Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel...

38
Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität Wien unter der Anleitung von Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Reinhard WILLINGER durch Johannes Hornbachner Mat.Nr.: 0625400 Blumenscheinweg 8 A-4400 Steyr Steyr, am 12. September 2009

Transcript of Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel...

Page 1: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

Bachelorarbeit

Festigkeitsberechnung einerDampfturbinenlaufschaufel

Ausgeführt am Institut für

Thermodynamik und Energiewandlung

der Technischen Universität Wien

unter der Anleitung vonAo.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Reinhard WILLINGER

durch

Johannes Hornbachner

Mat.Nr.: 0625400

Blumenscheinweg 8A-4400 Steyr

Steyr, am 12. September 2009

Page 2: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

Inhaltsverzeichnis

Formelverzeichnis ii

1 Einleitung 1

1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Das Schaufelgitter 2

2.1 Entwurf der Schaufelform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Vereinfachte Schaufelgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

3 Methoden zur Bestimmung der Profil-Flächenträgheitsmomente 3

3.1 Analytische Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.1.2 Anwendung auf das vereinfachte Schaufelprofil . . . . . . . . . . . . . . 4

3.2 Grafisches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83.2.1 Grafisches Transformieren von Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83.2.2 Mohr’scher Trägheitskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103.2.3 Anwendung auf ein symmetrisches Schaufelprofil . . . . . . . . . . . . . 10

3.3 Numerische Berechnung mit CAD-Programmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.3.1 Computerunterstützte Berechnung eines asymmetrischen Schaufelprofils 13

3.4 Empfehlungen diverser Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.4.1 Abschätzung der maximalen Biegespannung nach Costard . . . . . . . . 143.4.2 Abschätzung der maximalen Biegespannung nach Saravanamuttoo . . . 163.4.3 Diagramme von Beglinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4 Belastung und Beanspruchung 18

4.1 Bestimmung auftretender Biegemomente und Massenkräfte . . . . . . . . . . . 184.1.1 Fliehkraftbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184.1.2 Biegebeanspruchung durch Strömungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4.2 Auftretende Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214.3 Dimensionierung der Laufschaufel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

5 Festigkeit der Hochtemperaturwerkstoffe 27

5.1 Ermüdung bei hohen Temperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275.1.1 Zulässige Spannungen für den Chromstahl X 22 CrMoV 12-1 . . . . . . 29

6 Zusammenfassung 32

Literaturverzeichnis iv

i

Page 3: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

Formelverzeichnis

Lateinische Formelzeichen

Symbol Beschreibung Einheit

A Querschnittsfläche m2

a Strahlbreite mau spezifische Umfangsarbeit J/kgb Breite mc Absolutgeschwindigkeit m/scax Absolutgeschwindigkeit in Axialrichtung m/sd Schaufeldicke, Durchmesser mF Kraft Nh spezifische Enthalpie J/kg∆h spezifische Enthalpiedifferenz J/kg∆hs,2C spezifische isentrope Enthalpiedifferenz J/kgI Flächenmoment 2. Ordnung m4

kδ Faktor für Hinterkantendickel Schaufellänge mm Massenstrom kg/sM Moment Nmn Drehzahl U/minp Druck barpFD Frischdampfdruck barR Belastungsfallr Radius mRm Zugfestigkeit N/m2

Rm t/ϑZeitstandfestigkeit N/m2

Rp1/t/ϑ1%-Zeitdehngrenze N/m2

S Flächenmoment 1. Ordnung m3

s Sehnenlänge mT Periodendauer st Teilung mtFD Frischdampftemperatur ◦Ctm Belastungszeit bis zum Bruch hTS Schmelzpunkt ◦Cu Umfangsgeschwindigkeit m/sW Widerstandsmoment m3

w Relativgeschwindigkeit m/sz Schaufelzahl

ii

Page 4: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

Griechische Formelzeichen

Symbol Beschreibung Einheit

α Strömungswinkel der Absolutgeschwindigkeit ◦

β Strömungswinkel der Relativgeschwindigkeit ◦

δ Hinterkantendicke mǫ Beaufschlagungsgradη Gitterwirkungsgradηu Umfangswirkungsgradγ Drehwinkel ◦

