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3/2004 Das BBI präsentiert sich erstmals bei "Jeder für Jeden" im Rathaus Informationsblatt des Bundes-Blindenerziehungsinstitutes

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3/2004

Das BBI präsentiert sich erstmals bei "Jeder für Jeden" im Rathaus

Informationsblatt des Bundes-Blindenerziehungsinstitutes

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Liebe Leserinnen und Leser! Herzlich willkommen im Schuljahr 2004/05! Einige von Ihnen haben BBInfo 2/2004 erst in den ersten Septembertagen erhalten und dafür möchte ich mich entschuldigen. Höhere Macht bzw. enorme Staubentwicklung bereits ab der ersten Ferienwoche hatte einen Kopiererdefekt zur Folge, sodass wir erst nach Beendigung der Bauarbeiten ans Vervielfältigen denken konnten. Wie nachstehendes Bild zeigt, sah der Arbeitsbereich „Direktionskanzlei“ wochenlang so aus:

Womit wir schon beim Thema Umbauarbeiten wären: In den Sommer-monaten wurden 95 (!) Türen samt Türstöcken ausgetauscht, um den Brandschutzvorschriften zu entsprechen. Sämtliche Stahl-Glas-Konstrukti-onen in der Aula wurden zusätzlich ausgetauscht, das Institut glich einer einzigen Baustelle. Und trotzdem – wiederum dank des gesamten Reinigungspersonals – konnte das Unterrichtsjahr termingerecht starten. Wie im Vorjahr konnten wir auch heuer – dank Frau Prof. Andre-Schellner – am dritten Schultag mit dem stundenplanmäßigen Unterricht beginnen, ab der zweiten Schulwoche liefen bereits Vor- und Nachmittagsunterricht. Praktikantinnen und Praktikanten aus nah und fern (Österreich und Deutschland) aus verschiedenen Berufsbereichen bilden sich in Klassen und Internatsgruppen weiter, ebenso sind wir wieder Ausbildungsstätte für den viersemestrigen Lehrgang für Sondersozialpädagoginnen und –pädagogen. Besonders unterstützen uns drei Praktikanten der HTL

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Rennweg, die uns bis Februar von Montag bis Donnerstag im Bereich EDV eine wertvolle Hilfe sind. Wie angekündigt wurde das Projekt „Hilfe zur Selbsthilfe – Blindenschule Peja“ im September im Kosovo fortgesetzt (Bericht folgt in BBInfo 4/2004). Unser befreundetes Regiment, das Jägerregiment Wien, ist seit 1. Oktober 2004 für ein halbes Jahr mit einer KFOR-Truppe auf Auslandseinsatz im Kosovo. Der feierlichen Verabschiedung auf dem Rathausplatz durften Frau Mag. Hannemann und ich – bei strömendem Regen – beiwohnen. Mathias Schmuckerschlag (1. HAS) wurde am 28. September 2004 zum Schulsprecher gewählt, sein Stellvertreter ist Thomas Seidling (1. HAS). Beide Herren sind im November zu einer Schulsprecherschulung einge-laden. Am 1. Oktober 2004 fand eine Elternvereinssitzung und im Anschluss daran die 1. Sitzung des neuen Schulgemeinschaftsausschus-ses statt. Gewandert wurde am 5. Oktober 2004. Wie schon im Juni 2004 wurden unsere 6./7. ASO und die PTS 2 von einer 3. HAK-Klasse des ibc Hetzendorf begleitet. Dominik Rapcic spielte als Abschluss des Ausfluges in der Aula auf seiner „Knöpferlharmonika“ auf. Das Miteinander der ver-schiedenen Schülergruppen war beeindruckend. Erfreulicherweise darf ich Ihnen weiters mitteilen, dass nach vielen Gesprächsrunden als Individualförderung durch das AMS in Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungs- und Forschungszentrum des ÖBSV im März 2005 ein weiterer Ausbildungslehrgang für Masseure starten wird. Das Schuljahr 2003/04 war schwerpunktmäßig – neben den Feierlich-keiten „200 Jahre Blindenbildung im deutschen Sprachraum“ – dem Thema „Schnittstelle Schule – therapeutische Weiterführung für schwerst mehrfachbehinderte Jugendliche“ gewidmet. Wir konnten viele Ansprech-partner finden und wertvolle Erfahrungen sammeln. Der Österreichische Blinden- und Sehbehindertenverband gibt uns während seiner 58. Delegiertenversammlung am 26. November 2004 die Möglichkeit, die Arbeit in den Basalen Förderklassen und in den Klassen für Schwerst-behinderte vorzustellen und unsere Wünsche für nachschulische Betreuung für diese Menschen zu deponieren. Der Schwerpunkt im Schuljahr 2004/05 setzt sich mit „interner Kommuni-kation“ auseinander. Die „Auftaktveranstaltung“ dazu war im September ein von Koll. Plutsch und Koll. Rupp organisierter Betriebsausflug, der 69 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Retz führte. In den ersten beiden Oktoberwochen fanden für alle Klassen Teamgespräche (Lehrerin-nen/Lehrer mit Sozialpädagoginnen/–pädagogen) statt. Und ich nehme mir die Zeit, so oft wie möglich Klassen und Internatsgruppen zu besuchen,

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Schülerinnen und Schülern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Eltern ein offenes Ohr zu leihen. Liebe Leserinnen und Leser, einiges haben wir im laufenden Schuljahr vor, lesen Sie aber jetzt, was sich in älterer und jüngster Vergangenheit getan hat!

Susanne Alteneder Direktorin

BBI intern

Personelles

Auf Wiedersehen! Mit Ende des Schuljahres 2003/04 trat Frau OStR Prof. Hampel in den wohl verdienten Ruhestand. Bereits 1963 als Erzieherin ans BBI gekom-men, ließ sie ihre Tiroler Heimat noch nicht ganz los, aber 1972 war Koll. Hampel dann fix ans BBI als Lehrerin zurückgekehrt. Bis zu ihrem letzten Diensttag unterrichtete sie mit Begeisterung und passte ihren Unterricht den jeweiligen pädagogischen Neuerungen an. Frau Cornelia Hansche, Lehrerin in der Basalen Förderklasse, und ihre Tochter Lea Marie, Kindergartenkind im BBI, haben ihren Wohnsitz nach Kärnten verlegt. Herr Dr. Hager wurde an der HTL Rennweg zum Abteilungsvorstand er-nannt und hat daher seine Lehrtätigkeit am BBI beendet. Auch Frau Renate Schaurhofer (Sozialpädagogin) und Herr Diplompfleger Andreas Schamilow sowie Frau Mag. Christine Moser und Frau Andrea Jäger (Fachkräfte Basale Förderklassen) haben sich beruflich verändert. Nach 20-jähriger Tätigkeit als Bademeister wurde Herr Peter Bures mit 30. September 2004 in den Ruhestand versetzt. Am selben Tag endete der Zivildienst für Hubert Filgitzhofer und Gilbert Novy. Ich sage allen ein herzliches DANKE für die geleistete Arbeit und wünsche für den neuen Lebensabschnitt alles Gute!

Herzlich willkommen! Der Abschied der genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brachte viele „Neue“ ins Haus: Das Kindergartenteam komplettiert Frau Anita Steindl (Sonderkindergar-tenpädagogin).

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Das Team der Basalen Förderklasse 2 setzt sich seit September aus Frau Birgit Hansche und Frau Monika Treipel zusammen. Das Nachmittags-team bilden Frau Susanne Kornmüller und Frau Birgit Pikelsberger. Das Schwimmen für Knaben hat Herr Martin Reinelt, dipl. Behinderten-sportlehrer, übernommen. Herr Zimmermann wird neuer Bademeister. Frau Edith Völk und Frau Gertrude Wiskocil haben ihren Dienst nach einem Jahr Sabbatical angetreten. Frau Birgit Petz und Frau Eveline Grünberger ergänzen das Team der Sozialpädagogen. Frau Inge Mayer (dipl. Kinderkrankenschwester) verstärkt das Team der Krankenstation. Eine erfreuliche Neuerung gibt es im Bereich Internat, Krankenstation und Psychologie: Frau Canan Uzunkaya, Absolventin unserer Handelsschule, erledigt Büroarbeiten und ist für Terminvereinbarungen mit Frau Höllersberger verantwortlich. Herr Alexander Deutsch, Absolvent unserer Korb- und Möbelflechterei, steht als Abteilungsgehilfe zur Verfügung. Herr Mag. Robert Schön und Herr DI (Sponsion am 16. Dezember 2004) Johannes Beiter sind unsere neuen Zivildiener. Ich wünsche allen Neuen im Team des BBI viel Freude bei der Arbeit mit unseren Kindern und Jugendlichen!

Susanne Alteneder Direktorin

Zivi Gilbert verabschiedet sich Nach wochenlanger Alkoholquarantäne, schlaflos durchzechten Nächten und einem mörder Kater war es also soweit. Man schrieb den 1. Oktober 2003 n. Chr., der erste Tag meines Zivildienstes, toller Tag. Ich war irgendwo, irgendwann, genau weiß ich das nicht mehr, bis auf das kleine Detail, dass die Sonne gerade aufgegangen war, die Kneipe schloss und mein Bier noch immer nicht vernichtet war. Dienstantritt war um 11 Uhr, sehr gütig, ich fragte mich, welch gnädige Person dies festlegte und beschloss noch schnell einen darauf trinken zu gehen. Mittlerweile dürfte es so gegen 9 herum gewesen sein. Ich begann zu philosophieren und nachzudenken ... Nichts ... Bis auf den Gedanken, dass die paar Stunden bis zum Vorstellungsgespräch wohl reichen würden um auszunüchtern und wenn nicht, würden es bestimmt die kommenden 12 Monate tun, mal abgesehen von den Kopfschmerzen, die sich langsam, aber sicher, wie dunkle Schleier über meine Gedanken legten.

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Ganz ehrlich, an alle Einzelheiten des ersten Tages kann ich mich nicht mehr genau erinnern, daher spule ich mal vor ... Die ersten Tage waren also vorüber, sicherlich noch genug Zeit die verbleibenden zu zählen, oder lieber doch nicht, dachte ich, ich musste mich schonen und eine Zahl, die die Grenzen meiner Vorstellungskraft sprengen würde, hätte sicher keinen positiven Einfluss auf mein poröses Wohlbefinden, also zählte ich die Tage bis zum nächsten Wochenende. Drei! Wie furchtbar, wie arm ich doch war! In drei Tagen schuf Gott die Welt, oder nein, da stimmt was nicht. Jedenfalls war noch genug Spielraum vorhanden um irgendetwas zu tun oder tun zu müssen oder - besser gesagt - zu arbeiten, zu schwitzen, zu ... Und plötzlich war Samstag, ich jubelte, das Partylevel stieg in unermessliche Höhe, doch als ich auf die Bettdecke blickte, überkam mich nur das Verlangen nach Schlaf und das möglichst lange. Ich träumte von hübschen Erzieherinnen, heißen Sekretärinnen, von Pizza in der Mittagspause und von ... Kindern! ... Schweißgebadet riss es mich aus dem Bett ... 6:00 Uhr, was für eine unselige Zeit und dazu noch Montag!! Cool bleiben, nachdenken. Es hieß: “Mit Kindern arbeiten, ihnen etwas beibringen” - Spitze! Ich könnte ihnen ja Geschirr abspülen beibringen, das würde dann auch noch unter den Erwerb lebenspraktischer Erfahrungen fallen, genial, eine Hand wäscht die andere, guter Deal. Doch ... Irrtum, ich hätte es mir beinahe denken können, der Plan war einfach zu gut. Neben Glasscherben hätte man beinahe den Boden neu verlegen müssen, ich büßte für meinen Ehrgeiz. Zeit zum Umdenken, gesagt – getan. Mein neuer Plan bestand darin den Kindern so viele sinnvolle und vernünftige Dinge beizubringen, bis sie es satt hatten und sich um meine Arbeit streiten würden. Das Ganze lief nur leider so gut, dass ich meine finsteren Absichten vergaß und mich mehr um meine Kinder sorgte als um mich selbst. Meine Haare wuchsen, nein sie wucherten, wurden immer länger und so verstrich auch meine Zeit im BBI. Zusammengefasst eine mehr als positive, eine prägende, ein lehrreiches Jahr in welchem ich nicht nur einmal an meine Grenzen stieß. Bevor ich hier abschließe möchte ich mich noch herzlich bei euch allen bedanken; für die offene und freundliche Art, die große Akzeptanz, die mir entgegengebracht wurde. Mein größter Dank geht jedoch an meine neu gewonnenen Freunde und alle die lieb gegrüßt haben, dazu noch die, die während des Lesens dieses Textes ein Lächeln auf den Lippen hatten :-)

Gilbert Novy

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Öffentlichkeitsarbeit

Ein Brief aus Griechenland MINISTRY OF HEALTH & WELFARE KEAT Center of Education & Rehabilitation for the Blind 210 El.. Venizelou, Kallithea, Athens P.C. 176 75 Web Site: www.keat.gr Director of Education Arguro Raptou Phone.: 0030-210 9531 817 Fax: 0030-210-9531 817 E-MAIL: [email protected] [email protected]

Athens 1 July 2004 To Mrs. Alteneder Dear Mrs. Alteneder On behalf of the President of K.E.A.T., as well as ALL the teachers and students of the group of our Center, I would like to thank you very much for your warm hospitality. It was a great joy for us to come and visit your excellent Center and your beautiful country. Although we saw, only for a very short time, the work of the different departments of your School, it was a good experience for all of us. We hope that our cooperation will continue in the future. We are very happy that the statue of our teacher, Mr Petros Roukoutakis, will be one more art work for your students to see, touch and admire, remembering, that if some of them have the talent, they can do it too. Especially, because its creator is also blind! Once more, we do thank you for your hospitality. Sincerely yours, Argyro Raptou Director of Education The President Theothosios Koulas

Das Blindeninstitut stellte erstmals auf der Messe „Jeder für Jeden“ aus Es hat uns sehr gefreut, dass uns die Gemeinde Wien heuer zum ersten Mal eingeladen hat, am 28. August im Rathaus auf der Messe „Jeder für Jeden“ auszustellen. Vielleicht war dies eine Reaktion auf unser großes Jubiläum „200 Jahre Blindenbildung im deutschen Sprachraum“, das wir im Mai begangen haben. Die Organisation in der Vorbereitung war höchst

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professionell und uns wurde erst wenige Wochen vor dem Tag der Messe bewusst, dass viele Menschen kommen würden. So war es auch am Sonntag, dem 28. August 2004. Österreich errang an diesem Tag die zweite Goldmedaille bei den olympischen Spielen und das Wetter verlockte zum Schwimmen, aber es fanden sich bestimmt mehr als 1000 Besucherinnen und Besucher im Rathaus zwischen 10:00 und 18:00 Uhr ein. Dazu beigetragen haben nicht nur die 112 Stände von Behindertenorganisationen, sondern auch Publikumsmagnete aus Kaba-rett, Fernsehen, Volks- und Popmusikszene, die sich auf der Bühne des Festsaales abwechselten.

Frau Strohschneider von der Lehrmittelzentrale brachte unsere Informationsplakate auf den neuesten Stand und half am Samstag beim Aufbau der Koje. Unser Korbflechtermeister, Herr Dobernig, stellte Produkte seiner Schülerinnen und Schüler aus und wies auf die Möglichkeit hin, am Blindeninstitut Sessel einflechten lassen zu können. Mein Schwerpunkt war eine PowerPoint-Präsentation des Bundes-Blindenerziehungsinstitutes auf einem Notebook-Computer mit Sprachaus-gabe und Braillezeile. Daneben stellte ich auch das Projekt der Tastbaren Bezirkspläne mit Anschauungsmaterial vor. Wir wurden auf unserem Stand von den Leuten nicht „erdrückt“, aber der Andrang war doch so groß, dass es uns erst die Besuche von Frau Strohschneider, von Frau Direktor Alteneder und unseres ehemaligen Zivildieners Philipp ermöglichten, die Koje für längere Zeit zu verlassen

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und uns auf der Messe umzusehen. Wir suchten zunächst vor allem jene Ausstellerinnen und Aussteller auf, die in ihrer Thematik mit der unsrigen verwandt waren, daneben aber sammelten wir auch Informationen, die besonders die „Nahtstelle“ Schule-Beruf betreffen. Ich besuchte auch meine Bekannten von Freak-Radio und wurde spontan zur Teilnahme an einer halbstündigen Diskussion eingeladen, die dann am Abend ausgestrahlt wurde und im Internet abrufbar ist. Ein Höhepunkt der Ausstellung war die Anwesenheit des Bürgermeisters und die Verleihung des Preises der Menschlichkeit an mehrere verdiente Personen, darunter auch an den Obmann der Landesgruppe Wien, Niederösterreich und Burgenland des Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, Fritz Zorn. Zunächst wurden die Verdienste der geehrten Person hervorgehoben, dann fand die Ehrung statt und anschließend bestand Gelegenheit zum Dank. Obmann Zorn warnte vor einem Sozialabbau bei Bund und Ländern, wies auf den 15. Oktober, den Tag des weißen Stockes hin, an dem die Türen im Blindenverband wieder für alle offen stehen und lud den Bürgermeister zu einem Besuch in das Louis Braille Haus ein. Den Abbau unseres Standes musste ich dem Rest des Teams überlassen, denn die nächste Aufgabe wartete schon auf mich, nämlich das Computercamp für blinde und sehbehinderte Kinder in Linz, aber das ist eine andere Geschichte.

