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Abb. 1: Die „Birnenform“ von Babesia canis in einem Erythrozyten.

Tab. 1: Eine Auswahl verschiedener Babesien-Arten in Europa

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und (Säugetier-)Wirt sowie deren regionales Vorkommen –soweit überhaupt bekannt – dargestellt.

Im Weiteren werden nur diejenigen Babesien behandelt,die in Europa bei Hunden vorkommen, dies sind die beidenderzeit bekannten Erreger beim Hund: Babesia canis und Ba-besia vogeli.

Die Überträger der caninen Babesiose

In Europa wird die Babesiose von den beiden ZeckenartenDermacentor reticulatus (Kuh-, Au- oder Auwaldzecke) undRhi picephalus sanguineus (Braune Hundezecke) beim Blutsau -gen auf den Hund übertragen.

Die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus, Abb. 2, 3) gilt alsÜberträger des Erregers Babesia canis, die braune Hundez-ecke (Rhipicephalus) überträgt den Erreger Babesia vogelibeim Blutsaugen auf den Hund. Je nach Verbreitung dieserZeckenarten ist entweder der Erreger B. canis oder B. vogeli dieUrsache der Babesiose.

Eine trans-(dia-)plazentare Übertragung von Babesien voneiner Hündin auf ihre Welpen ist möglich, aber selten. EineÜbertragung von Hund zu Hund kann durch eine Bluttrans-fusion erfolgten, wenn das Spendertier „positiv“ ist.

Katzen infizieren sich in Europa nicht mit Babesien, auchgeht von Babesia canis oder Babesia vogeli keine Gefahr fürden Menschen aus. Durch Spielen oder Körperkontakt sowieSpeichel kann Babesiose nicht auf andere Hunde übertragenwerden.

Symptome

Nach einer sehr kurzen Inkubationszeit von fünf bis 28 Tagenpost infektiösem Zeckenstich setzt hohes Fieber (bis 42 °C)ein. Infolge intravasaler Hämolyse kann rotbraun gefärbterUrin auffallen. In diesem akuten Stadium sind Bilirubin undLDH erhöht, eine regenerative Anämie und Hämoglobinurieist zu beobachten. Auch Bewegungsstörungen oder Lahm-heiten sind möglich. In dieser Phase führt die Babesio se häu-fig zum Tod des Tieres.

Sind die ersten starken Fieberschübe überstanden, könnenFieber, Anorexie, Ikterus, Hepato- und Splenomegalie sowieHämoglobinurie und Bilirubinurie auftreten, bzw. bestehenbleiben. In diesem chronischen Stadium können auch ent-zündliche Veränderungen der Augen sowie Netzhautablösun-

Babesiose/Piroplasmose – ein UpdateTorsten J. Naucke

Es war der rumänische Pathologe Victor Babes (1854–1926), zu dessen Ehredie Babesiose ihren Namensursprung hat, denn dieser beschrieb 1888 als Ers-ter „birnenförmige Erreger“ in roten Blutkörperchen von Rindern (vgl. auchAbb. 1). 1893 veröffentlichten die beiden Amerikaner Smith und Killborn dieEntdeckung des Erregers Babesia bigemina am Beispiel des Texasfiebers, ei-ner Seuche beim Rind. 1895 fanden dann Piana und Galli-Valero einen demTexasfieber der Rinder sehr ähnlichen Erreger in den roten Blutkörperchenvon Hunden und vergaben den Namen Babesia canis. Die erste Erwähnungdieses Erregers in Deutschland verlautet Stahn 1910 in den „Mitteilungen derArmee“. Dort heißt es: „In verschiedenen roten Blutkörperchen (von Armee-hunden) traten klar Piroplasmen (die ältere Bezeichnung für Babesien) zu-tage. Diese stellten sich als annähernd runde Gebilde dar und lagen meist zuzweien oder zu vieren in einem roten Blutkörperchen“.

