungohne und mit MPHabgebildet * signifikanter Gruppen-unterschied (α < 0.05)
Tabelle 2.4.3 zeigt Gruppenmittelwerte der RZ für die vier Warnreizbedingungen für
beide Messzeitpunkte der ADHD Gruppe. Die MPH bedingte Vergrößerung des alert-
Effekts scheint eher durch eine Medikations- bedingte Verringerung der
Reaktionslatenz in der Bedingung mit zentralem Warnreiz als durch eine
Veränderung der Reaktionslatenz in der Bedingung ohne Warnreiz verursacht. Der
Vergleich der Reaktionszeiten ohne und mit MPH mit zentralem Warnreiz blieb
allerdings nicht-signifikant (t(13)= 1.01, p= 0.332). Die Betrachtung der individuellen
Differenzwerte der RZ zwischen der Testung ohne und mit MPH legt nahe, dass
MPH die aufmerksamkeitsaktivierende Wirkung der Warnreize verstärkte: so
verringerte sich die Reaktionslatenz in der Bedingung mit doppeltem Cue deutlicher
als in der Bedingung ohne Cue. Auch dieser Vergleich blieb allerdings nicht-
signifikant (t(13) double cue ohne/mit MPH = 1.20, p= 0.252).
Tabelle 2.4.3 Dargestellt sind Gruppenmittelwerte und Standardabweichungen der RZ für die vier Warnreizbedingungen und der Gruppenmittelwert der individuellen RZ Differenz zwischen der Messung ohne und mit MPH
ADHD ohne ADHD MPH Individuelle Differenz
RZ Kein Cue (Std.)
RZ Zentraler Cue (Std.)
RZ Doppelter Cue (Std.)
RZ Orient Cue (Std.)
747 (126)
709 (136)
708 (141)
673 (120)
758 (135)
673 (126)
652 (122)
642 (119)
-11 (108)
36 (127)
56 (168)
31 (136)
64
2.4
Spezifische Diskussion
ADHD und Kontrollkinder unterschieden sich weder in der Reaktionslatenz und
Fehlerzahl noch in der Funktionsweise der drei untersuchten
Aufmerksamkeitsnetzwerke. Entgegen unserer Erwartungen reagierten die ADHD
Kinder im Trend schneller und zeigten tendenziell kleinere Werte für den alert- und
für den Konflikt- Effekt. Die Zahl der Fehler war in der ADHD Gruppe im Trend größer
als in der Kontrollgruppe. Vergleichbare Leistungen zwischen beiden Gruppen im
Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerk stimmen sowohl mit unseren Erwartungen
als auch mit den Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen überein (Huang-Pollock et al.,
2000; Carter et al., 1995; Sergeant und van der Meere, 1990; Aman et al., 1998;
Nigg et al., 1997; Swanson und Hinshaw, 1997; Pearson et al., 1995). Unterschiede
zwischen den Gruppen hätten sich ggf. dann gefunden, wenn die ANT invalide
Hinweisreize und somit eine Disengage- Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung beinhaltet hätte (Epstein et al., 1997; Swanson et al.,
1991; Wood et al., 1999).
Anhand einer Diskriminanzanalyse ließ sich die Gruppenzugehörigkeit zur ADHD
bzw. Kontrollgruppe in 96% der Fälle voraussagen, so dass die ANT trotz fehlender
Gruppenunterschiede auf Variablenebene in der Lage war, beide Gruppen zu
trennen.
Mit 44 ms zeigten unsere ADHD Kinder einen tendenziell geringeren Konflikteffekt
als sowohl unsere Vergleichsstichprobe (71 ms) als auch als die von Rueda und
Mitarbeitern (2004) untersuchten gesunden 10 Jährigen (69 ms). Wir hatten in
Übereinstimmung mit der ADHD- Literatur zu Aufgaben, die einen kognitiven Konflikt
enthalten (z.B. Jonkman et al., 1999; Bush et al., 1999; Semrud- Clikeman et al.,
2000), erwartet, dass die ADHD Gruppe stärker durch inkongruente Distraktorreize
abgelenkt würde. Die tendenziell höheren Fehlerwerte und tendenziell schnelleren
Reaktionszeiten in der ADHD Gruppe deuten darauf hin, dass diese Gruppe im Sinne
eines Speed- Accuracy-Trade- Offs zugunsten einer schnelleren Reaktionszeit mehr
Fehler machten. Dies wäre in Übereinstimmung mit jenen Autoren, die bei ADHD
Patienten einen impulsiven Arbeitsstil mit schnellen aber ungenauen Antworten
beschreiben (Konrad et al., 2000; Nigg, 2001). In unserer Studie könnte dies ähnlich
wie in Studie 3 beschrieben bedeuten, dass der Konflikt Wert in der ADHD Gruppe
aufgrund höherer Fehler unterschätzt wurde. Andererseits unterschieden sich beide
Gruppen nur im Trend in der Fehlerzahl, so dass diese Hypothese rein spekulativ ist.
65
2.4
Die ADHD Gruppe bestand aus mit MPH medizierten Kindern. MPH wirkt
dopaminagonistisch (Winsberg und Comings, 1999; Roman et al., 2002), und
Dopamin spielt bei der Bearbeitung der Konfliktaufgabe bzw. in den beteiligten
Hirnregionen eine große Rolle (Fan und Posner, in press). Denkbar wäre, dass MPH
bereits zu einer Veränderung oder Beeinflussung der an der Konflikt Aufgabe
beteiligten Hirnregionen geführt hat (Vaidya et al., 2002), auch wenn die Kinder bei
der Placebo Testung mindestens 12 Stunden ohne Medikation waren. In der
Diskussion zu Studie 3 wurde bereits auf einen möglichen Effekt des visuellen
Feedbacks auf richtige Reaktionen eingegangen. Wie in Kapitel 1.5 beschrieben geht
eine Annahme über die Endophänotypen der ADHD davon aus, dass eine
Untergruppe am besten durch Auffälligkeiten im Belohnungssystem bzw. in den
damit assoziierten Hirnarealen beschrieben wird (Castellanos und Tannock, 2002). In
Übereinstimmung hiermit konnte gezeigt werden, dass die Leistungen von ADHD
Kindern im Bereich exekutiver Funktionen durch verhaltenskontingente Belohnung
auf das Niveau von Kontrollkindern angehoben werden konnten (Konrad et al.,
2000). Zum einen könnte das Feedback in der Kinder ANT wie in Studie 3
angenommen zu einer generellen Verringerung des Konfliktwertes geführt haben,
zum anderen ist zu vermuten, dass sich die Belohnung auf ADHD und Gesunde
unterschiedlich ausgewirkt hat.
Der alert-Effekt war in unserer Kontrollgruppe etwas höher und bei den ADHD
Probanden kleiner als in der Entwicklungsstudie aus der Arbeitsgruppe um Rueda
(2004). Während andere beschrieben haben, dass ADHD Patienten v.a. dann
beeinträchtigt sind, wenn einem Zielreiz kein Warnhinweis vorausgeht (Swanson et
al., 1991; Nigg et al., 1997), fanden wir, dass die ADHD Gruppe in der Bedingung
neutraler Zielreiz und centraler Hinweisreiz – die den Effekt des zentralen Cues
unabhängig von etwaigen Interaktionen mit dem Zielreiz am besten abbildet (Fan et
al., 2001) – deutlich schneller reagierte als die Kontrollgruppe (ADHD 707ms,
Kontrollen 787ms, t(26)= 4.5, p< 0.04). Auch hier wäre eine Erklärung, dass die MPH
Medikation das noradrenerge System bereits nachhaltig beeinflusst haben könnte. In
Übereinstimmung mit dieser Hypothese zeigte sich ein deutlicher Medikations- Effekt
auf das Aufmerksamkeitsaktivierungssystem. MPH verringerte die Reaktionslatenz
auf Stimuli nach einem Warnreiz und verstärkte somit den
aufmerksamkeitsaktivierenden Effekt dieser Bedingung. Positive MPH Effekte auf die
Aufmerksamkeitsintensität wurden bereits mehrfach beschrieben (Mostofsky et al.
66
2.4
2001; Douglas, 1999; Denney und Rapport, 2001; Scheres et al., 2003; van der
Meere, 1995; Konrad et al., 2004; Hanisch et al., 2004; Douglas, 1999), wobei sich
diese Studien vornehmlich mit dem Einfluss von MPH auf die
Aufmerksamkeitsaufrechterhaltung beschäftigen. Der von uns gefundene positive
Medikationseffekt auf die Aufmerksamkeitsaktivierung stimmt damit überein, dass
einerseits das Aufmerksamkeitsintensitätsnetzwerk eng mit dem Transmitter
Noradrenalin zusammenhängt (Sturm et al., 2000) und dass andererseits MPH das
noradrenerge System zu beeinflussen scheint (Solanto, 2002; Michelson et al.,
2001).
Entgegen unseren Erwartungen veränderte sich das Ausmaß des Konflikts nicht
unter MPH bzw. wurde im Trend eher größer als kleiner. In Übereinstimmung mit
diesem Befund haben andere Gruppen ebenfalls keine MPH assoziierte
Veränderung der Interferenzkontrolle gefunden (Scheres et al., 2003). Eine weiter
Erklärung wäre, dass durch den Effekt der Belohnung in Übereinstimmung mit
Befunden anderer Arbeitsgruppen (Konrad et al., 2000) die Leistung der ADHD
Kinder in diesem Bereich an die der Kontrollkinder heranreichte und es aufgrund
eines Deckeneffekts nicht zu einer weiteren Verbesserung kommen konnte.
Andererseits könnte eine Verringerung der Impulsivität, wie sie andere durch MPH
beschreiben (Greenhill, 2001), dazu geführt haben, dass die ADHD Gruppe unter
Medikation weniger Fehler machte und somit die Durchgänge, in denen ein starker
kognitiver Konflikt vorhanden war, nicht aufgrund falscher Reaktionen für die
Berechnung des Konfliktwerts heraus fielen. Dieser Argumentation folgend könnte
eine Verringerung der Impulsivität unter MPH dazu geführt haben, dass die Zielreize
eingängiger beachtet oder verarbeitet wurden und so die Inkongruenz der Zielstimuli
einen stärkeren Effekt haben konnte. Wieder müssen diese Hypothesen allerdings
als spekulativ betrachtet werden, da sich weder das Ausmaß des kognitiven Konflikts
unter MPH signifikant vergrößerte noch sich die Fehlerzahl unter MPH deutlich
verringerte.
Zusammenfassend fanden wir in dieser Studie keine Unterschiede zwischen
Kontrollkindern und ADHD Patienten in der Leistung der drei
Aufmerksamkeitsnetzwerke. Wurden allerdings alle relevanten Variablen gleichzeitig
betrachtet, ließ sich eine Zugehörigkeit zur ADHD bzw. Kontrollgruppe mit sehr
großer Wahrscheinlichkeit voraussagen.
67
2.4
MPH verstärkte die aufmerksamkeitsaktivierende Wirkung der Warnreize und hatte
keinen Einfluss auf das Konfliktmaß oder auf die Aufmerksamkeitsverschiebung.
Eine anhand der hier beschriebenen Kritikpunkte modifizierte Version des ANT sollte
in einer nächsten Studie den Einfluss dieser Einwände überprüfen.
68
2.5
2.5 Modifizierte Attention Network Task bei Kindern mit und ohne ADHD
Spezifische Einleitung
In unterschiedlichen Untersuchungsparadigmen weisen ADHD Patienten Defizite im
Bereich der exekutiven Kontrolle, im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung und bei
der Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten Stimulus auf (siehe
Kapitel 1.5). Die von Fan und Mitarbeitern (2001) entwickelte Attention Network Task
(ANT) ist bei gesunden Kindern in der Lage, die drei Aufmerksamkeitskomponenten
einer Aufmerksamkeitsaktivierung, einer räumliche Verschiebung und eines
kognitiven Konflikts abzubilden (Rueda et al., 2004). Wir fanden entgegen unseren
Erwartungen im Gruppenvergleich zwischen ADHD und gesunden Kindern in der
ANT keine Gruppenunterschiede in der Leistung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke
(siehe Studie 2.4).
Ziel der folgenden Studie war, mit Hilfe einer modifizierten Version der ANT erneut
ADHD und Kontrollkinder hinsichtlich der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke zu
vergleichen. Im Folgenden sollen nun die theoretischen Erwägungen, die zu einer
Modifizierung der Aufgabe geführt haben, erneut zusammengefasst werden.
Die ursprüngliche ANT beinhaltete ausschließlich valide räumliche Hinweisreize. Da
somit einem räumlichen Cue immer an derselben Stelle ein Zielreiz folgte, war in
keinem der Durchgänge eine Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem
irrelevanten Hinweisreiz nötig. ADHD Patienten und Kontrollpersonen unterscheiden
sich aber im Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerk v.a. bzgl. dieser Disengage-
oder Reorient- Komponente der Aufmerksamkeitsverschiebung (Epstein et al., 1997;
Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999), so dass die modifizierte Version der ANT
neben validen räumlichen Hinweisreizen in 20 % der Durchgänge invalide
Hinweisstimuli enthalten sollte (Trick und Enns, 1998). Räumliche Cueing
Paradigmen beinhalten die verdeckte oder offene Verschiebung der Aufmerksamkeit
und beziehen sich hierbei meist auf eine horizontale Verschiebung des
Aufmerksamkeitsfokus (Posner, 1980). Die Aufmerksamkeitsverschiebung in der
ursprünglichen ANT erfolgte vom Fixationskreuz aus betrachtet anhand der
Raumvertikalen. Um die modifizierte ANT besser mit Erkenntnissen aus anderen
Cueing Paradigmen vergleichen und die räumliche Aufmerksamkeitskomponente
69
2.5
besser abbilden zu können, wurden die Zielreize in 4° Sehwinkel links und rechts
vom Fixationskreuz dargeboten.
In der Eriksen Flankierungs- Aufgabe hängt das Ausmaß des kognitiven Konflikts von
den Eigenschaften, der Anzahl und der Positionierung der ablenkenden Stimuli im
Vergleich zum Zielreiz ab (Ridderinkhof et al., 1997). Eine Anzahl von vier
Distraktoren führt hierbei zu einem stabilen Effekt (Fan et al., 2001; Fan et al., 2002;
Rueda et al., 2004). Obwohl davon ausgegangen wird, dass sich die neuronalen
Korrelate der offenen und der verdeckten Aufmerksamkeitsverschiebung größtenteils
überschneiden (Corbetta et al., 1998), beinhaltet eine offene
Aufmerksamkeitsverschiebung okulomotorische Aktivität, die sich möglicherweise
zwischen ADHD und Kontrollprobanden unterscheidet (siehe Studie 2.7). Die
Zielreize des ursprünglichen ANT hatten eine Breite von 8.84° Sehwinkel. Wurden
diese in 4°Sehwinkel lateral zum Fixationskreuz dargeboten, war die Aufgabe nicht
ohne Augenbewegung lösbar, so dass die Stimuli in der modifizierten Version des
ANT nicht horizontal sondern vertikal angeordnet wurden. Ähnliche
Flankierungseffekte wurden in unseren Vorversuchen auch bei dieser Anordnung
erzielt. Um konfundierende Effekte von Farbe, Form und Bedeutung zu vermeiden
(Ridderinkhof et al., 1997), wurden anstelle der gelben Fische schwarze Pfeile
gewählt wie sie Fan und Mitarbeiter (2001) in ihrer Erwachsenen Version des ANT
vorschlagen, wobei sich die Größe der Pfeile an der Kinderversion der ANT
orientierte.
Die ursprüngliche ANT beinhaltete bei richtigen Reaktionen eine positive
Rückmeldung. Wie in Kapitel 1.5 erwähnt beschäftigt sich eine Hypothese zur
Ätiologie der ADHD mit Auffälligkeiten im striatalen Dopamin- vermittelten
Belohnungssystem (Castellanos und Tannock, 2002). So wurde nicht nur eine
unterschiedliche Toleranz gegenüber der Verzögerung von Belohnung zwischen
ADHD und gesunden Kindern beschrieben (Sonuga-Barke et al., 1992; Sagvolden et
al., 1998), sondern es konnte auch gezeigt werden, dass ADHD Kinder ihre
Leistungen durch verhaltenskontigente sofortige Belohnung auf das Niveau von
Gesunden steigern können (Konrad et al., 2000). Da Dopamin sowohl bei der
Vermittlung von Belohnungskontingenzen (Schulz et al., 2002) als auch im
exekutiven Aufmerksamkeitssystem (Posner und Petersen, 1990) von
entscheidender Rolle ist, wäre denkbar, dass die Rückmeldung in der ursprünglichen
ANT zu einer Verringerung der Gruppenunterschiede im Konflikt beigetragen haben
70
2.5
könnte. Aus diesem Grund wurde in der modifizierten ANT auf die Rückmeldung
verzichtet.
Material und Methoden
Probanden und Einschlusskriterien:
Es wurden 16 mit ADHD diagnostizierte Jungen mit einem mittleren Alter von 10.1 (±
1.3) Jahren und 16 gleichaltrige gesunde Jungen (mittleres Alter 10.4 ± 1.9, p=
0.621) untersucht. Alle ADHD Jungen wurden über die ambulante Vorstellung in der
Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
des Universitätsklinikums Aachen rekrutiert, und es galten die gleichen Ein- und
Ausschluss- bzw. Diagnosekriterien wie in Studien 1 und 4 bereits beschrieben. Die
Jungen der aktuellen Studie waren alle Methylphenidat (MPH)- naiv. Die
Kontrollgruppe wurde über Aushänge am Universitätsklinikum Aachen und im
Forschungszentrum Jülich rekrutiert, alle Kinder erreichten einen Wert oberhalb von
80 in einem Intelligenzscreeningverfahren (CFT 20) und wiesen keine
kinderpsychiatrischen Auffälligkeiten auf (FBB HKS, Döpfner and Lehmkuhl, 1998; K-
DIPS, Unnewehr et al., 1995). Stichprobencharakteristika werden in Tabelle 2.5.1
dargestellt.
Tabelle 2.5.1 Stichproben Charakteristika für beide Gruppen
Kontrollen ADHD
Alter (Std.)
IQ. Mittelwert (Std.)
FBB Gesamtwert Mittelwert (Std.)
Diagnose: Kombiniert/ Unaufmerksam
10.1 (1.3)
104.2 (10.3)
8.73 (4.52)
0/ 0
10.4 (1.9)
101.1 (12.4)
31.15 (9.68)
10/ 6
Modifizierte Attention Network Task:
Die berichteten Daten sind die Verhaltensdaten einer fMRT Studie, so dass alle
Probanden die Aufgabe bearbeiteten, während sie in einem MR Tomographen lagen.
Da sich die vorliegende Arbeit mit dem Gruppenvergleich zwischen ADHD und
Kontrollkindern in ihren verhaltensmäßigen Leistungen in der modifizierten Version
der ANT beschäftigt, werden die fMRI Daten hier nicht berichtet (Konrad et al.,
eingereicht).
71
2.5
Im Vergleich zu der in Studien 3 und 4 beschriebenen ANT (Fan et al., 2001) wurden
zusammenfassend folgende fünf Modifikationen vorgenommen: (1) Die räumlichen
und doppelten Hinweisreize und die Zielreize wurden in 4° rechts und links vom
Fixationskreuz dargeboten. (2) In 20% der räumlich gecueten Durchgänge wurde ein
invalider räumlicher Hinweisreiz vorgegeben. (3) Die Zielreize wurden vertikal
präsentiert. (4) Als Zielreize wurden schwarze Pfeile gewählt wie sie Fan und
Mitarbeiter (2001) in ihrer Erwachsenen Version der ANT vorschlagen, wobei deren
Größe an die Kinderversion der ANT angepasst wurde. Die Pfeile waren jeder 1.4°
Sehwinkel groß. (5) Da sich durch den Einschluss invalider Durchgänge die
Gesamtzahl der Trials auf 190 erhöhte, wurde auf die neutrale Zielreizbedingung
verzichtet. Abbildung 2.5.1 stellt die Versuchsbedingungen der modifizierten ANT
dar.
+ +
++400- 1600 ms
150 ms Warnreiz
400 ms
1550 msZielreiz
kongruent inkongruent
+
* * + *
* +
+ *
Kein Cue Zentraler Cue Doppelter Cue
Räumlicher Cue
Zielreiz
Warnreiz
Abbildung 2.5.1 Zeitlicher Ablauf der Warn- und Zielreizbedingungen modifizierter ANT
72
2.5
Statistische Analysen:
Tests auf Normalverteilung und Varianzhomogentität ergaben, dass in der ADHD
Gruppe die Prozentzahl der Fehler nicht normalverteilt war. Die Varianzen von allen
abhängigen Variablen waren zwischen den Gruppen homogen. Haupteffekte von
Hinweis- und Zielreiz und Interaktionen zwischen den Untersuchungsbedingungen
und den Gruppen wurden über eine drei- faktorielle Messwiederholungs-
Varianzanalyse überprüft, wobei Hinweis- und Zielreiz zwei Innerhalb- Subjekt
Faktoren darstellten und Gruppe als Zwischen- Subjekt Faktor verwendet wurde. Die
Gruppen wurden anschließend über Zwei Stichproben t-Tests miteinander
verglichen. Für die Prozentzahl der Fehler wurde aufgrund der fehlenden
Normalverteilung ein Mann-Whitney U Test verwendet. Alpha wurde aufgrund der
Anzahl abhängiger Variablen auf 0.01 korrigiert. Anschließend wurde mit Hilfe einer
Diskriminanzanalyse, in die vier abhängige Variablen gleichzeitig eingingen (alert,
reorient und Konflikt Kennwert und Fehleranzahl), eine Gruppenzuordnung
vorgenommen.
