Augsburger allgemeine 1602 piero francesca

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Italien Alles eine Frage der Perspektive. Eine Reise auf den Spuren des Malers Piero de la Francesca führt zu beeindruckenden Bildern und in unbekannte Ecken Italiens

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14 NUMMER 38 DIENSTAG, 16. FEBRUAR 2016

Reise-Journal

Baldachin unter dem Kaiser Kon-stantin von seinem Sieg träumt. Wirtreffen Dottoressa Deborah Mattes-sini und erfahren, wie wichtig derEinfluss flämischer Malerei fürPiero de la Francesca war. Etwa 37Jahre alt soll er gewesen sein, als erdiesen Zyklus malte – und im Domdie Magdalena mit dem Salbungsge-fäß – nur ein paar Gehminuten ent-fernt. Der Künstler aus reichemHause habe lieber in Kleinstädtengearbeitet als in Rom oder Florenz,erklärt die Historikerin. Er konntesich seine Aufträge aussuchen.

Viele Werke Piero de la Frances-cas sind verloren gegangen, seineFresken im Vatikan etwa wurdenvon Raffael übermalt. Einige Bilderhängen in Museen in Boston, Lon-don oder Paris. De la FrancescasGeburtsstadt Sansepolcro hat einebeachtliche Sammlung von vier Ge-

mälden. Zu sehen ist derzeit nur„Die Madonna der Barmherzig-keit“, worauf er sich auch selbst ver-ewigt hat. „Ja, das ist mit hoher Si-cherheit ein Selbstporträt“, sagtDottoressa Mattesini, braune langeHaare, Brille, weißer Hut. Das Bildhabe Piero im Auftrag der Barmher-zigen Laienbrüder gemalt. Stolz sei-en diese gewesen, den berühmtenSohn des Ortes zu beschäftigen. Al-lerdings ahnten die Laienbrüder da-mals nicht, welchen Ärger sie sichdadurch einhandelten. Statt der ver-einbarten drei benötigte der Malerganze 17 Jahre für die Fertigstel-lung. Nur sporadisch malte er da-ran. „Gerade noch 150 Gulden hater dafür erhalten“, erzählt DeborahMattessini und lächelt. Die mensch-liche Seite eines Genies.

Das verwinkelte GeburtshausPiero de la Francescas, ein kleinesStadtpalais, gibt heute nur wenigAuskunft über seinen einstigen Be-wohner. Dafür müsste man sich in-tensiv in die Schriftstücke in den Vi-trinen einlesen. Im Souterrain desHauses, das nicht zum Museum ge-hört, befand sich die Tuchhändler-Werkstatt. Heute haben hier dieArmbrustschützen von Sansepolcroihren Sitz. „Piero de la Francescabesaß eine Armbrust, das wissenwir“, sagt Presidente Dario Casini.

hält, zählt zu seinen berühmtestenBildern. Gemalt ist sie wie eine ein-fache Bäuerin. Noch immer hättendie Frauen des Ortes eine starkeVerbindung zu diesem Fresko, er-zählt Mattessini. Wegen des Moti-ves. Aber auch weil es auf wunder-same Weise ein Erdbeben unbescha-det überstand. Nun ist es in einemabgedunkelten Raum der ehemali-gen Grundschule zu sehen. „Pierowar der Feminist unter den Renais-sance-Malern.“ Alle seine gemaltenFrauen sind starke Persönlichkei-ten.

Es ist Abend, als wir in Urbinoankommen und Straßenlaternen denPalazzo Ducale in Szene setzen.Schnell hinein in diese Schatzkam-mer des Stadtfürsten Federico Mon-tefeltro. Besonders ein Bild Piero dela Francescas gibt hier Rätsel auf:die Geißelung. Ist das Bild eine An-klage? Oder war der Auftrag anPiero de la Francesca das perfekteAblenkungsmanöver? Der blondeJüngling im Bildvordergrund sollden ermordeten Stiefbruder desStadtfürsten Oddantonio zeigen.Ließ der machthungrige Federicoseinen ungeliebten Stiefbruder ausdem Weg räumen, um selbst dieMacht ergreifen zu können? Wollteer mit diesem Auftrag den Verdachtvon sich ablenken? Ließ er seinenStiefbruder deshalb unschuldig bar-fuß darstellen, wie Jesus im Hinter-grund des Bildes? Mit einem unge-lösten Kriminalfall haben wir hierim Museum nicht gerechnet...

