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Aus der Abteilung für Radiodiagnostik der Radiologischen Klinik Universitätskliniken, Homburg/Saar Fakultät 2, Bereich Klinische Medizin der Universität des Saarlandes, Homburg / Saar. Intravitalmikroskopische Vermessung der Leukozyten-Endothel-Interaktion nach Gabe nichtionischer iodierter Röntgenkontrastmittel an Mäuse zur Untersuchung später anaphylaktoider Nebenwirkungen Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin der Medizinischen Fakultät der UNIVERSITÄT DES SAARLANDES 2002 vorgelegt von: Bernhard Lehnert geboren am 27. März 1974 in Saarlouis

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Aus der Abteilung für Radiodiagnostik der Radiologischen KlinikUniversitätskliniken, Homburg/SaarFakultät 2, Bereich Klinische Medizinder Universität des Saarlandes, Homburg / Saar.

Intravitalmikroskopische Vermessung der Leukozyten-Endothel-Interaktion nach Gabenichtionischer iodierter Röntgenkontrastmittel an Mäuse zur Untersuchung späteranaphylaktoider Nebenwirkungen

Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin

der Medizinischen Fakultät

der UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

2002

vorgelegt von: Bernhard Lehnert

geboren am 27. März 1974 in Saarlouis

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Inhaltsverzeichnis1. Zusammenfassung.........................................................................................................32. Einleitung: eigene Fragestellung...................................................................................5

2.1 Kontrastmittelentwicklung - Anfänge bis heute..........................................................52.2 Kontrastmittelnebenwirkungen....................................................................................82.3 Späte Anaphylaktoide Wirkungen - Begriff und Symptomatik...................................82.4 Späte Anaphylaktoide Wirkungen – Pathophysiologie.............................................122.5 Kontrastmittel und Endothel......................................................................................132.6 Leukozytenadhäsion als früher Schritt in Entzündungsreaktionen............................142.7 These der erhöhten Adhäsionsneigung nach KM-Injektion......................................152.8 Mögliche Nutzen.......................................................................................................162.9 Fragestellung der vorliegenden Arbeit.......................................................................16

3. Material und Methodik................................................................................................183.1 Tiermodell.................................................................................................................183.2 Verwendete Kontrastmittel........................................................................................193.3 Beobachtungsgruppen................................................................................................203.4 Zeitlicher Aufbau.......................................................................................................223.5 Narkose......................................................................................................................223.6 Intrajuguläre Injektionstechnik..................................................................................233.7 Verwendete intravital-Farbstoffe...............................................................................243.8 Lagerung der Maus....................................................................................................253.9 Mikroskopie...............................................................................................................263.10 Dokumentation........................................................................................................273.11 Auswertung..............................................................................................................30

4. Ergebnisse....................................................................................................................344.0 Aufbau der Ergebnisdarstellung................................................................................344.1 Anzahl der untersuchten Tiere ..................................................................................374.2 Tierorientiert-leukozytenbezogene Darstellung.........................................................394.3 Tierorientiert-flußbezogene Darstellung....................................................................414.4 Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung.....................................................434.5 Venenorientiert-flußbezogene Darstellung................................................................464.6 Anhang: Tabellen zu Kapitel 4.2 bis 4.5...................................................................49

5. Diskussion...................................................................................................................536. Literaturverzeichnis ....................................................................................................567.Dank..............................................................................................................................588. Lebenslauf....................................................................................................................59

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1. Zusammenfassung

Hintergrund: Große klinische Studien konstatieren pseudoallergische Nebenwirkungen

auf nichtionische, iodierte Röntgenkontrastmittel, die mit sehr großer zeitlicher Latenz - bis

zu mehreren Tagen nach der Verabreichung - auftreten können. Deren epidemiologische

Erfassung erweist sich als sehr schwierig, ihre Pathophysiologie ist weitgehend ungeklärt.

Schwierig ist aus diesen Gründen auch, die Verträglichkeit verschiedener Kontrastmittel

bezüglich der Späten unerwünschten Nebenwirkungen zu vergleichen.

Die Symptomatik der o.g. Effekte ist entzündlicher Natur, ihre häufigste Lokalisation in

der Haut. Ein früher Schritt im Entstehen von Entzündungen spielt sich in der Interaktion

zwischen Leukozyten und Endothel ab. Immunkompetente Zellen, die im Blutstrom zum

Ort der Entzündung transportiert werden, verlassen den Blutstrom, indem sie zunächst am

Endothel „kleben“ bleiben, um dann das Endothel durchwandern, an den interstitiellen Ort

der Entzündung gelangen und Entzündungsmediatoren wie Histamin ausschütten zu

können.

Fragestellung: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob es nach

Exposition mit nichtionischen, iodierten Röntgenkontrastmitteln – und hier wiederum im

Vergleich monomerer wie dimerer Präparate – tatsächlich auch nach mehr als 24 Stunden

noch zu einem Einfluß auf die Leukozyten-Endothel-Interaktion kommt. Insbesondere

sollen Daten unter in-vivo-Bedingungen, also mit realistischen Konzentrationen und

natürlicher Arzneimittelkinetik gewonnen werden. Dies könnte die tatsächliche Existenz

solch später Arzneimittelnebenwirkungen weiter untermauern und Grundlage für

weiterführende pathophysiologische Forschung sein. Nicht zuletzt könnte der Nachweis

solcher Effekte auch dem Vergleich der Toxizitäten verschiedener Präparate dienen.

Methoden: Als Modelltier wurden Albino-Nacktmäuse, als Modell die nicht traumatisierte

Haut des Ohrs verwendet. Die Tiere erhielten randomisiert isoosmolare Kochsalzlösung,

ein isoosmolares dimeres Kontrastmittel, ein isoosmolares monomeres Kontrastmittel oder

eine hyperosmolare Zubereitung des monomeren Kontrastmittels intravenös injiziert

(Details siehe Tab. 1.1).

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Kapitel 1. Zusammenfassung

Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4Art Kontrollgruppe Isoosmolar,

dimerIsoosmolarmonomer

Hyperosmolar,monomer

Präparat undMenge

NaCl 0,9%,8,56ml/kg KG

Iodixanol, Visi-paque® 150,8,56 ml/kg KG

Iomeprol,Imeron® 150,8,56 ml/kg KG

Iomeprol,Imeron® 300,4,28 ml/kg KG

Zahl der Tiere 4 5 5 8Tabelle 1.1 - Kontrastmittel in verschiedenen Untersuchungsgruppen

Zu drei verschiedenen Zeitpunkten, nämlich 24, 36 und 48 Stunden nach Kontrastmittel-

applikation wurde die Leukozyten-Endothel-Interaktion intravital-mikroskopisch

quantifiziert. Dazu wurde den Tieren zwei Farbstoffe, nämlich FITC-Dextran zur

Darstellung des Plasmaflußes und Rhodamin G6 zur Darstellung der Leukozyten

intravenös injiziert und unter dem Fluoreszenz-Auflichtmikroskop sowohl die Zahl der

frei fließenden Leukozyten als auch der temporär adhärenten, der an der Gefäßwand

entlang rollenden und der ortsfest an der Gefäßwand klebenden Leukozyten gezählt.

Ergebnisse: Eine Abnahme der Frei-Fließenden gegenüber der NaCl-Kontrollgruppe

konnte für das hyperosmolare Imeron®300 zu allen Zeitpunkten besonders deutlich

gezeigt werden. Für die isoosmolalen Kontrastmittel nicht nach 24, wohl aber nach 36

und 48 Stunden.

Folgerungen: Die gezeigte Tendenz der Leukozyten, selbst nach über 24 Stunden noch

vermehrt mit dem Endothel zu interagieren, zeigt, daß sich sehr späte proinflammatori-

sche Effekte von Kontrastmitteln auch unter Vitalbedingungen nachweisen lassen. Dies

stützt die These der Existenz klinisch relevanter Spätnebenwirkungen. Zugleich zeigt

die vorliegende Arbeit, daß sich diese Effekte auch mit kleinen Tierzahlen nachweisen

lassen. Der Einsatz des von uns verwandten Modells sowohl für die präklinische Erpro-

bung neuer Kontrastmittel als auch für die weitere Erforschung pseudoallergischer

Kontrastmittelnebenwirkungen und eventueller Gegenmittel sollte in Erwägung gezogen

werden.

Für einen stärkeren Effekt bei den dimeren KMs zeigt sich keine Anhalt.

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Kapitel 2. Einleitung: eigene Fragestellung

2. Einleitung: eigene Fragestellung

2.1 Kontrastmittelentwicklung - Anfänge bis heute

Wenige Wochen nach der ersten Veröffentlichung über die neuen Strahlen durch

Wilhelm Conrad Röntgen im Jahre1896 wurden schon Experimente unternommen,

außer Knochen mit der neuen Technik auch Weichteile durch das Einbringen

röntgendichter Stoffe abzubilden (z.B. HASCHEK, LILIENTHAL 1896). Bei den zunächst

verwendeten anorganischen Stoffen, wie z.B. Wismut- und Jodsalzen, stand das

Problem der Toxizität weit im Vordergrund. Schon im genannten Jahr formulierte

Becher das bis heute gültige Grundproblem der Kontrastmittelforschung: “Die

Aufnahme z.B. des menschlichen Magens in vivo nach Röntgen hat zur Voraussetzung,

daß man eine Lösung, die zwei Eigenschaften hat, ausmittelt: man muß sie, ohne

Schaden zu stiften, in den menschlichen Magen einbringen können; zugleich aber muß

sie noch für Röntgen’sche Strahlen undurchlässig sein.” (BECHER 1896).

Mitte der zwanziger Jahre erkannte man, daß man dem Jod seine Toxizität weitgehend

nehmen konnte, indem man es in organische Verbindungen brachte. Heute sind von

allen damals ausprobierten Elementen für wasserlösliche Röntgenkontrastmittel nur

Jodverbindungen in der Verwendung gebliebenen. Die Variation der organischen

Verbindungen ermöglichte eine rege Entwicklung mit zwei Zielen: eine hohe

Jodkonzentration im Zielorgan, und auch heute noch, das Jod in solchen chemischen

Verbindungen bereitzustellen, die für den Organismus möglichst wenig belastend sind.

Die zentrale Verbindung, auf der die entscheidenden Entwicklungsschritte aufbauten,

war die Triiodbenzoesäure. Unter anderem auch, weil der aromatische Ring eine hohe

Thermostabilität und damit unkompliziertes Autoklavieren ermöglichte (URICH 1995).

Ein Kontrastmittel erlaubt die Darstellung um so feinerer Strukturen (z.B. arteriosklero-

tische Plaques, Mikroaneurysmen), je größer die Jodkonzentration im darzustellenden

Raum (z.B. Blutgefäß) ist. Die Konzentration der Kontrastmittellösungen läßt sich aber

nicht beliebig steigern: Mit zunehmender Konzentration steigt die Zahl der Teilchen pro

Volumen, und damit auch die Osmolarität. Hyperosmolare Lösungen haben jedoch bei

intravasaler Anwendung eine ganze Reihe von Nachteilen, die zum Begriff der “Osmo-

toxizität” - als Gegenbegriff zur “Chemotoxizität” - geführt haben: darunter Schmerz an

der Injektionsstelle, Flüssigkeitsverschiebungen mit Wasserentzug aus Endothel- und

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Kapitel 2.1 Kontrastmittelentwicklung - Anfänge bis heute

Blutzellen sowie daraus folgenden Flußveränderungen und Ausschüttung von vasoakti-

ven Substanzen. Die Weiterentwicklung der Kontrastmittel bestand so zu einem wesent-

lichen Teil darin, hohe Jodkonzentrationen bei niedriger Osmolarität zu erreichen. Auf

molekularer Ebene bedeutet das, möglichst viele Jodatome in möglichst wenig gelösten

Teilchen. Das Maß hierfür ist der Quotienten R, die Zahl der Jodatome pro gelösten

Teilchen, den es möglichst hoch zu gestalten gilt. Die folgenden Schritte auf dem Weg

zu weniger Osmolarität und zugleich besserer Verträglichkeit zeigt die Abbildung 2.1

auf der Ebene der Strukturformeln. Die zunächst verwendeten Jodsalze wie NaI und KI

enthielten ein Jodatom und zerfielen in wässriger Lösung in zwei Teilchen: R = ½ = 0,5.

Die Salze der Triiodbenzoesäure enthielten drei Jodatome und zerfielen in zwei

Teilchen: R = 3/2 = 1,5. Durch die Entwicklung der nichtionischen triiodierten

Kontrastmittel war kein begleitendes Kation mehr nötig und das Molekül zerfiel in

wässriger Lösung nicht: R = 3/1 = 3. Bei der neuesten Entwicklung, den Dimeren der

triiodierten Kontrastmittel, befinden sich 6 Jodatome in einem nicht-dissoziierenden

Molekül. Mit einem R=6 lassen sich auch hohe Jodkonzentrationen, wie man sie z.B.

für Arteriographien braucht, in zum Blut isoosmolaren Präparaten herstellen. Man kann

sogar noch Elektrolyte wie Natrium und Kalzium hinzufügen, um physiologische

Vorgänge, z.B. die Reizleitung im Herzen, weniger zu stören und so weniger

Beeinflussung der Kontraktilität und geringere Gefahr des Kammerflimmerns zu

erreichen (ALMÉN 1995).

Die ionischen Monomere waren aufgrund der dissoziierten Carboxylsäuregruppe

-COO- H+ gut wasserlöslich. Die nichtionischen Kontrastmittel haben keine

dissoziierenden Bestandteile mehr und werden deshalb mit möglichst vielen polaren

Hydroxylgruppen -OH in den Seitenketten versehen. Eine gleichmäßige Verteilung

dieser Hydroxylgruppen über das Atom führt zu einer niedrigeren subarachnoidalen und

intravenösen Toxizität. Die langen Seitenketten bei nichtionischen Kontrastmitteln,

insbesondere bei Dimeren, bedingen jedoch zugleich eine Zunahme der Viskosität

(ALMÉN 1990). In der Abbildung 2.1 sind auch die Strukturformeln von Iodixanol und

Iomeprol enthalten, jeweils einem Vertreter der nichtionisch-monomeren und

nichtionisch-dimeren Kontrastmitteln. Sie werden in der vorliegenden Arbeit

beispielhaft für beide Gruppen untersucht.

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Kapitel 2.1 Kontrastmittelentwicklung - Anfänge bis heute

Abb. 2.1 a) - d) Entwicklungsstufen iodhaltiger Kontrastmittel e), f) Strukturformeln der

von uns verwandten Kontrastmittel Iomeprol (e) und Iodixanol(f). Die Pfeile

kennzeichnen für die chemische Stabilität (Iomeprol) bzw. für die Wasserlöslichkeit

(Iodixanol) besonders wichtige funktionelle Gruppen (siehe Kap. 3.2).

