aus: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 97 (1993) 259–271 … · 2001. 10. 9. · die...

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WOLFGANG KUHOFF I ULIA A UG. MATER A UG. N. ET CASTRORUM ET SENATUS ET PATRIAE aus: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 97 (1993) 259–271 © Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn

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  • WOLFGANG KUHOFF

    IULIA AUG. MATER AUG. N. ET CASTRORUM ET SENATUS ETPATRIAE

    aus: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 97 (1993) 259–271

    © Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn

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    IULIA AUG. MATER AUG. N. ET CASTRORUM ET SENATUS ETPATRIAE

    In Rom befinden sich zwei monumentale Denkmäler aus der Regierungszeit des KaisersSeptimins Severus, der große dreitorige Triumphbogen auf dem Forum Romanum und derwesentlich kleinere Ehrenbogen auf dem Forum Boarium, auch als Argentarierbogen bezeichnet.Das erstgenannte Bauwerk wurde nominell im Namen des römischen Staates, durch senatuspopulusque Romanus, im Jahre 203 gestiftet. Es nimmt in seinen Reliefs und der Bauinschriftdirekten Bezug auf die militärischen Erfolge gegen die Parther und indirekt auch auf dieNiederwerfung von Pescennius Niger und Clodius Albinus.1 Seine ganz auf einen kriegerischenInhalt abzielende Thematik macht es verständlich, daß im Text der Inschrift nur die männlichenAngehörigen der Kaiserfamilie aufgeführt waren, Septimius Severus und seine Söhne M. AureliusAntoninus und P. Septimius Geta. Dessen Name in der vierten Zeile wurde nach seiner Ermordungdurch den Bruder Ende 211 getilgt und durch eine Fortsetzung der Titulatur des neuen Alleinherr-schers ersetzt.2 Diese wohlbekannte Tatsache braucht nicht weiter erörtert zu werden, ebensowenigdie sich an die abolitio nominis anschließende Flut von Tilgungsmaßnahmen überall im ImperiumRomanum, die auf den offiziellen Befehl Caracallas, der wohl auch in einen Senatsbeschlußeingeflossen ist, zurückgeht.

    In seiner jüngst erschienenen Kaisertabelle führt Dietmar Kienast3 für die Augusta Iulia Domnadie Ehrentitel auf, die sie in den Regierungszeiten ihres Gatten und ihres Sohnes Caracalla erhieltund die in epigraphischen wie numismatischen Zeugnissen vorkommen4 Seine vorletzte Angabelautet: "vor 4. Febr. 211 (?) mater castrorum et senatus et patriae". Die hier zum Ausdruckkommende Unsicherheit, ab wann und in welchem historischen Zusammenhang dieser neuartigeEhrentitel eingeführt wurde, kann aber wohl behoben werden. Am Anfang der Überlegungenstehen die epigraphischen Zeugnisse in Rom, unter denen der Bauinschrift des Argentarierbogensaufgrund der Ausführlichkeit des Textes eine besondere Bedeutung zukommt.5 Der Text der

    1 Aus archäologischer Sicht wurde der Severusbogen von Richard Brilliant, The Arch of Septimins Severus inthe Roman Forum, Rom 1967, und jüngst von Sandro De Maria, Gli archi onorari di Roma e dell'Italia romana,Rom 1988, 180 -185 und 305 - 307, besprochen.

    2 Zur Inschrift äußert sich Anthony Birley, The African Emperor: Septimius Severus, London 1988, 155 f., nursummarisch; auf die Rasur des Namens von Geta geht er nicht ein. Ausführlich wird das Vorgehen Caracallas gegendas Andenken seines Bruders dagegen von Attilio Mastino, L'erasione del nome di Geta dalle iscrizioni nel quadrodella propaganda politica alla corte di Caracalla, AFLC 39, 1981, 47 - 81, behandelt. Die Verhältnisse in denafrikanischen Provinzen sind knapp bei Wolfgang Kuhoff, Il riflesso dell'autorappresentazione degli imperatoriRomani nelle province dell'Africa (I – III sec. d. C.), in: L'Africa Romana. Atti del VII convegno di studio, Sassari,15 -17 dicembre 1989, Sassari 1990, 943 - 960, hier 955 - 959, dargestellt.

    3 Dietmar Kienast, Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 1990,167 f.

    4 Die einschlägigen Münztypen Domnas kommen später zur Sprache (vgl. Anm. 46).5 Die archäologischen Aspekte des Bogens sind in der Monographie von Denys E. L. Haynes - Peter E. D.

    Hirst, Porta Argentariorum, London 1939, knapp behandelt; zur Inschrift hier 3 - 13, besonders 3 - 6. Dazu kommt

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    Dedikationsinschrift in seiner veränderten, heutigen Fassung lautet folgendermaßen (vgl. dazu dieGesamtaufnahme auf Taf. IX 1: Imp. Caes. L. Septimio Severo Pio Pertinaci Aug. Arabic. Adia-benic. Parth. max. fortissimo felicissimo / pontif. max. trib. potest. XII imp. XI cos. III patripatrine, et / imp. Caes. M. Aurelio Antonino pio felici Aug. trib. potest. VII cos. III p. p. procos.fortissimo felicissimoque principi, et / Iuliae Aug. matri Aug. n. et castrorum et senatus et patriaeet imp. Caes. M. Aureli Antonini pii felicis Aug. 5/ Parthici maximi Brittannici maximi / argentariet negotiantes boari huius loci qui invehent devoti numini eorum.6 Daß diese Inschriftnachträglichen Veränderungen unterzogen wurde, zeigen der optische Eindruck und der Text selbstdeutlich auf, in dem Inkonsequenzen und Rasur wie Einfügung neuer Passagen zu erkennen sind.7

    Diese bekannte Tatsache hat verschiedene Interpretationen hervorgerufen. Ihre Quintessenz wardie Annahme, daß in den drei längeren Zeilenabschnitten, für die eine Neuformulierung festzu-stellen ist, drei Personen genannt gewesen sein müssen, die später der offiziellen damnatiomemoriae verfielen: Dies konnten nur Geta, Caracallas Frau Plautilla und deren Vater Plautianusgewesen sein. Von dieser Voraussetzung ist auszugehen, da die Textänderungen genau an denStellen vorgenommen wurden, an denen die drei Personen gemäß der offiziellen Rangfolge aufge-führt gewesen sein müssen. Wie aber verhält es sich mit dem Wortlaut der neu eingefügtenPassagen, und wie sind die Änderungen zu datieren? Dies sind Fragen, denen nachzugehen ist.

    Neben der Bauinschrift des Argentarierbogens gibt es noch eine Reihe anderer Inschriften ausdem römischen Reich, in denen Geta, Plautilla und Plautianus gemeinsarn berücksichtigt waren.Daneben stehen inschriftliche Dokumente, in denen nur Geta allein neben Vater und Bruder undgegebenenfalls der Mutter Iulia Domna genannt war. Beide Gruppen sind vergleichend heranzuzie-hen. Nicht berücksichtigt zu werden brauchen für die folgenden Überlegungen die zahlreichenInschriften, die Severus, Caracalla (diese beiden mit ihrer langen Filiation) und Geta gemeinsamnannten. Weil der Argentarierbogen wegen der Aussagefähigkeit von Inschrift u n d Relief-schmuck sowie wegen seines prominenten Standortes auf dem forum boarium besondere Bedeu-tung besitzt, ist er am Anfang zu behandeln.

