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85 B KERNTHEMEN – B 2 Wenn Wissenschaftler oder Erfinder über die Lan- desgrenzen hinweg mobil sind, wird Wissen verbrei- tet und es kommen neue Kombinationen von Wissen zustande: Das Entstehen von Innovationen wird da- durch begünstigt. Die Bilanz von Zu- und Abwan- derungsströmen 257 unterscheidet sich dabei systema- tisch von Land zu Land – und damit divergieren auch die daraus resultierenden Impulse für Innova- tionen. Deutschland hat – wie in den Abschnitten B 2 – 1 bis B 2 – 3 ausführlich dargelegt wird – im internationalen Vergleich eine eher mäßige Bilanz. Das Ergebnis kann in wenigen Sätzen vorwegge- nommen werden und ist ernüchternd. Wissenschaftler: Der Anteil mobiler Wissenschaft- ler an allen Wissenschaftlern in Deutschland liegt im internationalen Mittelfeld. Deutschland verliert viele der besten Wissenschaftler durch Abwande- rung. Zwar gibt es Rückkehrer, jedoch können nicht Wissenschaftler gleicher Qualität 258 zurückgewonnen werden. Gut gelingt in Deutschland allerdings die Auf- besserung des Wissenspools über neu zuwandernde Wissenschaftler mit vergleichsweise hohem „Impact“ (Zahl an Zitationen), von denen aber die Besten nicht gehalten werden können. Es können also nur wenige der wirklich guten Wissenschaftler in Deutschland gehalten oder zurückgeholt werden. Insbesondere für die Besten scheint das deutsche Forschungssystem derzeit nicht attraktiv genug zu sein. Erfinder: Patentaktive Erfinder aus Deutschland weisen eine im internationalen Vergleich mäßige und leicht sinkende Abwanderungsrate auf. 259 Gleichzeitig liegt die Zuwanderung nach Deutschland im inter- nationalen Vergleich allenfalls im Mittelfeld. Dabei gibt es systematische Unterschiede in den Mobili- tätsmustern unterschiedlicher Branchen. Internationale Erfindermobilität verstärkt dabei das bestehende FuE- Spezialisierungsprofil Deutschlands: Technologie- felder, in denen Deutschland stark ist, verzeichnen eher niedrige Abwanderungsraten und Technologie- felder, in denen Deutschland schwach ist, eher hohe Abwanderungsraten. INTERNATIONALE MOBILITÄT VON WISSENSCHAFTLERN UND ERFINDERN UND DEREN AUSWIRKUNGEN AUF INNOVATION B 2 Die Innovationsfähigkeit kann gesteigert werden, wenn das Forschungs- und Innovationssystem Deutschlands insbesondere für Spitzenwissenschaft- ler und Erfinder attraktiver gemacht wird. MOBILITÄT PUBLIKATIONSAKTIVER WISSEN- SCHAFTLER IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Die Mobilität von Wissenschaftlern wird nicht in offiziellen Statistiken gemessen, kann aber mit un- terschiedlichen Hilfsindikatoren abgebildet werden (vgl. Box 9). Eine aktuelle Studie 260 untersucht – basierend auf Daten der Publikationsdatenbank „Scopus Custom Data Elsevier“ – die internationale Mobilität von Wissenschaftlern aus 36 Ländern. In die Analyse einbezogen werden Wissenschaftler, die im Zeitraum von 1996 bis 2011 publiziert haben. Unterschieden werden „Immobile Wissenschaftler“ und „Mobile Wissenschaftler“, wobei letztere noch- mals in „Rückkehrende“ und „Neuankommende“ unterteilt werden. 261 Das Ergebnis wird in Abbildung 20 wiedergegeben. 262 Insgesamt gab es in Deutschland zwischen 1996 und 2011 19.521 zuwandernde und 23.460 abwanderende publizierende Wissenschaftler (vgl. Abbildung 21). Mit einem negativen Saldo von rund 4.000 Abge- wanderten lag Deutschland somit im internationalen Vergleich lediglich an 19. Stelle und damit deut- lich hinter den meisten anderen OECD- und BRICS- Staaten. Beim Anteil international mobiler Wissenschaftler an allen Wissenschaftlern liegt Deutschland im Mittelfeld Es zeigt sich, dass Deutschland im internationalen Vergleich in mittlerem Ausmaß durch die Zuwan- derung international mobiler Wissenschaftler ge- winnt. Die Zuwanderung liegt bei ca. 10 Prozent, wovon knapp zwei Drittel Rückkehrende und ein gu- tes Drittel Neuankommende sind. 263 Allerdings ran- gieren die USA bei der Zuwanderung sogar noch B 2 – 1

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B Kernthemen – B 2

Wenn Wissenschaftler oder Erfinder über die Lan-desgrenzen hinweg mobil sind, wird Wissen verbrei-tet und es kommen neue Kombinationen von Wissen zustande: Das Entstehen von Innovationen wird da-durch begünstigt. Die Bilanz von Zu- und Abwan-derungsströmen257 unterscheidet sich dabei systema-tisch von Land zu Land – und damit divergieren auch die daraus resultierenden Impulse für Innova-tionen. Deutschland hat – wie in den Abschnitten B 2 – 1 bis B 2 – 3 ausführlich dargelegt wird – im internationalen Vergleich eine eher mäßige Bilanz. Das Ergebnis kann in wenigen Sätzen vorwegge-nommen werden und ist ernüchternd.

Wissenschaftler: Der Anteil mobiler Wissenschaft-ler an allen Wissenschaftlern in Deutschland liegt im internationalen Mittelfeld. Deutschland verliert viele der besten Wissenschaftler durch Abwande-rung. Zwar gibt es Rückkehrer, jedoch können nicht Wissenschaftler gleicher Qualität258 zurückgewonnen werden. Gut gelingt in Deutschland allerdings die Auf- besserung des Wissenspools über neu zuwandernde Wissenschaftler mit vergleichsweise hohem „Impact“ (Zahl an Zitationen), von denen aber die Besten nicht gehalten werden können. Es können also nur wenige der wirklich guten Wissenschaftler in Deutschland gehalten oder zurückgeholt werden. Insbesondere für die Besten scheint das deutsche Forschungssystem derzeit nicht attraktiv genug zu sein.

Erfinder: Patentaktive Erfinder aus Deutschland weisen eine im internationalen Vergleich mäßige und leicht sinkende Abwanderungsrate auf.259 Gleichzeitig liegt die Zuwanderung nach Deutschland im inter-nationalen Vergleich allenfalls im Mittelfeld. Dabei gibt es systematische Unterschiede in den Mobili-tätsmustern unterschiedlicher Branchen. Internationale Erfindermobilität verstärkt dabei das bestehende FuE-Spezialisierungsprofil Deutschlands: Technologie-felder, in denen Deutschland stark ist, verzeichnen eher niedrige Abwanderungsraten und Technologie-felder, in denen Deutschland schwach ist, eher hohe Abwanderungsraten.

InternatIonale moBIlItät von WIssenschaftlern und erfIndern und deren ausWIrKungen auf InnovatIon

B 2

Die Innovationsfähigkeit kann gesteigert werden, wenn das Forschungs- und Innovationssystem Deutschlands insbesondere für Spitzenwissenschaft-ler und Erfinder attraktiver gemacht wird.

moBIlItät puBlIKatIonsaKtIver WIssen-schaftler Im InternatIonalen vergleIch

Die Mobilität von Wissenschaftlern wird nicht in offiziellen Statistiken gemessen, kann aber mit un-terschiedlichen Hilfsindikatoren abgebildet werden (vgl. Box 9). Eine aktuelle Studie260 untersucht – basierend auf Daten der Publikationsdatenbank „Scopus Custom Data Elsevier“ – die internationale Mobilität von Wissenschaftlern aus 36 Ländern. In die Analyse einbezogen werden Wissenschaftler, die im Zeitraum von 1996 bis 2011 publiziert haben. Unterschieden werden „Immobile Wissenschaftler“ und „Mobile Wissenschaftler“, wobei letztere noch-mals in „Rückkehrende“ und „Neuankommende“ unterteilt werden.261 Das Ergebnis wird in Abbildung 20 wiedergegeben.262

Insgesamt gab es in Deutschland zwischen 1996 und 2011 19.521 zuwandernde und 23.460 abwanderende publizierende Wissenschaftler (vgl. Abbildung 21). Mit einem negativen Saldo von rund 4.000 Abge- wanderten lag Deutschland somit im internationalen Vergleich lediglich an 19. Stelle und damit deut-lich hinter den meisten anderen OECD- und BRICS-Staaten.

Beim Anteil international mobiler Wissenschaftler an allen Wissenschaftlern liegt Deutschland im Mittelfeld

Es zeigt sich, dass Deutschland im internationalen Vergleich in mittlerem Ausmaß durch die Zuwan-derung international mobiler Wissenschaftler ge-winnt. Die Zuwanderung liegt bei ca. 10 Prozent, wovon knapp zwei Drittel Rückkehrende und ein gu-tes Drittel Neuankommende sind.263 Allerdings ran-gieren die USA bei der Zuwanderung sogar noch

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weiter hinten, nämlich im unteren Drittel (7,5 Pro-zent Zuwandernde, davon etwa die Hälfte Rückkeh-rende (3,7 Prozent) und Neuankommende (3,8 Pro-zent)).270 Auffällig ist, dass die Schweiz hier weit besser abschneidet als Deutschland oder die USA. Mit fast 20 Prozent Zuwandernden, davon mehr als 10 Prozent Neuankommende und 8,5 Prozent Rückkehrende, liegt die Schweiz klar an der Spitze

des Wissenszuflusses. Die Schweiz hat also einen höheren Anteil an Rückkehrenden als Deutschland (6 Prozent) oder die USA (3,7 Prozent). Offensicht-lich gelingt es der Schweiz besonders gut, mobile Wissenschaftler wieder in die Schweiz zurückzu-holen.271 Ähnlich gut wie die Schweiz stehen bei den Zuwandernden beispielsweise auch Österreich, Kanada, Schweden oder Belgien da.

