Ausgabe 59 • 03/2019 Diagnostik im Dialog - roche.de · 7 [Medizin] Multidisziplinäre...

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der Roche Diagnostics Deutschland GmbH Diagnostik im Dialog Ausgabe 59 • 03/2019 Multidisziplinäre Teams in der Onkologie

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Multidisziplinäre Teams in der Onkologie

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Ute Reimann Chefredakteurin „Diagnostik im Dialog“

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

die Onkologie ist im Umbruch. Immer prä-zisere Diagnostik eröffnet immer individuel-lere Therapieoptionen. Die Herausforderung dabei: Onkologisch tätige Ärzte müssen immer mehr Daten berücksichtigen und interpretieren. Die Komplexität der Behand-lung steigt. Daher ist die Zusammenarbeit in multidisziplinären Teams von großer Bedeutung. Um „Tumorboards“ effizient und nach dem aktuellen Stand der Medi-zin zu gestalten, stehen zwei Entwicklungen im Vordergrund – die Digitalisierung unter Berücksichtigung kompatibler Schnittstel-len und der Möglichkeit standardisierter

Kumulativbefunde sowie die webbasierte Netzwerkbildung für den transsektiona-len, ortsunabhängigen Expertenaustausch. Erfahren Sie mehr über zeitgemäße Tumor-boards in dieser Ausgabe.Auch die Pränatalmedizin hat große Fort-schritte erzielt, fetale Chromosomenstörun-gen lassen sich heute nicht-invasiv sicher erkennen. Die zunehmenden Resistenzen gegen wichtige Antibiotika bei der Tuberku-losebehandlung dagegen geben Anlass zur Sorge und verlangen nach neuen Strategien. Ich wünsche Ihnen beim Lesen viel Spaß und Erkenntnisgewinn.

Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

COBAS, ELECSYS, NAVIFY sind Marken von Roche. Andere Marken sind Marken der jeweiligen Eigentümer.

Herausgeber

Roche Diagnostics Deutschland GmbH Geschäftsführer Christian Paetzke Sandhofer Straße 116 68305 Mannheim

Telefon +49 621 759 0Telefax +49 621 759 2890Registergericht AG Mannheim HRB 708167USt.Nr. DE268638091

V.i.S.d.P. (Chefredaktion)

Ute Reimann Kommunikation

Impressum

Die dargestellten Inhalte der Gastautoren geben die subjektive Einschätzung der Autoren wieder. Die Roche Diagnostics Deutschland GmbH übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit dieser Informationen.

© 2019 Roche Diagnostics. Alle Rechte vorbehalten.

3 [Medizin] Präzisionsonkologie und Molekulare Tumorboards: Konzept und Herausforderungen

7 [Medizin] Multidisziplinäre Zusammenarbeit in der Hämatologie: Das NIO-Projekt Sachsen

10 [Medizin] Fetale Chromosomenstörungen: Möglichkeiten und Limitationen der NIPT

14 [Medizin] Tuberkulose in Deutschland

18 [Produkte & Services] Hochsensitiver Mykobakterien-Nachweis

19 [Produkte & Services] Tumorboard 2.0: Mehr Struktur und Effizienz für multidisziplinäre Ärzteteams

21 [Produkte & Services] Zeitgemäß aufgestellt zu präzisen Diagnosen: Vollintegrierte Befundungssoftware für Pathologien

23 [Produkte & Services] Produktnews

Inhalt

Veranstaltungen und Kongresse

24 Anwendertreffen Roche Laborsysteme 2019

Link zur Website: www.roche.de/diagnostics-veranstaltungen

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zial zum Wohle der Mehrzahl onkologischer Patienten zu erschließen. Die Umsetzung der Präzisionsonkologie in die Versorgungsreali-tät begegnet allerdings noch erheblichen kli-nischen und strukturellen Herausforderun-gen. Beispielsweise erlauben Evidenzlücken oftmals nur individuelle Heilversuche und es fehlen Konzepte, Patienten auch außerhalb großer akademischer Zentren adäquat zu versorgen. Vor diesem Hintergrund spielen molekulare Tumorboards als Wegbereiter für einen harmonisierten und flächendeckenden Einsatz dieses patientenzentrierten Behand-lungsansatzes eine wichtige Rolle.

Das Konzept PräzisionsonkologieDie Begriffe „Personalisierte Medizin“ bzw. „Präzisionsonkologie“ sind unscharf definiert. Zunächst fallen darunter alle Medikamente mit einer molekularen Zielstruktur in Tumorzellen. Parallel zum wachsenden Wis-sen um die zellulären Grundlagen maligner Erkrankungen und zu neuen technischen Möglichkeiten der Tumorgenomanalyse entwickelt sich eine prägnantere Definition: Zunehmend versteht man unter „Präzi- sionsonkologie“ die Therapie einer Krebs- erkrankung auf dem Boden einer moleku-laren Charakterisierung des individuellen

Seit der Entdeckung molekular-zielgerichteter Wirkstoffe konnte die Onkologie in ausge-wählten klinischen Situationen teils bahn-brechende therapeutische Erfolge erreichen. In den vergangenen Jahren kamen Tumorgenom- analysen mehr und mehr zum Einsatz, um Patienten Zugang zu molekular-zielgerichte-ten Behandlungsstrategien zu ermöglichen. Das Potenzial dieser Präzisionsonkologie erscheint weiterhin groß. Es besteht die Hoff-nung, mit einem besseren molekularen Ver-ständnis maligner Erkrankungen, dem breiten Einsatz neuer Technologien und der Ent-wicklung neuer Medikamente dieses Poten-

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Präzisionsonkologie und Molekulare TumorboardsKonzept und HerausforderungenDr. C. Benedikt Westphalen, Klinikum der Universität München & Comprehensive Cancer Center München und Prof. Dr. Sonja Loges, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf & Hubertus Wald Comprehensive Cancer Center Hamburg

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Molekular- stratifizierender Behandlungsansatz für bessere Wirkung und weniger Nebenwirkung.

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in klinischen Studien. Ihre Zulassung ist vor dem Hintergrund der oben skizzier-ten Präzedenzfälle nur eine Frage der Zeit.

Technische Umsetzung Die Präzisionsonkologie wendet sich von der ausschließlich Histologie-basierten Therapieplanung ab. Dementsprechend sol-len prädiktive/prognostische Veränderun-gen im Tumorgenom identifiziert werden, die im Idealfall unmittelbare therapeutische Konsequenzen haben oder den Einschluss in klinische Studien ermöglichen. Der rasante Fortschritt bei der Hochdurchsatz-Sequen-zierung bildet die Voraussetzung für diese erweiterte molekulare Diagnostik. Heutzu-tage ist Tumorprofiling mit technisch und logistisch hohem, jedoch finanziell und zeitlich vertretbarem Aufwand durchführ-bar. Sukzessive wandern Analysemethoden aus dem Bereich der (medizinischen) Wis-senschaft auch in die klinische Versorgung.

Es existieren verschiedene methodische Möglichkeiten für unterschiedliche (klini-sche) Settings:O Sogenannte Genpanel-Analysen sind

bereits häufig in klinische Versor-gungsansätze integriert. Dabei wird eine begrenzte Auswahl („Panel“) an Genen (n = 20–500) auf molekulare

Veränderungen mit dem Ziel unter-sucht, prädiktive oder prognostische Aussagen zu treffen. Großer Vorteil ist, dass diese Untersuchungen in der Regel aus dem üblichen FFPE-Material (Formalin-fixiert und in Paraffin ein-gebettet) erfolgen können und somit ohne zwingend neue Biopsie. Gerade wenn einerseits wenig Biopsiematerial zur Verfügung steht, andererseits aus molekularer Testung aber unmittelbare therapeutische Konsequenz erwächst (z. B. Nicht-kleinzelliges Bronchialkar-zinom/NSCLC), sind Panelansätze weit verbreitet und konsekutiven Einzel-genanalysen sowohl technisch als auch ökonomisch überlegen. Allerdings – die Panelsequenzierung liefert nur einen „Schnappschuss“ des Tumorgenoms und dementsprechend nicht alle Informatio-nen. Auch die teils immense Komplexität des Tumorgenoms lässt sich nicht oder nur unzureichend abbilden. Trotz dieser offensichtlichen Nachteile sind Panel- sequenzierungen jedoch auf Grund ihrer Verfügbarkeit aktuell das Arbeitspferd der Präzisionsonkologie.

O Sequenzierung des gesamten kodieren-den Genoms (whole exome sequencing) oder Ganzgenomanalysen (whole genome sequencing) sind mit erheblichem logis-tischen und personellen Mehraufwand

Tumors („Tumorprofiling“). Von diesem Ansatz verspricht man sich eine wirkungs-vollere (und nebenwirkungsärmere) Thera-pie maligner Erkrankungen.1

Beim Konzept der Präzisionsonkologie ver-lässt die Onkologie häufiger Entitätsgrenzen und konzentriert sich mehr auf (molekulare) Tumorprofile. Daraus resultieren bereits erste Medikamentenzulassungen in den USA:O Immuncheckpoint-Inhibitor Pembro-

lizumab für Patienten mit Tumoren, die eine Mikrosatelliteninstabilität auf-weisen.2 Dies war die erste Histologie-agnostische Zulassung, basierend auf einem genomischen Marker und ohne formale Zulassungsstudie.

O Larotrectinib für eine Reihe verschiede-ner Tumorerkrankungen, die Fusionen in den NTRK*-Genen aufweisen. Beson-ders beachtenswert: Auch Patienten mit diversen Vortherapien profitierten mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem NTRK-Inhibitor.3,4 Diese Studienergeb-nisse führten zur ersten Zulassung einer zielgerichteten Substanz unabhängig vom Ursprungsort der Krebserkrankung und einzig auf dem Boden einer Gruppe molekularer Alterationen.

O Weitere Medikamente für molekular-stratifizierte kleine Patientengruppen (z. B. RET-Alterationen) befinden sich

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Umfassendes Tumorprofiling

– Basis der Präzisionsonkologie.

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verbunden. Trotz des zusätzlichen Informationsgewinns kommen sie daher überwiegend im Rahmen begrenzter Kontingente oder klinischer Studien zum Einsatz.

O Weitere Untersuchungen (z. B. RNA-Sequenzierung, Analyse des Tumor- methyloms und -proteoms) können die Einblicke in das Tumorgenom komplet-tieren,5 sind aber aktuell größtenteils dem Forschungsbereich zuzuordnen. Eine Ausnahme bildet die Untersu-chung des Methyloms bestimmter (kindlicher) Hirntumore, da sich daraus therapeutische Konsequenzen ableiten lassen.6

O Zukünftig wird auch die Flüssigbiopsie (Liquid Biopsy) zur Detektion zirku-lierender Tumor-DNA in Körperflüs-sigkeiten Bedeutung gewinnen, z. B. wenn bestehendes Biopsiematerial für eine verlässliche Aussage zum aktuellen Mutationsstatus zu alt, eine erneute Gewebeentnahme aber medizinisch nicht vertretbar ist oder vom Patienten abgelehnt wird. In der klinischen Rou-tine wird die Flüssigbiopsie bereits beim NSCLC zum Nachweis einer mutations-vermittelten Resistenzentwicklung erfolgreich eingesetzt. Zukünftige Anwendungsbereiche umfassen sowohl die primäre molekulare Diagnostik als auch das Therapiemonitoring.7–9

Herausforderungen im klinischen AlltagNeben den z. T. logistischen und technischen Herausforderungen sieht sich die Präzisions-onkologie auch mit einem medizinischen Pro-blem konfrontiert. Ihr Ziel ist eine präzisere und patientenzentriertere Medizin auf dem Boden umfassender Tumorprofile – jedoch fehlt für einen Großteil der Therapieansätze (noch) profunde wissenschaftliche Evidenz.