Erich Schmid

Aus unserem Gästebuch Von: [email protected] Gesendet: Dienstag, 08. Juni 2004 02:26 An: [email protected] Betreff: Guestbook-Entry! Jürgen Zauner ([email protected] - http://www.juergeninfo.at) hat dir folgenden Kommentar geschrieben: Ein hallo an alle aktiven und passiven Schüler, Lehrer und sonstigen Fans des Hauses. Als Ex-Schüler finde ich es toll, dass eine so informative Seite für die gesamte Welt online gestellt wird. Alles gute weiterhin beim Programmieren wünscht Jürgen

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Erleben - begreifen

Blindeninstitut trifft IBC Am 30. Juni 2004 war es endlich soweit. Schon vorher hatten die 5./6. und 7./8. ASO des Bundes-Blindenerziehungsinstitutes brieflichen Kontakt zu der 2 ITK- Klasse des International Business College in Hetzendorf. Dabei

mussten die SchülerInnen der 2 ITK die Briefe, die teilweise in Brailleschrift geschrie-ben waren, natürlich erst „übersetzen“. Wir trafen uns am Mittwoch in der Früh am Eingang des BBIs, wo die erste Aufgabe darin bestand, dass jeder seinen Briefpartner suchen musste. Gemeinsam gingen wir auf die Jesuitenwiese. Nach einigen

Kennenlernspielen mit dem Fallschirm bekam jedes Pärchen einen Spielestationenplan, den es mög-lichst gut erfüllen sollte. Die Kinder hatten viel Spaß bei Stationen wie Kegeln, Orangentanz, Quiz, Gegenstände ertasten, Gerüche erraten, Wettlauf mit zusammengebun-denen Beinen, Verkleiden nach Zeit und vielen anderen Geschicklichkeits- und Zeitspielen. Die Spielepläne, in denen von jedem Pärchen auch die Ergebnisse eingetragen wurden, wurden auch ausgewertet und die drei ersten Plätze bekamen Stoffenten als Preise. Viele neue Freundschaften wurden an diesem Tag geschlossen und ein weiterer gemeinsamer Wandertag ist für das neue Schuljahr geplant, denn die HAK-SchülerInnen freuen sich schon sehr uns wieder besuchen zu dürfen.

Barbara Lechner

Klassenvorstand 5./6. ASO

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2-tägiger Wandertag der PTS 1

Am Montag, dem 28. Juni 2004, fuhren wir um 8:00 Uhr mit dem Internats-bus vom BBI weg und kamen um ungefähr 11:00 Uhr in Hirschenwies, einem kleinen Ort im Waldviertel, an. Wir legten unsere Schlafsäcke ab und machten uns gleich auf, um den Nebelstein zu erkunden. Die Wande-rung dauerte fast 5 Stunden. Danach gingen wir zu einem Teich und fuh-ren ein paar Runden mit dem Schlauchboot, das wir mitgenommen hatten. Manche von uns gingen ins Wasser, das noch ziemlich frisch war. Nach diesem Erlebnis gingen wir ins Haus zurück, um uns zu duschen und, da wir schon großen Hunger hatten, um unser Essen zu grillen. Als wir mit dem Essen fertig waren, setzten wir uns alle rund ums Feuer und „sangen“ Lieder. Als das Feuer abgebrannt war, gingen wir ins Haus, um noch 3 Partien Uno zu spielen. Danach gingen wir schlafen. Am nächsten Tag standen wir erst um 10 Uhr auf, da wir alle sehr müde vom Vortag waren. Nach dem Frühstück besuchten wir eine Glasschleif-werkstätte. Es war sehr interessant. Wir durften einen Stern in eine viereckige Glasplatte schleifen und die Glasplatte dann mit nach Hause nehmen. Danach mussten wir leider schon wieder nach Hause fahren.

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Der Ausflug war insgesamt sehr interessant, schön und vor allem sehr lustig.

Zafer Demirel Mathias Schmuckerschlag

PTS 1

„200 Jahre Blindenbildung“ - das Fest

Zweihundert Jahre Blindenbildung im deutschsprachigen Raum Am 13. Mai 1804 begann Johann Wilhelm Klein (1765-1848) mit dem Unterricht eines blinden Jungen in seiner Privatwohnung in Wien-Landstraße: Dieses Datum gilt seither als der Tag des Beginns der Blindenbildung im deutschsprachigen Raum. Vor dem weiteren Eingehen auf dieses Thema sei kurz auf die Zahl sehgeschädigter Menschen in Österreich eingegangen: Auf Grund des Datenschutzes können allerdings keine exakten Zahlen genannt werden, man ist auf eine Schätzung an Hand der Mitgliederzahlen der Selbsthilfeorganisationen plus eine einzurechnende „Dunkelziffer“ (keine Mitgliedschaft in einer Selbsthilfeorganisation) angewiesen, und diese

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lässt annehmen, dass es bei einer Gesamt-Einwohnerzahl von 8,2 Millionen ungefähr 350.000 Sehgeschädigte im Lande gibt. Die Zahl der Alters-Blinden überwiegt (ca. 6/8), der Rest sind Geburtsschädigungen sowie Schädigungen im erwerbsfähigen Alter durch Erkrankungen oder Unfälle, die Zahl der Kriegsblinden ist kaum mehr nennenswert. Der historischen Entwicklung der Sehgeschädigtenbildung, die in Grundzügen in diesem Zusammenhang dargestellt werden muss, sei ein Wort des Wiener Schriftstellers und Journalisten Ludwig August Frankl Rit-ter von Hochwart (1810-1894) voran gestellt, der die historische Entwick-lung in drei Termini zu fassen versuchte: Verehrt – Ernährt – Belehrt. Aus heutiger Sicht sollte man im Hinblick auf die vielfältige Berufstätigkeit Sehgeschädigter noch den Terminus "Bewährt" hinzufügen. Der Begriff "Verehrt" ist historisch gesehen relativ spät anzusetzen, denn bei den frühen archaischen Gesellschaften weiß man in erster Linie von Ablehnung, von physischer Ausrottung, da ja schon der Lebensumstände halber ein "Mit-Tragen" behinderter Kinder in der Sozialgruppe unmöglich war. Allerdings tritt sehr bald eine Ambivalenz auf, hie physische Ausrottung, dort Duldung. Historisch zu belegen ist dies etwa durch die "Tauglichkeitsprüfung" jedes Neugeborenen in Sparta und durch Vorschrif-ten aus dem Pentateuch (3. Mos., 19,14 und 5. Mos. 27, 18). Gleichzeitig begann auch die Verehrung Blinder als Träger von Überlieferungen und Epen bei vielen Völkern, Homer wird dabei auch erwähnt. Das Römische Recht regelte die Angelegenheiten der Behinderten in der "Cura debilium" und beauftragte "Tutores" mit deren gesetzlicher Vertretung. In weiterer Folge setzte sich die Auffassung durch, dass ein Blinder voll geschäftsfähig sei, was sich in der Formulierung des Satzes "Etiamsi tutor caecus factus sit, auctor fieri potest" ("Auch wenn ein Tutor erblindet, ist er voll geschäftsfähig") niederschlägt. Vice versa wissen wir jedoch, dass blinden Jungen sehr häufig als Ruderknechte auf Galeeren verkauft wurden und hübsche blinde Mädchen oftmals in Bordellen landeten - sie konnten ja ihre Kundschaft nicht erkennen ... Entsprechend der gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie lebten Sehge-schädigte also entweder in ihr oder ausgeschlossen triste am Rande; von einer bildungsmäßigen Unterweisung wissen wir nichts. Die Epoche "Ernährt" beginnt mit dem Aufstieg des Christentums, das als Grundgebot die Barmherzigkeit vorschrieb. Die im frühen Mittelalter rasch überall entstehenden Klöster realisierten dieses Gebot und nahmen Behinderte in ihre Mauern auf. 1074 gebot der Salzburger Erzbischof Geb-hart dem steirischen Kloster Admont aus Anlass der kirchlichen Ein-weihung 12 "Kretinen" auf "immerwährende Zeiten" aufzunehmen und zu versorgen. In den aufblühenden Städten hingegen organisierten sich

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Sehgeschädigte oftmals in Bruderschaften, um den Bettel besser zu organisieren oder Dienstleistungen - vor allem Musik - anzubieten, aus einer derartigen Bruderschaft soll in Palermo sogar eine Musik-Akademie hervorgegangen sein. Der Terminus "Bruderschaft" bringt deutlich zum Ausdruck, dass nur blinde Männer aufgenommen wurden, über das zweifellos triste Schicksal blinder Frauen sind wir nicht informiert. Den Begriff "Ägyptische Finsternis" verstand man schon zu biblischen Zeiten doppelsinnig, denn die hygienischen Umstände in diesem Land waren derart, dass eine Unzahl von Augenerkrankungen existierte, sie breiteten sich selbstredend auch auf die umliegenden Länder aus und mit dieser Tatsache wurden die Heerscharen der Kreuzritter des Mittelalters konfrontiert. Hinzu kam die damals usuelle Blendung von Gefangenen. Als nun eine nicht unbeträchtliche Anzahl von erblindeten französischen Rittern in ihre Heimat zurückkehrte und den eigenen Familien zur Last wurde, ordnete König Ludwig IX. (der Heilige) von Frankreich (1215-1270), der dies alles auf seinem unglücklichen Kreuzzug auch mit erlebte, die Errichtung eines eigenen Blindenasyls in Paris an, es wurde 1254 unter dem Namen "Les Quinze-Vingts" eröffnet und existiert noch heute, damals ein Zufluchtsort für blinde Krieger ohne jede pädagogische Aufgabe. Die Sehgeschädigten lebten also am Rande der Gesellschaft, wozu im Mittelalter verschärfend hinzukam, dass "himmelschreiende Verbrechen", wie etwa Jagdfrevel oder Fischdiebstahl mit Blendung bestraft wurden. An ihre Bildungsfähigkeit dachte niemand, sie lebten als "Outcasts" am Rande der Gesellschaft, häufig bedrückt durch harte "Bettelordnungen", die sie immer wieder für geraume Zeit in entfernte Landstriche verbannten. Das Zeitalter der Renaissance löste das erstarrte mittelalterliche Denken ab und veränderte auch die tradierten gesellschaftlichen Strukturen, das Bürgertum gewann durch seinen umfassenden kontinentalen Handel entsprechenden "Weltblick" und errang eine herausragende Stellung in der Gesellschaft. Dies kam vor allem sehgeschädigten Musikern zu Gute, Francesco Landini (1325-1390) und Konrad Paumann (1409-1473) seien als herausragende Exponenten angeführt. Gleichzeitig blieb jedoch ein derber Geist im Bürgertum erhalten und so darf eine Episode aus Regensburg aus Anlass eines Reichstages nicht fehlen : Blinde Männer wurden in Ritterrüstungen gesteckt und sollten auf einem freien Platz eine herumlaufende Sau mit dicken Stangen erschlagen - ei was lachte man, wenn sich die Bedauernswerten eins über den Kopf droschen ... Aprés wurden die Blinden dann zu einem opulenten Mahl geladen !

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Francesco Landini

In dieser Zeit machte sich aber auch nüchternes Denken gegenüber den sozialen Fragen breit und zu diesem trug der spanische Philosoph und Pädagoge Juan Luis Vives (1492-1540) bei, als er sich der Armenfürsorge zuwandte und in einer Schrift verschiedene Tätigkeiten anführte, welche auch sehgeschädigte Menschen auszuführen im Stande seien. Mit der geistesgeschichtlichen Epoche der Aufklärung bricht in allen Wissenschaftsdisziplinen eine neue Zeit an, der Mensch tritt aus seiner "selbstverschuldeten Unmündigkeit" heraus und macht von seinen Geisteskräften freien Gebrauch - er beginnt alles in Frage zu stellen. Dazu gehörte auch die Frage nach der angeblichen Bildungsunfähigkeit blinder Menschen. Einen überaus bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung der Blindenbildung lieferte 1746 der berühmte französische Enzyklopädist Denis Diderot (1713-1784) mit der Publikation der Schrift "Lettre sur Aveugles" ("Brief über Blinde"), in welchem er vom Schicksal eines jungen blinden Mannes berichtet, der sich offensichtlich gut durchs Leben zu schlagen weiss und mit der Herstellung feinster Liköre seinen Lebensunterhalt bestreitet. Die Schrift bescherte dem Autor zweierlei: Zum einen den Ruhm, sich als erster großer Denker ernsthaft mit dem Problem der Blindenbildung auseinander gesetzt zu haben, zum anderen jedoch Festungshaft in Vincennes - da er zwischen den Zeilen gegen Gott, König und die Gesellschaft wetterte, was von der Obrigkeit als "Hochverrat" gewertet wurde.

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Denis Diderot

Zur Realisierung einer Einrichtung für Blindenbildung fehlten noch die Mittel, aber die angesehene "Societé philanthropique" bemühte sich sehr darum. Gefördert wurde die Realisierung einer ersten Blindenbildungseinrichtung in Frankreich ohne Zweifel auch durch das Auftreten der blinden österreichischen Musikerin Maria Theresia von Paradis (1759-1824), die in Paris 1784 mehrere viel beachtete Konzerte gab. Sie entstammte dem Beamtenadel und erhielt durch das Elternhaus - das zwar über ihre Erblindung sehr bestürzt war - eine hervorragende Ausbildung als Sängerin und Pianistin. In den Jahren 1783 bis 1787 unternahm sie mehrere Konzertreisen nach Frankreich und England ; dort spielte sogar der spätere König Georg IV. mit ihr in einem Konzert. Eines ihrer Konzerte in der französischen Hauptstadt besuchte der Beamte im königlichen Außenministerium Valentin Haüy (1745-1822), und er war von der blinden Künstlerin so angetan, dass er spontan beschloss, mit der praktischen Bildungsarbeit bei Blinden zu beginnen, unterstützt von verschiedenen Gesellschaftsschichten. Seine Arbeit war gekennzeichnet durch einen gewissen idealistischen Überschwang : Er durfte schnell erkennen, wie begierig seine ersten Schüler nach Bildung lechzten und setzte daher die zu erreichenden Ziele seiner Institution viel zu hoch an. Nicht "Allgemeinbildung" strebte er daher an, sondern "höhere Bildung" - der Kanon der Lehrgegenstände der Gymnasien war aus diesem Grunde für ihn Leitfaden seiner Unterrichtstätigkeit ! Besonders gefördert wurde von ihm die musikalische Ausbildung seiner Schüler/Innen, der Schulchor war bald in Paris berühmt und sang zunächst zu Gottesdiensten, später zu den "Festen des Höchsten Wesens" ...

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Die 1784 gegründete erste Blindenbildungseinrichtung der Welt wurde bald danach in den Rang einer Staatsanstalt erhoben und scheiterte jedoch am "Ersten Konsul" Napoleon Bonaparte, der 1800 ihre Zusam-menlegung mit dem schon erwähnten Asyl "Les Quinze-Vingts" verfügte; Haüy wurde mit einer Jahrespension von 2.000 Francs verabschiedet (zur gleichen Zeit bekam der abtretende Polizeiminister Joseph Fouché 1, 2 Millionen Francs zugesprochen ...). Um aber mit Frankl zu sprechen : Mit dem Jahre 1784 begann die Epoche des "Belehrt" ! Haüy war 1805 indirekt an der Gründung der Berliner Blindenanstalt beteiligt, davon soll später berichtet werden. Sein weiterer Lebenslauf ist leider von persönlichem Scheitern gekennzeichnet, er starb schließlich in Armut. Die von der Französischen Revolution entfesselten Koalitionskriege führten einen schwäbischen Juristen des Verwaltungsdienstes der Fürsten Öttingen-Wallerstein nach Wien: Johann Wilhelm Klein (1765-1848) ver-mochte das durch den Krieg sich unaufhörlich mehrende Elend in seiner Heimat im Nördlinger Ries nicht mehr weiter mit anzusehen und wandte sich in die kaiserliche Residenzstadt, wo er seine philanthropischen Vorstellungen zu realisieren hoffte. Obwohl Kaiser Josef II. (1780-1790) von der Gründung der Blinden-bildungseinrichtung in Paris durch seine Schwester Maria Antonia (Marie Antoinette) informiert wurde, geschah in Wien zunächst nichts hinsichtlich einer "Nachahmung". Erst die beginnenden Kriege mit Frankreich zwangen Hof und Staatsverwaltung, sich vermehrt mit sozialen Fragen zu beschäftigen, musste man doch mit allen Mitteln bestrebt sein, soziale Unruhen zu vermeiden. Aus diesem Grunde entflammten in diversen Journalen immer wieder allgemeine Diskussionen zu dieser Problematik - in unserem Falle speziell zum Mangel an Bildungsmöglichkeiten für Sehgeschädigte. Unter den Diskutierenden war auch eine schillernde Persönlichkeit der damaligen Wiener Gesellschaft, Franz de Paula Gaheis (1763-1809), erst Ordensmann (Piarist), nach dem Austritt Magistrats-sekretär in Wien und zugleich viel gesuchter Essayist in vielen Wiener Zeitungen. Trotz dieser vielfältigen Beschäftigungen hatten diesen Mann pädagogische Ideen nicht losgelassen und so publizierte er 1802 ein Schriftchen : "Kurzer Entwurf zu einem Instituthe für blinde Kinder", in welchem er die Gründung einer Blindenanstalt und einer "Halbblinden-Abteilung" vorschlug. Seine Ideen sind sicherlich auch durch die Bekanntschaften mit mehreren Blinden beeinflusst - auch M. Th. von Paradis hat er gesprochen. Die pädagogischen Vorstellungen seiner Schrift entsprechen jenen der Aufklärung und des "Josefinismus" - "bürgerliche Brauchbarkeit" und "Nützlichmachung für das Gemeinwesen".

