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Forschungen der Max Freiherr von Oppenheim Stiftung 3,1 Ausgrabungen auf dem Tell Halaf in Nordost-Syrien Teil I. Vorbericht über die erste und zweite syrisch-deutsche Grabungskampagne auf dem Tell Halaf Bearbeitet von Abd el-Masih Hanna Baghdo, Lutz Martin, Mirko Novák, Winfried Orthmann, Abd El-Masih 1. Auflage 2010. Buch. 128 S. Hardcover ISBN 978 3 447 06068 4 Format (B x L): 24 x 34,5 cm Gewicht: 1140 g Weitere Fachgebiete > Geschichte > Alte Geschichte & Archäologie > Altorientalische Geschichte & Archäologie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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Forschungen der Max Freiherr von Oppenheim Stiftung 3,1

Ausgrabungen auf dem Tell Halaf in Nordost-Syrien

Teil I. Vorbericht über die erste und zweite syrisch-deutsche Grabungskampagne auf dem Tell Halaf

Bearbeitet vonAbd el-Masih Hanna Baghdo, Lutz Martin, Mirko Novák, Winfried Orthmann, Abd El-Masih

1. Auflage 2010. Buch. 128 S. HardcoverISBN 978 3 447 06068 4

Format (B x L): 24 x 34,5 cmGewicht: 1140 g

Weitere Fachgebiete > Geschichte > Alte Geschichte & Archäologie > AltorientalischeGeschichte & Archäologie

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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2009

Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

Vorbericht über die erste und zweitesyrisch-deutsche Grabungskampagne

auf dem Tell HalafHerausgegeben von

Abd el-Masih Hanna Baghdo, Lutz Martin, Mirko Novák und Winfried Orthmann

Mit Beiträgen vonJörg Becker, Katleen Deckers, Gabriele Elsen-Novák, Mohammed Fakhru, Samer Abdel Ghafour, Birthe Hemeier, Sandra Hörner, Christian Hübner,

Elisabeth Katzy, Marcus Reutemann, Simone Riehl, Uwe Sievertsen und Brigitte Wolf

ISSN 1868-6095ISBN 978-3-447-06068-4

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Inhalt

Abd el-Masih Hanna Baghdo, Lutz Martin, Mirko Novák: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Lutz Martin, Muhammad Fakhru: West-Palast und Lehmziegelterrasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Jörg Becker: Untersuchung der prähistorischen Siedlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Mirko Novák, Samer Abdel Ghafour: Grabungen im Nordost-Palast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Winfried Orthmann: Untersuchungen am »Kultraum« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Gabriele Elsen-Novák: Eisenzeitliche Glyptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Uwe Sievertsen: Keramik der Eisenzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Elisabeth Katzy: Materialien der hellenistischen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Mirko Novák: Zur Geschichte der aramäisch-assyrischen Stadt Gūzāna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Sandra Hörner , Marcus Reutemann, Brigitte Wolf: Vermessungsarbeiten am Tell Halaf 2006 und 2007 . . . . . . . . . . . . . . . 99

Christian Hübner, Birthe Hemeier: Geophysikalische Prospektion in Tell Halaf – erste Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Simone Riehl, Katleen Deckers: Vorbericht zu einigen eisenzeitlichen und mittelalterlichen Pfl anzenresten vom Tell Halaf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

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Im Sommer 2006, 77 Jahre nach der letzten Ausgrabungs-kampagne Max Freiherr von Oppenheims, nahmen die Staatlichen Museen zu Berlin und die Direction Générale des Antiquités et des Musées Damaskus in Zusammenarbeit mit der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die Feldforschungen am Tell Halaf wieder auf. Der zu den bekanntesten antiken Ruinenstätten Vorderasiens zählende Ort liegt am Ǧirǧib, einem der Quellfl üsse des Ḫābūrs, etwa 3 km westlich von Ra’s al-‘Ain, an der heutigen syrisch-türkischen Grenze (Abb. 1-1).