Dies ist der Fall, da sich individualisierte The-rapieansätze aufgrund der seltenen zugrunde-liegenden molekularen Alterationen oft nicht oder nur unzureichend in klassischen onko-logischen Studien untersuchen lassen.10,11 Dementsprechend erfolgen viele Therapie-entscheidungen nach molekularer Tumor-analyse auf Basis von Analogieschlüssen, bio-logischer Rationale oder kleinen Fallserien. Dabei ist zu beachten, dass dieselbe geno-mische Alteration im Kontext verschiedener Erkrankungen unterschiedliche Wertigkeit als therapeutisches Target aufweist. Ein Bei-spiel hierfür ist die BRAF V600E-Mutation, die in der Therapie des malignen Melanoms eine wertvolle Zielstruktur darstellt, während dies beispielsweise beim kolorektalen Kar-zinom nur bedingt der Fall ist.12 Ein unge-richteter Einsatz zielgerichteter Substanzen ohne therapeutische Zielstruktur, die einen wirklichen Driver für die Tumorerkrankung darstellt, bietet den Patienten keinen medizi-nischen Vorteil.13

Dagegen zeigen erste Metaanalysen, dass Patienten von zielgerichteter Therapie pro-fitieren, wenn diese auf dem Boden eines starken therapeutischen Targets fußt.14 Aus den Ergebnissen der ersten zwei (schwer miteinander vergleichbaren) prospektiven Studien zum Thema13,15,16 zeichnet sich dennoch übereinstimmend ab, dass für die erfolgreiche Umsetzung der Präzisionsonko-logie eine sorgfältige Patientenselektion und der Zugang zu zielgerichteten Medikamen-ten (im Rahmen von klinischen Studien) von entscheidender Bedeutung sind.

Vor dem Hintergrund fehlender Evidenz bzw. unzureichender Datenlage erfolgt die Therapie auf Basis des Tumorprofils häufig im individuellen Heilversuch („off label“) oder kann nicht umgesetzt werden. Unbe-dingte Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung der Präzisionsonkologie in die klinische Versorgungsrealität sind daher strukturierte Programme (s. u.) wel-che in einem klinisch/wissenschaftlichen Setting erlauben, dass die durch ein Tumor-profiling erschlossenen Therapieoptionen konsequent umgesetzt und die Patienten strukturiert nachverfolgt werden.

Molekulare TumorboardsIn den vergangenen Jahren wurden diverse Programme initiiert, um den Zugang der Präzisionsonkologie in die klinische Rea-

Invidueller Heilversuch – derzeit noch häufiger Therapieansatz der Präzisionsonkologie im klinischen Alltag.

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lität zu fördern. Zentrales Element vie-ler dieser Bemühungen sind molekulare Tumorboards.1,5 Im Gegensatz zu klassi-schen, Entitäten-spezifischen Tumorboards handelt es sich in der Regel um erweiterte Expertenmeetings, in denen molekulare Profile (unabhängig von der zugrunde lie-genden Tumorerkrankung) diskutiert und – daraus abgeleitet – Therapieoptionen benannt werden. Neben den klassischen Fachdisziplinen und dem Behandlungsteam sind häufig zusätzlich Grundlagenwissen-schaftler, Bioinformatiker und Humangene-tiker vertreten, um die erhobenen Befunde in ein Gesamtkonzept zu integrieren.

Wenn möglich sollte die empfohlene The-rapie im Rahmen einer klinischen Studie erfolgen. Besteht diese Option nicht, müs-sen die Patienten unbedingt strukturiert nachverfolgt werden. Die Erfassung der Wirksamkeit/Unwirksamkeit molekular-zielgerichteter Therapien mittels sog. Real-weltdaten (real world data) wird in Zukunft von größter Bedeutung sein, da sich wahr-scheinlich nur so die beschriebene Evi-denzlücke schließen lässt.17–20 Ferner sind nationale und internationale Bemühungen erforderlich, um die notwendigen Patienten-kollektive geordnet zu erfassen.

Weitere Herausforderungen sind die Struk-tur molekularer Tumorboards und die Basis der klinischen Entscheidungsfindung. Dies wurde kürzlich im Rahmen einer internati-onalen Befragung deutlich, bei der sich die Wichtung molekularer Alterationen und die Therapieableitungen zwischen akade-mischen Zentren teils erheblich unterschie-den.21 Auch in diesem Zusammenhang ist Harmonisierung notwendig, um die thera-peutische Wertigkeit molekularer Alterati-onen standardisiert erfassen und bewerten zu können. Erste Schritte in diese Rich-tung sind auf europäischer Ebene bereits erfolgt.22–24

Die logistischen, strukturellen und inhaltli-chen Anforderungen für eine konsequente Umsetzung der Präzisionsonkologie sind hoch, sie wird daher (aktuell) vorwiegend an großen akademischen Zentren vorgehalten. Von entscheidender Bedeutung wird sein, alternative Konzepte (z. B. virtuelle Tumor-boards) zu entwickeln, um Patienten flä-chendeckender adäquat mit strukturierten, auf Tumorprofiling basierenden Therapien zu versorgen.

Offen bleibt letztlich auch die Frage, wie der große Aufwand, den ein präzisions- onkologischer Ansatz (Diagnostik, moleku-lares Tumorboard, Therapie und Follow-up) verursacht, in Zukunft nachhaltig finanziert werden soll.

Ausblick und ZusammenfassungVor dem Hintergrund neuer hochwirksa-mer Medikamente für sehr kleine Patien-tenkollektive ist der flächendeckende Ein-satz von Hochdurchsatzsequenzierungen nur eine Frage der Zeit. Die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung prä-zisionsonkologischer Ansätze werden also zunehmend verfügbar, dagegen ist deren Implementierung in die klinische Realität

mit teils erheblichen Hindernissen verbun-den. Nichtsdestotrotz ist für uns das Festhal-ten am eingeschlagenen Weg essenziell, um Strukturen zu schaffen, die möglichst vielen Patienten die Chance eröffnen, von neuarti-gen Therapiekonzepten zu profitieren.

* NTRK: Neurothophic tropomyosin-related kinases

Korrespondenzadressen

Dr. Benedikt Westphalen Medizinische Klinik und Poliklinik III Marchioninistr. 15 81377 München [email protected] www.ccc-muenchen.de

Professor Dr. Dr. Sonja Loges Klinik für Onkologie, Hämatologie und KMT mit Sektion Pneumologie Institut für Tumorbiologie Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Martinistr. 52, 20246 Hamburg [email protected]

Literatur 1 Holch JW, Westphalen CB et al: Dtsch Med Wochenschr

(2017); 142(22):1676–1684 2 Le DT et al: N Engl J Med (2015); 372(26):2509–2520 3 Drilon A.S et al: Cancer Discov (2107); 7(4):400–409 4 Laetsch TW et al: Lancet Oncol (2108); 19(5):705–714 5 Holch JW et al: Eur J Cancer (2017); 82:72–79 6 Pietsch T et al: Acta Neuropathol (2014); 128(1):137–149 7 Wan, JCM et al: Nat Rev Cancer (2017); 17(4):223–238 8 Gale D et al: PLoS One (2018); 13(3):e0194630 9 Plagnol V et al: PLoS One (2018); 13(3):e0193802 10 Brock A, Huang S: Cancer Res (2017); 77(23):6473–6479 11 Moscow JA et al: Nat Rev Clin Oncol (2018); 15(3):

183–192 12 Karoulia Z et al: Nat Rev Cancer (2017); 17(11):676–691 13 Le Tourneau C et al: Lancet Oncol. (2015); 16:1324–1334 14 Schwaederle M et al: Journal of Clinical Oncology (2015);

33:3817–3825 15 Harttrampf AC et al: Clin Cancer Res (2017); 23(20):

6101–6112 16 Verlingue L et al: Eur J Cancer (2017); 87:122–130 17 Conley RB et al: Cell (2017); 171(5):982–986 18 Lewis JRR et al: JCO Precision Oncology (2017); 1(1):1–11 19 Agarwala V et al: Health Aff (Millwood) (2108); 37(5):

765–772 20 Miksad RA, Abernethy AP: Clin Pharmacol Ther (2018);

103(2):202–205 21 Rieke DT et al: JCO Precision Oncology (2018); 2:1–14 22 Gyawali B, Kesselheim AS: Nat Rev Clin Oncol. (2018),

13. Oct. 23 Mateo J et al: Ann Oncol (2018); 29(9):1895–1902 24 Silver AJ, Warner JL: Ann Oncol. (2018); 29(11):2266–2267

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Multidisziplinäre Zusammenarbeit in der Hämatologie Das NIO-Projekt Sachsen PD Dr. Thomas Illmer, Gemeinschaftspraxis Hämatologie-Onkologie, Dresden

Hohes Versorgungsniveau gefordertOnkologisch tätigen Ärzten kommt in dem Versorgungsszenario hämato-onko-logischer Patienten eine besondere Ver-antwortung zu. Im Nationalen Krebsplan wurden diesbezüglich verschiedene Ziele formuliert. Das sogenannte „Handlungs-feld 2“ fordert die Sicherung und Förderung der onkologischen Versorgung auf hohem Niveau ohne regionale Qualitätsunter-schiede und mit Modellen, die sich für die Breitenversorgung eignen.4 Das bedeutet: Die Versorgung zwischen Land und Stadt, zwischen akademischem Zentrum und Pra-xis soll für eine Vielzahl von Entitäten und klinischen Situationen kaum Unterschiede aufweisen.

Unter „Versorgung auf hohem Niveau“ ver-steht man heute eine personalisierte Thera-pie auf Grundlage einer detaillierten, meist molekularen Diagnostik. In der Tat dienen mittlerweile diverse diagnostische Techno-

logien und komplexe molekulare Analytik routinemäßig zur adäquaten Beschreibung hämatologischer Neoplasien, wie z. B. der Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL), den Myeloproliferativen Neoplasien (MPN) oder den Myelodysplastischen Syndromen (MDS).

Molekulardiagnostische Verfahren besitzen zum Teil jetzt schon unmittelbare therapeu-tische Implikationen, wie z. B. der Status des p53 Tumorsuppressorgens vor Einleitung einer CLL-Therapie5 oder sie spielen eine wichtige Rolle für die Beschreibung der Pro-gnose und Klassifikationskriterien bei MPN6 und MDS.7 Darüber hinaus stellen klassische Befunde der Histologie, Zytomorphologie und FACS-Diagnostik (Glossar) weiterhin die Basis zur therapeutischen Entschei-dungsfindung.8

Wie lässt sich der Qualitätsanspruch in der Diagnostik, der in den aktuellen Debat-

Hämato-onkologische Patienten, vor allem mit epidemiologisch bedeutsamen, chroni-schen Erkrankungen werden im Rahmen eines besonderen Versorgungsszenarios häufig in spezialisierten Praxen ambulant betreut. Im Jahr 2015 waren dies bereits über 50 000 Patienten mit myeloischen und lym-phatischen Neoplasien1 – deutlich mehr als in den Jahren davor.2,3 Gleichzeitig existie-ren immer mehr therapeutische Optionen für diese Erkrankungen, wodurch die Komple-xität der Behandlung steigt. Der Nationale Krebsplan fordert – unabhängig von Region oder Einrichtung – eine vergleichbar hohe Versorgungsqualität für alle hämato-onko-logischen Patienten. Um dieser anspruchs-vollen Forderung effizient und nach dem jeweils neuesten Stand der Medizin gerecht zu werden, kooperieren in Sachsen niederge-lassene Hämatologen und Onkologen sowie Diagnostiker aus den Bereichen Pathologie, Labormedizin und Genetik in einem multi-disziplinären Netzwerk.

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ten zur Betreuung hämato-onkologischer Patienten als unabdingbare Voraussetzung gilt, effektiv in einer Flächenversorgung erreichen? Hier stehen Digitalisierung und Netzwerkbildung im Vordergrund. Als Opti-mum gelten Zentren, an denen digitalisierte Befunde generiert werden können und kli-nische Daten einfließen.

Große Einrichtungen wie ein „Compre-hensive Cancer Center“ (CCC) oder ein „University Cancer Center“ (UCC) (Glos-sar) sind für das geforderte hohe Versor-gungsniveau prädestiniert, vorausgesetzt sie haben neben ihren technologischen Möglichkeiten auch Zugang zu den klini-schen Parametern. Deren Bewertung und Implementierung in den individuellen Behandlungsablauf sind wesentliche Säulen der Diagnostik- und Therapiequalität. Oft-

mals jedoch gibt es Probleme, Kollegen, die jenseits der CCC/UCC für den Patienten verantwortlich sind, transsektional einzu-beziehen, da der Datenaustausch zwischen beteiligten Einrichtungen schwierig zu organisieren ist.