    Innerhalb der Titulatur des Severus am Textanfang fallen die beiden Tugendattribute imSuperlativ auf, welche mitten zwischen Name, Siegerbeinamen, Ämtern und Amtsbefugnissen amEnde von Z. 1 eingereiht sind: Diese Attribute fortissimus felicissimus, welche zum ursprünglichenBestand gehören, wurden, wie zahlreiche Ehreninschriften vor allem in Numidia erweisen, auch in

    De Maria, Archi 185 - 189 und 307 - 309 (mit der Bibliographie der älteren Untersuchungen, aber ohne Bezug auf dieBauinschrift). In den folgenden beiden Aufsätzen geht es demgegenüber um die Titulatur Domnas und um diesesZeugnis: Hans Ulrich Instinsky, Studien zur Geschichte des Kaisers Septimins Severus, Klio 3s, 1942, 200 - 219,hier 200 - 211 (Abschnitte I.1 und I.2); Herbert W. Benario, Julia Domna - Mater Senatus et Patriae, Phoenix 12,1958, 67 - 70.

    6 CIL VI 1035 = ILS 426.7 Taf. IX 1 zeigt den Inschrifttext, in dem die ausgemeißelten Originalabschnitte mit den neu eingefügten

    Passagen in Z. 3, Ende; Z. 4, Mitte; Z. 5, ganz, zu erkennen sind. Dazu kommt eine Änderung in der Mitte von Z.6, die für die hier zur Diskussion stehende Frage keine Bedeutung besitzt. Für die Möglichkeit, am 28. Oktober 1991diese und alle folgenden Aufnahmen anzufertigen, danke ich meinem Freund, Architekt Giangiacomo Martines,Soprintendenza Archeologica di Roma, der mir schon vorher am 12. Juni 1987 die Gelegenheit eröffnet hatte, dengesamten Bogen eingehend zu fotografieren.

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    epigraphische Dokumente auf Provinzboden, meist mit dem Titel princeps verbunden,aufgenommen. Diese Zusatztitulatur war aber nicht verpflichtend.8 Am Argentarierbogen wie indiesen anderen Inschriften waren die zwei Tugendattribute eigene Wortwahl der jeweiligenDedikanten: In anderen epigraphischen Dokumenten, welche keine Ehrung für die Kaiser, sondernderen eigene Äußerungen darstellen, finden sie sich nämlich nicht. Die wenigen Ausnahmen unterihnen wurden vermutlich von den Behörden am Orte veranlaßt, nicht aber von der Regierungverordnet. In diesen Fällen läßt sich die Ausfüllung einer Tilgungslücke annehmen.9

    Die Titulatur Caracallas in der Inschrift des Argentarierbogens ist bis zum Titel p. p. fastvollkommen parallel zur väterlichen aufgebaut; einzige Ausnahme ist gerade diese Abkürzung fürdie Ehrung als "Vater des Vaterlandes". Allerdings sind die Iterationsziffer III für den Konsulat(zuvor hieß es nur I) wie auch der Titel p. p. eine Neuformulierung dieser Passage: Caracalla warcos. III nämlich erst 208. Die Schriftoberfläche ist dementsprechend eingetieft.10 Demgegenüberhatte er die Ehrung als p. p. bereits im Jahre 199 erhalten; daß dieser Titel schon in der Erstfassungder Inschrift nach dem Konsulat angeführt war, ist deshalb wahrscheinlich. Die Parallelitätzwischen den Titulaturen von Vater und Sohn ändert sich jedoch im späteren Teil von Zeile 3. Diehier gebrauchten Worte zeigen ohne Zweifel auf, daß Getas Name und Titel ausgemeißelt unddurch eine neue Wendung ersetzt wurden: Einerseits erscheint der Titel proconsul für Severus,dem er am ehesten gebührt hätte, nicht, andererseits sind die Tugendattribute fortissimusfelicissimus hier mit dem Titel princeps verbunden, was eine Parallelisierung und eine Erweiterunggegenüber der väterlichen Titulatur darstellt. Es soll aber hervorgehoben werden, daß keine Til-gungslücke stehengelassen, sondern eine Ergänzung vorgenommen wurde. Aufgrund der Be-deutung dieses Denkmals ist hierin ein Indiz dafür zu sehen, wie genau die in der Reichshauptstadtdurch den neuen Alleinherrscher verordnete offizielle Maßnahme befolgt wurde. An einemEhrenbogen auf dem vielbesuchten Fleischmarkt in Rom mußte über die bloße Rasur hinaus eineoptisch unauffällige Ausfüllung der Lücke vorgenommen werden, und exakt dieselbe Maßnahmewurde auch für den noch monumentaleren Triumphbogen auf dem Forum Romanumvorgenommen. Dennoch verblieb genügend Spielraum zur Ausführung, weil die vielen unter-schiedlich großen und verschieden formulierten Inschriften im gesamten Reich nicht durch eineallgemeine Vorschrift erfaßt werden konnten.

    Am Anfang der vierten Zeile ist Iulia Domna genannt. Ihr ursprüngliches Attribut mater Augg.wurde natürlich erst 211/212 in mater Aug. n. verändert. Danach folgt ihre Bezeichnung als Muttervon castra, senatus und patria. Es schließt sich bis zum Zeilenende der Name Caracallas mit denbeiden Siegerbeinamen im Genitiv an. Dieser ist wie die anderen Begriffe vom Substantiv IuliaDomna abhängig. Im ursprünglichen Text war das Mutter-Sohn-Verhältnis jedoch bereits im Titelrnater Augg. ausgedrückt. In der Originalfassung stand hier der Name Plautillas, weil diese in einer

    8 Ein kurzer Hinweis zur Situation in Afrika bei Kuhoff, Riflesso 952 f.9 Das möglicherweise auffälligste Beispiel im gesamten Imperium Romanun stammt ebenfalls aus Afrika,

    nämlich CIL VIII 22384 aus dem Jahre 212: Hierzu Kuhoff, Riflesso 953.10 Die Erlaubnis, die einschlägigen Textpassagen aus unmittelbarer Nähe zu studieren, zu fotografieren und einen

    Abklatsch anzufertigen verdanke ich (einschließlich der Bereitstellung des notwendigen Gerüstes) dem Soprintenden-ten Dr. Adriano La Regina, Soprintendenza Archeologica di Roma.

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    203 formulierten Inschrift als Gemahlin Caracallas nicht fehlen durfte. Die Worte et Fulviae Plau-tillae Aug. coniugi mit 33 Buchstaben einschließlich der Wortzwischenräume (im Vergleich zu den37 des neuen Textes) schlossen mit dem folgenden Namen des Gatten im Genitiv die ganze Zeileab. Diese war so vollständig mit der Nennung der beiden kaiserlichen Frauen ausgefüllt: Eineoptisch und inhaltlich gelungene Lösung ohne Anlaß zur Kritik.11

    Plautilla war jedoch nicht allein, sondern zusammen mit ihrem Vater Plautianus genannt. DieRasur von Z. 5 betrifft den gesamten ursprünglichen Text, in dem letzterer genannt war: Wurde sieaber zuerst frei belassen und dann später mit neuen Worten ausgefüllt oder läßt sich eine andereLösung vermuten?12 Die Tilgung wurde auf jeden Fall gleichzeitig mit der Umgestaltung derzweiten Hälfte von Z. 3 mit neuem Text aufgefüllt. Die Siegerbeinamen Parthicus maximusBrittannicus maximus können nur aus den Jahren 209/213 stammen, bevor Caracalla nach seinemErfolg gegen die Alamannen mit Germanicus maximus sein drittes cognomen ex virtute annahm.Daher wurde der Name des Plautianus nach seiner Ermordung am 22. Januar 205 in der vorletztenZeile eradiert, die eingefügte neue Textpassage wurde jedoch erst in den rund 22 Monaten zwi-schen Getas Ermordung und dem Alamannensieg eingesetzt, weil sie vorher unpassend gewesenwäre. Durch eine bloße Tilgung der ganzen Zeile vor der Nennung der Dedikanten konnte derinhaltliche Unterschied zwischen den Angehörigen des Kaiserhauses und den Stiftem betontwerden. Nach der Tilgung von Getas Namen am Ende der dritten Zeile wurde die ursprünglichvorletzte Zeile mit den Siegerbeinamen des neuen Alleinherrschers ausgefüllt. Diese schließen sichnahtlos an den Kaisernamen im Genitiv in der vorangehenden Zeile an. Damit erhielt die Inschriftwieder ein vollständiges Aussehen.

