Ausschließlichkeitsrecht: Kollisionsfälle (§ 14 MarkenG) · dem vom Antragsgegner verwendeten...

17
Lehrstuhl für Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Geistiges Eigentum Prof. Dr. Michael Hassemer Ausschließlichkeitsrecht: Kollisionsfälle (§ 14 MarkenG) Markenrecht

Transcript of Ausschließlichkeitsrecht: Kollisionsfälle (§ 14 MarkenG) · dem vom Antragsgegner verwendeten...

Lehrstuhl für Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Geistiges Eigentum

Prof. Dr. Michael Hassemer

Ausschließlichkeitsrecht: Kollisionsfälle

(§ 14 MarkenG)

Markenrecht

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 2

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im

geschäftlichen Verkehr

1. ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu

benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt,

2. ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens

mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das

Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von

Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass das Zeichen mit der Marke

gedanklich in Verbindung gebracht wird, oder

3. ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder

Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke

Schutz genießt, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke

handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die

Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer

Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. (…)

Schutzwirkungen: Ausschließlichkeitsrecht, § 14

§ 14

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 3

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Markenrechte sind gewerbliche Schutzrechte: Nur die Nutzung „im geschäftlichen Verkehr“ kann verboten werden; private Nutzungen bleiben vom Markenrecht ausgeklammert.

Damit sind z. B. der private Besitz und das Tragen von Pirateriekleidung/-schmuck/-accessoires markenrechtlich unerheblich

Die gewerblichen Schutzrechte lassen Privatpersonen „in Ruhe“ – also auch das Patentrecht und der Designschutz. (Anders nur das Urheberrecht.)

„… im geschäftlichen Verkehr“

§ 14

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 4

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Identität von Zeichen und Produkt, Nr. 1

Meist relativ unkompliziert:

„Glatte“ Markenpiraterie: Gefälschte Produkte, beispielsweise Luxusware

Ausschließlichkeitsrecht, § 14

Nr. 1: Identität

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 5

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Verwechslungsgefahr innerhalb des Warenähnlichkeitsbereichs, Nr. 2

schon etwas komplizierter als Nr. 1

zwei Voraussetzungen:

a) Beide Produkte müssen sich innerhalb des Warenähnlichkeitsbereichs befinden und

b) Verwechslungsgefahr wegen Ähnlichkeit der Zeichen

Ausschließlichkeitsrecht, § 14

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 6

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

a. Warenähnlichkeitsbereich

Weisen Waren oder Dienstleistungen derartige Berührungspunkte auf, dass

die beteiligten Verkehrskreise der Auffassung sein könnten,

die Produkte stammten vom gleichen oder zumindest aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (Herkunftsfunktion),

so kann von Warenähnlichkeit ausgegangen werden.

in der Regel: „Branche“

Indizwirkung: Vertriebsort/-art

Ausschließlichkeitsrecht, § 14

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 7

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Parfum und Seife

Fahrräder und Fahrradbekleidung

Personalberatung und Marktforschung/-analyse.

Nicht ähnlich hingegen: Lederwaren und Parfum

Warenähnlichkeitsbereich

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 8

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

b. Verwechslungsgefahr

wenn die beteiligten Verkehrskreise annehmen könnten, die beiden Produkte stammten aus demselben (oder wirtschaftlich verbundenen) Unternehmen

wiederum Herkunftsfunktion

Je höher die Kennzeichnungskraft eines Zeichens, desto weiter sein Schutzbereich

Kennzeichnungskraft: Eignung eines Zeichens, sich dem Publikum aufgrund seiner Eigenart als Marke einzuprägen, d.h. in Erinnerung behalten und wiedererkannt zu werden.

Verwechslungsgefahr

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 9

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Verwechslungsfähig: Gesamteindruck der Zeichen (einschließlich Klang, optische Darstellung, Sinnzusammenhang etc.) – immer Einzelfallentscheidungen:

„Nivea“ und „Nievina“

„Biovital“ und „Biophytal“

„Zentis“, „Säntis“

Als nicht verwechselbar entschieden (beachte generische Bestandteile):

„Ochsenbrot“ und „Oxbrot“

„SUPERillu“ gegen „illu der Frau“

„Schneeweiße“ und „SEEWEISSE“ im Bereich Biere und Biermischgetränke

Verwechslungsgefahr

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 10

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 11

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Verwechslungsgefahr: Stierbräu vs. Red Bull