Projektziele und ProjektanforderungenDer sächsische Verband der niedergelas-senen Hämatologen und Onkologen (NIO Sachsen) hat ein Konzept entwickelt, in das sowohl die modernen diagnostischen Methoden als auch das Engagement des direkt betreuenden Arztes einfließen.

Zur Umsetzung in den klinischen Alltag, haben sich aktuell zwölf NIO-Praxen zu einem Netzwerk (Abb.  1) mit folgenden Zielsetzungen und Anforderungen zusam-mengeschlossen:

O Abgestimmte Diagnostik, die sich in Umfang und Qualität an anerkannten Kriterien nationaler und internationaler Fachgesellschaften orientiert und sich intern dahingehend kontrolliert. Die gewissenhafte, jedoch auch maßvolle Diagnostik ist essenziell. Daher müssen alle beteiligten Fachspezialisten (Zyto-morphologen, Histologen, Flowzyto- metrieverantwortliche, Zytogenetiker, Molekularbiologen) den aktuellen Stand ihrer jeweiligen Disziplin gewährleisten und in einen Laborkatalog einbringen, der in regelmäßigen Abständen aktuali-siert wird.

O Webbasierte Option zur Erstellung eines kumulativen Befundes aus allen beteilig-ten diagnostischen Disziplinen und zur gemeinsamen Befundbesprechung mit zertifizierter Therapieempfehlung. Auch wenn nicht jeder einzelne Fall dis- kutiert werden kann, müssen alle Pati-entendaten bequem zugänglich, aber gleichzeitig sicher auf einer gemeinsa-men Plattform verfügbar sein, um sie nach Maßgabe der behandelnden Ärzte oder bei diagnostischen Auffälligkeiten online diskutieren zu können. Eine Mög-lichkeit dafür ist die "NAVIFY Tumor Board Solution" (Fa. Roche), die syn-chron die Präsentation von Laborbefun-den und die Inklusion klinischer Daten zulässt.

O Enge Verbindung zwischen der so geschaffenen Versorgungslandschaft und den regionalen akademischen CCC/UCC zur Koordinierung klinischer Stu-dienaktivitäten. Zum einen ist der ständige Kontakt zu diesen Einrichtungen mit ihren Opti-onen zur erweiterten hämatologischen Betreuung (z. B. intensivierte Chemo- therapie, Transplantation, CAR-T-Zelltherapie) (Glossar) für die im NIO-Board besprochenen Patienten wesentlich. Zum anderen muss mit den akademischen Zentren die Studien-

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Abb. 1: Struktur des NIO Sachsen-Netzwerkes zur hämato-onkologischen Diagnostik und Therapie. Zentrales Element ist die vollständige Diagnostik (grün) entsprechend eines aktuellen Kataloges. Die Ergebnisse fließen in eine gemeinsame Datenbank ein (gelb) und erlauben über Kumulativbefunde (gelbe Pfeile) für jeden Patienten eine umfassende Diagnosestellung, Klassifizierung und prognostische Einschätzung. Darüber hinaus ist – unter Einbeziehung der ebenfalls zentral verfügbaren klinischen Daten – die netzbasierte Besprechung von Befunden im Tumorboard (rot) möglich und Kernstück für das thera-peutische Handeln der Netzwerkmitglieder. Einzelne Praxen können und sollen sich an klinischen Studien beteiligen (Studie 1, 2, 3 etc.), die von anderen Netzwerkmitgliedern bzw. den angeschlossenen UCC/CCC propagiert werden.

NIO-Praxis (1)

Studie 3 Studie 1

NIO-Praxis (2)

Studie 2Studie 4

Studie 3NIO-Praxis (3)

Studie 2

NIO-Praxis (...12)

Studie 3

Proben

DATeNbANK(erkrankungsspezifisch: CML, CLL, MDS)

bewertungsgremium online

Hämaboard(z. B. via NAVIFY System)

einsendelabore

MolekularbiologieMorphologie Flowzytometrie Zytogenetik

InputKlinische

Patientendaten

InputDiagnostische Daten

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landschaft im Sektor – von Projekten der Versorgungsforschung bis hin zu frühen klinischen Studien – strukturiert werden.

O Schaffung eines Registers hämatologi-scher Neoplasien, welches als Qualitäts-sicherungskriterium gilt und sich auch als Plattform für Kommunikationsinitia-tiven eignet. Diese Aktivität ist nicht als Konkurrenz sondern als Ergänzung zu klinischen Krebsregistern (Glossar) oder anderen überregionalen Registern zu verstehen. Daher müssen von Anfang an wichtige Aspekte wie Datenformate, digitale Schnittstellen und vor allem Datenschutz berücksichtigt werden. Ein solches Register ist darüber hinaus eine gute Quelle für Inhalte von Kampagnen zur Patienteninformation und -aufklärung.

O Förderung und Wahrnehmung eigener klinischer Studien. Die Umsetzung und Teilhabe an kli-nischen Studien gestaltet sich in den letzten Jahren wesentlich aufwändiger. Das beruht zum einen auf den gestie-genen Anforderungen zur good clinical

practice (Glossar), zum anderen auf dem komplizierter werdenden Profil der Einschlusskriterien in klinische Studien. Diese orientieren sich zuneh-mend an molekularen oder komplexen klinischen Merkmalen, was die effektive Rekrutierung für den einzelnen Arzt erschwert. In einem Netzwerk kann die gemeinschaftliche diagnostische Heran-gehensweise die Identifikation geeigneter Studienpatienten erleichtern.

Den Ärzten des Netzwerkes ist bewusst, dass sie an einer bedeutsamen Schnittstelle von Diagnostik und Therapie arbeiten, die nicht zuletzt erhebliche ökonomische Mittel beansprucht. Zur Kostenbegrenzung sollte klinisch nicht indizierte Diagnostik mini-miert werden. Die (kostspielige) Behand-lung mit zielgerichteten Medikamenten ist für eine adäquate, im Nationalen Krebsplan geforderte Patientenversorgung essentiell, allerdings sehen die Mitglieder in einem qualitätsgesicherten System auch Einspar-potential durch einen kritischen und behut-samen Einsatz sowie gelegentliche sichere Medikamentenabsetzstrategien.

AusblickZentralisierung und Netzwerkbildung sind in der Medizin unumgänglich. Sie werden in Zukunft ein wichtiger Faktor zum Erhalt eines stabilen Gesundheitssystems sein. Dafür muss jedoch auch jeder behandelnde Arzt mit seinen Patienten erreichbar sein. Das hier vorgestellte NIO-Projekt nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung und ver-knüpft sie mit dem Engagement des einzel-nen Hämatologen. Dabei stehen neben der Qualitätssicherung der Patientenversorgung und einem ökonomisches Handeln, auch das selbstbestimmte (aber koordinierte) Vorge-hen und damit nicht zuletzt die Zufrieden-heit einer Berufsgruppe im Mittelpunkt.

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Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Thomas Illmer Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie Gemeinschaftspraxis Hämatologie – Onkologie Freiberg-Richter, Jacobasch, Illmer, Wolf Arnoldstr. 13 01307 Dresden [email protected] www.onkologie-dresden.net

Literatur 1 https://winho.de/fileadmin/Downloads/QS-Berich-

te/2016%20-%20QS%20Bericht.pdf 2 https://winho.de/fileadmin/Downloads/QS-Berich-

te/2012%20-%20QS%20Bericht.pdf 3 https://winho.de/fileadmin/Downloads/QS-Berich-

te/2014%20-%20QS%20Bericht.pdf 4 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/

Dateien/5_Publikationen/Praevention/Broschueren/Bros-chuere_Nationaler_Krebsplan.pdf

5 Malcikova J et al: Leukemia (2018); 32:1070–1080 6 Grinfeld J et al: NEJM (2018); 379:1416–1430 7 Steensma DP et al: Blood (2015); 126:9–16 8 Arber DA et al: Blood (2016); 127:2391–2405

glossarO FACS (fluorescence-activated cell scan-

ning): Analysemethode im Rahmen einer Durchflusszytometrie.

O Tumorzentren wie CCC oder UCC koordi-nieren die Betreuung von Krebspatienten in einer Region und sorgen für eine dem Stand des Wissens entsprechende Diag-nostik und Therapie.

O CAR (Chimeric Antigen Receptor)-T-Zell-Therapie: Krebsimmuntherapie, bei der gentechnologisch veränderte T-Zellen mit synthetischen, antigenspezifischen Rezepto-ren zur Anwendung kommen.

O Krebsregister: Es gibt epidemiologische und klinische Krebsregister, die im Idealfall ihre Informationen austauschen. Epidemio-logische Register beinhalten bevölkerungs-bezogene Analysen (z. B. regionale Häu-figkeit, Alters- und Geschlechtsverteilung, Überlebenszeiten) und dienen als Basis

für Präventions- und Früherkennungs-programme bzw. zur Erforschung von Ursachen und Risikofaktoren. In klinischen Krebsregistern werden Daten der Behand-lungszentren erfasst (z. B. Daten zur Diagnose, den Behandlungsmaßnahmen und der Nachsorge sowie zu Rezidiven, Überleben und Tod). Diese klinischen Angaben dienen der Qualitätssicherung in der Patientenversorgung und der besseren Behandlung. Klinische Register zeigen, welche Therapieoptionen oder ob medizi-nische Leitlinien erfolgreich sind.

O Good clinical practice bezeichnet inter-national anerkannte, nach ethischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgestellte Regeln für die Durchführung klinischer Studien. Im Mittelpunkt stehen der Schutz der Studienteilnehmer und die Qualität der Studienergebnisse.

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Die meisten fetalen Chromosomenstörungen treten mit zunehmendem Alter der Mutter häufiger auf. Daher galt lange Zeit das müt-terliche Alter als Hauptindikation für eine Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie. Durch verbesserte Ultraschall-Diagnostik und Algorithmen, welche die Ergebnisse von Ultraschall-Messungen (z. B. fetale Nacken-transparenz) mit biochemischen Markern und dem Alter der Mutter kombinieren, ließ sich die Treffsicherheit der Screening-Methoden als Vorauswahl für eine invasive Diagnostik verbessern. Die Erkennungsrate der Trisomie 21, der häufigsten Chromoso-menstörung, stieg beispielsweise von etwa 50 % bei alleiniger Altersindikation auf über 90 %.1,2 Gleichzeitig sank die Falsch-Positiv-Rate auf etwa 3–5 %.

Über zwei Jahrzehnte war parallel dazu versucht worden, nicht-invasive Untersu-chungen an fetalem Erbgut aus dem müt-terlichen Blut zu etablieren. Der Ansatz einer molekulardiagnostischen Diagnostik aus dort zirkulierenden fetalen Zellen blieb lange erfolglos. Allerdings eröffnete im Jahre 1997 die Entdeckung frei im mütterlichen

Blut zirkulierender fetaler DNA (zellfreie fetale DNA, cffDNA) neue Möglichkeiten.3 Schließlich wurde im Jahr 2008 erstmals der Nachweis einer Trisomie 21 über cffDNA im mütterlichen Blut publiziert.4

Die „Fetal Fraction“ Während der Schwangerschaft setzt die Pla-zenta relativ große Mengen cffDNA in das mütterliche Blut frei.5 Diese zirkulierende fetale DNA besteht aus Bruchstücken mit einer Größe von im Mittel 150 Kilobasen – groß genug, um sie einem bestimmten Chromosom bzw. einem bestimmten Gen zuzuordnen. Bei Schwangeren sind im Durchschnitt etwa 10 % der im mütterli-chen Blut frei zirkulierenden DNA fetalen Ursprungs. Diese, sog. „Fetal Fraction“ kann auch weniger als 4 % und bis zu 40 % betragen.