    Diese Sachlage ist eine konsequente Folgerung aus den politischen Vorfällen. Es läßt sich abernoch eine weitere Vermutung anschließen. Die Veränderung des ursprünglichen Textes erfolgte inder vierten Zeile sehr behutsam: Die Rasur weist hier eine Tiefe von rund 2 mm auf. Die darunterstehende Tilgung in Z. 5 ist dagegen etwas deutlicher. Diese ehemals Plautianus gewidmete Zeilewurde rund 5 mrn tief getilgt. Nach oben hin berührt sie die Rasur in der Mitte von Z. 4 und weisthier einen allerdings nicht durchgehenden Steg auf, der sie von dieser absetzt. Man kann daher hiereine zweifache Rasur vemmuten. Die h e u t e sichtbaren Maßnahmen einer damnatio memoriaemit ihrer Auffüllung von Lücken in den Zeilen 3 und 5 erfolgten gleichzeitig um die Jahreswende211/212, da aber Plautianus' Name und Titulatur nicht erst zu diesem Zeitpunkt eradiert wordensein können, mag in der vorletzten Zeile nach dem 22. 1. 205 ein anderer Text eingefügt wordensein, der aber nicht ebenso lang wie der ursprüngliche gewesen zu sein braucht. An dieser Stellekann deshalb Getas Name vermutet werden. Im Zusammenhang des uns vorliegenden Texteserscheint nämlich Caracallas Name nach seiner ersten Nennung als Mitkaiser und zweiterDedikationsempfänger ein weiteres Mal innerhalb derjenigen Begriffe, für die Iulia Domna alsMutter bezeichnet ist. Der direkt vor der Kaiserin aufgeführte Geta, Caesar und ursprünglich dritterWidmungsempfänger, hätte zur Wahrung der inhaltlichen Symmetrie seinerseits ein zweites Mal in

    11 Weder Haynes - Hirst, Porta 4 - 6, in ihrer umfänglichen Erörterung noch Benario, Julia Doruna 67 f., gehengenügend auf den Inschrifttextaufbau ein; Instinsky, Studien 206 Anm. 3, nennt die Inschrift nur kurz.

    12 Zur Verdeutlichung ist auf Taf. IX 2-6 zu verweisen, in denen die Situation an den kritischen Stellen desInschrifttextes irn Detail abzulesen ist.

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    dieser Passage genannt werden müssen: Aus diesem Grunde dürtte er nach Plautianus' Tod nach-träglich in die fünfte Zeile eingefügt worden sein. Die spätere zweite Tilgung wurde dann durch dieSiegerbeinamen Caracallas ausgefüllt.13 Die Rasurmaßnahmen wurden aber sehr behutsamdurchgeführt, so daß Tilgungen wie Ausfüllungen der Leerräume nicht über Gebühr ins Augefallen. Natürlich spielt die wechselnde Beleuchtung tagsüber eine wichtige Rolle. Die Inschrifterhielt jedenfalls 211/212 wieder eine dem Standort des Bogens angemessene Form.

    Wie mag die Nennung des Plautianus konkret ausgesehen haben? Entsprechend einer jüngstrevidierten Inschrift aus Lepcis Magna könnte man an die Worte et C. Fulvio Plautiano praef.praet. c. v. comiti et necessario dominorum nostrorum imperatorum Auggg. als Ehrung desPräfekten denken. Die Alternative et filiae... mit der gleichen Titulatur hätte im Genitiv und miteinigen knapperen Abkürzungen die Filiation Plautillas ausgedrückt. Die Zahl der in die Lückeeinfügbaren Buchstaben beläuft sich im Vergleich zur vorangehenden Zeile auf 90 bis 95. Einanderer Wortlaut mit unterschiedlichen Abkürzungen ist allerdings auch möglich.14 Sofort nachseiner Ermordung wurde das Andenken des neuen hostis publicus ausgelöscht. Seine Tochter,Gemahlin des älteren Kaisersohnes und nominellen Mitregenten, wurde auf die Insel Liparaverbannt, wie die literarische Überlieferung bezeugt. Diese ist jedoch für Plautillas rechtlicheBehandlung nach der Verbannung äußerst dürftig.15 Die beiden vorangehenden Fälle, Schwesterund Gemahlin des Commodus, Lucilla und Crispina, bieten leider keine Präzisierung: Beidewurden zuerst verbannt und dann nach kurzer Zeit umgebracht.16 Weder historiographische nochinschriftliche Quellen berichten Näheres.17

    13 Ein Hinweis bei Haynes - Hirst, Porta 5, zeigt, daß schon ein früherer Autor an die Möglichkeit dachte, inZeile 5 sei Geta genannt gewesen; allerdings führte dies zur Annahme, es sei die einzige Erwähnung Getas gewesen.Die beiden englischen Autoren gehen wie auch Benario nur von einer Tilgung nach dem 22. 1. 205 aus.

    14 Die genannte Inschrift ist AE 1988, 1099 = AE 1967, 507. Der von den älteren Autoren bevorzugte Wortlautfindet sich bei Benarlo, Julia Domna 67 (die Angabe uxor i [oder coniugi] gehört aber aus Platzgründen in dievorangehende Zeile). Plautianus' Titulatur lautet hier im Genitiv, abhängig vom Worte filiae: C. Fulvi Plautiani c.v. pontif. / nobilissimi pr. pr. cos. II necessari et comitis Augg. Zu den seinerzeit bekannten Inschriften des Plautia-nus siehe Geza Alföldy, Un'iscrizione di Patavium e la tirolatura di C. Fulvio Plauziano, Aquileia Nostra 50, 1979,125 - 152.

    15 Plautianus' Tod wird von Cassius Dio (in der Epitome des Xiphilinos) LXXVII 4 - 6 geschildert. In 6, 3werden die Verbannung Plautillas und ihres Bruders und die strenge Haft auf Lipara erwähnt. Herodianos III 13, 3 läßtPlautilla nach Sizilien verbannt werden, eine Verwechslung mit der kleinen Insel vor der Nordküste der größeren.Beide Autoren verlieren aber kein Wort über die wichtige rechtliche Einstufung von Caracallas Gemahlin nach derVerbannung. Innerhalb der konfusen Darstellung in der HA, Vit. Sev., werden 14, 7 f. knapp der Tod des Plautianusund Plautillas Verrnählung (ohne Namensnennung) angesprochen. Zu Plautilla siehe PIR III2 F 564.

    16 Die beiden Augustae wurden zuletzt von Marie-Thérèse Raepsaet-Charlier, Prosopagraphie des femmes del'ordre sénatorial (Ier - IIe s.), Löwen 1987, behandelt. Lucilla: 67 - 69 Nr. 54; Crispina: 149 f. Nr. 149. Dazukommen PIR I2 C 707 und L 170. Vom archäologischen Standpunkt beleuchtete die Person Lucillas Helga vonHeintze, Annia Lucilla, in: Pro arte antiqua. Festschrift für Hedwig Kenner, Bd. 1, Wien l982, 170-183.

    17 Die Zeugnisse sind bei Raepsaet-Charlier, Prosopagraphie, ebd., aufgezählt. In einigen der InschriftenCrispinas ist ihr Name nicht eradiert, doch dürften diese vom Aufstellungsort entfernt worden sein. Da Verbannungund Tod in der literarischen Überlieferung bezeugt sind, können die nicht veränderten Inschriften keinen Gegenbeweisliefern.