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I

I

I

RCH3-C0-NH

I

I

I

I

I

I I

I

I

R*

a) anorganische Salze (R=0,5):

b) ionischer, triiodierter Benzolring:(R=1,5)

c) nichtionischer Ring:(R=3)

d) nichtionisches Dimer:(R=6)

I

I

I

e) Iomeprol (Imeron ):

f) Iodixanol (Visipaque ):

I

I

I

RR

I

I

I

R

I

I

I

C=O C=O

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Kapitel 2.2 Kontrastmittelnebenwirkungen

2.2 Kontrastmittelnebenwirkungen

Kontrastmittel sind atypische Pharmaka, da sie idealerweise keine pharmakologischen

Wirkungen haben und möglichst inert sein sollten. Der Begriff der Nebenwirkung wird

damit streng genommen etwas fragwürdig, als einfachere Sprachregelung sollen im

Folgenden die Unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Kontrastmittel aber dennoch

als Nebenwirkungen bezeichnet werden. Der Schritt von den ionischen zu den nicht-

ionischen Verbindungen war mit einem bedeutenden Gewinn an Verträglichkeit verbun-

den: KATAYAMA 1990 fanden Akutreaktionen in 3,1% statt 12,7% der Patienten, behand-

lungsbedürftige Akutreaktionen in 0,04% statt 0,22%. 70% der von ihnen untersuchten

Kontrastmittelnebenwirkungen traten dabei innerhalb von 5 Minuten nach Injektion,

16% später als 5 Minuten auf (bei den restlichen 14% waren die Zeitpunkte nicht erfaßt

worden). Zusätzlich zu diesen Kontrastmittelreaktionen direkt im Anschluß an die

Untersuchung wird aber auch über Nebenwirkungen berichtet, die mit großer Verzö-

gerung von bis zu mehreren Tagen einsetzen. Da sie Gegenstand der vorliegenden

Arbeit sind, soll im Folgenden ausführlicher über sie berichtet werden.

2.3 Späte Anaphylaktoide Wirkungen - Begriff und Symptomatik

Unter Späten Anaphylaktoiden Nebenwirkungen verstehen wir unerwünschte

pharmakoinduzierte Effekte, die in ihrer Gestalt an klassische Kontrastmittel-

nebenwirkungen erinnern, aber mit einem großen zeitlichen Abstand zur Verabreichung

auftreten.

Die Natur der Späten Anaphylaktoiden Nebenwirkungen der iodhaltigen Kontrastmittel

ist epidemiologisch schwer zu fassen, da ihre Symptome unspezifisch, die

Durchführung von Doppelblind-Studien nicht zu rechtfertigen, und eben aufgrund ihres

späten Eintretens der Zusammenhang zwischen Auftreten und Kontrastmittelapplikation

schwer zu beweisen ist. Einige bedeutendere Arbeiten sollen im Folgenden

exemplarisch dargestellt werden. Die Darstellung erfolgt in chronologischer Folge.

• In der, nach eigener Aussage, ersten formalen Studie hierzu, wurden Patienten nach

Urographie Fragebögen mit geschlossenen Fragen zu Schmerzen im Bereich der

Injektion und zu Rash-Erscheinungen sowie offenen Fragen nach einem Kommentar

ausgehändigt. Die Patienten sollten sie frühestens eine Woche nach der

Untersuchung zurücksenden. In den 841 ausgewerteten Bögen fanden sich in der

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Kapitel 2.3 Späte Anaphylaktoide Wirkungen - Begriff und Symptomatik

offenen Frage bei 14% der Patienten eine ganze Reihe von Symptomen. Die

häufigsten waren Schwäche- bzw. Müdigkeitsgefühl (40 Fälle), Kopfschmerz (24

Fälle), Krankheitsgefühl oder Unwohlsein (23 Fälle), Magenschmerzen (10 Fälle),

Symptome der Oberen Atemwege (10 Fälle), Schwindel (9), Erbrechen (8), Übelkeit

(6), Gelenkschmerzen (6) usw. Späte Hautausschläge („rash“) zeigten sich bei 7%

der Frauen und 4% der Männer (PANTO 1986). Diese Effekte wurden als verspätete

Reaktionen auf die Gabe von Röntgenkontrastmitteln gedeutet und von da an in

verschiedenen Studien untersucht.

• YOSHIKAWA 1992 führten eine prospektive Studie durch, bei der den 2.052 erfassten

Patienten 17 Symptome zum Ankreuzen angeboten und darüber hinaus die Möglich-

keit zur freien Formulierung anderer Beschwerden geboten wurde. Sie nahmen mit

jedem Patient noch einmal Kontakt auf, um zu klären, ob er/sie diese Symptome

schon vorher hatte und zählten nur neu aufgetretene Symptome. Sie ermittelten eine

Frequenz von 8,0% aller Patienten. Im Vergleich zu nur 3,8% Patienten mit Sofort-

reaktionen. Auch sie fanden eine höhere Inzidenz bei Frauen (w/m=10,7%/5,7%).

Allerdings zählten sie als Spätreaktion einen Zeitraum von 30 Minuten bis 48

Stunden nach der Exposition. Die häufigsten Symptome waren Kopfschmerz, Rash,

Jucken, Übelkeit, Schwindel, allgemeine Abgeschlagenheit, Abdominalschmerzen,

etc. (YOSHIKAWA 1992)

• Im selben Jahr veröffentlichten BEYER-ENKE 1992 eine prospektive Studie, in der eine

Gruppe von radiologisch Untersuchten mit Kontrastmittelgabe mit einer Gruppe ohne

Kontrastmittelgabe verglichen wurde. Die Patienten glaubten, es ginge um Neben-

wirkungen der Röntgenuntersuchung selbst. Der Zusammenhang mit der Kontrast-

mittelgabe wurde ihnen nicht erklärt. In 499 zurückgelaufenen Fragebögen fanden

sich statistisch signifikante Unterschiede nur für Schmerz an der Injektionsstelle und

Diurese. Darüber hinaus fanden sie eine deutliche, wenn auch nicht signifikante Häu-

fung des Symptoms Benommenheit in der Kontrastmittelgruppe. Das in vielen

Studien häufig angegebene Symptom Kopfschmerz wurde auch bei ihnen häufig,

aber in beiden Kollektiven gleich häufig angegeben (z.B. am 2. -3. Tag in 3,0 vs.

3,1%). (BEYER-ENKE 1992)

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Kapitel 2.3 Späte Anaphylaktoide Wirkungen - Begriff und Symptomatik

• OLDHAM ET al. 1990 beschrieben, daß Patienten, die eine Interleukin 2 (IL-2)-

Immunotherapie hinter sich hatten, nach Kontrastmittelgabe Reaktionen zeigten, die

sie als ”Erinnerungsphänomene” an die IL-2 Nebenwirkungen beschreiben. Diese ge -

meinsam durch IL-2 und Röntgenkontrastmittel ausgelösten Reaktionen waren

Fieber, Frösteln, Rash, Übelkeit und Erbrechen, Urtikaria und andere. CHOYKE et al.

1992 fanden, daß Spätreaktionen, die zwischen 1 und 24 Stunden nach

Kontrastmittelapplikation auftraten, bei Patienten, die eine IL-2 Immunotherapie

hinter sich hatten, nicht nur 4mal so häufig auftreten, sondern in ihrem Auftreten

auch deutlich schwerwiegender sind. Die Häufung war statistisch signifikant für

Juckreiz, Erkältungssymptome und Rash, sowie Spätreaktionen insgesamt. Sie

fanden Reaktionen in 11,8% der Interleukinpatienten und in 3,9% der anderen

Patienten. IL-2 wird in der Tumortherapie des Melanoms und Nierenzellkarzinoms

verwendet, da es zur Proliferation tumorspezifischer T-Zellen führt, Lymphokin-

Aktivierte-Killerzellen (LAK-Zellen) moduliert und Natürliche Killerzellen (NK-

Zellen) zur Ausschüttung von IL-12 anregt, dem wichtigsten Wachstumsfaktor für

NK-Zellen. IL-2 Therapie ist reich an unerwünschten Nebenwirkungen. Die erhöhte

Inzidenz und der größere Schweregrad der KM-Nebenwirkungen in Patienten nach

einer solchen Immunstimulation läßt den Schluß zu, daß am Zustandekommen der

besagten Wirkung immunologische Effekte beteiligt sind.

• BEYER-ENKE 1996 verweist in einem kritischen Review noch einmal auf die Unzuver-

lässigkeit des Symptoms Kopfschmerz. Er berichtet über deutliche Unterschiede der

Inzidenz Später Nebenwirkungen zwischen Deutschland und Japan

(Japan>Deutschl.) und verweist darauf, daß verschiedene Autoren sehr unterschied-

liche Definitionen dafür anwenden, ab wann sie eine Reaktion als „spät“ bezeichnen.

In den von ihm zitierten Arbeiten variiert diese Grenze von „nach Verlassen der

Abteilung” bis ”mindestens 24 Stunden nach der Applikation”. Dies beeinträchtigt

die Vergleichbarkeit der bisherigen Studien erheblich. BEYER-ENKE 1996 bevorzugt

die 24 Stunden Definition. Zu diesem Zeitpunkt seien 99% des Kontrastmittels

wieder ausgeschieden. Er weist jedoch darauf hin, daß das verbleibende 1% in

absoluten Maßen für immunologische oder pharmakologische Verhältnisse immer

noch erheblichen Größenordnungen entspricht.

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Kapitel 2.3 Späte Anaphylaktoide Wirkungen - Begriff und Symptomatik

Zu den unterschiedlichen Inzidenzen später, anaphylaktoider Nebenwirkungen merkt

NIENDORF 1996 an, daß Patienten in verschiedenen Abteilungen natürlich auch ver-

schiedene Grunderkrankungen und Begleitmedikationen haben.

• YASUDA, MUNECHIKA 1998 verglichen die per Fragebogen ermittelten Spätreaktionen

(hier: 1 Stunde bis 7 Tage nach Untersuchung) von 907 Patienten mit nativer CT und

2370 mit kontrastmittelverstärkter CT-Untersuchung (nichtionische KM). Von den

Patienten, die Kontrastmittel erhielten, beschrieben 12,4% Späte Unerwünschte

Reaktionen, aber auch 10,3% in der Nativ-CT Kontrollgruppe (p=0,094). Da die

Reaktionen der Nativ-CT Gruppe keine Arzneimittelnebenwirkungen sein können,

schätzen die Autoren die Inzidenz der echten Kontrastmittelnebenwirkungen auf

12,4%-10,3%= 2,1%. In beiden Gruppen berichteten Frauen häufiger als Männer

über Spätreaktionen, so daß hierfür psychologische Ursachen vermutet werden

können.

In zwei Fällen kam es zu etwas schwereren Nebenwirkungen: Eine Patientin mit

schwerwiegender Urtikaria, die etwa 10 Stunden nach der Kontrastmittelgabe auftrat

aber nach einigen Stunden spontan wieder abklangt und ein Patient mit Blutdruck-

abfall um etwa 30mmHg am fünften Tag nach Exposition.

Betrachtet man die große Zahl durchgeführter Kontrastmitteluntersuchungen, so wird

klar, daß eine eingehende Untersuchung ihrer Nebenwirkungen auch dann obligat ist,

wenn die genannten Symptome primär meist nicht wirklich gravierend sind. Die

Patienten befinden sich bei Eintreten der Nebenwirkungen oft nicht mehr in

medizinischer Überwachung. Auch ein zunächst harmloser Schwindelanfall kann

beispielsweise im Straßenverkehr schwerwiegende Folgen haben. Durch den

gegenwärtigen Trend zu mehr ambulanter Patientenbetreuung wird dieses Argument an

Bedeutung noch gewinnen.

Dramatisch erscheint die Geschichte des Iotrolan, eines nichtionischen, dimeren

Röntgenkontrastmittels, dessen i.v.-Zubereitung Isovist® 280 nur wegen verspäteter,

allergoider Reaktionen wieder vom Markt genommen wurde wurde (Niendorf 1996).

Die Natur der Späten Kontrastmittelnebenwirkungen macht ihre epidemiologische

Erforschung sehr schwierig. Da ihre Symptome ausgesprochen vielfältig sein können,

haben die meisten Autoren beliebig jedes Symptom, das von den Patienten genannt

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Kapitel 2.3 Späte Anaphylaktoide Wirkungen - Begriff und Symptomatik

wurde, gesammelt. Da aufgrund der langen Zeiträume keine Objektivierung der

Symptome durch einen untersuchenden Arzt möglich ist, und da die beschriebenen

Beschwerden oft von eher geringfügiger Natur sind, sind psychologische Störeinflüsse

nicht nur nicht auszuschließen, sondern vielmehr zu erwarten. Die Geschlechts-

unterschiede in der Kontrollgruppe von YASUDA 1998 sowie die von BEYER-ENCKE 1996

betonten nationalen Unterschiede weisen deutlich auf diese Probleme hin.

2.4 Späte Anaphylaktoide Wirkungen – Pathophysiologie

Nachdem eine Klärung der Frage nach der Natur der Späten Anaphylaktoiden

Nebenwirkungen mit epidemiologischen Mitteln schwierig und nur zum Teil möglich

ist, müssen andere Wege zur Klärung des Problems beschritten werden. So könnte die

Aufklärung eines Pathomechanismus für die vermuteten Effekte zur Klärung beitragen.

Klar ist, daß die vorliegenden Reaktionen keine allergischen Reaktionen darstellen. So

sind zum einen keine Antikörper gegen Kontrastmittel bekannt, zum anderen führt eine

zweite Exposition nicht automatisch zu einer gleichen oder stärkeren Reaktion als die

Erstreaktion, wie man das bei einer Allergie erwarten würde (BETTMANN 1997). Diese

nicht-allergischen Zustände und Reaktionen werden auch als “Pseudoallergie”, “allergy-

like reaction” oder “anaphylaktoide” Reaktion bezeichnet. JUNG 1998 (S.47) gibt

beispielsweise die folgende Definition für “Pseudoallergie”:

“ Definition. Pseudoallergische Reaktionen zeigen klinisch die Symptome

einer Allergie, sind aber nicht immunologisch bedingt. Da eine Sensibili-

sierungsphase fehlt, können sie schon beim Erstkontakt mit der auslösenden

Substanz auftreten. Eine immunologische Erkennung des Fremdstoffes er-

folgt nicht, und damit gewinnen pathogenetisch neben einer direkten Hista-

minfreisetzung unspezifische und antikörperunabhängig aktivierbare Effek-

torsysteme (Arachidonsäuremetabolismus, Fibrinolyse, Kinninsystem, Kom-

plement) an Bedeutung.”

BETTMANN 1997 betont , daß das Fehlen einer immunologischen Erkennung durch Anti-

körper nicht bedeutet, daß nicht trotzdem Teile des Immunsystems eine bedeutende

Rolle in der Kontrastmittelreaktion spielen. Über die Pathomechanismen sowohl der

akuten, wie auch der verzögerten Nebenwirkungen von Röntgenkontrastmitteln besteht

weitgehend Unklarheit (BETTMANN 1997, MORRIS 1993). Die Aufklärung eines Patho-

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Kapitel 2.4 Späte Anaphylaktoide Wirkungen – Pathophysiologie

mechanismus führt in Zukunft vielleicht auch dazu, daß eine adäquate Vorsorge, Risiko-

erkennung und/oder Therapie möglich wird. Genauere Kenntnisse über die Natur der

genannten Effekte könnten auch eine bessere Einschätzung der Risiken neuer Stoffe

ermöglichen.