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Klein kam nach seiner Ankunft in Wien mit diesen Gesellschaftskreisen in Berührung, seine Vorstellungen auf sozialem Gebiet deckten sich weitgehend mit den ihren und so ernannte man ihn 1802 zum "k. k. Armen-Bezirks-Director" (eine Art Sozialarbeiterfunktion nach unserer Diktion), ein Amt, das ihn sehr häufig mit dem bildungsmäßigen Elend sehgeschädigter Kinder konfrontierte. Er beschloss daher, auf diesem Gebiete tätig zu werden und nahm am 13. Mai 1804 einen blinden Buben, Jacob Braun (1795-1839), in seinen Haushalt auf, um ihn zu unterrichten. Der Jurist Klein, der auch noch eine pädagogische Ausbildung absolvierte, erwies sich sehr bald als genialer Methodiker und stellte viele Hilfsmittel für seinen Unterricht her, die bei den abgehaltenen öffentlichen Prüfungen seiner Schüler/Innen bestaunt wurden, aber gleichzeitig zu hervorragenden Prüfungsergebnissen verhalfen. Der Kaiserhof wurde sehr bald auf diese sozialen Aktivitäten aufmerksam, rief zu Spenden für die junge Institution auf und unterstützte diese ab 1808 - inmitten der Kriege - noch auf besondere Weise: Kaiser Franz I. von Österreich ordnete an, dass Klein als Direktor aus Staatsmitteln zu besolden sei und dass überdies für 8 Schüler/Innen die Kosten übernommen werden. Dem kaiserlichen Beispiel folgten mehrere Gönner - doch 1811 schlitterte das Land in einen veritablen Staatsbankrott und die finanzielle Lage des jungen Unternehmens war wiederum sehr triste. Auf der Durchreise nach St. Petersburg machte 1805 Valentin Haüy in Berlin Station ; in der russischen Hauptstadt sollte er ein Blindeninstitut aufbauen, die weiteren Zeitläufe verhinderten dies jedoch. In Berlin aber lernte er den Gymnasiallehrer Johann August Zeune kennen - und just dieser Mann gründete dann 1806 in der damaligen preußischen Hauptstadt die erste Blindenbildungseinrichtung im eigentlichen Deutschland. Klein war Schwabe und blieb daher sein Leben lang nüchternem und einfachen Denken verbunden, überschäumende Fantasie war ihm fremd. Und von diesem Aspekt her müssen seine pädagogischen Intentionen gesehen werden :

A) Erster Unterricht blinder Kinder an den heimatlichen Schulen. Die Schulmeister sollen in entsprechenden Kursen instruiert werden.

B) Übertritt in die Blindenschule mit 9-10 Jahren und spezieller Blindenunterricht nach dem Kanon der Grundschule.

C) Spezielle Berufsausbildung in der Blindenanstalt. D) Rückkehr in die Heimat und Lebensunterhalt durch das erlernte

Handwerk oder die Musikerausbildung. Von besonderer Bedeutung ist in weiterer Folge der rege schriftliche Gedankenaustausch, den Klein mit fast allen frühen Blindenpädagogen

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des deutschsprachigen Raumes und der einzelnen Kronländer der Habsburger-Monarchie gepflogen hat (1808 eröffnete etwa die Familie Klar in Prag eine Blindenbildungseinrichtung, die vornehmlich der Berufszuführung diente). Auf diese Weise entstand eine Art Vereinheitlichung der frühen Sehgeschädigtenpädagogik, man bemühte sich um gleiche Zielsetzungen und gleiche Methodik. 1816 wurde das Wiener Institut in den Rang einer Staatsanstalt erhoben, Klein wurde Beamter, ebenso sein Lehrerpersonal. Um diese Zeit erlebte Österreich zwar einen ersten bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung nach den Jahrzehnten des Krieges, gleichzeitig jedoch begann sich ein Fiasko in den pädagogischen Bemühungen um die Berufseingliederung abzuzeichnen :

1. Erste Industrien entstanden und machten den bestehenden Handwerkern bald starke Konkurrenz. Diese reagierten darauf mit starrer Betonung ihrer Zunftvorschriften und verboten blinden Handwerkern – in ihren Augen lediglich "Angelernte" - die Ausübung ihres erlernten Berufes.

2. In Wien begann sich nach der langen Kriegszeit eine regelrechte Vergnügungsindustrie zu etablieren, vor allem die Theater und Tanzlokale blühten ungemein auf. Der Magistrat gab jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Lizenzen zur Ausübung des Musikergewerbes aus (auch Johann Strauß Vater und Sohn benötigten eine solche), vielen blinden Musikern wurde sie aber verweigert. Vice versa hatten aber die heimgekehrten blinden Musiker in der Regel nur dürftige Verdienstmöglichkeiten in ihrer Umgebung.

Die Folgen dieser Entwicklungen waren, dass einerseits ausgebildete blinde Handwerker wieder mit Betteln ihren Lebensunterhalt bestreiten mussten und dass zahlreiche blinde Musiker des Verdienstes halber nach Wien zurückkehrten, um hier unerlaubt dem Musikerberuf nachzugehen. Es gab deshalb immer wieder Anstände mit der Polizei und Verwaltungsorganen, auch übermäßiger Trunksucht halber - und Klein wurde damit permanent konfrontiert : "Das sind die „Früchte" ihrer Arbeit!" Aus diesem Grunde ging er - entgegen seinen ursprünglichen Intentionen - einen Schritt weiter und konzipierte eine "Beschäftigungs- und Versor-gungsanstalt", in welcher die ausgetretenen Schülerinnen und Schüler seiner Institution Arbeit, Verdienst und Pflege im Alter erhalten sollten, ein Trägerverein sollte die erforderlichen finanziellen Voraussetzungen schaffen. Mit der Gründung dieses Vereins gelang ihm ein Husarenstück, denn die Zeit des Vormärz sah in Vereinigungen prinzipiell Sammelpunkte für Revolution und Verrat. Aber Klein und seine zumeist adeligen Gönner setzten sich durch, ab 1825 nahm diese ergänzende Einrichtung ihren Betrieb auf. Man muss diese Gründung aus den sozialen Umständen jener Tage verstehen, gleichzeitig aber zur Kenntnis nehmen, dass von diesem

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Zeitpunkt ab eine Epoche der Entmündigung von Generationen blinder Menschen begonnen hat : "Fürsorge für die Blinden von der Wiege bis zur Bahre". Folgende Aspekte noch: Klein hatte hinsichtlich der Entwicklung einer eigenständigen Blindenschrift ein Quasi-Dogma aufgestellt, dass nämlich die Schrift Sehende und Blinde nicht voneinander trennen dürfe. Aus diesem Grunde verwendete er viel Zeit auf die Entwicklung von Techniken zum "Tastbar-Machen" der normalen Schrift - als Kuriosum sei nur die Entwicklung einer Füllfeder genannt, deren mit Harz versetzte Tinte nach dem Trocknen eine taktile Schrift ergeben sollte. Von der Entwicklung der von Louis Braille (1809-1852) aus einer militärischen Geheimschrift abgeleiteten echten Blinden-schrift wird er wohl Kenntnis bekommen haben, unter seiner Amtszeit ist jedoch keine Einführung dieses revolutionären Blindenschrift-Systems bekannt. Hinsichtlich der "Halbblinden", die Gaheis in seiner Schrift in einer eigenen Schulabteilung unterwiesen sehen wollte (ihr Restsehvermögen sollte hier entsprechend geschult werden), musste Klein sich den Ansichten des ersten Ordinarius für Ophthalmologie in der Welt am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, Georg Joseph Beer, beugen, der jede "Provokation" eines verbliebenen Sehrestes unter dem Aspekt einer möglichen künftigen Erblindung verbot. - Auch dieses Quasi-Dogma hat leider viele Jahrzehnte - unkritisch übernommen - überlebt. Die körperliche Ertüchtigung seiner Schülerinnen und Schüler war für Klein ein besonderes Anliegen und er hat sich dieser sein ganzes Leben zugewendet und im hohen Greisenalter verfasste er noch ein Schriftchen "Gymnastik für Blinde" (1847). Dies war in einer Zeit, da Turnvereine als "Brutstätten der Revolution" zumeist unter strenger staatlicher Aufsicht standen oder sogar verboten wurden, überaus bemerkenswert. Das herausragende Werk aus der Feder Kleins ist sein 1819 erschienenes "Lehrbuch zum Unterrichte blinder Kinder", das durchaus zum Bestseller seiner Zeit avancierte und allen frühen Blindenlehrern als Richtschnur diente, auch heute noch - nach fast 200 Jahren - bietet die Lektüre durchaus anregende Stellen. Die weitere Entwicklung der Sehgeschädigtenpädagogik in Österreich nach dem Tode Kleins 1848 ist gekennzeichnet von der allmählichen Ein-führung der Braille-Schrift, von den ständigen Bemühungen der Blinden-lehrer um eine optimale Berufszuführung und um den Ausbau von internationalen Kontakten, die ergänzendes Wissen und Können für die eigene Arbeit vermitteln sollten. Aus diesem Bemühen heraus wurde 1873 der erste Blindenlehrerkongress der Welt nach Wien einberufen, der schon erwähnte Frankl war einer seiner Mentoren, die deutschsprachigen

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Blindenpädagogen formten daraus eigene Kongresse, die bis heute fortgesetzt werden. Besonderen Anklang fanden in diesem Zeitraum die Ideen von Friedrich Fröbel (1782-1852) hinsichtlich des "Kindergartens". Die "Spieltheorie" sprach die Sehgeschädigtenpädagogen speziell an, denn hier sah man den Ansatz für gezielte praktische Unterweisungen der Schulanfänger, die in der Regel unter schweren Defiziten hinsichtlich des "Be-Greifens" und der Begriffs-Zuordnung litten. Aus finanziellen Gründen kamen Kinder-gärten für blinde Kinder um diese Zeit nicht in Frage, man musste daher die Eingangsphase entsprechend umzugestalten versuchen. Dies geschah fast überall und die ersten Grundschulklassen hießen bald "Fröbel-Klassen". Die Wiener "Fröbel-Klasse" übrigens wurde über Jahrzehnte hindurch von einer blinden Kindergärtnerin geführt! Die Wiener Einrichtung stand während der Direktionszeit von Alexander Mell (*1850, Direktor 1888-1919, +1931) in der Spitzengruppe aller deutschsprachigen Einrichtungen, sowohl in der theoretischen als auch in der praktischen Arbeit. Der rastlosen Arbeit dieses Mannes ist auch die erste "Enzyklopädie des Blindenwesens" (Wien 1900) zu verdanken. Man hätte annehmen können, dass die "Erfolgsstory Klein" noch zu seinen Lebzeiten zur Gründung weiterer Blindenbildungsinstitutionen auf österreichischem Boden geführt hätte. Dem war aber leider nicht so, lediglich 1824 wurde das bischöfliche Blindeninstitut in Linz gegründet, Schule und Versorgungseinrichtung in sich vereinend. Erst im ausgehen-den 19. Jahrhundert wurden weitere Sehgeschädigten-Bildungseinrich-tungen gegründet : Am 28. 11. 1872 beschloss der niederösterreichische Landtag die Errichtung einer eigenen Landes-Blindenanstalt, zunächst war sie in Ober-Döbling (heute 19. Wiener Gemeindebezirk) beheimatet, 1879 übersiedelte sie nach Purkersdorf. Im gleichen Jahre regte der schon mehrfach genannte Journalist Frankl die Gründung einer Israelitischen Blindenanstalt an, auch sie wurde in Ober-Döbling eingerichtet. Beide Einrichtungen zählten sehr bald zur Avantgarde der Sehgeschädig-tenpädagogik, denn in ihnen erarbeiteten etwa Simon Heller, Karl Bürklen und Ottokar Wanecek die Grundlagen der praktischen Unterrichtstätigkeit mit Sehbehinderten - bewusst gegen das Quasi-Dogma der Sehschonung verstoßend. Im blinden Friedrich Hitschmann verfocht aber zum ersten Male ein Blindenlehrer die These von den Surrogatvorstellungen - sehr zum Ärger seines Chefs Heller, der die Theorien der damaligen Blinden-psychologie mit Nachdruck zu untermauern suchte und von diesen „Fantastereien“ nichts wissen wollte! 1881 wurde in Graz eine Blindenbildungseinrichtung, das Odilien-Institut, errichtet, das sich um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert speziell der Taubblinden angenommen hat.

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1898 wurde in Klagenfurt/Kärnten eine Landes-Blindenschule eröffnet, die ein wechselvolles Schicksal hatte und mehrmals während ihres Bestandes auf Grund gesunkener Schülerzahlen gemeinsam mit der Landes-Taubstummenanstalt geführt worden ist. 1907 endlich errichtete der "Blindenfürsorgeverein für Tirol und Vorarlberg" in Innsbruck eine Bildungseinrichtung; sie ist trotz ihrer geringen Größe insofern bemerkens-wert, als hier die meisten blinden Schulleiter in Österreich gewirkt haben. Aus den seit 1881 bestehenden "Städtischen Blindenklassen" in Wien entstand 1923 die einzige Sehbehindertenschule Österreichs. Die letzte Neugründung ist die 1974 geschaffene "Berufliche Lehranstalt für Sehge-schädigte" in Graz. In Linz wurden ab 1984 einige Klassen für Sehge-schädigte an der Gehörlosenschule eingerichtet. Die hier aufgezählten Einrichtungen hatten ein wechselvolles Schicksal: 1924 wurde die Einrichtung in Purkersdorf aus Einsparungsgründen aufgelöst, die Schülerinnen und Schüler kamen nach Wien. 1938 wurde das Israelitische Blindeninstitut, dem mehrere Autoren literarische Erinne-rungen gewidmet haben und das sich permanent um eine progressive Unterrichtsgestaltung bemühte, von den Nationalsozialisten geschlossen, die Schülerinnen und Schüler konnten entweder entkommen oder gingen im Holocaust zu Grunde. Das Gebäude dient heute noch als "Bezirks-Polizeikommissariat". Im gleichen Jahr schloss auch Klagenfurt die Pforten, in Linz wurde der Schulbetrieb eingeschränkt und der letzte (geistliche) Direktor Dr. Josef Gruber in einem Nebenlager des KZ Mauthausen ermordet. Die Wiener Einrichtung war von 1914-18 Kriegsblindenlazarett (die Schüler/Innen wurden "nach Hause beurlaubt"), dann eine verarmte Staatsanstalt, die sich nur dürftig über Wasser halten konnte, die Über-nahme von Neuerungen auf dem Gebiete der Berufsausbildung war daher illusorisch, obwohl damals schon einige Blinde in der bescheidenen Industrie beschäftigt werden konnten. Die übrigen Abgänger wurden jedoch zumeist in die Arbeitslosigkeit entlassen! Der nationalsozialistische Krieg brachte in Wien 1939/40 die Einführung der Berufsfelder "Stenotypist" und "Telefonist", sie sollten der "Freisetzung" von künftigen Soldaten oder Munitionsarbeiterinnen dienen. Beide Berufszweige wurden ab 1970 kontinuierlich ausgebaut und bis heute zeitgemäß adaptiert, von den zahlreichen Absolventen kann man nur mit dem Terminus "Bewährt" sprechen! Das Wiener Institut, seit 1898 in der Wittelsbachstraße beheimatet, wurde im Zuge der Kämpfe um Wien im April 1945 schwer zerstört, die verbliebenen Lehrerinnen und Lehrer und ihre Schutzbefohlenen konnten sich im letzten Augenblick retten. Was folgte war eine zunächst als provisorisch angesehene Unterbringung in einem indiskutablen Gebäude, das allerdings in der späteren amerikanischen Zone Wiens lag: Dies hatte

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den Vorteil, dass sowohl die Verpflegung als auch die Versorgung mit Kleidung wesentlich besser funktionierte als anderswo. Provisorien haben in Österreich aber beinahe Ewigkeitswert - und so dauerte es bis 1955, ehe mit dem Wiederaufbau des Stammhauses begonnen werden konnte, 1958 wurde es bezogen. Das Stammhaus wies nach dem Einzug a priori zahlreiche Mängel auf und vermochte schon ab 1968 die ansteigende Schülerzahl kaum mehr zu verkraften (dies trotz zahlreicher Baumaß-nahmen, die einem ergrimmten Baumeister der zuständigen Abteilung den Satz abrangen: "Einmal abbrennen kommt billiger als ein neuer Direktor!"). Zwischen 1976 und 1986 wurde ein großzügiger Zubau bzw. Umbau des Althauses durchgeführt, seither ist das Institut von dieser Seite her den vielen neuen Anforderungen gewachsen: Das waren etwa die Einbeziehung in die ab 1972 eingeführte Gratis-Schulbuchaktion, die Anfänge integrativer Betreuung (in Gymnasien zunächst), die ersten zögernden Schritte in die Haus-Frühbetreuung, der Aufbau von Mobilitäts-training und Training der LPF und die vermehrte Hinwendung zur Betreuung von Mehrfachbehinderten. Dank dieser kontinuierlichen Aufbauarbeit konnte das Institut wieder jenen Spitzenrang einnehmen, den es früher auch schon hatte – als ein echtes Kompetenzzentrum! Und unter diesen erfreulichen Auspizien wurde am 6. Mai 2004 der Festakt zur 200-Jahr-Feier begonnen, zu welchem die erste Direktorin in der Geschichte des Institutes, Susanne Alteneder, geladen hatte. Besonders eindrucksvoll war, dass "Ehemalige" des Hauses das musikalische Programm bestritten: Die Juristen Mag. Michael Krispl und Dr. Andreas Salchegger, beide im öffentlichen Dienst an verantwortlichen Stellen stehend und anerkannt, gestalteten einen Teil der musikalischen Darbietungen mit ihren Ehefrauen, angelehnt an die Wiener Volksmusik der erste Teil, Original Salzburger Volksmusik im zweiten. Der nach dem blinden letzten Hofkomponisten des Königs Georg V. von Hannover benannte "Josef Labor-Chor" bestritt das ergänzende musikalische Programm, das überaus eindrucksvoll war. Die "hohe Politik" war leider nicht vertreten, es wurden lediglich Grußbotschaften verlesen oder durch Beamte gesprochen. Besonders freundlich fiel jedoch der Beitrag des Bezirksbürgermeisters (in Wien: Bezirksvorsteher) Gerhard Kubik aus. Die Kirchen waren - im Hinblick auf die seit Jahrzehnten betriebene Kooperation mit dem Bundesheer - durch ihre Militärbischöfe vertreten, die herzlichste Grußworte sprachen. Das vom "Ehemaligen" und nunmehrigen Lehrer am Institut Erich Schmid zusammengestellte Multi-Media-Programm nahm auf die seit 1. Mai 2004 reale Erweiterung der Europäischen Union Bezug und stellte diese in Zusammenhang mit den zahlreichen Kontakten des Institutsgründers zum Europa seiner Zeit: Zu Berlin, Krakau, Prag, Bratislava und Budapest. Vertreter dieser angesprochenen Bildungseinrichtungen für Sehge-

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schädigte sollten kurze Statements zur heutigen Situation abgeben, was aber nicht gelang, es wurden umfangreiche Referate gehalten und so dehnte sich die Feier leider über Gebühr aus. Mit der Europahymne ging dann die Erinnerungsfeier an den zweihundertjährigen Bestand der Blindenbildung im deutschsprachigen Raum zu Ende. Eine umfangreiche Ausstellung von Hilfsmitteln ging der Feier voraus und informierte die zahlreichen Gäste optimal. Ein herrliches Buffet vereinte die Festgemeinde zum Abschluss.