Ergebnisse
Eine drei- faktorielle Messwiederholungs- Varianzanalyse ergab signifikante
Haupteffekte für Cue (F(4,27)= 23.5, p< 0.001) und Zielreiz (F(1,30) = 90.13, p<
0.001). Es ergaben sich keine Interaktionen zwischen beiden Bedingungsvariationen
(F(4,27)= 0.80, p= 0.54) und keine Interaktion zwischen Hinweisreiz und Gruppe oder
zwischen Zielreiz und Gruppe (F(4,27) =2.54, p= 0.063; F(1,30) =0.69, p= 0.41).
Wie Tabelle 2.5.2 und Abbildung 2.5.2 zeigen unterschieden sich beide Gruppen in
der Anzahl der Fehler (t(30)= 2.70, p< 0.01) und im Ausmaß des kognitiven Konflikts
(t(30)= 2.84, p < 0.008). ADHD Kinder machten mehr Fehler und waren mehr durch
inkongruente Zielreize abgelenkt. Während sowohl die Reaktionsschnelligkeit
insgesamt (t(30)= 0.84, p = 0.40) als auch der Effekt des zentralen Warnreizes und
somit der alert- Effekt (t(30)= 0.92, p = 0.38) vergleichbar zwischen den Gruppen
waren, zeigte die ADHD Gruppe tendenziell größere Schwierigkeiten, den
Aufmerksamkeitsfokus von einem invaliden räumlichen Hinweisreiz wegzulenken
(t(30)= 2.1, p = 0.08).
73
2.5
Tabelle 2.5.2 RZ, Fehler und RZ Differenzwerte der Aufmerksamkeitsnetzwerke
Kontrollen ADHD t(df) bzw. Z p
RZ (Std.)
Fehler (Std.)
Alert (Std.)
Disengage (Std.)
Konflikt (Std.)
822 (107)
4.5 (2.6)
30 (67)
93 (82)
77 (28)
869 (192)
8.4 (5.3)
55 (85)
139 (79)
111 (39)
t(30)= 0.84
Z= -2.51
t(30)= 0.92
t(30)= 2.1
t(30)= 2.84
p = 0.40
p< 0.01
p = 0.38
p = 0.08
p < 0.008
600
700
800
900
1000
ADHD Kontrollen
RT [m
s]
0
0,1
0,2
0,3
0,4
Fehl
er %
RT Fehler
0
40
80
120
160
200
ADHD Kontrollen
RT
Diff
renz
en [m
s]
Alert Disengage Konflikt
Abbildung 2.5.2 Gruppenmittelwerte und Standardfehler für Reaktionszeiten, Fehler und die Kennwerte der drei Aufmerksamkeits-netzwerke * signifikanter Gruppen-unterschied (αadjustiert < 0.01)
*
74
2.5
Eine Diskriminanzanalyse, in die Prozent Fehler, Konflikt, alertness und reorient
Kennwert eingingen, war in der Lage, 78% der Fälle den Gruppen richtig
zuzuordnen. Es ergaben sich ein Eigenwert von 0.191 und eine kanonische
Korrelation von 0.69. Beide Diskriminanzfunktionsverteilungen unterschieden sich
signifikant (Wilk’s Lambda(4)= 0.523, p< 0.002).
Spezifische Diskussion
Mit Hilfe einer modifizierten Version der ANT konnten Unterschiede zwischen ADHD
Patienten und gesunden Kindern im Hinblick auf die Fehlerzahl und im Bereich der
exekutiven Aufmerksamkeitsleistung nachgewiesen werden. In Übereinstimmung mit
der entsprechenden Literatur zu ADHD (Nigg, 2001, für eine Übersicht), machten die
ADHD Kinder mehr Fehler und ließen sich stärker von inkongruenten Zielreizen
ablenken. Es zeigte sich weiter ein Trend dahingehend, dass es den ADHD
Patienten weniger gut gelang, den Aufmerksamkeitsfokus von einem invaliden
Hinweisreiz loszulösen als den Kontrollkindern, was wiederum in Einklang mit
Vorbefunden steht (Epstein et al., 1997; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999).
Die modifizierte ANT war somit im Gruppenvergleich auf Variablenebene besser in
der Lage, Unterschiede zwischen ADHD und gesunden Kindern aufzudecken.
Wurden allerdings die relevanten Variablen gleichzeitig über eine
Diskriminanzanalyse betrachtet, erwies sich die ursprüngliche ANT als besser
geeignet, um eine Gruppenzugehörigkeit vorauszusagen.
Wie in der Diskussion zu Studie 4 und in der aktuellen Einleitung erläutert, könnten
größere Gruppenunterschiede im Konfliktausmaß in der aktuellen im Vergleich zur
zuvor berichteten Studie darauf zurückzuführen sein, dass zum einen auf das
Feedback verzichtet wurde und dass die Aufgabenschwierigkeit durch die periphere
und vertikale Präsentation der Zielreize und durch die Verwendung von Pfeilen
erhöht wurde. So finden Rueda und Mitarbeiter (2004) für die Erwachsenen Version
der ANT, die kein Feedback liefert und Pfeile verwendet, höhere Konfliktwerte als für
die Kinderversion. Für eine höhere Aufgabenschwierigkeit spricht auch, dass die
Kontrollkinder in der aktuellen Studie (trotz gleichen Alters) mit durchschnittlich 4.5
mehr Fehler machten als in Studie 2.4 (1.4 Fehler bei den Kontrollkindern). Dieser
Unterschied in der Fehlerzahl könnte in der aktuellen Studie ähnlich wie zuvor
argumentiert zu einer Unterschätzung des eigentlichen Konfliktmaßes geführt haben,
75
2.5
so dass die Kontrollkinder in der aktuellen Studie einen ähnlichen Konfliktwert
zeigten wie in Studie 3. In den ADHD Gruppen war über beide Studien hinweg der
entgegen gesetzte Trend zu beobachten: in Studie 2.3 waren die Fehlerzahlen höher
und Konfliktwerte niedriger als in der aktuellen Studie. Möglicherweise haben
Unterschiede zwischen den ADHD Stichproben zusätzlich zur Aufgabenmodifikation
zu den unterschiedlichen Ergebnissen beigetragen: in der aktuellen Studie wurden
ausschließlich Jungen untersucht. In Übereinstimmung mit Untersuchungen zu
geschlechtsspezifischen Auffälligkeiten von ADHD Kindern (Ernst et al., 1994; Gaub
und Carlson, 1997) ist davon auszugehen, dass der Einschluss beider Geschlechter
in Studie 3 zu einer größeren Streuung innerhalb der Gruppe geführt hat. Wie
erwähnt wurden die aktuellen Daten im Rahmen einer fMRI Studie gewonnen, so
dass nicht nur die konkreten Untersuchungsbedingungen andere waren (z.B.
Abstand zum Bildschirm, Unterschiede in der Antwortbox), sondern dies
wahrscheinlich aufgrund des größeren Aufwands der Studie zu einer weiteren
Selektion der Stichprobe geführt hat und die Probanden der aktuellen Studie
möglicherweise wiederum homogener gemacht hat.
Unklar bleibt, warum weder in Studie 3 noch in der aktuellen Studie ein
Gruppenunterschied im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung gefunden wurde.
Dadurch, dass in der Mehrzahl der Durchgänge dem Zielreiz ein Warnreiz
vorausging, beinhaltete sowohl die Original- ANT als auch unsere Modifikation eine
starke „externally- paced“ Komponente. ADHD Patienten scheinen v.a. dann im
Bereich der Aufmerksamkeitsintensität beeinträchtigt, wenn sie selbst das Tempo
angeben können (Swanson et al., 1991; Nigg et al., 1997; van der Meere und
Stermerdink, 1999). Möglicherweise ist durch die hohe Frequenz an Warnsignalen in
der ANT diese intrinsische Aufmerksamkeitsaktivierungskomponente weniger stark
enthalten, so dass durch den permanenten externen Trigger ein relativ stabiles Maß
an Aufmerksamkeitsaktivierung gehalten werden kann.
Zusammenfassend haben unsere Modifikationen der ursprünglichen ANT dazu
geführt, dass sich Gruppenunterschiede zwischen Gesunden und ADHD Kindern
bzgl. der Gesamtzahl an Fehlern und in der Effizienz des Konfliktssystems zeigten.
ADHD Kinder schienen weiter stärker durch einen invaliden räumlichen Hinweisreiz
beeinträchtigt als Kontrollprobanden.
76
2.6
2.6 Altersabhängige Leistungsunterschiede in einem okulomotorischen Fixations-, Pro-, Anti- und Countermanding Sakkaden Paradigma
Spezifische Einleitung
Ziel der folgenden Studie war, anhand der Leistungen von 8- 13 jährigen gesunden
Kindern in einer Fixations-, in einer Pro- und Antisakkaden und in einer
Countermanding Sakkaden Aufgabe die gesunde Entwicklung dieser
Augenbewegungsparameter zu beschreiben und sie in Zusammenhang mit den in
Kapitel 1.3 erläuterten Aufmerksamkeitsmodellen und mit der Entwicklung der
beteiligten neuroanatomischen Strukturen zu bringen. In einer weiteren Studie
(Studie 2.7) sollte dann der gesunde Entwicklungsverlauf mit der okulomotorischen
Kontrolle bei ADHD Patienten verglichen werden.
Zunächst sollen einige Befunde zur Neuronanatomie der Augenbewegungskontrolle
berichtet werden. Anschließend werden Ergebnisse aus okulomotorischen
Entwicklungsstudien beschrieben.
Neuroanatomie der Okulomotorik
Studien zu Einzelzellableitungen bei Primaten (Everling et al., 1998 a,b; Munoz und
Wurtz, 1993a, 1993b, 1995a, 1995b), bildgebende Techniken (Doricchi, 1997,
O’Discoll, 1995, Luna et al., 2001), Studien zu ereigniskorrelierten Potentialen
(Evdokimidis et al., 1996; Klein et al., 2000) und Läsionsstudien an Patienten
(Pierrot-Deseilligny et al., 1995; Rivaud et al., 1994; Pierrot-Deseilligny, 2002) haben
zu einem differenzierten Verständnis der neuronalen Kontrolle von
Augenbewegungen beigetragen. Weiter haben Studien an verschiedenen
Patientenpopulationen wie Schizophrenen oder ADHD Patienten Auffälligkeiten im
Bereich einzelner sakkadischer Parameter gefunden (Clementz et al., 1994; Curtis et
al., 2001; Armstrong und Munoz, 2003). Die Ähnlichkeit okulomotorischer Variablen
zwischen biologischen Verwandten legt somit eine genetische Komponente der
Sakkadenkontrolle nahe (McDoweill und Clementz, 1997; Sreno und Holzman, 1995;
Malone und Iacono, 2002).
77
2.6
S
u
w
(
d
p
e
v
a
O
a
K
Abbildung 2.6.1 Darstellung der an der okulomotorischen Kontrolle beteiligten kortikalenHirnstrukturen (aus Pierrot-Deseilligny et al., 2004) SEF= supplementary eye field, CEF= cingulate eye field, DLPFC= dorsolateral prefrontalcortex, FEF= frontal eye field, SMG= supramarginal gyrus, PCC= posterior cingulated gyrus, SPL= superior parietal lobule, IPA= intraparietal areas, AG= angular gyrus, PEF= posterioreye field, PHC= parahippocampal cortex, HF= hippocampal formation, SC= superiorcolliculus, RF= reticular formations
trukturen des Hirnstammes, des Mittelhirns, des Diencephalons, des Cerebellums
nd des Kortex sind an der sakkadischen Kontrolle beteiligt. Einige dieser Strukturen
erden in Abbildung 2.6.1 mit den ihnen zugeschriebenen Funktionen gezeigt
Pierrot-Deseilligny et al., 2004). In der Formatio Reticularis des Hirnstammes sind
ie sog. Burst-Neurone, die monosynaptisch auf die okulären Motoneurone
rojizieren, und die sog. Omnipauseneuronen zur Sakkadengenerierung von
ntscheidender Bedeutung (Leigh und Kennard, 2003). Die Burstneurone werden
on den Omnipauseneuronen während einer Fixation gehemmt und sind somit
usschließlich während einer Sakkade aktiv (Horn et al., 1994). Die
mnipauseneurone feuern entsprechend nur in Fixationsintervallen und stellen somit
uf Hirnstammebene einen Schalter zur Sakkadengenerierung dar (Leigh und
ennard, 2003).
78
2.6
Auf Mittelhirnebene ist der Colliculus Superior eine wichtige sensomotorische
Schaltstelle und ist bei der Sakkadengenerierung vorrangig für schnelle, reflexartige
Augenbewegungen verantwortlich (Trappenberg et al., 2001). Der Colliculus Superior
wird außerdem im Zusammenhang mit reflexiver okulumotorischer Inhibition
diskutiert (Armstrong und Munoz, 2003). Putamen, Nucleus Caudatus und Thalamus
sind als Strukturen der Basalganglien für die Planung und Ausführung intentionaler
oder gelernter Sakkaden und bei komplexem okulomotorischen Verhalten wichtig
(LaBerge et al., 1990; Petit et al., 1993; Hikosaka et al., 1989; Hikosaka und Wurtz,
1985). Die kortikalen Projektionsgebiete dieser Strukturen erlauben weitere
Rückschlüsse auf deren Funktion: der Nucleus Caudatus wurde aufgrund seiner
Projektionen zu dorsolateralen präfrontalen Arealen für die kognitive
Sakkadenkontrolle verantwortlich gemacht (Hikosaka und Wurtz, 1985), während das
Putamen mit seinen Verbindungen zu v.a. motorischen Areale möglicherweise mehr
motorischen Funktionen zuzuordnen ist (Hikosaka und Wurtz, 1985; O’Driscoll et al.,
1995).
Im Cerebellum spielen der dorsale Wurm und der caudale Teil des Nucleus Fastigial
eine entscheidende Rolle für die Sakkadengenauigkeit (Robinson und Fuchs, 2001).
Intakte Strukturen in diesem Bereich führen zur charakteristischen Hypometrie einer
Sakkade, Störungen äußern sich in einem Hinausschießen über den Zielreiz (Leigh
und Zee, 1999).
Kortikale Areale, die an der Skkadenkontrolle beteiligt sind, sind u.a. das frontale
Augenfeld (FEF), das supplementäre Augenfeld (SEF, mediale Area 6), der
dorsolaterale präfrontale Kortex, das anteriore Cingulum und das im posterioren
Parietallappen gelegene posteriore Augenfeld (PEF). Das FEF scheint über
Verbindungen zur Sustantia Nigra Pars Reticulata und den Colliculus Superior
langsame, nicht-visuell gesteuerte, willkürliche Sakkaden zu generieren (Fox et al.,
1984; Bruce und Goldberg, 1985; Petit et al., 1993). Sowohl im FEF als auch im SEF
wurden Neurone gefunden, die v.a. bei Fixationen aktiv sind und so mit der
Blickkontrolle in Verbindung gebracht wurden (Balan und Ferrera, 2003; Paus et al.,
1991). Zusätzlich ist das SEF mit gelerntem motorischen Verhalten (Diber et al.,
1991), mit zeitabhängiger Sakkadenkontrolle (Petit et al., 1996; Schlag et al., 1987;
Gaymard et al., 1990) und mit der Erinnerung und Initiation von Sakkadensequenzen
beschäftigt (Gaymard et al., 1990; Petit et al., 1996). Dorsolaterale präfrontale
Gebiete wurden u.a. hinsichtlich einer Arbeitsgedächtniskomponente diskutiert
79
2.6
(Gaymard et al., 1998; Petit et al., 1993; Carpenter et al., 1988; Leigh und Zhee
1999; Funahashi et al., 1990, 1993; Paus, 1991, Anderson et al., 1994). Das
anteriore Cingulum scheint bei der Augenbewegungskontrolle zusammen mit dem
cingulären Augenfeld im vorderen Cingulum an der Antwortauswahl beteiligt (Paus et
al., 1993; Devinsky et al., 1995) und für eine erfolgreiche okulomotorische Inhibition
entscheidend zu sein (Paus, 1991).
Der superiore Parietallappen ist an der Generierung visuell geleiteter reflexiver
Sakkaden beteiligt (Pierrot-Desseilligny et al., 1991; Bisley und Goldberg, 2003).
Entwicklung einiger Augenbewegungsparameter:
In den folgenden Studien werden eine Fixations-, eine Pro- und eine Antisakkaden
und eine Countermanding Sakkaden Aufgabe verwendet. Im Folgenden soll auf
altersbedingte Veränderungen in den hierfür relevanten Blickbewegungsparametern
eingegangen werden.
Acht- bis Neunjährige zeigen im Vergleich zu Zehnjährigen in einem
Fixationsparadigma ein erhöhtes Maß an reflexiven Prosakkaden (Paus et al., 1990;
Paus, 1989), so dass die Autoren davon ausgehen, dass sich die Fixationskontrolle
bis ins späte Grundschulalter weiter entwickelt.
Unabhängig vom Effektor und von den spezifischen Aufgabenanforderungen
verringert sich die Reaktionslatenz bis ins frühe Erwachsenenalter (z.B. Band und
van der Molen, 2000; Ridderinkhof et al., 1997; Hale et al., 1990). Entsprechend
haben Prosakkadenaufgaben eine altersabhängig lineare Abnahme der
sakkadischen Reaktionszeit belegen können (Fischer et al., 1997; Klein und
Foerster, 2001). Die intraindividuelle Varianz der sakkadischen Reaktionslatenz
scheint hingegen nicht linear mit dem Alter zusammenzuhängen, sie nimmt bis in die
frühe Adoleszenz drastisch ab und verändert sich dann nur noch wenig (Klein, 2001;
(Fischer et al., 1997). Die altersabhängige Zunahme aller Reaktionszeitparameter
wurde mit einer effizienteren Informationsverarbeitung mit zunehmendem Alter in
Verbindung gebracht (Kail, 1993) und wird daher als eher unabhängig von
bestimmten neuroanatomischen Strukturen angesehen. Die Varianz
okulomotorischer Reaktionszeiten hingegen wurde bei Primaten mit Variationen im
Aktivitätsgrad von Neuronen im FEF erklärt (Hanes und Paré, 1996; Trappenberg et
al., 2001) und legt somit die Relevanz des FEF bei der Abnahme der
intraindividuellen Standardabweichung sakkadischer Reaktionszeiten nahe.
80
2.6
Pro- und Antisakkadenaufgaben werden gewöhnlich mit Gap- bzw. Overlap
Bedingungen dargeboten. In der Gap- Bedingung verschwindet der zentrale
Fixationspunkt ca. 200 ms, bevor ein peripherer Zielreiz dargeboten wird und führt zu
einer Reduzierung der Reaktionslatenz auf den peripheren Zielreiz (Gap-Effekt,
Walker et al., 1995; Kingstone und Klein, 1993). Bleibt der Fixationspunkt über das
Erscheinen des Zielreizes hinweg bestehen (Overlap-Bedingung), verlängert sich die
Sakkadenlatenz um ca. 100 ms gegenüber der Gap- Bedingung. Der Gap-Effekt
scheint aus zwei Komponenten zu bestehen: zum einen stellt das Verschwinden des
Fixationspunktes ein aufmerksamkeitsaktivierendes Warnsignal dar, zum anderen ist
die Reduzierung der Reaktionszeit durch einen spezifischen Effekt des visuellen
Offsets zu erklären (Forbes und Klein, 1996; Reuter-Lorenz et al, 1991, 1995). Die
erste Konponente lässt sich im Sinne der in Kapitel 1.3 beschriebenen
Aufmerksamkeitsmodelle als Funktion des Aufmerksamkeitsaktivierungssystems
beschreiben (Tam und Stelmach, 1993). Die zweite Komponente des Gap- Effekts
wird als Fixationsoffset oder als Fixations-Release bezeichnet und spiegelt einen
Abfall an Aktivität in den an der Sakakdenkontrolle beteiligten Neuronen des
Colliculus Superior wider (Dorris und Munoz, 1995). Die Reaktionszeitverlängerung
in der Overlap- Bedingung kann als Korrelat der Aufmerksamkeitsloslösung
(Disengage; siehe Kapitel 1.3) betrachtet werden (Tam und Stelmach, 1993; Fischer
und Weber, 1993; Paré und Munoz, 1996; Dorris et al., 1997).
Der okulomotorische Gap Effekt scheint bei Grundschulkindern größer als bei
Erwachsenen (Cohen und Ross, 1978; Klein, 2001; Munoz et al., 1998; Fukushima
et al., 2000), und mit zunehmendem Alter treffen Sakkaden ihr Ziel präziser (Klein,
2001).
In der Antisakkaden Aufgabe folgt einem zentralen Fixationspunkt ein peripher
dargebotener Zielreiz. Der Proband soll eine Sakkade in die dem Zielreiz entgegen
gesetzte Richtung ausführen (Everling et al., 1998). Diese Aufgabe erfordert somit
zunächst die Inhibition der reflexiven Sakkade, dann das Loslösen (Disengage) des
Aufmerksamkeitsfokus vom Zielreiz und schließlich eine räumliche
Arbeitsgedächtniskomponente, um eine Sakkade zum Zielpunkt in der
Gegenrichtung ausführen zu können (Sweeney et al., 2000). Die Leistung in der
Antisakkadenaufgabe hängt stärker mit dem Alter der Probanden zusammen als die
Performanz in der Prosakkadenaufgabe (Klein, 2001; Fischer et al., 1997).
Richtungsfehler und Fehlerkorrekturlatenzen scheinen im Alter von 9- 15 Jahren
81
2.6
drastisch und bis zum Alter von 25 Jahren weiter aber weniger stark abzunehmen
(Fischer et al., 1997; Klein und Foerster, 2001). Eine ähnliche
Leistungsverbesserung wurde für Probanden zwischen dem frühen Schulalter und
dem frühen Erwachsenenalter beschrieben (Fischer et al., 1997; Fukushima et al.,
2000; Klein und Foerster, 2001; Klein, 2001; Munoz et al, 1998). Im späteren
Erwachsenenalter folgt eine Leistungsverschlechterung (Olincy et al., 1997).