Rimini, die letzte Station der Rei-se auf den Spuren Piero de la Fran-cescas. Unser Weg führt in denDom, wo eines seiner früherenWerke zu sehen ist. Ein Fresko, daseinst einen Polit-Skandal auslöste.Auf dem Bild an der Seitenwand desDomes kniet Stadtfürst SigismondoRudolfo Malatesta scheinbar demü-tig vor dem heiligen Sigismund.Tatsächlich handelt es sich aber umeinen Kniefall vor dem weltlichenKaiser Sigismund. Malatesta wolltesich von der Kirche lösen. Das Fres-ko diente ihm als Irreführung undProvokation in einem. Für denselbstbewussten Sigismondo bedeu-tete es allerdings den Niedergang,sich mit der Kirche angelegt zu ha-ben. Er wurde exkommuniziert undverlor jeglichen Einfluss. Hätte ersich doch nur eine Madonna vonPiero malen lassen, sagen wir jetzt,nachdem wir uns diesem Maler Bildfür Bild angenähert haben.

Herkules heißt es übersetzt. LangeZeit warMonterchi strategisch vonBedeutung und oftmals heiß um-kämpft. So macht der Name Sinn.Nie im Leben hätte uns der Weghierhergeführt, wäre dies nicht derGeburtsort von Piero de la Frances-cas Mutter. Romana di Perino wareine selbstbewusste Frau, die wohlgroßen Einfluss auf ihren Sohn hat-te. Sie soll Vorbild für viele seinerFrauenporträts gewesen sein. InMonterchi ist die Madonna del Pra-to von Piero de la Francesca zu se-hen. Die schwangere Madonna, dieschützend die Hand vor ihren Bauch

Der große Mann mit dem grauenStoppelbart erzählt von den Auftrit-ten der Schützen bei den großenFesten mit 80 aktiven Mitgliedern.Dem berühmten Sohn der Stadt sei-en sie sehr verbunden, meint derPresidente. Die Kostüme für ihreAuftritte hätten sie den Soldaten derSchlachtszene aus der „Legende deswahren Kreuzes“ in Arezzo, nach-empfunden. „Wir treten als leben-des Bild auf“, sagt Casini stolz.

Auf der Kuppe eines Hügels liegtMonterchi, das 2000-Einwohner-Örtchen, das einen großen Namenhat und einen Schatz hütet. Berg des

Dieser Mann mit den braunenLocken, den hohen Wangen-knochen und dem flehenden

Blick soll also jener Künstler sein,dem wir schon so viele Kilometerhinterhergereist sind. Kann mansich hier in Sansepolcro endlich einBild von Piero de la Francesca ma-chen? Diesem Malergenie, das zwi-schen 1415 und 1418 geboren wur-de, das erstmals Mathematik undPerspektive in die Malerei brachteund – aber dazu später – der italieni-schen Renaissance ein neues, selbst-bewusstes Frauenbild schenkte.Unsere Tour führt durch Umbrien,die Toskana, die Marken und dieEmilia Romagna – immer auf denSpuren Piero de la Francescas. EineReise von Bild zu Bild, die selbstItalien-Kenner in noch unbekannteEcken führt.

Doch zuerst nach Perugia, eineStadt mit einer unterhaltsamen Ein-bahnstraßenregelung, die an Orteführt, wo man nie hinwollte, beein-druckenden Stadtpalästen und un-terirdischen Ruinen. Eine Rolltrep-pe führt in die Tiefe des ehemaligenForts. Piero de la Francesca soll hierFresken für ein Palais gemalt haben.Erhalten sind sie nicht mehr, doch inder National Galerie hängt das Po-lyptichon des heiligen Antonius miteiner Maria, die ein selbstbewusstesJesuskind auf dem Arm hält. Darü-ber die Verkündigung Marias, eineSzene, die den Blick in die Weitelenkt. Ein Säulengang statt golde-nem Hintergrund, wie er zu jenerZeit noch üblich war. Für Piero de laFrancesca war die Perspektive ent-scheidend. Er malte Landschaftenund Wohnräume, war damit Vorrei-ter seiner Zeit – und steht doch imSchatten von Leonardo da Vinci,Michelangelo oder Raffael.