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemein-schaft gefördert, der der Dank der Projektleitung für die großzügige Unterstützung des Vorhabens gilt. Gleichzei-tig ist der Direction Générale des Antiquités et des Musées Damaskus und hier insbesondere dem Generaldirektor, Dr. Bassam Jamous, und dem Direktor für Ausgrabungen und Forschungen, Prof. Dr. Michel Maqdissi, für die Erteilung der Grabungslizenz und die Unterstützung des Vorhabens herzlich zu danken. Herr Prof. Dr. Dietrich Sürenhagen und die Universität Konstanz haben uns einen Großteil der Gra-bungsausrüstung von T. Ǧindaris überlassen, so dass der Aufbau einer Grabungsbasis und die Schaffung der notwen-digen Infrastruktur sehr erleichtert wurden. Die Universität Tübingen stellte dankenswerter Weise einen Großteil der Computerausstattung. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Konrad Volk für vielfältige Unterstützung. Der Max Frei-herr von Oppenheim-Stiftung danken wir für die Aufnahme des vorliegenden Berichtes in ihre Schriftenreihe und für die Übernahme eines wesentlichen Teils der Druckkosten.

Die erste Kampagne 2006 dauerte vom 17. Juli 2006 (Grabungsbeginn 5. August / Grabungsende 21. September) bis zum 28. September 2006 und die zweite Kampagne er-streckte sich über den Zeitraum vom 15. Juli 2007 (Gra-bungsbeginn 23. Juli / Grabungsende 13. September) bis zum 21. September 2007. Die insgesamt sechzehnwöchigen Feldarbeiten standen unter der Leitung von Abd el-Masih Hana Baghdo, Direction Générale des Antiquités et des Mu-sées Damaskus, Dr. Lutz Martin, Staatliche Museen zu Ber-lin, PD Dr. Mirko Novák, Universität Tübingen und Dr. Jörg Becker, Universität Halle.1

1 Teilnehmer der ersten Kampagne 2006: Dr. Jörg Becker, Gerlinde Big-ga, Gabriele Elsen-Novák M.A., Mohammed Fakhru, Samer Abdel Ghafour, Dr. Susanne Görke, Nowrouz Tobal Hamu, Raphaela Hei-tmann M.A., Idriss Hussein M.A., Elisabeth Katzy M.A, Christia-ne Kopplin, Dipl. Rest. Simone Korolnik-Jablonka, Olesia Kromberg M.A., Brigitte Laschinger, Manuela Lischke, Dr. Lutz Martin, Günther Mirsch, PD Dr. Mirko Novák, Prof. Dr. Winfried Orthmann, Felix

Zum Forschungsstand

Der Tell Halaf2 wurde 1899 von Max Freiherr von Oppen-heim entdeckt und unter seiner Leitung in einer längeren Grabungskampagne 1911–13 sowie einer kürzeren 1929 großfl ächig ausgegraben.3 Die archäologischen Ergebnisse wurden in einem »Vorbericht«4 und vier Bänden der End-publikation5, die Textfunde in einer weiteren Monographie6 veröffentlicht. Der Ort kann mit der aramäischen Stadt Gwzn (= Gawzān7), assyrisch Gūzāna, identifi ziert werden.

Die Erstellung der Endpublikation erfolgte unter erheb-licher Beeinträchtigung durch die Zerstörung des Berliner Tell Halaf-Museums im Jahre 1943, dem ein großer Teil der Dokumentation zum Opfer gefallen war.8 Lediglich der erste Band über die prähistorischen Funde wurde noch vor der Bombardierung des Museums und zu Lebzeiten Oppenheims vollendet. Der Bearbeiter des 1950 erschienenen Architek-turbandes, R. Naumann, musste bei seiner baugeschicht-lichen Interpretation der Befunde von den seinerzeit in T. Halaf vom Grabungsarchitekten F. Langenegger aufgestell-ten Deutungen ausgehen, dessen Grabungstagebuch erhalten geblieben ist, während seine Original-Aufnahmezeichnungen verloren gingen. Eine Datierung der Schichten aufgrund der aus ihnen geborgenen Objekte war dem Verfasser wegen des Verlustes der Fundjournale nicht mehr möglich. Die Bild-werke des T. Halaf wurden 1955 von A. Moortgat vorgelegt,

Schreiber, Dr. Uwe Sievertsen, Katja Sternitzke M.A. und Dipl.-Ing. Brigitte Wolf.