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    Zur Verdeutlichung der historischen Ereignisse ist es notwendig, die wichtigen Stationen knappanzusprechen. Nach dem Tode ihres Vaters verlor Plautilla als Tochter eines Staatsfeindes denTitel Augusta, wurde sofort und nicht erst 211 der abolitio nominis unterworfen und verbannt.18

    Der von Cassins Dio gegebene Hinweis, daß Plautilla und ihr Bruder auf Lipara in strenger Haftgehalten wurden, kann närnlich nur bedeuten, daß erstere ihre Stellung als Augusta verloren hatteund als Staatsgefangene behandelt wurde.19 Eine zwingende Konsequenz hieraus ist, daßPlautianus' wie auch Plautillas Namen sofort nach dem 22. 1. 205 in der Inschrift des Argenta-rierbogens getilgt wurden. Der erstere aber wurde durch eine Textpassage mit Getas Namen imGenitiv ersetzt.20

    Die durch Plautillas Namensentfernung entstandene Lücke wirkte inhaltlich und optisch äußerststörend.21 Nach den Worten Iuliae Aug. matri Augg. et fehlten in der Mitte von Z. 4 etwa 35Buchstaben, bis Caracallas Name im Genitiv, nun grammatisch beziehungslos, folgte. DieserZwischenraum verlangte unbedingt nach der Ausfüllung mit einem neuen Text, der wieder einelogische Gedankenverbindung schaffen mußte. In die historische Situation nach Plautianus' Toddürfte die Eintührung der neuen Titulatur für Iulia Domna einzuordnen sein. Damals bot sichnämlich eine gute Gelegenheit, die Bedeutung der Kaiserin im Staate zu stärken. Den Titel matercastrorum, eine für die jüngere Faustina eingeführte Bezeichnung,22 hatte Severus' Gemahlinschon 195 erhalten: Er war im Originaltext der Inschrift des Argentarierbogens berücksichtigt wor-

    18 Wie des Plautianus Sturz für die Zeitgenossen gewirkt haben dürfte, vermitteln die in Amn. 15 genanntenQuellenzeugnisse. Allerdings müssen die in der HA ausgedrückten Übertreibungen zurechtgerückt werden, und zuihnen zählt der angebliche erste Gunstverlust des Prätorianerpräfekten, obwohl dieser auch von Cassius Dio (=Xiphilinos) berichtet wird. Birley, African Emperor 154, nimmt diesen ersten Bruch als gegeben an: Es ist aber zufragen, welche Dimension er besaß, ob es fast zu einer offiziellen damnatio memoriae kam. Daran knüpft sich dieÜberlegung an, warum sich Kaiser und Präfekt überhaupt wieder versöhnten. Überblickt man die von Xiphilinosberichteten Untaten des Plautianus (Dio LXXII 14, 2 - 7; 15, 6 f.), so müssen Zweifel über ihren Wahrheitsgehaltaufkommen. Die Angaben lesen sich nämlich wie ein Auszug aus dem Sündenregister eines im Machtkampf Unter-legenen, wie das offizielle Urteil eines Unholdes, dem nichts heilig war. Weil aber 16, 4 davon die Rede ist, daßPlautianus nicht mehr das volle Jahr nach dem angeblichen ersten Zerwürfnis erlebte, erscheint es denkbar, daß aufdiese Weise "nur" die Gründe für den wirklichen, einzigen Bruch geschildert werden, der mit der Ermordung desAngeklagten endete.

    19 Dio (= Xiphilinos) LXXVII 6, 3.20 Birley, African Emperor 162 und 220 zu Nr. 29, spricht in vorsichtiger Form davon, daß Plautilla nach dem

    Tode ihres Vaters gleichzeitig mit ihrer Verbannung den offiziellen Scheidebrief erhalten habe. Seine Formulierung"Augusta 202 - 205" (220) zeigt, daß der Autor der Ansicht ist, Plautilla habe mit dem 22. 1. 205 die damnat iomemoriae erfahren.

    21 Zur Durchführung der Rasur siehe die Detailaufnahmen Taf. IX 2-6, wobei IX 2 und IX 6 Anfang und Endeder Tilgung dokumentieren. Die Maße der gesamten Rasur belaufen sich auf 84 cm Breite und 9 cm Höhe; die Buch-staben sind 6,5 cm hoch.

    22 Den Titel mater castrorum bei Faustina II. behandeln Instinsky, Studien 201 - 203, Peter Herz, RömischeKaiserfeste, in: ANRW I1 16.2, 1135 - 1200, hier 1175, und Dieter Knibbe, I(uppiter) O(ptimus) M(aximus)K(arnuntinus), Kaiser Marcus, Faustina, Commodus und der 11. Juni 172 n. Chr., ÖJh 54, 1983, 133 - 142.

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    den.23 Eine Ausweitung der Ehrenbezeichnungen war in der severischen Zeit eine allgemeineErscheinung. Durch einen Beschluß des Senates, als dessen Feind Plautianus wie früher etwaSeianus nachträglich stilisiert worden sein dürfte,24 werden nach den Feldlagern auch Senat25 unddas gesamte Vaterland26 in die Titulatur der Kaiserin aufgenommen worden sein, weil Domna alsGegnerin des Plautianus bekannt war und hinter den Kulissen auf seinen Sturz hingearbeitet habenwird.27 Daß durch die Erweiterung der Ehrenbezeichnungen für Iulia Domna auch die Textlücke indieser Inschrift mit einem grammatisch richtigen Anschluß an den stehengebliebenen Wortlaut

    23 Hierzu Instinsky, Studien 203 (mit der Datierung auf den 14. April 195); Herz, Kaiserfeste 1183; ErichKettenhofen, Die syrischen Augustae in der historischen Überlieferung, Bonn 1979, 79 - 81; Kienast, Kaisertabelle167.

    24 Die Senatssitzung, über die Cassius Dio (= Xiphilinos) LXXVII 5, 1 - 6, 2 berichtet, erscheint nach seinenWorten als eher unwichtig: Es ist nur davon die Rede, Severus habe kurz über den Tod des Plautianus berichtet undhabe diejenigen Personen aussagen lassen, welche die angebliche Verschwörung des Getöteten angezeigt hatten;danach ist von Einzelschicksalen senatorischer Anhänger des Plautianus die Rede und von der Auszeichnungkaiserlicher Freigelassenen. Von einer offiziellen damnatio memoriae wird nichts gesagt, obwohl diese einausschlaggebender Tagesordnungspunikt gewesen sein muß: Der Bericht ist also keineswegs vollständig.

    25 Keine Rolle bei der Einführung der neuen Titulatur Domnas kann das Verhältnis zwischen Severus und demSenat gespielt haben, ob es noch eine Mißstimmung auf der Seite der hohen Versarnmlung über die Ermordung derAnhänger des Clodius Albinus gab. Instinsky, Studien 210, führt für seine Spärdatierung der langen Titulatur insFeld, daß eine frühere Bezeichnung der Kaiserin als mater senatus wegen der Unstimmigkeiten undenkbar sei. DiesesArgument ist aber nicht stichhaltig, da nicht das tatsächliche Verhältnis, sondem das offizielle ausschlaggebend war.Gerade dieser Titel der Kaiserin konnte ein Ausdruck für eine gute Beziehung zwischen Kaiser und Senat sein.Darüberhinaus gewann Domna als "Mutter" von Feldlagem, Senat und Vaterland, also des gesamten Staates, einumfassendes Prestige als "Landesmutter". Nicht statthaft ist es, Parallelen zur Titulatur der Kaiser zu ziehen (ebd.):Die Augusti führten ja weder den Titel pater senatus noch den eines pater castrorum. In dieser Hinsicht gab es keineGleichbehandlung der unvergleichbaren Titulaturen von Kaiser und Kaiserin. Der mittelbare Vorgänger des Severus,Pertinax, hatte sich zur Verdeutlichung seiner senatsfreundlichen Haltung als princeps senatus bezeichnet und so aufdas republikanische, auch schon von Augustus (RGDA 7) benutzte Formular zurückgegriffen: Dies war die einzigedas Herkommen wahrende Lösung, doch entsprach sie nicht der Staatsauffassung des Severus.

