AUSGABE 0 3/16 „ Gesundheitsprodukte sind unverzichtbar“ · 2016. 2. 6. · Markt kamen und der...

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Angeregte Diskussion: Zwei Stunden lang sprachen (v. l.) €uro-am-Sonntag-Redakteurin Julia Groß, nova-fund-manage- ment-Gründer Andreas Bischof, Karl Nägler von Gimv, Chef- redakteur Joachim Spiering und Harald Schwarz von Medical Strategy über Invest ments im Gesundheitssektor Healthcare » Kein anderes Börsensegment entwickelte sich zuletzt so erfolgreich wie der Gesundheitsmarkt. Drei Experten diskutieren über die Herausforderungen und verraten, wo die größten Chancen liegen „Gesundheitsprodukte sind unverzichtbar“ VON JULIA GROSS E twas Smalltalk in der Lobby — in San Fran- cisco konnte das ver- gangene Woche sehr schnell sehr teuer werden. Im Hotel Nikko wurden für die Lounge-Sessel 35 Dollar pro Person und Stunde verlangt. Das Marriot kassierte für Tische im Foyer 80 Dollar pro Stunde. Bezahlen sollten die Gäste der JP-Morgan-Healthcare-Konfe- renz, eines gigantischen Schau- laufens der Gesundheitsbran- che, das Vorstandschefs und In- vestmentbanker aus der ganzen Welt nach Kalifornien lockt. Dass die es sich leisten können, denken Hotelmanager nicht ganz zu Unrecht: An der Börse hat sich in den vergangenen Jah- ren kein anderer Sektor so ful- minant entwickelt wie Biotech, Pharma und Co. Der Nasdaq Bio- technology Index erzielte seit 2011 mehr als die dreifache Ren- dite des S & P 500. Selbst der breiter gestreute MSCI World Healthcare lag immer noch 50 Prozent über dem Index der 500 größten amerikanischen Unter- nehmen. Ein Grund dafür ist der Sieges- zug der Biotechnologie. Die An- wendung von Erkenntnissen aus der Genomforschung, das Ver- ständnis für grundlegende Me- chanismen vieler Krankheiten Bild: Julian Mezger für €uro am Sonntag AUSGABE 03/16

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Page 1: AUSGABE 0 3/16 „ Gesundheitsprodukte sind unverzichtbar“ · 2016. 2. 6. · Markt kamen und der Preis un-mittelbar um 80 bis 90 Prozent sank. Die Biosimilar-Entwick-lung können

Angeregte Diskussion: Zwei Stunden lang sprachen (v. l.) €uro-am- Sonntag-Redakteurin Julia Groß, nova-fund-manage-ment-Gründer Andreas Bischof, Karl Nägler von Gimv, Chef- redakteur Joachim Spiering und Harald Schwarz von Medical Strategy über Invest ments im Gesundheitssektor

Healthcare » Kein anderes Börsensegment entwickelte sich zuletzt so erfolgreich wie der Gesundheitsmarkt. Drei Experten diskutieren über die Herausforderungen und verraten, wo die größten Chancen liegen

„ Gesundheitsprodukte sind unverzichtbar“

VON JULIA GROSS

Etwas Smalltalk in der Lobby — in San Fran-cisco konnte das ver-gangene Woche sehr schnell sehr teuer

werden. Im Hotel Nikko wurden für die Lounge-Sessel 35 Dollar pro Person und Stunde verlangt.

Das Marriot kassierte für Tische im Foyer 80 Dollar pro Stunde.

Bezahlen sollten die Gäste der JP-Morgan-Healthcare-Konfe-renz, eines gigantischen Schau-laufens der Gesundheitsbran-che, das Vorstandschefs und In-vestmentbanker aus der ganzen Welt nach Kalifornien lockt. Dass die es sich leisten können,

denken Hotelmanager nicht ganz zu Unrecht: An der Börse hat sich in den vergangenen Jah-ren kein anderer Sektor so ful-minant entwickelt wie Biotech, Pharma und Co. Der Nasdaq Bio-technology Index erzielte seit 2011 mehr als die dreifache Ren-dite des S & P 500. Selbst der breiter gestreute MSCI World

Healthcare lag immer noch 50 Prozent über dem Index der 500 größten amerikanischen Unter-nehmen.

