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AUS DEM REICH DER TOTEN TIANYANG ZHANG Charon für Bratschengruppe, Holzbläser, Blechbläser und Schlagzeug GIYA KANCHELI Styx für Solobratsche, gemischten Chor und Orchester DMITRI SCHOSTAKOWITSCH Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93 Nils Mönkemeyer, Viola | Robert-Franz-Singakademie | Darrell Ang, Leitung 2. SINFONIEKONZERT So 21. OKT.2018 / 11.00 Uhr Mo 22.OKT.2018 / 19.30 Uhr Georg-Friedrich-Händel HALLE

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SINFONIEKONZERTSamstag 24. März 2018

Schlossgartensalon Merseburg

5. KLASSISCHES ERBESonntag 25. März 2018

Steintor-Varieté Halle

AUS DEM REICH DER TOTENTIANYANG ZHANG

Charon für Bratschengruppe, Holzbläser, Blechbläser und Schlagzeug

GIYA KANCHELIStyx für Solobratsche, gemischten Chor und Orchester

DMITRI SCHOSTAKOWITSCHSinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93

Nils Mönkemeyer, Viola | Robert-Franz-Singakademie | Darrell Ang, Leitung

2. SINFONIEKONZERT

So 21. OKT.2018 / 11.00 Uhr

Mo 22.OKT.2018 / 19.30 UhrGeorg-Friedrich-Händel HALLE

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IHR NÄCHSTES SINFONIEKONZERT: 3. SINFONIEKONZERTSonntag, 18. November 2018 | 11.00 Uhr (Konzerteinführung 10.15 Uhr)und Montag, 19. November 2018 | 19.30 Uhr (Konzerteinführung 18.45 Uhr)Georg-Friedrich-Händel HALLEBRAHMS ZYKLUS 1JOHANNES BRAHMS Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 83Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98Lars Vogt, Klavier und Leitung

Sehr geehrte Damen und Herren,wir laden Sie nach dem Montagskonzert herzlichzum Nachgespräch in das Foyer der Georg-Friedrich-Händel HALLE ein.

Auf unserer Homepage finden Sie Beiträge über die Sinfoniekonzerte und die Foren.Schauen Sie doch mal rein: www.freunde-staatskapelle-halle.de

FORUMPUBLIKUM TRIFFT MUSIKER

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2. SINFONIEKONZERTEröff nungskonzert des IMPULS Festivals

für Neue Musik Sachsen-Anhalt 20182. Anrechtskonzert

Sonntag, 21. Oktober 2018 | 11.00 Uhr10.15 Uhr Konzerteinführung mit Prof. Jens Marggraf

Montag, 22. Oktober 2018 | 19.30 Uhr18.45 Uhr Konzerteinführung mit Prof. Jens Marggraf

Georg-Friedrich-Händel HALLE

AUS DEM REICH DER TOTEN

TIANYANG ZHANG (geb. 1995)Charon für Bratschengruppe, Holzbläser,

Blechbläser und SchlagzeugUrauff ührung | Auftragswerk IMPULS Festival für Neue Musik Sachsen-Anhalt

GIYA KANCHELI (geb. 1935)Styx für Solobratsche, gemischten Chor und Orchester

– Pause –

DMITRI SCHOSTAKOWITSCH (1908–1975) Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93

I. Moderato – II. Allegro – III. Allegretto – IV. Andante - Allegro

Nils Mönkemeyer, ViolaRobert-Franz-Singakademie

(Einstudierung: Nikolaus Müller und Fabian Pasewald)Staatskapelle Halle

Darrell Ang, Leitung

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Zum DeutschenBratschistentag 2018

Das 2. Sinfoniekonzert findet imZusammenhang mit dem dies­jährigen Deutschen Bratschisten­tag statt. Aus diesem Grunde enthält das Programm zwei Werke, in denen die Viola im Mittelpunkt steht. Obwohl sie durchaus abund an solistische Aufgaben übernimmt und auch eine Reihe von Konzerten für dieses Instru­ment existiert, steht sie in der öffentlichen Aufmerksamkeitdoch eher im Hintergrund.Dabei ist die Bratsche so etwas wie das Rückgrat des Orchesters, unverzichtbar für einen runden, ausgewogenen Klang. Ja, sie istsogar unverzichtbarer als die so viel prominentere Violine.Johannes Brahms hat die beiden Violingruppen in seiner 2. Sere­nade op. 16 weggelassen und der französische Komponist Étienne­Nicolas Méhul schrieb 1806 sogar eine ganze Oper ohne Violinen.Es gibt also ausreichend Gründe, dieses oft vernachlässigte Instrument in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen.