Die Countermanding Sakkaden Aufgabe stellt ein weiteres Paradigma zur Messung
der okulomotorischen Inhibitionsleistung dar. Hier folgt in der Mehrzahl der
Durchgänge dem peripher dargebotenen Zielreiz eine Sakkade. In ca. einem Drittel
der Durchgänge wird mit einem variablen Intervall nach Erscheinen des Zielreizes ein
Stopsignal präsentiert, woraufhin der Proband keine Sakkade ausführen soll.
Abbildung 2.6.2 Darstellung des „Horse-Race“ zwischen GO- und STOP- Prozess in derCountermanding Sakkaden Aufgabe (aus Logan und Schachar, 1984)
Der Erfolg der Sakkadeninhibition hängt von der Art des Stop Signals und von der
Dauer des Intervalls zwischen Erscheinen des Zielreizes und Stopsignals (Stop-
Signal Delay) ab (Hallett et al., 1978; Munoz et al., 2003). Der Wettkamp zwischen
Sakkadenausführung und Sakkadeninhibition wurde als „Horse-Race“ zwischen zwei
unabhängigen Prozessen (Logan und Cowan, 1984), dem Go- und dem Stop-
Prozess, bezeichnet. Wie in Abbildung 2.6.2 dargestellt beeinflussen weitere
Faktoren das Ergebnis des „Horse-Race“: die mittlere Reaktionszeit in den
Durchgängen ohne Stopsignal, die mittlere Reaktionszeit auf das Stop-Signal, die
82
2.6
Varianz der Reaktionszeit in Durchgängen ohne Stopsignal (Logan et al., 1984, S.
277). Eine schlechte Inhibitionsleistung kann also entweder durch eine schnelle
Reaktion auf das Go-Signal oder durch eine langsame Reaktion auf das Stop-Signal
oder durch eine hohe Varianz in der Go- Reaktionszeit verursacht sein (Logan, 1982,
1983; Cowan und Davis, 1984, Osman et al., 1986).
Die Leistung in dieser Aufgabe verschlechtert sich nach Erreichen des frühen
Erwachsenenalters mit zunehmendem Alter (Kramer et al., 1994; Williams et al.,
1999). Bisher wurden keine Entwicklungsverläufe für Kindheit oder Jugend mit dieser
Aufgabe untersucht. In Studien zur handmotorischen Entsprechung der
Countermanding Aufgabe wird berichtet, dass es im Vor- und Grundschulalter
(Carver et al., 2001) und über die gesamte Lebensspanne zu deutlichen
Veränderungen kommt (Williams et al., 1999).
Zusammenfassend scheint sich die Leistung des Augenbewegungssystems während
Kindheit und Jugend stetig zu verbessern. Es bleibt allerdings unklar, ob
verschiedene Aspekte der okulomotorischen Kontrolle wie z.B. verschiedene
Inhibitionsaspekte wie sie die Fixations-, die Antisakkaden oder Countermanding
Sakkaden Aufgabe messen oder einfache Blickbewegungsparameter wie
Reaktionslatenz oder –genauigkeit unterschiedliche Entwicklungsverläufe zeigen.
Entsprechend der in Kapitel 1.4 beschriebenen Befunde zur Entwicklung der drei
Aufmerksamkeitsnetzwerke erwarten wir, dass sich die inhibitorischen Leistungen
und die der Aufmerksamkeitsloslösung später entwickeln als Parameter der
einfachen sakkadischen Antwortgenerierung (Smothergill und Kraut, 1989; Brodeur
und Enns, 1997; Ruff und Rothbart, 1996, für eine Übersicht). Weiter gehen wir
davon aus, dass die Inhibitionsaspekte am spätesten vorhanden sind, die eine starke
willentliche oder kognitive Inhibitionskomponente enthalten.
Material und Methoden
Probanden und Einschlusskriterien:
34 Kinder im Alter von 8-13 Jahren wurden untersucht. Die Gruppe der 8-10 Jährigen
bestand aus 18 Kindern mit einem mittleren Alter von 9.8 (Std. 0.71, 6 Mädchen), die
Gruppe der 11-13 Jährigen war im Mittel 12.3 (Std. 0.66, 10 Mädchen) Jahre alt.
Zusätzlich wurden 14 Erwachsene (mittleres Alter 25.6 Jahre, Std. 2.2, 7 Frauen)
83
2.6
untersucht. Mit allen Eltern wurde ein semistrukturiertes klinisches Interview (K-DIPS,
Unnewehr et al., 1995) durchgeführt, um das Vorliegen einer
Aufmerksamkeitsstörung auszuschließen. Zusätzlich wurde mit den Kindern ein
Intelligenzsceening mit Hilfe der deutschen Adaptation des „Culture Fair Intelligence
Test- Scale 2 (CFT- 20, Cattell, 1960) durchgeführt, um ein durchschnittliches
intellektuelles Leistungsniveau zu gewährleisten. Die Erwachsenengruppe bestand
aus Studierenden der RWTH Aachen. Keiner der untersuchten Erwachsenen hatte
Aufmerksamkeitsprobleme oder andere neuropsychiatrische Auffälligkeiten in der
Vorgeschichte. Alle Eltern und Kinder und erwachsene Probanden gaben ihr
schriftliches Einverständnis; die Studie war durch die Ethik- Komission des
Universitätsklinikums Aachen genehmigt.
Okulomotorische Aufgaben:
Tracker Host PCTracker Host PC Abbildung 2.6.3
Wie in Abbildung 2.6.3
dargestellt saßen die
Probanden auf einem
höhenverstellbaren Stuhl, 53
cm vom Präsentationsmonitor
entfernt. Während der
Aufgabendurchführung ruhte
das Kinn auf einer höhenverstellbaren Kinnstütze. Die Messung der
Augenbewegungen erfolgte mittels des Eye Link System der SR Research Ltd,
Canada, und der SensoMotoric Instruments GmbH, Teltow, Deutschland. Die
Aufnahmefrequenz lag bei 250 Hz (4 ms Zeitauflösung). Die zeitliche Verzögerung
der Bildverarbeitung ist relativ gering (ca. 6-12 ms). Die Position der Pupillen und der
Lichtquellen werden in Echtzeit verarbeitet, um die Blickposition mit extrem geringen
Störungen und hoher Auflösung (<0.01°) berechnen zu können. Die relative
Auflösung der Blick- und Augenposition beträgt 0,005°. Die Auflösung der Pupille
liegt bei 0.1%, so dass Bewegungen der Pupille ab 0,01 mm zuverlässig erkannt
werden. Das Kopfteil des Eyelink2 Gerätes wurde an die Kopfgröße der
53 cm DisplayComputer
Chin Rest
Eyelink2Head-band
53 cm DisplayComputer
Chin Rest
Eyelink2Head-band
Darstellung des Versuchs-aufbaus, Kinnstütze und Stuhlhöhe wurden an die Größe des Probanden angepasst
84
2.6
Versuchsperson angepasst und war so bequem zu tragen. Um Ermüdungseffekten
dennoch vorzubeugen, wurde das Kopfteil nach Beendigung der jeweiligen Aufgabe
kurz abgesetzt. Jede Aufgabe begann mit einer Kalibrierung, nach jeweils 30
Durchgängen folgte eine weitere Kalibrierung. Die Datengewinnung und –reduktion
erfolgte mit Hilfe des zum EyeLink-Systems gehörenden Onlinesakkadenparsers.
Schwellenwerte für das Erkennen einer Sakkade waren 30°/sek
Sakkadengeschwindigkeit, 8000°/sec2 Sakkadenbeschleunigung und 0.15°
Minimalamplitude.
Fixationsaufgabe:
Die Fixationsaufgabe bestand aus 10 Fixationsintervallen von je 30 sec Dauer.
Während des Fixationsintervalls sollte die Versuchsperson einen zentralen Punkt
fixieren. Anschließend sollte eine Sakkade zu einem bei 8° randomisiert links bzw.
rechts dargebotenen Zielreiz erfolgen. Als abhängige Variablen wurden hier die
Anzahl der im
jeweiligen Fixations-
interval aus-
geführten Sakkaden
und die Größe
dieser Sakkaden
analysiert. Jede
Bewegung größer
0.5° wurde als
Sakkade definiert.
Abbildung 2.6.4 Darstellung desVersuchsablaufs für die Fixations-,Pro- und Anti-sakkaden Aufgabeund für dieCountermanding Sakkaden Aufgabe
85
2.6
Prosakkaden Aufgabe:
Die Prosakkadenufgabe bestand aus 120 Durchgängen, mit jeweils der Hälfte in der
Gap- bzw. in der Overlap- Bedingung. Entsprechend der gängigen Literatur waren in
den Overlap- Trials Fixationspunkt und Zielreiz für 200 ms gleichzeitig vorhanden,
während der Fixationspunkt in den Gap- Trials mit Erscheinen des Zielreizes
verschwand. Der Zielreiz wurde pseudorandomisiert mit einer Exzentrizität von 8°
links oder recht dargeboten. Abhängige Variablen waren die Latenz der
Primärsakkade, deren Standardabweichung, die Größe der Primärsakkade (=
Genauigkeit der ausgeführten Bewegung) und die Differenz in Sakkadenlatenz
zwischen Overlap- und Gap- Bedingung.
Countermanding Aufgabe:
Die Countermanding Aufgabe bestand aus 180 Trials, von denen 120 als Go-Trials
und 60 als Stop-Trials konzipiert waren und pseudorandomisiert dargeboten wurden.
Ein Fixationspunkt wurde mit einer variablen Dauer von 1000-1500 ms präsentiert.
Anschließend erschien bei 8° links oder rechts der Zielreiz (Go-Trials), und es sollte
eine Sakkade ausgeführt werden. In Stop-Trials folgte dem Erscheinen des Zielreizes
mit einem Intervall von 75ms, 125ms oder 175 ms ein zentral dargebotenes Stop
Signal, woraufhin keine Sakkade in Richtung Zielreiz ausgeführt werden sollte. Als
Sakkade wurden entsprechend der okulomotorischen Entwicklungsliteratur
Augenbewegungen definiert, die größer als 0,5° und kleiner als 12° waren und mit
einer Latenz von 60 bis 800 ms begonnen wurden (Klein, 2001; Katsanis et al., 1998;
Evdokimidis et al., 2002; Cabel et al., 2000; Munoz et al., 1998).
Abhängige Variablen waren die Sakkadenlatenz und deren Varianz in Go-Trials, die
Prozentzahl der korrekt inhibitierten Sakkaden und die Zeit, die zum Stoppen einer
Sakkade benötigt wurde (Stop Signal Reaktionszeit). Die Stop Signal Reaktionszeit
(SSRZ) wird für die Probanden berechnet, die in mindestens 10% und höchstens
90% der Stop Trials einfolgreich inhibierten. Per Instruktion sollen die Probanden in
möglichst wenigen Stop Durchgängen eine Sakkade ausführen, so dass sie Stop
Signal Reaktionszeit nicht direkt messbar ist und aufgrund der am Stop- Prozess
beteiligten Größen (siehe Abbildung 2.6.2) geschätzt werden muss (Logan und
Schachar, 1984). Zunächst wird eine Rangfolge aller Go- Reaktionszeiten gebildet.
Das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit, bei dem jeweiligen Stop-Signal-Delay trotz
Stop- Signal eine Reaktion auszuführen (= Prozent Fehler), und der Anzahl gültiger
86
2.6
Go- Durchgänge, ergibt die Größe m (m= P(Reaktion/ Signal)n), anhand der die m-te
Reaktionszeit aus der Rangverteilung der Reaktionszeiten ausgewählt wird. Im
letzten Schritt wird die Größe des Stop Signal Delays von der mten Reaktionszeit
abgezogen. Der Mittelwert aus den so für jedes Stop- Signal Intervall ermittelten Stop
Signal- Reaktionszeiten ergibt die Gesamt SSRZ. Da sich die Reaktionszeit und v.a.
die intraindividuelle Standardabweichung der SRZ in den Go- Durchgängen mit
zunehmendem Alter deutlich verringert (Klein und Foerster, 2001), ist für eine
Vergleichbarkeit zwischen den Altersgruppen eine Korrektur der SSRZ um die Go-
Reaktionszeit und deren intraindividueller Standardabweichung sinnvoll (Logan und
Cowan, 1984; Tannock et al., 1995). Diese korrigierte Größe wird ZSSRZ genannt
und hat einen Mittelwert von 0 und eine Standardabweichung von 1.5 und berechnet
sich folgendermaßen: ZSSRZ = (MSRZ- SSD-SSRZ)/ SdSRZ, wobei MSRZ die
mittlere individuelle Reaktionszeit in GO-Durchgängen und SdSRZ deren
intraindividuelle Standardabweichung darstellen. SSD ist die Länge des jeweiligen
Stop Signal Intervalls, und SSRZ die Stop Signal Reaktionszeit. ZSSRZ wird für
jedes Stop Signal Intervall getrennt ermittelt, und anschließend wird der individuelle
Mittelwert berechnet (Logan und Cowan, 1984).
Antisakkaden Aufgabe:
Die Antisakkaden Aufgabe bestand aus 120 Durchgängen mit der gleichen
Präsentationsprozedur wie in der Prosakkadenaufgabe. Die Probanden hatten hier
allerdings die Aufgabe, eine reflexive Augenbewegung zum Zielreiz zu unterdrücken
und anstelle dessen so schnell wie möglich eine Sakkade in die Gegenrichtung
auszuführen. Hierbei galt es, den imaginär zur gegenüberliegenden Seite
gespiegelten Zielreiz möglichst genau zu treffen. Als abhängige Variable wurde die
Anzahl der Fehler betrachtet.
Statistische Analysen:
Die Anzahl der Sakkaden während eines Fixationsintervalls in der Fixationsaufgabe
wurde mit Hilfe des Kruskal-Wallis Tests zwischen den Gruppen verglichen.
Vergleiche innerhalb einer Person, z.B. hinsichtlich der Sakkadenfrequenz im ersten
und letzten Fixationsintervall, wurden über den Wilcoxon Vorzeichen- Rangtest
angestellt. Da ein Test auf Normalverteilung für die Größe der Sakkaden in der
Fixationsaufgabe eine Normalverteilung der Daten nicht stützte, wurden hier zum
Gruppenvergleich Kruskal-Wallis-Tests bzw. zum Posthoc Vergleich zweier Gruppen
87
2.6
der Mann-Whitney U-Test verwendet. Alle anderen Variablen waren normalverteilt
und zwischen den Gruppen varianzhomogen und wurden über einfaktorielle
Varianzanalysen mit der Altersgruppe als Zwischensubjektfaktor miteinander
vergleichen. Für posthoc Analysen wurde der Bonferroni Test verwendet.
Ergebnisse
Fixationsaufgabe:
Gruppenmittelwerte für Sakkadenfrequenz und –amplitude über alle zehn
Fixationsintervalle ergaben Unterschiede zwischen der jüngeren Kindergruppe und
der Erwachsenengruppe sowohl für die Anzahl an Sakkaden (Chi-Quadrat(2)= 9.69,
p< 0.008) als auch für deren Größe (Chi-Quadrat(2)= 14.37, p <0.001). Die Kinder
machten entgegen der Instruktion mehr und größere Sakkaden während der
Fixationsintervalle. Abbildung 2.6.3 zeigt, dass sich die Leistung beider
Kindergruppen über die Fixationsintervalle hinweg unterschieden: während die
älteren Kinder im ersten Fixationsintervall kleinere Sakkaden machten als die
Jüngeren (Mann-Whitney-U Z= -2.62, p< 0.008), unterschieden sich beide Gruppen
nicht im zehnten Fixationsintervall (Mann-Whitney-U Z =-0.62, p = 0.54). Die Leistung
der Erwachsenen war sowohl im ersten als auch im letzten Fixationsintervall besser
als die der jüngeren Kinder, unterschied sich aber nicht bedeutsam von der der
älteren Kinder. Abbildung und Gruppenvergleiche verdeutlichen somit, dass die
älteren Kinder zunächst eine mit den Erwachsenen vergleichbare Leistung zeigte, die
sich dann aber im Verlauf der Aufgabe immer mehr der Leistung der jüngeren Kinder
anglich. Diese Leistungsverschlechterung wurde durch die Differenz in der
Sakkadenfrequenz zwischen erstem und letztem Fixationsintervall noch deutlicher:
Während die ältere Gruppe im Vergleich zum ersten Intervall im letzten deutlich mehr
Sakkaden machte (Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtest Z= -2,73, p<0.006), zeigte sich
dieser Trend nicht bei den Kleineren (Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtest Z= -1,40,
p=0.163).
Tabelle 2.7.1. Sakkadenzahl und –amplitude im Gruppenvergleich
10 Jahre 13 Jahre Erwachsene Chi²(2) p
Sakkadenzahl (Std)
während Fixationsintervall
11.9 (6.1)
12.9 (9.7)
5.8 (5.9)
9,69
p <0.008
88
2.6
Sakkadenamplitude (Std.)
während Fixationsintervall
2.0 (1.5) 1.4 (1.1) 0.7 (0.3) 14.37 p <0.001
0
1
2
3
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Fixationsintervall
Sak
kade
nam
plitu
de in
°
8-10 Jahre 11-13 Jahre Erwachsene
Abbildung 2.6.5 Gruppenmittelwerte fürSakkadenanzahl undSakkadenamplitude überdie zehn Fixations-intervalle
2
6
10
14
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Fixationsintervall
Sacc
aden
freq
uenz
8-10 Jahre 11-13 Jahre Erwachsene
Pro-/ Antisakkenaufgabe:
Die mittlere sakkadische Reaktionszeit (SRZ) war in Gap-Trials schneller als in
Overlap- Trials (t(44)= -18.08, p< 0.001). Es wurde ein signifikanter Alterseffekt für
SRZ gefunden (F(2,42)= 4.61, p< 0.02), wobei die Posthoc-Analyse zeigte, dass die
jüngeren Kinder langsamer reagierten als die Erwachsenen und sich die ältere
Kindergruppe weder von den Jüngeren noch von den Erwachsenen unterschied. Der
Gap Effekt (SRZoverlap- SRZgap) war bei den jüngeren Kindern signifikant größer als
bei den Erwachsenen (F(2,42)= 4.03, p< 0.03). Es ergaben sich erneute keine
89
2.6
Gruppenunterschiede zwischen den Kindergruppen und zwischen den Älteren und
den Erwachsenen. Abbildung 2.6.4 legt nah, dass die altersabhängige Zunahme der
Gesamtreaktionsschnelligkeit durch Gruppenunterschiede v.a. in SRZoverlap erklärt
wird. Statistisch zeigte sich allerdings sowohl für SRZgap (t(43)= 2.28, p< 0.03), als
auch für SRZoverlap ein deutlicher Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen
(t(43)= 3.23, p< 0.002).
Abbildung 2.6.4 Verteilung der SRZ aufgeteilt nach Gruppen und Gap-/ Overlap- Trials
0 250 500 7500%
10%
20%
30%
Pnt
roze
1,00 2,00
0 250 500 750
11-13 Jahre
0 250 500 7500%
10%
20%
30%
Proz
ent
90
1,00 2,00
0 250 500 750
Erwachsene
Latenz Gap Latenz Overlap 1,00 2,00
8-10 Jahre
0 250 500 7500%
10%
20%
30%
Proz
ent
0 250 500 750
2.6
Die Erwachsenen reagierten genauer als die jüngeren (t(30)= -4.15, p< 0.001), nicht
aber als die älteren Kinder (t(25)= -2.0, p= 0.06). Beide Kindergruppen unterschieden
sich nicht (t(29)= 1.87, p= 0.07). Die Gruppenmittelwerte der intraindividuellen
Standardabweichung der SRZ waren zwischen den Gruppen unterschiedlich
(F(2,42)= 11.81, p<0.001) und ähnlich sich für jüngere und ältere Kinder (t(29)= -
1.78, p =0.09). Entsprechend unterschied sich die intraindividuelle
Standardabweichung der sakkdischen Genauigkeit: Die Gruppen unterschieden sich
insgesamt, beide Kindergruppen reagierten ähnlich und waren in ihrer Genauigkeit
variabler als die Erwachsenen (F(2,42)= 13.46, p<0.001, t(29)= -0.54, p =0.59, t(43)=
5.20, p< 0.001). Zusammenfassend waren SRZ, sakkadische Genauigkeit und der
Gap- Effekt ähnlich zwischen Erwachsenen und der älteren Kindergruppe, die
intraindividuellen Standardabweichung der SRZ und der Genauigkeit veränderte sich
auch nach einem Alter von 13 Jahren noch deutlich.
In der Antisakkaden Aufgabe machten beide Kindergruppen mehr Richtungsfehler
als die Erwachsenengruppe (t(40)= 4.19, p< 0.001), während sich die Kinder
untereinander nicht unterschieden (t(25)= -0.06, p= 0.95).
Abbildung 2.6.5
10
20
30
40
50
8- 10 Jahre 11-13 Jahre Erwachsene
% F
ehle
r
Gruppenmittelwerte und Standardfehler der drei Altersgruppen für die Fehlerprozent in der Antisakkadenaufgabe
91
2.6
Tabelle 2.6.2 Variablen der Pro- und Antisakkaden Aufgabe im Gruppenvergleich, dargestellt sind jeweils die Ergebnisse der Varianzanalysen
10 Jahre 13 Jahre Erwach
sene
F
(2,42)
p
Prosakkaden SRZ (Std.)
Prosakkaden SRZ gap
(Std.)
Prosakkaden SRZ overlap
(Std.)
Prosakkaden Amplitude
(Std.)
