Ausstellungseröffnung im Sudetendeutschen Haus in München ... bezieht sich auf Psalm 31, Vers...

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Im Sudetendeutschen Haus in München eröffnete Heimatpfle- gerin Zuzana Finger die neue Ausstellung „Meine Zeit steht in deinen Händen“, die das Ko- motauer Regionalmusueum zum 90. Geburtstag des Musikers Anton Enders ausgerichtet hat- te. Die Schau wurde zuvor schon in Komotau und Wien gezeigt. H eimatliche Melodien ertön- ten im dritten Stock des Su- detendeutschen Hauses. Die Klänge von „Baam Federnschlei- ßen“ und „Bin i niat a schäina Roußbuttnbou“ wurden in kon- zertanter Weise vom Radio-Sym- phonie-Orchesters Pilsen unter Armin Rosin gespielt. Die Eröff- nungsgäste hörten mit Vergnü- gen einige der „Egerländer Tän- ze“ von Anton Enders, allerdings von einer CD. Auch der böhmi- sche Komponist war nicht da: Wegen des Streiks der Lokfüh- rer der Deutschen Bahn hatte er die Fahrt von Baden-Baden nach München nicht riskieren wollen. In seinem Grußwort schilder- te Enders die Nachkriegszeit in München, wo er damals Mu- sik studiert und sich beim ko- stenlosen Studentenessen der Ackermann-Gemeinde verkö- stigt habe. Seine Erinnerungen an Trümmerfrauen, Hamstertou- ren und die Konzertproben der Münchner Philharmoniker mit Hans Knappertsbusch, Wilhelm Furtwängler und Hans Rosbaud las Heimatpflegerin Zuzana Fin- ger vor. Sie eröffnete gemeinsam mit dem Komotauer Museums- direktor Stanislav Děd die Aus- stellung, die dieser selbst zusam- mengestellt und schon im Be- zirksmuseum Komotau und in Wien gezeigt hatte. Dafür be- dankte sich die Heimatpflegerin begeistert bei dem „Wegeberei- ter“ Děd. Liebevoll und gründ- lich hatte der Komotauer Mu- seumsdirektor große Stellwän- de mit Fotos und zweisprachigen Texten aus Leben und Werk des Komotauer Komponisten vorbe- reitet. „Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf Psalm 31, Vers 16“, erläuterte Děd: „Den Psalm, der quasi sein Lebensmotto dar- stellt, vertonte Anton Enders 1999 für Orchester und Tarogato, ein ungarisches Holzblasinstru- ment.“ Weitere Einzelheiten aus Leben und Schaffen des Kom- ponisten konnten die Gäste an- schließend auf den Ausstellungs- tafeln entdecken. Anton Enders wurde am 30. März 1923 in Komotau geboren. Sein musikalisches Talent zeigte sich früh, und so erhielt er schon mit sechs Jahren Violin-, später auch Klavierunterricht. Bereits mit zehn Jahren spielte er in ei- ner Knabenkapelle Melodien von Johann Strauß, Nico Dostal oder Franz von Suppé. Den Wunsch, Musik zu stu- dieren, faßte er 1940 nach ei- nem Konzert des neu gegründe- ten Prager Philharmonischen Or- chesters unter Josef Keilberth in Komotau. Am Deutschen Staats- realgymnasium in Komotau leg- te er 1942 noch die mündliche Maturaprüfung ab. Nach Wehr- dienst und Entlassung aus ameri- kanischer Kriegsgefangenschaft im August 1945 nach Bamberg blieb er in Bayern und studier- te von 1946 bis 1949 an der Aka- demie für Tonkunst in München Komposition bei Joseph Haas und Dirigieren bei Hans Ros- baud und Kurt Eichhorn. Danach war Enders als freischaffender Komponist tätig und schuf acht „Böhmische Tänze“, vier „Eger- länder Tänze“, eine Volkslieder- Suite für gemischten Chor und Orchester, eine Sinfonie und vie- les mehr. Nach einer Ausbildung zum Tonmeister am Rundfunktechni- schen Institut in Nürnberg arbei- tete er ab 1955 beim Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden. Hier be- treute er das Sinfonieorchester des SWF und die Landesorche- ster in Konstanz und Reutlingen, die Staatsphilharmonie Rhein- land-Pfalz und das Kurpfälzer Kammerorchester Mannheim so- wie gastweise auch das BBC-Or- chester. Mehr als drei Jahrzehn- te lang leitete er erfolgreich die „Donaueschinger Musiktage“. Nach seiner Pensionierung 1988 widmete er sich der Kammermu- sik, komponierte und trat mit Or- chestern auf. Enders wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er auch 1959 beim Sude- tendeutschen Tag in Wien aus den Händen des Sprechers Lodg- man von Auen den Sudetendeut- schen Kulturpreis für Musik. Susanne Habel Bis Freitag, 12. Dezember: „Meine Zeit steht in deinen Hän- den. Zum 90. Geburtstag des Ko- motauers Anton Enders“ in Mün- chen-Au, Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8. Montag bis Freitag 9.00–16.00 Uhr. KULTUR Sudetendeutsche Zeitung Folge 43 | 24. 10. 2014 7 Ausstellungseröffnung im Sudetendeutschen Haus in München Aus Komotau nach Baden Dr. Zuzana Finger und Stanislav Děd lauschen Enders-Melodien von der CD. Bilder: Susanne Habel Die zweisprachigen Bildtafeln der Ausstellung führen in das Leben und das Werk von Anton Enders ein, der vor 91 Jahren in Komotau geboren wurde. Anton Enders in Komotau. Bild: RMK