Teilnehmer der zweiten Kampagne 2007: Dani Abou, Dr. Jörg Becker, Gerlinde Bigga, Dorothee Brück, Rami Chamseddin, Nidal Haj Dar-wich M.A., Gabriele Elsen-Novák M.A., Mohammed Fakhru, Samer Abdel Ghafour, Christine Gentzsch, Khitam Ghabash, Anna Gnyp, Helen Gries, Nowrouz Tobal Hamu, Raphaela Heitmann M.A., Sandra Hörner, Elisabeth Katzy M.A., Dipl.Rest. Simone Korolnik-Jablonka, Olesia Kromberg M.A., Manuela Lischke, Ili Luli, Dr. Lutz Martin, Günther Mirsch, PD Dr. Mirko Novák, Prof. Dr. Winfried Orthmann, Marcus Reutemann, Nicola Scheying, Felix Schreiber, Dr. Uwe Sievertsen, Fahd Sbahi, Dr. Ralf-B. Wartke und Dipl.-Ing. Brigitte Wolf.

Die Fotovorlagen stammen von Günther Mirsch, die Computer- und Tuschezeichnungen von Gabriele Elsen-Novák.

2 In den Grabungsberichten wird die durch Max von Oppenheim ein-geführte Schreibung des Ortsnamens beibehalten, auch wenn dieser philologisch korrekt als »Tall Ḥalaf« transkribiert werden müsste.

3 Zur Grabungsgeschichte siehe Orthmann 2002: 9–14.4 Oppenheim 1931.5 Schmidt 1943; Langenegger / Müller / Naumann 1950; Moort-

gat 1955; Hrouda 1962.6 Friedrich et al. 1940.7 Zum Ortsnamen siehe Lipinski 2000: 119.; vgl. unten S. 94.8 Martin 2001.

Einleitung

Abd el-Masih Hanna Baghdo, Lutz Martin, Mirko Novák

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der auf der Grundlage der seit dem Erscheinen des »Vor-berichtes« 1931 deutlich gewachsenen Kenntnisse über die Entwicklung der nordsyrischen Bildkunst eine Korrektur der seinerzeit von M. von Oppenheim und E. Herzfeld vorge-schlagenen hohen Datierung der Reliefs vornehmen konnte. Da auch der Bearbeiter des 1962 erschienenen Bandes über die Kleinfunde, B. Hrouda, nicht mehr auf die Fundjour-nale zurückgreifen konnte, war eine Korrelation von Fund-schichten und Kleinfunden nur in wenigen Fällen möglich.

Ungeachtet der Mängel, welche die Endpublikationen aufgrund der schwierigen Ausgangslage aufwiesen, bildeten sie die Grundlage einer regen wissenschaftlichen Diskussi-on, die sich in den folgenden Jahrzehnten zu Funden und Befunden aus dem T. Halaf entwickelte. Insbesondere die Datierung der Bildwerke wurde wiederholt kontrovers dis-kutiert.9 Die Vorschläge für eine Einordnung des Bauherrn Kapāra von Gūzāna, der die Bildwerke an seinen Bauten anbringen ließ, schwanken auch heute noch zwischen 950 und 800 v. Chr. Unter den Kleinfunden erregten vor allem

9 Als Auswahl archäologischer Arbeiten seien nur Orthmann 1971; Genge 1979; Winter 1973; Özyar 1991; Jasink 1995; Orthmann 2002 genannt.