Prosakkaden Gap Effekt
Prosakkaden
intraindividuelle
Standardabweichung SRZ
(Std)
Prosakkaden
intraindividuelle
Standardabweichung
Amplitude
Antisakkaden Fehler
177 (28)
141 (24)
213 (36)
7.1 (0.6)
72 (24)
68 (23)
1.2 (0.3)
45 (19)
171 (34)
137 (26)
205 (44)
7.5 (0.5)
68 (24)
55 (16)
1.2 (0.2)
44 (22)
148 (21)
123 (20)
173 (25)
7.9 (0.4)
50 (17)
37 (10)
0.7 (0.3)
19 (12)
4.61
2.69
5.31
9.29
4.03
11.81
13.46
8.56
p<0.02
p=0.08
p<0.021
p<0.001
p<0.03
p<0.001
p<0.001
p<0.01
92
2.6
Countermanding Sakkaden Aufgabe:
Alle Probanden inhibierten mehr Sakkaden erfolgreich im 75 ms als im 125 ms
(t(42)= 7.53, p< 0.001) oder 175 ms Stop Signal Intervall (SSDelay; t(42)= 9.56, p<
0.001). Die Kinder inhibierten mehr Sakkaden als die Erwachsenen (t(42)= 3.65, p<
0.001).
p
i
u
f
Z
0
0
ä
p
T
C
W
C
Z
Abbildung 2.6.6 Zusammenhang zwischen SRZ
380
Percent inhibition
,9,7,5,3,1
SR
T on
go
trial
s
280
180
Group
Adult
13 Years
10 Years
Da die Wahrscheinlichkeit, eine
Sakkade erfolgreich zu stoppen,
signifikant mit der SRZ in GO Trials
zusammenhing (r= .68, p<0.001,
siehe Abbildung 2.6.6), und
Erwachsene deutlich schneller
reagierten als Kinder (t(42)= 2.32,
< 0.03), wurde ZSSRZ berechnet als um die Sakkadenlatenz und deren
ntraindividuellen Standardabweichung korrigiertes Maß für die Zeit, die benötigt wird,
m auf ein Stop Signal zu reagieren (siehe Methodenteil Studie 2.6). ZSSRZ wurde
ür die Probanden berechnet, deren Inhibitionsleistung zwischen 10% und 90% lag.
SSRZ war für die Erwachsenen deutlich kleiner als für die Kinder (ZSSRZErwachsene
.03 ± 0.42, ZSSRZ10Jährige 0.29 ± 0.59, ZSSRZ13Jährige 0.41 ± 0.21, t(42)= 2.56, p<
.014). Die Kindergruppen unterschieden sich nicht (t(27)= -0.67, p= 0.51), und die
ltere Kindergruppe zeigte größere ZSSRZ Werte als die Erwachsenen (t(26)= -2.24,
< 0.03).
abelle 2.6.3. Variablen der Countermanding Sakkaden Aufgabe 10 Jahre 13 Jahre Erwachsene
ountermanding
ahrscheinlichkeit (p)
ountermanding
SSRZ
0.58 (0.16)
0.29 (0.59)
0.57 (0.10)
0.41 (0.21)
0.39 (0.19)
0.03 (0.42)
F2,40
6.63
F1,39
14.63
p<0.04
p<0.001
in Go Durchgängen und Prozenterfolgreich inhibierter Sakkadenin Stop Durchgängen aufgeteiltnach Gruppen
93
2.6
Spezifische Diskussion
Es zeigten sich Unterschiede zwischen den 8-10 Jährigen und den Erwachsenen in
allen untersuchten Aufgaben. Während die ältere Kindergruppe ähnliche Leistungen
wie die Erwachsenen in Hinblick auf die sakkadische Reaktionszeit und Genauigkeit
und bzgl. des Gap Effekts erzielte, veränderte sich die intraindividuelle Variabilität der
Reaktionszeit, die Leistung in der Fixations-, in der Antisakkaden- und in der
Countermanding Sakkaden Aufgabe weiter zwischen 11-13 Jahren und den
Erwachsenen.
Unsere Fixationsaufgabe legte nah, dass sich die Fähigkeit einer stabilen Fixation
noch nach einem Alter von 13 Jahren weiter entwickelt. Während sich beide
Kindergruppen hinsichtlich der Anzahl der explorativen Sakkaden während der
Fixationsintervalle ähnelten, waren die Sakkaden bei den kleineren Kindern größer.
Weiter zeigten die älteren Kinder ähnliche Leistungen wie die Erwachsenen zu
Beginn der Aufgabe, verschlechterten sich aber im Verlauf so deutlich, dass sie in
den letzten Fixationsintervallen ähnliche Leistungen wie die jüngere Kindergruppe
aufwiesen. Somit scheinen sich die Leistungen in unserer Fixationsaufgabe sowohl
zwischen 8-10 und 11-13 Jahren als auch danach zu verbessern. In
Übereinstimmung hiermit haben andere Autoren eine Verbesserung der
Fixationsleistung bis zum späten Grundschulalter berichtet (Paus, 1990; Klein und
Foerster, 2001). Obwohl diese Studien während der Fixationsintervalle zusätzliche
visuelle Distraktorreize darboten, sind die Befunde einer fortschreitenden
Leistungsverbesserung auch noch nach einem Alter von 11 Jahren vergleichbar mit
den hier berichteten. Zellen, die spezifisch für Fixationen zu sein scheinen, wurden
sowohl im frontalen Augenfeld als auch in supplementär motorischen Arealen
gefunden (Balan und Ferrera, 2003; Paus et al., 1991). Somit könnten unabhängig
davon, dass unsere Aufgabe eine eher motorische als kognitive
Inhibitionskomponente geprüft haben mag, die Leistungsverbesserung in
Fixationsaufgaben mit einer Reifung frontaler Hirnregionen in Verbindung stehen.
In Übereinstimmung mit der Annahme einer verbesserten Informationsverarbeitung
mit zunehmendem Alter (Kail, 1993) fanden wir eine Verringerung der
Reaktionszeiten bei den älteren Probanden. Zwischen der älteren Kindergruppe und
den Erwachsenen zeigte sich keine weitere Abnahme der Reaktionslatenz, was in
Einklang mit Befunden von anderen Arbeitsgruppen steht, die keine Unterschiede
94
2.6
zwischen Teenagern und Erwachsenen in der einfachen Reaktionsvorbereitung
fanden (Fischer et al., 1997). Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die
altersabhängige Abnahme der sakkadischen Reaktionszeit v.a. durch einen
Gruppenunterschied in den Overlap- Durchgängen begründet war. Offensichtlich
hatte der bestehen bleibende Fixationspunkt zwischen den Gruppen einen
unterschiedlichen Effekt auf das Fixationssystem bzw. auf die Disengage-
Komponente des Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerks. Der Befund eines
abnehmenden Gap- Effekts wurde von anderen Autoren bereits als
Entwicklungskorrelat einer verbesserten Aufmerksamkeitsloslösung interpretiert
(Klein und Foerster, 2001). In unserer Studie waren die jüngeren Kinder weniger als
Erwachsene in der Lage, die Aufmerksamkeit von dem bestehenden Fixationspunkt
weg und zum Zielreiz hin zu verschieben, während dies den älteren Kindern
vergleichbar gut gelang (Klein und Foerster, 2001). Somit bestätigen unsere
okulomotorischen Daten die zuvor in handmotorischen Studien gefundenen
entwicklungsbedingten Veränderungen einzelner Aspekte des
Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerks zwischen 8 und 13 Jahren (Akhtar und
Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson, 2000).
11-13 Jährige unterschieden sich hinsichtlich der sakkadischen Genauigkeit weder
von den jüngeren Kindern noch von den Erwachsenen, während die 8-10 Jährigen
weniger genaue Sakkaden machten als die Erwachsenen. Der zerebelläre Wurm
wurde mit der Treffsicherheit von Sakkaden in Verbindung gebracht (Leigh und
Kennard, 2003; Robinson et al., 1993), und morphometrische Veränderungen in
dieser Hirnregion wurden zwischen 8-10 Jährigen und Erwachsenen berichtet
(Jernigan und Tallal, 1990). Unser Befund steht mit diesen morphometrischen
Ergebnissen in Einklang und deutet möglicherweise darauf hin, dass gleiche
Leistungen der sakkadischen Genauigkeit zwischen 11-13 Jährigen und
Erwachsenen für eine strukturelle und/ oder funktionelle Ähnlichkeit des cerebellären
Wurms in diesen beiden Altersgruppen spricht. Da allerdings andere Autoren
morphometrische Veränderungen dieser Strukturen zwischen vier und 18 Jahren
finden (Giedd et al., 1996), sollte diese Vermutung mit Vorsicht betrachtet werden.
Unabhängig von der spezifischen neuroanatomischen Basis sprechen unsere Daten
dafür, dass sich die sakkadische Genauigkeit früh zu entwickeln scheint.
Beide Kindergruppen schwankten in ihrer sakkadischen Reaktionszeit und
Genauigkeit mehr als die Erwachsenen. Eine drastische Verringerung der
95
2.6
intraindividuellen Varianz der Reaktionslatenz und –genauigkeit wurde bereits von
anderen beschrieben (z.B. Klein, 2000; Munoz et al., 1998). Primatenstudien bringen
die Variabilität von okulomotorischen Reaktionszeiten mit Aktivitätsschwankungen in
Neuronen des frontalen Augenfelds in Verbindung (Hanes und Paré, 1996;
Trappenberg et al., 2001). Somit könnten die Variabilitätsmaße in okulomotorischen
Paradigmen die Entwicklung frontaler Kortexregionen widerspiegeln und so die
relativ späten entwicklungsbedingten Verbesserungen erklären.
Die Inhibitonsleistung in der Antisakkadenaufgabe verbesserte sich in
Übereinstimmung mit Befunden aus anderen Arbeitsgruppen auch nach 11-13
Jahren weiter (Klein, 2000; Klein und Foerster, 2001) und bestätigt Ergebnisse, die
relativ späte Leistungsverbesserungen in Aufgaben zeigen, die exekutive oder
Frontallappen- Funktionen messen (Harnishfeger 1995; Band und van der Molen,
2000; Ridderinkhof et al., 1997; Casey et al., 1997). In unserer Studie unterschieden
sich jüngere und ältere Kinder nicht, während andere eine substantielle Reduzierung
der Fehler in Antisakkadenaufgaben zwischen 5-8 und 15 Jährigen berichten (Munoz
et al., 1998). Dieser Unterschied könnte auf die relativ große Altersspanne, die wir für
unsere Kindergruppen definierten, zurückzuführen sein. Elektroenzephalographische
Studien haben eine Antisakkaden- spezifische kontingente negative Variation
gefunden (Brickett, 1984), die mit Aktivität des dopaminergen Systems bzw. mit der
Dopminkonzentration in Verbindung gebracht wurde (Cohen, 1992). Diese Parameter
scheinen zumindest bei Rhesusaffen erst mit dem Alter sexueller Reife mit
Erwachsenen vergleichbar zu sein (Goldman- Rakic et al., 1982). Zusammenfassend
laufen somit Befunde aus hand- und okolomotorischen Studien und aus
Bildgebungs- und Tierversuchen auf die Annahme hinaus, dass eine während der
Adoleszenz fortschreitende Fehlerabnahme in der Antisakkaden Aufgabe tatsächlich
mit Hirnentwicklungsprozessen in Verbindung steht.
In der Countermanding Sakkaden Aufgabe reagierten die Erwachsenen ebenso wie
in den anderen Aufgaben deutlich schneller als die Kinder und waren somit mit einer
höheren Aufgabenschwierigkeit konfrontiert, so dass der Vergleich der Fehlerwerte
kaum Licht auf die Frage nach entwicklungsbedingten Veränderungen in dieser
Inhibitionsleistung wirft. Wurden Unterschiede in der sakkadischen Reaktionszeit und
in deren intraindividuellen Variabilität kontrolliert, zeigte sich, dass Erwachsene
weniger Zeit benötigten, um eine bereits initiierte Sakkade zu stoppen. Bei den
Erwachsenen verteilte sich ZSSRZ um Null, während die Verteilung von ZSSRZ bei
96
2.6
den Kindern rechtsseitig verschoben war. In einer Studie zu gesunden Erwachsenen
und Erwachsenen mit ADHD interpretierten Armstrong und Munoz (2003) die
Rechtsverschiebung der ZSSRZ Verteilung in der ADHD Gruppe als „nicht-normale“
Leistung. Übertragen auf unsere Studie hieße dies, dass die Kinder eine im Vergleich
zu den Erwachsenen weniger normale Inhibitionsleistung aufwiesen. Man sollte
allerdings bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Aufgabe die bereits erwähnten
Reaktionszeit- abhängigen Unterschiede in der Aufgabenschwierigkeit beachten.
In einem nächsten Schritt sollen die Leistung von Kindern mit ADHD in den vier
okulomotorischen Untersuchungsparadigmen mit diesem gesunden
Entwicklungsverlauf verglichen werden.
97
2.7
2.7 Okulomotorische Kontrolle bei Kindern mit und ohne ADHD
Spezifische Einleitung
Ziel der folgenden Studie war, erstens bei Kindern mit ADHD zwischen einem
generellen Defizit der okulomotorischen Kontrolle und einem spezifischen
okulomotorischen Inhibitionsdefizit zu unterscheiden. Weiter sollte überprüft werden,
ob ein mögliches Inhibitionsdefizit sich auf bestimmte Aspekte okulomotorischer
Inhibition beschränken lässt. Die bereits beschriebene Prosakkadenaufgabe wurde
verwendet, um generelle okulomotorische Parameter zu erheben. Eine Fixations-,
eine Antisakkaden und eine Countermanding Sakkaden Aufgabe wurden eingesetzt,
um verschiedene inhibitorische Teilaspekte zu untersuchen. In Anlehnung an ein von
Nigg (2001) postuliertes Modell zum Inhibitionsdefizit bei ADHD Patienten wurden
den einzelnen Paradigmen die in Tabelle 2.7.1 dargestellten spezifischen
Inhibitionsprozesse und die daran beteiligten neuronalen Strukturen zugeordnet.
Tabelle 2.7.1 Inhibitionsaspekte, die hier verwendeten jeweiligen okulomotorischen Paradigmen und die entsprechenden neuronalen Korrelate
Inhibition … Okulomotorische
Aufgabe
Neuronales Korrelat
Explorativer intrinsisch
generierter Sakkaden
Fixationsaufgabe Supplementär-motorisches Areal,
präfrontaler Kortex, Striatum
Prepotenter Reaktionen Antisakkaden-
aufgabe
Dorsolateraler präfrontaler Kortex,
frontales Augenfeld (FEF),
supplementäres Augenfeld
Bereits initiierter
ablaufender Reaktion
Countermanding
Sakkaden Aufgabe
anteriorer cingulärer Gyrus,
Colliculus Superior, FEF
Die neuroanatomischen Hintergründe der okulomotorischen Kontrolle wurden bereits
in der Einleitung zu Studie 2.6 ausführlich beschrieben. Im Folgenden sollen die
Befunde zur Augenbewegungskontrolle bei ADHD Patienten bzw. die sich daraus
ergebenden Hypothesen grob in diesen neuroanatomischen Zusammenhang
eingeordnet werden.
Untersuchungen, die sich mit allgemeinen Parametern der okulomotorischen
Kontrolle wie sakkadischer Reaktionslatenz, sakkadischer Genauigkeit und der
98
2.7
intraindividuellen Variabilität von Reaktionsschnelligkeit und –genauigkeit bei
Patienten mit ADHD beschäftigen, liefern kontroverse Ergebnisse: einige Studien
dokumentieren Unterschiede zwischen Gesunden und ADHD Patienten (Klein et al.,
2003; Munoz et al., 2003; Mostofsky et al., 2001), andere berichten von unauffälligen
Leistungen der ADHD Probanden in diesen allgemeinen
Augenbewegungsparametern (Mostofsky et al., 2001; Ross et al., 1994; Ross et al.,
2000). Für die Ausführung reflexiver visuell gesteuerter Augenbewegungen werden
die parietalen Augenfelder, die im posterioren Parietallappen lokalisiert sind,
verantwortlich gemacht (Pierrot-Desseilligny et al., 2004). Wie bereits beschrieben
wird die Variation von sakkadischen Reaktionszeiten mit einer Aktivitäts- Variabilität
der Zellen im frontalen Augenfeld in Verbindung gebracht (Hanes und Schall, 1996;
Trappenberg et al., 2001). Bezüglich der Genauigkeit von Sakkaden scheint der
cerebelläre Wurm eine entscheidende Rolle zu spielen (Leigh und Kennard, 2003;
Robinson et al., 1993).
Die Leistung von ADHD Probanden wurde in unterschiedlichen Fixationsparadigmen
wiederholt als abweichend beschrieben (Munoz et al., 2003; Munoz et al., 1999;
Armstrong und Munoz, 2003; Gould et al., 2001). Je nach spezifischer
Aufgabenstellung beinhalten Fixationsparadigmen die Unterdrückung reflexiver
Sakkaden hin zu einem visuellen Ablenkreiz oder explorativer, intrinsisch ausgelöster
Sakkaden und werden mit Aktivierung in prämotorischen, präfrontalen (Paus et al.,
1991; Balan und Ferrera, 2003; Perrot-Desseilligny, 1994) und striatalen Arealen in
Verbindung gebracht (Doricchi et al., 1997).
Die Antisakkadenaufgabe wurde bereits bei unterschiedlichen Patienpopulationen
verwendet. Einige Autoren beschreiben abweichende Leistungen bei Patienten mit
ADHD (Munoz et al., 2003 ; Mostofsky et al., 2001 ; Munoz et al., 1999; Klein et al.,
2003), während andere keine Unterschiede zwischen Patienten und
Kontrollpersonen finden (Aman et al., 1998; Rothlind et al., 1991). Wie erwähnt
werden sowohl dorsolateral präfrontale (Funahashi et al., 1990; Funahashi et al.,
1993; Sweeney et al., 1996; Luna et al., 2001; Nigg, 2001) als auch motorische und
prämotorische Bereiche als entscheidend für eine gute Performanz in dieser Aufgabe
diskutiert (O’Driscoll et al., 1995).
Bisher wurde die Countermanding Sakkaden Aufgabe lediglich bei erwachsenen
Patienten mit ADHD eingesetzt. Hier wurde im Vergleich zu erwachsenen
99
2.7
Kontrollpersonen unter den beiden schwierigeren Untersuchungsbedingungen ein
Defizit in der Inhibtionsleistung nachgewiesen (Armstrong und Munoz, 2003). Mit
Hilfe der handmotorischen Entsprechung der Countermanding Sakkaden Aufgabe,
der Stop- Signal Aufgabe, wurde bei Kindern mit ADHD sowohl die Fehlerzahl als
auch die Zeit, die benötigt wurde, um auf das Stopsignal zu reagieren, als erhöht
beschrieben (Osterlaan et al., 1998; Konrad et al., 2000; Sergeant et al., 2002;
Guerts et al., 2004). Obwohl sich dieser Effekt immer wieder replizieren ließ
(Effektstärke 0.6), ist dieses Defizit nicht spezifisch für ADHD und findet sich somit
auch bei einigen anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen wie z.B. beim high-
functioning Autismus (Guerts et al., 2004; Nigg, 1999). Die Countermanding
Sakkaden Aufgabe wurde mit dem anterioren cingulären Kortex (Ito et al., 2003) und
vermehrter Aktivität in einem frontastriatalen Netzwerk in Verbindung gebracht (Pare
und Hanes, 2003).
Da Bildgebungsstudien Auffälligkeiten in präfrontalen und striatalen Arealen bei
ADHD Patienten betonen (Castellanos et al., 1996; Hynd et al., 1993; Vaidya et al.,
1998; Giedd et al., 2001) und unsere okulomotorischen Aufgaben verschiedene
Aspekte dieser kortikalen und subkortikalen Gebiete involvieren (Funahashi et al.,
1990; Funahashi et al., 1993; Luna et al. 2001; O’Driscoll et al., 1995; Paus et al.,
1991; Balan und Ferrera, 2003; Pierrot-Desseilligny, 1994, Doricchi et al. 1997),
beruhte diese Studie auf folgenden Hypothesen: es wurde erwartet, dass die ADHD
Patienten v.a. in den Aufgaben beeinträchtigt sein würden, die eine starke kognitive
Inhibitionskomponente beinhalten und somit präfrotale Kortexfunktionen
repräsentieren. Somit vermuteten wir den deutlichsten Unterschied zwischen
Kontrollkindern und ADHD Patienten in der Countermanding Sakkaden Aufgabe. Wir
erwarteten weiter Unterschiede in der Antisakkaden- und möglicherweise in der
Fixationsaufgabe, während beide Gruppen in der Prosakkadenaufgabe vergleichbar
sein sollten. Ähnliche Leistungen vermuteten wir v.a. für die Reaktionslatenz und
Reaktionsgenauigkeit.