Mobilitätsindikatoren für Wissenschaftler und Erfinder

Bei Wissenschaftlern kann für die Bildung eines Mobilitätsindikators die auf einer Publikation an-gegebene Institutszugehörigkeit als Ausgangspunkt verwendet werden, um festzustellen, ob im Laufe der Zeit länderübergreifende Wechsel stattgefunden haben. Dieser Indikator ist beispielsweise Grundlage der OECD-Studie „Researchers on the move“.264 Bei Erfindern kann analog dazu eine Änderung des Wohnortes laut der Patentschrift als Indikator für einen Länderwechsel herangezogen werden;265 alternativ dazu werden in bestimmten Patentverfah-ren auch Informationen zur Nationalität des Erfin-ders gesammelt.266

Beiden Indikatoren haften jedoch ähnliche Proble-me an. Sie erfassen Mobilität nur, soweit es sich um Wissenschaftler mit Publikationen bzw. um Er-finder mit Patenten handelt. Damit wird die Mobi-lität systematisch unterschätzt, denn Personen, die (noch) keine Publikationen oder Patente vorzuwei-sen haben, werden nicht erfasst. Dies vernachlässigt insbesondere die Mobilität von Personen in jünge-ren Jahren, also z.B. in oder vor der Post-Dokto-randen-Phase, ebenso wie die Mobilität in Fächern, in denen weder internationale Zeitschriftenpub- likationen noch Patente zum Standard gehören. Bei Publikationsindikatoren kommt erschwerend hinzu, dass die Veröffentlichung oft mit großen Zeitver-zögerungen erfolgt und insofern nicht immer ein-deutig ist, an welchem Standort die Publikation tatsächlich entstanden ist (insbesondere kurz nach Wechseln oder bei häufigeren Wechseln).267 Wird ein Wissenschaftler bzw. Erfinder erstmalig erfasst, ist es möglich, dass das Ursprungsland weder mit der Nationalität der Person noch mit dem Land der Aus-bildung übereinstimmt. Ausländische Studierende beispielsweise, die zum Studieren und Promovieren

Box 09 nach Deutschland kamen, eine erste Publikation während ihres Doktorats in Deutschland veröffentli-chen und dann in ihr Heimatland zurückgehen, wer-den als „abgewanderte deutsche“ Wissenschaftler er-fasst. Umgekehrt werden Deutsche, die nach einem Studium in Deutschland zum Doktorat nach USA gehen, dort eine erste Publikation verfassen und dann nach Deutschland zurückkehren, als „zugewanderte US-amerikanische“ Wissenschaftler erfasst. Solche Indikatoren sind also besonders unscharf, wenn es da- rum geht, das Land der Ausbildungsinvestitionen oder die Qualität eines nationalen Ausbildungssys-tems zu erfassen; sie sind dagegen aussagekräfti-ger, wenn es vor allem darum geht, den internatio- nalen Wissensfluss im Laufe einer Wissenschaftler-karriere und die daraus resultierenden Produktivitäts- effekte im Herkunfts- oder Zielland abzubilden.

Ein Vorteil sowohl der publikations- als auch der patentbasierten Indikatoren ist aber, dass sie ein vollständiges Bild aller publikations- und patent-aktiven Wissenschaftler liefern. Die Daten unterliegen keinen Stichprobenverzerrungen, Non- response bias o.ä.. Sie erlauben auch noch für kleine Fächer, Länder oder Regionen zuverlässige Aussagen.

Andere Möglichkeiten, internationale Mobilität zu erfassen, sind Befragungen mobiler Wissenschaftler, wie z.B. im Rahmen des GAIN-Netzwerkes, Sekundäranalysen administrativer Daten von mobilen Wissenschaftlern aus Förderprogrammen, wie z.B. von Alexander von Humboldt-Stipen- diaten268 oder European Research Council (ERC)- Förderungen, sowie Auswertungen amtlicher Sta- tistiken, wie beispielsweise des Mikrozensus, der Beschäftigtenstichprobe oder ähnlicher Datensätze.269 Hier sind es vor allem Abgrenzungsprobleme und zu kleine Stichproben, die bei detaillierteren Ana-lysen Schwierigkeiten bereiten.

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Für die Innovationsfähigkeit eines Landes kommt es aber nicht nur auf die Zahl der zu- oder ab-gewanderten Wissenschaftler an, sondern auch auf deren Qualität.

Im Saldo verliert Deutschland besonders gute Wissenschaftler

Zur Ermittlung qualitativer Unterschiede verwendet die OECD (2013b) den sogenannten „SNIP Impact Factor“. Dieser schließt anhand der Zitationen einer Zeitschrift auf die Qualität seiner Autoren zurück.272 Abbildung 22 gibt eine Übersicht über die so gemes-sene relative Qualität der immobilen Wissenschaftler, der Zuwandernden (Rückkehrenden und Neuan- kommenden) und der Abwandernden. Die Grafik zeigt, dass in Deutschland – wie auch in den ande-ren Ländern außer den USA – die Abwandernden den höchsten Impactfaktor (1,212) haben, gefolgt von den Neuankommenden (1,202) und den Rück-kehrenden (1,168); eher weit abgeschlagen sind die immobilen Wissenschaftler (1,030). Entscheidend für die Veränderung des Wissenspools und damit für die

aBB 20Internationale Mobilitätsmuster publizierender Wissenschaftler im Ländervergleich (Anteil immobiler, rückkehrender und neuankommender an allen publizierenden Wissenschaftlern eines Landes zwischen 1996 und 2011)

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an OECD (2013b: 1).

0

Immobile WissenschaftlerRückkehrendeNeuankommende

CH AT CA SE BE DK GB NL FR IL FI DE ZA IT ES PL US KR RU IN JP BR CN

5

10

15

20

25

30

95

%

Lesebeispiel: In Deutschland waren innerhalb des genannten Zeitraums ca. 4 Prozent der publizierenden Wissenschaftler „Neuankommende“, ca. 6 Prozent „Rückkehrende“ aus dem Ausland und ca. 90 Prozent „Immobile Wissenschaftler“.

Innovationsfähigkeit Deutschlands im internationa-len Wettbewerb ist die relative Qualität der Abwan-dernden im Vergleich zu den Zuwandernden, die in Abbildung 23 widergegeben ist. In Ländern links der 45-Grad-Linie haben die Abwandernden einen höheren Impact als die Zuwandernden, in Ländern rechts der 45-Grad-Linie ist es umgekehrt. Deutsch-land liegt links der 45-Grad-Linie, d.h. die Abwan-dernden haben in Deutschland im Durchschnitt einen höheren Impactfaktor als die Zuwandernden, so dass die internationale Wissenschaftlermobilität tendenziell zu einer Reduktion der Forschungsqua-lität in Deutschland führt.

In den USA trägt die internationale Wissenschaftler- mobilität über unterschiedliche Kanäle systematisch zur kontinuierlichen Verbesserung der Forschungsqualität bei: Der Zufluss ist geprägt von Wissenschaftlern mit überdurchschnittlichem Impact (insbesondere bei Rückkehrenden, aber auch bei Neuankommenden) und der Abfluss von Wissenschaftlern mit unter-durchschnittlichem Impact. Die USA sind das ein-zige Land, in dem die Abwandernden (Dreieck; 1,202) einen niedrigeren Impactfaktor haben als die

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zurück, sondern verbleiben in neuen Zielländern.274 Da in den USA außerdem die Neuankommenden (1,243) einen höheren Impactfaktor haben als die Abwandernden, trägt die internationale Wissenschaft-lermobilität zur kontinuierlichen Aufbesserung der Wissensbasis in den USA bei.

Ähnliche Zuwanderungseffekte wie die USA wei-sen die Niederlande, Großbritannien oder Kanada auf, weil sie ebenfalls viele sehr gute Rückkehren-de verzeichnen können. Im Gegensatz zu den USA wandern in den Niederlanden oder in Kanada aller-dings trotzdem die Besten auch ab. In Großbritannien dagegen wandern Wissenschaftler mit einem eher

immobilen Wissenschaftler (Quadrat; 1,209). Demzufolge trägt dort die Abwanderung – wenn auch nur leicht – zu einer besseren Durchschnittsquali-tät der Wissenschaftler bei. In allen anderen Län-dern haben die immobilen Wissenschaftler durch-schnittlich die niedrigsten Impactfaktoren, oft sogar mit weitem Abstand zu allen mobilen Wissenschaft-lern.273 In den USA haben die Rückkehrenden (1,389) den höchsten Impactfaktor im Vergleich zu allen an-deren Wissenschaftlern und zu allen anderen Län-dern. Dies bedeutet, dass anscheinend nur die besten Wissenschaftler, die vormals in den USA publikati-onsaktiv waren, nach einer Auslandsstation wieder dorthin zurückkehren. Die im Mittel schlechteren Abwandernden kommen demnach nicht in die USA

aBB 21 Zu- und Abwanderung publizierender Wissenschaftler zwischen 1996 und 2011 in Tausend

Lesebeispiel: Nach Deutschland wandern etwa 20.000 Wissenschaftler zu, aber ca. 24.000 Wissenschaftler wandern aus Deutschland ab. Deutschland hat damit einen negativen Saldo in Höhe von etwa 4.000 Personen.

Absteigend sortiert nach Saldo.Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an OECD (2013b).

20

Abwanderung SaldoZuwanderung

US CH KR CN DK BR CA AT ES NL ZA FI BE SE PL IL RU IT DE JP GB FR IN

Tsd.

0

–40

–60

–80

40

60

80

–20

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Naturwissenschaftlern an akademischen Einrich-tungen,277 wie wichtig die Abwanderung deutscher Wissenschaftler für das Zuwanderungsland USA und europäische Länder wie die Niederlande, Belgien, Dänemark, Schweden, Schweiz oder Großbritannien ist. Deutsche stellen dort mit bis zu 36 Prozent je-weils die größte Einwanderungsgruppe von auslän-dischen Wissenschaftlern.278 Beim obigen Vergleich der Impactfaktoren fällt zudem auf, dass der durch-schnittliche Impact der aus Deutschland abwan- dernden Wissenschaftler (1,212) in vielen Ländern gut mit dem durchschnittlichen Impact der aus ande-ren Ländern dorthin Zuwandernden mithalten kann (Kanada: 1,210; Schweden: 1,207; Dänemark: 1,206) oder knapp darunter liegt (USA: 1,243; Großbri-tannien: 1,236). Allerdings können nur wenige der wirklich guten Wissenschaftler gehalten oder zurück- geholt werden. Für die Besten scheint das deutsche Forschungssystem wenig attraktiv zu sein.

Ein Lichtblick ist, dass ein knappes Drittel aller im Ausland forschenden Deutschen auf lange Sicht eine Rückkehr nach Deutschland plant. Ein wei-teres Drittel gibt an, dass sie eine Rückkehr bei

niedrigen Impactfaktor ab, der allerdings immer noch höher ist als bei den immobilen Wissenschaftlern.

Eine Besonderheit weist das Mobilitätsmuster der Schweiz auf, die ihren Wissenspool konsequent durch einen Neuzufluss an hervorragenden Wissenschaftlern aufwertet und die Besten zurückgewinnt bzw. halten kann. Die Schweiz weist den höchsten Impact bei den Neuankommenden (1,277) und einen sehr hohen Impact (den fünfthöchsten) bei den Rückkehrenden (1,250) auf. Gleichzeitig liegt der Impactfaktor der Abwandernden (1,276) knapp unter dem der Neuan-kommenden. Dies spiegelt sich auch in dem im inter-nationalen Vergleich sehr hohen Impactfaktor der im-mobilen Wissenschaftler in der Schweiz wider (1,130).