Ein Grund dafür ist der Sieges-zug der Biotechnologie. Die An-wendung von Erkenntnissen aus der Genomforschung, das Ver-ständnis für grundlegende Me-chanismen vieler Krankheiten

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hat einen beispiellosen Innova-tionsschub gebracht. Aids, He-patitis C oder manche Krebs-arten sind behandel- oder sogar heilbar geworden. Dazu kom-men grundlegende globale Trends wie die demografische Entwicklung, die wachsende Mittelschicht, aber auch Um-weltverschmutzung und die Verbreitung ungesunder Ernäh-rungsgewohnheiten, die den Gesundheitsmarkt anschieben.

Seit vergangenem Herbst mussten erfolgsverwöhnte Ge-sundheits-Investoren allerdings einige Rückschläge hinnehmen. Biotechaktien haben allein seit Jahresbeginn fast 15 Prozent ver-loren. Ein Grund dafür ist die vor allem durch den US-Wahl-kampf befeuerte Diskussion über die Kostenexplosion im Gesundheitswesen.

Warum Anlegern dieses The- ma aber nur begrenzt Sorgen be-reiten sollte und wie sie daran sogar verdienen können, darü-ber hat €uro am Sonntag mit drei erfahrenen Branchenexperten gesprochen: Harald Schwarz zählt zum Managementteam des FCP OP Medical BioHealth

Trends Fund, eines der erfolg-reichsten deutschen Gesund-heitsfonds. Andreas Bischof ist 2015 mit seinem nova Steady HealthCare gestartet, der sich auf die Unternehmen der Bran-che fokussiert, die keine Medi-kamente entwickeln. Karl Näg-ler schließlich investiert für die belgische Risikokapitalgesell-schaft Gimv in junge, noch nicht börsennotierte Firmen aus dem Bereich Medizin und Pflege.

Die Gesundheitsbranche gehörte in den vergangenen Jahren zu den erfolgreichsten Sektoren an der Börse. Trotz­dem trauen sich viele Privat­anleger nicht an das Thema heran. Woran könnte das liegen? HARALD SCHWARZ: Der aktu-elle Zyklus, der etwa 2011 be-gann, kam vermutlich für viele Anleger überraschend. Wir hat-ten ja eine Phase von 2001 bis 2010, wo die Pharmaindustrie dramatisch durch Patentabläufe gebeutelt wurde. 2010 war der Pharma- und Biotechsektor dann niedriger bewertet als der S & P 500. Das hieß im Grunde,

das sei keine Wachstumsindus-trie mehr. Deshalb haben Anle-ger die Titel gemieden und nicht mitbekommen, dass sich die Zu-lassungsbedingungen der USA dramatisch verbessert haben.

Die Rally begann dann 2011 mit der Übernahme von Pharm­asset durch Gilead für elf Milli­arden Dollar …SCHWARZ: … und keiner hat da-mit gerechnet, dass sich das lohnt, eine derartig hohe Sum me auszugeben. Hat es aber. Dann merkten die Leute, dass 2011 über 30 Arzneimittel zugelassen wurden. 2012 wurde in den USA die Breakthrough Designation eingeführt, die eine viel schnellere Zulassung von Medikamenten erlaubt. Da kam es zu erheblichen Kurssteigerun-gen, sodass Anleger dachten: „Jetzt ist mir der Sektor wegge-laufen.“ Die Dynamik wurde von vielen gar nicht erkannt.

Es fällt besonders auf, dass deutsche Investoren nicht dabei waren.SCHWARZ: In Deutschland be-obachten wir generell ein eher

risikoaverses Klima, da waren auch institutionelle Anleger nicht in vorderster Front bei der Anlage in Biotech- oder Health-care-Fonds dabei.

ANDREAS BISCHOF: Was aber schwer nachzuvollziehen ist, denn es gibt meines Wissens kaum einen Sektor, der solche Qualitäten auf sich vereint, wie der Gesundheitssektor. Er wächst laut OECD bis 2060 deut-lich stärker als die Volkswirt-schaften und ist nicht konjunk-turabhängig. Gesundheitspro-dukte und Dienstleistungen sind unverzichtbar. Deshalb wird der Sektor einen wachsenden Anteil an der Volkswirtschaft haben. Insofern ist es ein Fehler, da nicht vertreten zu sein. Sowohl für Privatanleger als auch für Ins - titutionelle. Ob man sich dann das Risikoprofil von Biotech an-tun will, muss jeder selbst ent-scheiden, aber der Gesundheits-markt an sich ist ein großartiger, nachhaltig wachsender Markt.