ω Winkelgeschwindigkeit rad/sφ Winkel zw. Momentenv. und Trägheitshaupta. ◦

ρ Dichte des Schaufelmaterials kg/m3

ρD Dichte des Dampfes kg/m3

σ Spannung N/m22σa Spannungsamplitude N/m2

σb Biegepannung N/m2

σm Mittelspannung N/m2

σz Fliehkraftspannung N/m2

τ Verhältnis Teilung zu Sehnenlängeϑ Temperatur ◦C

Hochgestellte Zeichen

Symbol Beschreibung

ˆ maßstäbliche GrößeI DüseII erste LaufreiheIII UmlenkgitterIV zweite Laufreihe

dimensionslose Größe+ Komplementärgröße′ kennzeichnet charakt. Fläche 1. Ordnung′′ kennzeichnet charakt. Fläche 2. Ordnung

Indizes

Symbol Beschreibung

1 Düsenaustritt/Eintritt erstes Laufrad2 Austritt erstes Laufrad/Eintritt Umlenkgitter3 Austritt Umlenkgitter/Eintritt zweites Laufrad4 Austritt zweites Laufrada Axial-Komponentem arithmetisches Mittelr Radial-Komponentet Tangential-Komponenteu Umfangs-Komponente

iii

Page 5: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

1

1 Einleitung

Die Auslegung einer Turbine erlaubt dem/der IngenieurIn viele Gestaltungsfreiheiten. Grund-sätzlich gibt es mit den Gleich- und Überdruckturbinen zwei Arbeitsverfahren, welche sich zwarkonstruktiv gravierend unterscheiden, bei gleicher Leistung und gleichen Frischdampfzuständenaber kaum nachzuweisende Unterschiede bei Herstellkosten und Wirkungsgrade aufweisen ([3],S.48). Darüber hinaus stellen Reaktionsgrad, Schaufelgeometrien und vor allem auch Werkstof-fe weitere Freiheitsgrade dar, die den/die TurbinenbauerIn zwingen, auf Erfahrungswerte zu-rückzugreifen. Letztendlich ist es seine/ihre Aufgabe, die Turbine entsprechend auszulegen, umden Anforderungen in zufriedenstellender Weise gerecht zu werden. Egal welche Bauart gewähltwird, die Betriebssicherheit muss während der geforderten Lebensdauer stets gewährleistet sein.Dazu gehört vor allem auch der Festigkeitsnachweis der hochbeanspruchten Laufschaufeln, wel-cher Thema dieser Arbeit ist.

Die genaue Kenntnis über auftretende Spannungen in den Schaufelkränzen ist vor allemdeshalb erforderlich, da es durch die hohen Dampftemperaturen in der Turbine zum Kriechender Werkstoffe kommt. Diese thermisch aktivierte Gefügeänderung führt nicht nur zu einerstarken Abnahme der Bauteilfestigkeit, sondern auch zu einer stetigen Dehnung der Schaufelnaufgrund der ständig herrschenden Fliehkraftbeanspruchung. Es ist daher unbedingt notwendig,die Beanspruchungen der Laufschaufel zu kennen, um sie mit den zulässigen Festigkeitswerten zuvergleichen und eine unzulässige Dehnung und damit folgenschweres Anstreifen von Schaufelnan Gehäuseteilen zu verhindern.

1.1 Aufgabenstellung

Im Rahmen der Konstruktionsübung zur Vorlesung „Thermische Turbomaschinen“ unter derLeitung von Prof. Reinhard Willinger müssen StudentInnen selbst eine Kleindampfturbine ent-werfen. Diese soll als zweikränzige Curtis-Turbine konzipiert werden, für deren strömungstech-nische Auslegung ein Berechnungsskript existiert. Was in diesem Skript bislang aber gänzlichfehlt, ist die Festigkeitsberechnung beanspruchter Komponenten, wobei an den Laufschaufelndie größten Spannungen zu erwarten sind.