    26 Daß auch der Begriff patria in die neue Titulatur Domnas aufgenommen wurde, diskutierte schon Instinsky,ebd. 207 f.: Die Parallele zum kaiserlichen pater patriae ist eindeutig. Richtig ist auch der Hinweis (208 f. Anm. 5)auf Inschriften im griechischsprechenden Osten, in denen statt des Wortes patria der Begriff d∞mo! ÑRvma¤vn er-scheint, als drittes Element in der Kaiserinnentitulatur oder innerhalb von Weihungen für das Wohl des gesamtenrömischen Staates: Hier wurde auf die Bezeichnung SPqR Bezug genommen.

    27 Der Haß zwischen Domna und Plautiarnus wird von Cassius Dio (=Xiphilinos) LXXVI 15, 6 angedeutet, dieFreude der Kaiserin über die Ermordumg des Feindes ist ebd. LXXVII 4, 4 angesprochen. Karl Christ, Geschichte derrömischen Kaiserzeit von Augustus bis zu Konstantin, München 1988, 621, spricht sogar davon, daß DomnaPlautianus "abgrundtief haßte", doch bringt er die Verleihung der langen Titulatur nicht direkt mit dem Sturz desPräfekten in Zusammenhang. Julia Sünskes Thompson, Aufstände und Protestaktionen im Imperium Romanum.Die severischen Kaiser im Spannungsfeld innenpolitischer Konflikte, Bonn 1990, geht zwar nicht auf die Titulatur-frage ein, sie bezieht sich aber immerhin auf den Aufsatz von Luigi De Regibus, Contrasti politici alla corte diLucio Settimio Severo, Athenaeum 24, 1946, 129-144, in dem Domna eine führende Rolle bei Plautians Sturzzugeschrieben wird (56 Anm. 39, mit der älteren Literatur).

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    ausgefüllt werden konnte, ergab sich dadurch von selbst. Wichtig aber ist, daß hier für die Selbst-darstellung des Kaiserhauses inhaltliches Neuland beschritten wurde.28

    Nicht der Tod des Severus Anfang 211, sondern die Ermordung des Plautianus am 22. Januar205 war Ausgangspunkt für die Schaffung der neuen Titulatur Domnas.29 Allerdings wurde diesespäterhin weder für neue noch für im Wortlaut veränderte alte Inschriften im gesamten Reich alleinverwandt. Stattdessen kam es entscheidend auf den jeweiligen epigraphischen Kontext an.Nachfolgend werden deshalb andere Inschriftzeugnisse in Rom, Italien und den Provinzenangesprochen, die hier einschlägig sind. Dabei wird ein kurzer Blick auch auf solche Dokumentegerichtet, die nicht im strikten Sinne als Parallelen gelten können.30

    Unter den Zeugnissen in Rom31 ist die Ehreninschrift einer Centurie der 4. Kohorte der vigilesauf einer Bronzetafel zu nennen, die auf den 1. März 203 datiert ist (CIL VI 220 = ILS 2163):Nach dem Namen von Iulia Domna als mater Augg. et castrorum wurden hier diejenigen vonPlautilla und Plautianus ohne Ersatz getilgt, wobei später fälschlich auch der Name des Kaiser-bruders P. Septimius Geta wie derjenige des Prätorianerpräfekten, mit dem er zurKonsulatsdatierung genannt war, gelöscht wurde. Wegen des Materials Bronze wurde keineAusfüllung der Lücke vorgenommen. Genau wie beirn Argentarierbogen dagegen wurde in derWeiheinschrift CIL VI 354 = ILS 2218 verfahren, in der die Titulatur Iulia Domnas in langer Formanstatt des Namens von Plautilla erscheint; auch die Tilgungen nach Getas Ermordung ähnelndenen in der Bauinschrift des Bogens, nur daß aus Platzgründen allein der Siegerbeiname Britt.max. eingefügt wurde: Dieses fast gleiche Vorgehen wird auf den Stifter zurückzufiihren sein, derals princeps peregrinorum seine Ergebenheit zeigen wollte.32 Auch eine Weihung von Priesterndes Iuppiter-Dolichenus-Kultes (CIL VI 419 + 30763) wurde nach der Tilgung von Plautillas undGetas Namen ergänzt: Für ersteren wurde eine andere Titulatur Domnas als mater Aug. et

    28 In PIR2 I 663 zu Domna ist kurz davon die Rede, daß die in Frage stehende Titulatur bereits zu Lebzeiten desSeverus verwendet wurde (mit dem Hinweis auf die Inschrift des Argentarierbogens). Die Kaiserinnentitulatur ist jetztallgemein bei Wolfgang Kuhoff, Zur Titulatur der römischen Kaiserinnen während der Prinzipatszeit, Klio 75, 1993(im Druck), behandelt.

    29 Das Problem, das Instinsky (206) und Benario (69 f.) nicht sahen, ist die rechtliche Behandlung Plautillasnach ihrer Verbannung. Die damnatio memoriae der Gemahlin Caracallas erfolgte bereits nach dem Sturz ihres Vatersund nicht erst nach ihrer Ermordung 211. Die Tilgung ihres Namens wurde umnittelbar nach dem 22. 1. 205vorgenommen. Der zweite Schritt war danach die Ausfüllung der entstandenen Textlücke auf Weisung des Herrschers,die hier auch den Reliefschmuck betraf: Die bildliche Darstellung der in Ungnade gefallenen Plautilla (wie späterGetas) wurde entfernt. Der Bogen als besonders monumentales Zeugnis der kaiserlichen Selbstdarstellung unterlagunmittelbar der Verfügung er Regierung, wie ja auch früher die bauliche Realisierung nur durch ihre Zustimmungzum Anliegen der Stifter erfolgt sein kann.

    30 Instinsky wie Benario gehen leider für die epigraphische Überlieferung von einer zu schmalen Argumenta-tionsbasis aus. Daher ist ihre Spätdatierung der neuen Titulatur nicht überzeugend. Allein Kettenhofen, Augustae,behandelt die Inschriffen eingehend (86 - 97). Seine Ergebnisse sind es daher vornehmlich die zu untersuchen sind.

    31 In CIL VI 227 = ILS 427, CIL VI 224 = ILS 2185 vom 9. Juni 197 und CIL VI 225 + 30720 = ILS 2186vom 1. April 200, alles Weiheinschriffen der equites singulares, ist der allein aufgeführte Name des Plautianusjeweils nur eradiert.

    3 2 Kettenhofen, Augustae 87 mit Anm. 109, geht davon aus, daß die Lückenergänzung erst Jahre nachPlautianus' und Plautillas Sturz erfolgte.

  • Iulia Aug. mater Aug. n. et castrorum et senatus et patriae 267

    castrorum senatus et populi Romani eingesetzt; das römische Volk steht hier für das Vaterland,was auf eigene Wortwahl der Stifter zurückgehen muß, da diese im lateinischen Sprachraumsingulär zu sein scheint.33

    Wichtig ist auch CIL VI 1047 = XIV 2072, eine Ehrung der Laurentes Lavinates für IuliaDomna allein: Sie wird gleich am Anfang als mater castrorum und ursprünglich danach als Muttervon Caracalla und Geta bezeichnet (für Plautillas Namen ist hier inhaltlich kein Platz). Anstelle desauf zwei Zeilen verteilten Namens Getas wurden nach seinem Tode in der ersten die Worte etsenatus et patriae eingefügt, in der zweiten aber eine Lücke gelassen, weil die Feldlager bereitserwähnt waren: Es bleibt ein störender Zwischenraum im Text, bis das Wort matri die Nennungder Geehrten abschließt. Hier handelt es sich also sicher um ein Beispiel, daß Domnas neueTitulatur im Jahre 211/212 Verwendung als Lückenausfüllung fand.34 Für den 6. Oktober 213führen schließlich die Arvalakten (CIL VI 2086 = ILS 451) zweimal Iulia Domnas lange Titulaturauf, bezeichnenderweise mit einer Änderung als m. imp. Antonini Aug. n. senatus castrorum etpatriae: Man kann hierin einen Nachweis dafür sehen, daß in der Reichshauptstadt die offizielleTitulatur in den staatlicherseits redigierten Inschriften besonders nach 211/212 verbindlich gemachtwurde. Allerdings handelt es sich bei dieser Formulierung um tatsächlich gesprochene Ak-klamationen; die Betonung des Senates in der Abfolge der Institutionen dürfte auf die Arvalbrüderselbst zurückgehen, die als Senatoren das Gremium, dem sie angehörten, stärker betonen wollten.