Am eigentlichen Gründungstag, dem 13. Mai, versammelten sich die große "Familie Wittelsbachstraße" am Ehrengrab von Johann Wilhelm Klein auf dem Wiener Zentralfriedhof, auch die ehemalige Beschäftigungs- und Versorgungsanstalt - heute Österreichische Blindenwohlfahrt - war bei dieser Feier durch ihren Direktor und Bewohner vertreten. Gemeinsam wurden Kränze niedergelegt, es spielte eine Bläsergruppe des Bundesheeres und in kurzen Ansprachen wurde jenes Mannes gedacht, der die theoretische und praktische Arbeit mit Sehgeschädigten im deutschsprachigen Raum vor zweihundert Jahren begonnen hat.

Hofrat Dr. Friedrich Benesch Direktor i. R.

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Ein besonderer Tag

Am Donnerstag, dem 13. 5. 2004, feierten die Schüler und Schülerinnen des Bundes-Blindenerziehungsinstituts den Johann-Wilhelm-Klein-Tag. Johann Wilhelm Klein begann am 13. 5. vor 200 Jahren den ersten blinden Schüler in seiner Wohnung zu unterrichten. Dieser hieß Jakob Braun. Nach einem Jahr legte Jakob Braun seine erste öffentliche Prüfung ab. Alle Leute waren von seinem Können begeistert. Von nun an kamen immer mehr Zöglinge zu Johann Wilhelm Klein. So entstand das Blindeninstitut. In vielen europäischen Ländern wurden Blindenschulen errichtet. Johann Wilhelm Klein half überall mit seinem Wissen beim Aufbau der Blindenbildung mit. In der Früh trafen sich alle Schülerinnen und Schüler in der Aula. Dort begaben sie sich mit Herrn Prof. Schmid auf eine Zeitreise. Nach einer Stunde fuhren alle zum Zentralfriedhof. Sie besuchten das Ehrengrab von Johann Wilhelm Klein. Soldaten legten zwei schöne große Kränze vor dem Grab nieder. Vier Bläser spielten zwei feierliche Lieder dazu. Die Schülerinnen und Schüler hatten danach Gelegenheit, das Ehrengrab anzuschauen. Nach dem Besuch des Friedhofs ging die Zeitreise weiter. Diese war sehr interessant. Zum Abschluss gab es ein besonders gutes Mittagessen. Am Nachmittag hatten alle Schülerinnen und Schüler unterrichtsfrei.

Barbara Geher 4. VS

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Spezialbeiträge

Der heilpädagogisch/integrative Kindergarten stellt sich vor

Der Kindergarten ist für die meisten Kinder der erste Ort, an dem sie außerhalb der Familie – und ohne Eltern – Kontakt mit anderen Kindern, Erwachsenen und neuen Räumlichkeiten, Materialien und Angeboten aufnehmen. Dieser Schritt ist für das Kind und die Familie eine sehr einschneidende Erfahrung und muss deshalb sehr sensibel und einfühlsam begleitet werden. Vertrauen muss sich erst entwickeln. Die vorbereitete Umgebung dient der Raum-, Material- und Körpererfahrung. Individuelle Zielsetzungen und jahreskreisbezogene Themen sowie bedürfnisorientierte Angebote werden in den Alltag eingebaut. Öffnungszeiten: Montag – Donnerstag: 7:15 – 17:30 Uhr Freitag: 7:15 – 16:30 Uhr Personalschlüssel: Vormittags: 2 Sonderkindergartenpädagoginnen (von 7:30 - 12:30 Uhr) Nachmittags: 2 Nachmittagsbetreuerinnen (Kindergartenpädagogin und/oder Studentin der Sonder- und Heilpädagogik) (von 11:30 – 17:00 bzw. 18:00 Uhr) 2 Kindergartenhelferinnen (von 6:30 - 14:30 Uhr; von 9:00 – 17:00 Uhr)

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Kinderanzahl: Derzeit besuchen insgesamt 14 Kinder unseren Kindergarten; eingeteilt in eine heilpädagogisch integrative Gruppe (6 Kinder) und eine integrative Gruppe (8 Kinder). Tagesablauf: 7:30 – ca. 9:00 Uhr Freispiel handwerkliche Tätigkeiten und lebenspraktische Fertigkeiten (basteln, drucken, schneiden, Masche binden,...) parallel dazu Einzelförderung und Kleingruppenarbeit. Fahrtendienstkinder werden in den Kindergarten gebracht. Ab 9:00 Uhr wird die Gruppe in die heilpädagogisch-integrative

und integrative Gruppe geteilt Ca. 9:15 – 9:45 Uhr Jause Ca. 9:45 – 10:00 Uhr Wickeln, WC, Händewaschen, .... Ca. 10:00 Uhr Morgenkreis, Begrüßung

ca. 30 Minuten Gruppenarbeit ca. 10:45 – 11:45 Uhr Einzelbetreuung und –förderung

Freispiel und Rückzugsmöglichkeit Bewegungsangebot

Ca. 11:45 – 12:00 Uhr Wickeln der Halbtagskinder, Dienstübergabe und schriftliche Tätigkeiten

Ca. 12:00 – 12:30 Uhr Mittagessen Aufgabenbereiche der Sonderkindergartenpädagogin im BBI:

• Betreuung und Entwicklungsförderung in den Bereichen Bewegung, Sprache, Wahrnehmung, Lebenspraxis und das Eingehen auf emotionale und soziale Bedürfnisse

• Bildung, Förderung und Entwicklungsbegleitung der Kinder im pädagogischen, sozialen, religiösen und kulturellen Bereich auf dem Hintergrund der Gesamtpersönlichkeit des Kindes

• Bildungsauftrag:

o Blindendidaktische Förderung o Visuelle Stimulation o Sehrestschulung o Lebenspraktische Fähigkeiten; Selbstständigkeit und Mobilität o Wahrnehmungsbereich; Sinneswahrnehmung fördern; sich

selbst und andere wahrnehmen – sensorische Integration

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o Basale Förderung o Förderung von Eigenwahrnehmung o Sozialverhalten: Förderung von gruppendynamischen

Prozessen; Rücksicht nehmen;...... o Emotionale Erziehung: Geborgenheit erleben; Gefühle

ausdrücken; Selbstwert; ... o Umweltbewältigung: sich in der Umwelt auskennen;.... o Bewegungserziehung: Grobmotorik; Feinmotorik; körperlich

geschickt sein;..... o Psychomotorik: Ich-Kompetenz; Sach-Kompetenz; Sozial-

Kompetenz o Sprache: sich sprachlich gut ausdrücken; Sprachverständnis

und Sprechen o Kognitive Fähigkeiten und Denkförderung: Wissen erwerben;

Probleme lösen; ... o Kreativität: Fähigkeit zu schöpferischen Äußerungen; originelle

Ideen haben und ausführen; ... o Wertverhalten: Werte unserer Kultur; Umweltschutz; ... o Sexualerziehung: eigenen Körper kennen; ... o Lern- und Leistungsverhalten: Arbeitshaltungen erwerben;

durch eigene Leistung zum Erfolg kommen; ...

• Gezielte spezifische Angebote zur Entwicklungsförderung und Arbeit mit einzelnen Kindern, Kleingruppen und der Gesamtgruppe

• Führung der Gesamtgruppe • Führen des Tagesablaufes • Stärken und Schwächen des Kindes sehen und den Eltern

Möglichkeiten zur Förderung aufzeigen • Gelebte Integration • Spielmaterialien wegräumen – Aufräumen der Gruppenräume • Projekte (zB CD, Klangraum, ...) • Organisieren von Ausflügen • Planung und Reflexion der pädagogischen Arbeit • Langzeitplanung und Wochenpläne erstellen • Erstellen von Entwicklungsplänen und Jahresberichten • Festlegen von Förderzielen • Kindermappen mit Beobachtungen, Befunden, usw. anlegen und

aktualisieren • Klassenbuch und Anwesenheitslisten • Diverse schriftliche Arbeiten, wie zB Gruppenlisten, Klassenbuch, ...

• Elterngespräche • Beratungsgespräche

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• Elternabende • Zusammenarbeit mit Familien und Bezugspersonen der Kinder

sowie deren Beratung • Gespräche mit Therapeuten,.... • Zusammenarbeit mit anderen Institutionen • Öffentlichkeitsarbeit • Vorstellen des Kindergartens bei diversen Führungen • Regelmäßiger Austausch und Kooperation mit KollegInnen und

anderen Berufsgruppen • Teilnahme an Lehrerkonferenzen • Teambesprechungen und deren Protokollierung • Kinderbesprechungen mit den NachmittagskollegInnen • Begleitung und Anleitung von Praktikanten • Austausch mit den Praktikumsbetreuern • Weiterbildung

Nachdem alle Kinder einen sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand aufweisen, ist neben der Gruppenarbeit eine individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes sehr wichtig.

KINDER HABEN EIN RECHT AUF … Rückzug und Ruhe

Entwicklungsförderliche Maßnahmen Therapie und Unterstützung

Individualität Respektvollen Umgang

Annahme Freunde – soziale Bedürfnisse

Spaß und Freude Emotionale Bedürfnisse – Liebe, Zuwendung,

Zärtlichkeit und Geborgenheit Grundbedürfnisse – Primärbedürfnisse: Ernährung, Schlaf, Wohnung, ...

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Was ist uns wichtig? ganzheitliche Begleitung des Kindes Begegnung der Kinder untereinander und während des Freispiels

begleiten: für manche Kinder ist der 1. Schritt: Aushalten, dass andere Kinder da sind erst der 2. Schritt: in Kontakt treten unsere Aufgabe ist es, die Kontaktaufnahme, die sehr unterschiedlich ist, zu begleiten

Selbstwert und Individualität fördern die wichtigste Basis für eine gute Entwicklung sind Spaß und Freude

am eigenständigen Tun. Wir gestalten das Umfeld so, dass die Kinder konfrontiert und angeregt werden – unsere Aufgabe ist nicht, dass wir tun, sondern dass das Kind eigenständige Erfahrungen machen kann!

Sag es mir und ich vergesse es. Zeig es mir und ich erinnere mich. Lass es mich tun und ich behalte es. - Konfuzius

Hilf mir, es selbst zu tun - Maria Montessori Verbale Begleitung von Tätigkeiten Eigenen Körper gut spüren, damit sich das sehgeschädigte Kind der

Umwelt zuwenden kann Nina Leitner-Farkas

Heidelinde Daniel

Telekom Austria unterstützt den Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverband im Kampf gegen den „Digital Divide“ Einrichtung einer 0800-Hotline für Österreichischen Blinden- und Sehbe-hindertenverband - Erstellung der barrierefreien ÖBSV Webpage – Bereit-stellung von ADSL-Anschlüssen - Integration Blinder und Sehbehinderter in moderne Kommunikationswelt Der neue Internetauftritt des Österreichischen Blinden- und Sehbehinder-tenverbandes (ÖBSV) unter www.derdurchblick.at erfüllt alle Voraus-setzungen, um Blinden und Menschen mit Sehbehinderungen den Zugang zu den Informationen und Angeboten des ÖBSV uneingeschränkt zu ermöglichen. ÖBSV und Telekom Austria haben ihr Know-how gebündelt und eine sehbehindertengerechte Homepage entwickelt. Zusätzlich wer-den alle sieben Landesorganisationen des ÖBSV mit ADSL-Breitband-anschlüssen ausgestattet. Über die kostenfreie Servicenummer 0800-22 77 00 wird jeder Anrufer automatisch zur jeweiligen Landesstelle des ÖBSV verbunden.

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„Ich freue mich für den ÖBSV sehr, dass wir mit Telekom Austria einen so kompetenten und potenten Partner gefunden haben. Gerade die Bereit-stellung der 0800-22 77 00 Hotline, die aus ganz Österreich das kosten-lose Erreichen der nächstgelegenen Landesgruppe des ÖBSV ermöglicht, ist ein Meilenstein im Bezug auf unser Serviceangebot, das wir unseren betroffenen Mitgliedern bieten können“, betont ÖBSV Präsident Klaus Mar-tini, „gerade weil das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 eben schon vorbei ist, kann dieses vorliegende Engagement der Telekom Austria nicht hoch genug eingeschätzt werden.“ Telekom Austria übernimmt mit ihrem Social Sponsoring gezielt gesell-schaftliche Verantwortung für Menschen, die aufgrund körperlicher oder geistiger Behinderung bzw. Defiziten in der soziokulturellen Entwicklung in der Wahrnehmung ihrer Lebenschancen benachteiligt sind. Österreichs führendes Kommunikationsunternehmen unterstützt auf Basis dieser Phi-losophie selektiv Institutionen, die sich engagiert und bundesweit für benachteiligte Sozialgruppen einsetzen und den Menschen in vielfältiger Form Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. „Telekom Austria als eines der größten österreichischen Unternehmen sieht es als ihre moralische Verpflichtung, das gesellschaftliche Umfeld positiv mitzugestalten und sich für jene einzusetzen, die sozial benachteiligt sind“, erklärt dazu Generaldirektor Heinz Sundt von Telekom Austria.

Barrierefreier Zugang zum Internet über www.derdurchblick.at Telekom Austria hat bei der Erstellung der neuen Website des ÖBSV die „Webcontent Accessibility Guidelines“ des W3C (World Wide Web Consor-tium), die die Erfordernisse eines barrierefreien Internetzugangs beschreiben, vollständig umgesetzt. Nach diesen Richtlinien müssen grafische Elemente, Bilder oder Videos auf Internetseiten in logische Textäquivalente übersetzt werden, die eine Ausgabe auf speziellen Zusatzgeräten ermöglichen und die Informationen für Menschen ohne Augenlicht bzw. mit Sehbeeinträchtigung rezipierbar machen. So können Blinde mittels so genannter „Braille-Displays“, die die grafische Oberfläche eines PC-Bildschirms auswerten und die Informationen über acht tastbare Punkte – Piezostifte – wiedergeben, die Inhalte lesen. Daneben kommen noch Sprachausgabe, die die Textinhalte in Audioinformation umsetzt und Vergrößerungsprogramme zum Einsatz.

ÖBSV – ein starker Partner für blinde und sehbehinderte Menschen Der Österreichische Blinden- und Sehbehindertenverband ÖBSV ist die größte Selbsthilfeorganisation blinder und sehbehinderter Menschen in Österreich mit mehr als 5000 blinden und sehbehinderten Mitgliedern. Seine zentrale Aufgabe ist die Förderung der Interessen und Bedürfnisse

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blinder und sehbehinderter Menschen und die Anleitung zur Selbsthilfe. Der Präsident des ÖBSV ist Klaus Martini. Der ÖBSV vertritt die Anliegen und Bedürfnisse seiner Mitglieder österreichweit als effiziente Dachorganisation und regional als starker Partner vor Ort. Er betreibt attraktive Erholungseinrichtungen, eine große Hörbücherei und ein modernes Berufsbildungs- und Fortbildungszentrum. Seine sieben Landesgruppen – das sind die Landesgruppe Kärnten, die Landesgruppe Oberösterreich, die Landesgruppe Salzburg, die Landes-gruppe Steiermark, die Landesgruppe Tirol, die Landesgruppe Wien, Niederösterreich und Burgenland sowie die Landesgruppe Vorarlberg - bieten weiters von der immer notwendiger werdenden Frühförderung bis hin zur professionellen psychologischen Beratung eine imposante Band-breite von Leistungen. Hier steht der blinde und hochgradig sehbehinderte Mensch mit seinen speziellen Bedürfnissen im Mittelpunkt.