Wo nur zuerst hinschauen? DieBacci-Kapelle in Arezzo ist einFarbrausch. Piero de la Francescazeichnete in der Kirche San Fran-cesco im Auftrag der Familie Baccidie Legende des wahren Kreuzesnach. Die Fresken zeigen etwa denZweig des Baumes der Erkenntnis,der dem sterbenden Adam in denMund gepflanzt wird, den heran-wachsenden Baum, der für dasKreuz Jesu verwendet wird.Schließlich wird Helena, die MutterKaiser Konstantins, das wahreKreuz in Jerusalem wiederfinden...Wie sorgfältig der Sohn eines Tuch-händlers die Muster von Roben undUniformen gemalt hat. Oder den

Die Hügel PierosItalien Alles eine Frage der Perspektive. Eine Reise auf den Spuren des Malers Pierode la Francesca führt zu beeindruckenden Bildern und in unbekannte Ecken Italiens

Von Doris Wegner

Vom Charaktereiner KreuzfahrtEine nachträgliche Änderung der Rei-seroute durch ein Kreuzfahrtunter-nehmen kann zu einem Minderungs-anspruch führen, wenn sich da-durch der Gesamtcharakter der Reiseändere, urteilte das AmtsgerichtMünchen und sprach dem Kläger eineMinderung von 30 Prozent auf denReisepreis zu. Der Kläger hatte fürsich und seine Frau über ein On-line-Reisebüro eine Schwarzmeer-Kreuzfahrt gebucht, u. a. solltendie Häfen Jalta und Odessa in derUkraine und Constanza in Rumä-nien angefahren werden. Das Reise-büro verständigte ihn später da-von, dass sich die Kreuzfahrtroute insSchwarze Meer aufgrund der poli-tischen Situation geändert habe unddass eine kostenlose Stornierungoder Umbuchung nicht möglich sei.Infolge der Änderung der Häfenverkürzte sich die Seereiseroute ummindestens 1000 Seemeilen. EineStunde vor der geplanten Abreise inIstanbul wurde die Fahrt insSchwarze Meer und damit auch dieDurchfahrt durch die Dardanellenwetterbedingt vollständig gestrichen.Nach der Rückkehr forderte derKläger eine Reisepreisminderung von30 Prozent des Reisepreises. Diezuständige Richterin gab ihm Recht.Die durchgeführte Kreuzfahrt habenicht der vom Kläger ursprünglichgebuchten Schwarzmeer-Kreuz-fahrt mit der Durchfahrt durch dieDardanellen entsprochen und seideshalb mangelhaft gewesen. Dahersei der Minderungsanspruch aufden gesamten Reisepreis vorzuneh-men. (AG München, Urt.v.28.8.2015 - 275 C 27977/14) (li)

Reise-Recht

Reise kompakt

Dubai: Feinschmeckertageim Emirat

17 Tage Schlemmen kann man ab25. Februar beim Dubai Food Fes-tival. Unter dem Motto „CelebrateTaste“ präsentiert das FestivalFood-Events, Star-Köche und dieDubai Restaurant Week, bei der30 Restaurants Drei-Gänge-Menüsfür rund 47 Euro anbieten und da-bei auch Einblicke in die multikul-turelle Gastro-Szene des Emiratsgeben. (li)»info www.dubaifoodfestival.com