Die Fetal Fraction wird hauptsächlich durch folgende Faktoren beeinflusst:O Gestationsalter: Mit fortschreitender

Schwangerschaft steigt der Gehalt an zirkulierender cffDNA. Ab etwa der 10. Woche ist ihre Konzentration für

In den 1960er Jahren gelang durch Einfüh-rung der Amniozentese mit anschließender Chromosomenanalyse der im Fruchtwasser enthaltenen fetalen Zellen erstmals der Nach-weis chromosomaler Störungen beim ungebo-renen Kind. Allerdings handelt es sich sowohl bei der Amniozentese als auch bei der etwas später entwickelten Chorionzottenbiopsie um invasive Methoden mit dem Risiko, den Feten zu schädigen bzw. einen Abort zu induzieren. Daher sollte diese Diagnostik möglichst gezielt nur bei Schwangeren mit erhöhtem Risiko für eine kindliche Chromosomenstörung durch-geführt werden. In den 1990er Jahren began-nen Versuche, fetales Erbgut nicht-invasiv aus dem mütterlichen Blut zu analysieren. Einen wichtigen Meilenstein stellte 1997 die Entdeckung von frei im mütterlichen Blut zirkulierender fetaler DNA dar. 2008 wurde erstmals der Nachweis einer Trisomie 21 aus zellfreier fetaler DNA in mütterlichem Blut publiziert. Das war die Geburtsstunde der nicht-invasiven pränatalen Testung (NIPT*). Heute stehen hocheffiziente Testmethoden zur Verfügung, die – sinnvoll und kompetent ein-gesetzt – die moderne Schwangerenbetreuung wertvoll unterstützen.

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Fetale ChromosomenstörungenMöglichkeiten und Limitationen der NIPTDr. Kai Lüthgens, Labor Enders, Stuttgart

Medizin | Fetale Chromosomenstörungen | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

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ein valides Screening auf chromosomale Störungen ausreichend hoch.

O Mütterliches Gewicht: Die Größe der Plazenta ist gewichtsunabhängig, daher verteilt sich die gleiche Menge cffDNA bei Schwangeren mit hohem Körper-wicht auf ein größeres Volumen als bei Frauen mit niedrigerem Körpergewicht.6

O Circadianer Rhythmus

Methoden der NIPTDerzeit sind im Wesentlichen drei Metho-den für die cffDNA-Analyse im Einsatz:O Beim rMPS- (bzw. MPSS-)Verfahren

(Glossar) werden sämtliche vorhandenen DNA-Bruchstücke aus dem mütterli-chen Plasma zunächst vervielfältigt und danach sequenziert – ohne Unterschei-dung zwischen fetaler und maternaler DNA. In einem komplexen biomathe-matischen Verfahren werden die DNA-Fragmente anschließend einem Chro-mosom zugeordnet und quantifiziert. Da bei Trisomie drei statt zwei Exemplare eines bestimmten Chromosoms vorhan-den sind, steigt der Gehalt der fetalen DNA des betreffenden Chromosoms um 50 %. Beträgt die Fetal Fraction z. B. 10 %, erhöht die fetale Trisomie den cffDNA-Gehalt für dieses Chromosom im mütterlichen Blut um 5 %.

O Bei der zielgerichteten (targeted) NIPT werden nur DNA-Abschnitte vervielfäl-tigt, welche für ein bestimmtes Chro-mosom spezifisch sind. Anschließend

erfolgen auch hier Zählung, Vergleich mit Referenzchromosomen und eine Plausibilitätsprüfung, ob die gefundene zusätzliche Menge an Chromosomen-spezifischer DNA mit der zuvor ermit-telten Fetal Fraction übereinstimmt. Aufgrund der Vorselektion der unter-suchten, Chromosomen-spezifischen Sequenzen reduziert sich der Aufwand, daher kann die Sequenzierungstiefe (Glossar) der targeted NIPT höher sein als bei den rMPS-/MPSS-Verfahren, was theoretisch die Genauigkeit der Methode erhöht. Die Microarray-Technologie (Glossar) verwendet dieselben, vor- ab definierten DNA-Sequenzen wie früher die Sequenzierung, allerdings erfolgt anstelle der Sequenzierung eine Microarray-Analyse. Der Vorteil ist eine deutlich kürzere Analysezeit bei offenbar mindestens gleich hoher Aussagekraft.7

O Bei der „SNP-basierten“ NIPT werden Variationen einzelner Basenpaare in der DNA, sog. SNPs (single nucleotid polymorphism) untersucht. Es gibt Verfahren, die mehr als 10 000 SNPs analysieren. Das sind deutlich mehr als z. B. im Harmony-Test (Ariosa/Roche) welcher 576 SNPs verwendet. Die höhere Anzahl untersuchter SNPs führt jedoch nicht zu einer weiteren Verbesserung der ohnehin schon hohen Genauigkeit der Testverfahren.8

Aufgrund des interindividuell stark unter-schiedlichen Gehaltes an cffDNA im müt-terlichen Blut ist die Kenntnis der Fetal Fraction für die Testauswertung von großer Bedeutung. Bei einer Fetal Fraction von 10 % beträgt die Zunahme an Chromosomen-spe-zifischer Information im Falle einer fetalen Trisomie im mütterlichen Blut noch 5 %. Bei abnehmender Fetal Fraction geht die Zunahme einer Chromosomen-spezifischen DNA irgendwann im Grundrauschen unter, dies ist typischerweise bei unter 4 % der Fall. Wurde die Fetal Fraction zuverlässig bestimmt, können moderne Algorithmen den niedrigen cffDNA-Gehalt berücksichti-gen und die Trennschärfe des Tests wesentlich verbessern. Bei fehlender Kenntnis der Fetal Fraction hingegen nimmt die Trennschärfe bei niedrigem cffDNA-Gehalt deutlich ab.9

Studien- und Datenlage zur NIPTTrisomie 21: Mittlerweile wurde die sehr gute Performance der NIPT für die Erken-nung der Trisomie  21 in zahlenreichen Publikationen, davon etlichen klinischen, prospektiven Studien, dokumentiert. Im kli-nischen Alltag bzw. im Beratungsgespräch mit der Schwangeren kann von einer Erken-nungsrate von 99 % ausgegangen werden. Gleichzeitig erreicht die NIPT mit ca. 0,1 % für die Trisomie 21 eine etwa 50-fach niedri-gere Falsch-Positiv-Rate auf, verglichen mit dem klassischen Ersttrimester-Screening (Nackentransparenz, PAPP-A und freies ß-hCG).

Fetale Chromosomen- störungen treten mit zunehmendem Alter der Mutter häufiger auf.

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Bislang gibt es nur wenige Studien in Kol-lektiven mit normalem Risiko für eine Triso-mie  21.10,11 In der ersten ausreichend großen Normalrisiko-Kollektiv-Studie („NEXT“-Studie) mit 15 841 auswertbaren Schwan-gerschaften11 zeigte der Harmony-Test O eine Falsch-Positiv-Rate von nur 0,06 %, O in der ROC-Analyse eine AUC von 0,999

(Glossar).

Trotz der nahezu 100%igen Trennschärfe für das Erkennen einer fetalen Trisomie 21 sollte die NIPT nicht als diagnostisches, sondern als Screening-Verfahren angesehen wer-den, da falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse (wenn auch selten) vorkommen können.

Andere chromosomale Störungen: Weitere fetale Aneuploidien betreffen die Chromo-somen 18 und 13 sowie geschlechtschromo-somale Störungen. Die durchschnittlichen Erkennungsraten der NIPT betragen:O ca. 97 % für die Trisomie 18O ca. 92 % für die Trisomie 13O ca. 93 % für X/Y-chromosomale

Störungen.

Die Falsch-Positiv-Raten für die Triso-mien 13 und 18 lagen in der NEXT-Studie für den Harmony-Test mit 0,01 % und 0,02 % ebenfalls extrem niedrig.11

Während die Gesamtzahl der in publizier-ten Studien untersuchten Trisomie-18-Fälle für eine zuverlässige Aussage zur Detek-

tionsrate ausreicht, trifft das auf die Triso-mie  13 bislang nicht zu, da aufgrund des relativ seltenen Auftretens dieser Chro-mosomenstörung Studien mit ausreichend großen Fallzahlen fehlen.

Ein Grund für die im Vergleich zur Triso-mie 21 niedrigeren Erkennungsraten ist die Tatsache, dass die Trisomien 13 und 18 zu etwa 70 % als plazentare Mosaike (Glossar) vorliegen,12 welche durch NIPT grundsätz-lich schlechter als vollständige Trisomien erkannt werden. Da die Quelle der cffDNA die Plazenta ist, führt ein dort vorliegendes Mosaik zu einem eventuellen Übersehen einer beim Feten vollständig ausgeprägten Trisomie.

Auch für geschlechtschromosomale Stö-rungen liegen aktuell noch zu wenige Stu-diendaten vor. Erste Publikationen zeigten eine durchschnittliche Erkennungsrate von ca.  93 % bei einer Falsch-Positiv-Rate von 0,14 %.13,14

Bei dichorialen (zweieiigen) Zwillings-schwangerschaften rechtfertigt die derzei-tige Datenlage kein Aneuploidie-Screening mittels NIPT.15 Für dichoriale Geminigra-viditäten mit einem abgestorbenen Fetus („vanishing twin“) bietet das NIPT-basierte Screening ebenfalls nicht die gleiche Ergeb-nisqualität wie bei einer Einlingsschwanger-schaft. Da die zellfreie DNA des abgestor-benen, nicht selten von einer Aneuploidie betroffenen Feten aufgrund der teilweise

persistierenden Plazenta weiterhin im müt-terlichen Kreislauf zirkuliert, ist die Trenn-schärfe bei diesen Schwangerschaften deut-lich reduziert. Hier ist das sonographische Ersttrimester-Screening zu bevorzugen.

grenzen der NIPTChromosomale Störungen des Feten machen bei Geburt nur etwa 8 % der schweren Fehlbildungen aus.16 Selbst eine sehr ausgereifte Screening-Technologie wie die NIPT erfasst daher insgesamt nur einen kleinen Teil der schweren kongeni-talen Fehlbildungen. Aus diesem Grunde kann die NIPT eine ausführliche pränatale bildgebende Diagnostik, wie sie zurzeit im Rahmen des Ersttrimester-Screenings oder im Rahmen des feindiagnostischen Ultra-schalls erfolgt, nicht ersetzen.

erkennung von Mikrodeletionen Bei chromosomalen Mikrodeletionen han-delt es sich um den Verlust von einigen hunderttausend bis wenigen Millionen Basenpaaren des Chromosoms. Die resul-tierenden Syndrome stellen in der Regel seltene, komplexe Erkrankungen dar. Der Nachweis von Mikrodeletionen erfolgt bei begründetem klinischem Verdacht mittels FISH (Glossar) oder Array-CGH (Glossar) aus dem Fruchtwasser.

Prinzipiell ist ein diesbezügliches Screening mittels NIPT aus dem mütterlichen Blut möglich, wenn Genlocus und Aberration klar umschrieben sind und die Krankheits-prävalenz ausreichend hoch ist. Die meis-ten Mikrodeletions-Syndrome sind jedoch sehr selten, daher muss die Sinnhaftigkeit eines entsprechenden Screenings hinter-fragt werden. Liegt beispielsweise die Prä-valenz eines Syndroms bei 1:50 000 (d. h. bei 50 000 Schwangerschaften ist ein Kind betroffen), treten bei 50 000 untersuchten Schwangeren und einer Falsch-Positiv-Rate von 0,2 % 100 falsch auffällige Testergebnisse auf. Somit läge bei 101 auffälligen Tests nur bei einem Feten tatsächlich eine Erkrankung vor (positiver Vorhersagewert 0,99 %). Als

Trisomie 21 – häufigste fetale

Chromosomenstörung.