Gemeinsam gegen den „Digital Divide“ Telekom Austria unterstützt die wichtigen Anliegen des ÖBSV mit tech-nologischem Knowhow im Bereich moderner Kommunikationsmedien und möchte damit einem drohenden „Digital Divide“ zwischen Privilegierten mit Zugang zu zeitgemäßer elektronischer Information und Menschen, die aus Gründen einer physischen Beeinträchtigung daran nicht partizipieren können, entgegen wirken. Die neue ÖBSV Homepage, die von Telekom Austria auch gehostet wird, soll auch entsprechende Signalwirkung für Webprogrammierer, Internet-agenturen und Inhalteanbieter haben und sie dazu ermutigen, dem Beispiel behindertengerechter Contentbereitstellung im Internet zu folgen. Über diesen Multiplikatoreffekt kann eine nachhaltige Entwicklung in Richtung „offener Zugang“ zu modernen Informationsmedien eingeläutet werden. Die sukzessive Verwirklichung gleicher Informationschancen für alle muss das erklärte Ziel einer fortschrittlichen, auf Solidarität und Toleranz begrün-deten Gesellschaft sein, in der Integration gelebtes Grundprinzip ist und Ausgrenzung keine Chance hat. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Österreichischer Blinden- und Sehbehindertenverband, Mag. Dr. Rainer Kavalir, Pressesprecher e-mail: [email protected] Telekom Austria AG, Mag. Sigrid Bachinger, Unternehmenskommunikation e-mail: [email protected]

Presse-Information Wien, 28. Juni 2004

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Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit "Unterwegs im Dunkeln" über die Mobilitätsbedingungen sehbehinderter und blinder Menschen vorgestellt Heute hat das Kuratorium für Verkehrssicherheit die Studie "Unterwegs im Dunkeln" über die Mobilitätsbedingungen sehbehinderter und blinder Menschen vorgestellt. Text der Presseaussendung weiter unten. Als Leiter des Verkehrsgremiums der Sehbehinderten- und Blinden-organisationen der Ostregion bedanke ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bei allen sehbehinderten und blinden Kolleginnen und Kollegen, die bei der Befragung für diese sehr umfangreiche Studie teilgenommen haben. In dieser Studie sind erstmals die Mobilitätsbedingungen sehbehinderter und blinder Menschen umfangreich und von einer anerkannten und unabhängigen Stelle erfasst worden. Eine blindengerechte HTML-Fassung gibt es unter http://kremser.wonne.cc/publik/kfv-unterwegs-im-dunkeln/index.htm Der Forderung nach gezielter Bewusstseinsbildung des KFV zur behindertengerechteren Gestaltung des öffentlichen Raumes kann ich mich als Vertreter des Verkehrsgremiums nur mit Nachdruck anschließen.

Presse-Information

NEUE KFV-STUDIE: UNTERWEGS IM DUNKELN Blinde und sehbehinderte Menschen: Zu niedrig montierte Verkehrs-zeichen oder schlecht gesicherte Baustellen bergen Gefahren. KfV fordert Verbesserungen Würden Sie sich mit verbundenen Augen auf die Straße trauen? Nicht vorstellbar für die meisten von uns - und dennoch ist für rund 407.000 Menschen in Österreich und allein in Wien für 88.000 eine nicht behobene Sehbehinderung oder gar Blindheit harte Realität. Eine neue Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV) "Unterwegs im Dunkeln", die vom Bundessozialamt, Landesstelle Wien gefördert wurde, zeigt mit welchen Barrieren blinde und sehbehinderte Menschen in Wien tagtäglich zu kämpfen haben. Zu niedrig montierte Verkehrszeichen, fehlende Leitsysteme oder mangelhaft abgesicherte Baustellen sind nur einige davon. StVO-Änderung: Mindesthöhe für Verkehrszeichen KfV-Direktor Dr. Othmar Thann verdeutlicht die Lage Sehbehinderter und Blinder im Straßenverkehr: "Sehende Menschen umgehen Verkehrszeichen,

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Mauervorsprünge, Briefkästen etc. ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Für blinde Menschen bedeuten diese Hindernisse aber oft blutige Schrammen, da diese mit dem Langstock nicht erfasst werden können. Schmerzhafte Verletzungen sind die Folge. Vor allem zu niedrig montierte, scharfkantige Verkehrszeichen sind ein großes Ärgernis. Die Berücksichtigung einer definitiven Mindesthöhe von Verkehrszeichen von 2,20 m über Grund in der StVO ist längst fällig." Mangelhaft gesicherte Baustellen sind tödliche Fallen! Auch Baustellen bergen Gefahren. Viele sind schlecht abgesichert. Gruben, die nur mit einem dünnen Plastikband gesichert sind, herausstehende Nägel oder ein vorspringendes Gerüste beispielsweise können für blinde und sehbehinderte Menschen zur tödlichen Falle werden. Thann appelliert an den verstärkten Einsatz der Exekutive: "Gezielte Überwachung und mehr Kontrollen zur gesetzeskonformen Absicherung von Baustellen sind einfache Maßnahmen, die blinden und sehbehinderten Menschen ihren Alltag erleichtern." Architektur mit Hürden Architekten denken leider nicht immer an die Grundsätze barrierenfreien Bauens bzw. kennen diese nicht. Moderne Gestaltungsvarianten wie schräge Säulen oder nicht markierte Glasflächen und Stufen bedeuten häufig besondere Herausforderungen für Blinde und Sehbehinderte. Auch öffentliche Verkehrsmittel können Hürden bedeuten. Ein positives Beispiel ist allerdings die Wiener U-Bahn. U-Bahnstationen verfügen fast flächendeckend über Blindenleitsysteme und akustische Ansagen in den Stationen. Eine vermehrte Ausstattung dieser bewährten Einrichtungen im gesamten öffentlichen Raum ist gefordert. Sehende Mitmenschen und Radfahrer Auch sehende Menschen und Radfahrer können zu Gefahrenquellen für Blinde und Sehbehinderte werden. "Wer kennt nicht die Situation, einen blinden Menschen an der Kreuzung stehen zu sehen und nicht zu wissen, wie man sich richtig verhalten soll. Durch Unsicherheit und Berührungsängste wird dann oft gar nicht geholfen oder ganz einfach falsch", stellt Thann die Situation dar. Wie die KfV-Untersuchung gezeigt hat, sind Blinde und Sehbehinderte oft auch mit ungebetenen Hilfeleistungen konfrontiert. Laut Studie werden vor allem Radfahrer von Blinden und Sehbehinderten als rücksichtslos empfunden, da diese oft zu schnell und knapp vorbeifahren. Probleme gibt es vor allem dort zu lösen, wo Rad- und Fußgängerwege nicht baulich, sondern nur durch Bodenmarkierungen voneinander getrennt sind. Das KfV hält eine Aufnahme der Thematik "Blinde im Straßenverkehr" bei der Vorbereitung zur freiwilligen Radfahr-prüfung für sinnvoll.

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KfV fordert gezielte Bewusstseinsbildung "Barrierefreies Bauen und Planen sowie die Beseitigung von Hindernissen im öffentlichen Raum nützt nicht nur blinden Menschen, sondern erhöht Sicherheit, Service und Komfort für alle. Eine Sensibilisierung von verantwortlichen Stellen und Behörden sowie gezielte Bewusst-seinsbildung über die Belange behinderter Menschen bei der Bevölkerung ist dringend notwendig." Der Forschungsbericht "Unterwegs im Dunkeln - Mobilitätsbedingungen von blinden und sehbehinderten Personen" steht ab Ende August unter www.kfv.at zur Verfügung Eine blinden- und sehbehindertengerechte Fassung gibt es unter www.kremser.wonne.cc.

Wolfgang Kremser

Ehemalige Schüler

Alfred Kielmayr - ein viel zu kurzes und intensives Leben (Vor einigen Jahren wurde in dieser Rubrik die von ihm verfasste Lebensbeschreibung abgedruckt.) Alfred Kielmayr - ein ehemaliger Schüler des Instituts - verstarb nach kurzer, schwerer Krankheit am 5. September im erst 57. Lebensjahr. Sein Leben verlief ungewöhnlich. Dies begann bereits bei seiner Geburt, denn er wurde am 29. Februar 1948, also einem Schalttag, geboren. In seiner Geburtsurkunde ist allerdings der 1. März verzeichnet. Seine Mutter verstarb sehr früh und sein Vater kümmerte sich nicht um ihn, sodass Alfred bereits früh auf sich gestellt war. Dies war zwar sehr hart, er entwickelte dabei aber eine enorme Selbstständigkeit. Alfred Kielmayr verfügte nur mehr über ein geringes Sehvermögen, das er sehr gut nützte. Er absolvierte als Internatsschüler die Volks- und Hauptschule sowie zwei Jahre die Korbflechterausbildung im Blindeninstitut. Er wollte Telefonist werden und setzte seinen Wunsch zur Absolvierung des Telefonisten-kurses, den er auch erfolgreich abschloss, durch. Seine Berufslaufbahn begann Alfred als Telefonist im Finanzamt in Hollabrunn, in der Nähe seiner Heimat. Wegen besserer Weiterbildungs-möglichkeiten, einer günstigeren Mobilität und mehr Kontakten zog es ihn aber schon bald nach Wien. Er arbeitete ebenfalls als Telefonist im Finanzamt in der Kleeblattgasse und danach in der Finanzlandesdirektion. Sein Wunsch nach Weiterbildung und beruflicher Weiterentwicklung war groß. Er absolvierte eine Massageausbildung und die Beamtenmatura. Seine Bemühungen um eine Arbeit als Referent blieben erfolglos, sodass er auch die Vollmatura erfolgreich ablegte. Keine Unterstützung durch

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Verwandte, keine Schulbücher in Blindenschrift, keine Stützlehrer, kein Computer mit Brailleausstattung und das ganze vier Jahre lang von Montag bis Freitag abends nach der Arbeit: eine enorme Leistung! Sein Wunsch nach einer Tätigkeit als Referent ging erst 3 1/2 Jahre nach Ablegung der Matura in Erfüllung und Alfred arbeitete vom 1. September 1981 bis 29. Februar 2004 als Referent im Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern. Hier war er in der persönlichen und telefonischen Kundenberatung, insbesondere im Bereich Grunderwerbs-, Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie sonstiger Gebührenvorschriften tätig. Ein umfangreiches Aufgabengebiet, das eine ständige Weiterbildung erfor-derte. Alfred Kielmayr war kein Technikfreak, aber ein engagierter Anwender technischer Hilfsmittel sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Er nahm 1978 am 1. in Österreich durchgeführten Kurs mit dem Optacon-Lesegerät teil und machte alle technischen Entwicklungen bis hin zum Internet mit. Und wie verlief sein Privatleben? Genau wie in seiner Arbeit aktiv. Sein Wunsch war, wie bereits erwähnt, sich weiterzubilden und weiter-zuentwickeln. Er probierte hierbei vieles aus und was ihn interessierte, verfolgte er mit einer unglaublichen Zähigkeit. Sein großes Anliegen war die Integration blinder Menschen, die er selbst in der Schule und privat erlebte, denn er hatte auch viele sehende Freunde. Er schrieb zahlreiche Artikel in verschiedenen Zeitschriften und hielt Vorträge in Bildungs-einrichtungen über die Möglichkeiten blinder Menschen im beruflichen und privaten Bereich. Die Integrationsarbeit im Blindeninstitut begrüßte er hierbei sehr. Als politisch interessierter und engagierter Zeitgenosse kritisierte er den Sozialabbau. "Unsere Regierung betreibt keine Einsparungs-, sondern eine Umverteilungspolitik" war eine seiner Äuße-rungen. Alfred Kielmayr war nicht nur in seiner Arbeit fleißig, sondern verstand es auch zu feiern. Gutes Essen und so mancher Tropfen Bier oder Wein waren ihm auch willkommen. Mit regelmäßigen Saunabesuchen hielt er sich fit und hatte während seiner 37-jährigen Arbeitszeit kaum Kranken-standstage. Lieber Alfred! Ich danke dir für deine über mehr als 40 Jahre währende Freundschaft, für deine vielen Hilfen, dein immer offenes Ohr und die viele Zeit, die wir miteinander verbringen durften. Deine Freunde und ich werden dich nie vergessen!

Bruno Etzenberger

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E-Mail von Boram Park Grueß Gott, Frau Panzer! Wie geht es Ihnen??? Haben Sie schöne Ferien gehabt?? Ich hoffe, dass Sie sehr angenehme und lässige Ferien gehabt haben. Hoffentlich haben Sie mich nicht vergessen.:) Mir geht es gut. Ich besuche in Korea eine Maturaschule seit 1. September. Ich bin am 28. August in Korea angekommen. Ich habe bis Ende Juni nicht gewusst, dass ich in Korea Matura nachmachen werde. Die Entscheidung wurde sehr plötzlich getroffen. Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich es Ihnen sicher mitgeteilt. Ich bin fast ein Monat in Korea. Ich habe vieles auf Deutsch vergessen. Mein Deutsch wird immer schlimmer und schlimmer. Wenn ich auf die Zeit zurückblicke, die ich beim BBI verbracht habe, dann muss ich sagen, dass ich sehr nette und gute Lehrerinnen und Lehrer gehabt habe und dass ich sehr viel Glück habe. Die Zeit, die ich im BBI verbracht habe, werde ich nie vergessen. Besonders bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich weiß es, dass ich ein Sorgekind war und dass Sie meinetwegen Problem hatten. Irgendwie haben Sie mich bis zur Abschlussprüfung gebracht. Ohne Ihre Hilfe hätte ich es nicht geschafft. Danke, dass Sie mich nicht aufgegeben haben und dass Sie mir immer geholfen haben. Wie sind Schüler in der 1. Klasse? Sind Sie braver als wir???:) Und entschuldigen Sie, dass ich mich bei Ihnen so spät melde. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!

Boram

„200 Jahre Blindenbildung im Deutschen Sprachraum“

Anmerkung der Redaktion Mit freundlicher Genehmigung von Dipl.-Brauerei-Ing. i.R. Karlheinz Scheible, Alerheim, bringen wir in den drei verbleibenden Ausgaben von BBInfo/2004 eine historisch fundierte und umfangreiche Biografie des Begründers der Blindenbildung im Deutschen Sprachraum. Die Veröffentlichung dieser verdienstvollen Arbeit in unserer Hauszeitschrift ist als Ergänzung und Korrektur der in unserer Festschrift 2004 publizierten Kurzbiografie Johann Wilhelm Kleins von Dr. Otto Jähnl anzusehen - Korrektur, weil Scheible vorhandene historische Wissenslücken nicht

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durch Rückgriffe auf biografische Romane schließt und die ursprüngliche Schreibung der Namen verwendet.

Ausführliche bibliographische Informationen: Scheible, Karlheinz: Johann Wilhelm Klein. In: Wulf-Dietrich Kavasch, Günter Lemke und Albert Schlagbauer (+) (Hrsg.): Lebensbilder aus dem Ries vom 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Verlag Rieser Kulturtage, Druckerei C.H. Beck, Nördlingen 2002, ISBN 3-923373-54-6, S.313-357 Wir haben den Text des Autors (nicht die Zitate) auf neue Recht-schreibung umgestellt und das Layout so verändert, dass am Ende jedes Teiles die entsprechenden Quellenangaben angeführt werden. (Der Text wurde in der Braille-Ausgabe als separates Heft gedruckt, um allenfalls das Sammeln zu erleichtern.)

Johann Wilhelm Klein (11. April 1765 - 12. Mai 1848) von Karlheinz Scheible - Teil 2/3 – S. 327-339

Der Beginn mit dem ersten Schüler Jakob Braun und Anfang des Blindenerziehungswesens im deutschsprachigen Raum Kleins Verheiratung Einige Zeit später hatte M. Gaus, Direktor der Hauptschule in Bruck an der Leitha, von diesem Aufruf erfahren und richtet an den Magistrat der Stadt Bruck das Gesuch, den blinden Buben Jakob Braun56, Sohn eines Brucker Zimmermeisters, die Aufnahme bei Johann Wilhelm Klein zu ermöglichen, um einen Versuch zur Bildung dieses Unglücklichen zu machen. Klein und Gaheis wenden sich gemeinsam ebenfalls an den Brucker Magistrat57 und nennen die erforderlichen Mittel. Klein erbietet sich den Knaben sofort aufzunehmen. Die Kosten wurden daraufhin bewilligt und Jakob Braun am 13. Mai 1804 zu Klein gebracht, der sich seiner Erziehung väterlich annahm. Am 10. Mai 1804 hatte Klein die „Jungfer Henriette Therese Geiger, 28 Jahre alt, aus Wallerstein im Öttingischen" geheiratet und einen eigenen Hausstand gegründet. Trauzeugen waren Gottlob Kästner, kurfürstlich württembergischer Gesandtschaftssekretär und Alois Schildknecht, herr-schaftlicher Sekretär, beide wohnhaft in Wien. Das Ehepaar hatte Wohnung auf der Landstraße Nr. 34 im zweiten Stock genommen. Drei Tage nach der Hochzeit war es demnach, als die Eheleute Klein den blinden, neunjährigen Jakob Braun bei sich aufnahmen, um ihn zu unter-richten. Für Johann Wilhelm Klein ergab sich nun die Möglichkeit, seine Vorstellungen über Lehrmethoden zu überprüfen, beziehungsweise solche in der Praxis zu entwickeln.