die Elfenbeinarbeiten die besondere Aufmerksamkeit meh-rerer Forscher.10

Immerhin kann die Geschichte der aramäischen und as-syrischen Stadt Gūzāna heute deutlich besser nachgezeich-net werden als zum Zeitpunkt der Abfassung der Endpu-blikationen.11 Auch die prähistorische, nach dem T. Halaf benannte Kultur stufe lässt sich heute weitaus besser zeitlich und kulturgeschichtlich einordnen.12

Generelle Ziele des Projektes

Im Rahmen des neuen Forschungsprojektes werden folgende übergreifende Fragestellungen behandelt:

1. Untersuchung der prähistorischen Bebauung

Ein vorrangiges Ziel der neuen Untersuchungen besteht da-rin, eine klare stratigraphische Abfolge der prähistorischen Besiedlungsphasen zu erhalten und damit für das Ḫābūr- Gebiet die relative Chronologie von der Prä-Ḥalaf-Zeit über

10 Siehe u.a. Winter 1989 und zuletzt Orthmann 2002: 95 ff.11 Siehe unten S. 93 ff.12 Vgl. Becker 2007: 8 ff.; Akkermans / Schwartz 2003: 99 ff.;

Matthews 2000: 84ff.; Huot 1994: 132ff.

Abb. 1-1: Karte des Alten Orients mit der Lage von Gūzāna (Tell Halaf)

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Einleitung 9

die verschiedenen Stufen der Ḥalaf-Zeit bis in nordmesopo-tamische ‘Obēd-Zeit, also für den Zeitraum vom späten 7. bis zum Ende des 6. Jt. v. Chr., auf eine solide und breitere Basis zu stellen.

Insbesondere im Bereich des Hilani bzw. des daran an-schließenden Skorpionen-Tores ist mit einer längeren Besied-lungssequenz zu rechnen. Die Größe der Grabungsfl äche soll dabei so gewählt werden, dass nicht nur die Klärung der Stra-tigraphie, sondern auch Einblicke in die Bebauungsstruktur und die Entwicklung der materiellen Kultur möglich sind. Damit kann nicht nur ein Beitrag zur Regional geschichte des Ḫābūr-Gebietes geleistet werden, der das z. T. aus be-nachbarten, älteren Grabungen und nur selektiv vorgelegte Material bereichert.13 Vielmehr besteht die Hoffnung zum Fragenkomplex Ḥalaf-‘Obēd und damit letztlich der allmäh-lichen Entwicklung vom Dorf zur Stadt neue Bausteine und Antworten liefern zu können.

2. Chronologie der Eisenzeit

Die bekannten Befunde erlauben die Annahme, dass der Tell Halaf während der gesamten Eisenzeit besiedelt gewe-

13 Beispielhaft sei hier etwa auf T. ‘Aqab im Quellgebiet des Ḥābūr ver-wiesen, der einerseits zwar eine wichtige Keramikabfolge erbrachte, zu dem aber in erster Linie die bemalte Keramik vorgelegt wurde (DAVID-SON 1977: 105ff.; DAVIDSON / WATKINS 1981: 1–18).

sen ist: von der Früheisenzeit über die Zeit des aramäischen Fürstentums und die neuassyrische Epoche bis in helleni-stisch-römische Zeit. Allerdings konnte mit den damaligen Grabungsmethoden keine stratigraphische Sequenz im mo-dernen Verständnis gewonnen werden, die eine Analyse der Keramikentwicklung erlauben würde. Die Gewinnung einer solchen Abfolge wäre an einem Ort wie dem T. Halaf auch deshalb wichtig, da man hier die Hoffnung hegen darf, über assoziierte Textfunde absolutchronologische Fixpunkte zu erhalten.