2.5 Kontrastmittel und Endothel

Den ersten und engsten Kontakt hat ein intravenös oder intraarteriell injiziertes

Kontrastmittel mit dem Blut und der Gefäßinnenwand, dem Endothel. Beide sind in das

vielseitige Spektrum der entzündlichen Reaktionen eingebunden: Das Blut, in Form der

Leukozyten, der Antikörper und des Komplementsystems, das Endothel als Quelle

vieler immunvermittelnder Stoffe z.B. auch als für die Chemotaxis von Leukozyten

wichtiges Zellsystem. Leukozyten emigrieren unter Interaktion mit dem Endothel aus

dem Blut ins Gewebe. Auswirkungen von Kontrastmitteln auf das Endothel sind in

großer Zahl beschrieben worden. Folgende Übersicht und Beispiele nach HAGEN 1994:

So wurde eine elektronenmikroskopische Lockerung des Zellgefüges, d.h. der Verbin-

dungen zwischen den Endothelzellen, schon 1959 dargestellt, konsekutiv erhöhte Per-

meabilität nachgewiesen, und die Ursache hierfür schwerpunktmäßig in der erhöhten

Osmolarität gefunden.

Durch Einfluß eines hyperosmolalen, ionischen Kontrastmittels reißt die intimale Ober-

fläche auf, es kommt zur Kernzerbröckelung und Schwellung. Die zellulären Grenzen

sind nicht mehr erkennbar, eine stärkere Ablagerung von Fibrin und Thrombozyten trat

auf(S.17). Auch nach Einwirken von nicht-ionischen Monomeren verändert sich der

normale elektronenoptische Aspekt der Endotheloberfläche von leicht geriffelt zu

stärkerer Furchenbildung sowie ein Anschwellen des Kerns(S.17). Im Vergleich alter,

hyperosmolar-ionischer Kontrastmitteln mit den neueren beschreibt HAGEN, daß neue,

niederosmolare Röntgenkontrastmittel (RKM) in der Interaktion mit der Gefäßwand und

speziell dem endothelialen Zellverband qualitativ den konventionellen gleichwertig,

quantitativ jedoch deutlich abgeschwächt sind(S.9).

”Ionische und nicht-ionische RKM fördern das fibrinolytische Potential insbesondere

des venösen Endothels - wahrscheinlich durch Aktivierung des endothelialen t-

pA”(S.22 )

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Kapitel 2.5 Kontrastmittel und Endothel

Zugleich zitiert HAGEN Hinweise darauf, daß durch Röntgenkontrastmittel induzierte

Gefäßschädigungen zu einer nachfolgenden Thrombose/Sklerose führen können.

Hierfür führt er beispielsweise eine Beschleunigung der Arteriosklerose in

Herzkranzgefäßen nach Koronarangiographie sowie Fibrinablagerungen nach

Phlebographien als Zeichen einer Endothelschädigung an(S.24). Funktionell werden

sowohl DNA- als auch Proteinsynthese in je nach Kontrastmittel unterschiedlichem

Maße unterdrückt(S.25). Röntgenkontrastmittel - auch nichtionische - fördern die

Freisetzung von Prostacyclin PGI2 aus dem vaskulären Endothel(S.27).

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob Kontrastmittelexposition mit

Leukozyten und Endothel zu einer vermehrten Affinität der beiden zueinander und

konsekutiv zu einer vermehrten Extravasation von Immunzellen führt.

2.6 Leukozytenadhäsion als früher Schritt in Entzündungsreaktionen

Immunitäts- und resistenzvermittelnde Leukozyten fließen im Blut und wandern am Ort

einer Entzündung ins Gewebe aus. Da Leukozyten aber nicht aktiv frei schwimmen,

wohl aber aktiv über Oberflächen wandern können, müssen sie vor einer chemotaktisch

gesteuerten, aktiven Bewegung den Blutfluß verlassen und an der Gefäßinnenfläche,

also dem Endothel fest machen. Dies wurde erstmals von DUTROCHE 1824 beschrieben;

erst seit den 80er Jahren findet die Klärung der dabei involvierten Vorgänge statt

(HARLAN 1992). Heute gilt die Leukozyten-Endothel-Adhäsion als früher und zentraler

Schritt im Zustandekommen einer Entzündungsreaktion (z.B. OSBORN 1990, HARLAN, LIU

1992). Endothelzellen der postkapillären Venolen präsentieren dazu spezielle Oberflä-

chenmoleküle, sogenannte Cell Adhesion Molecules (CAM). Diese können mit korre-

spondierenden Oberflächenmolekülen an Leukozyten so interagieren, daß der entspre-

chende Leukozyt am Endothel haften bleibt und so die Voraussetzung für eine spätere

Extravasation geschaffen wird.

Die endothelialen CAMs sind relativ aber nicht vollständig spezifisch für verschiedene

Leukozytenklassen. CAMs unterteilt man in folgende Gruppen: Selektine, Integrine und

die Immunglobulin-Superfamilie und Sonstige (ALBELDA et al. 1994). Die Wirkung der

Selektine scheint dabei als einzige auf das Gefäßsystem beschränkt, Integrine und

Mitglieder der Immunglobulinsuperfamilie vermitteln eine Reihe von Zell-Zell-Inter-

aktionen im ganzen Körper (TEDDER et al. 1995).

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Kapitel 2.6 Leukozytenadhäsion als früher Schritt in Entzündungsreaktionen

In Folge der veränderten Mikrozirkulationsverhältnisse zu Beginn einer Entzündungs-

reaktion kommt es zur Margination, d.h. zu einer Verlagerung der Leukozyten aus den

zentralen Bereichen des Blutstroms in die seitlichen, wodurch es zu vermehrten Kontak-

ten zum Endothel kommt. Die oben genannten Oberflächenmoleküle sowohl der

Endothelzellen als auch der Leukozyten, lassen eine Art Adhäsionsneigung zwischen

Endothel und Leukozyten entstehen, bei der ein Nacheinander verschiedener CAM-

Wirkungen zu verschiedenem Verhalten der Leukozyten führt. Die normalerweise frei

im Plasma schwimmenden Leukozyten werden zunächst unter dem Einfluß der

Selektine so an das Endothel gebunden, daß sie zwar weiterhin beweglich sind, ihre

Geschwindigkeit jedoch drastisch verringert wird. Sie rollen langsam am Endothel

entlang, wahrscheinlich, um eine Interaktion mit anderen lokalen, oberflächennahen

Mediatoren, wie dem IL-8 oder dem platelet-activating-factor (PAF) zu ermöglichen.

Das Rollen ist zumindest für Neutrophile Granulozyten ein passiver, nicht-

energieverbrauchender Vorgang (TEDDER et al.1995). Nach verschiedenen Zeiten des

Rollens wird durch ein aktivierendes Ereignis eine feste Verbindung zum Endothel

hergestellt, die keine Bewegung in Flußrichtung des Blutes mehr erlaubt. Hierfür sind

CAMs notwendig, die nicht zu den Selektinen gehören. Bei Neutrophilen beispielsweise

eine Interaktion zwischen CD18-Integrinen auf dem Leukozyten mit Molekülen der

Immunglobulinsuperfamilie auf der Endotheloberfläche. Nach dem festen Andocken an

die Gefäßwand kann, unter Einfluß eines chemotaktischen Gradienten, eine

Auswanderung ins extravasale Gewebe stattfinden (ALBELDA et al.1994).

Weil dieser Schritt in vielerlei Entzündungsreaktionen vorkommt, und da einige der be-

schriebenen Spätreaktionen auf Kontrastmittelgabe als inflammatorische Symptome er-

scheinen (Rash, Hautausschläge, Juckreiz,...), haben wir den Einfluß von

Kontrastmittelgabe auf die Leukozyten-Endothel-Interaktion nach 24 und mehr Stunden

im Tierversuch untersucht.

2.7 These der erhöhten Adhäsionsneigung nach KM-Injektion

Viele Symptome der Späten Unerwünschten Kontrastmittelwirkungen gehen mit

Entzündungserscheinungen der Haut einher (Hautausschläge, Rash, Juckreiz), andere

sind zumindest mit Immunprozessen vereinbar (Abgeschlagenheit, Schwächegefühl,

Atemwegsbeschwerden, Gelenkschmerzen, Schwindel). Auch spricht die erhöhte

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Kapitel 2.7 These der erhöhten Adhäsionsneigung nach KM-Injektion

Inzidenz der Erscheinung nach Immunotherapie mit IL-2 (CHOYKE et al. 1992) für eine

Immunreaktion. Nicht zuletzt sind sich die Autoren der meisten großen Studien darüber

einig, daß eine allergische Vorgeschichte, also ein immunologisch besonderer Zustand,

ein Risikofaktor für die Späten Unerwünschten Wirkungen sind (z.B. YOSHIKAWA 1992).

Dieser Ansicht widersprechen allerdings OI et al 1997, die bei Iopamidol für späte

Nebenwirkungen keinen solchen Zusammenhang finden konnten.

Als Arbeitshypothese bietet sich also eine spät einsetzende Entzündungsreaktion an, die

mit einer vermehrten endothelial-leukozytären Adhäsionsneigung einhergehen sollte. Es

ist denkbar, daß die Verabreichung eines nichtionischen Kontrastmittels im Körper

Reaktionen auslöst, die mit unterschiedlicher zeitlicher Verzögerung eine vermehrte

Zelladhäsion auslösen. Diese vermehrte Zelladhäsion könnte dann in einem Teil der

Patienten auch zu einer vermehrten Extravasation von Leukozyten und zu einer zellulär

bedingten Immunreaktion führen, die die o.g. Symptome erklären. THORPE et al. 1998

haben einen unmittelbaren, konzentrationsabhängigen Einfluß iodierter Kontrastmittel

auf die Leukozyten-Endothel-Adhäsion in vitro nachgewiesen. Eine Untersuchung unter

intravitalen Umständen auch nach Zeiträumen von über 24 Stunden stellt die

vorliegende Arbeit vor.

2.8 Mögliche Nutzen

Nach dem Nachweis einer in-vivo-Zunahme der Leukozyten-Endothel-

Adhäsionsneigung wäre eine Klärung der beteiligten CAMs von großem Interesse, da es

in einer Vielzahl von Tiermodellen geglückt ist, durch Einflußnahme auf der Ebene der

CAMs Entzündungsreaktionen zu verhindern (mehr dazu z.B. in HARLAN 1992 S.133ff,

ALBELDA 1994). Neben einem Weg zur Klärung der Pathomechanismen der genannten

Wirkungen wäre mit dem Nachweis einer Kontrastmittel-vermittelten vermehrten

Leukozyten-Endothel-Adhäsion also zugleich ein Weg zu deren Vorbeugung und/oder

Therapie vorgeschlagen.

Sollte sich herausstellen, daß die mikroskopisch beobachtbare Zunahme der Zell-Zell-

Interaktionen mit dem Risiko von Arzneimittelnebenwirkungen korrelliert, so könnte

man diese Methode auch in der Entwicklung neuer Substanzen frühzeitig einsetzen.

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Kapitel 2.9 Fragestellung der vorliegenden Arbeit

2.9 Fragestellung der vorliegenden Arbeit

Wie im bisherigen Text dargestellt, wurden späte Nebenwirkungen der an sich sehr gut

verträglichen nicht-ionischen Kontrastmitteln intensiv untersucht, die

zugrundeliegenden Pathomechanismen sind aber noch unklar (BETTMANN 1997). Die

beschriebene These der vermittelten Erhöhung der Adhäsionsneigung unterstellt, daß

nach Kontrastmittelgabe die Adhäsionsneigung zwischen Endothel und Leukozyten

generell erhöht sei. Wäre dies der Fall, müßten die beteiligten Mechanismen eingehend

untersucht werden, um Wege zur Früherkennung gefährdeter Patienten, vorbeugende

Maßnahmen oder gezielte Therapien zu entwickeln.

Die vorliegende Arbeit untersucht deshalb die Frage, ob es im Zeitraum zwischen 24

und 48 Stunden nach der intravenösen Verabreichung von nichtionischen iodierten

Röntgenkontrastmitteln zu einem generell vermehrten Rollen bzw. Haften von

Leukozyten an der Gefäßwand kommt.

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Kapitel 3. Material und Methodik

3. Material und MethodikUm den Einfluß verschiedener Kontrastmittel auf die Adhäsionsneigung zwischen

Endothel und Leukozyten zu untersuchen, wurden Mäusen verschiedene Kontrastmittel

injiziert und, nach einer gewissen Zeit, das Verhalten der Leukozyten zum Endothel

beobachtet. Die mikroskopischen Bilder wurden auf Videofilm festgehalten und

nachträglich ausgewertet. Dabei wurde gezählt, wieviele Leukozyten frei fließen,

wieviele temporär adhärent sind, wieviele rollen und wieviele stationär an der

Gefäßwand haften (siehe Abb. 2.2). Darüber hinaus wurde der Blutfluß durch die

verschiedenen Gefäße abgeschätzt. Diese Zahlen wurden zueinander in Beziehung

gesetzt und in den verschiedenen Gruppen verglichen. Um Normalwerte zu erhalten

wurde auch eine Gruppe mit isotoner Kochsalzlösung anstelle von Kontrastmitteln

mitgeführt.

3.1 Tiermodell

Als Tiermodell fand eine Adaptation des Albino-Nacktmaus-Modells nach Eriksson

1980 Verwendung. Hier können am lebenden Tier Blutgefäße einschließlich der in

ihnen befindlichen Leukozyten nicht-invasiv mikroskopisch untersucht werden.

Während bei anderen Tiermodellen zur in-vivo-Mikroskopie von Blutgefäßen, wie etwa

der Hamsterrückenhautkammer eine vorbereitende traumatische Manipulation nötig ist,

hat dieses Modell den Vorteil, daß vor und während der Untersuchung keinerlei

Manipulation am zu untersuchenden Gewebe nötig ist und damit auch kein Trauma

gesetzt wird, das auf die Durchblutung oder auf Immunreaktionen im Ohr einen

störenden Einfluß haben könnte. Details zum Versuchsaufbau in Kapitel 3.8 und 3.9.

Da bei diesem Verfahren durch die intakte Haut hindurch mikroskopiert wird, müssen

die Tiere frei von Fell und frei von Pigmenten, also Albino-Nacktmäuse sein. Die von

uns verwandten Tiere waren männliche ”SKH-1-Mäuse” von Charles River

Deutschland GmbH (Sulzfeld) mit einem Körpergewicht zwischen 20 und 30g. Beim

Mikroskopieren durch die Haut hindurch wirken die durchleuchteten Hautschichten

natürlich als unregelmäßige, lichtbrechende Medien. Dies führt zu gewissen

Unschärfeeffekten mit denen wir uns den Vorteil des atraumatischen Modells erkaufen

müssen.

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Kapitel 3.2 Verwendete Kontrastmittel

3.2 Verwendete Kontrastmittel

Wie weiter oben schon erwähnt, wurden Iomeprol in Imeron® als Vertreter der mono-

meren nicht-ionischen und Iodixanol in Visipaque® als Vertreter der dimeren nicht-

ionischen iodierten Röntgenkontrastmittel untersucht. Im Folgenden sollen einige

Eigenschaften der beiden Präparate besprochen werden.