Im Vergleich zu den oben genannten Ländern steht Deutschland bezüglich der Effekte internationaler Mo-bilität für den eigenen Wissenspool also schlechter da. Die Besten wandern ab, kehren aber nur selten nach Deutschland zurück, wenn sie einmal gegan-gen sind.275 Sie verbleiben an attraktiven Forschungs-destinationen im Ausland.276 In diesem Zusammen-hang zeigt beispielsweise auch eine Befragung von

Lesebeispiel: „Abwandernde“ aus Deutschland haben einen mittleren Impactfaktor (Median) in Höhe von 1,21; „Neuankommende“ haben mit 1,20 den zweithöchsten Impactfaktor, dicht gefolgt von „Rückkehrenden“ mit einem Impactfaktor von 1,17; den niedrigsten Impactfaktor haben „Immobile Wissenschaftler“ mit 1,03.

aBB 22Wissenschaftlicher Impact von mobilen und immobilen publizierenden Wissenschaftlernzwischen 1996 und 2011

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

Impact

Immobile Wissenschaftler

US NL CAGB CH IL FI SE DK FR IT BE DE ES AT KR JP ZA BR IN PL CN

Rückkehrende AbwanderndeNeuankommende

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an OECD (2013b: 2).

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von exzellenten Wissenschaftlern aus dem Ausland. Solche Maßnahmen (vgl. Box 10) sind wichtig und ver- dienen die volle Unterstützung der Bundesregierung.

Außerdem könnten Maßnahmen der Exzellenzinitia-tive schon heute eine besondere Anziehungskraft auf Wissenschaftler aus dem Ausland ausüben. Es liegen zwar noch keine systematischen Wirkungsanalysen vor, welche Effekte die Exzellenzinitiative auf die Wissenschaftlermobilität und insbesondere auf die Rückkehr deutscher Wissenschaftler in die Heimat hat. Allerdings deuten einfache Vergleiche an, dass

entsprechenden Arbeitsangeboten in Erwägung zie-hen. Nur schweizerische, kanadische und schwedi-sche Wissenschaftler räumen der Rückkehr ins Hei-matland bessere Chancen ein.279 Insofern kann eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Spitzen-wissenschaftler in Deutschland – in Kombination mit entsprechenden Rückkehrerprogrammen, die dies organisatorisch erleichtern – längerfristig durchaus einen spürbaren Effekt entfalten.

Aus diesen Gründen begrüßt die Expertenkommission die Initiierung von Maßnahmen zur Rückgewinnung

aBB 23 Relativer Impact von zu- und abwandernden publizierenden Wissenschaftlern zwischen 1996 und 2011

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an OECD (2013b: 3).*Durchschnitt aus neuankommenden und abwandernden Wissenschaftlern

1,0

1,1

1,2

1,3

PL

CN

ZA

JP

KR

ES

AT

BE

IT

FR

DE

GB

US

NL

IL

CH

BR

0,9 1,0 1,1 1,2 1,3

EU + OECD BRICS

Impact der Zuwanderer (Median)

Impact der Abwanderer (Median)

ab 1.000 ab 10.000 ab 70.000

DK SE

CA

FI

IN

Anzahl mobiler Wissenschaftler*

Lesebeispiel: Deutschland liegt links der 45-Grad-Linie, d.h. die abwandernden Wissenschaftler haben im Mittel (Median) einen höheren Impact als die neuankommenden Wissenschaftler. Die Größe der Kreise deutet zudem an, dass in Deutschland relativ viele Wissenschaftler mobil sind.

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es durchaus eine positive Wirkung gibt: Während im Jahr 2011 im gesamten Hochschulsystem der An-teil der Personen aus dem Ausland 10 Prozent be-trug, lag der Anteil in Graduiertenschulen bei 36 Prozent, in Exzellenzclustern bei 24 Prozent und in den Zukunftskonzepten bei 37 Prozent.285 Die große Zahl etablierter Wissenschaftler aus den USA, die im Rahmen der Initiative angeworben wurden, deutet darauf hin, dass auch zahlreiche deutsche Rückkeh-rer von US-Forschungseinrichtungen darunter waren (vgl. Box 10). Jedoch hat die Expertenkommission gegenwärtig keine Belege dafür, dass es im Rah-men der Initiative zu systematischen „Blockberufun-gen“ ganzer Forschungsteams aus dem Ausland kam.

BeschäftIgung ausländIscher WIssenschaftler In deutschland und In den usa Im vergleIch

In diesem Abschnitt wird statt der Wanderungsströ-me publikationsaktiver Wissenschaftler der Bestand der in Deutschland beschäftigten Wissenschaftler aus dem Ausland286 betrachtet und beispielhaft mit dem in den USA verglichen. Die gesetzlichen Grundlagen für die Beschäftigung ausländischer Wissenschaftler in Deutschland sind in Box 11 beschrieben. Im Ge-samtergebnis zeigt sich, dass die Beschäftigungsmus-ter ausländischer Wissenschaftler in Deutschland und

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Rückkehrerprogramme zur Anwerbung deutscher Wissenschaftler im Ausland

Verschiedene Mobilitätsprogramme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zielen auf die An-werbung von Wissenschaftlern im Ausland und ins-besondere die Rückkehr deutscher Spitzenwissen-schaftler nach Deutschland ab. Dazu gehören unter anderem das Heisenberg-Programm, das Emmy- Noether-Programm, die „Forschungsstipendien“-Programme sowie insbesondere diejenigen För-deraktivitäten im Rahmen der Exzellenzinitiative, die zu einer Rückkehr exzellenter Wissenschaftler an deutsche Einrichtungen geführt haben können.

Die Förderstatistiken der DFG weisen die Daten zum internationalen wissenschaftlichen Personen-transfer und zu den Rückkehrern nach Deutsch-land nicht im Detail, insbesondere nicht nach Na-tionalität der Wissenschaftler aus. Jedoch waren bereits im Jahr 2008 – in der ersten Phase der Exzellenzinitiative – von den rund 4.000 wissen-schaftlichen Stellen mehr als 20 Prozent an Wis-senschaftler vergeben worden, die zuvor im Aus-land forschten. Im Jahr 2011 lag dieser Anteil bei etwa 30 Prozent. Der Auslandsanteil in den Gra-duiertenschulen beträgt etwa 36 Prozent (2008: 26 Prozent); in den Exzellenzclustern liegt er etwas niedriger bei etwa 24 Prozent (2008: 23 Prozent).280 Im Rahmen der Förderlinie Zukunftskonzepte kom-men rund 37 Prozent des wissenschaftlichen Perso-nals aus dem Ausland.281 Wichtige Herkunftsregio-nen der Wissenschaftler in den Graduiertenschulen und Exzellenzclustern waren im Jahr 2008 Europa,

Asien und Nordamerika. Während aus asiatischen Ländern vorrangig Doktoranden rekrutiert wurden, sind die aus Europa und insbesondere Nordame-rika zugewanderten Wissenschaftler mehrheitlich in weiter fortgeschrittenen Phasen ihrer Karriere.

Das Emmy-Noether-Programm wendet sich an aus-ländische und deutsche Nachwuchswissenschaftler, die eine eigene wissenschaftliche Gruppe an einer deutschen Forschungseinrichtung aufbauen möch-ten. Die Förderung erstreckt sich in der Regel über eine Laufzeit von fünf Jahren. Die DFG bewillig-te im Jahr 2012 58 neue Projekte. Dies entspricht einer Bewilligungsquote von 22 Prozent. Das Pro-gramm wurde im Jahre 2008 systematisch evalu-iert und betrachtet als einen Teilaspekt auch die langfristige Mobilität der Geförderten:282 Obwohl es sich bei lediglich etwa 8 Prozent der zwischen 1999 und 2006 geförderten Emmy-Noether-Stipendi-aten um Ausländer handelte, waren nach dem Aus-laufen der Förderung fast 25 Prozent von ihnen im Ausland tätig – und damit etwa 5 bis 10 Prozent mehr, als für postdoktorale Wissenschaftler allge-mein geschätzt.283 Als Ursache für die Abwande-rung geben die geförderten Wissenschaftler vor al-lem unzureichende Karrierechancen und eine nicht zufriedenstellende Entlohnung in Deutschland an.

Das Forschungsstipendien-Programm der DFG ent-hält ebenfalls eine Förderlinie für deutsche Rück-kehrer aus dem Ausland; im Jahr 2012 wurden in diesem Kontext 58 Anträge von Wissenschaftlern bewilligt.284

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zu erreichen.289 Kann im Sinne dieser Prüfung der Lebensunterhalt nicht als gesichert gelten, kann keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Positiv ist, dass vor der Erteilung von Aufenthaltstiteln ge-mäß §20 AufenthG keine Arbeitsmarktprüfung er-folgen muss. Laut einer Studie hielten sich Ende 2011 nur 588 Personen mit einem Aufenthaltstitel gemäß §20 in Deutschland auf, wobei die Mehr-zahl vergleichsweise jung ist (zwischen 25 und 34 Jahre).290 Sie stammen vor allem aus China, Indi-en und den USA. Hauptziele in Deutschland sind NRW, Baden-Württemberg und Bayern.291 Die Zahl der zugeteilten Aufenthaltstitel hat sich in den letz-ten Jahren kontinuierlich erhöht.292 Die stetig stei-genden Zahlen dürfen jedoch nicht in Vergessenheit geraten lassen, dass die Anzahl der Aufenthaltstitel gemäß §20 absolut gesehen sehr gering ist. Dies mag auch daran liegen, dass vergleichsweise we-nige Forschungseinrichtungen (180) eine Akkredi-tierung für die Ausstellung von Aufnahmevereinba-rungen besitzen. Einer der Gründe für die geringe Inanspruchnahme ist, dass sich die Forschungsein-richtungen verpflichten müssen, bei Überziehen der Aufenthaltserlaubnis die Kosten zu übernehmen. Dies ist für Universitäten insbesondere problema-tisch, wenn die Forschung aus Drittmitteln finan-ziert ist.293

Darüber hinaus haben ausländische Wissenschaftler, genau wie andere Erwerbstätige, die Möglichkeit, einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel für einen Zuzug und die Erwerbstätigkeit in Deutsch-land gemäß §18 oder §19 AufenthG zu erwerben. Sie können sich entweder um eine (befristete) Auf-enthaltserlaubnis oder eine (unbefristete) Niederlas-sungsbewilligung bemühen. Voraussetzung für einen dieser Aufenthaltstitel ist das Vorliegen eines kon-kreten Arbeitsplatzangebots. Beide Aufenthaltstitel setzen außerdem eine Arbeitsmarktprüfung voraus, d.h. die Bundesagentur für Arbeit muss der Ertei-lung explizit zustimmen – wenn dies nicht aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen anders geregelt ist. Beide Arten von Aufenthaltstiteln werden bei-spielsweise für Führungskräfte, Personen aus dem Bereich Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, IT-Fachkräfte oder Akademiker vergeben. Für her-ausragend Qualifizierte (Hochqualifizierte) kann in besonderen Fällen eine unbefristete Niederlassungs-bewilligung erteilt werden.294

Box 11 Rechtliche Grundlagen der Zuwanderung von Wissenschaftlern

Für Personen aus EU-Staaten gilt grundsätzlich die Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreizügigkeit.287 Schweizerische Staatsangehörige sind weitgehend den Unionsbürgern gleichgestellt. Außerdem sind weitere bilaterale Vereinbarungen der EU mit Dritt-staaten, wie z.B. der Türkei, zu beachten.