Tianyang Zhang»Charon«

Seit bald dreißig Jahren gibt es die Halberstädter Komponistenwerk-statt, in der junge Komponisten die Gelegenheit haben, ihre Orchester-werke von einem professionellen Orchester gespielt zu hören. Mit der Etablierung des IMPULS-Festi-vals eröffnete sich die Möglichkeit, dem jeweils vielversprechendsten Talent eine besondere Förderung zukommen zu lassen, nämlich die Vergabe eines Auftragswerkes, das im darauffolgenden Jahr von einem der Orchester des Bundeslandes uraufgeführt wird. Im Jahre 2017 erhielt der 1995 in China geborene Tianyang Zhang diesen IMPULS-Komponistenpreis. Er stu diert an der Musikhochschule Shanghai bei Ye Guohui und hielt sich im Studienjahr 2016/17 als Austauschstudent in

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Tianyang Zhang

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Hamburg auf, wo er Kompositions-unterricht bei Fredrik Schwenk erhielt. Charakteristisch für seine Arbeit ist die Kombination dispara-ter Instrumentengruppen. So ver-wendete er in mehreren Werken chinesische und europäische Ins-trumente gemeinsam. Auch wenn dies in Charon nicht der Fall ist, hat er doch mit vier in sich klanglich homogenen, jedoch untereinander verschiedenen Gruppen gearbei-tet, nämlich vier Holzbläsern, acht Bratschen, einem umfangreich be-setzten Schlagzeugpart und vier Blechbläsern. Die Gruppen sind ge-trennt aufgestellt und beziehen so-mit den Raum in die Gestaltung ein. Der Komponist schreibt über sein Stück: »Es macht Freude, ein Stück zu konstruieren und dabei nur we-nige homo gene Instrumentengrup-pen von deutlich unterschiedenem Charakter zu verwenden. Da ich vier Gruppen habe, muss ich sie sorgfältig disponieren: Warum und wie steht das Schlagzeug für die Person Charon, wie spiegeln sich das Verhältnis und die An näherung zwischen Leben und Tod in den Holz- und Blechbläsern wider? In diesem Stück von acht Minuten ist es für den Hörer nicht schwierig, drei Schritte nachzuvollziehen: den Weg hin zum Fluss Styx, seine Über-querung und den Zustand danach.

Sie unterscheiden sich durch ver-schiedene Kombinationen und Übergänge in jeder Instrumentengruppe. Ich möchte, mit einer Barcarole in Dur, auch jene aufwecken und ermutigen, die in der Vergangenheit Famil ien mitgl ieder oder enge Freunde verloren haben. Vielen Dank an Hans Rotman und sein IMPULS-Festival und auch an den Dirigen-ten Darrell Ang und die Staats-kapelle Halle!«

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Uraufführung:21. Oktober 2018

Staatskapelle Halle Darrell Ang,Dirigent

Dauer:ca. 8 Minuten

»Charon überquert den Acheron – Hölle / 3. Gesang – Die göttliche Komödie«

von Salvador Dalí

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Giya Kancheli»Styx«

Der in Belgien lebende georgische Komponist Giya Kancheli gehört heute zu den wichtigsten musika-lischen Stimmen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Aus-gebildet am Konservatorium sei-ner Heimatstadt Tbilissi, schuf er ein umfangreiches und stilistisch

vielfältiges Gesamt-werk, das sowohl sie-ben Sinfonien als auch Filmmusiken und Büh-nenwerke umfasst. Ein besonderer Fokus liegt auf Kompositi-onen für Soloinstru-mente und Orchester. In den meisten Fällen handelt es sich nicht um Konzerte, in denen die Virtuosität des

Solisten im Mittelpunkt steht, son-dern um Stücke, in denen das Solo-instrument eher in der Art eines Vorsängers in einen Dialog mit dem Chor (im Sinne der griechischen Tragödie) tritt. Dieser wird ent-weder vom Orchester oder tatsäch-lich von einem Vokalpart gebildet.