    Für das übrige Italien ist vor allem CIL VI 3401 = XIV 2255 = ILS 2398 vom Albanerberg, eineWeihung zweier Soldaten der leg. II Parthica, bedeutungsvoll. Die Titulatur der Kaiserin ist hiermit der Form mater Aug. n. et senat. et patriae et castr. etwas verändert, doch fehlt leider eine Da-tierung. Der inhaltliche Zusamrnenhang läßt aber keinen Zweifel daran, daß es sich um eineWeihung handelt, die vor Severus’ Tod gestiftet wurde.35 Eine fragmentarische Ehrung für Domna

    33 Vgl. Kettenhofen, ebd. 91f., der aufgrund der Angaben älterer Autoren keine Rasur annimmt. Warurn aberGeta in dieser zu Severus' Lebzeiten geschriebenen Inschrift fehlt, wird nicht diskutiert: Da sie aber nur die frühenAutoren gesehen haben, ist die Beurteilung schwierig. Zur Formulierung ist auf die griechischsprachigen Inschriftenzu verweisen, in denen häufiger der populus Romanus angesprochen ist: Siehe Anm. 26. Es muß schließlich nochdarauf hingewiesen werden, daß die Aussage von Benario, Julia Domna 67, daß die beim Argentarierbogen verwendeteTitulatur der Kaiserin die bei weitem gebräuchlichste war, durch eine genügende Anzahl gegenteiliger Beispielewiderlegt wird.

    34 In der Weihung eines proximus a libellis (CIL VI 180 = ILS 3703) sind Getas und Plautillas Namen nurgetilgt, doch handelte es sich um eine private Stiftung. Des Plautianus Name eradiert und nicht ersetzt findet sicherneut in CIL VI 643. In CIL VI 1074 = ILS 456, einer Ehrung Plautillas, sind ihr und ihres Vaters Namen ebenfallsnur getilgt, doch bestand auch keine Notwendigkeit zu einer Textersetzung, weil die Inschrift in einem zweitenVorgehen vom Aufstellungsort entfernt worden sein dürfte.

    35 Benario, ebd. 69 f., und Kettenhofen, Augustae 89 - 91, diskutieren die Frage, wie es mit Spuren einerTilgung bestellt und wie der Text aufgrund der Inkonsequenzen zu datieren sei. Man kann aber wohl nicht umhinanzunehmen, daß eine vorhandene Tilgung mit späterer Lückenfüllung zumindest in Z. 2 und 3 in moderner Zeitübersehen worden ist, denn der überlieferte Text kann nicht das Original sein. Die nach Severus' und CaracallasNamen genannten Siegerbeinamen lassen sich zwar im Plural auf beide Kaiser beziehen (eine von den Autoren nichteinkalkulierte Möglichkeit), doch ist angesichts der Nennung Domnas ein Fehlen Getas völlig unvorstellbar - eshandelt sich schließlich um eine Weihung zugunsten des gesamten Kaiserhauses zu Lebzeiten des Severus, in derGeta nicht fehlen konnte. Daher sehe ich keine andere Möglichkeit als die Vermutung, dass für den eradierten Namen

  • 268 W. Kuhoff

    allein (CIL XIV 5333) aus Ostia nennt die Kaiserin mater [imp. Caes. ... n]obilissimi [---prin]cipiscastrorum [et sena]tus et patriae, sie ist aber nicht zu datieren.36

    Auf dem Boden des römischen Afrika ist eine besonders große Zahl einschlägiger Inschriftenvorhanden. Die Maßnahmen vom Argentarierbogen wiederholt die am 22. August 203 in Lam-baesis vollzogene Weihung der cornicines leg. III Aug. p. v. (CIL VIII 2557 = 18050 = ILS2354): In ihr wurde die zweite Hälfte der Titulatur Iulia Domnas für den Namen Plautillaseingefügt; im Anschluß an den späteren Begriff coniugi wurden Caracallas Titel fortgesetzt, sodaßdie einschlägige Passage et Iuliae Aug. matri Aug. n. (Änderung von 211) et castr. et senatus etpatriae Antonini Aug. nostri invicti lautet. Für Getas Namen wurden die 213 gültigen Siegerbeina-men Caracallas eingesetzt - hier war also für fast zwei Jahre eine Lücke vorhanden, die auch nichtperfekt ausgefüllt wurde, weil der Begriff Aug. fälschlich zweimal erscheint: Man kann also nichtausschließen, daß Anfang 205 nur Tilgungen, Ergänzungen aber insgesamt erst 213 vorgenommenwurden.37

    In einer Ehrung aller Mitglieder der Kaiserfamilie einschließlich Plautillas in Thamugadi(Numidia) wurde der zweite Teil der langen Titulatur Domnas für den Namen der GemahlinCaracallas eingefügt (CIL VIII 17872).38 Eine andere ausgeklügelte Lösung wurde in der Bauin-

    Getas die Siegerbeinamen Caracallas Ende 211 eingesetzt wurden. Für die zweite zweifelhafte Stelle in Z. 3f gibt eszwei Möglichkeiten: Entweder wurde hier Plautillas (und vielleicht Plautianus') Namen getilgt und durch die langeTitulatur Domnas (von 211 dann die Änderung von A u g g. in Aug. n.) ersetzt oder diese gehört doch zumOriginalzustand: Im letzteren Falle wäre somit die Einführung der erweiterten Titulatur eindeutig vor Severus' Toddatiert. Es handelt sich hier allerdings nicht um ein Staatsdenkmal, sodaß kleine Unrichtigkeiten wie die unüblicheReihenfolge der Begriffe senat. et patriae et castr. einzukalkulieren sind. Leider ist die Inschrift heute nicht mehraufzufinden: Sie befand sich bis vor einiger Zeit im Seminario Vescovile von Albano Laziale, scheint aber ausdiesem zu unbekanntem Zeitpunkt verschwunden zu sein. Bei einem Besuch in Albano am 16.10.1991 teilten mirDr. Giuseppe Chiarucci, Direktor des Museo Civico Albano, und Frau Dr. Stefania Modugno Tofini, die für denepigraphischen Teil zuständig ist, diesen Sachverhalt mit. Ein Wiederauffinden ist aber nicht ausgeschlossen. FürIhre Bemühungen danke ich beiden Personen sehr.

    36 CIL X 5826, eine Ehrung für Caracalla und seine Mutter aus Ferentinum in Latium, gehört bereits ins Jahr213. Ich konnte diese Inschrift, die in der Attikazone der Porta S. Agata von Ferentino eingemauert ist, am 21. 10.1991 vom Boden aus studieren. Es handelt sich um einen Text mit zwei genau voneinander getrennten Teilen, derenlinker Iulia Domna, deren rechter Caracalla gewidmet ist; die Nernnng der Gemeinde als Dedikant läuft durch undbildet die letzte Zeile. Bei der Zusammensetzung der Blöcke für die Neuverwendung im Stadttor ging in der Mitte desCaracalla ansprechenden Teils ein Bruchstück verloren, sodaß heute in allen Zeilen ein Buchstabe fehlt; darüberhinaussind die letzten Buchstaben aller Zeilen ebenfalls nicht mehr vorhanden. Eine Ehreninschrift in Pesaro (CIL XI 6324)für Domna allein, die 211/212 gestiftet wurde, hat nur die kurze Titulatur. Dies gilt auch für eine Weihung ausCastelforte bei Caserta aus gleicher Zeit (AE 1914, 217). Gänzlich unversehrt ist eine Tafel mit einer EhrungPlautillas aus Solunto auf Sizilien (CIL X 7336 = ILS 455 = Bivona, Iscrizioni di Palermo 48): Sie muß nach demSturz der jungen Kaiserin vom Aufstellungsort entfernt worden sein.