100
2.7
Material und Methoden
Probanden und Einschlusskriterien:
Es wurden zwei Kindergruppen untersucht. Die Patientengruppe bestand aus 22
Kindern mit der Diagnose einer ADHD (7 Mädchen, mittleres Alter 12.0 ± 1.7). Die
Gruppe der gesunden Kinder setzte sich aus 22 Kindern gleichen Alters und
Geschlechts zusammen (8 Mädchen, mittleres Alter 11.8 ± 1.1). Alle Kinder der
ADHD Gruppe erfüllten die Diagnose einer ADHD nach den Kriterien des DSM-IV
(American Psychiatric Association, 1994) und wurden über die Institutsambulanz der
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des
Universitätsklinikums Aachen rekrutiert. Der Diagnoseprozess schloss eine
ausführliche Anamneseerhebung, eine halbstrukturiertes Interview der Eltern zur
Psychopathologie des Kindes (K-DIPS; Unnewehr et al., 1995), eine körperliche
Untersuchung, eine Intelligenztestung und Fragebogenuntersuchung (HAWIK III) und
ein Fragebogenurteil des Verhaltens durch Lehrer und Eltern ein (FBB HKS; CBCL
Child Behavior Checklist). Die ADHD Patienten erreichten deutlich höhere
Gesamtwerte auf den Skalen des FBB HKS (FBB ADHD= 33.6, FBB Kontrollen=
5.8). Der FBB Bogen beinhaltet eine Unaufmerksamkeits-, eine Hyperaktivitäts- und
eine Impulsivitätsskala. Werte von 0-3 sind möglich, Werte von 2 oder 3 werden als
relevant definiert. Für die jeweiligen Skalen sind Grenzwerte von 6,3 bzw.1 relevante
Items festgelegt und weisen somit auf eine hohe Wahrscheinlichkeit für das
Vorliegen einer ADHD hin (Döpfner and Lehmkuhl, 1998). Keines der Kontrollkinder
erreichten einen Wert von 6 auf der Unaufmerksamkeitsskala, und keines der ADHD
Kinder wies hier einen Wert kleiner 6 auf. Kinder mit einem Gesamtintelligenzquotient
von kleiner 80 wurden von der Auswertung ausgeschlossen. Die Kinder der
Kontrollgruppe erreichten einen leicht höheren Intelligenzwert als die ADHD Gruppe
(t(40)= 2.70, p= 0.11). Stichproben Charakteristika für beide Gruppen sind in Tabelle
2.7.2 dargestellt.
Tabelle 2.7.2 Stichproben Charakteristika für beide Gruppen
Kontrollen ADHD
Alter (Std.)
IQ Mittelwert (Std.)
FBB Gesamtwert Mittelwert (Std.)
Diagnose: Kombiniert/ Unaufmerksam
10.1 (1.3)
104.3 (10.8)
5.4 (4.3)
0/ 0
10.4 (1.9)
101.2 (12.3)
33.6 (11.7)
16/ 6
101
2.7
13 ADHD Patienten nahmen regulär Methylphenidat (MPH), hatten aber zum
Zeitpunkt der Untersuchung mindestens 12 Stunden keine Medikation bekommen.
Keines der medizierten Kinder nahm ein MPH lang- wirkendes (retard) Produkt. Für
die kurzwirksamen MPH Produkte mit einer Halbwertszeit von 2 Stunden wird
empfohlen, das Fünffache dieser Zeitspanne als Wash- Out Zeit zu verwenden, um
das Fehlen von Medikationseffekten zu gewährleisten (Rapport und Denney, 1997).
42 Kinder waren normalsichtig, zwei Kinder wurden mit Brille untersucht. Keines der
Kinder hatte die zusätzliche Diagnose einer Psychose, mittelgradigen oder schweren
Depression, tiefgreifenden Entwicklungsstörung oder rezeptiven Sprachstörung.
Keines der Kinder bekam über die MPH Medikation hinausgehende Medikamente.
Eltern und Kinder gaben ihr schriftliches Einverständnis, und die Studie war durch die
Ethik- Komission des Universitätsklinikums Aachen genehmigt.
Der experimentelle Aufbau und die abhängige Variablen entsprachen den im
Methodenteil zu Studie 2.6 beschriebenen Experimentalbedingungen und werden
somit hier nicht erneut ausgeführt.
Zwei ADHD und zwei Kontrollkinder brachen die Testung vor der Antisakkenaufgabe
ab. Aufgrund von Computerproblemen oder fehlerhaften Daten (noise artefacts)
konnten die Daten von zwei Kindern für die Fixationsaufgabe, von vier Kindern für
die Prosakkaden- und von zwei Kindern für die Countermanding Sakkaden Aufgabe
nicht verwertet werden. Somit wurden 20 ADHD und Kontrollkinder für das
Fixationsparadigma, 42 (22 ADHD) für die Pro- und Countermanding Sakkaden
Aufgabe und 40 (20 ADHD) für die Antisakkaden Aufgabe in die Gruppenvergleiche
eingeschlossen.
Statistische Analysen:
Die Anzahl der Sakkaden während eines Fixationsintervalls in der Fixationsaufgabe
wurde mit Hilfe des Mann-Whitney U Tests zwischen den Gruppen verglichen. Da die
Variable „Größe der Sakkaden während des Fixationsintervalls“ nicht normalverteilt
und zwischen den Gruppen nicht varianzhomogen war, wurden hier ebenfalls ein
nonparametrischer Gruppenvergleich mit Hilfe des Mann-Whitney U Tests
durchgeführt. Alle Variablen der Pro-, Anti- und Countermanding Sakkaden Aufgaben
waren normalverteilt und varianzhomogen, so dass hier die Gruppen über zwei-
Stichproben- t-Tests miteinander verglichen wurden. Intraindividuelle Effekte wurden
über paarige t-Tests berechnet. Aufgrund der Anzahl abhängiger Variablen wurde
102
2.7
Alpha für die zwei- Stichproben t-Tests auf 0.003 korrigiert. Interaktionen zwischen
der Präsentationsrichtung der Zielreize und der Stop- Signal- Intervalle in der
Counteranding Sakkaden Aufgabe wurden über eine
Messwiederholungsvarianzanalyse berechnet. Pearson Korrelationskoeffizienten
wurden herangezogen, um den Zusammenhang der Aufgaben zueinander zu
untersuchen. Alpha wurde hier aufgrund der Vergleiche innerhalb einer Gruppe auf
0.0017 abjustiert. Abschließend wurde mit Hilfe einer Diskriminanzanalyse überprüft,
ob sich eine Gruppenzugehörigkeit anhand der abhängigen Variablen voraussagen
lässt. Da es aufgrund der Stichprobengröße nicht sinnvoll erschien, alle 14 Variablen
in die Diskriminanzanalyse einzubeziehen, wurden diejenigen Variablen verwendet,
in denen sich Kontroll- und ADHD Kinder deskriptiv am ehesten unterschieden
(Antisakkaden Fehler, mittlere SSRZ, Latenz in Go Trials,
Inhibitionswahrscheinlichkeit, Wahrscheinlichkeit, bei rechtsseitigen Zielreizen zu
inhibieren, mittlere Prosakkaden SRZ und deren intraindividuelle
Standardabweichung). Die Sakkadengröße in der Fixationsaufgabe konnte aufgrund
der fehlenden Normalverteilung nicht mit betrachtet werden. Alle Variablen wurden
gleichzeitig in der Diskriminanzanalyse berücksichtigt.
Ergebnisse
Fixationsaufgabe:
Wurden die Anzahl und die Größe der ausgeführten Sakkaden über alle zehn
Fixatiosintervalle gemittelt, ergaben sich keine Gruppenunterschiede
(Sakkadenanzahl: Mann-Whitney-U Z= -0.92, p = 0.358; Sakkadenamplitude: Mann-
Whitney-U Z= -0.35, p= 0.724).
Tabelle 2.7.3 Sakkadenzahl und –amplitude im Gruppenvergleich
Kontrollen ADHD P
Sakkadenzahl (Std.) während
Fixationsintervall
Sakkadenamplitude (Std.)
während Fixationsintervall
11.7 (8.6)
1.3 (1.0)
13.6 (8.7)
1.8 (2.0)
Mann-Whitney-
U Z= -0.92
Mann-Whitney-
U Z= -0.3
p = 0.36
p = 0.72
103
2.7
Abbildung 2.7.1 zeigt Gruppenmittelwerte pro Fixationsintervall für
Sakkadenamplitude und –frequenz. Die ADHD Patienten machten größere Sakkaden
in den ersten vier Fixationsintervallen (Mann-Whitney-U Z= -2.70, p= 0.007), wobei
dieser Trend nach Alpha- Adjustierung die Signifikanzgrenze knapp verfehlte.
5
10
15
20
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Fixationsintervall
Sakk
aden
anza
hl
Kontrolle ADHD
Abbildung 2.7.1
a) Gruppenmittelwerte
für Sakkadenanzahl
über die zehn Fixations-
intervalle
0,5
1,5
2,5
3,5
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Fixationintervall
Sakk
aden
größ
e [°
]
Kontrolle ADHD
Abbildung 2.7.1
b) Gruppenmittelwerte
für Sakkadenamplitude
über die zehn Fixations-
intervalle
Pro-/ Antisakkenaufgabe:
Die mittlere sakkadische Reaktionszeit (SRZ) war in beiden Gruppen in Gap-
schneller als in Overlap- Trials (t(39)= -15.1, p< 0.001). Wie Tabelle 2.7.2 dargestellt,
zeigten beide Gruppen ähnliche Leistungen bzgl. SRZ (t(40)= -0.90, p= 0.38),
sakkadischer Genauigkeit (t(40)= 0.89, p= 0.38), intrasubjekt Standardabweichung
104
2.7
von SRZ (t(40)= 0.14, p= 0.89) oder Genauigkeit (t(40)= 0.60, p= 0.55) und bzgl. des
Gap- Effekts auf die SRZ (SRZoverlap- SRZgap , t(40)= -1.73, p= 0.09). Weder ADHD
noch Kontrollkinder reagierten schneller in Abhängigkeit von der
Targetpräsentationsrichtung (t(19)ADHD= -0.70, p=0.49; t(19)Kontrolle= -0.04, p=0.97).
ADHD Patienten reagierten aber genauer, wenn die Zielreize im linken verglichen mit
dem rechten Hemifeld dargeboten wurde (t(19)= 3.09, p< 0.002), wohingegen sich
diese Überlegenheit der Augenbewegungen nach links bei den Kontrollkindern nicht
zeigte (t(19)= -1.33, p= 0.20).
In der Antisakkenaufgabe zeigte sich ein nicht-signifikanter Trend zu mehr Fehlern in
der ADHD Gruppe (t(40)= 1.44, p = 0.16).
Tabelle 2.7.4 Variablen des Pro- und Antisakkaden Aufgaben im Gruppenvergleich
Kontrollen ADHD t(40) p
Prosakkaden SRZ (Std.)
Prosakkaden SRZ gap (Std.)
Prosakkaden SRZ overlap (Std.)
Prosakkaden Amplitude (Std.)
Prosakkaden Gap Effekt
Prosakkaden intraindividuelle
Standardabweichung SRZ (Std.)
Prosakkaden intraindividuelle
Standardabweichung Amplitude
(Std.)
Antisakkaden Fehler
174 (31)
139 (23)
210 (41)
7.4 (0.6)
70 (24)
58 (14)
1.2 (0.2)
43.1 (22)
165 (37)
137 (33)
193 (45)
7.5 (0.8)
56 (28)
59 (22)
1.2 (0.4)
53 (19)
-0.90
-0.29
-1.23
0.89
-1.73
0.14
0.60
1.44
p = 0.38
p = 0.77
p = 0.23
p = 0.38
p = 0.09
p = 0.89
p = 0.55
p = 0.16
Countermaning Sakkaden Aufgabe:
Alle Probanden inhibierten mehr Sakkaden beim 75 ms Stop-Signal-Intervall (SSD)
als beim 125 (t(41)= 6.46, p< 0.001) oder 175 ms SSD (t(41)= 9.73, p< 0.001).
105
2.7
Tabelle 2.7.5 Variablen der Countermading Sakkaden Aufgabe im Gruppenvergleich
Kontrollen ADHD t(40) p
Countermanding Wahrscheinlichkeit
zu inhibieren bei linksseitigen
Zielreizen
Countermanding Wahrscheinlichkeit
zu inhibieren bei rechtsseitigen
Zielreizen
Countermanding SRZ (GO Trials)
Countermanding SSRZ
0.58 (0.16)
0.61 (0.14)
267 (43)
91 (30)
0.47 (0.18)
0.37 (0.15)
237 (37)
113 (51)
-2.2
-5.1
-2.43
1.69
p= 0.04
p< 0.001
p= 0.02
p= 0.09
Die Kontrollkinder zeigten im Vergleich zu den ADHD Patienten eine höhere
Prozentzahl richtiger Inhibitionen (t(40)= -4.00, p< 0.001). Abbildung 2.7.2 legt nahe,
dass die ADHD Patienten v.a. dann schlechtere Leistungen zeigten, wenn die
Zielreize im rechten Halbfeld dargeboten wurden. Eine mehrfaktorielle
Messwiederholungs- Varianzanalyse mit Präsentationsrichtung und Stop- Signal
Delay als inner- Subjekt und Gruppe als Zwischen- Subjekt Faktoren ergab eine
signifikante Richtung*Gruppe Interaktion (F(1,40)= 5.83, p< 0.02). Weiter zeigte sich
ein Haupteffekt für die Stop-Signal-Intervalle und für die Interaktion der Stop Signal
Intervalle mit der Präsentationsrichtung (F(2,39)= 45.84, p< 0.001; F(2,39)= 8.62, p<
0.001).
Die Zeit, die benötigt wurde, um auf ein Stop Signal zu reagieren, war im längsten
Stop- Signal Intervall bei den Patienten etwas länger als bei den Kontrollkindern
(SSDelay 175: t(40)= 2.44, p< 0.02), dieser Gruppenunterschied blieb allerdings
nach Alpha- Korrektur nicht bestehen. ADHD Patienten brauchten länger, um eine
Sakkade ins rechte Halbfeld zu stoppen als bei Sakkaden nach links (t(21ADHD)=
3.25, p< 0.004), wobei dieser Richtungsunterschied in der Kontrollgruppe erneut
nicht vorhanden war (t(19Kontrolle)= 1.73, p= 0.1). In Durchgängen ohne Stop Signal
reagierten die ADHD Patienten tendenziell schneller als die Kontrollkinder (t(40)= -
2.43, p< 0.02) und unterschieden sich nicht bzgl. der intraindividuellen
Standardabweichung der SRZ (t(40)= -1.2, p=0.237).
106
2.7
0,00 250,00 500,00 750,000%
5%
10%
15%
Perc
ent
0,00 250,00 500,00 750,000%
5%
10%
15%
Perc
ent
75,125,175 stop signal delay
SSRZ
GO Reaktionszeit ADHD
GO Reaktionszeit Kontrollen
P(respond) P(inhibit)
SSRZ
P(respond) P(inhibitit)
target presentation
Abbildung 2.7.2
Verteilung der Reaktionszeiten in
Durchgängen ohne Stop Signal
für beide Gruppen. Der Zeitpunkt
der Targetpräsentation wird als
Nullpunkt auf der Zeitachse
definiert, die gestrichelten Pfeile
markieren die drei Stop Signal
Intervalle, 75,125 bzw. 175 ms
nach Targetpräsentation.
Der Gruppenmittelwert der SSRZ
zum mittleren SSD addiert, trennt
theoretisch die SRZ, die zu einer
Reaktion geführt hätten (P(respond))
von den Durchgängen, in denen
der Stop Prozess über den GO
Prozess gewonnen hätte (P(inhibit))
und keine Sakkade ausgeführt
würde
107
2.7
0,1
0,3
0,5
0,7
0,9
SSDelay75 SSDelay125 SSDelay175
Pro
zent
Inhi
bitio
nADHD links Kontrollen links
Abbildung 2.7.3 a) Gruppenmittel-werte und Standardfehler für die Wahr-scheinlichkeit eine Sakkade bei links präsentierten Ziel-reizen zu unter-drücken * Gruppenunter-schied signifikant
Targets links
*
0,1
0,3
0,5
0,7
0,9
SSDelay75 SSDelay125 SSDelay175
Pro
zent
Inhi
bitio
n
ADHD links Kontrolle links
Abbildung 2.7.3 b) Gruppenmittel-werte und Standardfehler für die Wahr-scheinlichkeit eine Sakkade bei rechts präsentierten Ziel-reizen zu unter-drücken * Gruppenunter-schied signifikant
Targets rechts
**
*
Zusammenhang zwischen den Aufgaben
Nach der Alpha-Adjustierung war die SRZ in der Prosakkadenaufgabe lediglich bei
den Kontrollkindern, nicht aber bei der ADHD Gruppe, signifikant mit der
Reaktionslatenz in den GO- Durchgängen der Countermanding Sakkaden Aufgabe
korreliert (Kontrollen: r= .66 p< 0.002; ADHD: r= .51 p= 0.02). Die Fehlerzahl in der
Antisakkadenaufgabe hing nicht bedeutsam mit der SRZ in der Prosakkadenaufgabe
zusammen (Kontrollen: r= -.28 p= 0.245; ADHD: r= -.391 p= 0.108) oder mit der
mittleren SSRZ in der Countermanding Sakkaden Aufgabe (Kontrollen: r= -.11 p=
0.66; ADHD: r= .27 p= 0.276). Die SSRZ war in der Kontroll- nicht aber in der ADHD
Gruppe stark mit der SRZ in den GO Durchgängen der Countermanding Sakkaden
Aufgabe korreliert (Kontrollen: r= .71 p< 0.001; ADHD: r= .11 p= 0.654).
108
2.7
Diskriminanzanalyse
Eine Diskriminanzanalyse, die die im Abschnitt 2.7 statistische Analysen
beschriebenen Variablen gleichzeitig betrachtete, ordnete 75% der Fälle den
Gruppen richtig zu. Es ergaben sich ein Eigenwert von 0.80 und eine kanonische
Korrelation von 0.67. Beide Diskriminanzfunktionsverteilungen unterschieden sich
signifikant (Wilk’s Lambda(7)= 0.557, p< 0.01).
Tabelle 2.7.2. Gruppenklassifikation durch die Diskriminanzanalyse
Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit
ADHD Kontrollen
Original Anzahl ADHD
Kontrollen
16 6
5 17
Original Prozent ADHD
Kontrollen
72.7 27.3
22.7 77.3
Spezifische Diskussion
Die beschriebene Studie führte zu zwei Hauptresultaten: erstens legt die
Prosakkadenaufgabe ähnliche Leistungen für beide Gruppen in der sakkadische
Antwortvorbereitung und in der sakkadischen Genauigkeit nahe. Zweitens ergaben
sich aus dem Fixationsparadigma, aus der Antisakkaden- und aus der
Countermanding Sakkaden Aufgabe Hinweise auf defizitäre okulomotorische
Inhibitionsleistungen bei Kindern mit ADHD. Weiter schienen spezifische
Inhibtionsaspekte beeinträchtigt, während andere eher mit der Kontrollgruppe
vergleichbar waren.
Wurden alle relevanten Variablen gleichzeitig betrachtet, gelang eine Vorhersage
über die Zugehörigkeit zur ADHD bzw. Kontrollgruppe in 75% der Fälle. Während
also im Gruppenvergleich sehr deutliche Unterschiede auf der Variablenebene
hervortraten, eigneten sich die Paradigmen weniger gut, die Gruppen zuverlässig
voneinander zu trennen.
In unserer Fixationsaufgabe zeigten sich keine Gruppenunterschiede, wenn
Sakkadenamplitude und –frequenz über alle 10 Fixationsintervalle gemittelt wurden.
Betrachtete man lediglich die ersten vier Fixationsintervalle, so machten die ADHD
Kinder größere Sakkaden während des Fixationsintervalls als die Kontrollkinder.
109
2.7
Somit weisen unsere Resultate auf ein eher spezifisches Defizit bei den ADHD
Patienten zu Beginn der Aufgabe als auf eine generelle Beeinträchtigung der
Fixationsleistung hin. Möglicherweise bereitete die Fixation der ADHD Gruppe
besonders am Anfang der Aufgabe Schwierigkeiten, weil die Fixationsaufgabe zu
Beginn der Testung präsentiert wurde und die experimentelle Umgebung den
Probanden noch neu war. Mit anderen Worten waren die Kontrollkinder trotz der
neuen Umgebung in der Lage, den Instruktionen zu folgen und die zentrale Fixation
zu halten, während die ADHD Kinder hier beeinträchtigt waren. Andere Autoren
interpretieren das Ergebnis einer generell difizitären Fixationsleistung als
Fixationsinstabilität (Munoz et al., 2003; Munoz et al., 1999; Gould et al., 2001).
Bezüglich der neuronalen Basis dieser Leistungen bzw. Defizite stimmen die in
Kapitel 1.2 erläuterten ADHD assoziierten Auffälligkeiten in prämotorischen,
präfrontalen und striatalen Hirngebieten mit den an der Fixationskontrolle beteiligten
Gebieten überein (Paus et al., 1991; Balan und Ferrera, 2003; Pierrot-Desseilligny,
1994; Doricchi et al., 1997) und legen einen Zusammenhang zwischen
verhaltensmäßigen und neuronalen Auffälligkeiten nahe.
Das Ergebnis ähnlicher sakkadischer Reaktionszeitparameter in beiden Gruppen
stimmt mit den Befunden anderer Arbeitsgruppen überein (Ross et al., 1994; Ross et
al., 2000) und spricht für eine intakte generelle okulomotorische Kontrolle bei ADHD
Kindern. Andere finden ähnliche Reaktionslatenzen für Patienten und
Kontrollprobanden, berichten aber von einer größeren intraindividuellen Variabilität
der Reaktionszeiten (Mostofsky et al., 2001), was zu Befunden aus handmotorischen
Aufgaben passt (Teicher et al. 1996) und als Evidenz eines Defizits der
Antwortvorbereitung interpretiert wird (Munoz et al., 1999; Munoz et al., 2003). Wie in
der Einleitung zu Studie 6 erläutert wird der posteriore Parietallappen mit der
Ausführung visuell geleiteter reflexiver Sakkaden in Verbindung gebracht (Pierrot-
Deseilligny et al., 1991; Lynch und McLaren, 1989). Befunde sowohl aus
Bildgebungsstudien als auch zur Aufmerksamkeitsverschiebung sprechen gegen
eine generelle Beeinträchtigung dieser Hirngebiete oder -funktionen (Swanson et al.,
1991) und passen zu der hier berichteten durchschnittlichen Leistung der
sakkadischen Antwortvorbereitung.