Aufgabe dieser Arbeit ist es, den Festigkeitsnachweis am Curtis-Rad zu führen und Diagram-me, Formeln und Werkstoffspezifikationen aufzubereiten, die eine rasche und effiziente Dimen-sionierung der Laufschaufeln zulassen. Besonderes Augenmerk soll dabei den Flächenträgheits-und Widerstandsmomenten gewidmet werden, deren Bestimmung bei komplexen Profilen miterheblichem Rechenaufwand verbunden ist. Zu diesem Zweck sollen mehrere Methoden vorge-stellt und deren Eignung für unterschiedliche Profilformen analysiert werden.

1.2 Zielsetzung

Ziel der Arbeit ist die Dimensionierung einer Dampfturbinenlaufschaufel unter Berücksichtigungder statischen Beanspruchungen und der zulässigen Festigkeit mit der Absicht, die gewonnenenErgebnisse in das Berechnungsskript der Konstruktionsübung aufzunehmen.

Page 6: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

2

2 Das Schaufelgitter

Durch die Entwicklung neuer Berechnungsmethoden, Versuchsapparate und Fertigungsverfah-ren hat sich die Form des Schaufelgitters historisch immer weiter entwickelt. Während manzu Beginn des Turbinenbaues noch einfache Bleche gleicher Wandstärke zu Schaufeln verbog,kann man heute problemlos Konturen jeder Form realisieren. Dennoch sind die Möglichkeitennoch immer nicht ausgeschöpft, denn alleine durch die Optimierung der Schaufelgeometrie unddie Verringerung der Sekundär- und Spaltverluste ist in Zukunft eine Steigerung des innerenTurbinenwirkungsgrades auf 95% möglich ([9], S.54 und 63).

2.1 Entwurf der Schaufelform

Ein- und Austrittswinkel der Schaufel werden durch den Geschwindigkeitsplan vorgegeben, diegeometrische Form des Gitters hingegen muss den Strömungsverhältnissen entsprechend ge-staltet werden. In [11] (S.231 ff) sind einige Verfahren dokumentiert, wie ein Schaufelgitterströmungsoptimal entworfen werden kann. Dabei spielt vor allem das Verhältnis von Sehnen-länge zu Teilung eine große Rolle, wozu in der Vergangenheit viele Autoren unterschiedlicheRichtwerte entwickelt haben (z.B. [11], S.403-406). Um den Wirkungsgrad weiter zu erhöhen,werden heute bei der Dimensionierung von Schaufelgittern zunehmend numerische Simulationen(computational fluid dynamics, CFD) eingesetzt.

2.2 Vereinfachte Schaufelgeometrie

Nachdem die von den StudentInnen zu ent-werfende Curtis-Turbine als Gleichdruckturbi-ne ausgeführt werden soll und damit Zu- undAbströmwinkel der Schaufelgitter gleich großsind, kann für die Schaufelform die vereinfach-te Geometrie aus Abb. 2.2.1 angenommen wer-den.

• die Kontur ist symmetrisch um die verti-kale Achse

• bestehend aus

– zwei Kreisbögen mit Öffnungswin-kel 180◦-2β

– und Strecken, die eine geschlosseneFigur bilden

Diese Arbeit ist im Folgenden vordergründigfür Berechnungen an diesem Profil ausgelegt.

ββ

δ

δ

r a

wzu

wab

t

b

a

Abbildung 2.2.1: vereinfachteSchaufelgeometrie

Page 7: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3

3 Methoden zur Bestimmung der

Profil-Flächenträgheitsmomente

Sämtliche Ausführungen in diesem Kapitel erfolgen anhand der Größenbezeichnungen von Lauf-schaufeln. Sie können aber ohne weiteres auch auf Leitschaufeln übertragen werden.