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Medizin | Fetale Chromosomenstörungen | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

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Literatur 1 Nicolaides KH: Am J Obstet Gynecol (2004); 191:45–67 2 Kagan KO et al: Ultrasound Obstet Gynecol (2009);

34:14–18 3 Lo YM et al: Lancet (1997); 350:485–487 4 Fan HC et al: Proc Natl Acad Sci USA (2008); 105:

16266–16271 5 Alberry M et al: Prenat Diagn (2007); 27:415–418 6 Wang E et al: Prenatal Diagnosis (2013); 33:662–666 7 Juneau K et al: Fetal Diagn Ther (2014); 36:282–286 8 Kozlowski P: Ultraschall in Med (2018);

doi:10.1055/a-0631–8898 [Epub ahead of print]) 9 Kagan KO et al: Ultraschall Med (2014); 35:229–236 10 Bianchi DW et al: N Engl J Med (2014); 370:799–808 11 Norton ME et al: N Engl J Med (2015); 372:1589–1597 12 Kalousek DK et al: Am J Hum Genet (1989); 44:338–343 13 Gil MM et al: Ultrasound Obstet Gynecol 2017; 50:

302–3143 14 Nicolaides KH et al: Fetal Diagn Ther (2014); 35:1–6 15 Gil MM et al: Fetal Diagn Ther (2014); 35:204–211 16 Eurocat-Register: www.eurocat-network.eu/accesspreva-

lencedata/prevalencetables 17 Bartlett LA et al: Obstet Gynecol (2004); 103:729–737 18 Nicolaides KH: Prenat Diagn (2011); 31:3–6

Korrespondenzadresse

Dr. med. Kai Lüthgens Leiter Endokrinologie und Pränatales Screening im Labor Prof. G. Enders und Kollegen, MVZ Rosenbergstraße 85 70193 Stuttgart [email protected] www.labor-enders.de

Konsequenz sollte derzeit allenfalls auf die Syndrome gescreent werden, deren Präva-lenz ≥ 1:5 000 beträgt. Dies ist z. B. für das DiGeorge-Syndrom (22q11.2) der Fall.

NIPT in der PraxisAufgrund des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Ersttrimester-Screening wird die NIPT derzeit überwiegend gegen Ende des ersten Trimenons durchgeführt. Grundsätzlich wäre auch eine spätere Anwendung denkbar – z. B. bei Auffälligkeiten im Feinultraschall um die 20.  Schwangerschaftswoche. Die meisten Schwangeren wollen jedoch das Screening auf Chromosomenstörungen nach Abschluss des ersten Trimenons beendet sehen.17

NIPT ist in Deutschland derzeit keine regel-hafte Leistung der gesetzlichen Krankenkas-

sen, die Kosten müssen von gesetzlich ver-sicherten Schwangeren in aller Regel selbst getragen werden.

Eine NIPT sollte in eine ausführliche Ultra- schalluntersuchung eingebettet werden. Durch das heutige Ersttrimester-Screening lässt sich etwa die Hälfte der schweren Fehlbildungen erkennen. Eine Beschrän-kung auf das NIPT-basierte Screening würde der modernen Schwangerschafts-betreuung nicht gerecht.18 Dennoch stellt die NIPT durch ihre hohe Sensitivität und Spezifität, gerade für die Trisomie 21, ein aus der Pränataldiagnostik nicht mehr wegzudenkendes Verfahren dar. Mit ihrer Hilfe lässt sich insbesondere die Zahl der notwendigen invasiven Eingriffe drastisch reduzieren.

glossar

O Array-CGH (array-based comparative geno-mic hybridisation): Simultane Hybridisierung von fluoreszenzmarkierter Patienten- und Kontroll-DNA auf einem Trägerchip mit DNA-Fragmenten

O AUC (area under the curve) in der ROC (receiver-operating characteristics)-Analyse: Maß für die Güte eines Trennverfahrens. AUC=1 bedeutet vollständige Differenzierung zwischen Betroffenen/Kranken und Nicht-Betroffenen/Gesunden. AUC=0 bedeutet, dass das Verfahren keinerlei Aussage besitzt.

O FISH: Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, um Nukleinsäuren z.B. auf Metaphase- Chromosomen nachzuweisen.

O Micro-Arrays: „Genchips“ mit angebrachten Sonden. Ermöglicht die parallele Analyse von

mehreren tausend Einzelnachweisen in biologischem Probenmaterial.

O MPSS (massively parallel shotgun sequen-cing) / rMPS (random massively parallel sequencing): Hochdurchsatzmethoden (next-generation sequencing / NGS) der DNA-Sequenzierung.

O Plazentare Mosaike: Unterschiedliche Chro-mosomenausstattung von Zellen innerhalb der Plazenta bzw. zwischen Plazenta und Fetus als Resultat von Mutationen nach Bil-dung der Zygote.

O Sequenzierungstiefe: Häufigkeit, mit der der-selbe DNA-Abschnitt während einer Sequen-zierung abgelesen wird („reads“). Sie beträgt mehrere Millionen Mal und kann bei der NIPT typischerweise bis zu 30 Mio. Reads betragen.

* NIPT: Synonym verwendete Abkürzung für nicht-invasiven pränatalen Test, nicht-invasive pränatale Testung und non-invasive prenatal testing

Amniozentese mit Chromosomenanalyse aus dem Fruchtwasser. NIPT reduziert die Notwendigkeit invasiver Eingriffe drastisch.

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Tuberkulose in DeutschlandPD Dr. med. Florian P. Maurer

epidemiologische SituationIm Jahr 2017 wurden in Deutschland 5486 Tuberkulose-Fälle gemeldet, entsprechend einer Inzidenz von 6,7 Erkrankungen pro 100 000 Einwohnern. Vorausgegangen war ein kontinuierlicher Rückgang der Melde-zahlen in den Jahren 2002 bis 2012, gefolgt von einer zunächst leichten (2013, 2014) und dann deutlichen Zunahme im Jahr 2015. Nach weitgehend unveränderter epidemiologischer Situation im Jahr 2016 waren die Erkrankungs-zahlen 2017 erstmals wieder rückläufig aber weiterhin auf einem erhöhten Niveau (Abb. 1).

Die vermehrt registrierten Erkrankungszahlen seit 2015 stehen auch in Zusammenhang mit der gesetzlich vorgeschriebenen aktiven Fall-findung bei Flüchtlingen und Asylsuchenden nach §36 Infektionsschutzgesetz (10,5 % aller Neudiagnosen). Der Anteil der durch Umge-bungsuntersuchungen nachgewiesenen Neu-erkrankungen lag 2017 bei 6,0 % (280 Fälle). Er ist insbesondere bei Kindern anhaltend hoch (48,3 %). Festzuhalten bleibt jedoch auch, dass etwa vier von fünf Tuberkulosefällen in Deutschland nach wie vor durch passive Fall-findung entdeckt werden, also durch die Abklä-rung tuberkuloseverdächtiger Symptome.

Abb. 2 zeigt die Zahl der gemeldeten Tuber-kulose-Erkrankungen pro 100 000 Einwoh-ner im Jahr 2017 nach Alter und Geschlecht. Wie in den vergangenen Jahren erkrankten männliche Personen häufiger (67,4 %). Die Altersverteilung bei deutschen und auslän-dischen Staatsbürgern weist deutliche Unter-schiede auf. Bei ausländischen Staatsange-hörigen sind vor allem junge Erwachsene zwischen 15 und 29 Jahren betroffen, das Maximum liegt bei den 15 bis 19-Jährigen (Inzidenz 104,2). Demgegenüber steigen die Erkrankungsfälle bei Deutschen erst ab einem Alter von 20 Jahren (Inzidenz 1,6) langsam an und erreichen bei den > 79-Jäh-rigen ihr Maximum (Inzidenz 5,6). Dieser Unterschied spiegelt sich im Altersmedian der Erkrankung wider: 27 Jahre bei auslän-discher vs. 60 Jahre bei deutscher Staatsan-gehörigkeit. Insgesamt ist die Inzidenz der Tuberkulose in der ausländischen Bevölke-rung etwa 18-fach höher als bei deutschen Staatsangehörigen.

Im Jahr 2017 erkrankten 238 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren (4 % mehr als im Vorjahr) an einer Tuberkulose. Dies ent-spricht einer Inzidenz von 2,2 Erkrankungen

Mit 1,7 Millionen Todesfällen pro Jahr gehört die Tuberkulose zu den zehn häufigsten Todes-ursachen weltweit. Sie steht aktuell hoch auf der politischen Agenda. Auch in Deutschland ist die Erkrankung trotz moderner, flächen- deckend verfügbarer Diagnostik und sehr guter Behandlungsmöglichkeiten weiterhin von Bedeutung. Besonders Erreger mit einer Resistenz gegenüber dem Erstlinienantibio-tikum Rifampicin stellen betreuende Ärzte vor große Herausforderungen. Darüber hinaus gewinnt die latente Infektion mit Tuberkuloseerregern nicht zuletzt durch den zunehmenden Einsatz von Biologika wie TNF-alpha-Blockern an Bedeutung. Neben den Tuberkuloseerregen spielen einige nicht-tuberkulöse Mykobakterien beispielsweise wegen ihrer intrinsischen Resistenz gegenüber üblichen Antibiotika klinisch eine ernstzuneh-mende Rolle. Molekularbiologische Diagnos-tikverfahren helfen, Erreger rasch zu identifi-zieren und resistenzvermittelnde Mutationen in deren Erbgut früher zu erkennen als kultur-basierte Testmethoden. Dadurch ergibt sich ein deutlicher Zeitgewinn im Hinblick auf die Sicherung der Diagnose und die Einlei-tung einer wirksamen antimykobakteriellen Kombinationstherapie.

Medizin | Tuberkulose in Deutschland | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019sh

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pro 100 000 Kinder. Besonders bei jungen Kindern stehen Infektion und Erkrankung häufig in engem zeitlichem Zusammen-hang und es zeigen sich vermehrt schwere Krankheitsverläufe. 2017 hatten vier Kinder unter fünf Jahren eine ZNS-Beteiligung (ein Todesfall).

Eine ausführliche Auswertung der Melde-daten liefert der jährliche Bericht zur Epi-

demiologie der Tuberkulose des Robert-Koch-Instituts.1 Auch die Ausgabe 11/2018 des Epidemiologischen Bulletins berichtet über die aktuelle Situation sowie nationale und internationale Herausforderungen in der Bekämpfung der Tuberkulose.2

MedikamentenresistenzenDas vermehrte Auftreten medikamentenre-sistenter Tuberkuloseerreger stellt die glo-

bale Gesundheitsversorgung vor erhebliche Herausforderungen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkrankten im Jahr 2017 weltweit etwa 558 000 Menschen an einer Tuberkulose mit Resistenz gegenüber Rifampicin, der wirksamsten Erstliniensubstanz (RR-TB)3 und 82 % davon zeigten gleichzeitig eine Resistenz gegenüber Isoniazid (multiresis-tente Tuberkulose, MDR-TB).

Knapp die Hälfte aller Fälle von MDR-/RR-TB wurde in drei Ländern registriert: Indien (24 %), China (13 %) sowie in der Russischen Föderation (10 %). Bei circa 8,5 % der MDR-TB Fälle handelte es sich darüber hinaus um eine sogenannte „extensively-drug resistant tuberculosis“ (XDR-TB), verursacht durch Stämme mit weiteren Resistenzen gegenüber Fluorchinolonen und injizier-baren Substanzen (Amikacin, Kanamycin und Capreomycin). Erkrankungen durch diese Erreger benötigen wesentlich komple-xere Kombinationstherapien und deutlich längere Behandlungszeiten (18–20 Monate gegenüber 6 Monaten). Insuffiziente Thera-pien begünstigen eine längere Infektiosität dieser Patienten sowie zusätzliche Resistenz- entwicklungen.

In Deutschland lag der Anteil der MDR-TB im Jahr 2017 bei 3,0 % (109 Fälle), außerdem wurden vier Fälle einer XDR-TB im nationa-len Meldesystem erfasst. Besonders betrof-fen sind Menschen aus den ehemaligen Sow-jetrepubliken: 19,3 % dieser Kohorte wiesen eine MDR-TB auf – knapp 20 x mehr als Patienten, die in Deutschland und ca. 7,4 x mehr als Patienten, die in anderen Ländern geboren sind.