Iodixanol (Visipaque®)

Iodixanol war zusammen mit Iotrolan (in Isovist®, Schering) das erste wasserlösliches

Dimer im klinischen Gebrauch (ALMÉN 1995). Wie aus der Strukturformel in Abb. 2.1 zu

ersehen ist, trägt das Grundgerüst aus 35 Kohlenstoffatomen sechs Jodatome pro

Molekül, also R=6. Das Molekulargewicht beträgt 1.550 Dalton. Über das gesamte

Molekül sind neun Hydroxyl(-OH)gruppen verteilt, wobei die Hydroxylgruppe im

Bereich der Zentralbrücke zwischen den aromatischen Ringen (Pfeil in der Abbildung)

von besonderer Bedeutung für die gute Wasserlöslichkeit des Iodixanols ist. Es ist sogar

hydrophiler als die Monomere. In wässrigen Lösungen ist die Osmolarität selbst bei

einer Jodkonzentration von 350mg/ml noch deutlich unter der von Blut. Bei einer

Jodkonzentration von 320mg/ml (höchste als Visipaque® erhältliche Konzentration)

und einer Temperatur von 37°C hat die reine Iodixanollösung eine Osmolalität von

240mosm/kg verglichen mit 290mosm/kg bei Blut. Die Reduktion der Osmolalität

gegenüber den Monomeren ist dabei mehr als nur halbiert, wie man das bei der

Dimerbildung erwarten würde (EINVINDVIK, SJOGREN 1995). Zum Erreichen von

Isoosmolarität mit dem Blut enthält Visipaque®-Lösung zusätzlich noch Natrium- und

Calcium-Ionen. Visipaque® ist in Jodkonzentrationen von 150, 270 und 320 mg/ml auf

dem deutschen Markt erhältlich. Da hyperosmolare Kontrastmittel durch

Flüssigkeitseinstrom in die Gefäße noch intravasal verdünnt werden, entspricht die

Schattengebung von Iodixanol der von höher konzentrierten Monomeren. (SPENCER, GOA

1996) Die Viskosität des von uns benutzten Visipaque® 150 bei 37°C beträgt

1,7mPa*s (Fachinformation Stand Juli 1996).

Iomeprol (Imeron®)

Iomeprol gehört zu den 2.Generation nichtionischen Monomeren (ALMÉN 1995) mit

einer Jod/Teilchen-Ratio R=3. Die Strukturformel zeigt in einem Gerüst aus 17 Kohlen-

stoffatomen fünf Hydroxyl(-OH)gruppen in nahezu gleichmäßiger Verteilung (2+2+1)

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Kapitel 3.2 Verwendete Kontrastmittel

über die drei nichtiodierten Seitenketten. Das Molekulargewicht beträgt 777 Dalton.

Imeron® ist in Jodkonzentrationen von 150, 250, 300, 350 und 400mg/ml erhältlich.

Die von uns verwendeten Imeron® 150 und Imeron® 300 haben bei 37°C

Osmolalitäten von 301mosm/kg bzw. 521mosm/kg - also fast isoton und deutlich

hyperton - und Viskositäten von 1,4mPa*s bzw. 4,5mPa*s (Fachinformation Stand Juli

1996). Der Hersteller Byk Gulden (Konstanz) betont, daß durch ein verbessertes

Herstellungsverfahren kein Zusatz von EDTA als Schwermetallionenfänger in Imeron

notwendig ist. Eine Besonderheit von Iomeprol gegenüber anderen nichtionischen

Monomeren ist die in Abb. 2.1 durch einen Pfeil markierte Methylgruppe(-CH3) an

einem Stickstoffatom einer Seitenkette, die dem Molekül eine besondere chemische

Stabilität schenkt. (aus: imeron® das universelle Kontrastmittel in der Urologie, Ein

Leitfaden für das urologische Röntgen, Byk Gulden, ohne Jahresangabe jedoch

frühestens 1998, S.32f)

3.3 Beobachtungsgruppen

Um einen Vergleich zwischen monomeren und dimeren nichtionischen Kontrastmitteln

zu ermöglichen, wurden die Versuchstiere in folgende vier Beobachtungsgruppen ein-

geteilt.

Gruppe 1

Als Kontrollgruppe wurden die Tiere der Gruppe 1 denselben Haltungs-, Narkose- und

Untersuchungsbedingungen wie die der anderen Gruppen ausgesetzt. Statt eines

Kontrastmittels wurde diesen Tieren jedoch isotone Kochsalzlösung injiziert. Eine

substanzspezifische Wirkung durch Kochsalz ist auszuschließen; jeder in dieser Gruppe

auftretende Effekt ist nicht substanzspezifisch, umgekehrt ist jede Beobachtung in den

Kontrastmittelgruppen, der in Gruppe 1 nicht zu beobachten ist, mit hoher Wahrschein-

lichkeit einer Substanzwirkung zuzuschreiben.

Gruppe 2

Die Tiere der Gruppe 2 erhielten das dimere, nichtionische Kontrastmittel Iodixanol in

einer Konzentration von 305mg/ml entsprechend 150mg/ml Jod in Form des Präparates

Visipaque® 150 von Nycomed (Ismaning). Die Injektion ist, wie oben beschrieben,

blutisoosmolal.

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Kapitel 3.3 Beobachtungsgruppen

Gruppe 3

Die Tiere der Gruppe 3 erhielten das monomere Kontrastmittel Iomeprol in

isoosmolarer Konzentration von 300,62mg/ml; mit 150mg/ml dieselbe Jodkonzentration

wie Gruppe 2, als Präparat Imeron® 150 von Byk Gulden (Konstanz). Die

Injektionslösung war leicht hyperosmolar.

Gruppe 4

Als monomeres Kontrastmittel in hyperosmolaler Zubereitung wurde den Tieren der

Gruppe 4 dasselbe Kontrastmittel wie denen der Gruppe 3, also Iomeprol, aber in der

doppelten Konzentration entsprechend 300 mg/ml Jod verabreicht. Das Präparat war

Imeron® 300. Wegen der doppelten Konzentration wurde jeweils nur das halbe Volu-

men, also dieselbe Jodmenge, verabreicht wie den Gruppen 2 und 3. Die Injektions-

lösung war deutlich hyperosmolar.

Dosierungen

Alle Tiere der Kontrastmittelgruppen erhielten dieselbe Jodmenge von 1,28g/kg Körper-

gewicht, die Tiere der Gruppe 1 (NaCl) erhielten dasselbe Volumen wie die Tiere der

Gruppen 2 und 3, nämlich 8,56ml/kg KG, die Tiere der Gruppe 4 dementsprechend

4,28ml/kg KG (siehe Tab. 3.1).

Gruppe 1NaCl

Gruppe 2(dimer)

Gruppe 3(monomer)

Gruppe 4(monomer)

Volumen 8,56ml/kg KG 8,56ml/kg KG 8,56ml/kg KG 4,28ml/kg KG

Jodmenge 0 1,28g/kg KG 1,28g/kg KG 1,28g/kg KG

Tab. 3.1 Volumen- und Jodmenge der initialen Injektion.

Gruppenvergleich

Unterschiede der Leukozytenadhäsion zwischen der NaCl-Gruppe und einer der

Kontrastmittelgruppen können nicht auf Haltung, Narkose oder Beobachtungsmethode

beruhen. Sie müssen folglich echte Substanzeffekte sein. Gruppe 2 und 3 unterscheiden

sich vernachlässigbar in der Osmolalität aber deutlich im Wirkstoff, eine signifikante

Abweichung der Beobachtungen der beiden Gruppen oder jeder der Gruppen von den

Werten der Gruppe 1 spräche für einen echten Effekt des Wirkstoffs bzw. der Wirk-

stoffe.

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Kapitel 3.4 Zeitlicher Aufbau

3.4 Zeitlicher Aufbau

Jede Maus wurde zunächst zufällig einer der vier Beobachtungsgruppen zugeteilt. Unter

Narkose wurden den Tieren, je nach Gruppe, die oben genannten Kontrastmittel bzw.

die isotone NaCl-Lösung injiziert. Danach erhielt jedes Tier einen eigenen Stall, in dem

es die Narkose ausschlafen konnte, und in dem es bis zum Versuchsende verblieb.

Jeweils 24, 36 und 48 Stunden nach der Kontrastmittelapplikation wurden die Tiere der

weiter unten beschriebenen in-vivo-Fluoreszenzmikroskopie unterzogen, die dabei

gewonnenen Videoaufzeichnungen später nach späten Effekten der Kontrastmittelgabe

auf die Leukozyten-Endothel-Reaktion untersucht. Im Anschluß an die letzte

Mikroskopie wurden die Tiere mit einer intraperitonealen Applikation von Pentobarbital

(Narkoren®) getötet.

0 24h 36h 48h

KM/NaCL-Gabe

Mikroskopie mitVideoaufzeichnung

zeitlich getrennteAuswertung der Filme

Abb. 3.1 Zeitlicher Ablauf der Experimente.

3.5 Narkose

Die Narkose wurde sowohl vor der Kontrastmittelapplikation als auch vor den Beob-

achtungen initial mit einer intramuskulären (i.m.) Injektion von etwa 0,4ml einer

Mischung aus Ketamin (Ketavet®) plus Xylazin (Rompun®) im Verhältnis 8+1 einge-

leitet. Je nach erreichter Narkosetiefe und bei vorzeitigen Anzeichen von Erwachen

wurden individuell weitere i.m. Injektionen desselben Gemischs zur Narkosevertiefung

oder -verlängerung verabreicht.

COLANTUONI et al. 1984 haben nachgewiesen, daß verschiedene Narkosemittel die Mikro-

zirkulation in der Art beeinflussen, daß die natürlichen rhythmischen Kontraktionen der

glatten Gefäßmuskulatur gehemmt werden. Dies könnte zwar zur Störung unserer Beob-

achtungen führen, sollte aber auch zu einer größeren Konstanz der Flüsse in den beob-

achteten Gefäßen führen, und damit nützlich sein. Zudem ist unsere Untersuchung durch

die Kochsalzgruppe kontrolliert. Eine Narkose ist bei unserem Versuchsaufbau

zwingend erforderlich, um Bewegungen der Versuchstiere zu verhindern.

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Kapitel 3.6 Intrajuguläre Injektionstechnik

3.6 Intrajuguläre Injektionstechnik

Die Injektion in die Schwanzvene ist wegen deren Kleinheit technisch schwierig und

unsicher. Da die Verabreichung der Kontrastmittel (bzw. der Kochsalzlösung) in der

vollen Dosis sicher intravenös geschehen sollte, wurde sie als Injektion in die zuvor

freipräparierte Vena jugularis interna durchgeführt. Diese ist großlumig und die

Injektion nach Präparation durch Beobachtung sicher zu überwachen. Eine vollständige

intravenöse Injektion gelang so ausnahmslos in allen Fällen. Die Präparation fand

teilweise unter einem Operationsmikroskop teilweise mit bloßem Auge statt. Zur

Technik:

Die narkotisierte Maus wurde in Rückenlage an den seitlich ausgestreckten

Vorderbeinen vorsichtig fixiert. Im Bereich des unteren Halses wurde zumeist an der

rechten Seite mit dem Skalpell ein querer Hautschnitt von etwa 5 bis 8mm Länge

angebracht. Durch vorsichtiges, abwechselnd spitz/stumpfes Präparieren wurde die V.

jugularis interna aufgesucht und mit zwei Seidenfäden angeschlungen. Gelegentliche,

präparationsbedingte Blutungen aus kleineren Gefäßen konnten mit einem

Watteträger(Wattestäbchen) abgesaugt werden und kamen spontan zum Stehen. Der

craniale Faden wurde weitmöglichst nach cranial geführt und so verknotet, daß der

Blutzufluß von cranial unterbunden war. Dieses Vorgehen verhinderte Blutungen aus

der großen, durch die folgende Injektion verletzten Vene. In den seltenen Fällen

kleinerer, individuell tief liegender Zuflüsse der V. jugularis wurden diese einzeln

angeschlungen und durch Verknotung unterbunden. In den weiter kaudalen Faden

wurde ebenfalls ein Knoten gelegt, dieser aber nicht lumeneinengend zugezogen. Unter

leichtem Zug an den beiden Enden des verknoteten cranialen Fadens konnte unter

Sichtkontrolle die nun freiliegende und durch den Fadenzug leicht gespannte Vene

punktiert und das Kontrastmittel respektive die Kochsalzlösung sicher und vollständig

injiziert werden. Nach Abschluß der Injektion wurde auch der Knoten im caudalen

Faden zugezogen und eine Blutung durch einen venösen Rückstrom verhindert. Das

durch die Injektion verletzte Venenstück war also durch eine Ligatur auf beiden Seiten

verschlossen. Die Fäden wurden unmittelbar über den Knoten abgeschnitten.

Abschließend wurde der Hautschnitt mit einer monofilen 7/0-Kunststoffnaht in

Einzelknopftechnik sorgfältig verschlossen. Dank der großen Wundheilungsfähigkeit

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Kapitel 3.6 Intrajuguläre Injektionstechnik

bei Nagern waren die Wunden am nächsten Tag alle fest verschlossen und reizlos. In der

Regel konnten die Fäden in der nächsten Narkose gezogen werden.

3.7 Verwendete intravital-Farbstoffe

Ziel der Versuchsanordnung war die Beobachtung der Leukozyten in von Blut

durchflossenen Venen. Leukozyten und Blutfluß können beide durch geeignete

Fluoreszenzfarbstoffe sichtbar gemacht werden. Die beiden nachfolgend beschriebenen

Fluoreszenzfarbstoffe wurden den Tieren daher bei jedem der drei Beobachtungstermine

nach Eintritt der Narkose und vor dem Befestigen auf der Mikroskopierplattform in eine

Schwanzvene injiziert. Die Lagerung der Farbstoffe erfolgte in gefrorenem Zustand, die

Injektion nach Aufwärmen auf Raumtemperatur und Mischen der beiden Stoffe in einer

Spritze. Gelang die schwierige Injektion in die Schwanzvene nicht sofort und gelangte

ein Teil der Farbstoffe ins paravasale Gewebe statt in die Vene, so wurde von Fall zu

Fall, erst nach Mikroskopieversuch entschieden, ob mehr Farbstoff gegeben wurde.

FITC-Dextran

Der aus der Augenheilkunde bekannte Farbstoff Fluorescein emittiert bei Anregung

durch Licht von 476nm Wellenlänge Licht in einer Wellenlänge von 518nm (sekundäre

Fluoreszenz). Es wurde als Fluorescein-Iso-Thio-Cyanat an hochmolekulares Dextran

gebunden, 5%ig in einer Dosis von 200mg/kg KG, verwendet. Dieses verteilt sich

gleichmäßig im Blutplasma und gelangt nur langsam nach extravasal. Dadurch lassen

sich die Blutgefäße gut erkennen. Da sich die zellulären Bestandteile des Blutes nicht

anfärben, heben sie sich im Negativkontrast vom Plasma ab. Dadurch wird die Flußge-

schwindigkeit des Blutes meßbar (s.u.). Zugleich werden Arterien und Venen voneinan-

der unterscheidbar, da Arterien einen eher dünnen Durchmesser mit hoher

Flußgeschwindigkeit, dünne Venen aber eine geringe Flußgeschwindigkeit haben.