So ist es auch in Styx, das 1999 für den Bratscher Juri Baschmet entstand und ihm gewidmet ist. Darüber hinaus tauchen im Text des

umfangreichen Chorparts die Na-men von Alfred Schnittke und Avet Terterjan auf. Das Stück ist mithin auch ein Requiem, eine Klage um diese beiden 1998 und 1994 ver-storbenen Komponisten, mit denen Kancheli befreundet war.

Ein Blick auf den Text des Chor-parts verrät zweierlei: Zum einen, dass es sich um eine Reflexion über den Tod aus religiöser Perspektive handelt. Zum anderen, dass Styx nicht auf einem Gedicht basiert, sondern auf frei assoziativ aneinan-dergefügten Textfragmenten be -stehend aus formelhaften religiö-sen Wendungen, Naturphänome-nen, Namen von Klöstern und Kir-chen, Personen oder georgischen Volksliedern. Am Ende steht ein Teil in englischer Sprache, der sich auf den Monolog der »Zeit« in Shakes-peares Wintermärchen bezieht.

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Uraufführung:7. November 1999

in Amsterdam Uri Baschmet,Viola

Radio-Filharmonisch Orkest Hilversum,

Groot Omroep Koor Tonu Kaljuste,

DirigentDauer:

ca. 35 Minuten

Giya Kancheli

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Die Klangsprache des Stückes ist typisch für Kancheli. Äußerst ruhig entfaltet er den Klang in einer durch Zusatztöne leicht geschärften Tonal ität; unterstützt durch eine kleinschrittige Melodik aus wenigen Tönen erhält die Musik einen archaischen Charakter. Immer wie-der etablieren sich Zwiege spräche zwischen dem Soloinstrument und entweder dem Chor oder dem Or-chester. Auf lange dynamische Pro-zesse folgen Momente der Stille. Letztlich geht es, wie der Titel ver-rät – der Name des Flusses, der die Welt der Lebenden von jener der Toten trennt – um ein »Hin-übergehen« der Seele ins Jenseits. Am Ende steht die Verklärung, die in einer heiter gelösten Musik, in der sich Volksmusikelemente fin-den, nach der letzten, intensiv-sten Steigerung greifbar wird. Der sich anschließende, rhythmisch akzentuierte Teil mit englischem Text wirkt zunächst wie ein trium-phaler Schlusschor in der abend-ländischen Oratorien tradition. Am Ende aber wird diese Assoziation gebrochen.

I.Galoba angelozebisGesang der EngelVelebi da bibinia Täler, in denen das Gras rauschtvaios veli, vaios suliTal von Vaio, Seele von VaioGalobaLobgesangDideba upalsa, ugalobet Mariams Ehre dem Allerhöchsten,lobpreiset MariaMariam didebuli suliErhabene Seele MariasAlaverdi, Sioni, Ateni, Betania,Gremi [Klöster, Kirchen in Georgien]

II.Cari crisDer Wind jagt dahinsadahar mimaluliWo hältst du dich versteckt?lelianshi dakarguliVerschwunden im DickichtGalobit davlie suliDie Seele ist vom Beten erschöpftdeda, mama, tsoli, shvilishvili Mama, Papa, Gattin, Enkelkera budea didedadein Herd, Großmuttertu danamafalls es benetztebindia, tendeba, gatenda, sinestle Dämmerung, es tagt,es wurde Tag, LichtSioni

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III.Tu aisiwenn der Morgen dämmerteGaloba upalsa AlleluiaLobgesang Hallelujatu dariafalls es sich aufheitertAlfred Schnittke

IV.dio lileosheminde upaloHerr, vergib meine SündenshemindetvergibGivi, Tito, Gogi, Vazha, Sulkhani, Muriko [georgische Vornamen]Dareka zarmaEine Glocke erklingtTemiko, Givi, Tito, Ira, Rezo,Temo [georgische Vornamen]