Die frühe Entdeckung von Medikamen-tenresistenzen ist für die Gestaltung wirk-samer Behandlungsregime von zentraler Bedeutung. Die Erreger des Mycobacterium tuberculosis Komplexes (MTBK) eignen sich sehr gut für die Abklärung mittels mole-kulardiagnostischer Techniken, da Resis-tenzen nahezu ausschließlich durch muta-

Medizin | Tuberkulose in Deutschland | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

Abb. 1: Zeitlicher Verlauf (2002–2017) der Tuberkulose-Inzidenz in Deutschland (mod aus 1)

5841 Fälle

5486 Fälle

Jahr

Änderung %

Änderung der Inzidenz zu Vorjahr in %

Inzidenz

Abb. 2: Tuberkulose-Inzidenz 2017 in Deutschland nach Alter und Geschlecht (mod aus 1)

Altersgruppe (Jahre)männlich weiblich

Anteil und Inzidenz gesamtMänner: 67,4 %, 9,1Frauen: 32,6 %, 4,3

Erkrankungen / 100 000 Einwohner (Inzidenz)

Erkrankungen / 100 000 Einwohner

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Medizin | Tuberkulose in Deutschland | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

tionsbedingte Veränderungen der jeweiligen Zielstrukturen entstehen. Insbesondere bei mikroskopisch positiven Befunden sollte daher, ergänzend zur konventionellen kul-turbasierten Diagnostik, die Möglichkeit genutzt werden, durch molekularbiologi-sche Verfahren zeitnah Informationen über eine Rifampicinresistenz und, je nach Test, auch zur Resistenz gegen Isoniazid und wei-tere Medikamente zu erhalten. Unabhän-gig davon ist bei jedem diagnostizierten Tuberkulosefall eine kulturelle Isolierung des Erregers anzustreben, um eine phänoty-pische Resistenztestung und gegebenenfalls Vergleichsanalysen zur Ausbruchsüberwa-chung durchführen zu können.

Therapie der MDR-TbFür die Therapie der MDR-TB ergeben sich aktuell wichtige Änderungen, die auf einer kürzlich veröffentlichten neuen Strategie der WHO beruhen:4

O Für die meisten Patienten wird während des gesamten 18- bis 20-monatigen Behandlungszeitraums ein vollständig orales Antibiotikaregime empfohlen.

O Die zur Verfügung stehenden Substan-zen wurden neu klassifiziert: Bedaquilin und Linezolid gelten nun neben den neueren Fluorchinolonen (Levofloxacin, Moxifloxacin) als priorisierte Substanzen und sollten regelhaft Bestandteil des therapeutischen Regimes sein. Zusätzlich sollten im Standardfall Clofazimin und Cycloserin als vierte und fünfte Substanz zum Einsatz kommen.

O Das Aminoglykosid Amikacin gilt nur noch dann als Alternative, wenn eine der oben genannten Substanzen entfal-len muss. Die injizierbaren Substanzen Kanamycin und Capreomycin werden nicht länger empfohlen.

Die neue Strategie bringt einige Vorteile mit sich, andere Punkte bleiben problematisch:O Die Therapiedauer ist weiterhin sehr lang. O Auch ein rein orales Therapieregime

kann mit erheblichen Medikamenten- unverträglichkeiten einhergehen.

O Es existieren aktuell keine validen Grenzwerte für die Empfindlichkeitsprü-fung von Cycloserin / Terizidon, sodass im Labor keine standardisierte Beurtei-lung einer Resistenz gegenüber dieser wichtigen Substanz möglich ist.5

O Besorgniserregend ist zudem das Auftreten erster MTBK-Stämme mit erhöhten mini-malen Hemmkonzentrationen gegenüber neuesten Substanzen wie Bedaquilin.

Die Betreuung von Patienten mit MDR-TB erfordert auch in Zukunft detaillierte Kennt-nisse über den Erregergenotyp sowie das Zusammenspiel der einzelnen Antibiotika im Rahmen einer Kombinationstherapie. Betroffene Patienten sollten daher weiter-hin in spezialisierten Zentren diagnostisch abgeklärt und behandelt werden.

Nicht-tuberkulöse MykobakterienIm Gegensatz zu den Erregern der Tuber-kulose sind nicht-tuberkulöse Mykobakte-

rien (NTM) in der Öffentlichkeit deutlich weniger präsent und auch wissenschaftlich weitaus schlechter untersucht. Dabei stellen Erkrankungen durch NTM gerade in Län-dern mit niedriger Tuberkuloseinzidenz keine Seltenheit dar. Neben dem MTBK existieren über 160 weitere Mykobakterien-arten mit sehr unterschiedlicher klinischer Relevanz. Abb.  3 zeigt die relativen Häu-figkeiten der im Jahr 2018 am Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Mykobakterien am Forschungszentrum Borstel isolierten Spezies.

Die epidemiologische Situation ist aufgrund der fehlenden Meldepflicht mangelhaft cha-rakterisiert. Studien aus anderen Industrie-nationen und eigene Erfahrungen am NRZ lassen vermuten, dass die Inzidenz von NTM-Infektionen in Deutschland kaum geringer ist als die der Tuberkulose und tendenziell ansteigt.6,7 Das Spektrum der NTM bedingten Erkrankungen ist vielfältig und reicht von Infektionen des Haut- und Bindegewebes (z. B. durch M.  marinum) über Infektionen der Lunge (z. B. durch M. avium oder M. kansasii) bis hin zu schweren generalisierten Verläufen bei immunsuppri-mierten Patienten (z. B. disseminierte M. genavense- und M. xenopi-Infektionen bei HIV-Patienten).

Trotz teils ähnlicher Klinik unterscheiden sich NTM in ihrer Biologie sowohl mit Bezug auf Virulenz- wie auch auf Resis-tenzdeterminanten klar von den Erre-

Anlass zur Sorge: Resistenzen, z. B. gegen Rifampicin, der wirksamsten Erstlinien- substanz, nehmen zu.

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Medizin | Tuberkulose in Deutschland | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

Literatur 1 Robert Koch Institut: Bericht zur Epidemiologie der Tuber-

kulose in Deutschland für 2017. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/T/Tuberkulose/Archiv_Berichte_TB_in_Dtl_tab.html

2 Robert Koch Institut: Epidemiologisches Bulletin 11/12 2018. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/11-12_18.html

3 World Health Organisazion. Global tuberculosis report 2018. Geneva, Switzerland; 2017

4 World Health Organisazion. Rapid communication: key changes to treatment of multidrug- and rifampicin-resi-stant tuberculosis (MDR/RR-TB). Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO

5 World Health Organisation. Technical report on critical concentrations for TB drug susceptibility testing of medi-cines used in the treatment of drug-resistant TB. Geneva, Switzerland; 2018

6 Lai CC, Tan CK, Chou CH, Hsu HL, Liao CH, Huang YT, et al: Emerg Infect Dis [Internet] (2010 Feb); 16(2):294–6. Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pub-med/20113563

7 Adjemian J, Prevots DR, Gallagher J, Heap K, Gupta R, Griffith D: Ann Am Thorac Soc. (2014)

8 Nessar R, Cambau E, Reyrat JM, Murray A, Gicquel B: J Antimicrob Chemother (2012); 67(4):810–8

9 Maurer FP, Bruderer VL, Ritter C, Castelberg C, Bloemberg G V., Böttger EC: Antimicrob Agents Chemother [Internet] [cited 2017 Feb 24] (2014 Jul); 58(7):3828–36. Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24752273

10 van Ingen J, Kohl TA, Kranzer K, Hasse B, Keller PM, Katarzyna Szafrańska A, et al: Lancet Infect Dis [Internet] (2017 Oct); 17(10):1033–41. Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28711585

11 Haller S, Höller C, Jacobshagen A, Hamouda O, Abu Sin M, Monnet DL, et al: Euro Surveill [Internet] (2016 Apr 28); 21(17). Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pub-med/27168588

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Florian P. Maurer Ärztlicher Leiter Diagnostische Mykobakteriologie Nationales Referenzzentrum für Mykobakterien Forschungszentrum Borstel Leibniz Lungenzentrum Parkallee 18 23845 Borstel [email protected]

gern des MTBK. Dies betrifft insbeson-dere die sogenannten schnellwachsenden Mykobakterien (kulturelles Wachstum in < 1 Woche), die beispielsweise eine intrinsische Resistenz gegenüber allen in der Tuberkulosetherapie eingesetz-ten Erstrangmedikamenten aufweisen. Besonders zu erwähnen ist M. abscessus, eine Spezies mit ausgeprägter natürlicher Resistenz gegenüber zahlreichen Antibio-tikaklassen. Infektionen durch M. abscessus gelten als sehr schwierig zu behandeln und betreffen in Deutschland typischerweise Patienten mit Mukoviszidose oder struk-turellen Lungenerkrankungen wie COPD oder Bronchiektasen.8,9

Ein weiteres Beispiel für die vielfältigen klinischen Manifestationen von NTM-Infektionen ist M. chimaera, eine Spezies aus dem M. avium-/M. intracellulare-Kom-plex. Nach ersten Berichten aus der Schweiz von schweren systemischen Infektionen im Rahmen kardiochirurgischer Eingriffe, wurde der Erreger auch in Deutschland mit nosokomialen Infektionen im Rahmen von Operationen am offenen Herzen in Verbin-dung gebracht. Dabei wurden sogenannte „heater-cooler units“ als wahrscheinliche Quelle identifiziert.10,11

SchlussbetrachtungenTuberkuloseüberwachung und -kontrolle sind nicht nur eine Priorität der öffentli-chen Gesundheitsvorsorge in Deutschland. Auch international steht die Tuberkulose so hoch wie nie auf der politischen Agenda: Im Herbst 2018 war sie erstmals Thema in der Generalversammlung der UN. Auch die WHO nimmt sich in mehreren neuen Emp-fehlungen einer Vielzahl von Fragen zur Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung an. Neueste genombasierte Techniken zur Resistenzprüfung und molekularen Surveil-lance bieten die Chance, das bestmögliche Therapieregime schneller zu identifizieren, weiter zu personalisieren und Übertra-gungsereignisse mit größtmöglicher Sensi-tivität zu erfassen.

Atypische Mykobakteriosen sind eine wich-tige Differentialdiagnose bei einer Vielzahl von klinischen Bildern, insbesondere bei Patienten mit entsprechender Prädispo-sition. Ähnlich wie bei der Tuberkulose ermöglichen moderne molekularbiologi-sche Testverfahren auch hier die präzise Erregerdifferenzierung und die molekulare Surveillance. Die Behandlung atypischer Mykobakteriosen erfordert detaillierte Kenntnisse über natürliche und erworbene

Abb. 3: Relative Häufigkeit der im Jahr 2018 am Nationalen Referenzzentrum Borstel isolierten, nicht-tuberkulösen Mykobakterienspezies (eigene Daten)

Resistenzen im nachgewiesen Erregerisolat. Insbesondere schwere Infektionen sollten daher, wie auch die MDR-TB, stets in enger Abstimmung mit Spezialisten durchgeführt werden. Nur so lässt sich das Risiko für die Entstehung weiterer Medikamentenresisten-zen minimieren.

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Hochsensitiver Mykobakterien-Nachweis

von Mykobakterien und Probenmatrix sowie die selektive Dual-Target-Amplifikation der 16S-rRNA- und der multicopy esx-Gene. Diese hohe Sensitivität ist ein deutlicher Vorteil gegenüber dem zwar schnellen, aber recht insensitiven Färbenachweis im Mikroskop mit der Gefahr falsch negativer Ergebnisse.

In einem Panel von 178 Bakterien, Pilzen und Viren führte keiner der Organismen zu einem falsch positiven Ergebnis, die analy-tische Spezifität des cobas® MTB Testes ist damit ebenfalls sehr hoch.2

Während bei Kulturansätzen die Wartezeit auf das Ergebnis bis zu mehreren Wochen dauern kann, liefert die vollautomatisierte Analyse auf den cobas®  6800/8800 Syste-men bereits nach ca. drei Stunden den mit-tels diverser Kontrollen validierten PCR-Befund.2

Zwei zukünftige Mykobakterien-Tests, eben-falls für die cobas® 6800/8800 Systeme, bieten weitere Möglichkeiten zur vollautomatisier-ten Tuberkulosediagnostik: O Nachweis von mykobakteriellen Resis-

tenzen gegen die Antibiotika Rifampicin und Isonicotinsäurehydrazid (Isoniazid)

O Nachweis von atypischen Mykobakterien als Verursacher tuberkuloseähnlicher Mykobakteriosen.