Da die Variabilität der sakkadischen Reaktionslatenz mit dem frontalen Augenfeld in
Verbindung gebracht werden und ADHD Patienten auch hier Auffälligkeiten
110
2.7
aufweisen, wären Auffälligkeiten in diesem sakkadischen Parameter plausibel,
werden aber nicht von unseren Befunden gestützt.
Wie bereits beschrieben scheint der cerebelläre Wurm für die sakkadische
Genauigkeit entscheidend zu sein (Leigh und Kennard, 2003; Robinson et al., 1993),
der wiederum bei Patienten mit ADHD auffällig zu sein scheint (Berquin et al., 1998).
Defizite in der Antisakkadenaufgabe bei Patienten mit ADHD wurden mit funktionalen
Auffälligkeiten in dorsolateral präfrontalen und striatalen Arealen in Zusammenhang
gebracht (Mostofsky et al., 2001). Entgegen unserer Erwartungen unterschieden sich
unsere ADHD und Kontrollkinder in der Antisakkadenaufgabe nicht in der Fehlerzahl.
Dies stimmt mit den Befunden anderer Arbeitsgruppen überein (Aman et al., 1998;
Rothlind et al., 1991) und spricht für ähnliche Leistungen beider Gruppen in dieser
Art der Interferenzkontrolle. Unterschiede in der Aufgabenstellung sollten allerdings
bei der Interpretation widersprüchlicher Ergebnisse bedacht werden: z.B.
präsentieren andere Untersucher Pro- und Antisakkaden in einer Aufgabe und
variieren die Instruktion blockweise. Dies hätte die Aufgabe möglicherweise schwerer
gemacht und die Unterschiede zwischen ADHD und Kontrollgruppe vergrößern
können (Klein et al., 2003). Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass Patienten
und Kontrollprobanden in der zitierten Studie unterschiedlich schnell regierten
(ADHD: 320 (+- 36) ms, Kontrollen: 288 (+- 40), während sich die Reaktionslatenzen
in unserer Antisakkadenaufgabe nicht zwischen den Gruppen unterschieden (ADHD:
297 (+-80) ms, Kontrollen 294 (+-47) ms).
In der Countermanding Sakkaden Aufgabe inhibierten die ADHD Kinder weniger
Sakkaden erfolgreich als die Kontrollgruppe. Dieser Gruppenunterschied wurde v.a.
im längsten und somit schwierigsten Stop- Signal-Intervall deutlich. Unseres Wissens
nach hat bisher lediglich eine Studie dieses Paradigma zur Untersuchung der
okulomotorischen Inhibition vom ADHD Patienten verwandt (Armstrong und Munoz,
2003). In ihrer Studie waren die ADHD Probanden lediglich dann beeinträchtigt,
wenn das Stop Signal peripher und nicht zentral dargeboten wurde und die Aufgabe
somit besonders schwierig war. Die Autoren gehen davon aus, dass ihr zentrales
Stop Signal automatische, Hirnstamm basierte Inhibitionskreisläufe aktiviert, die
möglicherweise bei ADHD Patienten intakt sind. Peripher präsentierte Stop-Signale
scheinen entsprechend auf cerebralen Inhibitionskreisen zu basieren und bei ADHD
Probanden beeinträchtigt zu sein (Armstrong und Munoz, 2003). In der hier
berichteten Studie führten auch zentrale Stop-Signale zu einer
111
2.7
Leistungsbeeinträchtigung, da wir aber die Qualität des Stop Signals nicht variierten,
können wir keine Aussage hinsichtlich Hirnstamm bzw. Kortex basierter
Inhibitionskomponenten machen.
Die ADHD Patienten machten mehr Fehler, wenn die Zielreize im linken im Vergleich
zum rechten Halbfeld präsentiert wurden, während die Kontrollkinder keine
Leistungsunterschiede abhängig vom Präsentationsort zeigten. Bildgebungsstudien
weisen auf eine Hypoaktivität der rechten Hemisphäre bei ADHD Patienten hin
(Rubia et al., 1999). Da Sakkaden grundsätzlich von der Gehirnhälfte kontralateral
zur auszuführenden Bewegung generiert werden (Schall, 1991; Evdokiminis et al.,
1992; Everling et al., 1998, Wauschkuhn et al., 1998; van der Lubbe et al., 2000),
widerspricht die Annahme einer rechtsseitigen Hypofrontalität auf den ersten Blick
unseren Befunden. Es ist allerdings mehrfach gezeigt worden, dass
Lesegewohnheiten Augenbewegungsmuster auch in davon völlig unabhängigen
Situationen beeinflussen (Morikawa und McBeath, 1992). Für von links- nach-rechts
Lesende heißt dies, dass Augenbewegungen nach rechts mit einer größeren
Wahrscheinlichkeit auftreten und somit ein deutlich gewöhnlicheres Reaktionsmuster
darstellen (Deijen et al., 1986). Patienten mit ADHD sind weniger gut in der Lage,
zwischen verschiedenen Reaktionsmustern zu wechseln (McLean et al., 2004;
Hanisch et al., 2004). Somit könne man annehmen, dass die Schwierigkeit bei der
Inhibition rechtsseitiger Sakkaden in der ADHD Gruppe aus der Präferenz von
rechtsseitigen Sakkaden im Alltagsleben und der Unfähigkeit, ein dominantes
Reaktionsmuster zu unterbinden, resultiert. Dieser Argumentation folgend sollte die
Inhibition von Sakkaden nach rechts schwieriger sein. Dieser Lateralitätsunterschied
sollte sich aber lediglich bei Sakkaden, nicht bei handmotorischen Reaktionen
zeigen, wenn die Leserichtung eine Rolle in diesem Vorgang spielt. Bei 6 ADHD
Patienten haben wir neben der okulomotorischen auch eine handmotorische Stop
Signal Aufgabe mit gleicher Stimuluspräsentation und angepassten Stop-Signal
Intervallen (Logan und Irwin, 2000) angewandt. Während diese Probanden ebenso
wie die Gesamtsstichprobe weniger gut Sakkaden nach rechts inhibierten (t(5)= 3.80,
p<0.01), zeigte sich dieser Richtungsunterschied in den Ergebnissen der
handmotorischen Aufgabe nicht (t(5)= 0.29, p= 0.78) und steht somit mit unserer
Hypothese in Einklang.
Weiter konnte als Begründung der häufigen Komorbidität zwischen
Leseschwierigkeiten und ADHD eine deutliche genetische Überlappung zwischen
112
2.7
beiden Störungen gefunden werden (Friedman et al., 2003). Möglicherweise
basieren Lesefähigkeiten und die Leistungen in okulomotorischen Aufgaben auf
ähnlichen Neuropathologien und interagieren aus diesem Grund bei Kontrollkindern
und ADHD Patienten unterschiedlich. In Übereinstimmung mit dieser Hypothese
wurden wiederholt signifikante Zusammenhänge zwischen der Performanz in der
handmotorischen Stop Signal Aufgabe und der Lesefähigkeit gefunden (Nigg, 1999;
Purvis und Tannock, 2000).
Die Zeit, die benötigt wurde, um eine bereits initiierte Sakkade zu stoppen, war im
längsten Stop Signal Intervall bei ADHD Patienten länger als bei den Kontrollkindern,
was wiederum ein Defizit in späten Anteilen des Stop Prozesses unterstreicht.
Unsere Stop Signal Reaktionszeiten waren mit 113 ms für Patienten und 91 für
Kontrollen kürzer als die Zeiten, die von anderen Autoren im Zusammenhang mit
einer okulomotorischen Stop Signal Aufgabe berichtet wurden (Armstrong und
Munoz, 2003; Hanes und Carpenter, 1999). Dies lässt sich auf methodologische
Aspekte wie die Größe der Stop-Signal-Intervalle zurückführen lässt. Längere Stop
Signal Intervalle verführen möglicherweise eher zu einer „Wait and see“ Strategie als
unsere eher kurzen Intervalle. In Übereinstimmung hiermit berichten Armstrong und
Munoz (2003) von primären Reaktionszeiten von 400 (± 125) ms für
Kontrollpersonen und 324 (± 67) ms für ADHD Patienten, während unsere Patienten
nach 236 (± 37) ms und die Kontrollen nach 267 (± 43) ms reagierten. Die
Reaktionszeitdifferenz zwischen der zitierten und unserer Studie ist besonders
erstaunlich, da unsere Probanden ca. 20 Jahre jünger waren und die sakkadische
Reaktionszeit stark altersabhängig ist (siehe Studie 2.6; Klein und Foerster, 2001).
Der Zeitpunkt, an dem der Go-Prozess über den Stop-Prozess siegt, wird häufig als
„point of no return“ beschrieben. Paré und Hanes (2003) schlussfolgerten aus ihrer
Studie zur Sakkadeninhibition bei Rhesusaffen, dass dieser „point of no return“ sehr
spät im Verlauf des Go-Prozesses stattfindet. Auf anatomischer Ebene wurde er mit
Sakkaden bedingter Aktivität im frontalen Augenfeld assoziiert, die 20-30 ms vor
Sakkadenausführung beginnt (Sparks, 1978; Hanes et al., 1995). Obwohl unsere
SSRZs kürzer waren als die, die in Studien mit unterschiedlichen Variationen der
Countermanding Sakkaden Aufgabe berichtet wurden, sind sie dennoch anatomisch
plausibel. Weiter berichten Cable et al. (2000) von Stoplatenzen von 90-126 ms und
somit von mit unseren Ergebnissen vergleichbaren Werten.
113
2.7
Die Patientengruppe reagierte in unserer Countermanding Sakkaden Aufgabe
schneller als die Kontrollkinder. Man könnte dies darauf zurückführen, dass die
Kontrollkinder die oben erwähnte „wait and see“ Strategie angewandt haben
könnten. Hiergegen spricht allerdings, dass nur bei den Kontrollkindern die
Reaktionszeiten zwischen Pro- und Countermanding Sakkadenaufgabe signifikant
korrelierten. Der Gruppenunterschied in der sakkadischen Reaktionslatenz scheint
somit eher auf einen impulsiveren Reaktionsstil in der ADHD Gruppe in der
Countermanding Sakkaden Aufgabe zurückzuführen zu sein. Mit anderen Worten,
solange inhibitorische Funktionen nicht gefragt waren, zeigten die ADHD Patienten
keinen impulsiveren Arbeitsstil als die Kontrollen. Da die Leistungen der ADHD
Kinder nur unter den schwierigeren Aufgabenbedingungen beeinträchtigt waren
(Zielreiz rechtsseitig präsentiert, längstes Stop Signal Intervall), waren außerdem
lediglich spezifische Aspekte des Stop Prozesses auffällig.
114
3.
Übergre i fende Diskussion
3.1 Zusammenfassung der Studienergebnisse
Ziel der beschriebenen Studien war, das neurokognitive Defizit von Kindern mit
ADHD möglichst genau zu beschreiben und zu den eingangs erläuterten
Aufmerksamkeitsmodellen in Verbindung zu setzen. Es sollte weiter versucht
werden, das Defizit der ADHD Kinder mit dem gesunden Entwicklungsverlauf
einzelner Aufmerksamkeitsfunktionen in Beziehung zu setzen und anhand des
Defizits der Patienten Hypothesen über die der Störung zugrunde liegenden
neuronalen Mechanismen aufzustellen.
Aus einer eher klinischen Perspektive beschäftigten sich Studien 1 und 2 mit der
Frage, ob Vorschüler mit ADHD ähnliche Leistungsdefizite in einer
neuropsychologischen Testbatterie zeigen wie sie bei Grundschülern mit ADHD
bereits beschrieben wurden und ob sich Methylphenidat (MPH) ähnlich auf die
Aufmerksamkeitsleistungen in dieser Altersgruppe auswirkt.
1. Vorschulkinder mit ADHD waren in einer neuropsychologischen Testbatterie
im Vergleich zu gesunden Kontrollkindern in allen untersuchten
Aufmerksamkeitsbereichen beeinträchtigt. Besonders ausgeprägt waren die
Gruppenunterschiede in den Parametern der Aufmerksamkeitsintensität und
bei kontrollierenden Aufmerksamkeitsfunktionen. Insgesamt zeichneten sich
die ADHD Kinder durch einen stark schwankenden, durch kurze
Unaufmerksamkeitsphasen und hohe Impulsivität geprägten Arbeitsstil aus.
Somit fanden sich bei der Vorschulgruppe ähnliche Befunde wie bei
Grundschülern mit ADHD.
2. Methylphenidat (MPH) verbesserte bei Vorschulkindern mit ADHD die
Aufmerksamkeitsintensität und exekutive Aufmerksamkeitsfunktionen in einer
neupsychologischen Testbatterie, so dass auch diese Befunde mit den
Ergebnissen zu Grundschülern mit ADHD vergleichbar sind.
In Studien 3, 4 und 5 wurde zur Abbildung der drei Aufmerksamkeitsnetzwerke ein
einheitliches Untersuchungsparadigma verwendet. Studie 3 sollte den gesunden
Entwicklungsverlauf dokumentieren, Studie 4 beinhaltete einen Vergleich zwischen
Gesunden und ADHD Patienten, und Studie 5 stellte diesen Gruppenvergleich erneut
115
3.
mit einer modifizierten Version des zunächst verwendeten Paradigmas an. Ziel war,
die in Studie 1 gefunden Defizite über eine modellgeleitete, einheitliche Aufgabe zu
verifizieren.
3. In der Attention Network Task (ANT; Fan et al., 2001) zeigte sich für das
Grundschulalter lediglich eine Verbesserung der Aufmerksamkeitsintensität
mit zunehmendem Alter. Das Aufmerksamkeitsverschiebungsnetzwerk und
kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen veränderten sich nicht während
dieser Zeitspanne.
4. ADHD Kinder schnitten in der ANT ähnlich ab wie Kontrollkinder. MPH
vergrößerte den aufmerksamkeitsaktivierenden Effekt visueller Warnreize,
was mit der Beeinflussung des noradrenergen Transmittersystems durch MPH
in Verbindung gebracht wurde. Beide Studien zur ANT konnten die
Hypothesen eines sich im Grundschulalter weiterentwickelnden
kontrollierenden Aufmerksamkeitssystems, das bei ADHD beeinträchtigt ist,
nicht bestätigen, so dass die ursprüngliche Aufgabe anhand theoretischer
Erwägungen modifiziert wurde.
5. Eine modifizierte Version der ANT erbrachte Gruppenunterschiede zwischen
ADHD und Kontrollkindern im Bereich exekutiver Aufmerksamkeitsfunktionen
und tendenziell für die Disengage Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung, wobei die ADHD Gruppe durch inkongruente
Zielreize einem stärkeren kognitiven Konflikt ausgesetzt war und den
Aufmerksamkeitsfokus schlechter von einem irrelevanten Hinweisreiz loslösen
konnte. Somit bestätigte die modifizierte Version der ANT die anfangs
aufgestellte Hypothese eines defizitären exekutiven
Aufmerksamkeitsnetzwerkes und beeinträchtigter Leistungen in der
Aufmerksamkeitsloslösung. Die Aufmerksamkeitsintensität unterschied sich
hier nicht zwischen Gesunden und ADHD Kindern.
Für Studien 6 und 7 wurden einheitliche okulomotorische Aufgaben entwickelt, die
sowohl die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke abbilden, als auch im Bereich
kontrollierender Aufmerksamkeitsfunktionen weiter zwischen verschiedenen
Inhibitionsaspekten unterscheiden sollten. Zunächst wurde der gesunde
Entwicklungsverlauf und anschließend der Vergleich zwischen ADHD und
Kontrollkindern betrachtet. Das okulomotorische Defizit der ADHD Kinder sollte mit
116
3.
den Erkenntnissen über die neuroanatomische Kontrolle einzelner
Augenbewegungsparameter verbunden werden und so zu Hypothesen bzgl. der am
neurokognitiven Defizit der ADHD beteiligten anatomischen Strukturen führen.
6. Es zeigten sich Unterschiede zwischen den jüngeren Kindern und den
Erwachsenen in allen untersuchten Aufgaben. Während die ältere
Kindergruppe ähnliche Leistungen wie die Erwachsenen in Hinblick auf
sakkadische Reaktionszeit und Genauigkeit und bzgl. des Gap- Effekts
erzielte, veränderte sich die intraindividuelle Variabilität der Reaktionszeit, die
Leistung in der Fixations-, in der Antisakkaden- und in der Countermanding
Sakkaden Aufgabe weiter nach einem Alter von 13 Jahren. Diese Ergebnisse
wurden mit der Reifung präfrontaler Hirnregionen in Verbindung gebracht.
7. Beide Gruppen zeigten ähnliche Leistungen in der sakkadischen
Antwortvorbereitung und in der sakkadischen Genauigkeit. Das
Fixationsparadigma, die Antisakkaden- und die Countermanding Sakkaden
Aufgabe ergaben Hinweise auf defizitäre okulomotorische
Inhibitionsleistungen bei Kindern mit ADHD. Die Tatsache, dass sich dieses
Defizit v.a. in der Countermanding Aufgabe und hier besonders in der
schwierigsten Bedingung zeigte, spricht für Schwierigkeiten dabei, eine
initiierte, bereits ablaufende Reaktion zu unterbrechen. Weiter wird diese
Aufgabe mit einer erhöhten Aktivität im Gyrus Cinguli Anterior in Verbindung
gebracht, so dass unsere Befunde mit den Bildgebungsstudien
übereinstimmen, die dieser Struktur eine wichtige Bedeutung in der
Pathophysiologie der ADHD zuschreiben.
Zusammenfassend sprechen unsere Ergebnisse dafür, dass Vor- und Grundschüler
mit ADHD ähnliche, aber möglicherweise nicht identische neuropsychologische
Defizitprofile aufweisen, die sich v.a. in einer Störung der Aufmerksamkeitsintensität
und exekutiver Aufmerksamkeitsfunktionen zeigen. Im Bereich der
Aufmerksamkeitsverschiebung scheinen die ADHD Kinder dann beeinträchtigt, wenn
die Aufgabe eine Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten
Stimulus oder Ort verlangt. Die Aufgaben, die wir zur Überprüfung der exekutiven
Aufmerksamkeitsfunktionen verwendeten, beinhalteten entweder einen kognitiven
Konflikt oder unterschiedliche Formen der Inhibition. Eine Differenzierung der
117
3.
Inhibitionsprozesse legte nah, dass v.a. das späte Unterbrechen einer bereits
initiierten, ablaufenden Reaktion bei ADHD Grundschülern beeinträchtigt ist.
Im Folgenden sollen nun zunächst Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zwischen ADHD
Vor- und Grundschülern im Detail betrachtet und diese mit Erkenntnissen aus
klinischen und bildgebenden Studien in Verbindung gesetzt werden. Anschließend
sollen die Ergebnisse, die bzgl. der Störung der Aufmerksamkeitsnetzwerke und
einzelner Aspekte exekutiver Funktionen bei ADHD Kindern gewonnen wurden, im
Rahmen von drei Modellen zum Inhibitions- bzw. kognitiven Defizit bei ADHD
diskutiert werden. Das Ende der übergreifenden Diskussion soll sich mit den
klinischen Implikationen und den theoretischen Einwänden beschäftigen.
3.2 Entwicklungsbedingte Veränderungen des ADHD Phänotyps
Unsere Vorschulgruppe unterschied sich in allen untersuchten
Aufmerksamkeitsbereichen von der gesunden Kontrollgruppe. Wenngleich Befunde
zu den drei Aufmerksamkeitsnetzwerken bei Grundschülern mit ADHD nicht
einheitlich sind, sprechen sie doch dafür, dass die Aufmerksamkeitsselektivität
weniger beeinträchtigt ist als die Aufmerksamkeitsintensität oder –aktivierung und
kontrollierende oder exekutive Aufmerksamkeitsfunktionen (Huang- Pollock und
Nigg, 2003, für eine Übersicht). Unsere ADHD Vorschüler waren in Übereinstimmung
mit diesen Befunden auch in den letztgenannten Aufmerksamkeitsbereichen stärker
beeinträchtigt als im posterioren Aufmerksamkeitssystem, dennoch wäre denkbar,
dass hier störungsspezifische Entwicklungsaspekte eine Rolle spielen. Das
posteriore Aufmerksamkeitssystem entwickelt sich wie in Kapitel 1.4 beschrieben
während Vorschul- und Grundschulzeit noch weiter v.a. dann, wenn die Aufgabe eine
Loslösung des Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten Stimulus oder Ort
erfordert (Akhtar und Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989; Wainright und Bryson,
2000; Klein, 2001; Klein und Foerster, 2001). In der Diskussion zu Studie 1 wurde
erwähnt, dass unsere Aufgabe zur Überprüfung der Aufmerksamkeitsselektivität
diese Disengage Komponente möglicherweise stärker beinhaltete als zunächst
erwartet. Denkbar wäre nun, dass sich in der ADHD Gruppe diese
Aufmerksamkeitskomponente anders entwickelt als in der Kontrollgruppe. Anders
gesagt, eine störungsspezifische Entwicklungsverzögerung könnte in der ADHD
118
3.
Gruppe dazu geführt haben, dass die Loslösung des Aufmerksamkeitsscheinwerfers
noch schlechter gelingt als in der Kontrollgruppe. Diese Hypothese einer
störungsspezifischen Entwicklungsverzögerung wurde bereits von anderen Autoren
postuliert (Barkley, 1997). Einige Studien zur Aufmerksamkeitsverschiebung bei
Grundschülern mit ADHD finden auch in dieser Altersgruppe, wenn auch nicht
durchgängig, ebenfalls Defizite im Bereich der Aufmerksamkeitsloslösung (Epstein et
al., 1997; Swanson et al., 1991; Wood et al., 1999), so dass es sich auch um ein von
entwicklungsbedingten Veränderungen unabhängiges störungsspezifisches Defizit
handeln könnte. Auf eine mögliche Interaktion aus Entwicklung und Störung wurde
bereits in der Diskussion zu Studie 1 eingegangen.