KARL NÄGLER: Ich würde die These aufstellen, dass Biotech kein Sektor für Privatanleger ist.

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Aktien aus der Healthcare-Branche haben sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich besser entwickelt als der Gesamtmarkt.

DEN MARKT KLAR GESCHLAGENNasdaqBiotechnology Index

MSCI WorldHealth Care Index

S & P 500

2011 2012 2013 2014 2015 2016

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Da braucht es ein gewisses Know-how und Diversifizierung.

BISCHOF: Es ist auch meine Sicht, dass sich Privatanleger nicht im Biotechsektor engagie-ren sollten, es sei denn über Fonds. Oder sie überlegen sich, ob es im Healthcare-Sektor nicht noch etwas anderes gibt als Pharma und Biotechnologie. 1600 börsennotierte Unterneh-men sind in anderen Bereichen des Sektors aktiv. Die besitzen möglicherweise ein attrakti-veres Rendite-Risiko-Profil als Biotech, wo man natürlich sen-sationelle Renditen einfahren kann. Aber die Wahrscheinlich-keit, dass man viel Geld verliert, ist leider viel größer.

Viele Anleger verstehen diese Unterteilungen nicht. Was ist überhaupt der Unterschied zwi­schen Biotech und Pharma?SCHWARZ: Das verschmilzt im-mer mehr. Der Unterschied ist heute: Biotechunternehmen haben kaum Konkurrenz durch Nachahmerprodukte, so-genannte Biosimilars. Deswe-gen bringt jedes neue Produkt bei Biotech mehr Gewinn, wäh-rend Pharma die durch Patent-abläufe entstehenden Löcher kompensieren muss.

BISCHOF: Das ist für mich kein struktureller Vorteil. Biotech- patente laufen ja ebenfalls ab. Nur die Branche ist noch jünger und die Produkte haben deshalb jetzt noch keine Konkurrenz. Die Umsätze der Biotechindus-trie werden irgendwann ge-nauso erodieren.

NÄGLER: Wobei es Produktklas-sen gibt, wo das weniger wahr-scheinlich ist. Zum Beispiel on-kolytische Viren, bispezifische Antikörper, T-Zell-Engager —hier ein Biosimilar herzustellen, ist schon extrem anspruchsvoll.

BISCHOF: Wie viele dieser Pro-dukte sind schon auf dem Markt?

NÄGLER: Ein bispezifischer An-tikörper von Amgen hat zum Beispiel Ende 2014 die Zulas-sung bekommen. Ob es jetzt Dutzende solcher Arzneimittel geben wird, weiß ich nicht. Aber

SCHWARZ: Nein, hätte ich nicht gesagt. Das ist ein Sektor, in dem man langfristig investiert und Rückschläge zum Nachkaufen oder Einsteigen nutzt.

Die Kursverluste wurden auch durch Hillary Clintons Bemer­kungen über die Deckelung von Medikamentenpreisen ausge­löst. Rechnen Sie mit entspre­chenden Gesetzen in den USA?BISCHOF: Ich glaube nicht, dass da in den nächsten zwei, drei Jahren etwas kommt. Preise zu regulieren ist sehr unameri-kanisch. Die Republikaner ma-chen es vermutlich auf keinen Fall, den Demokraten würde es sehr schwerfallen, so etwas um-zusetzen.

NÄGLER: … zumal der Kongress ja erst mal republikanisch bleibt. Aber langfristig kann man nicht für jeden Krebspati-enten mehrere Hunderttausend Dollar auf den Tisch legen. Da wird sich was ändern müssen.

SCHWARZ: Grundsätzlich ist das Kostenthema nicht zu lösen, weil Gesundheit unser höchstes Gut ist. Ein Arzt ist verpflichtet, bei seinen Patienten neue hei-lende und lebensrettende Pro-dukte einzusetzen, auch wenn sie teurer sind. Wichtig ist je-doch, den Missbrauch des Sys-tems zu reduzieren. Wie jetzt in den USA bei Valeant: Da wur- den legale Mechanismen grenz-wertig ausgereizt, um sich die Erstattung überteuerter Pro-dukte ohne Zusatznutzen zu erschleichen.