Ein besonderes Augenmerk wird auf Fragen nach dem präzisen Zeitpunkt der Gründung der aramäischen Stadt in der »Altbauperiode« und der Datierung von Kapāra ge-richtet. Über die Chronologie des Ortes selbst kann dabei auch die eisenzeitliche Chronologie des gesamten nordme-sopotamischen Raumes auf eine sicherere Grundlage gestellt werden.

3. Urbanistische Struktur und räumliche Gliederung der Zitadelle

Die bislang vorliegenden Daten zur Stadtstruktur und Sied-lungsentwicklung Gūzānas sollen durch neue Grabungen ergänzt werden, um eine gesicherte Rekonstruktion zu er-lauben. Dabei müssen einige besonders drängende Fragen beantwortet werden wie zum Beispiel diejenige nach der

Abb. 1-2: Der Tell Halaf von Norden

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Gliederung der Zitadelle in zwei getrennte Bereiche. Im Zu-sammenhang damit ist die Einbindung des Hilani und des Nordostpalastes in die Gesamtstruktur der Zitadelle zu untersuchen.

Besondere Beachtung verdient die Klärung der Frage, ob es auf der Zitadelle oder in der Unterstadt bedeutendere Kult-bauten aus der vor-assyrischen Zeit gegeben hat. Dabei soll überprüft werden, ob es sich bei dem in den ausradierten In-schriften auf den »Kleinen Orthostaten« erwähnten »Tempel des Wettergottes« um denjenigen handelt, der auch auf der Statue aus T. Faḫḫārīya erwähnt wird und in Sikāni stand, oder ob es einen weiteren Tempel dieses Gottes in Gūzāna selbst gegeben hat.

4. Bildprogramm des Dekors im Bereich des Hilani und seiner Umgebung

Eines der meist diskutierten Probleme der Forschung zur Bildkunst Gūzānas betrifft das Bildprogramm, das der Aus-stattung des Hilani und des Skorpionentores durch Kapāra zugrunde lag. Dabei ist nach wie vor unklar, ob weitere um-liegende Bauten mit Orthostatenreliefs versehen waren oder ob alle bei den alten Grabungen entdeckten Bruchstücke zu dem Hilani gehört haben. Auch ist der zeitliche Abstand zwi-schen den »Kleinen Orthostaten« und den sicher auf Kapāra datierten Denkmälern bislang nicht mit Sicherheit geklärt.

Es ist daher eines der vorrangigen Ziele der neuen Gra-bungen, Informationen zur genauen Datierung der Bild-werke und zum (ursprünglichen) Bildprogramm zu gewin-nen. Dieses Arbeitsziel hat unmittelbare Auswirkungen auf die Restaurierungs- und Rekonstruktionsarbeiten an den Be-ständen des ehemaligen Tell Halaf-Museums im Vorderasia-tischen Museum zu Berlin.14

5. Akkulturationsprozesse der Aramäer

Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Analyse der Akkultu-rationsprozesse der neu eingewanderten aramäischen Stadt-gründer in einem Gebiet, das in der Spätbronzezeit zunächst Zentrum des Mittani-Reiches und später assyrische Provinz gewesen ist. Dabei stellt sich vor allem die Frage, ob sich in der materiellen Kultur Gūzānas neben hurritischen bzw. mittanischen auch mittelassyrische Kulturelemente beobach-ten lassen. Die aus der mittelassyrischen Präsenz im Ḫābūr-Gebiet stammenden Traditionen manifestieren sich recht deutlich in den Orten am Unterlauf des Flusses (siehe Dūr-Aššur-kette-līšir / T. Bdērī, Šadikanni / T. Aǧaǧa oder Dūr-Katlimmu / T. Šēḫ Ḥamad), weniger jedoch in Gūzāna. Wei-terhin soll untersucht werden, wann und in welchem Maße Kulturimpulse aus dem späthethitischen Westen und dem neuassyrischen Osten die Kultur Gūzānas geprägt haben.