Bisher existieren unsers Wissens nach keine Studien, die die morphometrische und
strukturelle Hirnentwicklung zwischen Vor- und Grundschülern mit ADHD
vergleichen. Bildgebungsstudien, die anatomische und funktionelle Unterschiede
zwischen Kindern und Erwachsenen mit ADHD betrachten, finden im
Erwachsenenalter eine im Vergleich zu gesunden Probanden stärker ausgeprägte
frontale Hypoaktivität als bei jugendlichen ADHD-Patienten (Ernst et al., 1998). Van
Dyk und Mitarbeiter (2002) fanden bei erwachsenen Patienten im Gegensatz zu den
jüngeren ADHD Probanden keine eindeutigen Abnormitäten in der striatalen
Dopamin-Transporterdichte und brachten dies mit der altersbedingten Abnahme der
motorischen Unruhe in Verbindung.
Bildgebungsstudien zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit ADHD Abweichungen
in der Anatomie und Funktion des Nucleus Caudatus, der Frontallappen, des Corpus
Callosum und des cerebellären Wurms aufweisen (Giedd et al., 1996; Filipek et al.,
1997) sowie eine funktionelle Unteraktivierung in fronto-striatalen Bahnen (Vaidya et
al., 1998). Die gesunde Entwicklung dieser Hirnstrukturen wurde bereits vom
Vorschulalter an untersucht: während sich das Gesamthirnvolumen nach dem 5.
Lebensjahr nicht mehr signifikant zu verändern scheint, nimmt die weiße Substanz
im Alter von 4 bis 18 Jahren zu, wobei die größte Volumenzunahme im Bereich des
präfrontalen Kortex stattfindet (Giedd et al., 1996; Reiss et al., 1996). Das
Basalganglienvolumen, und hier besonders das Volumen des Kopfes des Nucleus
Caudatus, scheint hingegen in dieser Altersspanne graduell abzunehmen
(Thompson et al., 2000). Auch das Cerebellum unterliegt in dieser Alterspanne
reifungsbedingten Veränderungen und erreicht als letzte Hirnstruktur das Volumen
eines Erwachsenen (Doyon et al., 2000).
119
3.
Zusammenfassend legen die Ergebnisse zu altersbedingten Veränderungen des
ADHD Phänotyps zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter nahe, dass
cerebrale Reifungsvorgänge auch zu früheren Zeitpunkten eine Rolle bei einer
altersbedingten Veränderung der ADHD spielen, auch, wenn bisher keine Befunde
zum Vergleich zwischen Vor- und Grundschülern mit ADHD vorliegen.
Einschränkend sollte allerdings bedacht werden, dass sowohl kognitive als auch
Bildgebungsstudien trotz deutlicher Veränderungen im frühen Kindesalter den
Zeitpunkt kurz vor bzw. in der Pubertät für die Reifung präfrontalen Hirngebiete als
entscheidend erachten (Kanemura et al., 2003; Fuster, 1997; Takahashi et al., 1999).
Castellanos und Tannock (2002) schlagen vor, die Gruppe der ADHD Patienten in
fünf Untergruppen zu unterteilen, wobei sie dem Endophänotyp, der v.a. Defizite im
Bereich der Zeitverarbeitung aufweist, besonders cerebellären Auffälligkeiten
zuordnen. Unsere ADHD Vorschulgruppe reagierte schwankender als die
Kontrollgruppe, wie es zwar auch bei Grundschülern mit ADHD beschrieben wurde
(Kuntsi et al., 2001; Kuntsi und Stevenson, 2001). Denkbar wäre aber auch, dass
aufgrund struktureller Veränderungen im Cerebellum im Vorschulalter (Giedd et al.,
1996) dieser Endophänotyp im Vorschulter häufiger vorkommt als im
Grundschulalter.
In einem Vergleich zwischen ADHD Vor- und Grundschülern mit großen
Normstichproben fanden wir, dass 73% der Vorschüler und 72% der Grundschüler
Defizite in mindestens einem Aufmerksamkeitsbereich zeigten und somit hinsichtlich
der Auftretenshäufigkeit von objektivierbaren Aufmerksamkeitsstörungen identisch
waren (Hanisch et al., 2004). Wenn auch möglicherweise die Art der Auffälligkeiten
entwicklungsbedingt unterschiedlich sein mag, spricht dieser Befund gegen die
Annahme einer altersabhängigen grundsätzlichen Veränderung des ADHD
Phänotyps (Döpfner et al., 2000). Aufmerksamkeitsdefizite, die bei ADHD Kindern
auf objektiver neuropsychologischer Ebene bereits vor Schuleintritt vorzuliegen
scheinen, werden möglicherweise aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an die
Aufmerksamkeitsleistung von Vor- und Grundschülern nicht erkannt (Barkley, 1997).
Hierfür sprach weiter, dass die Vorschüler in unserem Vergleich zwischen Vor- und
Grundschülern im Widerspruch zu den neuropsychologischen Befunden als weniger
unaufmerksam beschrieben wurden als die Grundschüler. Ein ähnliches Ausmaß an
motorischer Überaktivität in beiden Gruppen legte aber nah, dass sie vergleichbar
beeinträchtigt waren.
120
3.
Zusammenfassend führen Hirnreifungsprozesse bzw. die Interaktion aus Hirnreifung
und der ADHD möglicherweise zu altersabhängigen Unterschieden in den
neuropsychologischen Defiziten. Unsere Befunde sprechen allerdings dafür, dass
sich die Defizite auch bei Vorschülern mit ADHD v.a. auf die
Aufmerksamkeitsintensität und auf kontrollierende Aufmerksamkeitsfunktionen
beziehen.
Bezüglich der Wirksamkeit von MPH auf die Aufmerksamkeitsleistungen von ADHD
Kindern fanden wir bei den Vorschülern ähnliche Ergebnisse wie sie in der Literatur
zu Grundschülern mit ADHD beschrieben wurden (van der Meere, 1995; Tannock et
al., 1995; Konrad et al., 2004). Wie bereits beschrieben ist nicht abschließend
geklärt, ob MPH zu einer generellen Verbesserung der Informationsverarbeitung
führt oder einzelne spezifische Aufmerksamkeitsaspekte beeinflusst (Bedard et al.,
2003). Da sich in unserer Studie 2 alle Variablen im Trend, aber nur die der
Aufmerksamkeitsintensität und kontrollierender Funktionen deutlich verbesserten,
können wir diese Frage ebenfalls nicht beantworten. In Übereinstimmung mit den
Studien, die bei ADHD Vorschülern auf der Verhaltensebene MPH assoziierte
Veränderungen fanden (Connor, 2002), gehen wir davon aus, dass MPH bei
Vorschülern zu ähnlichen Effekten führt wie bei Grundschülern.
Studien, die sich mit dem Einfluss von verschiedenen MPH Dosierungen auf
unterschiedliche Aufmerksamkeitsaspekte beschäftigen, schlagen vor, das
individuelle neuropsychologische Defizitprofil zur Bestimmung der optimalen
Medikationsdosis heranzuziehen (Tannock et al., 1995; Tannock et al., 1999; Konrad
et al., 2004). Während auch bei Grundschülern Uneinigkeit darüber herrscht, ob
Verhaltensbeobachtungsbögen Unaufmerksamkeit unabhängig vom Maß der
Impulsivität und Hyperaktivität messen können (Konrad et al., im Druck; Wolraich et
al., 2003), sprechen unsere Befunde zum fehlenden Zusammenhang zwischen
objektivierbaren Aufmerksamkeitsbeeinträchtigungen und der Bewertung der
Aufmerksamkeitsleistung in der Verhaltensbeobachtung dafür, dass im Vorschulalter
eine Beurteilung der Aufmerksamkeit im Alltag schwierig ist (Hanisch et al., 2004).
Somit scheint gerade im Vorschulalter eine neuropsychologische Diagnostik sinnvoll,
um das Vorliegen einer Aufmerksamkeitsstörung zu objektivieren und Hinweise auf
eine sinnvolle Dosierung der MPH Medikation zu geben.
121
3.
3.3 Aufmerksamkeitsnetzwerke/ Inhibitionsaspekte
Es wurde davon ausgegangen, dass die drei Aufmerksamkeitsnetzwerke sowohl
unterschiedliche Entwicklungstrajektorien aufweisen als auch eine unterschiedliche
Rolle im neurokognitiven Defizit der ADHD spielen.
Unsere Entwicklungsstudien sowohl zur ANT als auch mit Hilfe okulomotorischer
Paradigmen sprachen dafür, dass gesunde Kinder bereits im Alter von 5 Jahren in
der Lage sind, die Aufmerksamkeit im Raum auszurichten. Die Fähigkeit, den
Aufmerksamkeitsfokus von einem irrelevanten Reiz wegzulenken scheint sich
entsprechend unserer Annahmen im Alter zwischen 5 und 13 Jahren noch weiter zu
entwickeln. Beide Untersuchungsmethoden sprachen weiter für eine kontinuierliche
Verbesserung des Aufmerksamkeitsintensitätsnetzwerkes in der untersuchten
Altersspanne. Während unsere Entwicklungsstudie zur ANT keine Veränderungen in
der Leistung des exekutiven Aufmerksamkeitsnetzwerkes belegen konnte, legten
unsere okulomotorischen Inhibitionsparadigmen deutliche Verbesserungen im
Bereich anteriorer Aufmerksamkeitsfunktionen auch nach einem Alter von 13 Jahren
nahe.
Unsere neuropsychologische Testbatterie, die modifizierte Version der ANT und die
okulomotorischen Aufgaben zeigten Unterschiede zwischen ADHD und
Kontrollkindern in der Aufmerksamkeitsintensität und in exekutiven
Aufmerksamkeitsleistungen. Weniger ausgeprägt waren die Gruppenunterschiede im
Bereich der Aufmerksamkeitsausrichtung.
Unsere unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen erbrachten somit
ähnliche Ergebnisse wie wir sie anfangs vermutet hatten sowohl bzgl. der gesunden
Entwicklung als auch bzgl. der ADHD korrelierten Beeinträchtigung der drei
Aufmerksamkeitsnetzwerke. Im Detail zeigten sich allerdings auch Widersprüche
zwischen den Untersuchungsparadigmen, die auf die Operationalisierung der
Aufmerksamkeitsparameter zurückgeführt werden können und im Folgenden
beschrieben werden sollen. Abschließend sollen zwei miteinander konkurrierende
Modelle zum neurokognitiven Defizit bei ADHD Patienten mit unseren Ergebnissen in
Beziehung gesetzt werden.
122
3.
Operationalisierung Aufmerksamkeitsintensität
Die neuropsychologische Testbatterie operationalisierte diesen
Aufmerksamkeitsbereich über eine Aufgabe zur einfachen Reaktionsbereitschaft und
über eine Daueraufmerksamkeitsaufgabe. Gruppenunterschiede zeigten sich v.a. im
Bereich der Daueraufmerksamkeit. Sowohl der ursprüngliche als auch die
modifizierte ANT beinhaltete in Durchgängen, in denen dem Zielreiz ein zentraler
Hinweisstimulus vorausging, eine Komponente der phasischen
Aufmerksamkeitsaktivierung. Keine der beiden ANT Varianten war in der Lage,
Unterschiede zwischen ADHD und Kontrollkindern nachzuweisen. In den
okulomotorischen Untersuchungsparadigmen stellte die Reaktionsgeschwindigkeit in
der Gap- Bedingung der Prosakkadenaufgabe ein ähnliches Maß der phasischen
Alertness dar: ein Teil der Reaktionszeitdifferenz zwischen Gap- und Overlap-
Durchgängen wird auf die aufmerksamkeitsaktivierende Komponente des Erlöschend
des zentralen Fixationsreizes in Gap- Trials zurückgeführt (Findley und Walker,
1999). ADHD und Kontrollkinder reagierten in Gap- Durchgängen gleich schnell und
zeigten somit vergleichbare aufmerksamkeitsaktivierende Effekte.
Die allgemeine Reaktionsgeschwindigkeit und die intraindividuelle Schwankung der
Reaktionsschnelligkeit stellen Maße der Aufmerksamkeitsintensität dar (Sergeant et
al., 1999; Posner und Petersen, 1990; Huang- Pollack und Nigg, 2003), so dass sich
die Güte dieser Aufmerksamkeitskomponente in den Leistungen in anderen
Aufmerksamkeitsbereichen widerspiegelt (Parasuraman et al., 1998; Tucker und
Williamson, 1984). In der neuropsychologischen Testbatterie neigte die ADHD
Gruppe zu größeren intraindividuellen Standardabweichungen der Reaktionslatenz,
in den okulomotorischen Aufgaben zeigte sich dieser Trend nicht. In der ANT wurde
dieses Maß der Reaktionsbereitschaft aus methodischen Erwägungen nicht
betrachtet (siehe Methodenteil Studie 2).
Während somit die ADHD Patienten Leistungsdefizite in der neuropsychologischen
Testbatterie im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität zeigten, fanden wir keine
Gruppenunterschiede über die anderen beiden Herangehensweisen.
Hauptunterschied zwischen unseren Studien war, dass Studie 1 die Fähigkeit
überprüfte, einen tonischen Status der Wachheit und Aufmerksamkeit über die Zeit
aufrecht zu erhalten (Weinberg und Harper, 1993), während Studien 4, 5 und 7
Gruppenunterschiede in der phasischen Alertness aufzudecken versuchten. Die
123
3.
Schwankung der Reaktionslatenz von Durchgang zu Durchgang wird der phasischen
Aufmerksamkeitsaktivierung zugeordnet (Huong- Pollock et al, 2000). Bzgl. beider
Parameter der Aufmerksamkeitsintensität, tonischer und phasischer Alertness, liefert
die ADHD Literatur uneinheitliche Befunde (siehe 1.5). Unsere neuropsychologische
Testbatterie bestätigt das von anderen berichtete ADHD assoziierte
Daueraufmerksamkeitsdefizit (Sergeant et al., 1999; van der Meere und Sergeant,
1988) und legt aufgrund hoher intraindividueller Reaktionszeitschwankungen weiter
Probleme im Bereich der phasischen Aufmerksamkeitsaktivierung nah. Da sich v.a.
die phasische Wachheit im Grundschulalter noch fortentwickelt, könnten
Altersunterschiede in den ADHD Gruppen bei den widersprüchlichen Ergebnissen
zwischen den Untersuchungsmethoden eine Rolle gespielt haben (siehe 3.2).
Andererseits wurde besonders für die Aufrechterhaltung eines aufmerksamen
Wachheitszustandes über die Zeit die Rolle einer intrinsischen, von äußerer
Stimulation unabhängigen Aktivierung betont (van Zomeren und Brouwer, 1994).
ADHD Patienten sind in hohem Maße von einer externen Stimulation abhängig
(Swanson et al., 1991; Nigg et al., 1997; van der Meere und Stermerdink, 1999), so
dass ein Defizit im Bereich der intrinsischen Aktivierung Leistungseinbußen in den
anderen Aufmerksamkeitsaspekten zur Folge gehabt haben könnte (siehe unten).
Operationalisierung Aufmerksamkeitsselektivität
Die neuropsychologische Testbatterie erfasste die Aufmerksamkeitsselektivität über
eine Aufgabe zur fokussierten Aufmerksamkeit. In der Diskussion zu Studie 1 wurde
bereits darauf eingegangen, dass diese spezielle Aufgabe neben Komponenten der
selektiven Wahrnehmung und Aufmerksamkeit auch eine
Aufmerksamkeitsverschiebung im Raum erforderte und das Loslösen des
Aufmerksamkeitsfokus von irrelevanten Reizen und Orten im Raum (DeSonneville,
2001). ADHD Kinder zeigten hier schlechtere Leistungen als Kontrollkinder. Die
ursprüngliche ANT bildete lediglich die Fähigkeit ab, die Aufmerksamkeit im Raum
auszurichten, während die modifizierte Version auch die Disengage Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung überprüfte. Tendenzielle Unterschiede zwischen
ADHD und Kontrollgruppe zeigten sich in der Modifizierung der ANT. In den
okulomotorischen Untersuchungsparadigmen spiegelte die Größe des Gap- Effekts
in der Prosakkadenaufgabe die Fähigkeit wider, den Aufmerksamkeitsfokus vom
bestehen bleibenden Fixationspunkt weg und zum Zielreiz hin zu verschieben. Die
124
3.
Entwicklungsstudie legte nah, dass sich diese Fähigkeit im Alter von 11-13 Jahren
dem Erwachsenen- Niveau anpasst. Die ADHD Kinder zeigten hier vergleichbare
Leistungen wie Kontrollkinder. Um die unterschiedlichen Befunde zwischen den
Untersuchungsmethoden zu erklären, sind mindestens zwei Argumente denkbar:
Erstens könnte der Altersunterschied zwischen den in den drei Studien untersuchten
ADHD Gruppen eine Rolle gespielt haben. Die Disengage- Komponente der
Aufmerksamkeitsverschiebung entwickelt sich später als andere Komponenten
dieses Aufmerksamkeitsbereichs (Akthar und Enns, 1989; Enns und Brodeur, 1989;
Wainright und Bryson, 2000; Klein 2001; Klein und Foerster, 2001), so dass eine
Interaktion aus Entwicklung und Störung den Gruppenunterschied in Studie 1
produziert haben könnte (siehe Kapitel 3.2). Zweitens könnten Unterschiede in der
Erfassung der Aufmerksamkeitsverschiebung Differenzen erklären. Der Gap- Effekt
in der okulomotorischen Aufgabe beinhaltet das Loslösen des zentral ausgerichteten
Aufmerksamkeitsfokus hin zu einem peripher erscheinenden Zielreiz. Das
Erscheinen des peripher dargebotenen Zielstimulus beinhaltet sowohl eine
aufmerksamkeitsaktivierende Komponente als auch eine reflexive
Aufmerksamkeitsausrichtung in die Peripherie (Findley und Walker, 1999; Leigh und
Kennard, 2004). Diese beiden Anteile könnten die Loslösung der Aufmerksamkeit
vom zentralen Fixationspunkt erleichtert und dadurch Gruppenunterschiede
verringert haben. Hierfür spricht, dass in handmotorischen Aufgaben ohne zentrale
Fixation die Aufmerksamkeits- Disengage- Komponente auch in der Pubertät
weniger gut zu gelingen scheint als im Erwachsenenalter (Wainright und Bryson,
2000), wir aber in unserer okulomotorischen Entwicklungsstudie keine Unterschiede
zwischen 11-13 Jährigen und Erwachsnen fanden.
Insgesamt entsprechen somit unserer uneinheitlichen Befunde bzgl. eines ADHD
assoziierten Defizits in der Aufmerksamkeitsausrichtung der Literatur zu diesem
Aufmerksamkeitsbereich, die sowohl Befunde für (Epstein et al., 1997; Swanson et
al., 1991; Wood et al., 1999) als auch solche gegen (Novak et al., 1995; Nigg et al.,
1997; Pearson et al., 1995) ein Defizit im Bereich der Aufmerksamkeitsloslösung
beschreibt. Wir fanden am ehesten dann einen Gruppenunterschied, wenn die
Aufgabe sowohl eine räumliche Aufmerksamkeitsausrichtung als auch eine selektive
Reaktion auf Stimuluskonstellationen beinhaltete, wobei Unterschiede in den
untersuchten Altersgruppen keine eindeutige Schlussfolgerung zulassen.
125
3.
Der posteriore und temporalen Parietallappen und hier v.a. die rechte Hemisphäre
wird mit der Disengage- Komponente der Aufmerksamkeitsverschiebung in
Verbindung gebracht (Friedrich et al. 1998; Karnath et al., 2001; Posner, 1984; Perry
und Zeki, 2000), und es wird angenommen, dass von hier aus starke Verbindungen
zum frontalen Kortex bestehen (Goldman-Rakic et al., 1988). Somit legen die
beteiligten anatomischen Netzwerke eine deutliche Assoziation zwischen exekutivem
Aufmerksamkeitsnetzwerk und der Aufmerksamkeitsloslösung nahe (Posner und
Fan, im Druck). Eine neuere Arbeit zu morphometrischen Auffälligkeiten von ADHD
Kindern fand vergrößerte Volumina im Bereich des bilateralen posterioren
temporalen und posterioren parietalen Kortex und interpretierte dies im Sinne weit
ausgedehnter neuroanatomischer Auffälligkeiten bei ADHD Patienten (Sowell et al.,
2003). Ginge man also davon aus, dass bei ADHD primär das anteriore
Aufmerksamkeitssystem beeinträchtigt ist (Barkley, 1997), scheint plausibel, dass
über die engen inhaltlichen und anatomischen Verbindungen zwischen anteriorem
Netzwerk und der Aufmerksamkeitsloslösung auch im letztgenannten Defizite bei
ADHD Patienten vorliegen.
Operationalisierung exekutive Aufmerksamkeit
Da einem Inhibitionsdefizit eine wichtige Rolle bei der Beschreibung der kognitiven
Störung von ADHD Patienten zukommt (Barkley, 1997; Sergeant et al., 2003),
überprüfen alle hier verwendeten Aufgaben verschiedene Aspekte inhibitorischer
Leistungen. Barkley (1997) unterscheidet drei Formen der Inhibition: Erstens
Inhibition einer prepotenten Reaktion, zweitens Inhibition einer bereits begonnenen
Reaktion und drittens Interferenzkontrolle. Nigg (2001) ordnet die erst genannten
Inhibitionsformen in seinem Modell zum Inhibitionsdefizit bei ADHD Patienten der
exekutiven motorischen Inhibition zu, während er die Interferenzkontrolle separat
betrachtet. Barkleys Einteilung befolgend gehen wir davon aus, dass unsere Go-
Nogo Aufgabe und die Antisakkadenaufgabe die Inhibition einer prepotenten
Reaktion abbildet, während die Countermanding Sakkaden Aufgabe die Inhibition
einer bereits andauernden Reaktion misst. Die Flankierungs-Aufgabe in der ANT
sollte ein Maß für die Interferenzkontrolle darstellen.