3.1 Analytische Berechnung

3.1.1 Grundlagen

Grundsätzlich lässt sich diese Methode bei jeder beliebigen Geometrie anwenden. Bedingungist, dass man die geschlossene Kontur in mathematisch formulierbare Abschnitte unterteilenkann.

Gegeben sei eine beliebige, geschlossene Kurvein der Ebene (Abb. 3.1.1). Zu bestimmen sinddie Hauptflächenträgheitsmomente, sowie dieLage der Trägheitshauptachsen.

Dazu muss berechnet werden:

(a) Querschnittsfläche A

(b) Flächenmomente 1. Ordnung Sy und Sz

(c) Schwerpunktsabstände yS und zS

(d) Flächenmomente 2. Ordnung Iy, Iz, Iyz

und deren Verschiebung in den Schwer-punkt ISy , ISz , ISyz (Satz von Steiner)

(e) Hauptflächenmomente 2. Ordnung Iη, Iζ

und deren Lage

ys

z s

η

ζ

γ

y

z

S

A

dA

Abbildung 3.1.1: beliebige Flächein der yz - Ebene

Je nach Aufgabenstellung und Form des Profils müssen nicht immer alle Punkte berechnet wer-den. Bei symmetrischen Profilen beispielsweise fallen die Trägheitshauptachsen auf die Symme-trieachsen.

(a) Querschnittsfläche A =

AdA (3.1)

(b) Flächenmomente 1. Ordnung

Aus den Flächenmomenten 1. Ordnung lassen sich später unter Anwendung der 2. Gul-din’schen Regel die Schwerpunktsabstände berechnen.

Sy =

Az dA, Sz =

Ay dA (3.2)

Page 8: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.1 Analytische Berechnung 4

(c) Schwerpunktsabstände

Die Schwerpunktsbestimmung basiert auf Grundlage der 2. Guldin’schen Regel, wird hieraber nicht näher behandelt, siehe dazu u.a. [7]. Für unsere Aufgabe ist lediglich die Er-kenntnis wichtig, dass der Schwerpunktsabstand einer Fläche von einer Achse gleich demVerhältnis zwischen Flächenmoment 1. Ordnung bezüglich der Achse und dem Flächen-inhalt selbst ist.

yS =Sz

A=

A y dA∫

A dA, zS =

Sy

A=

A z dA∫

A dA(3.3)

(d) Flächenmomente 2. Ordnung und deren Verschiebung in den Schwerpunkt

Bezüglich der Achsen y und z lauten die Flächenträgheitsmomente Iy, Iz bzw. das De-viationsmoment Iyz :

Iy =

Az2 dA, Iz =

Ay2 dA, Iyz = Izy

Ayz dA (3.4)

Mit Hilfe des Satzes von Steiner können diese nun in den Schwerpunkt verschobenwerden:

ISy = Iy − A z2s , ISz = Iz − A y2

s , ISyz = ISzy = Iyz − A ys zs (3.5)

(e) Hauptflächenmomente 2. Ordnung und deren Lage

Bezüglich der Trägheitshauptachsen verschwindet das Deviationsmoment und die Haupt-flächenträgheitsmomente berechnen sich zu:

Iη(ζ) =ISy + ISz

2+(−)

(

ISy − ISz

2

)2

+ I2

Syz (3.6)

Die Trägheitshauptachsen gehen durch den Schwerpunkt der Fläche, wobei die η -Achseum γ gegen die y -Achse verdreht ist. Die ζ -Achse steht wiederum im rechten Winkel zurη -Achse.