Für Staatsangehörige anderer Ländern sind die Mög-lichkeiten zum Erwerb eines Aufenthaltstitels in Deutschland im Rahmen des Aufenthaltsgesetzes geregelt. Einerseits können Wissenschaftler gemäß dem eigens dafür geschaffenen §20 AufenthG zu-wandern (der im Jahr 2007 aufgrund der Richtlinie 2005/71/EG zur Migration von Wissenschaftlern in der EU neu eingerichtet wurde). Andererseits gibt und gab es auch schon vor Einführung dieser Spe-zialregel für Wissenschaftler und unabhängig von der Berufsgruppe verschiedene andere Möglichkei-ten für ausländische Erwerbstätige, einen Aufent-haltstitel für eine Erwerbstätigkeit in Deutschland zu erhalten; diese Möglichkeiten können und wer-den natürlich auch von Wissenschaftlern genutzt.288

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §20 Auf-enthG unterliegt einer Reihe von Voraussetzungen. Erste Bedingung ist, dass der ausländische Wissen-schaftler einen entsprechenden Bildungsabschluss vorweisen kann. Eine zweite Bedingung ist, dass der ausländische Wissenschaftler eine Aufnahme-vereinbarung mit einer anerkannten Forschungsein-richtung abgeschlossen hat. Außerdem muss der Lebensunterhalt des ausländischen Wissenschaftlers gesichert sein, was gemäß Ausführungsbestimmun-gen gegeben ist, wenn monatlich Mindesteinnahmen in Höhe von 1.703 Euro in den alten und 1.493 Euro in den neuen Bundesländern garantiert sind. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weist an dieser Stelle zurecht darauf hin, dass der Nach-weis eines solchen Nettoeinkommens eine große Hürde darstellt. Oft ist dafür eine volle E13-Stelle notwendig, aber in der Praxis erhalten Doktoranden oder Gastwissenschaftler oft nur eine Teilzeitstelle. Für solche Fälle, in denen das Mindesteinkommen nicht erreicht wird, kann der gesicherte Lebens-unterhalt auch auf Basis einer individuellen Prü-fung nachgewiesen werden. Allerdings wird dann vor allem geprüft, ob weitere laufende Einkünfte wie Stipendien ausreichen, um den Mindestbetrag

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in den USA die bisher gefundenen Mobilitätsmuster publizierender Wissenschaftler bestätigen.297

Verbesserung des Wissenspools bei Hochquali-fizierten in den USA – Abbau von Engpässen bei Geringqualifizierten in Deutschland

Zieht man zur Identifikation von Wissenschaft-lern den ausgeübten Beruf298 und als Indikator für das Herkunftsland seine Staatsangehörigkeit he-ran,299 zeigt sich, dass im Jahr 2010 in Deutsch-land von insgesamt 2,47 Millionen Beschäftigten in wissenschaftlichen Berufen ca. 135.000 Zuwan-derer waren. Ungefähr die Hälfte davon waren In-genieure, Architekten oder Wissenschaftler in ver-wandten Bereichen (67.000), hinzu kamen ca. 24.000

Informatiker und 23.000 Sozialwissenschaftler. Der Ausländeranteil in wissenschaftlichen Berufen war damit erheblich geringer (5,5 Prozent) als in nicht- wissenschaftlichen Berufen (10,8 Prozent) – und er ist seit 2007 sogar gesunken.300 Zuwanderung hilft in Deutschland offensichtlich stärker, Engpässe bei weniger Qualifizierten auszugleichen, als den Pool an hochqualifizierten Wissenschaftlern auszubau-en. Ähnliche, wenn auch nicht ganz so ausgeprägte Befunde ergeben sich, wenn man Wissenschaftler nicht über ihre Berufe, sondern über die Branche ihrer Beschäftigung identifiziert.301

Vergleicht man die Beschäftigungsstruktur der aus-ländischen Wissenschaftler in Deutschland mit der in den USA, bestätigt sich das aus den Publikati-onsdaten gewonnene Bild, dass insbesondere hoch-qualifizierte Promovierte in die USA zuwandern. Das Ergebnis hängt allerdings sehr stark davon ab, welche Definition für „Wissenschaftler in den USA“ gewählt wurde. Bei einer breiten Definition von Aka-demikern (ISCED 5 + ISCED 6) ist der Ausländer- anteil unter den „Wissenschaftlern“ gering, wäh-rend er bei einer engen Definition (nur ISCED 6 bzw. nur Promovierte) sehr hoch ist. Auf der ande-ren Seite ist der Anteil der ausländischen Beschäf-tigten mit keiner oder nur einer geringen Qualifi- kation (ISCED 1 + ISCED 2) ebenfalls höher als der der Inländer. In den USA werden demnach die Humanressourcen bei den wenig Qualifizierten und bei den am höchsten Qualifizierten ergänzt.

Einen erheblichen Anteil an der Verbesserung des Wissenspools in den USA haben deutsche Akademi-ker und insbesondere deutsche Promovierte.302 Von allen in den USA beschäftigten Deutschen haben mehr als 14 Prozent promoviert (ISCED 6)303 – mit steigender Tendenz;304 gleichzeitig haben von den Einheimischen aber nur 1,4 Prozent promoviert.305 Betrachtet man die ausgeübten Berufe noch genauer, weisen die Zuwanderer aus Deutschland eine sehr ausgewogene Berufsstruktur auf. Den höchsten Ein-zelanteil weisen die Hochschullehrer mit 5,4 Pro-zent auf,306 gefolgt von Lebens-, Natur- und Sozial- wissenschaftlern (4,8 Prozent), Beschäftigten in der Computerbranche und in mathematischen Be-rufen (4,6 Prozent) sowie Architekten und Ingeni-euren (4,4 Prozent).307 Berücksichtigt man, dass der Anteil der Hochschullehrer unter den Einheimi-schen in den USA nur bei 0,9 Prozent liegt und der Anteil der Lebens-, Natur- und Sozialwissenschaftler

Seit dem 1. August 2012 können hochqualifizier-te Wissenschaftler aus Drittstaaten der EU auf Basis der „Blauen Karte EU“ für eine Erwerbs-dauer von ein bis vier Jahren nach Deutschland zuziehen. Auch hier ist ein Mindestgehalt erfor-derlich, das grundsätzlich bei zwei Dritteln bzw. für Berufe mit besonderem Bedarf bei 52 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversiche-rung liegt.295

Schließlich gibt es für Drittstaatsangehörige, die für eine selbstständige Tätigkeit bzw. Unterneh-mensgründung nach Deutschland einreisen möch-ten, die Möglichkeit eines Aufenthaltstitels gemäß §21 AufenthG. Voraussetzung hierfür ist, dass ein besonderes wirtschaftliches Interesse oder regi-onales Bedürfnis vorliegt und dass die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwar-ten lässt. Außerdem muss die Finanzierung entwe-der durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzu-sage gesichert sein. Eine erste Aufenthaltserlaubnis für Selbstständige ist grundsätzlich zeitlich befris-tet und läuft maximal drei Jahre; wenn die Ge-schäftsidee erfolgreich verwirklicht wurde und der Lebensunterhalt gesichert ist, kann danach eine un-befristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden.296 Befragungen ausländischer Erwerbstätiger haben er-geben, dass die Mehrheit der Wissenschaftler aus Drittstaaten nicht über den speziellen §20, sondern über Aufenthaltstitel gemäß §§18, 19 oder 21 Auf-enthG nach Deutschland gekommen ist.

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gar nur bei 0,7 Prozent, zeigt sich auch hier wieder, wie der Pool an hochqualifizierten Wissenschaftlern in den USA durch zugewanderte Arbeitskräfte aus Deutschland verbessert wird.

moBIlItät patentaKtIver erfInder Im InternatIonalen vergleIch

Patente dienen dem rechtlichen Schutz neuartiger technischer Ideen und werden daher oftmals als Indikator für die Messung der Innovationsleistung eines Erfinders, eines Unternehmens bzw. einer For-schungsinstitution oder eines Landes herangezogen. Wandern patentaktive Erfinder ab oder zu, ändert sich die Innovationsfähigkeit auf den verschiede-nen Ebenen.

Aktuelle Studien zur Zuwanderung in die USA belegen vielfach einen positiven Einfluss hochqualifi-zierter Zuwanderung auf die Innovationstätigkeit der Unternehmen, auf Gründungen und auf Forschungs-einrichtungen im Zielland.308 Eine neuere Studie309 zeigt beispielsweise, dass Zugewanderte in den USA im Zeitraum zwischen 1940 und 2000 doppelt so viele Patente angemeldet haben wie einheimische Wissenschaftler.310

Belastbare Studien für Deutschland sind bisher nur sehr begrenzt vorhanden. Diese legen aber zumin-dest positive Auswirkungen kultureller Diversität auf die Patentaktivitäten von Hochqualifizierten und die Gründungsintensität auf regionaler Ebene nahe.311 Studien, die die Auswirkungen der Abwanderung hochqualifizierten Personals aus Deutschland auf die Unternehmen bzw. die Forschungseinrichtun-gen in Deutschland einschätzen, liegen gegenwär-tig nicht vor.

Die vorliegende Patentstatistik erfasst insbesondere die Wanderungsbewegungen derjenigen Erfinder, die im Besitz qualitativ besonders hochwertiger Patente sind.312 Im Einzelnen liegen der Erfindermobilität sehr unterschiedliche Ursachen zu Grunde. Zu diesen gehören unter anderem die unternehmensinterne Mobi-lität des FuE-Personals in einem grenzüberschreitend operierenden Unternehmen, der Wechsel eines patent- aktiven Wissenschaftlers an eine Forschungseinrich-tung im Ausland oder möglicherweise die Gründung eines Unternehmens im Ausland (vgl. ausführlicher Abschnitt B 2 – 5).

B 2 – 3

Mäßige, aber selektive Abwanderung patentaktiver Erfinder aus Deutschland

Patentaktive Erfinder aus Deutschland weisen, wie unten ausführlicher gezeigt wird, eine im internatio-nalen Vergleich mäßige Abwanderungsrate auf. Dabei gibt es systematische Unterschiede in den Mobilitäts- mustern unterschiedlicher Branchen. Internationale Erfindermobilität verstärkt dabei das bestehende FuE-Spezialisierungsprofil Deutschlands: Technologie- felder, in denen Deutschland stark ist, verzeichnen eher niedrige Abwanderungsraten und Technologie- felder, in denen Deutschland schwach ist, eher hohe Abwanderungsraten. Für multinationale Unter-nehmen (MNU) ist mit der Abwanderung von Er- findern weniger Know-how-Verlust verbunden als bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), da die Abwanderung innerhalb von unternehmensinternen FuE-Netzwerken stattfindet.313 Überproportional häu-fig sind aus Deutschland abgewanderte Erfinder im Ausland im öffentlichen Forschungssektor beschäf-tigt, insbesondere an Forschungseinrichtungen in den USA. Gleichzeitig gründen deutschstämmige Erfinder besonders häufig Hightech-Unternehmen in den USA.