    3 7 Im Text fallen zwei grammatische Fehler ins Auge: Ein falscher Akkusativ beim eigentlichenWeihungsformular (pro felicitate et incolumitate{m}) und die Nennung Domnas im Dativ, obwohl sie im Genitivhätte angesprochen werden müssen.

    38 Innerhalb der wenigstens sieben bekannten Ehrungen Iulia Domnas aus Lepcis Magna weist IRT 407 aus demJahre 216 die Wendung mater ... (Caracallas) ... et castrorum et senatus et patriae auf. Auch ein viertoriger Bogen imnumidischen Theveste mit Domnas langer Titulatur gehört in Caracallas Alleinherrschaft, und zwar ins Jahr 214

  • Iulia Aug. mater Aug. n. et castrorum et senatus et patriae 269

    schrift AE 1957,123 aus Lambaesis gewählt, in der alle Mitglieder der Kaiserfamilie mit ganzkurzen Titeln aufgezählt sind: Aus Iulia Domna wurde hier Iulia Aug. pia mater Aug., wobei dasletzte Wort aus einem Titel für die Gemahlin Caracallas einer für diesen selbst wurde!39 In einerWeihung aus Madaurus in der Provinz Africa von 197/202 (ILAlg I 2059) wurden zwischen denHerrschertitulaturen von Severus und Caracalla einerseits und dem Stifternamen Textteile getilgtund nicht ersetzt, die Getas, Plautillas und Plautianus' Namen enthielten. Das gleiche gilt fürPlautillas Nennung in zwei anderen Weihungen aus derselben Stadt (ILAlg I 2087 f.).40 Innerhalbder afrikanischen Inschriften, welche die Langtitulatur Domnas aufweisen, ragen zahlenmäßig dieaus Caracallas Alleinherrschaft stammenden heraus. Die Verhältnisse in der Heimat des sever-ischen Kaiserhauses bezeugen also die besonders intensive Benutzung der erweiterten Titulatur.41

    Auch aus anderen Provinzen sind Zeugnisse vorhanden: Neben einigen Beispielen für bloßeTilgungen42 stehen deutlich mehr Inschriften, welche die Kaiserin mit ihrer neuen Titulatur

    (CIL vm 1856 + 16504 = ILALg I 3038 für Domnas Inschrift). Eine Weihung aus der Alleinherrschaft Caracallas inMadaurus weist für Domna die übliche lange Titulatur auf (ILAlg I 2092). Auch CIL VIII 4197 = ILS 450 aus demnumidischen Verecunda von 212 besitzt die lange Titulatur Domnas.

    39 Im Gegensatz zu dieser Inschrift ist in IRT 292 = AE 1951, 228 aus Lepcis Magna der Name des Plautianusnur getilgt.

    40 Aus der Alleinherrschaft Caracallas stammen die folgenden Inschriften mit der langen Titulatur Domnas: DieTempelbauinschrift CIL VIII 26546 + 26639 + 26650 = ILAfr 527 aus Thugga von 214; die Ehreninschrift CIL VIII1616 = 15722 = ILS 444 aus Nibber von 215; die von 213/217 stammende Bauinschrift CIL VIII 25808 aus Furnos;die in die gleiche Periode gehörende Weihung CIL VIII 25934 aus Sustri; die Brunnenbauinschrift CIL VIII 2369 =AE 1948, 111 von 214 aus dem numidischen Thamugadi; eine Ehrung Caracallas und Domnas aus derselben Stadtvon 214/215 (AE 1987, 1078); die Bauinschrift eines Ehrenbogens von 216 aus Cuicul (CIL VIII 8321), in der esallerdings mater eius et senatus et patriae et castrorum heißt; die Weihung CIL VIII 6002 + 19216 = ILS 6866 ausSubuzar; ein Meilenstein aus Igilgili von 216 (AE 1987, 1088); die Bauinschrift eines Ehrenbogens von 216/217,der in Volubilis errichtet wurde. Die im Jahre 214 verfaßte Bauinschrift ILAfr 268 aus Thuburbo maius in Africabesitzt dagegen die etwas verkürzte Formel mater Aug. et [castror.] et pat., nennt die Kaiserin zuvor aber pia fel.Aug . In einer Tempelbauinschrift von 212 (CIL VIII 12006) aus Vazitana Sarra in derselben Provinz heißt Domnamater Aug. et castrorum et senatus, besitzt aber dieselben Tugendattribute. Daß Name und lange Titulatur derKaiserin in eine Inschrift gänzlich neu eingefügt werden konnten, als der Name Getas getilgt wurde, zeigt die EhrungCIL VIII 17871 aus Thamugadi von 199, die zu einer perfekten Zweitversion umgewandelt wurde. Undatiert sind dieTempelbauinschrift CIL VIII 14690 = ILS 4484 aus Thuburnica in Africa und die Weihung ILT 66 aus Meninx,auch in Africa: Beide haben die übliche lange Titulatur.

    41 Kettenhofen, Augustae 87f., scheidet wegen des fragmentarischen Charakters die Weihung CIL VIII 23405 ausMactar in Africa aus der Diskusssion aus. Die aus Vazitana Sarra aus der gleichen Provinz stammende Weihung CILVIII 23750 = ILTun 607 ist gleichfalls nicht sicher einzuordnen (Kettenhofen, ebd. 88f.): In ihr ist Getas Name nureradiert, für den wahrscheinlich vorhandenen Narnen Plautillas wurden aber wohl die neuen Elemente der langenTitulatur Domnas eingesetzt (sie sind nur ergänzt). Die Reaktion auf die herrscherliche Selbstdarstellung imrömischen Afrika wird knapp bei Kuhoff, Riflesso 943 - 960, behandelt.

    42 Die Restaurierung eines Tempels in Micia (Dakien) zum Wohl aller Angehöriger des Kaiserhauses von 204zeigt die bloße Tilgung der Namen von Plautilla und Plautianus (AE 1944, 74 = IDR III/3, 47). Ebenso verfuhr manmit Plautilla in einer Ehrung (IGRRP I 828) aus Dede-Agatch (Thrakien), in einer Weihung aus Tacina in Asia(IGRRP IV 881) und in einer Inschrift aus Seleukeia arn Kalykadnos (SEG 28, 1290 = AE 1978, 813), in der dasEhepaar Caracalla und Plautilla von der Stadt geehrt wurde.

  • 270 W. Kuhoff

    nennen, doch stammen sie alle erst aus Caracallas Alleinherrschaft.43 So heterogen die Inschriftenauch sind, sie zeigen, daß außerhalb Roms, Italiens und Afrikas die in der Hauptstadt durchSenatsbeschluß geschaffene neue Titulatur der Kaiserin als Ausdruck der herrscherlichenSelbstdarstellung gut bekannt war und verwandt wurde, aber neben anderen und allein in denJahren 211 - 217. Während der Regierung des Severus war dagegen die bloße Tilgung verbreitet,doch kann man wegen der insgesarnt doch schmalen Quellenbasis keine endgültige Festlegungtreffen. Daß die lange Titulatur Domnas erst aus der Zeit nach Severus' Tod stammt, können dieseInschriften jedenfalls nicht beweisen.