V.Tu dariafalls es sich aufheitertOdoia Naduri Odio Odoia Odio[georgische Volkslieder und ­gesänge]Naduri Zari NanaDaria tu avdaria kriala tsafalls es sich aufheitert,klarer Himmelshoria gza bibiniweiter Weg, Schwankencaria bibini suli bibiniSchwanken des Windes,der Seele

veliFeldEria, eriSo ist das Volk

VI.Suli natelierleuchtete SeeleAvet AlfredDideba upalsa, ugalobet Mariams Ehre dem Allerhöchsten,lobpreiset Mariauplis gamchens dauntetsanteli suli nateliDer Gottesmutter entzünde eine Kerze, SeeleAmen, AlleluiaAmen, Halleluja

VII.Time! Merciless time!Zeit! Erbarmunglose Zeit!Time! Merciful time!Zeit! Erbarmungsvolle Zeit!Gone with the time.Alles geht mit der Zeit.Time that tries all.Zeit, die alles prüft.Despair and hope.Verzweiflung und Hoffnung.Time of joy, of terror,Zeit der Freude, des Schreckens,of good and evil.des Guten und Bösen.Devouring time!Verschlingende Zeit!

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Dmitri SchostakowitschSinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93

Wohl bei keinem anderen Komponis-ten greifen die Wendungen des Zeit-geschehens, greifen Veränderungen der ästhetischen Auffassungen der Mächtigen und kulturpolitische Kampagnen so direkt in sein Schaf-fen ein wie bei Dmitri Schostako-witsch. Zwei Daten sind es, die Tiefpunkte seiner Biographie mar-kieren: der 28. Januar 1936, als in der Prawda der Artikel »Chaos statt Musik« erschien, und der 10. Januar 1948, als Andrej Shdanow, Zwei-ter Sekretär des ZK der KPdSU, mit einer Rede vor den wichtigs-ten Komponisten der UdSSR die »Formalismus debatte« lostrat, die sich nicht allein, aber vor allem ge-gen Schostakowitsch richtete. Die Sängerin Galina Wischnewskaja schrieb in ihrer Autobiographie: »Im edlen Wettstreit, die Musiker mit Dreck zu bewerfen, bestieg ein Maulheld nach dem andern die Redner tribüne. Und weil es in ei-nem Ein-Parteien-System nach sol-chen Attacken keine Überlebens-chancen für den Betroffenen gibt, ist alles, was Schostakowitsch und Prokofjew je geschaffen hatten, an einem Tag zerstört worden. [...] Schostakowitsch saß in jener Ver-sammlung [...] allein in einer leeren

Sitzreihe. Das ist bei uns so üblich: Niemand setzt sich neben das Opfer – wie bei einer öffentlichen Hinrichtung. Und das war eine. Mit dem einzigen Unter-schied, dass sie dich bei einer Hinrichtung um bringen, hier aber gnädig mit dir verfah-ren. Sie lassen dich leben. Für diese Gna-de aber musst du hier sitzen bleiben [...]. Und du musst bereuen. [...] Du musst der Partei, der Regierung und dem Genossen Stalin persön-lich dafür danken.«

Das kurz zuvor vollendete Violin-konzert blieb zunächst unaufge-führt, die früheren Werke wurden nicht mehr gespielt, und Schosta-kowitsch schrieb in den folgenden Jahren vor allem Kammermusik, die weniger im Fokus der Aufmerksam-keit stand als Orchesterwerke, mit einer Ausnahme: Mit dem Oratori-um Das Lied von den Wäldern, einem Werk, das uneingeschränkt den ästhetischen Restriktionen ent-sprach, gelang es ihm, sich zumin-dest teilweise zu rehabilitieren.