BISCHOF: Die Gesundheitskos-ten betragen in den USA circa 18 Prozent vom Bruttoinlands-produkt. Das zeigt, dass das Sys-tem sehr ineffizient ist. In Eu-ropa liegt der Anteil bei zehn Prozent, die Lebenserwartung ist hier aber ein paar Jahre hö-her. Das ist so nicht haltbar und sagt mir als Investor, dass ich mich auf die Unternehmen kon-zentriere, die sparen helfen.

Wie können Anleger denn vom Kostensparen profitieren?SCHWARZ: Indem sie bei Medi-kamenten auf Innovation setzen, beim Service auf Kostensparen.

das sind komplexe Produkte, und wir sehen ja jetzt schon, wie lange es dauert, bis Biosimilars auf den Markt kommen. Und sie haben nicht denselben Effekt auf den Preis wie Generika bei den traditionellen Pillen.

Können Sie das näher erklären? NÄGLER: Früher war es so, dass am Tag des Patentablaufs 20 Nachahmerprodukte auf den Markt kamen und der Preis un-mittelbar um 80 bis 90 Prozent sank. Die Biosimilar-Entwick-lung können sich jedoch nur wenige Firmen leisten. Deshalb kommen da nur zwei oder drei auf den Markt und der Preis sinkt vielleicht um 25 Prozent.

SCHWARZ: Entscheidend ist, dass biotechnologische For-schung einen riesigen Innovati-onsschub gebracht hat. Die sin-kenden Kosten für Genomse-quenzierungen haben es ermög-licht, neue Zielstrukturen für Medikamente zu identifizieren, die wirklich die Ursachen von Erkrankungen beeinflussen.

NÄGLER: Man braucht sich ja nur die aktuellen Entwicklun-gen in der Immun-Onkologie an-zuschauen. Vergangenes Jahr wurde ein wissenschaftlicher Fallbericht veröffentlicht, wo es um eine Patientin mit einer faust großen Melanom-Metas-tase unter der Brust geht. Sie wurde mit zwei der neuartigen Medikamente von Bristol-Myers-Squibb behandelt, und nach drei Wochen war der Tumor weg. Da war ein Loch. Der Arzt be-schreibt, wie man jetzt vor der ungewohnten Frage steht, was man mit diesem Loch macht. Die Prognose der Frau lag vorher bei wenigen Monaten, jetzt wird sie wahrscheinlich überleben. So wird es heute voraussichtlich einem Viertel der Patienten mit dieser Indikation gehen. Und das ist erst der Anfang. Der Be-reich Immun-Onkologie könnte der Industrie über 50 Milliar-den zusätzlichen Umsatz brin-gen.

BISCHOF: Ich muss jetzt aber noch mal einwerfen, dass es im Sektor 1600 Unternehmen gibt, die keine Medikamente entwi-

ckeln. Die etwa Brillengläser ma-chen. Der Markt wächst jährlich um vier bis fünf Prozent, da kann man auch investieren, das ist sehr risikoavers. Es gibt Her-steller von Hörgeräten, Zahnim-plantaten, Botoxspritzen, es gibt Tiermedizin, Krankenhausbe-treiber, Dialysezentren. Man konzentriert sich immer auf die Medikamentenentwickler. Das ist ja auch richtig, ich bin ja selbst als Molekularbiologe fasziniert davon. Es gibt aber Investment-alternativen innerhalb des Ge-sundheitssektors. Das Ausfall-risiko für Investoren ist im Bio-techsektor deutlich höher als in den anderen Sektoren.

Auffällig ist, dass auch Gimv in letzter Zeit nicht mehr in Medi­kamentenentwickler investiert hat. Warum nicht?NÄGLER: Wir waren die vergan-genen Jahre damit beschäftigt, den Großteil unseres Biophar-ma-Portfolios zu verkaufen, weil das Umfeld gut ist und Bewer-tungen hoch. Gleichzeitig sind wir Engagements in anderen Be-reichen eingegangen, etwa in ambulante Spezialkliniken und Medizintechnik, wo es vielleicht attraktivere Bewertungen gibt. Nehmen wir nochmals das Bei-spiel Immun-Onkologie. Das wird in den kommenden Jahren einen riesigen Einfluss haben, und die Bewertungen sind entsprechend hoch. Da ist jetzt vielleicht ge-rade nicht der beste Augenblick, um bei Start-ups einzusteigen.