FITC-Dextran wird durch die Niere ausgeschieden, ein Teil des Fluoresceins wandert

aber in den Extravasalraum und wird hier nur sehr langsam ausgewaschen. Das führt

dazu, daß bei der zweiten und dritten Beobachtung zunehmend mehr Fluorescein extra-

vasal lag und die Bildqualität verschlechterte.

Rhodamin 6G

Die Anregungswellenlänge von Rhodamin liegt bei 547nm, die Emissionswellenlänge

bei 616nm. Rhodamin 6G bindet selektiv an Leukozyten. Es ermöglicht so, diese Zellen

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Kapitel 3.7 Verwendete intravital-Farbstoffe

im Fluß zu beobachten und zu zählen. Da die FITC-Dextran-Darstellung die

Flußgeschwindigkeit abschätzen läßt, kann durch den Vergleich mit der

Geschwindigkeit eines Leukozyten bestimmt werden, ob er frei im Plasma

mitschwimmt oder ob er durch Zell-Zell-Kontakte zum Endothel gebremst wird. So

wird ein indirekter Schluß auf die Adhäsionsneigung zwischen Endothel und Leukozyt

möglich. Das Rhodamin 6G wurde ebenfalls in 5%iger Lösung mit 2mg/kgKG

appliziert.

3.8 Lagerung der Maus

Zum Mikroskopieren wird das Tier, Bauch nach unten, auf eine flache Grundplatte

gelegt und von oben durch ein halbrundes Gegenstück mit geringem Druck fixiert.

Neben der Maus ist auf der Grundplatte ein kleiner Tisch so angebracht, daß darauf ein

Ohr der Maus, ohne an seiner Basis abzuknicken, abgelegt werden kann. Wir haben

grundsätzlich immer das rechte Ohr verwendet. Das Mausohrmodell wurde von

ERIKSSON 1980 erstmals beschrieben. Bei unserem Aufbau handelt es sich um eine

Abwandlung nach Barker 1989 (und 1987), die durch das Ohr an der frontalsten, der

lateralsten und der caudalsten Stelle drei Fäden gezogen und das Ohr mit diesen an dem

Tisch fixiert haben. Um Störeinflüsse durch das mit den Fäden einhergehende Trauma

auszuschalten, wurden die Ohren bei unseren Versuchen statt durch Fäden nur durch die

Adhäsionskraft von Wasser auf dem Tisch festgehalten. Nachdem ein Tropfen Wasser

auf den Beobachtungstisch aufgebracht wurde, muß dazu das Ohr glatt aber ohne Zug

auf den Tropfen gelegt werden. Watteträger (Wattestäbchen) eignen sich dabei

hervorragend sowohl zum vorsichtigen Manipulieren des empfindlichen Ohres als auch

zum Absaugen von überschüssigem Wasser. Falten im oder Luftblasen unter dem Ohr

müssen bestmöglich vermieden werden. Unter Narkosebedingungen erreicht man so

eine hinreichende Stabilität um ein ruhiges Bild und eine sichere Führung mit dem

Kreuztisch zu sichern. Die gesamte Befestigung zeigt Abbildung 3.2, für deren

Erstellung ich Frau Anna Hoffmann (Neunkirchen) sehr zu Dank verpflichtet bin. Das

Ohr ist in dieser Anordnung einer Auflichtmikroskopie zugänglich, wegen der geringen

Stabilität dieser atraumatischen Ohrbefestigung war eine Narkose der Tiere bei der

Untersuchung unumgänglich.

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Kapitel 3.8 Lagerung der Maus

Abb. 3.2: Lagerung der Maus zur Mikroskopie (Zeichnung: Anna Hoffmann, Neunkirchen).

3.9 Mikroskopie

Das umgebaute Spezialmikroskop der Firma Zeiss (Axiotech vario) erlaubt

Fluoreszenz-Auflichtmikroskopie in verschiedenen Spektralbereichen mit

Videodokumentation. Aus dem starken Licht einer Quecksilberdampflampe wird der

zum Anregen des jeweiligen Farbstoffs nötige Wellenlängenbereich durch einen Filter

isoliert und durch das Beobachtungsobjektiv von oben genau auf den eingestellten

Bereich des Mausohres geworfen. Trifft dieser auf den Farbstoff, so wird der Farbstoff

angeregt und sendet Licht in einer anderen, spezifischen Wellenlänge aus (sekundäre

Fluoreszenz). Dieses Licht wird von demselben Beobachtungsobjektiv wieder

aufgenommen und durch einen zweiten Filter, der wieder nur diese Wellenlänge

durchläßt, wahlweise ins Okular oder auf eine CCD-Kamera gelenkt. Da das anregende

und das emittierte Licht verschiedene Wellenlängenbereiche haben, und die beiden

Filter jeweils nur diesen Bereich durchlassen, kann nur von dem Farbstoff emitiertes

Licht gesehen werden. Alle Bereiche des Ohres, in denen sich kein Fluoreszenzfarbstoff

befindet erscheinen deshalb schwarz. Die beiden verwendeten Farbstoffe arbeiten

jeweils mit verschiedenen Lichtfrequenzen und brauchen deshalb zwei verschiedene

Seite 26

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Kapitel 3.9 Mikroskopie

Filterkombinationen. Beide Filterpaare befinden sich an dem Mikroskop in einem

Filterschieber und können so, ohne den Beobachtungsbereich zu verändern, schnell

gewechselt werden. Je nach Stellung des Filterschiebers gelangt also entweder das

Plasma-Bild oder das Leukozyten-Bild in die CCD-Kamera (Kappa CF8/1 FMC). Die

Kamera wandelt das auftreffende Licht in ein Videosignal um, das mit einem S-VHS-

Rekorder (Panasonic AG-7355) aufgenommen und gleichzeitig auf einem Videomonitor

(Panasonic BT-H1450y) sichtbar gemacht wird. Gleichzeitig mit den Bildern wird ein

Zeitsignal (Timecode) auf dem Band aufgenommen. Zum späteren genauen Vermessen

der aufgenommenen Bilder und Zeiten ist der S-VHS-Rekorder mit einem Computer

verbunden. Der schematisierte Aufbau des Mikroskops ist in Abbildung 3.3 noch

einmal zusammengefaßt.

Abb. 3.3 Schematischer Aufbau des Mikroskops und der Videodokumentationseinheit.

3.10 Dokumentation

Nach Gabe der Farbstoffe und Lagerung der Maus auf der Grundplatte, wurde sie in das

Mikroskop gelegt, wo die gesamte Grundplatte mit dem Kreuztisch bewegt werden

kann. Die Beobachtung erfolgte auf dem angeschlossenen Monitor bei abgedunkeltem

Raum, das Videoband lief kontinuierlich mit. Die Empfindlichkeits- und der Kontrast-

einstellungen der Kamera wurden jeweils so eingestellt, daß ein jeweils subjektiv

optimal erscheinendes Bild entstand.

Zunächst wurde im Fluorescein-Bild eine geeignete Vene gesucht (Beispiel Abb. 3.4).

Dazu wurde das Ohr von vorne nach hinten S-förmig abgesucht, wobei der

Seite 27

CCD

Hg-Dampf-Lampe

Filter

Filt

er

Objektiv

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Kapitel 3.10 Dokumentation

Tiefenbereich am Mikrotrieb durchfokussiert wurde, um möglichst das ganze Ohr zu

erfassen. Die Bereiche der Ohrwurzel sind wegen ihrer Dicke und großen Blutdichte

dabei nicht zu verwenden. Als geeignet bezeichnen wir dabei Venen, die in einem

hinreichend langen Stück in einer Schärfeebene verliefen, die nicht durch

darüberliegende Zellen oder Haarbälge (die auch bei unseren, an sich haarlosen, Mäusen

an der vorderen Ohrspitze vorhanden waren) unscharf wurden und die einen konstanten

Blutfluß aufwiesen. Es gibt einige Gefäße, in denen der Blutfluß intermitierend immer

wieder erlahmt. Bei der Betrachtung des Rhodamin-(Leukozyten-)Bildes (Beispiel Abb.

3.5) kann man in solchen Gefäßen nicht unterscheiden, ob ein Leukozyt stehen bleibt,

weil er temporär adhärent ist oder weil das ganze Blut temporär nicht fließt. Wir haben

deshalb nur solche Gefäße in unsere Untersuchung eingeschlossen, bei denen wir

aufgrund der Fluorescein-Bildes den sicheren Eindruck hatten, daß der Blutfluß konstant

war. Bei der zweiten und dritten Beobachtung fand sich ungleichmäßig verteiltes

Fluorescein im Extravasalraum. Hier wurde bei der Auswahl der Venen darauf geachtet,

daß das benachbarte Gewebe nicht stärker als nötig fluoreszierte, um die Messung des

Gefäßdurchmessers so wenig wie möglich zu stören. Außerdem durften keine zu

komplexen Gefäßkonvolute ausgewählt werden, um später die Leukozyten allein

aufgrund ihres Ortes eindeutig einem Gefäß zuordnen zu können. Vom Aspekt der

Schärfe her ließen sich die kaudalen Teile des Ohres meist besser darstellen als die

cranialen.

Nachdem eine Vene ausgewählt und optimal scharf gestellt war, blieb sie etwa 30

Sekunden im Bild. Damit wurde reichlich Bildmaterial für die spätere Messung der

Flußgeschwindigkeit gesammelt und das spätere Auffinden der relevanten Bilder auf

den Videos vereinfacht. Zugleich wurde natürlich auch über diesen repräsentativen

Zeitraum die Konstanz des Blutflußes beobachtet.

Nach dem Aufnehmen dieses Bildes wurden die Filter für das Rhodamin-Bild in den

Strahlengang eingeschoben und die Kamera an die dunkleren Lichtverhältnisse

angepaßt. Dadurch wurden die Leukozyten in dem vorher eingestellten Gefäß als weiße,

zumeist wandernde, Punkte sichtbar. Während der nächsten dreißig bis neunzig Sekun-

den wurden diese Leukozytenbilder nur auf Videoband aufgenommen. Das

Klassifizieren und Zählen der Leukozyten fand nie beim Mikroskopieren, sondern

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Kapitel 3.10 Dokumentation

immer erst später anhand der Videobänder und mit der Möglichkeit des Zurückspulens

und der Zeitlupe statt.

Danach wurden wieder die Filter für das Fluorescein-Bild in den Strahlengang gescho-

ben, die Kamera an die Helligkeit angepaßt und eine neue Vene gesucht. Es wurde dabei

versucht, bei allen Tieren große, mittlere und kleine Venen zu untersuchen. Beim

Erreichen des kaudalen Endes des Ohres wurde die Beobachtung im allgemeinen abge-

brochen. Nur wenn erst wenig Bildmaterial gewonnen wurde und wir glaubten, weiter

vorne am Ohr doch noch weitere brauchbare Venen zu finden, wurden die cranialeren

Bereiche ein zweites Mal abgesucht.

Abschließend wurden die Tiere zum Aufwachen in eine möglichst reizarme Umgebung

gebracht.

Abb. 3.4 Darstellung eines venösen Gefäßes im Mausohr durch Fluoreszenz von imPlasma verteiltem Fluorescein.

Seite 29

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Kapitel 3.10 Dokumentation

Abb. 3.5 Darstellung von Leukozyten im in Abbildung 3.4 dargestellten Gefäß durchFluoreszenzfärbung mit Rhodamin 6G.

3.11 Auswertung

Zeitlich getrennt von den Beobachtungen wurden die Videoaufnahmen nach geeigneten

Venen abgesucht. Wie die Bildgewinnung, so teilte sich auch die Auswertung in eine

FITC- und eine Rhodaminphase.

Auswertung der FITC-Bilder

Zunächst wurde jede Vene noch einmal daraufhin beobachtet, daß sie während der

gesamten FITC-Beobachtung einen konstanten Blutfluß aufwies. Dann wurde in einer

Zeitlupen- bzw. Einzelbilddarstellung eine Blutzelle (schwarze Aussparung im hellen

Fluorescein) gesucht, die sich über mehrere Bilder hinweg im Blutfluß verfolgen ließ.

Die folgende Auswertung fand computergestützt mit Hilfe der Software Lobulus® 2.0

von Medical Vision Systems statt.

1. Das erste Bild, auf dem die Zelle zu erkennen war, wurde digitalisiert, d.h. in ein auf

dem Computer darstellbares Format gebracht. In einem ersten Schritt, wurden auf

dem Bild Strukturen mit der Mouse nachzeichnen, anhand derer sich der dargestellte

Ausschnitt später exakt rekonstruieren ließ (in Schritt 5.).

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Kapitel 3.11 Auswertung

2. In dem von der Zelle durchflossenen Stück der Vene wurden mit der Mouse mehrere

Gefäßdurchmesser eingezeichnet. Die Längen dieser Strecken wurden vom Computer

in Originallängen im Mausohr umgerechnet, und die verschiedenen Werte unterein-

ander gemittelt. Das Mittel aus den verschiedenen Strecken gilt von nun an als

Durchmesser der Vene.

3. Als letztes an diesem ersten Bild wurde die Position der zu verfolgenden Zelle

markiert.

4. Der Fluß der Zelle durch das Gefäß wurde dann über so viele Bilder wie möglich

verfolgt. Das letzte Bild, auf dem sich die Position der Zelle eindeutig erkennen ließ,

wurde wiederum digitalisiert und in Lobulus® wie folgt weiter behandelt.

5. Die nachgezeichneten Strukturen vom ersten Bild (siehe 1.) wurden nun in das

zweite Bild eingeblendet. Hatte sich der Bildausschnitt inzwischen leicht verschoben,

so deckte sich die Zeichnung nicht mehr mit den Bildstrukturen und die

Verschiebung wurde korrigiert.

6. Die inzwischen von der verfolgten Zelle (aus 3.) erreichte Position, sowie der Weg,

den sie durch das Bild gewandert war, wurden mit der Mouse markiert.

Aufgrund dieser Angaben zusammen mit dem Zeitsignal errechnete der Computer

folgende Werte:

1. Weg, den die Zelle zurückgelegt hatte, und die dafür benötigte Zeit.

2. Die Geschwindigkeit der Zelle, also Flußgeschwindigkeit in der Vene.

3. Aus der Flußgeschwindigkeit und dem Durchmesser der Fluß, also das Blutvolumen

pro Zeiteinheit.