Als dann 1953 wieder eine neue Sinfonie uraufgeführt wurde, die Zehnte, wurde sie einerseits stürmisch gefeiert. Andererseits

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Uraufführung:17. Dezember 1953

in LeningradJewgeni Mrawinski,

DirigentDauer:

ca. 55 Minuten

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wurde sie zum Gegenstand einer kontroversen Diskussion im Kompo-nistenverband, die ein ganzes Jahr andauerte. Dieses Werk bewies, dass Schostakowitsch entschlossen war, seinen künstlerischen Weg un-beirrt weiter zu gehen, zumindest in jenen Werken, die ihm persönlich am Herzen lagen. Dies umso mehr, als jener Mann kurz zuvor gestor-ben war, der sein ganzes bisheriges Leben – und das seines Landes – überschattet hatte: Stalin.

Wir wissen nicht genau, wann Schostakowitsch seine 10. Sinfonie in Angriff genommen hat; der ent-scheidende Teil der Arbeit fällt je-doch in den Sommer 1953, die Zeit nach dem Tod Stalins. Es gibt nur wenige Äußerungen des Kompo-nisten über dieses Werk, zweifellos ist es aber mit gemeint in seinem Ausspruch: »Die meisten meiner Symphonien sind Grabdenkmäler.« In tiefster Lage beginnt der erste, eher langsame Satz; die Musik ent-steigt förmlich einer Gruft. Lange wird der Klang von den hoffnungs-los dahinschleichenden Streichern dominiert. Eine Zeitlang tritt die Klarinette mit einer schlichten diatonischen Melodie hinzu, doch diese endet bald und die Streicher setzen im gleichen Gestus fort, führen jedoch hin zu einem ersten

Höhepunkt. Wenn die Flöte das zweite Thema einführt, hellt sich die Stimmung etwas auf, mit ihren Seufzern verweist sie aber auf einen barocken Klagetopos. Erst in der Durchführung kommt es zu einem großen, exzessiven Ausbruch des Orchestertutti, der letztlich ver-ebbt und zur Stimmung des An-fangs zurückführt. Am Ende steht ein Duett zweier Piccolo flöten, eine Passage von unendlich ver-lorenem und tristem Charakter. Der gesamte Satz spricht vom Er-leiden, von der Unmöglichkeit der freien Entfaltung.

Ein größerer Gegensatz als zum sich anschließenden Scherzo ist kaum denkbar. Schostakowitsch hat zu diesem Satz mehrfach geäußert, es handle sich um ein musikalisches Porträt Stalins. Auffällig ist neben

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Dmitri Schostakowitsch

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der Gehetztheit und Brutalität, die aus dem Satz spricht, dass die Melo-dik meist um wenige Töne kreist, wie die Gedanken eines Paranoikers, die sich fortwährend um dieselben The-men drehen: Die akustische Mani-festation des Verfolgungswahns.

Im Jahre 2004 erschien Solomon Wolkows Buch Stalin und Schosta­kowitsch, eine umfassende Studie über das ambivalente, lebensge-fährliche – selbstverständlich nur für Schostakowitsch – Verhältnis zwischen dem Diktator und dem berühmtesten Komponisten seines Landes. Dessen Titel könnte auch über dem zweiten und dritten Satz der 10. Sinfonie stehen: Ging es in der Klage des ersten Satzes noch um das überindividuelle Schicksal vieler, so wird der dritte Satz um-fassend durch das Motiv D-S(=Es)-C-H geprägt, die Anfangsbuch-staben von Schostakowitschs Namen in deutscher Schreibweise, die er hier zum ersten Mal verwen-det. Der Komponist spricht also von sich selbst. Der Satz beginnt vorsichtig tastend mit C-D-Es-H, also mit einer Permutation, später hören wir das Motiv in seiner origi-nalen Gestalt immer wieder. Dieser chromatisch zerquälten Tonfolge tritt in einem Hornruf ein zweites Element von geradezu archaischer,

naturhafter Gestalt entgegen, das nie transponiert wird und wie ein Zeichen aus einer anderen Welt, fern von Bedrückung und Angst, wirkt. Darin verborgen ist – in einer Kombination aus deutschen und italienischen Tonnamen – der Name von Elmira Nazirova (1928–2014), einer ehemaligen Studentin des Komponisten, die in jenen Jahren seine enge Vertraute war und der er zahlreiche Briefe schrieb.