Mykobakterien aus dem sog. Mycobacterium tuberculosis-Komplex sind die Verursacher der Lungentuberkulose – einer der weltweit häufigsten Infektionskrankheiten. Bei ins-gesamt geringen Fallzahlen in Deutschland stieg die Inzidenz der Erkrankung mit der großen Anzahl Geflüchteter im Jahr 2015 auf einen vorläufigen Höchststand und lag nach den Erhebungen des Robert Koch Instituts auch 2017 noch auf einem höheren Niveau verglichen mit den Jahren vor 2015.1 Wegen der großen Ansteckungsgefahr der offenen Tuberkulose sollten infizierte Patienten möglichst frühzeitig diagnostiziert, isoliert und therapiert werden. Seit Ende 2018 ist auf den cobas® 6800 und 8800 Systemen ein hochsensitiver MTB-Test verfügbar.

Der qualitative cobas® MTB Test detektiert auf Basis der Real-Time-PCR die DNA von Mykobakterien, die zum Mycobacterium tuberculosis-Komplex gehören (10 Mitglie-der). Für den Nachweis eignen sich respira-torische Humanproben wie NALC-NaOH-behandeltes Sputum bzw. Bronchiallavage sowie unbehandeltes Sputum.2

Das Verfahren des cobas® MTB Testes erreicht mit einer Nachweisgrenze von 0,9–8,8 CFU/ml (abhängig von Spezies und Probenmaterial) eine sehr hohe Sensitivi-tät.2 Grundlagen dafür sind der chemische, enzymatische und physikalische Aufschluss

Produkte und Services | Hochsensitiver Mykobakterien-Nachweis | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019sh

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Dr. Andrea Hülsen Produktmanagement und Marketing Molecular Solutions 0621 759-8622 andrea.huelsen @roche.com

Quellen 1 Robert Koch Institut: Bericht zur Epidemiologie der Tuber-

kulose in Deutschland für 2017. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/T/Tuberkulose/Archiv_Berichte_TB_in_Dtl_tab.html

2 Packungsbeilage cobas® MTB Test 2018

Glossar

O CFU/ml (Colony forming unit / ml): Größe für die Quantifizierung von Bakterien, wenn die Zahl teilungsfähiger Zellen im Ausgangsmaterial über die Menge in Kultur gewachsener Kolonien bestimmt wird.

O NALC-NaOH (N-Acetyl-L-cystein/NaOH): Lösung zur Verflüssigung des Probemate-rials und Abtötung der darin enthaltenen Bakterienflora. Mykobakterien überleben diesen Prozess.

O 16S-rRNA-Gen: codiert für die kleine Untereinheit des prokaryotischen Ribo-soms. Die Gene enthalten neben hochkon-servierten auch hypervariable Regionen, mit denen Bakterien Spezies-spezifisch identifiziert werden können.

O esx-Gene: liegen als Genfamilie in viel-facher Kopienzahl im Genom vor (mul-ticopy). Die codierten Proteine werden sezerniert und schützen das Mykobakte-rium vor dem Immunsystem.

O Mycobacterium tuberculosis-Komplex: Gruppe eng verwandter Spezies, die bei Menschen und Tieren krankheitserregend sind und überwiegend zur Lungentuberku-lose führen.

O Offene Tuberkulose: Entzündungsherd in der Lunge, den das Immunsystem im Gegensatz zur latenten Tuberkulose nicht vollständig unter Kontrolle bringen kann. Infizierte Personen setzen die Erreger beim Husten frei und gelten als hoch ansteckend.

Alle drei Tests sind so aufeinander abge-stimmt, dass sie auf den cobas® Systemen aus derselben Patientenprobe und gemein-sam im „mixed testing“ durchgeführt wer-den können.

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resultiert ein gemeinsam vereinbarter Behandlungsplan.1 Ziel der Tumorbords ist, dass die Versorgung jedes Patienten best-möglich abgestimmt ist und nach aktuellen Standards erfolgt.

Zentrale Daten, effizienter WorkflowKrankenhäuser verwalten immer größere Datenmengen. Diese sind meist in unter-schiedlichen IT-Systemen hinterlegt und lassen sich anschließend wegen technischer und/oder struktureller Unvereinbarkeiten oft nicht konsolidiert verwenden. Diese Schwierigkeit betrifft z. B. den derzeitigen Vorbereitungsprozess von Tumorboards. Die zur Besprechung notwendigen patien-tenspezifischen Daten müssen isoliert aus diversen Datenbanken oder Quellensyste-men gesammelt und für das Tumor Board in ein präsentables Format zusammen-gestellt werden.1 Oftmals handelt es sich um eine komplexe, wenig systematische „Zettelwirtschaft“. Die potentiellen Gefah-ren: übersehende, doppelte oder veraltete Informationen und/oder missverständliche Befundinterpretationen.1

An die NAVIFY® Plattform lassen sich sämtliche Systeme einer Klinik anschlie-ßen und auf diese Weise Daten automati-siert verwalten. Für das Tumorboard kön-nen die benötigten patientenindividuellen Befunde O einfach zusammengestellt O systematisch aufbereitet und

hochgeladenO über einen gemeinsamen Bildschirm

zeitgleich von allen Teammitgliedern beurteilt werden.

Anfang 2020 wird eine weitere App die Möglichkeit bieten, die zentralisierten Daten eines Patienten auch in zeitlicher Abfolge miteinander zu vergleichen, um daraus evtl. behandlungsrelevante Muster zu erkennen.

Die NAVIFY® Tumor Board-Solution bietet einen kollaborativen End-to-End-Workflow. Sie optimiert Koordination, Planung, Präsentation und Dokumentation von Informationen für multidisziplinäre Besprechungen. Das spart allen Beteilig-ten in der Vorbereitung wertvolle Zeit.1 Mit wenigen Klicks kann der behandelnde Arzt dann entscheiden, welche Informa- tionen (grafisch aufbereitet) im Tumor-board vorgestellt und besprochen werden. Auch die Dokumentation der weiteren Behandlungsschritte erfolgt unmittelbar und direkt über NAVIFY®.

„NAVIFY® Tumor Board“ heißt die cloud-basierte Applikationsplattform von Roche für onkologische Einrichtungen. Hinter dem Namen steht eine intelligente Software, die Ärzte fachübergreifend im Kontext onkolo-gischer Fallbesprechungen unterstützt. Die Abstimmung im Tumorboard zur weiteren Behandlung von Krebspatienten kann mit NAVIFY® strukturierter und transparen-ter erfolgen. Darüber hinaus erleichtern „Clinical Decision Support Apps“ aus dem NAVIFY®-Portfolio die therapeutische Ent-scheidungsfindung für den individuellen Patienten.

Bei der zeitgemäßen Behandlung von Tumorpatienten arbeitet ein interdiszipli-näres Ärzteteam (z. B. Onkologe, Chirurg, Pathologe, Radiologe) zusammen. Auf der Suche nach dem bestmöglichen individu-ellen Patientenmanagement treffen sich in zertifizierten Tumorzentren regelmäßig fachübergreifende Teams zu sog. Tumor-boards. In diesen gesetzlich verankerten Konferenzen werden der Gesundheitszu-stand, aktuelle und evtl. zurückliegende diagnostische Ergebnisse (z. B. aus der Pathologie und/oder der Radiologie) und Therapiemöglichkeiten für jeden Krebspa-tienten ausgetauscht und aus unterschied-licher Expertensicht beurteilt. Daraus

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Tumorboard 2.0Mehr Struktur und Effizienz für multidisziplinäre Ärzteteams

Produkte und Services | Tumorboard 2.0 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

„Die Chancen der datengetriebenen per-sonalisierten Medizin sind, dass man, basierend auf weltweit verfügbaren Datensätzen, eine bessere Medizin macht.

Im klinischen Alltag haben Sie 70 Sekun-den Zeit für die Diskussion im Tumor-board. Vor diesem Hintergrund sollen wir immer mehr Daten liefern von immer kleineren Biopsien in immer kürzerer Zeit. Das ist der Grund, warum wir nach modernen Tools suchen, mit denen wir all diese umfänglichen Datensätze möglichst rasch und qualitativ hochwertig zum Wohle unserer Patientinnen und Pati-enten verwenden können. Es ist wirklich gut und wichtig, dass Roche sich auf diese langwierigen Bestrebungen vorbereitet.“

Prof. Dr. Dr. Johannes HaybäckDirektor des Instituts für Pathologie Universitätsklinikum Magdeburg

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entscheidungsfindung unterstützenÜber den strukturierten Workflow hinaus unterstützt das NAVIFY®-Portfolio die the-rapeutische Entscheidungsfindung. Aktuell verfügbar sind dazu zwei Apps:O „NAVIFY® Clinical Trial Match“: durch-

sucht auf Grundlage patientenspezifi-scher Angaben (z. B. Alter, Geschlecht, Biomarker, diverse Tumorcharakteris-tika) elf internationale Studienregister und eröffnet Patienten potenziell die Aufnahme in laufende Studien.

O „NAVIFY® Publication Search“: bietet, ebenfalls basierend auf den Patientenda-ten, Zugriff auf die aktuelle klinisch und therapeutisch relevante onkologische Fachliteratur aus renommierten Quellen (z. B. PubMed, AACC-Register).

Beide „Clinical Decision Support Apps“ ermöglichen auch den Zugang zu Quellen mit realen Gesundheitsdaten („real world data“).

Weitere Anwendungen sind geplant, z. B. eine Leitlinienrecherche, die mit Patienten-daten gekoppelt werden kann. Alle Anwen-dungen sind komplett in den NAVIFY®-Workflow integriert und lassen sich im Echtzeitzugriff einfach aus dem Dashboard heraus verwenden.

In der Regel bleiben für eine individu-elle Fallbesprechung im Tumorboard nur wenige Minuten. Vom strukturierten und transparenten Vorgehen dort sowie ggf. aktuell abgesicherten Therapieentschei-dungen profitieren sowohl Ärzte als auch Patienten. NAVIFY® Tumor Board und diverse Clinical Decision Support Apps der NAVIFY® Plattform bieten hierfür einen erheblichen Mehrwert.

Literatur 1 Krupinski eA et al: A New Software Platform to

Improve Multidisciplinary Tumor Board Workflows and User Satisfaction: A Pilot Study: J Pathol Inform (2018); 9: 26-32

Marie-Luise Kriebitzsch Digital Business Managerin 0173 5861-239 marie-luise.kriebitzsch @roche.com

Produkte und Services | Tumorboard 2.0 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

Für Sie gelesen

NAVIFY Tumor Board – zufriedene Anwender

Tumorboards sind weltweit eine feste Kompo-nente in der Onkologie. Eine aktuelle Umfrage bei Teilnehmern von Tumorboards suchte nach Optimierungspotential für diese Meetings. Einer der dringlichsten Vorschläge betraf eine verbesserte Infrastruktur mit fortschrittlichen Systemen, um die Vorbereitung und Doku-mentation zu erleichtern, da der Workflow oftmals als zeitraubend und umständlich wahr-genommen wird. Das Problem: Die Fachspezi-alisten arbeiten an einem Patientenfall unab-hängig voneinander und aggregieren relevante Informationen in verschiedenen Medien. Das beinhaltet z. B. Papiernotizen, Computeraus-drucke, Screenshots, Powerpoint-Dateien und Bilder, die in das Präsentationdokument ein-kopiert werden.

Die Pilotstudie am Hospital del Mar (Bar-celona)1 bewertete die Navify Tumor Board Solution für die Vorbereitung von Brust-krebsfällen im Tumorboard und verglich diesen Workflow mit dem herkömmlichen Prozess. Es handelte sich um eine Beob-achtungsstudie von jeweils zwei Chirurgen, Onkologen, Pathologen und Radiologen, die regelmäßig am Brustkrebs-Tumorboard der Klinik teilnehmen. Die Experten wurden während ihrer Vorbereitung von entspre-chend trainierten, wissenschaftlichen Mit-arbeitern beobachtet. Diese dokumentierten für jeden Fall, jeden Experten und jeden

Workflow, welche Tätigkeiten anfielen und wie hoch der jeweilige Zeitbedarf war. Ins-gesamt wurden 41 Vorbereitungsprozesse beobachtet. Um Verzerrungen durch Fallva-riationen zu reduzieren, wurde jeder Fall erst mit der herkömmlichen Methode und dann mit Navify prozessiert. Dazwischen lagen mehrere Wochen, um „Erinnerungsverzer-rungen“ zu vermeiden.