Allgemein sind Babesien Sporozoen, also Protozoen, die inden Erythrozyten von Wirbeltieren parasitieren. Die Entwick-lung und Vermehrung der Babesien führt zur Zerstörung derErythrozyten. Die Erkrankung durch Babesien ist als Babesiosebekannt, weiterhin gebräuchlich, so beispielsweise in Frank-reich ist der Name „Piroplasmose“.

Die Erreger der Babesiose in Europa

Betrachtet man Babesien weltweit, so gibt es viele verschie -dene Babesien-Arten. In der Tab. 1 ist eine Zusammenstellungin Europa vorkommender Babesien-Arten, deren Überträger

Erreger Überträger (Zecken)

(Reser-voir-)Wirt

Vorkommen

Babesia canis Dermacentor reticulatus

Hund Nordafrika, gesamter mediterranerRaum, Polen, Ungarn, fokal in den Niederlanden, Deutschland

Babesia vogeli Rhipicephalus sangiuneus

Hund Nordafrika, gesamter mediterranerRaum, Portugal, Südfrankreich

Babesia gibsoni Rhipicephalus sangiuneus

Hund Spanien (?), Portugal (?)

Babesia motasi Ixodes ricinus (?),Rhipicephalusbursa, Haemaphy-salis punctata

Schaf In Südeuropa von Portugal bis zum Kaukasus, Deutschland, Niederlande,Schweden

Babesia ovis Rhipicephalus bursa Schaf Südeuropa bis zum Balkan, Frankreich

Babesia caballi Dermacentor reticu-latus, Dermacentormarginatus

Pferd Südeuropa bis in die Normandie (Frank-reich) sowie bis in den mittelrussischenWaldrücken nördlich von Moskau

Babesia divergens

Ixodes ricinus, Ixodes persulcatus

Rind Mediterraner Raum bis Finnland

Babesia major Haemaphysalispunctata

Rind Zentraleuropa, in Deutschland nur aufNordsee-Inseln

Babesia bigemina Rhipicephalus bursa Rind Balkan, Küstennähe im mediterranenRaum, Portugal

Babesia microti Ixodes ricinus Nager Europa

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gen auftreten. Die intravasale Hämolyse tritt in den Hinter-grund zugunsten einer extravasalen Hämolyse in Milz und Leber. Eine regenerative Anämie bleibt meist bestehen,gleichzeitig entsteht eine Leukopenie. Im weiteren Verlaufkann das Zentralnervensystem geschädigt werden mit konse -kutiv auftretenden Bewegungsstörungen und epileptiformenAnfällen. Es ist auch bekannt, dass es im Verlauf einer Babe-siose zur Bildung von Antikörpern gegen Erythrozytenund/oder Thrombozyten (immunhämolytische Anämie) kom-men kann. Die Ausprägung der Symptome hängt von der Virulenz des Parasiten (B. canis ist virulenter als B. vogeli) undvom Immun status des Hundes ab.

Überstehen Hunde die akute Phase unbehandelt, kann die„chronische Babesiose“ auch völlig symptomlos bleiben bei ei-nem wieder normalen Blutbild. Viele Importhunde aus demSüden befinden sich in dieser Phase. Diese Hunde stellen einErregerreservoir für Zecken dar, die dann beim nächsten Stichden Erreger auf andere Hunde übertragen kann.

Diagnose

In den Laboratorien kommt ein indirektes Nachweisverfah-ren IFAT (indirect fluorescent antibody test) für Babesia caniszum Einsatz (Abb. 4). Dieser IFAT liefert als Ergebnis den soge-nannten „Antikörpertiter“. Der Antikörpertiter sagt aus, wiehoch die Menge von Antikörpern gegen Babesia canis/B. vogeli im Blutserum des Hundes ist. Dieses Testverfahren detektiert Antikörper gegen beide Erreger, Babesia canis undBabesia vogeli. Bei einem frühen Infektionsgeschehen (akutePhase) kann es jedoch sein, dass der Hund noch keine nach-

Abb. 2: Dermacentor reticulatus – ein Männchen.