Wie sehen Sie grundsätzlich die Bewertungen im Sektor?SCHWARZ: Im Nasdaq-Biotech- Index gibt es 190 Firmen. 18 da-von werden nächstes Jahr profi-tabel sein. Das KGV dieser 18 Fir-men beträgt 19, die Wachstums-erwartungen liegen bei 21 Pro-zent. Die profitablen Firmen des Index sind also mit einem Ver-hältnis von KGV zum Wachstum von 0,8 bewertet, das haben wir jahrzehntelang nicht gesehen. Von daher kann man ganz offi-ziell sagen: Der Biotechsektor ist günstig bewertet.

Wir hatten aber auch gerade eine heftige Korrektur. Hätten Sie im vergangenen Sommer gesagt, raus aus Biotech?

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NÄGLER: Interessant ist zum Beispiel alles, was ambulant pas-siert. Spezialisierte ambulante Kliniken, die auf bestimmte Eingriffe fokussiert sind. Oder Healthcare-IT. Im Medizintech-nikbereich schauen wir auf in-tegrierte Lösungen, da geht es nicht nur ums Produkt.

BISCHOF: Es gibt börsennotierte Unternehmen in den USA wie Amedisys, die sich darum küm-

gebildet, haben Schule, Univer-sität, Promotion durchlaufen, aber wenn es zur Anwendung geht, verlassen sie das Land.

NÄGLER: Man braucht auch eta-blierte Unternehmen, Leucht-türme, damit es funktioniert. So was haben wir hier kaum, höchstens Morphosys und Evo-tec. Das hat vielleicht auch mit dem Börsenumfeld zu tun. Es war Pech, dass die Dotcom-Welle gleichzeitig mit den ersten Bio-techs kam. Wir haben aber auch nach wie vor kein Segment für deutsche Biotechunternehmen.

Glauben Sie denn, dass so ein Segment helfen würde?NÄGLER: Das würde absolut helfen. Aber man braucht das ganze Ökosystem: Investoren, Analysten, Spezialisten, Gene-ralisten, das finden Sie halt in den USA und hier nicht. Interes-sante deutsche Biotechunter-nehmen werden entweder an Big Pharma verkauft oder gehen an Nasdaq und Euronext.

Warum nicht nach Frankfurt?BISCHOF: An der Nasdaq sind die Bewertungen höher, da kriegen sie mehr Geld, da ist die Expertise von Analysten und Fondsmanagern.

Hat die Deutsche Börse versagt?NÄGLER: Das eigentliche Pro-blem ist, dass es in Europa kein vergleichbares Segment zur Nasdaq gibt. Es gibt auch kaum deutsche Investoren in Biotech. Das Risikokapitalsystem exis-tiert quasi nicht mehr.

Sie haben gesagt, Biotechaktien seien nichts für Privatanleger. Aber was spricht gegen große Einzeltitel?SCHWARZ: Es spricht nichts da-gegen, in ein großes, diversifi-ziertes Unternehmen zu investie-ren, so wie Johnson & Johnson, Medtronic, Gilead oder Amgen.

Wovon würden Sie abraten? SCHWARZ: Man sollte nicht in Firmen investieren, deren Kurs-entwicklung von binären Ereig-nissen abhängig ist. Also Zulas-sung ja oder nein, Phase-3-Daten gut oder schlecht. Da können in-

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Harald Schwarz arbeitete über 20 Jahre lang in der Pharmabranche, bevor er zu Medical Strategy stieß. Das siebenköpfige Team ver-waltet den Medical-BioHealth-Trends-Fonds seit seiner Auflage vor 16 Jahren.

FCP OP MED. BIOHEALTH TRENDS

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BLICK IN DIE ZWEITE REIHE

FCP OP MED. BIOHEALTH TRENDSAusgewogene MischungDer Fonds investiert in Biotech, Medtech, Pharma und Emerging Pharma, also den Ge-sundheitsmarkt in Schwellenländern. Auf Bio-techaktien entfallen aktuell etwas über 40 Pro-zent, auf Medtech und Pharma jeweils rund 20 Prozent. Das Management setzt insbeson-dere auf kleine und mittelgroße Unternehmen, derzeit stecken über 40 Prozent des Vermö-gens in Firmen mit einer Marktkapitalisierung unter einer Milliarde Dollar. Um damit verbun-dene Risiken zu begrenzen, werden die Invest-ments über fast 100 Positionen gestreut.