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Den Eheleuten Klein wurde am 15. Juli 1805 ein Mädchen, Marie Wilhelmine, geboren, so dass sie nun für zwei Kinder zu sorgen hatten. Gaheis und Klein wurden dann in der Folgezeit einander entfremdet. Eine entscheidende Rolle scheint dabei der Taubstummenlehrer Michael Wein-berger gespielt zu haben, der 1803 plötzlich behauptete, er habe schon seit 19 Jahren den Wunsch gehabt, ein Institut für Blinde in Wien entstehen zu sehen, und er habe hierzu mancherlei Pläne entworfen. Ansonsten ist nicht erklärbar, warum von da an Klein und Gaheis ihre Absicht zur Gründung einer Blindenanstalt nicht mehr gemeinsam verfolgten, es sei denn, dass Gaheis sich nur als Direktor einer solchen vorstellen konnte, Klein hingegen, mit Hilfe seiner jungen Frau, eher die Möglichkeit hatte, seine Pläne auch in die Tat umzusetzen. In dem von Gaheis später, 1809 in Wien herausgegebenen „Handbuch der Lehrkunst für den ersten Unterricht in deutschen Schulen" schreibt er auf Seite 353: „Ueber den Unterricht der Blinden sey es mir erlaubt, mehr als eine bloße Anzeige zu geben. Seit mehreren Jahren, bestimmt aber seit dem Jahre 1800 liegt mir dieser Gegenstand am Herzen. Ich unterstützte Blinde aus Eigenem und von milden Beyträgen Anderer. Das Tageblatt enthält einen Theil der Geschichte meiner Bemühungen. Ich verfaßte den Entwurf einer Erziehungsanstalt für Blinde und ließ ihn i. J. 1802 drucken. Als mir Amtsverrichtungen die Muße beengten forderte ich Herrn W. Klein auf, sich zu diesem Geschäfte mit mir zu verbinden. Ich übergab ihm den mir von dem Stadtrath zu Bruck an der Leytha anvertrauten Knaben Braun. Er bildete ihn, nahm mehrere dieser Gebrechlichen, und so scheint das, was ich gesäet und gepflegt habe empor zu wachsen. Bereits haben die Edelsten aller Stände Theil daran genommen. Es fehlt nur ein Wort - das Wort vom Throne, und die Anstalt ist gegründet. Meine, Weinberger's und Kleins' Bemühungen werden nicht ohne Erfolg bleiben." Bemerkenswert ist die Reihenfolge, die Gaheis in vorgenanntem Text wählt, zuerst erwähnt er sich selbst, den Theoretiker, dann Weinberger, der in der Folgezeit für das Blindenerziehungswesen eher eine hemmende Rolle gespielt hat, dann erst Klein, der der einzige von diesen dreien war, der Pläne für die Blindenerziehung auch wirklich in die Tat umgesetzt und sich unsterblichen Ruhm errungen hat.

Die durchstochene Schrift Klein bewegte sich auf Neuland. Er hatte keine Vorbilder. Von den Unterrichtsmethoden, die am Pariser Blindeninstitut entwickelt wurden, hatte er nach seinem eigenen Bekunden keine Kenntnis. Und wir dürfen ihm das glauben, hätte es doch nicht in Kleins Charakterbild gepasst zu verschweigen, dass er fremde Gedanken aufgegriffen und für seine eigenen Zwecke angewandt hatte.

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Nicht erst nach der Aufnahme des Jakob Braun wird sich Johann Wilhelm Klein Gedanken gemacht haben, wie eine Schrift für Blinde zu entwickeln sei und wie Lehrmittel beschaffen sein müssten. Sicher hat er schon vorher solche Überlegungen angestellt und setzte sie nun, da der unmittelbare Anlass gegeben war, in die Tat um. Der bescheidene Anfang mit dem ersten blinden Schüler Jakob Braun kann daher aus heutiger Sicht als der Beginn des Blindenerziehungswesens im deutschsprachigen Raum betrachtet werden. Klein entwickelte eine eigene Blindenschrift. Lateinische Großbuchstaben wurden mittels Stacheltypen von hinten durch ein starkes Papier gestochen. Begonnen wurde unten links mit auf den Kopf gestellten Stacheltypen. Auf dem umgedrehten Bogen konnte dann von links nach rechts die durchstochene Schrift mit den Fingern getastet werden. Klein ging dabei von der Überlegung aus, dass durch die Verwendung lateinischer Großbuchstaben die Kommunikation zwischen Blinden und Sehenden ermöglicht werden solle. Solange Klein die Anstalt leitete wurde diese Schrift gelehrt und verwendet, weil er es für falsch gehalten hatte, den Blinden eine Schrift zu geben, die von Sehenden nicht gelesen werden konnte. Brailles Punktschrift58, die hier gemeint war, hat sich aber letztlich durchgesetzt, weil sie für den Blinden leichter zu tasten und flüssiger zu lesen war. Wir dürfen sicher davon ausgehen, dass Klein die Braille'sche Punktschrift nicht deshalb an seinem Institut nicht einführte, weil sie die Erfindung eines anderen war. Dem Charakter Kleins hätte das nicht entsprochen. Er war wohl ehrlich überzeugt, mit seiner Methode den Blinden eher zu dienen. In diesem Zusammenhang ist die Prioritätsfrage zu erörtern, hatte doch Klein, nach eigenem Zeugnis, seine Blindenschrift unabhängig von Haüy und seiner Methode entwickelt; mehr noch, er kannte sie überhaupt nicht, zumindest nicht als er seinen ersten Schüler Jakob Braun zu unterrichten begann.59 Sein Zeitgenosse, der Direktor des Pariser Blinden-Instituts, Dufeau, der hier als gewichtiger Zeuge gelten kann, äußert sich: „Herr Klein, ... der, wie er sagt, keinerlei Kenntnis von der Unterrichtsmethode hatte, die in Paris schon mehrere Jahre angewendet wird ..."60 In seinem Lehrbuch, das 1819 herauskam,61 versichert Klein ausdrücklich: „Die Schrift von Herrn Guillié, „Essai sur l'instruction des aveugles",62 ist erst erschienen, nachdem gegenwärtiges Werk schon ganz ausgearbeitet war." Es gibt also keinen Grund, anzunehmen, dass Klein etwa die Pariser Methoden des Blindenunterrichtes übernommen und modifiziert habe. Die Entwicklung seiner Unterrichtsmethoden und einer speziellen Blinden-schrift waren Pioniertaten, denen auch dadurch nichts von ihrer Bedeutung genommen wird, dass zeitgleich oder einige Jahre zuvor in Paris Wege gefunden worden waren, die auf das gleiche Ergebnis hinausliefen.

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Lehrmittel und Lehrplan Klein war ein außerordentlich einfallsreicher Lehrer und musste es angesichts seiner Aufgabe, die er sich selbst gestellt hatte, auch sein. Er erfand Lehrmittel, kleisterte und nähte Bücher und Landkarten, kaufte Modelle der verschiedensten Gegenstände und der wichtigsten Tiere, denn alle Hilfsmittel für den Blindenunterricht mussten erdacht und zumeist auch selbst hergestellt werden. Dabei war Klein bestrebt, sämtliche Blindenlehrmittel denen der Sehenden anzupassen. Er machte im Schreib- und Leseunterricht die Schreib- und Druckschrift der Sehenden tastbar. Lesekasten und Setztafel wurden mit tastbaren Buchstaben ausgestattet. Im Rechnen verwendete Klein Rechenwürfel mit tastbaren arabischen Ziffern. In den Musikfächern wurde teils die Notenschrift der Sehenden in tastbarer Form verwendet, teils wurde eine vereinfachte Darstellung gewählt. All dies war auf seine Eignung und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen und gar manches musste wieder verworfen werden. Auch war die ganze Palette der erforderlichen Hilfsmitteln nicht gleich bei Beginn von Kleins Arbeit zur Verfügung. Sie entwickelten sich stetig im Laufe vieler Jahre praktischen Unterrichts. Die technischen Hürden beim Drucken von Büchern mit erhabenen Buchstaben konnten überwunden und damit ein wichtiger Schritt der Blindenbildung getan werden. Klein versuchte seinem Zögling aber auch das Schreiben mit Bleistift auf Papier63 beizubringen. Eine Schriftprobe Jakob Brauns blieb erhalten. Diese Schreibweise stellte sich als Sackgasse heraus und hat sich nicht durchgesetzt, da der Blinde keine Möglichkeit hatte, das Geschriebene selbst zu lesen und zu korrigieren. Der Musikunterricht im Blindeninstitut wird intensiviert. Ein Musiklehrer, Simon Sechter, der an der Anstalt tätig ist, bemüht sich, mit dem Unterricht, mit eigenen Kompositionen und mit Konzerten den Bekannt-heitsgrad der Anstalt zu verbessern. Ein öffentliches Blindenkonzert er-bringt 2200 Gulden.

Die öffentliche Prüfung und ihre Folgen Klein hatte nach neun Monaten einen Bericht über seine Unterrichts-erfahrungen verfasst und ließ ihn als selbstständige Druckschrift erscheinen.64 Unter Vorlage derselben bat er in einem Majestätsgesuch um die amtliche Prüfung des Jakob Braun auf seine Kenntnisse und Fertigkeiten hin und gleichzeitig um die Bewilligung zur Errichtung einer Bildungsanstalt für blinde Kinder. Die Prüfung fand am 6. August 1805 als öffentliche Prüfung statt. Regierungsrat Domherr Gruber nahm sie vor. Ihn und den ebenfalls anwesenden Regierungsrat von Büchsenstein gewann Klein dabei als gewichtige Freunde und Förderer. Ein Glücksfall war es, dass er in Jakob Braun einen außerordentlich gelehrigen Schüler

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gefunden hatte, ein Glücksfall insofern, als Jakob die öffentliche Prüfung glänzend bestand. Das Prüfungsresultat wird wie folgt zusammengefasst: „Diese vorgenommene Prüfung läßt keinen Zweifel übrig, daß blinden Kindern nach der Unterrichtsmethode des Hofbittstellers (Klein) Kennt-nisse beigebracht werden können, welche sie nicht allein zu glücklichen Menschen umbilden, sondern auch für die Gesellschaft einigermaßen brauchbar und minder lästig machen." Im gleichen Monat noch versteht es Klein, über diese Prüfung einen Bericht in der Wiener Zeitung unterzubringen.65 Außerdem veranlasst ihn das Prüfungsergebnis, einen weiteren Zögling in sein Haus aufzuneh-men.66 Kompetenzstreitigkeiten verzögerten dann aber den Fortgang der Angelegenheit. Der Leiter der Wiener Taubstummenanstalt, der schon genannte Weinberger, schlug erneut die Einbeziehung einer Blinden-erziehungsanstalt in seinen Bereich als Unterabteilung vor. Eine separate Blindenanstalt sei nicht erforderlich. Aber zum Glück war die zuständige Landesstelle anderer Ansicht:67 „... was soll die Zusammenstellung zweyer Gattungen von Unglücklichen nützen, die sich gegenseitig nur zur Last seyn können? ... wie fremd muß der Blinde dem Taubstummen immer bleiben, der nichts von seinen Zeichen versteht . . . Der Unterricht ist so verschieden, daß hierzu schlechterdings eigene Männer und eine eigene Zeit erforderlich wird ... Die Vereinigung der Fonds würde bald die eine, bald die andere Anstalt verkürzen; und somit ein weit größerer Nachtheil der beiden Institute entstehen, als der gemeinschaftliche Heerd und die Ersparung einiger Dienstbothen Vortheil verschaffen kann ". Schließlich wird mit Dekret vom 28. März 180868 angeordnet, dass die Frage der räumlichen Unterbringung der Taubstummenanstalt und der Errichtung eines Blindeninstituts auseinanderzuhalten seien und im Regierungsbericht vom 30. Juni 1808 heißt es: 69

„Die Regierung kennt hier Niemand, der mit so viel praktischer Uibung, Beweise seines unermüdlichen Eifers, und wahrer Theilnahme für Blinde abgelegt hat, als der durch seine Bemühungen auch schon im Ausland rühmlich bekannte Wilhelm Klein." Es zeigt sich in letztgenanntem Regierungsbericht darüber hinaus ein ausgesprochenes Wohlwollen für Klein, indem sogar für den Fall des Aufhörens der Anstalt festgestellt wird, dass Klein die Besoldung zu belassen wäre. Allerdings hätte er dafür irgend einen anderen Dienst zu übernehmen. Jedenfalls haben die von Seiten der Taubstummenanstalt verursachten Querelen und der Versuch der Direktion derselben, sich zusätzliche Mittel

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auf Kosten einer künftigen Blindenschule zu verschaffen, zu Verzögerungen geführt. Zäh sein Ziel verfolgend hat indessen Klein in der „K. auch k. k. privilegierten Zeitung" vom 24. August 1805 einen ausführ-lichen Bericht über die Prüfung Jakob Brauns untergebracht und ließ zur gleichen Zeit ein zweites Majestätsgesuch mit der Bitte um eine amtliche Prüfung abgehen. Am 12. November 1805 marschierten die Franzosen in Wien ein und hielten es zwei Monate lang besetzt. Der Krieg70 war ein entscheidender Grund für die Tatsache, dass der Staat, dessen Stellen in erster Linie mit Kriegsaufgaben befasst waren, für eine Neuerung wie eine Blindenschule, kaum mehr ein Ohr, geschweige denn das nötige Geld hatte. Im Januar 1806 brachte Klein sein Gesuch bei der Hofkommission in Erinnerung. Diese befürwortete sein Ansuchen jedoch nur in der Weise, dass sie ihm Mittel gewährte, seine Versuche fortzusetzen und sie auf mehrere Kinder auszudehnen. Im Jahre 1807 überreicht Klein dann erneut ein Majestätsgesuch und legte ein Verzeichnis von vierzig in Wien lebenden blinden Kindern von 6 bis 15 Jahren bei, um darauf aufmerksam zu machen, wie viele Kinder ohne Unterricht und Erziehung aufwuchsen und häufig noch zum Betteln gezwungen wurden.

Versuch eines Anfangs in München und Prag In die Zeit des zermürbenden Wartens fallen Versuche Johann Wilhelm Kleins, sich anderweitig um die Realisierung seiner Pläne zu bemühen. So wandte er sich an den bayerischen Gesandten von Rechberg,71 berichtete über den gelungenen Versuch mit Jakob Braun, sowie über die amtliche Prüfung dieses Schülers. Er ließ Rechberg wissen, dass er die Gründung eines Blindenerziehungsinstitutes außerhalb Österreichs versuchen wolle, da sich die Verwirklichung seines Vorhabens in Wien so sehr verzögere. Er schloss mit den Worten: „... da eine solche Anstalt nicht nur höchst wohlthätig und wünschenswerth, sondern auch als die erste in Deutsch-land, für den Staat selbst rühmlich seyn würde." Rechberg reichte alles an den König weiter und fügte an, dass es nun darauf ankommen wird, „inwiefern die Bildung einer solchen Anstalt in Ew. Majestät Staaten den finanziellen und lokalen Bedingungen nach stattfinden kann".72 Man bot Klein 400 Gulden an73, und der antwortet am 28. Juli 1808,74 dass er auf 550 Gulden bestehe, da mit dem angebotenen Gehalt weder sein nötiger Unterhalt gedeckt noch die Zukunft gesichert sei. Im Falle seines Todes müsse eine angemessene Pension für Frau und Kinder zugesichert werden. Eine Anstalt mit Dienstwohnung samt dem zur Beheizung nötigen Holz und einer damit verbundenen Ökonomie müsse bereitgestellt und die Vergütung der Reisekosten im voraus ange-wiesen werden. Zu einer Einigung kam es letztlich nicht, und wegen einer Differenz von 150 Gulden jährlich ging der unvergleichliche Klein München

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und damit Bayern verloren.75 Nicht München, Wien wurde deshalb zum Ausgangspunkt des deutschen Blindenerziehungswesens. Graf Franz Deym-Arnau lud im gleichen Jahr Klein nach Prag ein, der auch tatsächlich mit seinem Schüler Braun dorthin reiste und ihn in öffentlicher Prüfung, aber auch in aristokratischen Häusern76 vorstellte und großen Eindruck machte. Johann Wilhelm Klein wollte ausloten, ob womöglich in Prag die Gründung einer Blindenschule möglich sei. Aber die Verhältnisse für die Gründung einer solchen Anstalt waren auch in Prag nicht allzu günstig. Nachdem Klein inzwischen aus Wien wieder etwas bessere Nachricht erhalten hatte, verfolgte er sein Projekt in Prag dann nicht mehr weiter. Auch Graf Radetzky, der spätere Feldmarschall, der in Österreichs Armee und darüber hinaus im ganzen Land hoch verehrt wurde, schaltete sich ein und förderte das Anliegen Kleins. Dies brachte ihm wenigstens eine jährliche Unterstützung von 100 Gulden durch Herzog Albrecht ein.