Wenngleich somit sowohl Barkley als auch Nigg der Go-Nogo Aufgabe und der
Antisakkadenaufgabe ähnliche Inhibitionsaspekte zuordnen, unterscheiden sich die
Anforderungen doch im Detail: in der Go-Nogo Aufgabe wird durch die häufigere
126
3.
Präsentation des Go-Stimulus ein Reaktionsmodus aufgebaut, der die Reaktion auf
den Zielreiz deutlich erleichtert. Die Reaktionsinhibition auf das Erscheinen des
Nicht-Zielreizes stellt somit eine Unterbrechung des gewohnten Reaktionsmodus dar.
Im Unterschied zur Go-Nogo Aufgabe muss in der Antisakkadenaufgabe nicht nur
eine prepotente Reaktion unterdrückt werden, sondern es muss zusätzlich eine
Sakkade in die Gegenrichtung ausgeführt werden, so dass hier eine
Arbeitsgedächtniskomponente enthalten ist (Funahashi et al., 1990; Sweeney et al.,
1996). Die Literatur, die ADHD assoziierte Defizite in der Go-Nogo Aufgabe
beschreibt, ist umfangreich und geht überwiegend von geringeren Leistungen bei
ADHD Probanden aus (z.B. Borger und van der Meere, 2000; Vaidya et al., 1998;
Trommer et al., 1991). Die Befunde zur Antisakkadenaufgabe sind weniger
einstimmig (Aman et al., 1998; Castellanos et al., 2000; Munoz et al., 1999; Nigg et
al., 2001; Rothlind et al., 1991).
Aufgaben zur exekutiven Aufmerksamkeit werden mit dem präfrontalen Kortex, und
hier v.a. mit den dorsolateralen Anteilen, und dem anterioren Cingulum in
Verbindung gebracht (Casey et al., 1997; Casey et al., 2000; Funahashi et al., 1990;
Funahashi et al., 1993; Sweeney et al., 1996; Luna et al., 2001; Ito et al., 2003),
wobei letztgenanntes mit der aktiven Unterdrückung konkurrierender Reaktionen
assoziiert zu sein scheint (Posner und DiGirolamo, 1998; van Veen et al., 2001;
Isomura et al. 2003). Im Detail widersprechen sich die Befunde hinsichtlich der
genauen Lokalisation Aufgaben- spezifischer Aktivierungen. So bringen einige
Autoren z.B. die Antisakkadenaufgabe eher mit prämotorischen (O’Driscoll 1995) als
mit präfrontalen (Funahashi et al., 1990; Funahashi et al., 1993; Sweeney et al.,
1996; Luna et al., 2001) Arealen in Zusammenhang. Zum Teil widersprüchliche
Befunde lassen sich, wie bereits in der Diskussion zu Studie 7 angesprochen, durch
Unterschiede in der Operationalisierung der Aufgabe erklären. Die Annahme eines
exekutiven Aufmerksamkeitsnetzwerkes, das unabhängig von den spezifischen
Aufgabenanforderungen im präfrontalen Kortex anzusiedeln ist, wurde durch eine
fMRT Studie bestätigt, die für einen Wort- Stroop, einen Farben- Stroop und für eine
Flankierungs- Aufgabe distinkte, aber überlappende Aktivierungen fand (Fan et al.,
2003). Allen Aufgaben gemeinsam war die Aktivierung im anterioren Cingulum und
im präfrontalen Kortex.
Gehen wir also davon aus, dass alle verwendeten Inhibitionsparadigmen das
eingangs postulierte anteriore Aufmerksamkeitssystem aktivieren (Posner und
127
3.
DiGirolamo, 1998; Posner und Fan, im Druck), ist für die Beschreibung des ADHD
assoziierten Defizits in diesem Aufmerksamkeitsbereich von Interesse, welche
spezifischen Prozesse beeinträchtigt sind. Unsere Studien deuten darauf hin, dass
die exekutive motorische Inhibition, wie sie Nigg (2001) definiert und wie sie die Stop
Signal und die Go-Nogo Aufgabe misst, bei ADHD Kindern beeinträchtigt ist. Unsere
Befunde zur Stop Signal Aufgabe sprachen weiter für ganz spezifische Auffälligkeiten
im Stop Prozess, die sich v.a. dann zeigten, wenn gewohnte Reaktionsmodi
unterdrückt werden mussten (siehe Diskussion zu Studie 7). Andere Aspekte der
motorischen Inhibition wie sie in der Antisakkadenaufgabe gefordert werden,
schienen unbeeinträchtigt. Die Interferenzkontrolle, gemessen über die Flankierungs-
Aufgabe, scheint ebenfalls bei ADHD Kindern schlechter, wobei sich dieses Defizit
durch die Einführung eines verhaltenskontingenten Feedbacks oder durch andere
methodische Aspekte (siehe Einleitung Studie 5) verringern zu lassen schien.
Über die Untersuchungsmethoden hinweg schienen unseren ADHD Probanden im
Bereich exekutiver Aufmerksamkeitsleistungen v.a. die Inhibition gewohnter
Reaktionsmuster weniger gut zu gelingen als den Kontrollkindern.
Gehen wir nun aufgrund unserer Befunde davon aus, dass ADHD Kinder ein Defizit
im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität, und hier v.a. bei der Aufrechterhaltung der
Aufmerksamkeit über die Zeit, und im Bereich der exekutiven Kontrolle v.a. bei der
Unterbrechung gewohnter oder prepotenter Reaktionsweisen haben, stellt sich die
Frage, was diesem Aufmerksamkeitsdefizit zugrunde liegt.
Modelle zum neurokognitiven Defizit der ADHD: Inhibitionsstörung vs. Störung
der Aktivierung
Barkley (1997) beschreibt in seinem Modell zur kognitiven Störung bei ADHD
Patienten, dass übergeordnete Aufmerksamkeitsfunktionen und hier wiederum in
erster Linie die Inhibitionsleistungen primär gestört sind und sekundär andere
kognitiven Funktionen beeinträchtigen. Ein weiteres Modell zum neurokognitiven
Defizit der ADHD, das „cognitive-energetic-model“ von Sergeant und Mitarbeitern
betrachtet die kognitive Störung aus der umgekehrten Perspektive und versteht ein
Defizit im Bereich der Aufmerksamkeitsaktivierung oder der Anstrengung als primäre
Störung, das andere Aufmerksamkeitsbereiche in Mitleidenschaft zieht (Sergeant et
al., 1999).
128
3.
Ein Argument für die zweite Annahme ist, dass sich die Leistung von ADHD Kindern
in Inhibitionsaufgaben verbessert, wenn die Präsentationsrate der Stimuli gesteigert
und so das Aktivierungsmaß verändert wird (Van der Meere und Stermerdink, 1999).
Das bereits erwähnte Defizit im Bereich des Belohnungssystems (siehe Diskussion
zu Studie 4; Sonuga- Barke et al., 1992, 1996; Johansen et al., 2002) spricht weiter
für Sergeants Annahme eines ADHD- assoziierten Defizits im Bereich der
Anstrengung.
Barkleys Modell findet Unterstützung in der Beobachtung, dass besonders die
Inhibitionsleistungen bei ADHD Kindern gestört und keinesfalls alle
Aufmerksamkeitsprozesse beeinträchtigt sind, wie man es bei einem grundsätzlichen
Defizit in der Aufmerksamkeitsaktivierung oder Anstrengung wie oben angenommen
erwarten würde (Nigg, 2001).
Unsere Netzwerk orientierte Herangehensweise versucht lediglich, die Unterschiede
zwischen ADHD und Kontrollkindern zu beschrieben und hat nicht den Anspruch zu
klären, welches Defizit einem anderen zugrunde liegt. Die gefundenen Auffälligkeiten
im Bereich der Aufmerksamkeitsintensität und in kontrollierenden
Aufmerksamkeitsfunktionen sind mit beiden oben beschriebenen Modellannahmen
vereinbar.
3.4 Klinische Relevanz
Im Folgenden sollen zunächst die Vor- und Nachteile unserer drei
Herangehensweisen zur Überprüfung der Aufmerksamkeitsleistungen von ADHD
Kindern für die klinische Praxis erläutert werden. Anschließend soll eine
Stellungnahme zur klinischen Relevanz der Ermittlung eines individuellen
neuropsychologischen Defizitprofils folgen.
Vor- und Nachteile der drei Untersuchungsmethoden
Neuropsychologische Testbatterien wie die Amsterdam Neuropsychological
Testbatterie (DeSonneville, 2001) oder die Testbatterie zur
Aufmerksamskeitsprüfung (Fimm und Zimmermann, 2001) finden seit einiger Zeit
Anwendung in der klinischen Diagnostik von Aufmerksamkeitsstörungen im Kindes-
und Jugendalter, so dass mit diesen und anderen neuropsychologischen
Testverfahren nicht nur umfangreiche Normdaten sondern auch umfassende
129
3.
klinische Erfahrungen bei der Erfassung von Aufmerksamkeitsstörungen vorliegen
(DeSonneville, 2001; Fimm und Zimmermann, 2001; Costa et al., 2004). Geht es
aber um die Überprüfung einzelner Aufmerksamkeitsaspekte, um z.B. anhand der
Funktionsfähigkeit der jeweiligen Aufmerksamkeitsnetzwerke eine MPH
Dosisempfehlung abzugeben (siehe 1.6), stellt die wenig einheitliche
Operationlisierung verschiedener Aufmerksamkeitsparameter ein Problem dar. In der
klinischen Anwendung sind diese methodischen Aspekte allerdings als eher wenig
bedeutend einzuschätzen.
Eine einheitliche, effiziente und Modell geleitete Erfassung der drei
Aufmerksamkeitsnetzwerke bietet die ANT. In unseren Studien hat sie sich zwar als
weniger geeignet erwiesen, die Gruppen auf Variablenebene voneinander zu
unterscheiden, betrachtete man allerdings die relevanten Variablen gleichzeitig,
konnte eine zuverlässige Vorhersage über die jeweilige Gruppenzugehörigkeit
gemacht werden. Die Erhebung größerer altersabhängiger Stichproben müsste
klären, ob die Befunde zur ursprünglichen und zur modifizierten Version der ANT auf
weitere Stichproben generalisierbar sind bzw. ob sie in der Lage ist, Defizite in den
Aufmerksamkeitsnetzwerken bei ADHD Probanden reliabel aufzudecken.
Vorteil okulomotorischer Paradigmen ist, dass es hier nicht zu einer Konfundierung
von feinmotorischen Komorbiditäten und Aufmerksamkeitsproblemen kommt, so
dass sie gerade bei Kindern, bei denen neben der ADHD auch noch eine fein- oder
grobmotorische Koordinationsstörung vorliegt, eine viel versprechende
Untersuchungsmethode darstellen. Eine Vorhersage über die Gruppenzugehörigkeit
gelang anhand der Leistungen in den ausgewählten Paradigmen allerdings weniger
gut als über die neurpsychologischen Testbatterien oder über die ANT.
Darüber hinaus ist die Datenerhebung und –auswertung bei okulomotorischen
Aufgaben deutlich umfangreicher als bei handmotorischen Computeraufgaben, so
dass dadurch die Verwendbarkeit in der klinischen Diagnostik eingeschränkt ist. In
unseren Voruntersuchungen war es außerdem schwierig, ADHD Kinder unter 8 oder
9 Jahren und deutlich hypermotorische Kinder mit dieser Methode zu untersuchen.
Für den klinischen Einsatz sind somit die neuropsychologischen Testbatterien nach
wie vor am praktikabelsten und können ADHD und Kontrollgruppe am
zuverlässigsten anhand ihrer Leistungsprofile voneinander trennen.
130
3.
Relevanz eines neuropsychologischen Defizitprofils
Unterschiedliche Aufmerksamkeitsleistungen sprechen unterschiedlich gut auf eine
Methylphenidat (MPH) Medikation an (siehe 1.6). Zusätzlich unterscheiden sich die
Dosierungen, von denen Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität auf der
Verhaltensebene optimal profitieren (Swanson et al., 2002). Einige Autoren schlagen
daher vor, in den Dosierungsprozess neuropsychologische Daten mit einzubeziehen
(Tannock et al., 1995; Konrad et al., 2004). Andererseits wird die ökologische
Validität der Aufmerksamkeitsmaße, die durch neuropsychologische Testbatterien
erhoben werden, kontrovers diskutiert (Chaytor und Schmitter- Edgecombe, 2003).
So ist z.B. anzunehmen, dass im Schulalltag kontrollierende
Aufmerksamkeitsfunktionen nicht allein oder unabhängig von beispielsweise
Daueraufmerksamkeitsleistungen gefragt sind. Der geringe Zusammenhang
zwischen neuropsychologischen und verhaltensmäßigen Aufmerksamkeits- und
Aktivitätsmaßen (Konard et al., 2004; Konrad et al., im Druck) legt nah, dass die
Betrachtung einer Variablenebene (z.B. Verhaltensbeurteilungen durch die Lehrer)
möglicherweise zu wenig Informationen bietet und spricht dafür, in den Diagnostik-
und Dosierungsprozess möglichst viele Messgrößen einzuschließen. Der
Zusammenhang zwischen subjektiven und objektiven Größen der Aufmerksamkeit,
Impulsivität und Aktivität wurde bisher kaum systematisch im Zusammenhang mit
einer MPH Medikation untersucht. Die klinische Erfahrung zeigt allerdings, dass
neuropsychologische Defizitprofile bzw. Aufmerksamkeitsuntersuchungen unter
unterschiedlichen MPH Dosierungen eine hilfreiche Unterstützung bei der
Dosisfindung darstellen und gerade in klinisch unklaren Fällen aufschlussreich sein
können. Weiter ist es bei manchen Patienten aufgrund niedriger Behandlungs-
Compliance schwer, Informationen von Lehrern und Eltern zu bekommen, so dass
auch hier der Einschluss neuropsychologischer Daten zur Erweiterung der
Informationen führen kann.
3.5 Kritikpunkte
Die beschriebenen Studien weisen einige generelle Kritikpunkte auf, die im
Folgenden diskutiert werden sollen. Ziel der Studien war, das kognitive Defizit von
Kindern mit ADHD mit Hilfe unterschiedlicher Untersuchungsparadigmen zu
beschreiben. Außerdem sollte ein Vergleich zwischen ADHD Vor- und
131
3.
Grundschülern vorgenommen werden. Zunächst sollen methodische Schwierigkeiten
der untersuchten Altersgruppen beschrieben werden, anschließend werden einige
generelle Erwägungen zu Problemen der Stichprobenwahl und schließlich zum
Einfluss der Medikation betrachtet.
Alter
Ein besserer Vergleich zwischen den Altersgruppen wäre möglich gewesen, hätte
man pro Untersuchungsmethode jeweils eine Vorschul- und eine Grundschulgruppe
eingeschlossen. Dies war aus praktischen Erwägungen nicht umsetzbar, da im
Vorschulalter weitaus weniger Kinder mit ADHD diagnostiziert werden und somit
keine ausreichend großen Stichproben hätten rekrutiert werden können. Der direkte
Vergleich zwischen neuropsychologischen Defizitprofilen von Vor- und
Grundschülern musste somit aufgrund der Literatur zur Grundschul- ADHD erfolgen
bzw. ein Vergleich zwischen den Untersuchungsmethoden barg die Gefahr einer
Konfundierung von Entwicklungsfaktoren und methodischen Aspekten.
Weiter ist ein Vergleich unterschiedlicher Altersgruppen mit den beschriebenen
Methoden schwierig, da die Aufgaben altersangepasst sein müssten, dann aber
meist schwer vergleichbar sind. Den okulomotorischen Studien gingen z.B.
Pilotuntersuchungen mit jüngeren Kindern voraus. Diese waren allerdings nicht in der
Lage, die Paradigmen auch in vereinfachter Form zu durchlaufen.
Wie sich v.a. in Studie 6 zeigte sind Teilaspekte der untersuchten
Aufmerksamkeitsfunktionen im Grundschulalter einer deutlichen Entwicklung
unterworfen. Durch den Einschluss einer relativ großen Altersbandbreite in den
ADHD Gruppen zu Studien 4,5 und 7 könnte die normale Entwicklung zu einer
Vergrößerung der Gruppenstreuung geführt haben. Darüber hinaus wurde bereits
mehrfach erwähnt, dass eine Interaktion aus Entwicklung und Störung zu anderen
Alterseinfüssen in den ADHD Stichproben als in der Kontrollgruppen geführt haben
könnte. Die beste Möglichkeit, diesen Kritikpunkt zu umgehen, wäre, in zukünftigen
Studien zum einen die Altersbreite geringer zu halten oder alters-, Geschlecht- und
IQ- parallelisierte Paare zwischen Patienten und Kontrollen zu bilden.
Stichprobenauswahl
Es wurde bereits in den Diskussionen der einzelnen Studien erwähnt, dass
Stichprobenunterschiede die Vergleichbarkeit der Untersuchungsmethoden
beeinträchtigt haben könnten. Wie bereits beschrieben gehen einige Autoren davon
132
3.
aus, dass die Gruppe der ADHD Kinder hinsichtlich ätiologischer und
neuropsychologischer Variablen sehr inhomogen ist (Castellanos und Tannock,
2002). Streng genommen müsste dies bedeuten, dass einer neuropsychologischen
Studie mit ADHD Kindern eine deutlich ausführlichere Diagnostik vorausgehen
müsste, die eine Einteilung in die erwähnten Endophänotypen der Störung und somit
eine Kontrolle für mögliche phänotypische Unterschiede ermöglicht.
Praktisch ist eine solche Phänotypisierung allerdings bisher nicht möglich, ohne sich
der Kritik einer zu stark selektierten Stichprobe aussetzen zu müssen. Ein
Kompromiss wäre, die einzelnen ADHD Subtypen besser zu trennen bzw. getrennt
zu betrachten.
In Übereinstimmung mit der überwiegenden Zahl an Studien zu ADHD wurde in den
beschriebenen Studien auf die Kontrolle von Effekten durch IQ und Komorbiditäten
verzichtet. Einige Autoren betonen allerdings, den deutlichen Einfluss dieser beiden
Variablen auf die Aufmerksamkeitsleistungen von ADHD Patienten (z.B. Nigg, 2001),
so dass eine Kontrolle dieser Faktoren bzw. der strengere Ausschluss komorbider
Störungen ggf. erneut die Streuung innerhalb der Gruppen verringert haben könnte.
Methylphenidat
Ein Kritikpunkt, der den Einfluss von Methylphenidat (MPH) auf die
Aufmerksamkeitsleistung von ADHD Kindern betrifft, ist die Verwendung einer
einzelnen Dosis in Studien 2 und 4. Da es Hinweise darauf gibt, dass verschiedne
kognitive Funktionen unterschiedlich auf MPH reagieren und optimal durch
unterschiedliche Dosierungen beeinflusst werden (siehe Kapitel 1.6), hätten
mindestens eine niedrige und eine hohe besser aber drei Dosierungen
eingeschlossen werden sollen.
Es wurde bereits erwähnt, dass in Studien 1, 4 und 6 problematisch war, dass
sowohl medizierte als auch nicht- medizierte Kinder untersucht wurden. Zwar gehen
wir in Übereinstimmung mit der Literatur davon aus, dass sich die Medikation
aufgrund der kurzen Halbwertszeit nicht direkt auf die Aufmerksamkeitsleistung
ausgewirkt hat, es bleibt allerdings unklar, ob eine längere Einnahme von MPH
möglicherweise zu längerfristigen Veränderungen der funktionellen und strukturellen
Neuronanatomie führt. Wie in Studie 5 geschehen sollten aus diesem Grund
ausschließlich medikationsnaive Kinder untersucht werden.
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Lebenslauf Diplom Psychologin Charlotte Hanisch
geboren 13.05.1974 in Hamm
Tätigkeit als Diplom Psychologin Seit 7.2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für
Psychiatrie des Kinder- und Jugendalters der Universität zu Köln
12. 2000 – 6.2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für
Kinder- und Jugendpsychiatrie der RWTH Aachen
5.2000 – 11. 2000 Wissenschaftliche Hilfskraft an der Universitätskinderklinik Bonn
Hochschulstudium 10.1994 – 3. 2000 Psychologiestudium an der Heinrich Heine
Universität, Düsseldorf März 2000 Diplom in Psychologie, Note: sehr gut ´ Juli 1996 Vordiplom in Psychologie, Note: sehr gut Weiterbildungen Seit Oktober 2001 Verhaltenstherapeutische Weiterbildung zur Kinder-
und Jugendlichen Psychotherapeutin, AkiP Köln 2000 – 2001 Grundausbildung in Rational- Emotiver und
kognitiv- behavioraler Therapie, Albert Ellis Institut Würzburg
studentische Hilfskraft 10.1996- 4.2000 Institut für Allgemeine Psychologie an der HHU
Düsseldorf, Arbeitsgruppe zur sensomotorischen Integration
studienbezogene Praktika 2.1998 – 6.1998 University of Oklahoma, Heakth Sciences Center,
Department of Psychiatry and Behavioural Sciences (DAAD Stipendium)
7.1997 – 8.1997 Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen
Kliniken Düsseldorf 3.1997 – 4.1997 Kind in Düsseldorf KID 7.1996 – 9.1996 Daimler Benz AG Berlin, Abteilung Mensch und
Fahrzeug Schulbildung 1987 – 1994 Gymnasium Johanneum Lingen (Ems), Allgemeine
Hochschulreife, Abschlussnote 1.8 1991 – 1992 Reicher Catholic High School Waco, Texas, USA Amerikanischer High School Abschluss Köln, September 2005