6. Transformation von Gūzāna in eine assyrische Stadt

Die Statue des Kammaki15 hat – in Ergänzung zu den Ta-feln aus dem Archiv des Mannu-kī-māt-Aššur – wichtige

14 Cholidis / Martin 2002: 57ff.15 Röllig 2003.

Informationen zum Prozess der »Assyrisierung« Gūzānas beziehungsweise zum Weiterleben lokaler Traditionen unter assyrischer Herrschaft geliefert. Es besteht daher die Hoff-nung, dass über eine präzisere Datierung der Befunde und den Fund weiterer relevanter Texte und Objekte zusätzliche Daten gewonnen werden können, die es ermöglichen, die einzelnen Stufen der kulturellen »Assyrisierung« nachzuzei-chnen. Dieser Befund kann in idealer Weise demjenigen in solchen Städten wie Dūr-Katlimmu gegenüber gestellt wer-den, die in einem sehr viel engeren politischen und kultu-rellen Verhältnis zum assyrischen Kerngebiet standen.

7. Stadtgeschichte in nachassyrischer Zeit

Vereinzelte, bislang stratigraphisch nicht einzuordnende Funde wie derjenige einiger Keilschrifttafeln16 oder diverser Keramikassemblagen verdeutlichen, dass Gūzāna bis zum Ende des Assyrischen Reiches und offenbar auch darüber hi-naus besiedelt war. Dies korrespondiert mit externen histo-rischen Erwähnungen, die eine Siedlungskontinuität bis in die hellenistische Zeit attestieren.17

Es besteht daher die Hoffnung, weitere Informationen zur Siedlungsgeschichte dieser Epochen zu gewinnen und da-bei die Prozesse der Herrschaftsübernahme durch die spät-babylonischen, achämenidischen und seleukidischen Reiche nachzeichnen zu können.

8. Subsistenzweisen in Gūzāna

Bei der Ausgrabung werden Materialien wie Tierknochen, Erdproben mit botanischen Resten, Gesteine etc. geborgen, die Daten zur Umwelt- und Subsistenzrekonstruktion liefern können. Eine Gruppe von assoziierten Naturwissenschaft-lern wertet in Zusammenarbeit mit den Archäologen diese Daten aus.

Ziele der Grabungen 2006 und 2007

Für die ersten beiden Kampagnen, die hauptsächlich Sondie-rungscharakter trugen, wurden folgende Ziele formuliert:• Erstellung eines Grundlagennetzes mittels DGPS-Ver-

messung und topographische Neuaufnahme des antiken Stadtgebietes (Abb. 10-1).

• Zur Transformation der Oppenheimschen Grabungsplä-ne in das neue, mittels DGPS Vermessung geschaffene Grundlagennetz mussten Fixpunkte aus den alten Gra-bungen zur Verfügung gestellt werden. Eine wesentliche Aufgabe war es deshalb, zunächst alte Architekturbe-funde freizulegen. Im Gebiet des Hilani sollten parallel dazu Untersuchungen zu dessen Baugeschichte durchge-führt werden, wobei besonders das zeitliche Verhältnis des sog. Altbaus zum Hilani von Interesse ist.

• Nordwestlich des Hilani sowie im Bereich des Skorpio-nentores und unter dem Südtor waren nach den Angaben der alten Ausgräber unmittelbar unter den Schichten der

16 Friedrich et al. 1940.17 Siehe zuletzt KESSLER / MÜLLER-KESSLER 1995.

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Einleitung 11

frühen Eisenzeit Ḥalaf-zeitliche Schichten zu erwarten.18 Für die Untersuchungen zur prähistorischen Besiedlung wurde deshalb zunächst das Gebiet des Skorpionentores vorgesehen.

• Am Nordost-Palast sollten Untersuchungen zur Bau-typologie des Gebäudes und zur Südausdehnung des Pa-lastareals durchgeführt werden. Die neuen Grabungen dienen ebenso einer Präzisierung der Baugeschichte des Gebäudes.