Aufgrund der Bildunschärfe und der Täuschungsgefahr wurde diese Messung

mindestens dreimal pro Vene wiederholt und die Werte gemittelt. Lagen die Werte

weiter auseinander als subjektiv erreichbar schien, wurde die Messung weiter wiederholt

und schließlich alle Werte, die nicht als Ausreißer imponierten, gemittelt. Dennoch ist

insbesondere die Flußmessung aufgrund folgender Schwierigkeiten stark fehlerbehaftet:

(1.) Der durch Epithelartefakte besonders ungenaue Gefäßdurchmesser geht im Quadrat

in die Formel für die Flußmessung ein, und (2.) geht die von Lobulus® verwendete

Formel für den Fluß 2*4

* dvFπ= von einer gleich großen Flußgeschwindigkeit in

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Kapitel 3.11 Auswertung

allen Bereichen der Vene aus. Mit zunehmendem Gefäßdurchmesser dürfte aber die

Flußgeschwindigkeit zentral größer sein als am Rand des Gefäßes (Grenzwert: laminare

Strömung). Die „leukozytenorientierten“ Messungen, in die diese Fehler der

Flußmessung nicht eingehen, sind also im Zweifelsfall zuverlässiger als die

„flußbezogenen“, in die Flüsse ein gehen (Begriffsdefinitionen „leukozyten-“ oder

„flußorientiert“ in Kapitel 4.0).

Auswertung der Rhodamin-Bilder

Im Gegensatz zu den FITC-Bildern erfolgte die Auswertung der Rhodamin-Bilder rein

visuell und bis auf die Längenmessung ohne Computerunterstützung. Jeder beobachtete

Leukozyt im Gefäß wurde einem der drei folgenden Typen zugeordnet und die Anzahl

der Leukozyten jedes Typs gezählt:

1. Frei-fließende Leukozyten waren solche, die mit hoher und weitgehend konstanter

Geschwindigkeit durch das Gefäß flossen. Zugleich alle Leukozyten, die nicht einem

anderen Typ zugeordnet wurden.

2. Temporär adhärent nennen wir Leukozyten, die zwar kurzfristig an der Gefäßwand

anhielten, um dann aber bald weiter frei zu fließen. Mehrfache temporäre Adhärenz

innerhalb eines Beobachtungsintervalls ist eher die Regel.

3. Roller nennen wir Leukozyten, die zwar durch ihren Kontakt zum Endothel gebremst

werden, sich aber mit verminderter Geschwindigkeit an ihm entlang bewegen. Zellen,

die während ihrer Beobachtung sowohl freies und/oder temporär adhärentes Verhal-

ten und Rollen gezeigt haben, wurden nach dem stärksten Grad erreichter Adhärenz

als Roller klassifiziert.

4. Leukozyten, die während der gesamten Beobachtungsspanne oder höchstens bis auf

einen vernachlässigbar geringen Anteil der Beobachtungszeit bewegungslos am En-

dothel hafteten nennen wir Sticker, nach dem englischen Wort to stick = kleben.

Eine schematische Darstellung dieser Verhaltensweisen findet sich in Abb. 3.6. Zudem

wurde die Beobachtungsdauer und die Länge des beobachteten Abschnitts festgehalten.

Zum Erreichen bestmöglicher Beobachtungsbedingungen wurde auch hier je nach

Bedarf Gebrauch von Zeitlupe, Einzel- und Standbildfunktion gemacht.

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Kapitel 3.11 Auswertung

a) frei fließend b) temporäradhärent

c) rollend d) ortsfest "stickend"

Leukozyten-Endothel-Interaktion in der Intravitalmikroskopie:

EndothelBlut

Endothel

BM

Blut

Abb. 3.6: Schematische Darstellung der vier möglichen, lichtmikroskopisch beobachtbaren Ausprägungen

(Typen) der Leukozyten-Endothel-Interaktionen.

Seite 33

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Kapitel 4. Ergebnisse

4. Ergebnisse

4.0 Aufbau der Ergebnisdarstellung

Die erhobenen Daten lassen sich auf verschiedene Arten miteinander verrechnen, um

einen Vergleich der verschiedenen Beobachtungsgruppen zu ermöglichen. Die verschie-

denen Rechnungen haben jeweils ihre Vor- und Nachteile und werden deshalb hier

nacheinander behandelt. Die Darstellung der Ergebnisse ist wie folgt aufgebaut:

Kapitel 4.1 nennt die Zahlen der jeweils untersuchten Tiere bzw. Venen.

Kapitel 4.2 bis 4.5 erläutern die verschiedenen Untersuchungen zur Adhäsionsneigung.

Die vier Kapitel ergeben sich aus zweimal zwei Ansätzen der Auswertung, die im

Folgenden als ”tierorientiert” versus ”venenorientiert” und ”leukozytenorientiert” versus

”flußorientiert” bezeichnet werden sollen.

1: leukozytenorientiert 2: flußorientiert

A: tierbezogen Kapitel 4.2 Kapitel 4.3

B: venenbezogen Kapitel 4.4 Kapitel 4.5

Tab. 4.0.1: Ordnung der Darstellungen in Kapitel 4.2 bis 4.5

A - Tierorientierte Darstellung: Unter der Annahme, daß der biologische Organismus

als Ganzes zu behandeln sei, und unter der Vorstellung, daß die Adhäsionsneigung

nach KM-Verabreichung im ganzen Tier zunimmt, werden die Meßwerte der

verschiedenen Venen jedes Tieres zunächst zu einem gemeinsamen Wert für das

jeweilige Tier gemittelt. Diese, die einzelnen Mäuse beschreibenden Werte, werden

dann jeweils für die Tiere einer Versuchsgruppe erneut gemittelt und die so

gefundenen Werte miteinander verglichen. Dadurch gehen die Messergebnisse von

Tieren, in denen wenige Venen ausgemessen wurden, gleichwertig zu solchen Tieren

ein, in denen viele Venen gemessen wurden.

B - Venenorientierte Darstellung: Unter der Annahme, daß die verschiedenen Venen

eines Tieres unabhängig voneinander ihre Adhäsionsneigung erhöhen können, ist

folgendes denkbar: Vielleicht erhöht sich -kontrastmittelabhängig- die

Adhäsionsneigung nur in einigen Venen der jeweiligen Tiere, bleibt aber in anderen

normal. Beim Prozeß der Mittelwertbildung innerhalb des Tieres könnte dieser Effekt

Seite 34

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Kapitel 4.0 Aufbau der Ergebnisdarstellung

unsichtbar werden. Deshalb werden bei der venenorientierten Darstellung alle Venen

einer Untersuchungsgruppe gleichwertig gemittelt, egal in welchem Tier sie

beobachtet wurden.

1 - Leukozytenorientierte Darstellung: Da die Beobachtungen in verschieden großen

Gefäßen und über verschieden lange Zeiträume und Strecken erfolgte, müssen die er-

hobenen Daten, um vergleichbare Werte zu erhalten, durch geeignete Quotienten-

bildung normiert werden. Dies gelingt am einfachsten, indem man die Zahl der Leu-

kozyten eines Typs (z.B. Roller) an der Zahl der insgesamt in diesem Gefäß (in

diesem Zeitraum etc.) gezählten, nicht-stickenden Leukozyten normiert. Bei den

Stickern muß zusätzlich noch eine Normierung an der Gefäßstrecke und der Zeit vor-

genommen werden. Im Detail werden die Quoten in der leukozytenorientierten Dar-

stellung wie folgt gebildet:

FreieFreie

Freie Temp Roller

TempTemporäre

Freie Temp Roller

RollerRoller

Freie Temp Roller

StickerSticker

StreckeFreie Temp Roller

Zeit

_( . )

*

_( . )

*

_( . )

*

_*

. *

1 100

1 100

1 100

1 1000

=+ +

=+ +

=+ +

= + +

Die Multiplikation mit 100 bzw. 1000 dient dazu, handlichere Zahlen zu erhalten.

Die leukozytenorientierte Darstellung kommt ohne die Messungen im FITC-Bild aus

und enthält daher auch deren Fehler nicht. Sie funktioniert auch, wenn in

verschiedenen Tieren verschiedene Anteile der Leukozyten gefärbt werden, solange

alle Klassen von Leukozyten gleichmäßig angefärbt werden. Der sensitivste

Parameter für die Zunahme von Adhäsionsneigung ist die Abnahme von Freie_1, da

hier Zunahme von Temporären und Rollern zusammen eingeht. Statistische Tests

werden wir deshalb nur auf „Freie_1“ und „Sticker_1“ anwenden.

Seite 35

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Kapitel 4.0 Aufbau der Ergebnisdarstellung

2 - Flußorientierte Darstellung: Bei der flußorientierten Darstellung werden die

Flußmessungen im FITC-Bild berücksichtigt. Es wird untersucht, wieviele Leu-

kozyten jeder Klasse pro Blutvolumen gezählt wurden. Im Detail wurden folgende

Quotienten aufgestellt:

FreieFreie

Zeit Fluss

TempTemporäreZeit Fluss

RollerRoller

Zeit Fluss

StickerSticker

Länge Fluss

_*

* .

_*

* .

_*

* .

_*

* . .

2 10 000

2 10 000

2 10 000

2 1000 000

=

=

=

=

Zeit*Fluß ist immer das jeweils beobachtete Blutvolumen. Die Zahl der Sticker ver-

ändert sich definitionsgemäß nicht mit der Zeit, wohl aber mit der Länge des beob-

achteten Venenabschnitts. Zugleich ist die Zahl der Leukozyten, die am Endothel

entlang fließen, und somit eine Chance haben, kleben zu bleiben, proportional zum

Fluß.

Diese Werte enthalten die Fehler der Flußmessung. Sie haben aber gegenüber der

leukozytenorientierten Darstellung folgenden Vorteil: Sollte es, im Rahmen einer

durch die KM’s hervorgerufenen Immunreaktion, zu einer Leukozytose kommen,

also zu einer Erhöhung der Leukozytenkonzentration, dann würde diese in der

flußorientierten Darstellung auffallen, während sie (bei gleicher Verteilung der

Leukozytenklassen) in der leukozytenoriertierten Darstellung weggekürzt würde.

Analog zur leukozytenorienterten Darstellung versprechen auch hier der „Freien“-

und „Sticker“-Index die besten Ergebnisse, daher werden wir auch hier statistische

Tests nur auf Freie_2 und Sticker_2 anwenden.

Da also sowohl die Ansätze A und B wie auch die Ansätze 1 und 2 jeweils Vorteile ha-

ben, und durch die jeweils andere nicht ersetzt werden können, wurden alle vier sich

daraus ergebenden Untersuchungen durchgeführt. Ihre Verteilung auf die folgenden Ka-

pitel ergeben sich aus Tab. 4.0.1.

Kapitel 4.6 enthält Wertetabellen zu den Grafiken.

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Kapitel 4.0 Aufbau der Ergebnisdarstellung

Die grafische Datenaufbereitung in den tierbezogenen Kapiteln 4.2 und 4.3 erfolgt als

Balkengrafik. Die “Antennen” der Balken geben den Standardfehler des Mittelwertes

an.

Die grafische Datenaufbereitung in den venenbezogenen Kapiteln kann wegen der

hinreichend großen Zahl der untersuchten Venen (im Gegensatz zu relativ wenigen

Mäusen in der tierorientierten Darstellung) in Box&Whisker-Plots erfolgen. Der breite

mittlere Balken im Box&Whisker-Plot (kurz: Box-Plot) stellt den Median dar, die obere

und untere Grenze der Box das 3. bzw. 1. Quartil. Die senkrechten Linien, “Whiskers”,

decken einen Bereich ab, der 1,5 Interquartilsspannweiten jenseits des 1. bzw. 3.

Quartils umfaßt. Alle Werte außerhalb dieses Bereichs werden als Ausreißer

klassifiziert und extra als Punkte ins Diagramm eingetragen. Der Vorteil dieser

Darstellung liegt darin, daß man über die Lage des Medians hinaus einen Eindruck von

der Verteilung der Werte und von Ausreißern erhält.

4.1 Anzahl der untersuchten Tiere

Einige Tiere sind zwischen zwei Beobachtungsterminen gestorben, ohne daß die Todes-

ursache geklärt werden konnte. Bei anderen Tieren konnten zu wenigen Zeitpunkten

zwar Bilder gewonnen, diese wegen schlechter Qualität durch Extravasation oder

Epithelartefakte aber nicht ausgewertet werden. Zudem hatte die Gruppe 4-Imeron 300

mit der größten Jodkonzentration zu Beginn acht Tiere, alle anderen Gruppen fünf

Tiere.

In der Gruppe 1-NaCl wurde ein Tier von der Auswertung ausgeschlossen. Es zeigte

extrem hohe Stickerzahlen, deutlich über allen anderen untersuchten Tieren, sowohl der

eigenen als auch der Kontrastmittelgruppen. Da diese nicht durch das NaCl erklärt

werden können, müssen wir von einer Störgröße, z.B. einer Erkrankung der Maus

ausgehen.

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Kapitel 4.1 Anzahl der untersuchten Tiere

Die Zahl der jeweils ausgewerteten Tiere und Venen ist in Tab. 4.1.1 aufgeführt, die

Gründe für ausgefallene Tiere in Tab. 4.1.2.

n = NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300 Summe(1) – nach 24 h 4 (25) 5 (28) 5 (30) 8 (52) 22 (135)(2) – nach 36 h 3 (13) 3 (16) 5 (28) 6 (41) 17 (98)(3) – nach 48 h 3 (12) 3 (12) 4 (32) 6 (44) 16 (100)

Tab. 4.1.1 Zahl der auswertbaren Mäuse nach Gruppe und Beobachtungszeitpunkt

geordnet, Zahl der ausgewerteten Venen in Klammern.

NaCl: 1 Tote, 1 von der Messung ausgeschlosseneVisipq: 1 Tote, 2 zu verschiedenen Zeiten Nicht-Messbare Im150: 1 Nicht-MessbareIm300: 1 Tote, 1 technischer Fehler.

Tab. 4.1.2 Gründe für das Ausscheiden von Tieren, sortiert nach Gruppen

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Kapitel 4.2 Tierorientiert-leukozytenbezogene Darstellung

4.2 Tierorientiert-leukozytenbezogene Darstellung

Die zum Teil sehr großen Fehlerbalken in den Abbildungen sind durch die begrenzten

Tierzahlen bedingt. Insbesondere die Standardfehler in den Sticker-Auszählungen ma-

chen eine Interpretation der Abweichungen der Mittelwerte unsinnig.

Die Betrachtung der Frei-Fließenden zeigt folgendes: Nach 24 h zeigen Visipaque®150

und Imeron®150 genau so hohe Anteile Frei-Fließender wie NaCl (um die 90%). Ledig-

lich das hyperosmolale Imeron®300 zeigt eine deutliche Verschiebung der Leukozyten

weg von den Frei-Fließenden, hin zu Temporär-Adhärenten und Rollern.

Nach 36 h und 48 h zeigt sich eine Abnahme der Frei-Fließenden gegenüber der NaCl-

Gruppe in allen Kontrastmittelgruppen. Ein inflammatorischer Effekt der Röntgen-

kontrastmittel nach mehr als einem Tag liegt also vor!