γ = 1/2 · arctan−2 · ISyz

ISy − ISz

(3.7)

3.1.2 Anwendung auf das vereinfachte Schaufelprofil

Beim vereinfachten Schaufelprofil aus Abb. 2.2.1 sind die Trägheitshauptachsen symmetriebe-dingt bereits bekannt, eine fällt auf die z -Achse und die zweite verläuft parallel zur y -Achsedurch den Schwerpunkt. Da bei Gleichdruckschaufeln, abgesehen von den Fliehkräften, beinahenur Belastungen in Richtung der z -Achse auftreten, kann auf die Berechnung von ISz verzichtetwerden. Von Interesse sind daher nur das Flächenträgheitsmoment ISy und das Widerstands-moment Wymin

. Im ersten Schritt muss die Kontur des Profils abschnittsweise mathematischformuliert werden. Hier kann durch eine günstige Lage des Koordinatensystems viel Zeit gespartwerden. In unserem Beispiel genügt es aufgrund der Symmetrie, nur eine Hälfte der Schaufelzu betrachten, die Ergebnisse müssen dann natürlich entsprechend verdoppelt werden.

Mit der in Abb. 3.1.2 (links) dargestellten Auflösung der Kontur erhält man folgende Funk-tionen für die einzelnen Kurvenabschnitte:

Page 9: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.1 Analytische Berechnung 5

f1(y) =√

r2i − y2 =

(

b

2 cosβ

)2

− y2 ,

f2(y) =√

r2a − y2 + p =

r2a − y2 +

b + 2 cosβ (δ − ra)

sin (2β),

f3(y) = d + k · y =b + 2 δ cosβ

sin (2β)− y

tanβ.

z s

yyy

zzz

S

r i

ra

z max

β

δ

p

I

II

ra cosβ b/2b/2

f1(y)

f2(y)

f3(y)

r2i − y2

r2a − y2 + p

d + k · y

0

Abbildung 3.1.2: Skizzen zur Veranschaulichung

Die Schaufelgeometrie lässt sich nun in Abhängigkeit von b, ra, β und δ vollständig beschrei-ben. Somit können folgende Integrale mit deren Integrationsgrenzen nach Abb. 3.1.2 (Mitte)angeschrieben werden:

• Querschnittsfläche

A =

AdA = 2 ·

{

∫ racosβ

0

√r2a−y2+p

√r2

i −y2

dzdy +

∫ b/2

racosβ

∫ d+k·y

√r2

i −y2

dzdy

}

• Schwerpunktsabstand

zS =Sy

A=

A z dA∫

A dA=

2 ·{

∫ racosβ0

√r2a−y2+p√

r2

i −y2z dzdy +

∫ b/2racosβ

∫ d+k·y√r2

i −y2z dzdy

}

2 ·{

∫ racosβ0

√r2a−y2+p√

r2

i −y2dzdy +

∫ b/2racosβ

∫ d+k·y√r2

i −y2dzdy

}

• Flächenmoment 2. Ordnung und Verschiebung in den Schwerpunkt

Iy =

Az2 dA = 2 ·

{

∫ racosβ

0

√r2a−y2+p

√r2

i −y2

z2dzdy +

∫ b/2

racosβ

∫ d+k·y

√r2

i −y2

z2dzdy

}

ISy = Iy − A z2s = Iy −

2 ·{

∫ racosβ0

√r2a−y2+p√

r2

i −y2z dzdy +

∫ b/2racosβ

∫ d+k·y√r2

i −y2z dzdy

}2

∫ racosβ0

√r2a−y2+p√

r2

i −y2dzdy +

∫ b/2racosβ

∫ d+k·y√r2

i −y2dzdy

Page 10: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.1 Analytische Berechnung 6

• Minimales Widerstandsmoment

Mit dem maximalen Randfaserabstand (Abb. 3.1.2 rechts) zmax = zs − b tanβ2 wird

Wymin=

ISy

zmax

=Iy − A z2

s

zs − b tanβ2

Die algebraische Auswertung obiger Gleichungen gestaltet sich etwas aufwendig, ist aber ohneweiteres möglich. Die vollständige Darstellung der Ergebnisse würde allerdings mehrere Sei-ten verschlingen, weshalb darauf verzichtet wird. Im Folgenden wird daher nur ein speziellerFall näher erläutert, bei dem sich die Ergebnisse der obigen Gleichungen anschaulich darstellenlassen. Die Diagramme liefern für viele Gleichdruckprofile eine ausreichende Abschätzung derTrägheits- und Widerstandsmomente und sind insbesondere für die Anwendung bei der Kon-struktionsübung geeignet.