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Im Sudetendeutschen Haus hielt die Prager Musikwissenschaftle-rin Jitka Ludvová den Bildervor-trag „Kapitel aus der Geschichte des deutschsprachigen Theaters in den böhmischen Ländern“. Die Mitarbeiterin des Theaterin-stituts in Prag referierte bei der Veranstaltung des Adalbert-Stif-ter-Vereins über neueste For-schungsergebnisse über die Ge-schichte der Theater in den böh-mischen Ländern.

Die böhmischen Länder ver-fügten über ein dichtes Netz

an Theatern, zunächst überwie-gend deutschsprachig. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das tschechische Theaterwesen zu einem ebenbür-tigen Partner, bis es schließlich in der Tschechoslowakei die Thea-terkultur dominierte. In den letz-ten 25 Jahren wurde beiderseits der deutsch-tschechischen Gren-ze ein enormes Maß an wissen-schaftlicher Forschung geleistet, deren Ergebnisse die Stellung des deutschsprachigen Theaters in Böhmen und Mähren deut-lich machen und seinen Beitrag zur Entfaltung der tschechischen Bühnenkunst gerecht bewer-ten. „Das Thema ist keine Wüste mehr“, faßte Jitka Ludvová die erfolgreiche Forschung der letz-ten Jahre zusammen.

Die Referentin erläuterte, daß es inzwischen eine ganze Rei-he von Studien zur regionalen Theatergeschichte gebe, so zur Bühnengeschichte von Olmütz,

Troppau und Eger. „Der Stoff ist allerdings riesig“, meinte sie, und würde nur teilweise in Enzy-klopädien erfaßt wie in der von ihr herausgegebenen „Tsche-chischen Theaterenzyklopädie“. Dieses Nachschlagewerk gebe es auch im Internet unter http://

encyklopedie.idu.cz/de.

Die Bandbrei-te der Theater in den böhmischen Ländern habe sich einst „von ganz oben bis nach ganz unten“ er-streckt: Vom Hof-theater über die städtischen Büh-nen bis hin zu den „reisenden Ge-sellschaften“, den Wanderschau-spielern. Deren Routen reichten quer durch halb Europa, wie die Referentin mit Karten zeigte.

Als Beispiel stellte Ludvová die Familie Su-war vor: Diese

Theatergesellschaft sei ab 1805 mehr als einhundert Jahre und über drei Generationen lang öf-fentlich aufgetreten. Gegründet vom Prager Josef Suwar, spiel-te der Familienklan gemeinsam mit Frauen und Kindern in Böh-men und Mähren. Zunächst hät-

ten die Suwars ih-re Stücke deutsch und tschechisch, später nur noch auf Deutsch an-geboten. Anhand von Theaterzet-teln und -konzes-sionen hatte die Wissenschaftle-rin die Spuren der Künstler-Dyna-stie verfolgt, die sie jüngst auch an das ehemalige Theater von Kaa-den führten.