Abb. 3: Dermacentor reticulatus – ein Weibchen.

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weisbaren Antikörper gegen Babesien produziert und ein„falsch negatives“ Ergebnis geliefert wird. Daher sollte beimVerdacht einer akuten Infektion eine PCR (polymerase chainreaction) durchgeführt werden und/oder in nach Giemsa ge-färbten Blutausstrichen direkt mikroskopisch nach intraery-throzytären Babesien gesucht werden.

Die Babesiose-Situation in Deutschland

Seit kaum mehr als 15 Jahren ist die Babesiose auch beimHund in Deutschland bekannt. Das erste Endemiegebiet, alsoRegionen, in denen mit Babesien infizierte Auwaldzecken vor-kommen, war der Raum Kehl/Offenburg/Lahr/Emmen din gen/Freiburg im Breisgau. Bald folgten die Stadtgebiete von Mün-chen und Regensburg. Vor etwa fünf Jahren folgte der Bereichum Siegen und Münster (mit bislang wenigen Fällen). Proble-matischer ist die Babesiose-Situation im Saarland, besondersin der Region zwischen Saarbrücken und Saarlouis. Dort wer-den jedes Jahr etwa 300 Fälle bekannt, einige dieser Hundehaben sich jedoch in Frankreich infiziert. Ein weiterer aktiverBabesiose-Focus ist der Oberrheingraben in Baden-Württem-berg zwischen Lörrach und Baden-Baden. Hier „wandert“ dieBabesiose aus dem Elsass nach Deutschland ein. In dieserRegion werden pro Jahr ca. 50 Babesiose-Fälle bei Hunden be-kannt, viele hiervon sind jedoch bei Spaziergängen im fran-zösischen Elsass entstanden. Die Region Berlin-Brandenburggelangte Anfang 2005 in die Schlagzeilen. Dort kam es bei 3Hunden, die ihren heimatlichen Lebensraum nachweislichnicht verlassen hatten, zu einer Infektion mit Babesien. ImFrühjahr gab es im Raum Filderstadt eine „Klein-Epidemie“ mit5 infizierten Hunden. Im Herbst 2005 folgte der Leverkusen-Köln-Koblenzer Raum mit insgesamt sieben lokalen Babe-siose-Fällen. Somit entstehen in Deutschland derzeit etwa 300bis 400 autochthone Babesiose-Fälle pro Jahr und diese fastalle im Saarland und am Oberrhein. Kaum mehr als 10 autoch-thone Babesiose-Fälle entstehen in Oberbayern und im übri-gen Deutschland.

Die Verbreitung von Dermacentor reticulatusin Deutschland

Klar ist derzeit, dass die Babesien-übertragende Auwaldze-cke in Deutschland weit verbreitet ist. Wo die eigentlichenVerbreitungsgrenzen der Auwaldzecke in Deutschland lie-gen, wird derzeit wissenschaftlich abgeklärt. Seit Mitte 2004ist die gesamte Bevölkerung Deutschlands aufgerufen, Der-macentor-Zecken an den Verein „Parasitus Ex e. V.“ zu senden.Hierzu finden Aufrufe in verschiedenen Medien statt. Bis heutewurden 21 Fernsehbeiträge gesendet (ZDF: Abenteuer Wis-sen war auch darunter), gut 10 Millionen Menschen Deutsch-lands wurden erreicht. Das Projekt, unter Betreuung der Uni-versitäten Bonn und Düsseldorf, läuft über 5 Jahre bis Mitte2009. Die Verbreitungskarte (Abb. 5) stellt somit ein Zwischen -ergebnis dar.