Die amtliche Prüfung und die Genehmigung einer Privatanstalt Nach schier endlosem Warten kam dann die Erlaubnis zur Abhaltung einer nunmehr amtlichen Prüfung der beiden blinden Schüler Braun und Laufer, die am 24. Mai 1808 vor einer Regierungskommission stattfand und ebenfalls erfolgreich verlief. Dann, nach einer weiteren Wartezeit von einigen Monaten, am 21. Januar 1809, wurde Johann Wilhelm Klein im Hofdekret vom 8. November 1808 mitgeteilt, dass ihm die Genehmigung zur Führung einer Privatanstalt für Blinde erteilt und er mit 100077 Gulden jährlich besoldet werde. Acht Zöglinge wurden ihm zugewiesen, für die er je 300 Gulden Kostgeld erhielt. 600 Gulden bekam er als Vorschuss für verschiedene Anschaffungen. 500 Gulden galten als Beitrag für Quartier, Holz und Licht.78 Alle Not war offenbar zu Ende, und Kleins Zukunft und die seines Lebenswerkes schienen gesichert. Die günstige Aussicht auf die künftige Errichtung einer Staatsanstalt wirkte als zusätzlicher Ansporn für seine nun folgende Tätigkeit. Abbé Werner, ein weiterer Gönner Kleins und ein Förderer seiner guten Sache, Erzieher im fürstlich-liechtensteinschen Hause, hatte eine Subskription veranstaltet, deren Ertrag die Aufnahme dreier weiterer Zöglinge möglich machte. Sie wurden schon im Januar 1809, noch in der ursprünglichen Wohnung, aufgenommen. Ein Mädchen war darunter, im Februar folgte ein zweites. Die Genehmigung einer Privatanstalt durch die Regierung bedingte eine einschneidende Veränderung in Johann Wilhelm Kleins Lebens-umständen. Die Wohnung, in der bisher auch die wenigen Schüler unterg-ebracht waren, war natürlich zu eng geworden. Ein Umzug stand bevor. Klein ging auf die Suche nach einem geeigneten Mietobjekt, lange allerdings vergeblich. Zu guter Letzt fand er am oberen Neustift, am

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anderen Ende der Stadt, in der Kaiserstraße, eine Elfzimmerwohnung mit Nebenräumlichkeiten, Hof und Garten, die für die kleine Anstalt gut geeignet erschien. Der Mietzins betrug 650 Gulden jährlich. Die Über-siedlung, für die drei Fuhren und zwei Träger erforderlich waren, kostete 29 Gulden. So war nun Klein mit seinen Bemühungen erfolgreich gewesen, ehe noch die neuerlichen Kriegsereignisse auf Wien und seine Vorstädte zukamen. Es ist bemerkenswert, dass die Sache Kleins in einer Zeit, als schon alles in Aufregung war, noch soviel Aufmerksamkeit finden konnte. Er hätte sich allerdings in seinem bisherigen Domizil viel sicherer gefühlt als im Außen-bezirk, wo das Institut nun untergebracht war. Napoleons Heer war erneut im Anmarsch, das Hauptquartier befand sich bereits in St. Pölten, während die Spitzen der Armee bereits die Wälle Wiens erreicht hatten. Klein konnte jedoch, der blinden Zöglinge wegen, nicht fliehen wie andere Bürger der Vorstädte. Er brachte seine Wertgegenstände in die Stadt.79 Die Nähe des französischen Hauptquartiers, das dann in Schönbrunn eingerichtet wurde, brachte es mit sich, dass viele Truppen in unmittel-barer Nähe der Anstalt verkehrten. Die französischen Geschütze, die zur Beschießung der Wälle in Stellung gebracht wurden, verursachten ein allgemeines Gefühl großer Angst und Unsicherheit. Als dann bald darauf die Stadt kapitulierte und die Franzosen einrückten, bedeutete dies für die Außenbezirke und für Klein und sein Blindeninstitut eine Entspannung. Klein ließ nun seine „besten Sachen" wieder zurückbringen.80 Nachdem der Schrecken vorüber war, konnte die Arbeit im Anwesen beginnen. Im Haus und im Garten wurde gearbeitet, die Wohnung herge-richtet, Zimmer „geweißt und gemahlen". Und natürlich ging der Unterricht mit Eifer weiter, galt es für Klein doch, der Öffentlichkeit gegenüber den Erfolg seiner Lehrmethode unter Beweis zu stellen. Die empfindliche Kriegskontribution, die Österreich von Napoleon auferlegt worden war, traf auch das noch im Anfang seiner Entwicklung befindliche kleine Blindeninstitut deswegen sehr hart, weil Klein am 1. August 1809 ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von einem Viertel der Jahresmiete, also 163 Gulden aufbringen musste, dem später noch verschiedene Personal- und Kopfsteuern folgen sollten. Nun war das Geld plötzlich wieder knapp im Hause Kleins, denn begreiflicherweise hatte auch die Spendenfreudigkeit der Bevölkerung unter solchen Voraussetzungen stark abgenommen. Aber wenigstens die von der Regierung zugesagten Gelder wurden pünktlich ausbezahlt. Klein war Jurist und natürlich musste er den beamtenrechtlichen Bestimmungen Rechnung tragen und einen pädagogischen Befähigungs-nachweis für „Schulcandidaten und Hauslehrer" erbringen. Im Januar 1810 unterzog er sich dieser Prüfung bei Professor Milde.81 Das Ergebnis lautet auf „primam notam cum eminentia". Damit hatte Klein die gesetzlichen

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Bestimmungen erfüllt. Mag man es als Schikane betrachten, von einem erfolgreichen Pädagogen, der sich zudem auf Neuland bewegte, eine Prüfung zu verlangen, so war die Ablegung derselben dennoch ein großer Vorteil, hätte man ihm doch das Fehlen eines solchen Befähigungsnachweises bei den späteren Kämpfen um den Erhalt und um die Weiterentwicklung der zunächst privaten zu einer staatlichen Anstalt sicher als entscheidenden Mangel angelastet.

Kleins Ringen um seine Ansprüche gegenüber dem fürstlichen Haus Oettingen-Wallerstein Während all den Jahren des Kampfes um die Gründung einer Blindenanstalt und bei der rastlosen Arbeit, die seinem menschen-freundlichen Ziel gewidmet war, haben Johann Wilhelm Klein nie ganz die Sorgen um seinen Lebensunterhalt verlassen. Wovon er diesen Lebensunterhalt in seinen ersten Wiener Jahren bestritt, kann nur vermutet werden. Wir erinnern uns: Er hatte an Lichtmess 1805 vom fürstlichen Haus Oettingen-Wallerstein nach erheblichen Anstrengungen, zahlreichen Mahnschreiben und der Einschaltung eines Rechtsbeistandes, 600 Gulden erhalten. Das sollte die erste Hälfte einer ursprünglich auf 1500 Gulden lautenden, dann auf 1200 Gulden abgezinsten Summe sein, die Klein an Stelle der ursprünglich zugesagten lebenslangen Pension von jährlich 150 Gulden erhalten sollte. An Michaeli 1805 sollte die zweite Hälfte ausbezahlt werden. Aber darauf wartete Klein zunächst vergeblich. Er mahnt die zweite Rate bereits mit Schreiben an den Reichshofratsagenten von Hinsberg vom 5. Oktober 1805 an, unmittelbar nach Fälligkeit. Bei den Harburger Akten liegt auch ein Schreiben des Dr. Jakob Klein, in welchem dieser um die Auszahlung der längst fälligen 600 Gulden bittet und darum ersucht, „die Anweisung des Geldes an mich zu machen, da ich mit meinem Bruder in beträchtlicher Abrechnung stehe".82 Dr. Klein hat also offenbar seinen Bruder in Wien mit erheblichen Geldmitteln unterstützt. Nachdem alle Bitten um eine gütliche Regelung keinen Erfolg hatten, beauftragte Johann Wilhelm Klein einen Rechtsanwalt,83 der mit Schreiben vom 9. Dezember 1808 die Zahlung der Summe von 600 Gulden seinerseits anmahnte, die „vollkommen liquid und längst verfallen" sei und geeignete rechtliche Schritte in Aussicht stellte, falls es nicht zu der von Klein bevorzugten gütlichen Regelung kommen sollte. Aber erst 1812 kommt die Sache wieder in Gang. Klein hatte am 10. Februar 1812 dem fürstlich oettingen-wallersteinschen Rat Leopold Kernmüller in Wien eine Abrechnung übersandt, in der er eine Zins- und Kostenrechnung aufmacht und 195 Gulden Zins für 6 1/2 Jahre und 77 Gulden 15 Kreuzer für den Herrn Commissionsrat Hofmann in Ansbach in Rechnung stellt.84 Obwohl offenkundig ist, dass Kleins Forderung zu Recht besteht und die fürstliche Verwaltung in einem Schreiben vom 4. Juli 1811 die Zinsen ausdrücklich

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als Verbindlichkeit anerkannt hatte, gibt die Fürstin am 26. November 1812 Anweisung, die Zinsen nicht zu bezahlen. Lediglich die Forderung des Ansbacher Anwalts wird übernommen, daran aber die Bedingung geknüpft, dass Klein auf alle weiteren Ansprüche, also insbesondere auf die ihm zustehenden Zinsen verzichten müsse. Klein hat dreizehn Jahre nach seinem Ausscheiden in Harburg und jahrelangem Taktieren der Wallersteiner Verwaltung zugestimmt, offenbar um dieser unguten Sache ein Ende zu machen.

Erneuter Umzug Inzwischen stand Klein, nach nur einem Jahr auf dem Neustift, erneut eine Übersiedlung bevor, nachdem das gemietete Objekt plötzlich verkauft und die Wohnung gekündigt worden war. Die Unsicherheit eines Mietobjektes, die sich überdeutlich gezeigt hatte, führte zum Streben Kleins nach dem Erwerb eines eigenen Anwesens der Blindenschule als einer sicheren Bleibe. Der Staat streckte die erforderlichen Mittel vor, die aus den der Blindenanstalt zufließenden Einnahmen wieder getilgt werden sollten. Klein kaufte dann tatsächlich eine geeignete Immobilie in Gumpendorf, einstöckig zwar und nicht im besten Zustand, aber die Anstalt hatte nun ein eigenes Heim. Am 7. Mai 1810 erfolgte der Umzug. Klein hielt sich dort zwei Ziegen, für die ein Stall und auch ein Heuboden eingerichtet wurden. In diesem bescheidenen Haus ging die rastlose pädagogische Arbeit Kleins weiter, für die es kein Vorbild gab.

Mäzene Im Juni 1811 begann sich die adelige Damengesellschaft der Anstalt Kleins anzunehmen und bereits einen Monat später konnte sie den ersten Zögling auf Kosten des Fürsten Esterhazy vermitteln. Es flossen aus dieser Quelle zahlreiche Einzelspenden, in diesem Jahre über 6000 Gulden. Außerdem machte, ebenfalls 1811, der k. k. Rat und Bibliothekar an der Theresianischen Akademie, Ritter von Sartory85, eine Stiftung von 3000 Gulden für Waisen, Taubstumme und Blinde, wovon Kleins Anstalt 1000 Gulden erhielt. Die Öffentlichkeit nimmt an der Arbeit Johann Wilhelm Kleins Anteil und unterstützt sie ideell und materiell. Ein Ungenannter stiftet 1000 Gulden mit der Maßgabe, dass die Zinsen zum Kapital geschlagen werden sollen und dann davon ein junger Blindenlehrer besoldet werden soll. Klein denkt dabei an seinen ersten Schüler, Jakob Braun, der zwar erst 16 Jahre alt ist, der von ihm aber jetzt schon zum Repetieren und anderen Hilfstätigkeiten im Unterricht verwendet wird. Ihn hält er für geeignet und bemüht sich sehr, ihn auch über die Schule hinaus zu fördern. Ab 1815 wurde die Stiftung Braun zugewiesen, aber die Regierung erhebt Einwände, da der Name Jakob Brauns nicht ausdrücklich in der Stiftungsurkunde genannt ist. Daraufhin setzt der Stifter Brauns Namen ein. Weitere Förderungen von dieser Seite

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waren beabsichtigt, scheitern allerdings daran, dass der Stifter, ein Geschäftsmann, in Konkurs gerät. Eine weitere, ganz erhebliche Dotation erfolgte 1811, nämlich 50000 Gulden durch den Herzog Albrecht Kasimir von Sachsen-Teschen. Als Vermittler war Graf Radetzky aufgetreten. Die Summe sollte zur Institutserweiterung aber auch zur besseren „Subsistenz des Direktors" verwendet werden. Mangels einer eindeutigen Regelung wurde zehn Jahre lang nicht über den Anteil des Institutsdirektors verfügt, bis die Behörde beim Stifter anfragte, der am 26. Mai 1821 antwortete: „... da inzwischen Eure Excellenz meine dermalige Meinung über diesen Gegenstand zu erfahren wünschen, so glaube ich, daß aus dem jährlichen, von obengedachter Summe eingehenden Interesse (Zinsen) zwei Drittheile für das jeweilige Institut selbst und ein Drittheil für den jeweiligen Institutsdirektor verwendet werden könnte, stelle es aber übrigens forthin ganz Euer Excellenz anheim, das Nähere hierüber ganz nach Ihren Ansichten und dem Zweck der Stiftung am entsprechendsten zu ermessen und für die Zukunft fortzusetzen." Von da an erhielt Klein eine Zulage aus der Stiftung, die ihm bis zu seinem Tod gewährt wurde. Für die Nachfolger ist sie dann aber anlässlich der Gehaltsregulierungen entfallen. Mit Hilfe dieser vorgenannten Stiftung plante die Regierung eine Erweiterung der Anstaltsgebäude. Es fand am 16. März 1811 eine Besichtigung statt, und Klein berichtete über die erforderlichen Umbaumaßnahmen. Aber die Preise waren damals außerordentlich gestiegen, sodass sich selbst Klein gezwungen sah, zu diesem Zeitpunkt von einem Umbau abzuraten und lediglich einige kleine nützliche Änderungen vorzunehmen, bis ein geeignetes, günstiger gelegenes Anwesen gefunden sei, denn der Einkauf von Lebensmitteln sei in der exponierten Lage am Linienwall umständlich und zeitraubend und die Dienstboten seien dabei jeweils über Gebühr lange aus dem Hause. In dem daraufhin folgenden Erlass ist erstmals auch von einer Vergütung für Frau Theresia Klein87 für den Unterricht in weiblichen Arbeiten und die Besorgung des Hauswirtschaftswesens die Rede. Die Staatsbuchhaltung für Stiftungssachen spricht sich zwar dafür aus und schlägt eine Gratifikation von jährlich 100 Gulden für die Gattin Kleins vor, der Vorschlag wird aber abgelehnt. Im Jahre 1815 kommt die Sache erneut zur Sprache, und die Hofkanzlei nimmt in einem Bericht an den Kaiser wie folgt Stellung: „... Ebenso kann die Gattin desselben auf eine besondere Besoldung für ihre Mühewaltung keinen Anspruch machen, denn als der Direktor Klein seine Privatunternehmung gründete, mußte er ohnehin auf die Mitwirkung seiner Frau rechnen, es steht ihm frey, die Kostgelder für die von ihm aufgenommenen Privatzöglinge zu bestimmen, daß er hievon den

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Unterhalt derselben bestreiten kann, und für seine und seiner Gattin Bemühungen belohnt wird — von dem Staate kann er nichts weiter fordern, da er durch die freye Wohnung und Besoldung, für das, was er dafür zu leisten hat, ohnehin reichlich belohnt ist." Für Johann Wilhelm Klein war diese Ablehnung sehr bedauerlich. Es waren (1811) mittlerweile 18 Zöglinge geworden, die die Blindenschule besuchten und bei der Familie Klein untergebracht waren. Durch eine Finanzmanipulation des Staates, wonach Einlösungsscheine umgewech-selt werden mussten und dabei 80% ihres Wertes verloren, war breiten Schichten der Bevölkerung durch den Verlust ihrer Ersparnisse schwerer Schaden entstanden. Auch bei der Familie Klein waren die Geldmittel extrem knapp geworden. Die Aufwendungen für das Institut waren da und sie konnten nicht eingespart werden. Es mangelte an Kleidern, Bettzeug und Wäsche. Hier half die adelige Damengesellschaft wieder über die größte Not hinweg. Appelle an die Bevölkerung mussten ungehört verhallen, war diese doch auch von der Teuerung hart betroffen. Ein Förderer der Blindenanstalt, Abbé Werner, beklagt sich sogar bei Klein über dessen Drängen und die Höhe der Geldforderungen. Klein hat in seiner Not offenbar dort massiv gefordert, wo er glaubte, Erfolg haben zu können. Eine zuverlässige Stütze und die Rettung für Kleins Blindenanstalt war die Regelmäßigkeit der Zahlungen aus öffentlichen Fonds. Um die Bevölkerung für seine Arbeit zu interessieren und materielle Unterstützung zu gewinnen, hielt Klein jeweils donnerstags Tage der offenen Tür ab, an welchen er in „Prüfungen" seine Zöglinge vorstellte. Aber die Abgelegenheit der Anstalt in Gumpendorf hielt den Personenkreis ab, der angesprochen werden sollte. Deshalb weicht Klein in einen großen Saal in der Innenstadt aus und findet dort das gewünschte Interesse. Ein Erfolg von Kleins Öffentlichkeitsarbeit ist die Tatsache, dass immer wieder die unterschiedlichsten Personen jeweils auf ihre Weise Spenden für den guten Zweck sammeln und bei Klein abliefern, wobei höhere Beträge von der Behörde dem Blindenfond zugeschlagen werden. Im Apollosaal, einem sehr zugkräftigen Ballsaal, gehen anlässlich einer Wohltätigkeitsveranstaltung 1808 mehrere hundert Gulden für Kleins Anstalt ein. Im Hotel „Zum Römischen Kaiser" wurden 360 Gulden gesammelt. Ein Harfenist, Franz Schwarz, spielt für die Sache der Blinden in Wiener Lokalen und liefert 905 Gulden ab. Sie sollen dem Musikunterricht in der Blindenanstalt zugute kommen. Auch ein Bettelmusikant, Leopold Burger, der seinen Lebensunterhalt durch Harfenspiel in den Wiener Lokalen verdiente, stellte sich in den Dienst der guten Sache und erspielte für das Blindeninstitut einen namhaften Betrag. Man ersieht daraus, dass es Klein gelungen ist, sein Bemühen um die blinden Zöglinge ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und diese zu Spenden zu veranlassen. Zu dieser Zeit des Kampfes um das Überleben

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war das unermüdliche Eintreiben von Spenden wohl notwendig und der einzige Weg, das Blindeninstitut in die Zukunft zu retten.

Anmerkungen 56 Jakob Braun hatte sein Augenlicht durch die Pocken verloren. 57 Dies war die letzte gemeinsame Aktion von Gaheis und Klein. Beider

Verbindung riss ab und Gaheis zeigte sich ab 1804 gänzlich inaktiv, was das Blindenerziehungswesen und die Bemühungen um die Gründung einer Blindenschule betraf.

58 Die Braille'sche Blindenschrift (erfunden von Barbier und verbessert von Braille) benützt einen 6er-Raster auf dem mit erhabenen Punkten durch die unterschiedliche Anordnung die verschiedenen Buchstaben dargestellt werden. Bei Zahlen wird jeweils ein Zahlenzeichen vorangestellt.

59 Johann Wilhelm Klein, Die Anstalt für Blinde in Wien, Wien 1841, Kapitel Lebensumstände des Verfassers, Seite 187: „Aber in der Behandlung seines blinden Zöglings mußte er (Klein) ganz seine eigenen Wege gehen, da ihm von der Methode, welche von Valentin Haüy im Jahre 1784 in Paris errichteten ersten Blinden-Institute, beobachtet wird, nichts bekannt war."