Spezialfall:

Die Schaufelkantendicke δ ist proportional zur Breite b in der Form δ = kδ ·b, wobei kδ üblicher-weise Werte zwischen 0 und 0,05 annimmt. Der Radius ra wird nach einer Faustregel für dieUmlenkung eines Gasstromes (Briling’sche Bedingung) bestimmt. Die Briling’sche Bedingungwird auch bei der Berechnung der Kleindampfturbine für die Konstruktionsübung herangezo-gen.

Demnach gilt für eine Umlenkung folgende Bedingung zwischen Strahlbreite a und mittleremKrümmungsradius r (siehe [13]):

a ≈ r

2mit r = ra +

a

2folgt ra =

3 a

2

Setzt man nun für a die geometrische Beziehung a = b2 cosβ − ra ein, so wird ra in Abhän-

gigkeit von b und β zu

ra =3 b

10 cosβ. (3.8)

Damit die Strahlbreite a über den gesamten Strömungskanal konstant ist, muss für die optimaleTeilung gelten:

(

b

t

)

opt

=2, 5 sin (2β)

2, 5 kδ sin (2β) + 1bzw.

(

b

t

)

opt

= 2, 5 sin (2β) für δ = 0mm (3.9)

b

3b

10co

β

k δ· b

Abbildung 3.1.3: Schaufelprofil(nur von b und β abhängig)

Page 11: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.1 Analytische Berechnung 7

Flächenträgheits- und Widerstandsmoment sind jetzt nur noch von b und β abhängig und lassensich wie folgt darstellen:

β

ISy

δ

b= 0

0, 01

0, 025

0, 05

ISy = b4 · ISy

10◦

20◦

30◦

40◦

50◦

60◦

0

0, 005

0, 010

0, 015

0, 020

0, 025

Abbildung 3.1.4: DimensionslosesFlächenträgheitsmoment

β

Wym

in

δ

b= 0

0, 01

0, 025

0, 05

Wymin= b3 · W

ymin

10◦

20◦

30◦

40◦

50◦

60◦

0

0, 010

0, 020

0, 030

0, 040

Abbildung 3.1.5: DimensionslosesWiderstandsmoment

Page 12: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.2 Grafisches Verfahren 8

3.2 Grafisches Verfahren

Als noch keine leistungsstarken Rechenmaschinen zur Verfügung standen, verwendete manhauptsächlich grafische Verfahren zur Bestimmung der Flächenträgheitsmomente. Anfangs wur-de dabei ein Profil als Summe von Rechtecken modelliert und mit Hilfe des Satzes von Steiner

zum Flächenträgheitsmoment zusammengefügt. Später entstand jedoch ein präziseres Verfah-ren, bei dem durch geometrische Manipulationen an der Ursprungsfläche, Flächen „höhererOrdnung“ entstehen. Im Wesentlichen besteht die Aufgabe dann nur noch darin, den Inhaltdieser erzeugten Flächen zu bestimmen.

Die als nächstes vorgestellte Methode zur Bestimmung von Flächenträgheitsmomenten (aus[10]) erfordert bei komplexen Geometrien zwar großen Aufwand und sehr hohe Genauigkeit, istaber noch heute eine geeignete Alternative, wenn entsprechende Software gerade nicht verfügbarist.

3.2.1 Grafisches Transformieren von Flächen

Der prinzipielle Ablauf gleicht jenem der analytischen Methode. Grundsätzlich sollte man maß-stäbliche Kopien des Profils in ausreichender Größe verwenden und nicht alle Zeichnungen aufein Blatt geben, um den Überblick zu behalten. Bei asymmetrischen Flächen ist das Koordi-natensystem vorzugsweise so zu legen, dass die gesamte Figur in einem Sektor liegt. Dadurchkönnen Vorzeichenfehler vermieden werden.