Cote d’Azur: Marc Chagallim Steinbruch

Die Steinbrüche bei Les Baux-deProvence, dank Jean CocteausFilm „Le Testament d’Orphée“auch einem größeren Publikumbekannt, werden vom 4. März anzum Schauplatz einer Multimedia-Reise durch das Werk von MarcChagall. Auf 4000 Quadratmeternsind Projektionen seiner berühmtenMeisterwerke zu sehen. 100 Vi-deoprojektoren verwandeln Wände,Säulen und Boden in Riesengemäl-de und geben dem Besucher das Ge-fühl, mittendrin zu sein. Die Be-gleitmusik kommt aus 27 Lautspre-chern. (li)»info www.carrieres-lumieres.com

Mit einem ungelöstenKriminalfall im Museumhat keiner gerechnet

Die Bilder weisen den Weg auf den Spuren Piero de la Francescas durch Italien: die

Verkündigung in Perugia, der Traum Konstantins in Arezzo, Die Schutzmantelmadon-

na in Sansepolcro, die schwangere Madonna in Monterchi, die Geißelung in Urbino

und in Rimini das Fresko von Sigismondo Malatesta. Fotos: mai (2)/agt

● Museen Die Homepage des Muse-ums Madonna del Parto: www.ma-donnadelparto.it. Auf dem Weg liegteine Besonderheit: ein Museum fürWaagen. Es ist einen Abstecher wert.»Sehenswert auch die FondazioneBurri in Citta di Castello. Der moderneKünstler griff in seinen Werken Stil-elemente von de la Francesca auf. Eini-ge seiner Werke sind auch in einemalten Tabaklager außerhalb der Stadt zusehen. www.fondazioneburri.org

● Info auch unter www.terredipiero.it

hervorragenden Niveau. Adresse: Via diPriori 39, Perugia, www.osteriaa-priori.it,»Regionale Küche wird auch in derOsteria L’Angolo Divino in Urbino großgeschrieben. Adresse: Via Sant’ An-drea 14, www.angolodivino.com

● Buch Der Augsburger ProfessorBernd Roeck hat ein Buch über dasBild „Die Geißelung“ geschrieben: Mör-der, Maler und Mäzene. Eine Kunst-historische Kriminalgeschichte. C.H.Beck Verlag, 255 S., 21,95 ¤

nuskarte realisieren, mit der Vergünsti-gungen bei Museumseintritten mög-lich sind. Auch eine Routenempfehlunggibt es. Mögliche Stationen: der Domin Rimini, der Palazzo Ducale in Urbino,das Museo Civico und das Geburts-haus in Sansepolcro, die KirchSan Fran-cesco und der Dom in Arezzo und dieNationalgalerie in Perugia. Die Infobro-schüre gibt es auch in deutscherSprache.

● Essen gehen In der Osteria a Priorigibt es regionale Küche auf einem

● Anreise Die Reise auf den Spurenvon Piero de la Francesca lässt sicham besten mit dem (Miet-)Auto realisie-ren, da die Route durch vier Regio-nen führt. Wer Strecke abkürzen will: AirDolomiti fliegt Florenz und Bolognaan.

● Auf den Spuren von Pie-ro de la Francesca Die Tour auf denSpuren von Piero de la Francesca führtdurch Umbrien, die Marken, die Tos-kana und die Emilia Romagna. Die Re-gionen wollen ab Frühjahr eine Bo-

Kurz informiert

Tourismus: Immer mehrBuchungen online

Noch vor ein paar Jahren haben sichdie Menschen online informiert,dann aber lieber offline gebucht: imReisebüro. Inzwischen sind On-line-Buchungen auf Rekordhöhe,und ein Ende des Booms ist nichtabzusehen. Weltweit wurden 2015laut dem MarktforschungsinstituteMarketer 490 Milliarden Euro um-gesetzt, 13 Prozent mehr als imVorjahr. Für 2019 werden 700 Mil-liarden Euro prognostiziert. Dergrößte Anteil entfällt auf Nordame-rika, das traditionell online-affinist, auch Europa hat sich als stabilerwiesen. Das stärkste Wachstumgibt es in Lateinamerika, aber auchdie schnell wachsenden Reise-Märkte in China, Indien und Indo-nesien machen sich online bemerk-bar. Dagegen schwächelt Russland –auch wegen der unberechenbarenwirtschaftlichen und politischen Si-tuation. (li)