Auch die Pres-se beschäftigte sich viel mit dem Theater, wie die Referentin am Bei-spiel der Prager und Karlsbader Kulturzeitschrift „Hohe Warte“ zeigte, die von 1929 bis 1938 er-schien. Das Blatt sei gegründet und später fast komplett redigiert worden vom Journalisten Max Glaser (*1873 Podersam, † 1954 Prag), der sich mit Pseudonym Litumlei (nach Gottfried Kellers „Der Schmied seines Glücks“)

nannte. Glaser publizierte span-nende Theaterkritiken, politi-sche Texte und Regionalberich-te, besonders aus dem westböh-mischen Badeort Karlsbad. Die Spuren von Glasers jüdischer Fa-milie verloren sich jedoch teil-weise im Holocaust.

Das alte Gemälde eines ande-ren hervorragenden Theaterkri-tikers bildete das Schlußlicht des spannenden Vortrags: Nach lan-ger Recherche konnte Jitka Lud-vová den darauf Portraitierten als Bernhard Gutt (Potsdam 1812–Prag 1849) identifizieren, der in der Redaktion der Prager deut-schen Zeitung „Bohemia“ ge-wirkt hatte, ein kleiner Triumph für die rege Forscherin aus Prag.

Diese war eingangs von Anna Knechtel, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Adalbert-Stif-ter-Vereins, vorgestellt worden: Jitka Ludvová studierte Klavier und Musiktheorie an der Akade-mie für musische Künste in Prag und war bis 1998 wissenschaftli-che Mitarbeiterin am Institut für Musikwissenschaft der Tsche-choslowakischen Akademie der Wissenschaften. Sie wurde 1972 über „Mathematische Methoden in der Musikanalyse“ promoviert und ist seit 1999 wissenschaftli-che Mitarbeiterin des Theaterin-stituts in Prag (Divadelní ústav). Die Herausgeberin der „Tsche-chischen Theater-Enzyklopä-die“ publizierte über Musik- und Theatergeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Genau diese Forschungen wa-ren Thema des Vortrags gewe-sen. Nach der inhaltsreichen Bil-derschau entwickelte sich eine rege Fragen- und Diskussions-runde, an der sich unter anderem der BR-Rundfunkredakteur Mar-tin Posselt engagiert beteiligte.

Susanne Habel

Im Sudetendeutschen Haus in München eröffnete Heimatpfle-gerin Zuzana Finger die neue Ausstellung „Meine Zeit steht in deinen Händen“, die das Ko-motauer Regionalmusueum zum 90. Geburtstag des Musikers Anton Enders ausgerichtet hat-te. Die Schau wurde zuvor schon in Komotau und Wien gezeigt.

Heimatliche Melodien ertön-ten im dritten Stock des Su-

detendeutschen Hauses. Die Klänge von „Baam Federnschlei-ßen“ und „Bin i niat a schäina Roußbuttnbou“ wurden in kon-zertanter Weise vom Radio-Sym-phonie-Orchesters Pilsen unter Armin Rosin gespielt. Die Eröff-nungsgäste hörten mit Vergnü-gen einige der „Egerländer Tän-ze“ von Anton Enders, allerdings von einer CD. Auch der böhmi-sche Komponist war nicht da: Wegen des Streiks der Lokfüh-rer der Deutschen Bahn hatte er die Fahrt von Baden-Baden nach München nicht riskieren wollen.