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Zwischen der Biermarke „Stierbräu“ und „Red Bull“ besteht keine Verwechslungsgefahr (Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, Bern). „Stierbräu“ war 2007 unter anderem für die Warenkategorien Bier und alkoholische Mischgetränke ins schweizerische Markenregister eingetragen worden. Die Red Bull AG wendet sich aufgrund Verwechslungsgefahr mit ihrem Energydrink gegen diese Eintragung. Die Klage wurde abgewiesen: Bei Getränken seien fantasievolle Symbole und Figuren aus der Sagenwelt wie eben etwa ein Bulle oder ein Stier häufig anzutreffen. Nicht jeder thematische Anklang führe zu einer Verwechslungsgefahr. Biernamen wie „Sternbräu“ und „Vollmond“ oder „Adler“ und „Falken“ könnten deshalb ohne Marktverwirrung nebeneinander existieren, zumindest solange sich die Klangfolge der Bezeichnungen deutlich unterscheide. „Red Bull“ könne für sich zwar einen großen Bekanntheitsgrad beanspruchen. Eine Verwechslungsgefahr sei dennoch zu verneinen, zumal der Bestandteil „Red“ ein weiteres Unterscheidungsmerkmal schaffe.

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 12

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Verwechslungsgefahr?

Die Beklagte ist Inhaberin einer deutschen Wort-Bildmarke, welche für „Lederbekleidung,

Handtaschen, Lederwaren, Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen” registriert ist.

Die Marke ist wie folgt gestaltet:

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 13

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

OLG Hamburg: JOOP/LOOP

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Das Gericht führte aus, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dem Gesamtzeichen das Wort „LOOP” erkennen würden, welches eine klangliche Ähnlichkeit mit “JOOP!” aufweise. Hierfür spreche , dass durch den vorangestellten Buchstaben „L” und den nachgestellten Buchstaben „P” sehr nahe gelegt werde, auch die beiden mittleren Bestandteile als – wenn auch ausgeschmückte – Buchstaben, nämlich zwei „O”s, aufzufassen. Darüber hinaus müsse bei ausgefallenen englischen Wörtern in einem noch erheblichen Umfang von einer Aussprache nach den Regeln der deutschen Sprache ausgegangen werden, so dass überwiegend die Aussprache als „lohp” erfolgen werde. Daraus folge nach Auffassung des Gerichts, dass bei Berücksichtigung der zumindest durchschnittlichen Unterscheidungskraft der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin, der Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Bezeichnungen sowie der hohen Branchennähe, z.T sogar Branchenidentität eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Firmenschlagwort der Klägerin und der Marke der Beklagten gegeben sei.

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 14

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

OLG Hamburg:

Verwechslungsgefahr

Zwischen dem eingetragenen Gemeinschaftsmarke „IPOD“ und dem vom Antragsgegner verwendeten Begriff „eiPott“ für

Eierbecher besteht eine Verwechslungsgefahr, die eine markenrechtliche Untersagung rechtfertigt. Die

Zeichenähnlichkeit liegt darin begründet, dass die beide Begrifflichkeiten klanglich identisch sind. Da die Marke „IPOD“ unter anderem auch für „Geräte und Behälter für Haushalt und Küche“ geschützt ist, liegt zudem auch eine Warenidentität vor.

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 15

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Ähnlich auch schon im Jahr 1972 „Mordoro“

Verwechslungsgefahr und Parodie

Im Fall Storch Heinar unterlag die Markeninhaberin Thor Steinar: Das von ihr angestrebte Verbot scheitere daran, dass ein etwaiger Marken- oder Wettbewerbsverstoß als

satirische Auseinandersetzung mit den klägerischen Marken von den Grundrechten der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) erfasst werde,

auf die sich der Beklagte erfolgreich berufen könne.

(LG Nürnberg-Fürth, 11.08.2010)

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 16

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Karlsruhe (dpa) - In einer Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Markenschutz hat der Bundesgerichtshof die Eigentumsrechte von etablierten Markeninhabern gestärkt.

Der I. Zivilsenat des Gerichts bestätigte in Karlsruhe ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom März 2013, wonach ein Designer eine Parodie des Sportartikelherstellers Puma nicht als eigene Marke sichern darf.

Die Eigentumsrechte von Puma seien in diesem Fall höher zu bewerten als das Recht auf Kunst- und Meinungsfreiheit. Horn müsse daher seine Pudel-Marke löschen.

Der Wert der Marke Puma wird auf 1,1 Milliarden Euro geschätzt.

Springender Pudel, BGH, April 2015

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Geistiges Eigentum 10 | Winter 2017/18 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 17

§ 14

Nr. 1: Identität

Nr. 2: Verwechs-lungsgefahr

Nr. 3: bekannte Marken

Schutz über Branchengrenzen

(= Ausnahme vom Spezialitätsprinzip)

Also keine Frage der Verwechslungsgefahr, keine Frage der Herkunftsfunktion

Nur für bekannte Marken

Schutz gegen

Verwässerung (berühmte Marken mit besonderem Wert)

Rufausbeutung (eher wettbewerbsrechtlich/lauterkeitsrechtlich)

Beispiel: „Pampersliga“ (Procter & Gamble vs. FLVW)

§ 14 II Nr. 3: Schutz bekannter Marken außerhalb des Warenähnlichkeitsbereichs

Nr. 3: bekannte Marken