Seite 39

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Kapitel 4.2 Tierorientiert-leukozytenbezogene Darstellung

nach 24 h nach 36 h nach 48 h

FreiFließende

NaClVisipq 150

Imeron150Imeron300

0

20

40

60

80

100

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0

20

40

60

80

100

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0

20

40

60

80

100

TemporärAdhärente

NaClVisipq 150

Imeron150Imeron300

0

5

10

15

20

25

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0

5

10

15

20

25

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0

5

10

15

20

25

Roller

NaClVisipq 150

Imeron150Imeron300

0

5

10

15

20

25

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0

5

10

15

20

25

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0

5

10

15

20

25

Sticker

NaClVisipq 150

Imeron150Imeron300

0

10

20

30

40

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0

10

20

30

40

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0

10

20

30

40

Abb. 4.2.1: Tierorientiert-leukozytenbezogene Darstellung, also Daten jeder Maus gemittelt, danngemittelt unter den Mäusen. Leukozyten bezogen auf andere Leukozyten.

Seite 40

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Kapitel 4.3 Tierorientiert-flußbezogene Darstellung

4.3 Tierorientiert-flußbezogene Darstellung

In die Flußmessung gehen verschiedene Fehler ein. Insbesondere Fehler bei der

Messung des Gefäßdurchmessers gehen quadratisch ein. Leider dürften gerade diese

durch FITC-Extravasation immer ungenauer werden. Niedrige Werte in dieser

Darstellung können außer durch niedrige Leukozytenzahlen natürlich auch durch hohe

Plasmaflußmengen, z.B. durch falsch große Gefäßdurchmesser, entstehen.

Bei den Frei-Fließenden nach 24 h fällt auf, daß mit zunehmender theoretischer

Toxizität (NaCl<Visipaque®<Imeron®150<Imeron®300) entweder weniger

Leukozyten oder höhere Flüsse auftreten. Nach 36 h weisen die Iomeprol-Gruppen

weniger freie Leukozyten oder höhere Flüsse auf als NaCl und Iodixanol.

Erstaunlich ist, daß sich die Frei-Fließenden nach 48 h auf einem gemeinsamen Niveau

um 0,2 bis 0,3 sammeln, daß deutlich unter dem NaCl-Wert nach 24 h liegt. Eine ein-

deutige Erklärung hierfür läßt sich nicht bestimmen.

Seite 41

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Kapitel 4.3 Tierorientiert-flußbezogene Darstellung

nach 24 h nach 36 h nach 48hFreiFließende

NaClVisipq150

Imeron150

Imeron300

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

TemporärAdhärente

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

Roller

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

Sticker

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

NaClVisipq150

Imeron150Imeron300

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

Abb. 4.3.1: Tierorientiert-flußbezogene Darstellung, also Daten jeder Maus gemittelt, dann gemittelt unterden Mäusen. Leukozyten bezogen auf Blutfluß.

Seite 42

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Kapitel 4.4 Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung

4.4 Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung

Auch die venenorientierte Darstellung zeigt noch einmal deutlich, was schon in Kapitel

4.2 zu erkennen war: Das hyperosmolare Imeron®300 zeigt nach 24 h eine deutliche

Abnahme der Frei-Fließenden zugunsten von Temporär-Adhärenten und Rollern

(Abnahme der Frei-fließenden gegenüber der NaCl-Gruppe p=0,017). Auch bei den

Stickern_1 zeichnet sich eine höhere 75%-Perzentile und vor allem eine hohe Zahl

Ausreißer nach oben ab.

Zugleich zeigen sich bei den isoosmolaren Kontrastmitteln nach 24 h keine Verände-

rungen gegenüber der NaCl-Gruppe(p=0,946 und p=0,626). Erst nach 36 h und 48 h

zeigen alle Kontrastmittelgruppen verminderte Frei-Fließende Leukozyten und

vermehrte Temporär-Adhärente bzw. Roller. Zugleich findet sich bei dem Dimer

Visipaque®150 keine stärkere Reaktion als bei den Monomeren der Imeron®-Gruppen.

Irrtumswahrscheinlichkeiten für Verschiedenheit Freie_1von NaCl-Gruppe :

nach 24h nach 36h nach 48hVisipaque® 150 p=0,964 p=0,010 p=0,223Imeron® 150 p=0,626 p=0,013 p=0,040Imeron® 300 p=0,017 p=0,127 p=0,039Tab. 4.4.1 Irrtumswahrscheinlichkeiten für Verschiedenheit der Freien_1 von der NaCl-Gruppe beizweiseitigem Wilcoxon Rangsummentest mit SPSS.

In der Darstellung der Sticker_1 zeigt sich eine immens hohe Zahl an Ausreißern, insbe-

sondere in der Imeron®300-Gruppe. Prinzipiell kann natürlich auch von wenigen Gefä-

ßen eine Entzündungsreaktion ausgehen. Dieselben Venen können natürlich bei Mittel-

wertbildung und besonders Medianbildung versteckt werden. Dem recht einheitlichen

Bild der Grafik entsprechend fallen auch alle statistischen Tests negativ aus (Sticker_1 -

Imeron 300 nach 24h p=0,065, Imeron 150 nach 36h p=0,156, sonst deutlich größer.)

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Kapitel 4.4 Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung

444152 322830 121628 121325N =

Zeitpunkt der Untersuchung

nach 48h

nach 36h

nach 24h

FRE

IE_1

100

80

60

40

20

0

Gruppe

NaCl

Visipq150

Im150

Im300

Abb. 4.4.1: Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung der frei-fließenden Leukozyten pro nicht-stickende Leukozyten.

444152 322830 121628 121325N =

Zeitpunkt der Beobachtung

nach 48h

nach 36h

nach 24h

TEM

P_1

100

80

60

40

20

0

Gruppe

NaCl

Visipq150

Im150

Im300

Abb. 4.4.2: Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung der temporär-adhärenten Leukozyten pronicht-stickende Leukozyten.

Seite 44

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Kapitel 4.4 Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung

444152 322830 121628 121325N =

Zeitpunkt der Beobachtung

nach 48h

nach 36h

nach 24h

RO

LLE

R_1

100

80

60

40

20

0

Gruppe

NaCl

Visipq150

Im150

Im300

Abb. 4.4.3: Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung der an der Gefäßwand rollenden Leukozytenpro nicht-stickende Leukozyten.

444152 322830 121628 121325N =

Zeitpunkt der Beobachtung

nach 48h

nach 36h

nach 24h

STI

CK

ER

_1

400

300

200

100

0

Gruppe

NaCl

Visipq150

Im150

Im300

Abb. 4.4.4: Venenorientiert-leukozytenbezogene Darstellung der nicht mobilen, adhärenten Leukozytengemäß Formel für Sticker_1 in Kap.4.0-1.

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Kapitel 4.5 Venenorientiert-flußbezogene Darstellung

4.5 Venenorientiert-flußbezogene Darstellung

Bei der Betrachtung der Freien_2 in Kapitel 4.3 nach 24 h war der Mittelwert der NaCl-

Tiere deutlich höher als der der Visipaque®150-Tiere, allerdings bei hohem Standard-

fehler. In der Box-Plot-Darstellung der Freien_2 zeigt sich, daß dieser hohe Mittelwert

vor allem durch nur drei extreme Ausreißer bedingt war, (Dadurch auch der große Stan-

dardfehler), daß aber auch der Median deutlich über dem der anderen Gruppen liegt.

Es bleibt sonst aber bei der Feststellung, daß die NaCl-Werte nach 24 h deutlich höher

als nach 48 h sind, so daß von Störeinflüssen ausgegangen werden muß, die nicht ein-

deutig benannt werden können.

Zweiseitige Test auf Verschiedenheit der Freien_2 von der NaCl-Gruppe:

nach 24 h nach 36 h nach 48 hVisipaque®150 p=0,066 p=0,203 p=0,166Imeron®150 p=0,015 p=0,433 p=0,598Imeron®300 p<0,001 p=0,080 p=0,194

Die hohen Werte der Freien_2 in der NaCl-Gruppe führen offensichtlich zu

signifikanten Testergebnissen nach 24h.

Zweiseitige Test auf Verschiedenheit der Sticker_2 von der NaCl-Gruppe:

Nach 24 h Nach 36 h nach 48 hVisipaque®150 p=0,859 p=0,936 p=0,439Imeron®150 p=0,208 p=0,209 p=0,695Imeron®300 p=0,134 p=0,656 p=0,602

Deutlich unterschiedliche Sticker_2-Werte nach 24h sollen hier angesichts der großen

Schwankungen in den flußabhängigen Darstellungen und insbesondere der ungeklärt

hohen Freien_2 in dieser Gruppe zu dieser Zeit nicht überinterpretiert werden.

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Kapitel 4.5 Venenorientiert-flußbezogene Darstellung

444152 322830 121628 121325N =

Zeitpunkt der Beobachtung

nach 48h

nach 36h

nach 24h

FRE

IE_2

6

5

4

3

2

1

0

Gruppe

NaCl

Visipq150

Im150

Im300

Abb. 4.5.1: Venenorientiert-flußbezogene Darstellung der frei-fließenden Leukozyten pro nicht-stickendeLeukozyten.

444152 322830 121628 121325N =

Zeitpunkt der Beobachtung

nach 48h

nach 36h

nach 24h

TEM

P_2

0,4

0,3

0,2

0,1

00,0

Gruppe

NaCl

Visipq150

Im150

Im300

Abb. 4.5.2: Venenorientiert-flußbezogene Darstellung der temporär-adhärenten Leukozyten pro nicht-stickende Leukozyten.

Seite 47

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Kapitel 4.5 Venenorientiert-flußbezogene Darstellung

444152 322830 121628 121325N =

Zeitpunkt der Beobachtung

nach 48h

nach 36h

nach 24h

RO

LLE

R_2

0,4

0,3

0,2

0,1

00,0

Gruppe

NaCl

Visipq150

Im150

Im300

Abb. 4.5.3: Venenorientiert-flußbezogene Darstellung der an der Gefäßwand rollenden Leukozyten pronicht-stickende Leukozyten.

444152 322830 121628 121325N =

Zeitpunkt der Beobachtung

nach 48h

nach 36h

nach 24h

STI

CK

ER

_2

10

8

6

4

2

0

Gruppe

NaCl

Visipq150

Im150

Im300

Abb. 4.5.4: Venenorientiert-flußbezogene Darstellung der nicht mobilen, adhärenten Leukozyten gemäßFormel für Sticker_1 in Kap.4.0-1.

Seite 48

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Kapitel 4.6 Anhang: Tabellen zu Kapitel 4.2 bis 4.5

4.6 Anhang: Tabellen zu Kapitel 4.2 bis 4.5

Tabellen zu 4.2 Tierorientiert-leukozytenorientierte ErgebnisseFreie_1 NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300(1) – nach 24 h 93,82 (2,24) 92,57 (3,37) 95,15 (1,76) 74,97 (9,58)(2) – nach 36 h 91,99 (3,16) 78,69 (5,35) 81,02 (5,00) 72,37(11,95)(3) – nach 48 h 87,25 (0,88) 80,55 (1,52) 69,97(12,10) 73,18 (6,54)

Temp_1 NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300(1) – nach 24 h 4,98 (1,56) 4,42 (2,28) 3,18 (1,13) 14,89 (4,80)(2) – nach 36 h 5,01 (1,65) 10,83 (5,42) 14,54 (5,86) 7,14 (2,81)(3) – nach 48 h 7,45 (1,67) 4,12 (2,08) 13,67 (6,03) 16,77 (4,35)

Roller_1 NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300(1) – nach 24 h 1,20 (1,03) 3,02 (1,43) 1,67 (0,70) 10,14 (5,63)(2) – nach 36 h 3,00 (1,78) 10,48 (2,65) 4,44 (2,41) 20,49(11,57)(3) – nach 48 h 5,29 (2,19) 15,33 (2,40) 16,36 (6,12) 10,05 (2,43)

Sticker_1 NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300(1) – nach 24 h 4,65 (4,65) 5,89 (4,23) 4,49 (3,72) 8,54 (4,39)(2) – nach 36 h 14,94(14,47) 10,42(10,14) 1,84 (1,53) 12,85 (6,76)(3) – nach 48 h 5,21 (5,21) 24,71(12,90) 6,01 (2,74) 17,62(15,67)Werte in Klammern sind Standardfehler des Mittelwertes. Der “wahre” Mittelwert liegt mit 68% Wahr -scheinlichkeit in einem Bereich, der um den Standardfehler um den angegebenen Wert liegt.

Tabellen zu 4.3 Tierorientiert-flußorientierte ErgebnisseFreie_2 NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300(1) – nach 24h 1,0003 (0,565) 0,5390 (0,206) 0,2812 (0,102) 0,0861 (0,021)(2) – nach 36h 0,7009 (0,638) 0,7118 (0,324) 0,0979 (0,027) 0,1077 (0,041)(3) – nach 48h 0,2195 (0,065) 0,2439 (0,173) 0,2806 (0,166) 0,2113 (0,089)

Temp_2 NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300(1) – nach 24h 0,0263 (0,005) 0,0324 (0,015) 0,0077 (0,003) 0,0230 (0,010)(2) – nach 36h 0,0263 (0,024) 0,0557 (0,018) 0,0164 (0,006) 0,0157 (0,009)(3) – nach 48h 0,0069 (0,003) 0,0109 (0,010) 0,0226 (0,007) 0,0305 (0,010)

Roller_2 NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300(1) – nach 24h 0,0063 (0,004) 0,0224 (0,014) 0,0050 (0,002) 0,0151 (0,009)(2) – nach 36h 0,0054 (0,004) 0,0894 (0,046) 0,0077 (0,005) 0,0241 (0,015)(3) – nach 48h 0,0040 (0,001) 0,0524 (0,029) 0,0257 (0,005) 0,0262 (0,007)

Sticker_2 NaCl Visipaque 150 Imeron 150 Imeron 300(1) – nach 24h 0,1502 (0,150) 0,2191 (0,168) 0,1896 (0,159) 0,1201 (0,056)(2) – nach 36h 0,1562 (0,088) 0,1220 (0,109) 0,0624 (0,061) 0,1286 (0,070)(3) – nach 48h 0,0961 (0,096) 0,4590 (0,402) 0,1526 (0,093) 0,4841 (0,407)Werte in Klammern sind Standardfehler des Mittelwertes. Der “wahre” Mittelwert liegt mit 68% Wahr -scheinlichkeit in einem Bereich, der um den Standardfehler um den angegebenen Wert liegt.