Etwa 6 Prozent der bereits im Jahr 2000 in Deutsch-land patentaktiven Erfinder waren laut ihrer Erfinder- adresse zwischen 2000 und 2009 international mobil.314 Zugleich ist gemäß einer aktuellen Studie315 der Anteil mobiler deutscher Erfinder im Ausland im Zeitraum zwischen 1990 und 2010 deutlich angewach-sen.316 Trotz dieses vergleichsweise starken Wachs-tums in der Vergangenheit ist die Abwanderungsrate von Erfindern in den meisten anderen OECD-Staaten immer noch höher (vgl. Abbildung 24).317 Nur die USA, Japan und Korea haben eine geringere, teilweise sogar rückläufige Abwanderung nationaler Erfinder zu verzeichnen.

Interessanterweise rekrutieren gerade die USA und die Schweiz zusammen mehr als 50 Prozent aller deutschstämmigen im Ausland aktiven Erfinder.318 Dabei scheinen insbesondere deutschstämmige Er-finder zu den wichtigsten Hightech-Gründern in den USA zu gehören (wenn man davon ausgeht, dass eine Hightech-Gründung mit einer Patentierung ein-hergeht). So zeigt eine Studie,319 dass Deutschland – gemessen an seinen Anteilen an allen ausländischen Gründern sowie an allen patentaktiven ausländischen Erfindern – in den USA bereits auf einem fünften

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B Kernthemen – B 2

Platz und somit lediglich hinter Gründern und Erfin-dern aus Indien, China, Großbritannien und Kanada rangiert. Deutschstämmige Gründer sind insbesondere in der IKT, in der Biotechnologie und in der FuE-Dienstleistungsindustrie zu finden. Bei den Hightech-Start-ups im Silicon Valley stellen deutschstämmige Gründer die siebtgrößte Nationalitätengruppe.320 Lediglich 2 von 100 deutschstämmigen patentierenden Erfindern sind in den USA aktiv; zugleich kommen aber auf 100 Hightech-Gründungen in Deutsch- land jahresdurchschnittlich etwa 4 bis 5 Hightech- Gründungen von Deutschen in den USA.321 Im Umkehrschluss bedeutet dies für den deutschen In-novationsstandort, dass gerade jene mobilen (patent- aktiven) Erfinder abwandern, die ihre Ideen auch erfolgreich in Innovation, Wertschöpfung und Be-schäftigung überführen können und die von den bes-seren Rahmenbedingungen für die Gründungstätig-keit in den USA profitieren.

Mehr als 80 Prozent der Patente mit mobilen Er-findern wurden im Basisjahr 2000 von MNU ange-meldet, so eine aktuelle Studie.322 Knapp 20 Prozent gehen auf Anmeldungen aus KMU zurück.323 Be-rücksichtigt man die größenspezifischen Effekte der Patentierung, sind Erfinder in KMU generell etwas

häufiger mobil als Erfinder in MNU, d.h. diese be-sitzen mit 8 Prozent einen höheren relativen Anteil mobiler Erfinder an allen KMU-Anmeldungen (ge-genüber 6 Prozent bei MNU). Obwohl viele Patente mobiler Erfinder von MNU angemeldet werden, wech-seln die Erfinder häufig nicht innerhalb des eigenen Unternehmens an einen ausländischen FuE-Standort, sondern verlassen ihren bisherigen Arbeitgeber.324 Konkret bedeutet dies, dass etwa zwei Drittel der mobilen Erfinder zu einem anderen Unternehmen oder in eine andere Forschungseinrichtung ins Ausland wechseln, während das übrige Drittel beim Wechsel ins Ausland im Unternehmen verbleibt.325

Zudem lassen sich Unterschiede in den Mobilitäts-mustern unterschiedlicher Branchen belegen. Im Jahr 2009 ging der höchste Anteil mobiler Erfinder aus der deutschen Pharma- und Biotechnologieindustrie sowie aus der Nachrichtentechnik (jeweils mehr als 10 Prozent) ins Ausland.326 Diese Branchen sind auch besonders stark durch eine Abwanderung aus dem bisherigen Unternehmen gekennzeichnet. Eine vergleichsweise geringe und unternehmens- interne Wanderung zeigt sich demgegenüber im Maschinenbau.327 Die Mobilitätsmuster verstärken so-mit das bestehende Spezialisierungsprofil Deutschlands

aBB 24Abwanderungsraten patentaktiver Erfinder im internationalen Vergleich zwischen 1990 und 2010

GB SEDEFRLänderdurchschnitt

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WIPO (2013).

% %

98 00 02 04 06 08 1090 92 94 96Jahr Jahr

KRCH US

JP

98 00 02 04 06 08 1090 92 94 9600

10

15

20

5

10

15

20

5

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in Forschung und Entwicklung: Technologiefelder und Branchen, in denen Deutschland stark ist, ver-zeichnen im Zeitverlauf eine niedrige Erfinder-abwanderung, die darüber hinaus unternehmens- intern abläuft.

Wenn hervorragende Erfinder also nur dort gehal-ten werden können, wo Deutschland sowieso schon wissenschaftlich stark ist, steht zu befürchten, dass zusätzliche Ausbildungsinvestitionen zur Schließung von Lücken in Deutschland möglicherweise weniger effektiv sein könnten als erhofft. Es besteht die Ge-fahr, dass durch die internationale Mobilität genau von diesen gut ausgebildeten Erfindern viele wieder verloren gehen. Daher müssten zusätzliche Ausbil-dungsinvestitionen so umfangreich und konzentriert sein, dass damit wirklich ein international konkur-renzfähiges neues Technologiefeld entstehen kann.

Hohe Abwanderung patentaktiver deutscher Wissenschaftler in ausländische öffentliche Forschungseinrichtungen

Da forschungsstarken und hochqualifizierten Wis-senschaftlern an Universitäten und Forschungsein-richtungen – unter anderem im Zusammenhang mit akademischen Ausgründungen – eine besonde-re Bedeutung für den deutschen Wissenschafts- und Innovationsstandort zugeschrieben wird, lohnt es sich auch, die Abwanderung patentaktiver Wissenschaftler in ausländische öffentliche Forschungseinrichtungen gesondert zu betrachten. Die Abwanderungsrate deutschstämmiger Wissenschaftler, die zwischen 2001 und 2010 in den öffentlichen Forschungssektoren des Auslands beschäftigt waren, beträgt laut einer Studie328 etwa 13 Prozent. Im Vergleich dazu liegt die Ab-wanderungsrate US-amerikanischer Wissenschaftler, die in ausländischen öffentlichen Forschungsinstitu-tionen arbeiten, bei lediglich knapp 2 Prozent. Folg-lich gelingt es in den USA und anderswo in Europa deutlich besser, patentaktive Wissenschaftler in ihren eigenen öffentlichen Forschungsinstitutionen zu hal-ten.329 Gleichzeitig verliert der deutsche Wissen-schaftsstandort verhältnismäßig viele patentaktive Spitzenwissenschaftler, die insbesondere in die ex-zellenten Wissenschaftssysteme der USA, der Schweiz und Großbritanniens abwandern.330

Allerdings muss die Abwanderung patentaktiver Er-finder aus Deutschland nicht zwangsläufig zu einem Engpass führen bzw. einen Brain Drain darstellen, wenn sich im Gegenzug auch eine entsprechende Zuwanderung bzw. ein Brain Gain beobachten lässt. Dies wird im folgenden Abschnitt untersucht.

Geringe Zuwanderung patentaktiver Erfinder nach Deutschland und schwache Gesamtbilanz

Die Zuwanderung nach Deutschland liegt im interna-tionalen Vergleich allenfalls im Mittelfeld, mit einer leicht steigenden Tendenz. Betrachtet man die Ge-samtsumme von Zu- und Abwandernden ist Deutsch-land gut in die internationale Wissenszirkulation in-tegriert. Deutschland liegt jedoch im Vergleich zu anderen OECD- und BRICS-Staaten mit einer leicht negativen Gesamtbilanz zu- und abgewanderter Er-finder lediglich im unteren Drittel. Gemessen an den vergleichsweise moderaten Abwanderungsraten ge-lingt es zudem der deutschen Wirtschaft – im Ver-gleich zum deutschen Wissenschaftssystem – deut-lich besser, Erfinder in Deutschland zu halten.

Allerdings ist die Lage in den USA wiederum deut-lich besser. Während der Anteil ausländischer Erfin-der an allen Patentaktiven in Deutschland laut der WIPO-Studie (2013) im Zeitraum zwischen 2001 und 2010 bei etwa 5,5 Prozent lag, machten aus-ländische Erfinder in den USA im selben Zeitraum mehr als 18 Prozent aus. Auch hinsichtlich der Her-kunftsländer der Erfinder unterscheiden sich Deutsch-land und die USA deutlich.331

Ausländische Erfinder lassen sich auch auf Ebene einzelner Unternehmen identifizieren. Der Anteil aus-ländischer Erfinder unter den zehn größten deutschen Patentanmeldern (bei Unternehmen und Forschungs-einrichtungen) lag über verschiedene Branchen hin-weg meist im einstelligen Prozentbereich (zwischen ca. 2 Prozent und 8 Prozent; vgl. Tabelle 8) und war damit im internationalen Vergleich sehr gering. Bei Erfindungen in Unternehmen und Forschungseinrich-tungen in den USA, der Schweiz oder Großbritanni-en lag der Anteil ausländischer Erfinder mit oft sogar über 50 Prozent deutlich höher, wobei auch hier ins-besondere wieder die Schweiz hervorsticht. Deutschen Unternehmen entgeht also erhebliches Innovations- potenzial, das Unternehmen anderer Länder durch die Anwerbung ausländischer Erfinder und eine

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B Kernthemen – B 2

taB 08Anteil ausländischer Erfinder bei den TOP 10 PCT-Patentanmeldern der Unternehmen und Forschungseinrichtungen in ausgewählten Vergleichsländern zwischen 2006 und 2010

Anteil ausländischer Erfinder in Prozent PCT-Anmeldungen PCT-Erfinder

DE

Robert Bosch 2,8 6.480 17.484

Siemens 6,4 4.555 11.753

BASF 14,4 3.562 15.427

Bosch-Siemens Hausgeräte 3,2 1.679 4.575

Fraunhofer-Gesellschaft 5,4 1.532 5.521

Continental Automotive 8,6 1.337 3.447

Henkel 6,4 1.210 4.420

Daimler 3,8 1.196 3.601

Evonik Degussa 5,6 974 4.103

ZF Friedrichshafen 2,4 958 2.702

US

Qualcomm 50,8 6.528 19.907

Microsoft 57,4 3.020 11.297

3M 11 2.577 8.852

Hewlett-Packard 18,6 2.360 6.114

E.I. Dupont De Nemours 17 2.118 5.916

IBM 21,4 2.006 6.854

University of California 28,2 1.754 5.598

Motorola 23,4 1.573 4.488

Procter & Gamble 10,2 1.540 4.953

Baker Hughes 12,8 1.461 3.552

CH

Nestlé 56,4 619 1.781

F. Hoffmann-La Roche 46,6 564 1.385

Novartis 62,6 489 1.179

Syngenta 66,6 308 972

Actelion Pharmaceuticals 30,2 272 879

Alstom 67,6 212 506

ABB 65 201 529

Swiss Federal Institute of Technology 49,2 186 534

Sika 30,4 179 426

Inventio 23,6 174 338

GB

Unilever 10,4 594 1.536

GlaxoSmithKline 12,6 409 1.590

British Telecommunications 20,2 389 861

BAE Systems 3,2 305 644

Imperial College 29,8 246 648

University of Oxford 29,8 242 618

Dyson 10,4 237 579

Astrazeneca 8,2 210 640

Cambridge University 36,6 205 572

QinetiQ 2,2 185 458

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WIPO (2013: 27).