• In der Unterstadt sollte durch Sondagen überprüft wer-den, ob trotz der modernen Überbauung Nachuntersu-chungen zur Stratigraphie und zur Bausubstanz durchge-führt werden können.

Neben diesen, durch Grabungen zu realisierenden Aufgaben wurden zwei kurze geophysikalische Prospektionen durch-geführt, um die Möglichkeiten für einen großfl ächigen Ein-satz geophysikalischer Messverfahren zu sondieren.

18 Langenegger / Müller / Naumann 1950: 371ff.

Anlage der Grabungsstellen

Das Grabungsgebiet wurde in vier Sektoren geteilt (Abb. 1-3 und 10-1):

Sektor A

Der Sektor A unter Leitung von Mohammed Fakhru und Lutz Martin umfasste Grabungsareale auf dem sog. Lehm-ziegelmassiv und am West-Palast (Hilani). Ziel der Unter-suchungen war es hier, Anschlüsse an die alten Grabungen Oppenheims herzustellen, um Fixpunkte für die Transfor-mation der alten Grabungspläne in das neue Grabungsnetz zu gewinnen. Gleichzeitig war geplant, durch Sondagen das Verhältnis zwischen dem West-Palast und seinem Vorgän-gerbau (Altbau) zu klären und durch stratifi zierte Keramik eine Keramikabfolge für die frühe Eisenzeit zu entwickeln.

Die Grabungsareale am Lehmziegelmassiv wurden im südlichen Teil der von Nord-Süd nach Süd durch den Zen-tralteil der Zitadelle führenden Sondage M. v. Oppenheims

Abb. 1-3: Plan der Zitadelle nach dem Ausgrabungssstand von 1913 mit Einzeichnung der neuen Grabungsfl ächen

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angelegt. Beabsichtigt waren hier Untersuchungen zur zeit-lichen Stellung des Lehmziegelmassivs und seiner Funktion.

Sektor B

Der Sektor B unter Verantwortung von Jörg Becker erstreckte sich zunächst auf das Areal nördlich des Skorpionentores; er wurde 2007 auf die Sondage Oppenheims am Nordabhang des Tells ausgedehnt. Hier war es das Ziel, ungestörte prä-historische Schichten zu erreichen und entsprechende Archi-tekturbefunde freizulegen.

Sektor C

Im Sektor C wurden unter Leitung von Mirko Novák und Samer Abdel Ghafour Untersuchungen zum Nordost-Palast vorgenommen. Der Schwerpunkt der Arbeiten lag im Süd-bereich des Palastes, in dem bei den alten Ausgrabungen nur Sondagen angelegt wurden. Neben der Erfassung der Süd-ausdehnung des Palastes dienten die Arbeiten der Überprü-

fung der Stratigraphie, so dass eine Zuordnung der Keramik zu den Bauphasen möglich wird.

Nachgrabungen an der Südmauer des sog. Thronsaales hatten zum einen das Ziel, die Frage nach einem möglichen Zugang zum Thronsaal zu klären19 und zum anderen auch hier weitere Fixpunkte für die Transformation der Gra-bungspläne zu fi nden.

Sektor D

Beim Ausheben einer Grube unmittelbar westlich des Gra-bungshauses wurde 1912 der sog. Kultraum entdeckt. Bei den Ausgrabungen wurde das Gebäude komplett freigelegt, jedoch blieb der architektonische und stratigraphische Zu-sammenhang unklar. Um einen weiteren Fixpunkt für die Einpassung der Grabungspläne zu gewinnen und neue Er-kenntnisse zur Datierung und Funktion des Kultraums zu er-langen, wurde unter der Leitung von Winfried Orthmann im Bereich des vermuteten Kultraums eine Sondage angelegt.

19 Orthmann 2002: 41f.

Grabungshaus

Kultbau

Stadtmauer

D

Abb. 1-4: Plan des Kultraums nach dem Ausgrabungsstand von 1913mit Einzeichnung des neuen Grabungsschnittes