    Überblickt man die epigraphischen Zeugnisse aus a l l e n Teilen des Reiches, so läßt sichunschwer erkennen, daß Domna vornehmlich nach der Gewinnung der Alleinherrschaft durchCaracalla mit ihrer erweiterten Titulatur genannt wurde. Die frühere, einfache Anrede der Kaiserinals mater Aug. et castrorum wurde durch sie aber nicht ersetzt. Immerhin läßt sich feststellen, daßdie neue Form noch bis zu Ulpia Severina hin Verwendung fand.44 Angesichts des fast in jederInschrift unterschiedlichen Textes konnte es keine andere Lösung geben, als einen Spielraumzuzugestehen. Die unterschiedlichen Verfahren bei Tilgung und Ersetzung von Getas Namenzeigen in großer Zahl auf, daß auch die Ergebenheit von Dedikanten gegenüber den Wünschen derHerrscher Auswirkungen auf die Veränderung von Inschrifttexten haben konnte. Das für die Jahre211 - 213 zu beobachtende unterschiedliche Vorgehen, vom Stehenlassen der Lücken bis hin zuihrer perfekten Auffüllung, beweist, daß Dedikanten wie auch regionale und kommunale Behördengroßen Handlungsspielraum besaßen. Die grundsätzliche kaiserliche Anordnung, daß die Namender Staatsfeinde zu tilgen seien, war davon natürlich nicht berührt.45

    Die wenigen Münztypen für Iulia Dornna, welche die Titulatur mat. Augg. mat. sen. m. patr.aufweisen, fallen bedeutungsmäßig nicht ins Gewicht. Für die Feldlager wurden separate Typen

    43 Es sind folgende Zeugnisse: Die Weihung CIL III 7836 = IDR III/3, 318 aus dem dakischen Ampelum;die fragmentarische Ehrung Domnas in AE 1958, 232 aus dem gleichfalls dakischen Porolissum; die Ehreninschrift CILIII 14192.12 aus Pergamon; eine Weihung für das Wohl von Caracalla und Iulia Domna, die als mater d. n. cast.senat. patr. bezeichnet ist, im syrischen Heliopolis (CIL III 138 = ILS 4283). Demgegenüber weist eine Weihungaus Titel in Pannonia inferior (CIL III 6470,4 + 10197 = AE 1968, 430 = ILIug 1040), die wohl anläßlich des Auf-bruchs Caracallas zum Partherkrieg gestiftet wurde, nur eine abgekürzte Titulatur Domnas als mater castrorum [etsena]tus auf. In Hispania citerior ist die lange Titulatur Domnas für 216 in der Weihung eines Statthalters aus Legiobezeugt (CIL II 2661 = ILS 1157), während für Britannia Domnas Ehrung CIL VII 963 = RIB 976 heranzuziehen ist.Eine im Wortlaut singuläre Abwandlung der langen Titulatur besitzt die Ehrung CIL XIII 6531 aus Murrhardt inObergermanien, in der die Kaiserin als mater indulgentissimi principis M. Aur. Antonini pii Aug. mater senatusmater castror. mater patriae bezeichnet ist (211/217). Eine leichte Veränderung bieret auch eine fragmentarische Ehrung Domnasaus Mainz (CIL XIII 6671) von 213/217, welche die Titulatur [mater imperato]ris Caesaris . . .[itemqu]e senatus patri[ae et castror]um hat. Allzu bruchstückhaft für die Diskussion ist AE 1965, 338 (vgl.Kettenhofen, Augustae 93f.). Im griechischsprechenden Osten wurden verschiedentlich, wie schon angesprochenwurde, die Begriffe senatus, castra und patria bzw. populus Romanus statt in der Titulatur Domnas in der Weihe-formel gebraucht, als Ausdruck des Wunsches nach Wohlergehen für das gesamte Reich: Auch dies zeigt dieMöglichkeiten auf, die Dedikanten für die Wortwahl offenstanden, es weist jedoch zugleich auf die Kenntnis deroffiziellen Terminologie hin.

    44 AE 1930, 150 = RIT 87, eine Ehreninschrift aus Tarraco.45 Vgl. hierzu Anm. 9.

  • Iulia Aug. mater Aug. n. et castrorum et senatus et patriae 271

    benutzt, was ihre eigenständige Bedeutung unterstrich. Die vereinzelten Aurei, Denare, Sesterzen,Dupondii und Asses gebören in die Zeit zwischen Severus' Tod und Getas Ermordung, weil dieKaiserin auf den Vorderseiten als Iulia pia felix Aug. bezeichnet wird.46 Auffällig aber ist, daßkeine Münzen geprägt wurden, die wie in den Inschriften nach Getas Tod die lange Titulaturfortführen, mit der Änderung mat. Aug. n. versehen. Die Münzen können daher argumentativ nichtfür die Frage nach der Geltungsdauer der langen Titulatur Domnas benutzt werden: Aus ihnenallein müßte man herauslesen, sie sei ausschließlich in der kurzen Zeitspanne zwischen dem 4.Februar und Ende Dezember 211 gebraucht worden, wogegen das klare Zeugnis der Inschriftenvor allem für die Jahre nach 211 spricht. Diese Münztypen haben daher aufgrund ihrer zeitlichenBeschränkung für die Frage, wann die Kaiserin erstmals mit ihrer neuen Ehrentitulatur versehenwurde, kein Gewicht.47

    Als Schlußfolgerung läßt sich festhalten, daß die in einer konkreten politischen Situation, demSturz des Plautianus, geschaffene erweiterte Titulatur von Iulia Domna die offizielle Bedeutung derKaiserinnen an diejenige der Augusti annähern konnte: Hierin läßt sich deshalb auch der Ausdruckder wichtigeren Rolle sehen, die den weiblichen Angehörigen des Kaiserhauses in einer sichallgemein wandelnden Welt zuwuchs.48

    Augsburg Wolfgang Kuhoff

    ZPE 99 (1993) 156

    CORRIGENDUM

    S. 264, Fußn. 18, Z. 7 lies „(Dio LXXV“

    46 RIC IV 1, 1936, 173 Nr. 380 f. (Edelmetall) und 310 Nr. 588 (Sesterz) wie 312 Nr. 601 (Dupondius und As);BMC V, 1950, 432 Nr. 11 - 13 (Edelmetall), 469 Nr. 213 f. und 472 Nr. 225* (Aes); HCC III, 1977, 98 Nr. 5 f.(Denar) und 100 Nr. 22 (Sesterz). Auch die inschriftliche Dokumentation zeigt, daß die zuletztgenannte Titularur derKaiserin aus der Zeit nach dem 4. Februar 211 stammt; allerdings war die Aufnahme dieser beiden Tugendattribute inWeihe- und Ehreninschriften für sie nicht obligatorisch (die Angabe bei Kienast, Kaisertabelle 167, ist in diegenannte Form zu korrigieren: Die Tugendattribute gehören zwischen den Namen und den Titel Augusta).

    47 Siehe auch Kettenhofen, Augustae 94f.: Allerdings ist die Meinung dieses Autors, wann Domnas langeTitulatur eingeführt wurde, nicht klar zu erkennen. In der Arbeit von Elisabeth Wallinger, die Frauen in der HistoriaAugusta, Wien 1990, 87, wird kurz auf Domnas offizielle Titulatur eingegangen, deren lange Form aberausschließlich für die Zeit nach des Severus Tod postuliert. Dabei wird neben der afrikanischen Inschrift CIL VIII1798 = ILS 437 aber nur auf die Münzen hingewiesen und verkannt, daß diese allein aus der knappen Zeitspanne dergemeinsatnen Herrschaft von Caracalla und Geta stammen können.

    48 Eine frühere Fassung dieses Beitrags wurde am 13. 7. 1991 beim Südbayerischen Althistorikertreffen an derUniversität Augsburg vorgetragen. Für seine förderliche Kritik bei dieser Gelegenheit danke ich Herrn Prof. Dr.Hartmut Wolff, für die spätere Durchsicht des Manuskriptes Herrn Prof. Dr. Werner Eck.

  • TAFEL IX

    1) 2)

    3) 4)

    5) 6)

    CIL VI 1035 = ILS 426