doWnload daten

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Dabei ist in Deutschland wiederum die Zuwande-rungsrate ausländischer Erfinder in den öffentlichen Forschungssektor besonders gering. In Deutschland beträgt die Zuwanderungsrate bei den Erfindern im Wissenschaftssystem ca. 8 Prozent im Zeitraum zwi-schen 2001 und 2010. Im Vergleich dazu liegt sie in den USA bei 25 Prozent und in der Schweiz bei 48 Prozent. Frankreich und Schweden liegen mit 7 bzw. 10 Prozent dagegen auf vergleichbarem Niveau wie Deutschland.334

Betrachtet man den Saldo aller zuwandernden und abwandernden patentaktiven Erfinder, zeigt sich für Deutschland in der vergangenen Dekade ein nega-tives Ergebnis: Es gab etwa 7.000 mehr Abwan-derer als Zuwanderer in Deutschland. Damit liegt der deutsche Innovations- und Wissenschaftsstand-ort im internationalen Vergleich von OECD- und BRICS-Staaten im unteren Drittel der Wanderungs-saldi (vgl. Abbildung 26). Deutschland schneidet also nicht nur im Vergleich zu den Spitzenländern USA und Schweiz schlecht ab.335 Auch Japan und viele kleinere europäische Länder wie die Niederlande, Schweden, Belgien oder Finnland verzeichnen ausge-glichene oder positive Wanderungssaldi. Dies zeigt, dass die Leistungsfähigkeit des deutschen Innovations-

damit erhöhte Diversität erreichen (vgl. Kapitel B 4).332 Aus Sicht der Expertenkommission ergibt sich hier für die Unternehmen erheblicher Handlungsbedarf.

Vergleicht man abschließend die Zuwanderung patentaktiver Erfinder im internationalen Vergleich wichtiger OECD-Länder, zeichnen sich über den Zeit-raum von 1990 bis 2010 verschiedene länderspe-zifische Trends ab (vgl. Abbildung 25): Während Japan im Zeitverlauf fast keine patentaktiven aus-ländischen Erfinder attrahiert, gelingt es den USA und der Schweiz, ihre Spitzenpositionen kontinu-ierlich auszubauen. Deutschland bewegt sich hin-sichtlich der Zuwanderung patentaktiver Erfinder im unteren Feld der Vergleichsländer, zeigt aber wie Großbritannien und Schweden einen Aufwärts-trend seit Mitte der 1990er Jahre. Dieser Aufwärts-trend liegt allerdings unter dem Durchschnitt der genannten Länder.333 Unter den ausgewählten OECD- Ländern verzeichnen nur diejenigen überdurchschnitt-liche Zuwächse, die ohnehin schon die höchsten Zu-wanderungsraten bei den Erfindern hatten, so dass sich der Abstand Deutschlands zu diesen seit dem Jahr 2000 weiter vergrößert hat.

KRDEJP

FRLänderdurchschnitt

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WIPO (2013).

0

20

30

40

% %

10

0

20

30

40

10

98 00 02 04 06 08 1090 92 94 96Jahr Jahr

SECH US

GB

98 00 02 04 06 08 1090 92 94 96

aBB 25 Zuwanderungsraten patentaktiver Erfinder im internationalen Vergleich zwischen 1990 und 2010

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B Kernthemen – B 2

und Wissenschaftsstandorts bei der Anwerbung und dem Verbleib ausländischer patentaktiver Erfinder verbesserungsbedürftig ist.336

Zugleich ist aber am Standort Deutschland der „Um-schlag“ an mobilen Erfindern, d.h. die Summe der Zu- und Abwanderungen (Brain Circulation) hinter den USA weltweit am höchsten. Dies spricht zumin-dest für eine starke Einbettung Deutschlands in die internationale Zirkulation von Wissen und Know-how – nur in Deutschland bleiben wollen anscheinend zu wenige. Es kann vermutet werden, dass Deutschland als häufiges Ziel- und Herkunftsland mobiler Erfinder zumindest von indirekten Innovationseffekten profi-tiert. Ob die Summe an direkten Effekten (hohe Ab-wanderung) und indirekten Effekten (hohe Wissens-zirkulation) insgesamt positiv oder negativ ausfällt, lässt sich auf der Grundlage der vorliegenden de-skriptiven Untersuchung allerdings nicht bewerten.

Bezüglich der qualitativen Einschätzung der Erfinder- mobilität am deutschen Standort finden sich zusam-menfassend klare Belege für eine – aus deutscher Sicht – negativ zu bewertende Selbstselektion der besten deutschen patentaktiven Erfinder, die in die öffentliche und private Forschung im Ausland gehen. Diese betrifft insbesondere patentaktive deutsche Erfinder in den USA, welche sich für eine Hightech-Gründung in den USA entscheiden oder gezielt in das dortige Wissenschaftssystem abwandern. Zugleich kann dieser Trend nicht durch eine positive Selbst- selektion bei der Zuwanderung nach Deutschland ausgeglichen werden. Es kommen vergleichsweise wenige hochqualifizierte gründungswillige Erfinder aus dem Ausland nach Deutschland und desgleichen wenige patentaktive Erfinder an deutsche Forschungs-einrichtungen.

aBB 26Zu- und Abwanderung patentaktiver Erfinder zwischen 2001 und 2010 in Tausend

Absteigend sortiert nach Saldo.Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WIPO (2013).

0

Abwanderung SaldoZuwanderung

US CH BE FI SE NL DK JP ZA BR AT PL ES IL DE KR RU IT FR GB CA IN CN

Tsd.

–10

–20

–30

–40

–50

–60

10

20

30

180

190

Lesebeispiel: Nach Deutschland wandern etwa 25.000 Erfinder zu, aber ca. 32.000 Erfinder wandern aus Deutschland ab. Deutschland hat damit einen negativen Saldo in Höhe von etwa 7.000 Personen.

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dIreKte und IndIreKte effeKte InternatIonaler WIssenschaftler- und erfIndermoBIlItät auf dIe forschungs- und InnovatIonsfähIgKeIt

Direkte Effekte der Wissenschaftlermobilität entste-hen durch die Veränderung des Wissenspools infol-ge von Zu- oder Abwanderung. Indirekte Effekte können darauf zurückgeführt werden, dass die im Inland verbliebenen Wissenschaftler ihre Kontakte zu den Abgewanderten aufrechterhalten. Damit ver-bessern sich ihre Netzwerke und ihre Teilhabe am internationalen Wissenspool und sie können eine hö-here Produktivität entfalten. Sind solche indirekten Effekte eher groß, so ist Abwanderung weniger ne-gativ, als es naive Vermutungen erwarten lassen.337

Zu- und Abwanderung kann die Innovationsfähig-keit eines Landes also über mehrere Kanäle beein-flussen. Eine umfassende Literaturanalyse338 arbei-tet drei Effekte der Zuwanderung heraus: Erstens spielt die positive Selektion der Zuwanderer eine wichtige Rolle für direkte Effekte, wobei die Attra- hierung von „star scientists“ entscheidend ist.339 Zweitens kann durch eine Erhöhung der Diversität der Wissenschaftler die Innovationsfähigkeit unmit-telbar verbessert werden. Drittens kann ein soge-nannter „Diaspora-Netzwerkeffekt“ auf indirektem Wege positiv wirken: Durch enge Verbindungen zwi-schen den Wissenschaftlern in der Heimat und den ins Ausland abgewanderten werden die internationalen Informations- und Kommunikationskosten substan-ziell reduziert und so der Wissenspool und die Innova-tionswahrscheinlichkeit erhöht.340 Umgekehrt können durch die Abwanderung von Wissen entsprechende negative Effekte vermutet werden.341

Die empirische Evidenz, insbesondere was indirekte und längerfristige Effekte anbelangt, ist vergleichs- weise dünn und methodisch sehr heterogen.342 Aber es lassen sich doch einige stabile Muster herausschälen.

Positive direkte Effekte von Wissenschaftler- mobilität auf den Wissenspool in den USA

In den USA kommt es durch Zuwanderung zu einer faktischen Vergrößerung des Wissenspools ohne eine Verdrängung von heimischen Wissenschaftlern.343 Durch Zuwanderung steigt die Zahl der Patente in den USA überproportional an.344 Dabei handelt es sich nicht einfach nur um eine Substitution lokaler

B 2 – 4 Patente, sondern es werden zusätzliche Patente durch die Zuwanderung generiert.345 Außerdem zeigt sich, dass eingewanderte Wissenschaftler in den USA dop-pelt soviele Patente anmelden wie einheimische und dass ausländische College-Absolventen die Zahl der Patente in der jeweiligen Region verdoppeln.346 Die große Bedeutung ausländischer Wissenschaftler oder Erfinder unterstreicht auch der Befund, dass ungefähr einer von acht der meistzitierten Wissenschaftler der Welt (1981–2003) zwar in einem Entwicklungsland geboren wurde, 80 Prozent von ihnen jedoch wäh-rend ihrer Karriere in ein entwickeltes Land – oft in die USA – ausgewandert sind.347 Der in den USA verfügbare Wissenspool für Forschung und Innova-tion wird also durch die hohe Zuwanderung syste-matisch vergrößert.

Negative direkte Effekte von Wissenschaftler-mobilität auf den Wissenspool in Deutschland

Eine historische Studie348 untersucht die Forschungs-leistungen deutscher Universitäten, die von jüdischer Emigration während des Nationalsozialismus betrof-fenen waren. Sie belegt, dass es vor allem der Ver-lust der Spitzenwissenschaftler und sehr viel weni-ger die Zerstörung von Universitätsgebäuden während des Zweiten Weltkriegs war, der zu deutlichen und nachhaltigen Verschlechterungen der Forschungs- leistungen geführt hat.

Als ein aktueller Indikator für den Verlust von Forschungsleistung durch Abwanderung kann die Nationalität von European Research Council (ERC)- Geförderten herangezogen werden.349 Für Deutschland zeigt sich, dass Forschungsinstitutionen in Deutsch-land zwar recht erfolgreich sind bei der Einwerbung von ERC-Grants, dass aber deutsche Wissenschaft-ler bei weitem die höchste Zahl an Grants (221) an einer ausländischen Institution erworben haben (auf dem zweiten Rang liegt Italien mit 143 Grants im Ausland; alle anderen Länder liegen bei durch-schnittlich nur etwa 30 Grants im Ausland). Hier geht Deutschland zumindest zeitweise substanzielles Forschungspotenzial verloren.