Zeitbedarf: Für Onkologen, Radiologen und Chirurgen lag der Zeitbedarf mit der Navify-Lösung signifikant niedriger, bei Pathologen gleich auf (Tab. 1).

Der Wert eines zeitlich optimierten und stan-dardisierten Vorbereitungsprozesses zeigt sich im klinischen Alltag, wo Tumorboards pro Fachrichtung in größeren Einheiten mehr-mals wöchentlich stattfinden und dafür von verschiedenen Experten jeweils etliche Fälle vorbereitet und beurteilt werden müssen.

Zufriedenheit: Vor Beginn der Studie soll-ten die Teilnehmer (s. o.) über eine Online-Umfrage bewerten, wie zufrieden sie mit ihrem derzeitigen Vorbereitungsprozess sind. Nach Anwendung der Navify Software erfolgte die identische Umfrage noch einmal. Die Auswertung ergab eine klare Steigerung der Zufriedenheit bei Anwendung der Navify Tumor Board Solution (Abb. 1).

Tab. 1: Mittlere Vorbereitungszeit pro Fall (brustkrebs) für das Tumorboard in Abhängigkeit von der ärztlichen Fachrichtung und dem Workflow1

experteHerkömmlicher

Prozess Zeit (Mittelwert)

Workflow mit Navify Tumor board Solution

Zeit (Mittelwert)Signifikanz

Onkologe 3:52 min 1:48 min p < 0,0001Pathologe 0:32 min 0:36 min nicht signifikantRadiologe 6:16 min 5:29 min p < 0,0001Chirurg 4:10 min 3:50 min p < 0,0001

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aktueller Prozess mit Navify Software

Abb. 1: Zufriedenheit mit dem aktuellen Prozess und der Navify Tumor board Solution1

Sehr zufrieden

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Neutral Moderatunzufrieden

Sehrunzufrieden

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O Fallmanagement und Vernetzung inner-halb der Pathologie sowie über meh-rere Standorte und räumlich entfernte Arbeitsplätze hinweg

O Automatisierte Bildanalyse auf Basis von Algorithmen.

Komfortable SchnittanalyseEine der Hauptfunktionen von uPath ist das Organisieren, Betrachten und Analysieren digitalisierter Schnitte. Für eine leich-tere Diagnosestellung bietet die Software umfangreiche Anpassungsmöglichkeiten, wodurch sich der Workflow anwenderin-dividuell gestalten lässt.

Ein Element von uPath ist der Multi-Slide Image Viewer. Dieser erlaubt, mehrere Schnitte, z. B. mit unterschiedlichen Färbun-gen, gleichzeitig zu betrachten und direkt zu vergleichen. Denn bei allen gewählten Schnitten wird der gleiche Ausschnitt dar-gestellt und Bewegungen in einem Schnitt erfolgen synchron in den anderen.

Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Bild-analyse mithilfe spezifischer Algorithmen – basierend auf Künstlicher Intelligenz und Deep Learning Methoden – zu automatisie-ren (Abb. 1). Auf diese Weise gelingt eine komfortable 1-Klick-Bildanalyse samt Sco-ring, wobei die gesamte Kontrolle unver-ändert dem Pathologen obliegt. Manuelles Scoring ist trotz automatisierter Analyse weiterhin möglich. Aktuell stehen Algo-rithmen zu HER2, ER, PR, Ki-67 und p53 bereit.

Die analysierten Fälle können samt Anno-tationen und Bewertungen mithilfe flexib-ler Berichts-Templates exportiert und abge-schlossen werden.

Fallmanagement und VernetzungMit voranschreitender Digitalisierung im Gesundheitswesen und der Pathologie gewinnt die Vernetzung sowohl innerhalb eines Standortes, als auch darüber hinaus an Bedeutung für die Effizienzsteigerung.

Pathologien sollen immer schneller und zu immer niedrigeren Kosten verlässliche Diag-nosen stellen. Das erfordert einen effizienten Workflow vom Probeneingang bis zur Bild-analyse. Insbesondere digitale Technologien bergen hierfür großes Optimierungspoten-tial. Die Roche uPath Enterprise Software für das digitale Bild- und Workflowmanagement unterstützt die digitale Transformation der Pathologien und optimiert die Zusammen-arbeit von Teams an einem oder mehreren Standorten.

uPath ist der Nachfolger der Bildmanage-ment Software VENTANA Virtuoso von Roche. Die webbasierte Anwendung wurde insbesondere hinsichtlich Performance und User Experience weiterentwickelt, um Pathologien für künftige Anforderungen zu stärken. uPath bietet ein umfassendes, gleichzeitig intuitiv gestaltetes User Interface und bündelt folgende Funktionen:O Toolgestützte Diagnosestellung und

automatisierte Berichterstellung

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Zeitgemäß aufgestellt zu präzisen DiagnosenVollintegrierte Befundungssoftware für Pathologien

Produkte und Services | Zeitgemäß aufgestellt zu präzisen Diagnosen | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

Die digitale Transformation – Erfolgshebel der Pathologie.

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uPath bietet einen standortunabhängigen Zugriff, somit lassen sich, ebenfalls stand-ortunabhängig, Fälle flexibel und komfor-tabel verwalten, auswerten und ggf. weitere Färbungen im Labor anfordern.

Der browserbasierte und somit plattformun-abhängige Zugriff erleichtert auch das Ein- holen von Zweitmeinungen und die Kolla-boration von internen und externen Patho-logen. Der Server ist über eine Middleware-Lösung voll an das Laborinformationssystem (LIS) der Pathologie angebunden. Weiter-hin ist uPath kompatibel mit der NAVIFY® Tumor Board Solution und vereinfacht die Zusammenarbeit mit Onkologen.

DatenschutzBei allen Vorteilen von digitalen Daten und Abläufen – ein hohes Sicherheitsden-

ken, besonders in Bezug auf sensible Pati-entendaten, ist unabdingbar. uPath wurde von Grund auf mit Fokus auf Datenschutz und State-of-the-Art-Sicherheitsfunktionen konzipiert und entwickelt. Diese umfassen beispielsweise die Verschlüsselung zentraler Datenbanken und das Authentifikations-system auf Basis neuester Standards. Ein unbefugter Zugriff auf Patientendaten ist ausgeschlossen. Im Übrigen wird uPath in die anwenderseitige IT-Infrastruktur integ-riert und obliegt daher der vollen Kontrolle der Anwender.

Zusammengefasst ist uPath eine universelle Plattform für interne sowie externe Patho-logen und Labormitarbeiter. Die Software bietet eine komfortable Schnittanalyse und -betrachtung sowie flexibles Fallmanage-ment. Durch die unkomplizierte Anbindung

an weitere Roche Produkte der Digitalen Pathologie (z. B. Slide-Scanner VENTANA DP 200 und NAVIFY® Tumor Board Solu-tion) und vielen zukunftsorientierten Funk-tionen sind Pathologien mit uPath sehr gut für die digitale Zukunft gerüstet.

Abb. 1: Screenshot von uPath vor (links) und nach (rechts) der automatisierten Bildanalyse per Algorithmen für HER2 (oben) und ER (unten) am beispiel von brustkrebs.

Dr. Konstantin Holl Product Manager IT Marketing Molecular Solutions 0621 759 76358 [email protected]

Produkte und Services | Zeitgemäß aufgestellt zu präzisen Diagnosen | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

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Produktlinie Produktneuheit / -update

Analysensysteme Anwendungszweck / Produktverbesserung N / V* einführung

Prä- und Postanalytik

Anbindung an cobas® 8100 & CCM cobas t 711 Anbindung der Gerinnungsanalytik auf cobas t 711 an die

Vollautomation N verfügbar

Anbindung an CCM cobas c 513 Anbindung der Blutzucker-/HbA1c-Messung an die Vollautomation N verfügbar

Anbindung an CCM Fremdgerät Anbindung der Immundiagnostik auf LIAISON®XL (DiaSorin) N verfügbar

Anbindung an cobas® 8100 & CCM Fremdgerät Anbindung der Allergie- und Autoimmundiagnostik am

Phadia® Immuno CAP 250 (Thermo Scientific) N verfügbar

Klinische Chemie

Methadonmetabolit (EDDP) cobas c 501cobas c 502 Vereinfachte Handhabung des Drogentests V verfügbar

ß-2-Mikroglobulin in Serum und Urin

cobas® modular platform

Urinapplikation für Diagnose und Monitoring tubolointerstetieller renaler Schädigungen V/N verfügbar

Transferrin im Urin Diagnose glomerulärer Nephropathien mit hoher Assoziation zu einer Albuminurie N verfügbar

Immunologie

Elecsys® PIVKAII

cobas® modular platform

Tumormarker für (rezidivierendes) Leberzellkarzinom N verfügbar

Elecsys® IGFBP-3Insulinähnliches Wachstumsfaktor-Bindeprotein zur Diagnose und Therapieüberwachung von Krankheiten mit abnormaler Sekretion von Wachstumshormonen

N verfügbar

Elecsys® ß-Amyloid (1-42) CSF

Elecsys® t-Tau CSF

Elecsys® p-Tau CSF

cobas e 411 cobas e 601 cobas e 602

Testpanel zur Diagnose von Morbus Alzheimer bei Erwachsenen mit kognitiven Störungen. Quantitative Bestimmung der Parameter im Liquor (CSF)

N verfügbar

gerinnung

DRVVT (screen und confirm) cobas t 711

cobas t 511

Dilute Russel Viper Venom Tests zum Screening auf bzw. zur Bestätigung von Lupus Antikoagulanz N verfügbar

Freies Protein S Bestimmung der Protein-S-Aktivität N verfügbar

Faktor X Bestimmung der Aktivität des Gerinnungsfaktors X N verfügbar

Molekulare Diagnostik

cobas® MTB Test

cobas® 6800 / 8800

Detektion des Mykobakterien-Tuberkulose-Komplexes zur Unterstützung der Lungen-Tuberkulose-Diagnostik N verfügbar

cobas® RIF/INH TestDetektion und Differenzierung der mykobakteriellen Resistenzen gegen die Antibiotika Rifampicin und Isonicotin-säurehydrazid

N Q2/2019

gewebe- diagnostik

VENTANA ROS1  (SP384) Assay"

BenchMark GX, XT, ULTRA

Ready-to-use Antikörper für die Lungenkrebs-Diagnostik N verfügbar

VENTANA pan-TRK (EPR17341) Assay

Ready-to-use Antikörper für den Nachweis der Tropomyosin Rezeptorkinase (TRK) und deren Fusionsproteine, die in vie-len Tumorarten eine Rolle spielen können

N verfügbar

VENTANA CLDN18 (43-13A) Assay Ready-to-use Antikörper für die Magenkrebs-Diagnostik N verfügbar

Roche uPath Enterprise Software

VENTANA iScan HAT VENTANA DP 200" Bild-Management-Software zur digitalen Befundung  N verfügbar

Digitale Lösungen

Viewics Analytics LabOpsErstes Produkt einer Cloud-basierten Data Analytics Platt-form für Labore. Datengetriebene Entscheidungshilfe zur Optimierung der Laborperformance

N verfügbar

cobas® infinity core lab Middleware für das Zentrallabor zur Steuerung intelligenter Probenworkflows und als Grundlage für aufbauende Services N Q2/2019

NAVIFY® Tumor Board Solution Cloudbasierte Applikationsplattform für die strukturierte und standardisierte Vorbereitung von Tumorboards N verfügbar

NAVIFY® Clinical Trial MatchApplikation zur spezifischen Durchsuchung internationaler Studienregister hinsichtlich geeigneter Therapieoptionen im Rahmen von Tumorboards

N verfügbar

NAVIFY® Publication SearchApplikation für integrierte, patientenorientierte, onkologische Publikationssuche und Literaturrecherche aus verschiedenen Quellen

N verfügbar

* N = Neueinführung / V = Produktverbesserung, -erweiterung

Produktnews

Produktnews | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

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Anwendertreffen | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 59 • 03/2019

Anwendertreffen 2019 Roche Laborssysteme

Weitere Informationen erhalten Sie über den zuständigen Servicemitarbeitenden von Roche.

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07. Mai in Mannheim 08. Mai in Stuttgart09. Mai in München

14. Mai in Berlin15. Mai in Hamburg16. Mai in Dortmund