60 „M. Klein ... Qui n'avait aucune connaissance, dit-il, de la méthode d'enseignement appliquée déjà depuis plusieurs années à Paris, ..." (Essai sur l'état ... 1837, Seite 147).

61 Johann Wilhelm Klein, Lehrbuch zum Unterrichte der Blinden, um ihnen ihren Zustand zu erleichtern, sie nützlich zu beschäftigen und sie zu bürgerlicher Brauchbarkeit zu bilden, Wien 1819.

62 Versuch der Unterrichtung von Blinden. 63 J.W. Klein, Beschreibung eines gelungenen Versuchs blinde Kinder

zur bürgerlichen Brauchbarkeit zu bilden, 2. Auflage, Wien 1807, Seite 8 u. 9. Klein erfand hierfür als Hilfsmittel Lederunterlage, Pauspapier und Rost.

64 Johann Wilhelm Klein, Beschreibung eines gelungenen Versuchs blinde Kinder zur bürgerlichen Brauchbarkeit zu bilden, Wien 1805.

65 K. auch k. k. Privilegierte Wiener Zeitung vom 24. August 1805, Nr. 68, Seite 3942.

66 Mathias Laufer aus Winden in Ungarn, am 16. Juni 1806. 67 Mell, Seite 15. 68 Mell, Seite 14. 69 Mell, Seite 14.

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70 Der dritte Koalitionskrieg vom 17. Oktober bis 26. Dezember 1805, zwischen Frankreich, Bayern, Württemberg, Baden und Spanien einerseits und Oesterreich, Russland und Schweden andererseits, Preußen war neutral.

71 Promemoria vom 29. April 1807 über die Kgl. Bayer. Gesandtschaft in Wien, an den König von Bayern, Bayerisches HStA I, Ministerium des Innern 23 9392.

72 Bayerisches HStA I, Ministerium des Innern 23 9391. 73 Ministerium des Innern an die bayerische Gesandtschaft in Wien: „...

Ihr habt dem bemeldten Klein hiervon Kenntniß zu geben und da deßen Hierherkunft nun keiner Schwierigkeit unterliegt, das Weitere zu verfügen." Bayerisches HStA I Ministerium des Innern 23 93921.

74 Bayerisches HStA I, Ministerium des Innern 23 93923. 75 Dr. Joseph Ignaz Bauer, Johann Wilhelm Klein und die historischen

Grundlagen der deutschen Blindenpädagogik, Bamberg 1926, Seite 129.

76 Anton Fürst Lobkowitz, Graf Karl Clam-Martiniz u. a. 77 J. K. Mayr, Wien im Zeitalter Napoleons, Seite 191: Lehrer an

Normalschulen erhielten 500-700, Volksschullehrer sogar nur 120-150 Gulden. Klein war also recht gut dotiert, was er selbst einräumt. (vgl.: Klein, Die Anstalten für Blinde in Wien, Seite 189).

78 Veröffentlicht bei Mell, Seite 17. 79 Die Rechnung hierüber lautet: „Einen Fiaker in der Nacht die besten

Sachen in die Stadt bringen, 10 fl." 80 Der Rücktransport von Kleins Wertgegenständen kostete nun nur

noch 4 fl. 81 Vinzenz Milde, später Erzbischof von Wien, Herausgeber des

„Lehrbuch für Erziehungskunde" . 82 Brief Dr. Kleins, Harburg, an die Wallersteiner Räte, vom 10.

November 1806. FÖWAH. 83 Schreiben des Advocaten Dr. Carl von Sattler, Wien, vom 9.

Dezember 1808 an den fürstlichen Präsidenten. FÖWAH. 84 Klein, Berechnung seiner Forderung an das fürstliche Haus

Oettingen-Wallerstein, vom 13. Februar 1812. Diese Berechnung liegt eigenartigerweise dem Schreiben Kernmüllers vom 10. Februar 1812 bei! FÖWAH.

85 Josef von Sartory, Schriftsteller und Geschichtsforscher, 1749 in Wallerstein geboren, war 1799, also im gleichen Jahr wie Klein, nach Wien gegangen.

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86 Zinsen. 87 Johann Knie, Pädagogische Reise durch Deutschland im Sommer

1835..., Tübingen 1837, Seite 108: „Ihm zur Seite steht der echte Genius stiller Häuslichkeit, eine Gattin von heiterem gewandtem Geiste, wie von tieffühlendem Gemüthe und durchdrungen von liebender Wertschätzung des Biedermannes, den sie beglückt, sowie seines hohen Berufes, der darum auch ganz der ihrige geworden ist."

Literarisches

Warum haben wir alles so schnell satt!? Gedanken zur gegenwärtigen Unzufriedenheit Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, woran es wohl liegt, dass wir alles so schnell satt haben, wir uns über nichts mehr richtig freuen können. Ja nicht einmal über ein Geschenk zu Weihnacht oder zum alljährlichen Wiegenfeste. Liegt es an unserer schnelllebigen Gesellschaft schlechthin? An unserer konsumorientierten Zeit? Oder bloß an unserem kommerzübersättigten Wesen selbst? Doch was ist geschehen? Wann verloren wir die Fähigkeit zur Freude an etwas Neuem? Wohl irgendwo auf dem Weg zwischen gestern und heute. Doch wie war es damals, als wir uns noch über ein paar neue Schuhe freuen konnten oder die Anschaffung eines Radios oder Fernsehapparates einem Staatsereignis gleichkam. Kam in uns über derartiges deshalb so große Freude auf, weil wir ärmer oder gar arm waren? Oder wussten wir damals die Dinge des Lebens oder den aus heutiger Sicht bescheidenen Luxus, der das Leben versüßt(e), besser zu schätzen? Wahrscheinlich, denn nicht nur Menschen der unteren Gesellschafts-schicht oblag die Gabe der Freude, vor allem die Freude an etwas Neuem. Denn Radio und später auch Fernsehgeräte, waren nicht nur für den kleinen Mann auf der Straße etwas völlig Neues. Und gerade das ist es, was in unserer gegenwärtigen Gesellschaft fehlt. Der Hang zum Neuen. Zum völlig Anderen. Einerseits gibt es beinahe wöchentlich etwas Neues, denken wir dabei nur an die Computertechnik, doch andererseits ändert sich diese Technik nicht wirklich. Zwar werden Computer leistungsstärker und komplexer, doch die Technik selbst ändert sich nicht, zumindest nicht merklich. Oder Fernseher aller Art: Ganz gleich, ob man von Plasma TV, LCD oder von klassischen Röhrengeräten spricht. Die Gerätetechnik mag sich ja in den letzten Jahrzehnten geändert haben. Doch die Grundtechnik, die das Bild (PAL COLOR) liefert, blieb in all den Jahren ident.

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Fehlt in unserer Zeit einfach nur der Hang zum Neuen? Ist es das ewig Gleiche, das wir mit jeder Neuanschaffung erwerben und das den Reiz zur Freude schwinden lässt? Der Reiz des völlig Neuen?! Doch was bedeutet das eigentlich? Oder was geht bei diesem Gedanken in uns Menschen vor? Streben wir tatsächlich stets das Fremde, Unbekannte, das Neue an? Kommen wir mit der Gegenwart so wenig zurecht, dass wir es zulassen, dass sich derartiges in unserem Geiste manifestiert? Davon könnte man ausgehen. Denken wir nur an jene Menschen, die nicht nur Stärkeres oder Schnelleres, sondern die Gefahr, den Nervenkitzel, das Risiko schlechthin anstreben. Und für jene Zeitgenossen, das Fremde, Unbekannte, ja selbst die Gefahr, an erster Stelle steht. – Extremsportarten als Ersatz für die stagnierende Technik unserer Zeit? Und versteckt sich auch hier eine Art Gegenwartsflucht? Ist die gegenwärtige Menschheit tatsächlich geistig derart überdreht, dass sie den Sinn für das Wesentliche verlor? Und somit auch der Sinn für Freude abhanden kam? Doch nehmen wir an, die Technik würde sich über Nacht ändern. Quantencomputer, holographische Projektoren und Teleportationssysteme hätten den Markt erobert. Die Werbung würde diese Geräte als technische Revolution anpreisen. Technik am höchsten Stand. Das Ego der Menschheit wäre befriedigt, zumindest für den Moment gestillt. Ein Computersystem, das in Lichtgeschwindigkeit arbeitet. Projektoren, die fähig sind, dreidimensionale Bilder in den freien Raum zu projizieren. Und Teleporter, die uns an jeden beliebigen Punkt der Erde strahlen. Eine neue Technologie. Eine neue Herausforderung. Endlich die alte, ausgediente Technik hinter sich lassen und neue Erfahrungen sammeln. Nun haben wir uns eine Gegenwart erschaffen, in der es wert zu leben ist. Vereinzelt kommt sogar wieder Freude in uns auf. Doch wie lange wird diese Euphorie anhalten. Wie lange wird das Neue tatsächlich neu sein. Und wie lange wird es wohl dauern, bis wir erneut vor der Frage stehen: „Warum haben wir alles so schnell satt?“ In diesem Sinne, Ihr Franz R. Müller Werte Leser! Wenn Sie zu diesem oder einem vorangegangenen Thema Fragen, Meinungen oder Anregungen haben, schreiben Sie mir. Ich werde jeden Brief persönlich beantworten. Franz Rudolf Müller Siedlungsstrasse 8 2551 Enzesfeld

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Freizeit und Unterhaltung

Ein toller Ausflug zum Märchenpark am Neusiedlersee!

Gemeinsam mit Gruppe VIII machen wir, die Gruppe V, einen Ausflug ins sonnige Burgenland. Herr und Frau Bauer begleiten und unterstützen uns. Nachdem wir ermäßigten Eintritt bezahlt haben, können wir bis 18 Uhr die meisten Spielgeräte ohne zusätzliche Bezahlung benützen. Manche Spiel-geräte erfordern viel Mut, umso stolzer sind die Kinder, wenn sie diesen Mut aufbringen.

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Ein kleiner Streichelzoo bietet den Kindern die Möglichkeit Ziegen anzugreifen. Als besonderen Abschluss werden wir von Familie Bauer zu Pommes Frites und Getränken eingeladen. Insgesamt ein Paradies für Kinder.

Daniela Mayer

„Kat & the kings“ Dino, who is a very nice boy of my group is fond of going to the cinema and likes listening to music. So I thought it would be very nice to visit the new musical at Vienna´s English Theatre. Dino is good at English and that is why he certainly would not have problems to understand the actors. About the play: It is a musical which plays in Capetown during the 1950´s. The Apartheid was one of the big problems at that time, but there were five young coloured musicians called the Cavalla Kings who lived their dream for a short moment of time. The Cavalla Kings were a harmony group and their music was about being young, alive, bursting with energy and wanting to taste all the world has to offer. Dino and myself were really astonished by the incredible voices of the actors but also shocked by the fact how coloured people were treated in that time.

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We spent a very nice evening and for me it was a pleasure to see how a young boy like Dino was fascinated by the play and of course that he understood well. Dieser Beitrag kommt von der Gruppe N2, mit mir (Bettina Fidler) als Sozialpädagogin in dieser Gruppe.

Das Erlebnis in Kroatien Am Samstag, dem 11. 9. 2004, fuhren wir mit dem Taxi zum Westbahnhof. Als wir dort ankamen, warteten wir bis die anderen kamen. In der Zwischenzeit setzten wir uns auf unsere Rucksäcke. Als alle da waren, fuhren wir mit einem Bus zum Flughafen. Dort war auch schon Jacqueline. Danach gingen wir einchecken. Als wir alle dann im Flugzeug saßen, hoben wir auch schon ab. Nach ein paar Stunden waren wir auch schon in Split gelandet. Danach holten wir unser Gepäck ab. Dann fuhren wir mit einem Bus zum Hafen. Später wurde eingeteilt wer auf welches Boot darf. Auf jedem Boot waren acht Personen. Zwei Skipper, zwei Erzieher und je 4 Schüler. Es gab zwei Boote. Das eine hieß Emma und das von uns hieß Alka. Es gab auch einen Koskipper. Die Länge der Alka war 15 Meter und die Emma war nur um zwei Meter länger. Wir durften auch kurbeln und auch ans Steuer. Wir haben Quallen, Seesterne, Seeigel und andere Tiere angegriffen. Wir haben auch selber auf dem Boot gekocht. Wir segelten am Tag bis zu 4 Stunden, danach durften wir schwimmen gehen. Wir paddelten mit einem Schlauchboot.

Emine Cam

Segelturn Um 3:30 Uhr in der Früh standen wir auf und tranken was Warmes, dann gingen wir zum Portier und fuhren mit dem Taxi zum Westbahnhof. Dort angekommen, warteten wir eine Stunde auf die anderen. Als sie ankamen, war sofort eine gute Stimmung. Dann fuhren wir mit einem Bus zum Flughafen, dort herrschte eine irre Aufregung. Nach ungefähr zwei Stunden war es endlich soweit, das Flugzeug ging in die Höhe. Nach ungefähr einer Stunde landeten wir in Split, also in Kroatien. Dann fuhren wir mit einem Bus zu einem Hafen. Dort angekommen, begaben wir uns sofort in ein Gasthaus und aßen eine Kleinigkeit.

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Am nächsten Tag ging es endlich los und wir segelten mit zwei Schiffen, das eine kleinere Schiff war die Alka, das andere die Emma und die Emma war um zwei Meter länger als die Alka. Ich muss sagen, ich war wirklich sehr aufgeregt, aber wir mussten die Schwimmwesten anziehen, aber das war nur für kurze Dauer, denn der Skipper wollte wissen, wie wir uns auf dem Boot bewegen. Die anderen Betreuer sowie auch Skipper und Koskipper waren voll in Ordnung, zum Beispiel der Ronny, mit dem habe ich mich sehr gut verstanden, denn mit ihm konnte man die besten und coolsten Dinge bereden und er hat mir auch immer geholfen. Der Herbert, das war auch ein klasse Typ, und das war unser Koskipper und Polizist.

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Auf jeden Fall konnte man mit ihm die besten Witze machen und er ist ein Kumpel. Der Wolfi und der Alex waren die Skipper. Die anderen und ich waren ziemlich oft schwimmen. Leider gab es nicht nur schöne Dinge zu berichten. Es gab auch Probleme, wie zum Beispiel beim Essen. Die Betreuer und die anderen wussten nicht, wie viel Geld sie für das Essen ausgeben sollten und darum aßen wir ziemlich viel und es kam auch eine ziemlich hohe Summe heraus, aber ich denke, es war nicht die Schuld der Betreuer, sondern gewissermaßen vom Roland, denn er hätte sagen sollen, wie viel Geld wir ausgeben dürfen. Ich persönlich würde wieder mitfahren. Sonst war die Woche in bester Ordnung und es gab zwar manche Probleme, aber wo gibt es das nicht. Ich persönlich habe mich mit dem Roland gut verstanden und wir hatten auch sehr viel Spaß.

Tomi Marinkovic

Einladungen

Einladung zur Ausstellung der Fachgruppe Hilfsmittel 2004 Thema: Internet und Bildung Ort: Bundes-Blindeninstitut, 1020 Wien, Wittelsbachstraße 5

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Datum und Uhrzeit: Freitag, 19. 11. 2004 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr: Referate zum Thema 12:00 Uhr bis 20:00 Uhr: Hilfsmittelausstellung Die Fachgruppe Hilfsmittel des Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes befasst sich seit mehr als 20 Jahren mit neuen Technologien und den Möglichkeiten, die sich dadurch für den Personen-kreis blinder und sehbehinderter Menschen eröffnen. Ein fester Bestandteil unserer Arbeit ist die Weitergabe von Informationen über Hilfsmittel. Unser wichtigstes Medium ist das sechsmal jährlich erscheinende Hörmagazin "Information, Motivation". Das heurige Jubeljahr des BBI (200 Jahre Blindenbildung im deutschsprachigen Raum) hat uns inspiriert, die Zusammenhänge zwischen Bildung und den neuen Medien, vor allem dem Internet, näher zu beleuchten. In den Referaten am Vormittag werden einerseits moderne Bildungseinrichtungen vorgestellt (zu aller erst das BBI, weiters das Berufsbildungs- und Forschungszentrum BBFZ, http://www.bbfz.at), andererseits werden komplexe Katalogrecherchen demonstriert, zu deren Durchführung das Internet unerlässlich ist. Der Nachmittag gehört ganz den verschiedensten Hilfsmitteln, von Alltagshilfen über Spiele bis zu komplexen Computersystemen. Wenn Sie die Vormittagsveranstaltung besuchen möchten, bitten wir Sie um Anmeldung per E-Mail oder Telefon. Ihre Ansprechpartnerin ist Mag. Beate Hattinger (Fachgruppenleiterin) E-Mail: [email protected] Telefon: 01 967 50 10, Mobil: 06991 967 50 10 Auf Ihren zahlreichen Besuch freut sich das Team der Fachgruppe Hilfsmittel. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.oebsv.at/fachgruppen/hilfsmittel_index.html

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Vorankündigung!

So wie im letzten Jahr wird es auch heuer wieder anlässlich des Elternsprechtages am 3. Dezember die Möglichkeit geben, Jugend- und Kinderbücher zu erwerben. Nach der

positiven Resonanz auf die Aktion im Vorjahr konnten wir auch heuer wieder die Buchhandlung Book-Point 3 zu unserer Unterstützung gewinnen.

Beatrix Rupp

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Impressum Dieses Informationsblatt wird vom Bundes-Blindenerziehungsinstitut herausgegeben. Im Sinne des Mediengesetzes für die Herausgabe verantwortlich ist die Direktorin, Prof. Susanne Alteneder. Für den Inhalt verantwortlich ist jeder einzelne Verfasser. Die geäußerten Meinungen müssen sich nicht mit dem Standpunkt der Redaktion decken. Verantwortlicher Redakteur ist Prof. Erich Schmid. Alle in 1020 Wien, Wittelsbachstraße 5