Der vierte Satz beginnt in einer bedrückten Stimmung, die an den ersten Satz gemahnt. Völlig unver-mittelt jedoch fängt ein fröhliches Allegro an, das sich in einen gera-dezu besinnungslosen Jubel hin-ein steigert, abrupt beendet von einem einzelnen D-Es-C-H-Motiv. Der melancholisch-düstere Ton kehrt wieder, solcherart den Jubel als unehrlich, als aufgesetzt ent-larvend. Nach und nach setzt sich der heitere Ton wieder durch, und die Sinfonie endet in einem großen Finale. Ob dieser Schluss aufrich-tig gemeint oder eine Maske ist, mit welcher Schostakowitsch die Kultur funktionäre hinters Licht füh-ren wollte, die ein Werk des Typus »Durch Nacht zum Licht« erwar-teten, mag jeder Hörer selbst ent-scheiden.

Dr. Jens Marggraf

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NILS MÖNKEMEYER, Viola

Künstlerische Brillanz und innovative Programmgestaltung sind die Mar-kenzeichen, mit denen Nils Mönke-meyer sich als einer der international erfolgreichsten Bratschisten profi-liert und der Bratsche zu enormer Aufmerksamkeit verholfen hat. Als Exklusiv-Künstler bei Sony Classical brachte er zahlreiche Alben heraus, die von der Presse hoch gelobt und mit Preisen ausgezeichnet wurden. In seinen Programmen spannt er den Bogen von Entdeckungen und Ersteinspielungen originärer Brat-schenliteratur des 18. Jahrhunderts bis hin zur Moderne und zu Eigen-bearbeitungen. Er arbeitet mit Diri-genten wie Andrej Boreyko, Sylvain Cambreling, Elias Grandy, Christo-pher Hogwood, Cornelius Meister, Mark Minkowski, Kent Nagano, Mi-chael Sanderling, Clemens Schuldt, Karl-Heinz Steffens, Markus Stenz, Mario Venzago oder Simone Young zusammen und konzertiert als Solist mit Orchestern wie dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem Helsinki Phil-harmonic Orchestra, den Musiciens du Louvre, dem ORF Radio-Sym-phonieorchester Wien, dem Berner Symphonieorchester, dem Konzert-hausorchester Berlin, der Dresdner Philharmonie, dem Philharmoni-schen Staatsorchester Hamburg,

dem Frankfurter Museumsorches-ter, dem MDR Sinfonieorchester, der NDR Radiophilharmonie, der Staatskapelle Weimar, den Bremer Philharmonikern, den Düsseldor-fer Symphonikern, dem Orchestre de Chambre de Lausanne oder den Berliner Barock Solisten. Die Saison 2018/19 führt ihn auf die großen internationalen Podien, u. a. in den Wiener Musikverein, das Concert-gebouw Amsterdam, die Wigmore Hall London, das Auditori Barcelo-na, nach Brisbane, Lausanne, Genf, Philharmonie und Konzerthaus Ber-lin, Elbphilharmonie, Philharmo-nie Köln, Dresdner Philharmonie, Alte Oper Frankfurt und Münchner Prinzregen tentheater sowie zu zahlreichen Festivals wie dem Mito Festival in Mailand und Turin, dem Bachfest Montreal, dem Rheingau Musik Festival, dem Schleswig-Hol-stein Musik Festival sowie den Fest-spielen Mecklenburg-Vorpommern. Zu seinen kammermusikalischen Projekten dieser Saison zählen u. a.

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das Trio mit Julia Fischer und Daniel Müller-Schott sowie das Klavier-quartett mit Alina Ibragimova, Christian Poltera und William Youn. Seit 2011 ist Nils Mönkemeyer Pro-fessor an der Hochschule für Musik und Theater München, an der er selbst einmal bei Hariolf Schlichtig studiert hatte. Vorherige Stationen waren eine Professur an der Hoch-schule für Musik »Carl Maria von Weber« in Dresden und eine Assis-tenzprofessur an der Escuela Supe-rior de Música Reina Sofia Madrid.