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B Kernthemen – B 2

Starke indirekte Effekte von Wissenschaftler-mobilität in den USA und abgeschwächt auch in Deutschland

Historische Studien untersuchen neben dem direk-ten auch den indirekten Effekt der Vertreibung jüdi-scher und politisch unerwünschter Professoren auf den Publikationserfolg der zurückgebliebenen Doktoran-den in Deutschland.350 Sie belegen, dass die Abwande-rung der besten Wissenschaftler ins Ausland während des Nationalsozialismus, also in einer Situation, in der eher keine systematischen Netzwerkverbindungen mit dem Heimatland vermutet werden können, ein-deutig negative Effekte auf die Produktivität der zu-rückgebliebenen Wissenschaftler hatte. Dieser Be-fund schließt allerdings nicht aus, dass in Zeiten, in denen ein regelmäßiger Austausch zwischen Abwan-dernden und Verbleibenden leicht möglich ist, nicht doch positive Netzwerkeeffekte dominieren können.

Zieht man als Indikator für solche Netzwerkeffekte zum Beispiel Koautorenschaften heran, zeigt sich, dass bei den weltweit hochzitierten Publikationen in-ternationaler Koautorenteams die korrespondierenden (und damit oft die wichtigsten oder entscheidenden)

Autoren eines Teams am häufigsten in den USA be-heimatet sind.351 Dies belegt die Wichtigkeit einer guten Vernetzung mit Koautoren in den USA. In-sofern haben Netzwerke zwischen den in die USA abgewanderten Wissenschaftlern und ihren ehemali-gen Kollegen durchaus ein klares Potenzial für po-sitive Spillover auf die im Heimatland verbliebenen, aber auch auf die dorthin zurückkehrenden Wissen-schaftler. Einen Beleg für die große Bedeutung sol-cher internationalen Forschernetzwerkeffekte liefern beispielsweise auch die internationalen Publikations-muster der Schweiz. Die Schweiz hat im Länder-vergleich den höchsten Anteil an hochzitierten Pub- likationen an allen Publikationen, allerdings lebt nahe- zu die Hälfte der korrespondierenden Autoren im Ausland. Der Impact des wissenschaftlichen Out-puts kann also systematisch durch die Zusammen-arbeit in internationalen – insbesondere US-ameri-kanischen – Netzwerken erhöht werden.

Indirekte Effekte durch Wissensflüsse zwischen In-land und Ausland lassen sich auch bei Erfindern nachweisen, und zwar anhand gemeinsamer Patent- aktivitäten von Erfindern in Deutschland und deutschstämmigen Erfindern im Ausland. Hier stellt

aBB 27European Research Council Förderungen nach Nationalität der Wissenschaftler zwischen 2007 und 2013

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an EFI (2011) und Berechnungen anhand EU-ECORDA-Datenbank.

IL PLES BE SE CH DK AT FINLIT

100

0 0

10

20

30

40

50

60

Anteil im Ausland, %

200

300

500

400

600

Anz. WissenschaftlerWissenschaftler im HeimatlandWissenschaftler im Ausland Anteil Wissenschaftler im Ausland (2007 bis 2013)

Anteil Wissenschaftler im Ausland (2007 bis 2010)

FRGBDE

Lesebeispiel: Zwischen 2007 und 2013 sind etwa 600 deutsche Wissenschaftler durch den ERC gefördert worden (linke Achse). Nahezu 400 dieser Wissenschaftler forschen in Deutschland, mehr als 200 im Ausland. Daraus ergibt sich ein Auslandsanteil von knapp 40 Prozent (rechte Achse).

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sich die Position Deutschlands im internationalen Vergleich gut dar: Bei etwa einem Viertel aller PCT-Anmeldungen sind deutsche Erfinder im Aus-land und Erfinder in Deutschland im Team beteiligt.352 Nur US-Erfinder haben im weltweiten Vergleich eine noch höhere Neigung, Wissen mit heimischen Erfin-dern auszutauschen und gemeinsam zu patentieren.353

Abschließend kann also festgehalten werden, dass es bei der internationalen Wissenschaftlermobili-tät nicht nur auf die Bilanz der zu- und abgewan-derten Wissenschaftler, also auf das Verhältnis von Brain Drain zu Brain Gain ankommt, sondern auch auf die Ausschöpfung der durch Brain Circulation entstehenden positiven Netzwerkeffekte. Abwande-rung, insbesondere von Spitzenwissenschaftlern, führt zwar dazu, dass Forschungsleistungen in Deutsch-land verloren gehen, jedoch kann zumindest über positive Netzwerkeffekte und eine stärkere Einbin-dung in die internationale Wissenszirkulation die na-tionale Forschung im Ansatz gestärkt werden. Hier hat Deutschland – beispielsweise im Vergleich zur Schweiz – allerdings noch Nachholbedarf. Die Stär-kung der indirekten Effekte setzt aber auch – wie ebenfalls das Beispiel Schweiz andeutet – eine starke wissenschaftliche Basis und ein attraktives Wissen-schaftssystem im eigenen Land voraus, da diese eine bestmögliche Interaktion mit dem globalen Wissen-schaftssystem fördern.354

Ob allerdings positive Netzwerkeffekte insgesamt aus-reichen, um die direkten negativen Effekte der Ab-wanderung aus Deutschland zu kompensieren, kann auf Basis der sehr spärlichen empirischen Evidenz nicht beantwortet werden. In jedem Fall kann aber geschlussfolgert werden, dass die Innovationsfähig-keit Deutschlands steigt, wenn das Wissenschafts- und Forschungssystem insbesondere für Spitzenwis-senschaftler attraktiver gemacht wird und dadurch sowohl die direkten als auch die indirekten positi-ven Effekte von Forschermobilität gestärkt werden. Die entscheidende Frage ist also, was die besten Wissenschaftler dazu bewegt, aus einem Land ab-zuwandern bzw. in ein anderes Land einzuwandern.

ursachen und hemmnIsse InternatIonaler WIssenschaftler- und erfIndermoBIlItät

Exzellenz des Wissenschaftssystems als wichtigster Faktor

Die wichtigsten Ursachen für die internationale Wissenschaftlermobilität sind akademische Beweg-gründe: „... a dynamic, well-funded science sys-tem seems to trump all other incentives.“355 Dies bestätigt sich insbesondere auch im Vergleich der USA mit Deutschland.356 Befragungen von Natur-wissenschaftlern357 zeigen im Detail die wichtigs-ten Einflussfaktoren auf: Verbesserte zukünftige Karrierechancen, die Zusammenarbeit mit hervor-ragenden Kollegen und Forschungsteams, die Exzel-lenz der auswärtigen Gastinstitution auf dem eige-nen Forschungsgebiet sowie bessere Infrastruktur und Fakultäten (vgl. Abbildung 28).358

Wissenschaftler sind also vor allem international mobil, um einen besseren Zugang zu führenden Wissenschaft-lern auf ihrem Gebiet, zu den besten Forschungs-zentren oder zu wichtigen Netzwerken zu gewin-nen. Damit lässt sich die führende Rolle der USA und auch die von Kanada, Großbritannien oder der Schweiz als Zielland erklären: Wie der Abbildung 29 entnommen werden kann, haben Wissenschaftler in den USA (2003 – 2011), die oft von ausländischen Wissenschaftlern als Koautoren ausgewählt werden, die höchste Publikationsproduktivität, gemessen an der jährlichen Zahl der Artikel (erkennbar an der Größe des Kreises). Sie weisen zudem einen sehr hohen durchschnittlichen Impactfaktor auf (erkenn-bar an der hohen vertikalen Position des Kreises).359 Allerdings gibt es auch eine große Zahl an Publi-kationen in den USA, die ohne ausländische Betei-ligung stattfinden – was vor allem auf die Größe des Heimmarktes zurückgeht – so dass der Anteil der internationalen Kopublikationen, gemessen am Heimatmarkt im Ländervergleich, sogar eher gering ist (erkennbar daran, dass der Kreis vergleichsweise weit links liegt).

Kanada und Großbritannien haben einen ähnlich hohen Impactfaktor wie die USA, aber möglicher-weise aufgrund des kleineren Heimatmarktes einen vergleichsweise höheren Anteil an internationalen Ko-operationen (was durch die weiter rechts liegende Position des Kreises abgebildet wird). Deutschland

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dagegen, das – wie im vorhergehenden Abschnitt gezeigt – deutlich ungünstigere Wanderungsmus-ter als die USA, Kanada oder Großbritannien auf-weist, hat in etwa genauso viele Publikationen (Größe des Kreises) und einen leicht höheren Anteil inter- nationaler Kooperationen (rechts liegende Position des Kreises) wie diese Länder, aber einen deutlich geringeren Impactfaktor (weiter unten liegende Position des Kreises).

Auffallend anders ist die Situation in der Schweiz oder den Niederlanden, die – wie in den vorherge-henden Abschnitten gezeigt – ebenfalls deutlich posi-tivere Wanderungsmuster als Deutschland aufweisen.

Beide Länder haben einen weit überdurchschnittli-chen Impactfaktor – bei allerdings zahlenmäßig sehr wenigen Publikationen. Dies geht, insbesondere in der Schweiz, mit einem sehr hohen Maß an inter-nationaler Kooperation einher, die den Impact der wenigen Publikationen zu befördern scheint. Güns-tige Zuwanderungsmuster ergeben sich also für jene Länder, in denen die besten Wissenschaftler bzw. das beste wissenschaftliche Forschungsumfeld vorzufin-den sind. Das dominierende Ziel international mobi- ler Wissenschaftler, an Standorte mit exzellenten Forschungsbedingungen zu wandern, generiert so also einen sich selbstverstärkenden Prozess.

aBB 28Gründe für die internationale Mobilität von Wissenschaftlern

Völlig unwichtig

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Franzoni et al. (2012a).

Höhere Entlohnung

Höhere Lebensqualität

Verbesserte Beschäftigungschancen in der Zukunft im Herkunftsland

Lifestyle-Faktor und internationale Erfahrung

Bessere Forschungsinfrastruktur und Fakultät

Ausbau des eigenen internationalen Forschungsnetzwerks

Exzellenz und Prestige der ausländischen Forschungseinrichtung im eigenen Forschungsfeld

Verbesserte Karrierechancen in der Zukunft

Exzellente Fakultät, individuelle Wissenschaftler oder Forschungsteams

Neutral Sehr wichtig

Geringe Beschäftigungsmöglichkeiten im Herkunftsland

Verbesserte Arbeitsbedingungen (Urlaubsanspruch, Arbeitsstunden etc.)

Familiäre oder persönliche Gründe

Attraktive Sozialleistungen (Elternzeit, Renten- und Sozialversicherungsansprüche etc.)