STECKBRIEFINVESTMENTERFAHRUNG 16 JahreAUSBILDUNG VolkswirtSTRATEGIE Small und Mid Caps

+19,4 %betrug die Performance des Fonds Medical BioHealth Trends im Jahr 2015

mern, dass Leute nicht mehr in Krankenhäuser zurückmüssen und zu Hause gepflegt werden. Digitalisierung ist ein ganz wich-tiger Trend, Beispiel elektroni-sche Patientenakte. Ich glaube allerdings, dass 2016 schwierig werden könnte wegen des Wahl-kampfs in den USA.

Sprechen wir über den deut­schen Markt. Der Mittelstand ist weltberühmt, aber im Biotech­

und Gesundheitssektor sind wir eher schwach. Warum?BISCHOF: Es müsste mehr Risi-kokapital zur Verfügung gestellt werden. Das hat auch mit der Mentalität zu tun. In den USA sagt man „tolle Chance, lass es uns probieren“, trotz des Risi-kos. In Deutschland sagt man, „lass es lieber bleiben“. Das ist ein langfristiger Wandlungspro-zess. Und sehr bedauerlich, denn die Leute sind hier sehr gut aus-

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nerhalb eines Tages Verluste von 70, 80 Prozent auflaufen. Hier ist es besser, in einen Fonds zu investieren, der auf diese Un-ternehmen spezialisiert ist und eine ausgewogene Risikodiver-sifizierung bietet.

NÄGLER: Ich würde versuchen, die Akkumulation von Risiken zu vermeiden. Also nicht in schwierigen Indikationen ein Unternehmen suchen, das ein völlig neuartiges Produktkon-zept in der Entwicklung hat. Ich würde nach nachhaltigen Trendthemen suchen und über viele Unternehmen streuen. Etwa Immun-Onkologie: Da sind die vier großen Konzerne Bris-tol-Myers, Roche, Merck und AstraZeneca führend.

SCHWARZ: Oder sie nehmen mehrere kleinere Firmen wie Incyte, Celldex, Innate Pharma.

BISCHOF: Ein mittelgroßes Ge-sundheitsunternehmen, das fast keiner kennt, ist Align Techno-logy, die transparente Zahn-spangen herstellen. Uns gefällt auch Coloplast, ein dänischer

Hersteller von Inkontinenzpro-dukten.

Gibt es auch deutsche Firmen, die Sie für aussichtsreich halten? BISCHOF: Fresenius ist auf Sicht von ein, zwei Jahren ein attrakti-ver Kandidat. Weil es ein diver-sifiziertes Unternehmen ist. Der Konzern produziert Infusions-lösungen, ist der größte deut-sche Krankenhausbetreiber und Welt marktführer in der Dialyse.

NÄGLER: Herr Bischof und ich mögen auch Morphosys.

SCHWARZ: Wir sind zurückhal-tender, weil das Geschäftsmo-dell zweideutig ist. Kooperatio-nen stehen im Vordergrund, aber bei der wertentscheiden-den Entwicklung eigener Pro-dukte liegt die Firma zurück.

NÄGLER: Oft wird gefragt, was ist der große Gewinner in deren Portfolio?

BISCHOF: Braucht es den wirk-lich? Morphosys hat 25 Antikör-per in der Klinik, legt man eine ty-pische Erfolgswahrscheinlichkeit

zugrunde, kommen acht davon auf den Markt. Unterstellt man je-dem davon eine Milliarde Umsatz, würde Morphosys’ Umsatzbeteili-gung – falls alle diese Produkte bei Partnern lägen – vielleicht auf etwa 400 Millionen Vorsteuerge-winn herauslaufen. Das bedeutet dann schon ein ordentliches Potenzial für den Aktienkurs.

Können Sie sich vorstellen, dass wir in ein paar Jahren beim Thema Gesundheit über ganz andere Firmen reden, etwa Nestlé, Google oder IBM?NÄGLER: Bei den Venture-Fi-nanzierungen in den USA hat Healthcare-IT gerade zwei Re-kordjahre hinter sich. Daran lässt sich schon ein Trend able-sen. IBM investiert in Systeme, die Entscheidungen treffen kön-nen. Es ist enorm, was der Su-perrechner Watson schon kann.

BISCHOF: Ich denke ebenfalls, dass wir in drei Jahren über an-dere Werte sprechen werden. Nahrungsmittel und Gesund -heit hängen auch sehr stark zu-sammen, da passiert viel. Zum Glück!

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