ROBERT-FRANZ-SINGAKADEMIE

Die Robert-Franz-Singakademie Halle ist eine der ältesten bürger-lichen Chorvereinigungen Deutsch-lands. Im Jahr 2014 feierte sie ihr 200-jähriges Bestehen. 1814 hat-ten sich Frauen und Männer unter Leitung von Johann Friedrich Naue zusammengefunden, um miteinan-der vor allem geistliche Chormu-sik zu singen. Von Beginn an wirk-te die Singakademie entscheidend daran mit, Händel-Aufführungen zu einer festen Größe im Musik-leben der Stadt Halle werden zu lassen. Mit Robert Franz übernahm im Jahr 1842 eine bedeutende

Musiker persönlichkeit die Leitung der Singakademie. Er formte sie mit seiner 25 Jahre andauernden Lei-tung zur gewichtigen Gestalterin in der halleschen Musikkultur. Zu den Höhepunkten seiner Ära zählen die Feierlichkeiten zum 100. Todestag Georg Friedrich Händels, die den Ruf des Chores wie den Ruf des Dirigenten festigten und verbreite-ten. Im Andenken an ihren Förderer nahm die Singakademie 1907 den Namen Robert-Franz- Singakademie an. Wechselvoll waren die Jahre nach 1945, denn insgesamt zehn Chorleiter standen bis 1995 an der Spitze des Chores. 1953 schloss sich der Chor dem Staatlichen Sinfonie-orchester (später Hallesche Philhar-monie) an. Auch nach der Gründung der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle 2009 blieb die enge Verbindung zur heutigen Staatska-pelle Halle erhalten. Die Konzerte der Robert-Franz-Singakademie sind viel besuchte Ereignisse im Hal-leschen Musikleben. In den letzten Jahren lag die künstlerische Leitung in den Händen von Gothart Stier (1995–2011) und Frank-Steffen Elster (2011–2014). Seit Oktober 2014 ist Nikolaus Müller ihr Leiter.

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IMPRESSUM:Theater, Oper und Orchester GmbH HalleGeschäftsführer: Stefan RosinskiStaatskapelle Halle | Schlussredaktion: Susanne ZieseTitelgestaltung: Annett Pester | Layout: Andrea Grünewald Fotos: Archiv, Irène Zandel (Titel u. S.10) undKünstleragentur | Spielzeit 2018/2019Programmänderungen bleiben vorbehalten.

DARELL ANG, Leitung

Darrell Ang ist seit 2016 Künstle-rischer Leiter und Chefdirigent des Sichuan Orchestra of China und wird regelmäßig von Valery Gergiev ans Mariinsky Theater eingeladen. Der in Singapur geborene Dirigent stu-dierte in St. Petersburg bei Leonid Korchmar und an der Yale School of Music bei Shinik Hahm. Er war der bis dato jüngste Assistent beim Singapore Symphony Orchestra, wo er eng mit dessen Chefdirigent Lan Shui zusammen arbeitete. Daneben leitete er das Singapore National Youth Orchestra. Einen überragen-den Erfolg feierte er beim Besançon International Young Conductors’ Competition, wo er den Haupt-, den Publikums- und den Orchesterpreis errang. Im Anschluss übernahm er von 2012 bis 2015 die Leitung des Orchestre Symphonique de Bretagne. Wenig später wurde er Teil der International Conductors’ Academy der Allianz Cultural Foun-dation, in deren Rahmen er wieder-holt mit dem London Philharmonic und dem Philharmonia Orchestra zusammen arbeitete. Lorin Maazel und Esa-Pekka Salonen wurden seine Mentoren, denen er bis heute sehr dankbar ist. In dieser Saison wird er wieder mit dem NHK Symphony Orches tra zu erleben sein, zudem mit

dem London Philharmonic Orches-tra und dem Cellisten Kian Soltani, mit dem Queensland Symphony Or-chestra und Antoine Tamestit, sowie in Südtirol, Barcelona und Taiwan. Debüts führen ihn nach Moskau, Bologna, Lausanne, Malmö, Ankara, Mont pellier, Marseille, Däne mark und Japan. Unter den Opern, die er leiten wird, finden sich Don Giovanni und Rigoletto am Mariinsky Theater, Carmen an der Estonian National Opera, Die Zauber flöte und Nijinskys Tagebuch in Bordeaux, Der fliegende Holländer in Singapur und Così fan tutte in Toulon. Darrell Ang leitete mehrere Aufnahmen für das Label Naxos, darunter seine Debüt-CD mit Werken chinesischer Komponis-ten, die 2016 für den Grammy no-miniert war.