Größere Verfügbarkeit vonForschungsförderung

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Arbeitsbedingungen und persönliche Gründe sind wichtige, aber nachrangige Ursachen internationaler Mobilität

Die o.g. Befragungsergebnisse360 zeigen sehr deut-lich, dass erst nach einer Vielzahl akademischer Beweggründe – und mit einigem Abstand – die Attraktivität des Lebensstils im Zielland, die bessere Lebensqualität, bessere Arbeitsbedingungen wie Ferien oder Arbeitszeiten oder familiäre und persön-liche Gründe als Ursachen für die Abwanderung fol-gen. Auch der Zugang zu Drittmitteln und monetäre oder nicht-monetäre Kompensationspakete (Löhne, betriebliche Sozialleistungen u.ä.) haben laut dieser Studie eine vergleichsweise geringe Priorität. Diese stehen möglicherweise deshalb im Hintergrund, weil in den typischen Zielländern internationaler Mobi-lität vergleichsweise großzügige Ausstattungen und Kompensationspakete selbstverständlich sind. Diese Vermutung wird von empirischen Studien bestä-tigt, die einen klaren Zusammenhang zwischen Forschungsbudgets und Zuwanderungsraten361 oder zwischen Lohnunterschieden und internationaler Mobilität nachweisen.362

Aufenthaltsrechtliche und kulturelle Hemmnisse verringern Attraktivität einer Zuwanderung nach Deutschland

Darüber hinaus sind international mobile Wissen-schaftler natürlich auch Migranten wie andere und kämpfen mit denselben Problemen. Problemen. Diese fangen an bei der Visabeschaffung und reichen über die Integration von Kindern in ein fremdes Schul-system sowie Beschäftigungsmöglichkeiten eines Le-benspartners bis hin zur Bewältigung kultureller Un-terschiede. Hier kann die öffentliche Hand helfen, indem sie mit einer transparenten und zuwanderungs-freundlichen Zuwanderungspolitik die internationale Mobilität von Wissenschaftlern erleichtert. Diese sollte unkomplizierte Visa- und Arbeitsbedingungen für die Wissenschaftler und ihre Familien beinhal-ten363 und kann finanzielle Zuschüsse oder sonstige Eingliederungs- und Umzugshilfen oder „relocation services“ einschließen.364

Die geltenden Visaregelungen werden oft als büro- kratische Hürde wahrgenommen, obwohl sie für mobile Wissenschaftler heute eigentlich kaum noch

aBB 29 Internationale Zusammenarbeit und Impact wissenschaftlicher Publikationen zwischen 2003 und 2011

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehung an OECD (2013b: 6).*mit ausländischer Beteiligung an allen Publikationen nationaler Forschungsinstitutionen

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

1,6

1,8

Normalisierter Impact

RU

PLBR

JP

ES

IT FR

DEFI AT

GBUS BE

DK CH

ZA

INCN

CA

SE

NL

0 10 20 30 40 50 60 70 80Anteil der Ko-Publikationen*

EU + OECD bis 350.000Zahl der Publikationen bis 2.000.000 bis 5.000.000BRICS

IL

KR

Lesebeispiel: Deutschland hat eine vergleichsweise hohe Zahl an Publikationen (Größe des Kreises) und liegt an vergleichbarer Position beim Anteil internationaler Kooperationen (rechts liegende Position des Kreises), aber es hat einen deutlich geringeren Impactfaktor (weiter unten liegende Position des Kreises).

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eine Barriere darstellen sollten (vgl. Box 11).365 Die Komplexität des Verfahrens und die Vielfalt der eingebundenen Verwaltungseinrichtungen bei der Visabeschaffung verhindern aber eine Optimie-rung der Anwendung der gesetzlichen Regelungen. Nutzerfreundlichere und einfachere Verfahren sind unumgänglich, wenn die Zuwanderung für auslän-dische Wissenschaftler attraktiver gemacht werden soll. Eine positive Wirkung entfaltet in diesem Zu-sammenhang die Blaue Karte EU. Nur kurz nach ihrer Einführung ist sie für Neuzuwanderer schon ein äußerst attraktiver Aufenthaltstitel geworden, der mit rund 2.500 Erteilungen in einem Jahr (Ende 2012 bis Ende 2013) so viele akademische Fachkräfte ins Land geholt hat wie noch kein anderer Aufenthaltstitel für diese Zielgruppe zuvor. In den Jahren der alten Hochqualifiziertenregelung (§19 AufenthG), also von 2005 bis 2012, waren nur insgesamt 2.796 Personen zugewandert und noch ansässig. Die Blaue Karte er-reichte diese Zahl innerhalb eines knappen Jahres und ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Für Rückkehrer wirken organisatorische Strukturen des deutschen Forschungssystems oft hemmend

Für Rückkehrer aus dem Ausland ist die Situation anders. Visaregelungen oder Integrationsschwierigkei-ten stellen keinen oder kaum einen Hemmschuh dar. Familiäre und persönliche Gründe stehen oft an vor-derster Stelle der Rückwanderungsmotive. Hemmend wirken dagegen häufig organisatorische Strukturen im deutschen Forschungssystem oder inkompatible Sozialversicherungssysteme und die Familienpoli-tik.366 Die Ursachen und Hemmnisse für Rückkeh-rer unterscheiden sich insofern von den allgemeinen Beweggründen internationaler Wissenschaftler. Will man einfach Deutsche nach Deutschland zurückho-len, kann man mit wenigen organisatorischen Maß-nahmen möglicherweise recht viel erreichen.367 Will man dagegen stärker von der Mobilität der Besten aus allen Ländern profitieren, muss man sehr viel umfassender in die Stärkung des deutschen Wissen-schaftssystem investieren und international sichtbare exzellente Schwerpunkte schaffen. Dies wiederum ist auch für die Rückkehr der besten deutschen Wissen- schaftler förderlich. An international sichtbaren, ex-zellenten Forschungsstandorten muss eine stringent auf Exzellenz ausgelegte Infrastruktur geschaffen werden, die die nötigen Freiräume und Flexibilität

zur Anwerbung und Integration internationaler Top-wissenschaftler gewährt, anstatt sich an den Bedürf-nissen eines großen und durchaus starken Mittel-feldes zu orientieren. Dabei ist eine großzügige finanzielle Ausstattung (Grundfinanzierung, Drittmit-tel und Kompensationspakete) natürlich von Bedeu-tung, aber dynamische Organisationen und anpas-sungsfähige Systeme der Finanzierung sind ebenfalls wichtig.368

handlungsempfehlungen

Wissenschaft findet heute mehr denn je im interna-tionalen Wettbewerb statt, in dem Länder mit hoch-entwickelten, finanziell gut ausgestatteten und dyna-mischen Forschungssystemen auf den Spitzenplätzen landen. Wissenschaftler und Erfinder wandern dort-hin, wo die Forschungsbedingungen und die Finanzie- rung besonders attraktiv sind. Die besten und talen-tiertesten Wissenschaftler zieht es zu den weltweit Besten ihres Faches. Dies führt zu selbstverstärken-den Effekten. Will man sie durchbrechen, muss mas-siv gegengesteuert werden. Deutschland muss, um seine Position im internationalen Wettbewerb um die besten Wissenschaftler und Erfinder zu verbessern und um stärker von deren Mobilität zu profitieren, konsequent und massiv die bestehenden Stärken des Forschungssystems ausbauen und weiterentwickeln, so dass es im Spitzensegment international wettbe-werbsfähige Forschungs- und Arbeitsbedingungen er-möglicht. Dies ist auch für die Reduzierung der in Kapitel B 1 diskutierten Probleme der Forschung in der Hochschulmedizin wie auch für die in Kapitel B 3 angemahnte Stärkung der IKT-Wirtschaft förder-lich. Um im internationalen Spitzensegment die Wett-bewerbsfähigkeit des deutschen Forschungssystems zu erhöhen, empfiehlt die Expertenkommission die Sicherstellung einer guten Grundfinanzierung und ex-zellenter Projektfinanzierungsmöglichkeiten. Gleich-zeitig müssen Organisationen im Spitzensegment mehr Spielräume eingeräumt werden, damit diese mit neu-en Personal- oder Budgetstrukturen experimentieren und so mit der internationalen Entwicklung mithal-ten können.

Deutschland muss sich darüber hinaus stärker be-mühen, internationale Talente für die Forschung in Deutschland zu attrahieren und die besten Wissen-schaftler im Land zu halten. Die Expertenkommission empfiehlt, verstärkt Anstrengungen zu unternehmen,

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um die besten jungen Wissenschaftler in der Post-Doktoranden-, aber auch in der Doktoranden-Phase aus dem Ausland nach Deutschland zu holen und den besten unter ihnen attraktive Möglichkeiten für einen späteren Verbleib zu offerieren. Wie schon im Gutachten 2012 empfohlen, müssen auch verstärkte Anstrengungen unternommen werden, hervorragende ausländische Studierende zu attrahieren und sie nach ihrem Abschluss für eine Beschäftigung in Deutsch-land zu gewinnen.369

Um die Beschäftigung von ausländischen Doktoran-den im Rahmen der gültigen Tarifgefüge zu erleich-tern, empfiehlt die Expertenkommission eine Ver- ringerung der Mindesteinkommen für Aufenthalts-titel gemäß §20 AufenthG. Außerdem ist es wün-schenswert, dass die Beantragung von Aufenthalts- titeln nutzerfreundlicher und verständlicher wird. Des Weiteren sollten die Öffentlichkeit und interessierte ausländische Wissenschaftler besser über die heute geltenden, verbesserten Möglichkeiten zur Erlangung von Aufenthaltstiteln für Wissenschaftler informiert werden, um der vielfach verbreiteten Wahrnehmung über zu erwartende bürokratische Hürden entgegen-zuwirken.

Darüber hinaus sollte man sich gezielt um die Rück-kehr von im Ausland arbeitenden deutschen Spitzen-wissenschaftlern und Erfindern bemühen. Um diesen Rückkehrern schnell ein attraktives Forschungs- umfeld zu bieten, sollten zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden, eine gezielte „Bündelung von Berufungen“ vorzunehmen – um z.B. ganze Abtei-lungen oder Wissenschaftlergruppen anzusprechen. Dies bietet sich insbesondere in strategisch wichti-gen Wissenschafts- und Zukunftsfeldern an, in denen durch die Berufung renommierter Forschungs- gruppen ein Entwicklungssprung bewirkt werden kann.

Bestehende Programme zur Rückkehr von Wissen-schaftlern nach Deutschland sollten systematisch auf ihre Effektivität hin untersucht, nach sorgfältiger Eva-luation deutlich ausgeweitet und stärker auf Attrak-tivität für Spitzenwissenschaftler fokussiert werden.Neben exzellenten Forschungsbedingungen müs-sen zudem auch die persönlichen Bedingungen der Mobilität sowohl für etablierte als auch für junge ausländische Wissenschaftler verbessert werden, wenn man sie für eine Arbeit im deutschen Wissenschafts-system motivieren will. Zunehmend wichtig wer-den „dual career“-Fragen, denen sowohl bei der

Weiterentwicklung von Visaregelungen wie auch bei der gezielten Anwerbung von Spitzentalenten grö- ßere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Außer-dem sollte auf eine stärkere Kompatibilität der euro- päischen Sozialversicherungssysteme für Forscher und Wissenschaftler hingewirkt werden, da die be-stehenden Unterschiede Berufungen und Mobilität erschweren.

Um wichtige Entwicklungen in der internationalen Wissenschaftler- und Erfindermobilität frühzeitig erkennen zu können, empfiehlt die Expertenkommis-sion ein systematisches Monitoring des Brain Drain und Brain Gain.370 Zusätzlich könnte ein Stimmungs-barometer, das regelmäßig die Stimmung unter Spit-zenwissenschaftlern erfasst (bei ausländischen und inländischen Wissenschaftlern in Deutschland und in wichtigen Konkurrenzländern), dabei helfen, sehr früh Probleme und Handlungsbedarfe aufzuzeigen.