In seinem Grußwort schilder-te Enders die Nachkriegszeit in München, wo er damals Mu-sik studiert und sich beim ko-stenlosen Studentenessen der Ackermann-Gemeinde verkö-stigt habe. Seine Erinnerungen an Trümmerfrauen, Hamstertou-ren und die Konzertproben der Münchner Philharmoniker mit Hans Knappertsbusch, Wilhelm Furtwängler und Hans Rosbaud

las Heimatpflegerin Zuzana Fin-ger vor. Sie eröffnete gemeinsam mit dem Komotauer Museums-direktor Stanislav Děd die Aus-stellung, die dieser selbst zusam-mengestellt und schon im Be-zirksmuseum Komotau und in Wien gezeigt hatte. Dafür be-dankte sich die Heimatpflegerin begeistert bei dem „Wegeberei-ter“ Děd. Liebevoll und gründ-lich hatte der Komotauer Mu-seumsdirektor große Stellwän-de mit Fotos und zweisprachigen

Texten aus Leben und Werk des Komotauer Komponisten vorbe-reitet. „Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf Psalm 31, Vers 16“, erläuterte Děd: „Den Psalm, der quasi sein Lebensmotto dar-stellt, vertonte Anton Enders 1999 für Orchester und Tarogato, ein ungarisches Holzblasinstru-ment.“ Weitere Einzelheiten aus Leben und Schaffen des Kom-ponisten konnten die Gäste an-schließend auf den Ausstellungs-tafeln entdecken.

Anton Enders wurde am 30. März 1923 in Komotau geboren. Sein musikalisches Talent zeigte sich früh, und so erhielt er schon mit sechs Jahren Violin-, später auch Klavierunterricht. Bereits mit zehn Jahren spielte er in ei-ner Knabenkapelle Melodien von Johann Strauß, Nico Dostal oder Franz von Suppé.

Den Wunsch, Musik zu stu-dieren, faßte er 1940 nach ei-nem Konzert des neu gegründe-ten Prager Philharmonischen Or-

chesters unter Josef Keilberth in Komotau. Am Deutschen Staats-realgymnasium in Komotau leg-te er 1942 noch die mündliche Maturaprüfung ab. Nach Wehr-dienst und Entlassung aus ameri-kanischer Kriegsgefangenschaft im August 1945 nach Bamberg blieb er in Bayern und studier-te von 1946 bis 1949 an der Aka-demie für Tonkunst in München Komposition bei Joseph Haas und Dirigieren bei Hans Ros-baud und Kurt Eichhorn. Danach

war Enders als freischaffender Komponist tätig und schuf acht „Böhmische Tänze“, vier „Eger-länder Tänze“, eine Volkslieder-Suite für gemischten Chor und Orchester, eine Sinfonie und vie-les mehr.

Nach einer Ausbildung zum Tonmeister am Rundfunktechni-schen Institut in Nürnberg arbei-tete er ab 1955 beim Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden. Hier be-treute er das Sinfonieorchester des SWF und die Landesorche-ster in Konstanz und Reutlingen, die Staatsphilharmonie Rhein-land-Pfalz und das Kurpfälzer Kammerorchester Mannheim so-wie gastweise auch das BBC-Or-chester. Mehr als drei Jahrzehn-te lang leitete er erfolgreich die „Donaueschinger Musiktage“. Nach seiner Pensionierung 1988 widmete er sich der Kammermu-sik, komponierte und trat mit Or-chestern auf. Enders wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er auch 1959 beim Sude-tendeutschen Tag in Wien aus den Händen des Sprechers Lodg-man von Auen den Sudetendeut-schen Kulturpreis für Musik.

Susanne Habel

Bis Freitag, 12. Dezember: „Meine Zeit steht in deinen Hän-den. Zum 90. Geburtstag des Ko-motauers Anton Enders“ in Mün-chen-Au, Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8. Montag bis Freitag 9.00–16.00 Uhr.

KULTURSudetendeutsche ZeitungFolge 43 | 24. 10. 2014 7

� Ausstellungseröffnung im Sudetendeutschen Haus in München

Aus Komotau nach Baden

Dr. Jitka Ludvová Bilder: Susanne Habel

Dr. Zuzana Finger und Stanislav Děd lauschen Enders-Melodien von der CD. Bilder: Susanne Habel

Die zweisprachigen Bildtafeln der Ausstellung führen in das Leben und das Werk von Anton Enders ein, der vor 91 Jahren in Komotau geboren wurde.

� Prager Wissenschaftlerin referierte in München

Bunte Theatergeschichten

Anton Enders in Komotau. Bild: RMK

Titelblatt der Kulturzeitschrift „Hohe Warte“.