Bis Dezember 2007 wurden 3.113 Dermacentor reticulatus-Zecken eingeschickt. Selbst im Winter wurden Auwald-Zeckenvon Hunden abgesammelt. Wie zum Beispiel in Bremen stam-men viele davon aus Regionen, in denen das Vorkommen die-ser Zeckenart bisher nicht bekannt war. Erstaunlich ist, dassDermacentor reticulatus massig in dem Bundesländern Berlin,Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt vorkommt, unddie Lage in den seit 15 Jahren bekannten Endemiegebieten(Raum Kehl/Offenburg/Lahr/Emmendingen/Freiburg im Breis-gau/München/Regensburg) weitgehend entspannt ist. Wel-che bioklimatischen Bedingungen D. reticulatus im GroßraumBrandenburg begünstigen, ist derzeit im Rahmen einer Dis-sertation in Klärung.

Gut 2500 dieser eingesendeten Zecken konnten bis heutevia PCR auf das Vorhandensein von Babesia sp. untersuchtwerden, 12 waren positiv (0,48 %). Diese 12 Isolate wurden am

Abb. 4: Ein „positiver“ Babesien IFAT.

Abb. 5: Die Verbreitung von Dermacentor reticulatus in Deutschland.

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Landesgesundheitsamt in Stuttgart sequenziert. Es wurde 3-mal der Erreger Babesia microti (0,12 %), 2-mal B. vogeli(0,08 %) und 7-mal B. canis (0,28 %) gefunden. Ob und welcheRolle D. reticulatus bei der Übertragung von B. vogeli und B. mi-croti spielt (vgl. Tab. 1) ist derzeit nicht bekannt, und sollebenfalls im Rahmen einer laufenden Dissertation geklärtwerden. Ein besonderes Interesse liegt hier bei dem ErregerBabesia microti, denn dieser ist humanpathogen, mit Nagetie-ren als Reservoir.

Impfung, Therapie und Prophylaxe

Impfung: Im europäischen Ausland sind die ImpfpräparateNobivac Piro® von Intervet und Pirodog® von Merial verfüg-bar. Es besitzt aber nur der Impfstoff Nobivac Piro® von Inter-vet eine EU-Zulassung, die somit auch für Deutschland gilt. In Deutschland wird Nobivac Piro® jedoch nicht vertrieben.Nobivac Piro® darf aus der EU (derzeit Frankreich) nachDeutschland importiert und auch eingesetzt werden. Für dieEinfuhr von Nobivac Piro® aus der Schweiz (kein EU Land) musseine tierseuchenrechtliche Einfuhrgenehmigung beantragtwerden.

Therapie: Die Babesiose (B. canis und B. vogeli) wird mit demWirkstoff „Imidocarb Dipropionat“ therapiert. Dieser Wirk-stoff befindet sich in den Präparaten Imizol® (nicht zur Anwen-dung beim Hund zugelassen) und Carbesia® (keine Zulassungfür Deutschland) von Schering-Plough. Die Anwendung derPräparate erfolgt nach den Angaben des Herstellers. Das Blut-bild sollte unter dieser Therapie in den ersten Wochen über-wacht werden, damit sich nicht unerkannt eine immunhämo-lytische Anämie entwickeln kann. Durch ihren langsamenFortschritt ist diese möglicherweise äußerlich nicht rechtzei-tig zu erkennen. Zu ihrer Behandlung werden immununter-drückende Mittel eingesetzt, zumeist solche die Prednisolonenthalten. Die Kontrolle der Leberwerte im selben Zeitraumund die Unterstützung der Leberfunktionen mit geeignetenMitteln ist ebenfalls empfehlenswert.

Prophylaxe: Carbesia® kann auch als sog. Chemoprophy-laxe eingesetzt werden, wobei der Wirkstoff in etwa doppel-ter Menge als zur Therapie injiziert wird. Dabei entsteht einSchutz gegen Babesien über ca. 4 Wochen. Das einzige Ab-wehrmittel gegen D. reticulatus, welches in Deutschland eineZulassung besitzt, ist das verschreibungspflichtige Spot-On-Präparat Advantix®.

Literatur beim Verfasser:Dr. Torsten J. NauckeLABOKLIN GmbH & Co. KGSteubenstraße 497688 Bad Kissingen