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Kapitel 4.6 Anhang: Tabellen zu Kapitel 4.2 bis 4.5

Tabellen zu 4.4 Venenorientierte-leukozytenorientierte Ergebnisse

Zeitpunkt nach 24h

Freie_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 96,55 9,17 93,44 [90,16-96,72]Visipq 95,45 8,76 93,40 [89,92-96,88]Im150 96,71 7,44 95,45 [93,60-97,29]Im300 83,77 52,10 70,53 [63,92-81,14]

Temp_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 2,50 7,29 5,23 [2,26-8,20]Visipq 0,0 5,33 3,61 [1,03-6,20]Im150 1,29 4,54 3,06 [1,41-4,72]Im300 5,76 23,08 16,66 [9,96-23,36]

Roller_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,00 0,76 1,33 [-0,21-2,87]Visipq 0,00 6,36 2,99 [1,40-4,57]Im150 0,00 2,72 1,49 [0,49-2,49]Im300 0,00 12,17 10,81 [4,99-16,63]

Sticker_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,00 0,00 5,21 [-3,20-13,62]Visipq 0,00 0,00 3,94 [0,005-7,83]Im150 0,00 5,09 5,95 [-0,12-12,03]Im300 0,00 10,22 11,08 [4,78-17,37]

Zeitpunkt nach 36 hFreie_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 94,12 12,70 93,11 [88,22-97,99]Visipq 81,72 29,70 78,37 [69,45-87,29]Im150 83,33 21,01 81,31 [75,22-87,40]Im300 87,50 47,50 73,71 [63,83-83,60]

Temp_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 1,56 6,07 4,34 [0,83-7,85]Visipq 4,94 24,44 11,74 [4,28-19,20]Im150 7,66 28,32 14,12 [7,57-20,67]Im300 0,00 10,60 7,63 [2,96-12,30]

Roller_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,00 1,32 2,55 [-1,04-6,14]Visipq 7,41 13,26 9,89 [3,47-16,31]Im150 0,00 8,10 4,58 [1,88-7,27]Im300 0,00 39,35 18,66 [9,44-27,88]

Sticker_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,00 19,66 10,41 [-1,27-22,09]Visipq 0,00 17,58 11,72 [-0,23-23,68]Im150 0,00 0,00 1,69 [-0,70-4,07]Im300 0,00 0,00 14,35 [0,95-27,76]

Seite 50

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Kapitel 4.6 Anhang: Tabellen zu Kapitel 4.2 bis 4.5

Zeitpunkt nach 48h:Freie_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 93,54 24,22 87,89 [80,33-95,43]Visipq 83,32 27,95 80,55 [70,29-90,81]Im150 79,31 36,87 71,03 [61,59-80,47]Im300 78,68 32,65 71,28 [63,89-78,68]

Temp_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 5,74 14,48 7,23 [2,54-12,58]Visipq 2,04 7,81 4,12 [0,53-7,71]Im150 3,83 17,80 13,08 [5,31-20,85]Im300 11,93 33,20 18,22 [12,07-24,38]

Roller_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 1,71 7,75 4,56 [0,69-8,43]Visipq 13,22 28,68 15,33 [6,70-23,96]Im150 8,71 26,70 15,89 [9,40-22,37]Im300 4,43 19,55 10,49 [6,7-14,28]

Sticker_1: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,00 14,37 9,12 [-2,00-20,24]Visipq 2,08 26,30 24,71 [-2,98-52,40]Im150 0,00 9,92 5,70 [1,88-9,53]Im300 0,00 11,70 25,51 [4,24-46,78]

Tabellen zu 4.5 Venenorientierte-flußorientierte Ergebnisse

Zeitpunkt nach 24h

Freie_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,534 0,730 0,969 [0,401-1,536]Visipq 0,267 0,896 0,491 [0,286-0,695]Im150 0,268 0,357 0,348 [0,224-0,471]Im300 0,063 0,101 0,086 [0,064-0,107]

Temp_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,014 0,041 0,027 [0,010-0,043]Visipq 0,000 0,044 0,027 [0,008-0,045]Im150 0,006 0,017 0,009 [0,005-0,013]Im300 0,004 0,030 0,025 [0,013-0,038]

Roller_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,000 0,002 0,007 [0,000-0,014]Visipq 0,000 0,004 0,022 [0,006-0,037]Im150 0,000 0,009 0,005 [0,002-0,008]Im300 0,000 0,012 0,016 [0,007-0,026]

Sticker_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,000 0,000 0,168 [0,000-0,396]Visipq 0,000 0,000 0,140 [0,000-0,292]Im150 0,000 0,183 0,252 [0,018-0,485]Im300 0,000 0,101 0,146 [0,052-0,241]

Seite 51

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Kapitel 4.6 Anhang: Tabellen zu Kapitel 4.2 bis 4.5

Zeitpunkt nach 36 hFreie_2 Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,073 0,338 0,659 [0,038-1,280]Visipq 0,228 1,237 0,631 [0,266-0,996]Im150 0,075 0,094 0,097 [0,067-0,128]Im300 0,044 0,080 0,104 [0,049-0,158]

Temp_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,000 0,019 0,024 [0,000-0,056]Visipq 0,041 0,079 0,056 [0,026-0,085]Im150 0,008 0,020 0,015 [0,007-0,024]Im300 0,000 0,005 0,017 [0,000-0,034]

Roller_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,000 0,000 0,006 [0,000-0,014]Visipq 0,030 0,162 0,078 [0,021-0,135]Im150 0,000 0,009 0,007 [0,000-0,015]Im300 0,000 0,029 0,021 [0,006-0,037]

Sticker_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,000 0,116 0,132 [0,000-0,337]Visipq 0,000 0,145 0,137 [0,000-0,281]Im150 0,000 0,000 0,056 [0,000-0,160]Im300 0,000 0,000 0,138 [0,001-0,267]

Zeitpunkt nach 48h:Freie_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,149 0,289 0,212 [0,094-0,331]Visipq 0,044 0,322 0,244 [0,000-0,533]Im150 0,100 0,332 0,287 [0,135-0,439]Im300 0,103 0,214 0,202 [0,113-0,291]

Temp_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,007 0,015 0,008 [0,003-0,013]Visipq 0,001 0,007 0,011 [0,000-0,024]Im150 0,008 0,027 0,022 [0,007-0,036]Im300 0,011 0,054 0,033 [0,019-0,047]

Roller_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,001 0,008 0,005 [0,000-0,009]Visipq 0,010 0,076 0,052 [0,000-0,109]Im150 0,014 0,050 0,026 [0,015-0,037]Im300 0,004 0,049 0,028 [0,015-0,040]

Sticker_2: Median Interquartilbereich Mittelwert 95%KonfidenzNaCl 0,000 0,183 0,168 [0,000-0,407]Visipq 0,003 0,529 0,459 [0,000-1,149]Im150 0,000 0,130 0,152 [0,000-0,345]Im300 0,000 0,198 0,691 [0,108-1,273]

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Kapitel 5. Diskussion

5. DiskussionDie Darstellung der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit (Kapitel 4) unterscheidet solche

Ergebnisse, in die die Bestimmung der Flußgeschwindigkeit eingegangen ist, von

solchen, die ohne die Bestimmung der Flußgeschwindigkeiten auskommen. Auf die

Schwierigkeiten der Flußbestimmung wurde in Kapitel 3.11 ausführlich eingegangen.

Es sei hier daran erinnert, daß wir den optischen Nachteil des Mausohrmodells, nämlich

das Mikroskopieren durch eine intakte Haut hindurch, bewußt in Kauf genommen

haben, um ein völlig intaktes, nicht durch chirurgische Manipulation alteriertes, Gewebe

untersuchen zu können. Es hat sich herausgestellt, daß die flußabhängigen

Untersuchungen sehr komplexe Ergebnisse zeigen, deren Ursachen sich ohne weiteres

nicht eindeutig benennen lassen.

Die Auswertung der Beobachtungen in der „Leukozytenorientierten Darstellung“ (Def.

Kapitel 4.0), also ohne Berücksichtigung der fehlerträchtigen Flußbestimmung, zeigt

jedoch für sich allein die von uns gesuchten Effekte. Sie soll daher alleiniger

Gegenstand der weiteren Diskussion sein.

Mikroskopische Untersuchungen der Einflüsse von Röntgenkontrastmitteln auf das

Endothel bezogen sich meist, wie die in HAGEN 1994 zitierten (siehe Kapitel 2.5), auf

morphologische, nicht funktionelle, Merkmale. Funktionell hat THORPE 1998 bereits

gezeigt, daß iodierte Röntgenkontrastmittel unter bestimmten Bedingungen eine ver-

mehrten Adhäsionsneigung zwischen Leukozyten und Endothel verursachen können. In

dieser Arbeit zeigte sich in Zellkulturen eine stark konzentrationsabhängige Erhöhung

der Adhäsionsneigung nach 20 Minuten, die nach 4 Stunden nicht mehr bestand. Die

Autoren betonen, daß wegen der ständig wechselnden Konzentration im Kreislauf, jede

Konzentration in einem Blutgefäß vorkommen kann. Ein Umstand, dem ein in-vitro-

Versuch mit definierten, konstanten Konzentrationen nicht gerecht werden kann.

Die vorliegende Arbeit hingegen präsentiert in-vivol-Daten, die unter anderem mit einer

natürlichen Arzneimittelkinetik entstanden sind, wie sie durch kontinuierliche Verdün-

nung und Ausscheidung durch die Niere entsteht.

Die klarsten Ergebnisse zeigt erwartungsgemäß die Untersuchung des Quotienten

Freie1=′ freie Leukozyten≤

′ freieΑ temporäreΑ rollende Leukozyten≤, die in Kapitel 4.4 ausführlich

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Kapitel 5. Diskussion

dargestellt wird. Dieser Quotient gibt den Anteil der frei fließenden Leukozyten an allen

beweglichen Leukozyten wieder. Seine Abnahme bedeutet eine Zunahme der

Adhäsionsneigung zwischen Endothel und Leukozyten. Sie macht jedoch keine Aussage

über “Sticker”.

Eine solche Abnahme der Quotienten Freie_1 der Kontrastmittelgruppe gegenüber der

Kontrollgruppe (NaCl) fand sich am deutlichsten für die Gruppe der Mäuse, die das

hyperosmolare Imeron® 300 erhalten hatten (24h: p=0,017, 36h: p=0,127 und 48h:

p=0,039). Die bekannte höhere allgemeine Toxizität des hyperosmolaren

Kontrastmittels zeigt sich damit auch in unserem Modell.

Die Untersuchung der isoosmolaren Kontrastmittel zeigt eine signifikante Abnahme des

Quotienten Freie_1 erst nach 36h (Visipaque®150 p=0,010, Imeron®150 p=0,013). Die

klinisch beobachteten Späten Unerwünschten Nebenwirkungen treten aber sicher auch

früher auf.

Während die beiden isoosmolaren Kontrastmittel ein sehr ähnliches Verhalten nach 24

und nach 36 Stunden zeigen, scheint die Wirkung des dimeren Visipaque®150 schneller

wieder abzuklingen, so daß der Vergleich zum Freie_1 der NaCl-Gruppe nach 48h nicht

mehr signifikant (p=0,223) ist, während der der Imeron®150 Gruppe mit p=0,040 noch

signifikant bleibt (Die o.g. Irrtumswahrscheinlichkeiten sind in Tabelle 4.4.1 in Kapitel

4.4 zusammengefaßt).

Die Untersuchung des Quotienten Freie_1, wie sie oben dargestellt ist, schließt die frei

fließenden, die temporär adhärenten und die rollenden Leukozyten ein. Die ortsfest an

der Gefäßinnenwand haftenden Leukozyten (Sticker) finden hingegen ihre

Untersuchung im Quotienten Sticker_1. Für diesen konnten wir zu keinem Zeitpunkt

statistisch signifikante Abweichungen zwischen der NaCl- und den

Kontrastmittelgruppen finden. Da gerade die Sticker-Zahlen besonders großen

Schwankungen unterliegen, müßte man wohl deutlich größere Tierzahlen untersuchen,

um hier Effekte belegen zu können. In Kapitel 2.6 wurde bereits darauf hingewiesen,

daß für das Rollen der Leukozyten andere Cell Adhesion Molecules (CAMs)

verantwortlich sind als für das ortsfeste Haften (Sticken). Es wäre also möglich, daß

Röntgenkontrastmittel vor allem die Temporäre Adhärenz und das Rollen, nicht aber

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Kapitel 5. Diskussion

das Sticken fördern. Möglicherweise stellen sie so eine Art Wegbereiter für andere

Noxen dar, die die schon rollenden Leukozyten zum Sticken bringen.

Zusammenfassend können wir festhalten: Die vorliegende Arbeit zeigt signifikante

Auswirkungen von Röntgenkontrastmitteln auf die Leukozyten-Endothel-Interaktion:

Ein vermehrtes Haften von Leukozyten am Endothel noch nach mehr als einem Tag

nach der Applikation stützt die These der Existenz Später Unerwünschter Wirkungen

von Röntgenkontrastmitteln. Entsprechend der klinischen Erfahrung einer höheren

Toxizität, sind diese Effekte bei dem hyperosmolaren Kontrastmittel am stärksten

gewesen. Für die These, daß sich beim dimeren Kontrastmittel Visipaque®150 stärkere

Effekte als beim Monomer Imeron®150 zeigen, konnten wir keinen Anhalt finden.

Eine Bestätigung einer vermehrten Anzahl ortsfest haftender Leukozyten gelang mit der

vorliegenden Zahl Tiere nicht. Die Frage, ob Kontrastmittel für sich zu einer vermehrten

ortsfesten Adhäsion von Leukozyten führen, oder ob sie lediglich einer solchen

ortsfesten Adhäsion durch vermehrte temporäre Adhärenz und Rollen den Weg bereitet,

bleibt damit vorerst offen. Weitere Studien sollten daher auf koinzidierende Noxen, wie

z.B. begleitende Medikamente, größeren Wert legen.

Zuletzt werfen unsere Ergebnisse die Frage auf, wie gut die medikamenten-induzierte

Leukozyten-Endothel-Interaktion in der Maus mit dem Auftreten Später Unerwünschter

Arzneimittelwirkungen im Menschen korreliert. Das von uns verwandte Modell könnte

ein preiswerter Weg sein, die Gefahr Später Arzneimittelnebenwirkungen schon früh in

der Entwicklung neuer Kontrastmittel abzuschätzen.

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Kapitel 6. Literaturverzeichnis

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Kapitel 6. Literaturverzeichnis

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7. Dank

Ich danke Herrn Univ.-Professor Dr. med. Bernhard Kramann, Direktor der Abteilung

für Radio-Diagnostik, für die Unterstützung und daß ich an seinem Institut diese Arbeit

erstellen durfte.

Herrn FOA Dr. rer. nat. Günther Schneider für die Überlassung des Themas, die wissen-

schaftliche Betreuung und schnelle Hilfe bei allen auftretenden Problemen.

Frau Diane Wagner-Jochem, MTA, für die Hilfe bei der Durchführung der

chirurgischen Präparationen, und viele Stunden im Labor bei der Anleitung zu und

Begleitung bei allen praktischen Tätigkeiten mit den Tieren.

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8. Lebenslauf

Bernhard Konrad Wolfram Lehnert

Nordallee 12

66763 Dillingen (Saar)

geb. 27.03.1974 in Saarlouis

Schulausbildung:

1980-1984 Grundschule Odilienschule Dillingen

1984-1993 Staatliches Gymnasium Dillingen

1993 Abitur

Zivildienst:

1993-1994 Zivildienst in der Krankenpflege Caritas-Krankenhaus Dillingen, Ab-

teilung für Neurologie.

Studium:

Studium der Humanmedizin in Homburg ab Wintersemester 1994/95

10. 9. 1996 Ärztliche Vorprüfung (Physikum)

28. 8. 1997 Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

24. 3. 2000 Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

25. 4. 2001 Dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

seit 1. Juli 2001 Arzt im Praktikum an der Universitätsklinik und Poliklinik für

Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde in Homburg.

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