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STAATSKAPELLE HALLEVIOLINE 1 Arkadi Marasch | Ying Zhang | Dorothée Stromberg | Thomas Panhofer

Lutz Gäbler | Ernö Molnar | Christian Barthel | Regina Braun | Antje Büchner | Susanna FranzAstrid Haase | Annette Lehmann | Roland Kuhn | Corinna Merkel | Cornelia Müller

Michael Pöschke | Uwe Prochnow | Uta Rosenhauer | Daniel Schad | Alexander SteimannElisabeth Thiel | Dietlind von Poblozki

VIOLINE 2 Andreas Tränkner | Jutta Teichmann | Theo Toschew | Wolfgang Singer Henriette Auracher | Elke Biedermann | Bettina Ernert | Kerstin Espig | Veronika Fischbeck

Bettina Freytag | Ralf Korrmann | Lars-Peter Lawrenz | Stephan Parnow | Olaf Raabe Kirsten Reiche | Friedemann Rümpel | Birgit Schnurpfeil | Christiane Vanegas | Matthias Wessel

VIOLA Hartmut Neubert | Matthias Gallien | Michael Clauss | Cornelia Metz | Christoph Breuer Gerd Doering | Sabine Fogel | Nora Kegel | Frank Lauber | Anna-Maria Niggl | Petra Nitsch

Eva Oppl | Bernhard Prokein | Oliver Tepe | Constanze Wehrenfennig

VIOLONCELLO Hans-Jörg Pohl | Johannes Hartmann | Christian HungerMarkus Händel | Hinnes Goudschaal | Thomas Knappe | Burghard Müller

Andreas Teichmann | Bettina Tränkner | Anne Well

KONTRABASS Heinrich Schkrobol | Stefan Meissner | Thomas Schultchen | Ralf GrieseFrank Köpping | Claus-Peter Nebelung | Dorothea Ockert | Steffen Slowik

FLÖTE Elke Lange | Ralf Mielke | Bettine Keyßer | Gabriele Knappe | Constanze Karolic

OBOE Thomas Ernert | Klaus-Peter Voss | Peter Heinze | Martin StögbauerLuis Cáceres-Moncada | Stefan Poldrack | Markus Michael Stein

KLARINETTE Frank Hirschinger | Sebastian Gette von Poblozki | Anja StarkeArmin Liebich | André Dubberke

FAGOTT Kai Aures | Kay Stöckel | Frank Benkendorf | Fabian BorggrefeKatharina Aures | Christian Badstübner

HORN Petra Hiltawsky-Klein | Katja Borggrefe | Birgit Kölbl | Leonhardt Krug | Frank Liers Olaf Weiß | Johannes Schergaut | Ralf Rössler | Rupert Niggl | Peter Zimmermann

TROMPETE Henrik Bierwirth | Bruno Bastian | Thomas Remmlinger | Peter Funk | Volker Behnisch

POSAUNE Klaus Benkendorf | Hubertus Schmidt | Alexander Wunder | Jan SchildeHans-Peter Fechner | Wolfram Kuhnt | Johannes Markwald

TUBA Volkmar Klein | Klaus Teufel

PAUKE / SCHLAGZEUG Andreas Pfeuffer | Johannes Köhler | Dietmar SeidelIvo Nitschke | Dietmar Baier | Hagen Hauser | Ralf Schneider

HARFE Andreas Wehrenfennig | Ursula Heins

ORCHESTERAKADEMIE VIOLINE Naoko Fujita | Rika Ikemura FLÖTE Franziska FöllmerKLARINETTE Tamara Steinmetz VIOLONCELLO Constanze Wolf

TROMPETE Janek Lamers SCHLAGZEUG Tim Weidig

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Die deutsche Theater- undOrchesterlandschaft wurde2014 in das bundesweiteVerzeichnis des immateriellenKulturerbes aufgenommen.

www.buehnen-halle.de