(a) Querschnittsfläche

Zur Ermittlung des Flächeninhaltes eines ungleichförmigen Querschnitts existieren zahl-reiche Möglichkeiten. Früher setzte man mechanische Geräte, sogenannte Planimeter ein,die die zu messende Fläche durch Bewegung entlang der Kontur aufintegrierten. DieseGeräte wurden jedoch durch den Computer nahezu völlig verdrängt. Der Vollständigkeithalber sei hier auch erwähnt, dass es Spezialplanimeter gibt, die Flächenmomente höhererOrdnung bestimmen können. Heute setzt man für eine überschlagsmäßige Bestimmungder Querschnittsfläche entweder Methoden der grafischen Integration (z.B. Mittelpunkts-regel, Trapezregel,...) oder einfaches Kästchenzählen anhand eines Rasters ein.

(b) Flächenmomente 1. Ordnung

Zuerst wählt man auf der y -Achse einen beliebigen Punkt O. Danach wird parallel zury -Achse in beliebigem Abstand m eine Gerade gezeichnet, die außerhalb der Figur liegt(siehe Abb. 3.2.1).

Nun wiederholt man entlang der gesam-ten Fläche folgende Abfolge:

Zeichnen einer zur y -Achse parallelen,innerhalb der Figur liegenden Linie undvertikale Projektion der Breite aa nachoben zur Linie bb. Von den Punkten b auswerden die Verbindungslinien zum PunktO gezogen und die Schnittpunkte c mar-kiert. Am Ende bilden alle Linien cc eineneue Fläche A

y. Das Flächenmoment 1.Ordnung um die y -Achse berechnet sichdann zu Sy = A

y ·m. Dasselbe macht manum 90◦ gedreht für Sz.

aa

m

bb

cc

y

z

A

A′

y

O

Abbildung 3.2.1: Sy grafisch

Page 13: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.2 Grafisches Verfahren 9

(c) Schwerpunktsabstände

Nachdem Sy, Sz und A nun bekannt sind, berechnen sich die Schwerpunktsabständeeinfach nach Formel (3.3).

(d) Flächenmomente 2. Ordnung und deren Verschiebung in den Schwerpunkt

Hier ist die Vorgangsweise nahezu identmit jener der Flächenmomente 1. Ord-nung, außer, dass die Punkte c noch ein-mal vertikal nach oben projiziert werden,so die Punkte d entstehen und deren Ver-bindung mit dem Punkt O neue Schnitt-punkte e erzeugen. Anders als vorher, bil-den jetzt alle Linien ee eine neue FlächeA

′′

y (siehe Abb. 3.2.2). Das Flächenmo-ment 2. Ordnung um die y -Achse berech-net sich dann zu Iy = A

′′

y · m2. Dasselbemacht man um 90◦ gedreht für Iz. Zur Be-stimmung von ISy und ISz (Verschiebungin den Schwerpunkt) kann Formel (3.5)herangezogen werden.

aa

m

bb

cc ee

y

z

A

A′′

y

d d

OAbbildung 3.2.2: Iy grafisch

Was jetzt noch fehlt, ist die grafische Ermittlung des Deviationsmoments Iyz . Die Litera-turrecherche brachte dazu leider keine Erkenntnis. Eine einfache Möglichkeit könnte aberso aussehen:Zuerst bildet man, wie oben erläutert, die Fläche A

y, allerdings darf der Punkt O aufder y -Achse jetzt nicht beliebig gewählt werden, sondern muss im Abstand ys vom Ur-sprung aufgetragen werden (siehe Abb. 3.2.3 links). Man könnte nun wieder Sy = A

y · mschreiben. Stattdessen dreht man jetzt die Anordnung um 90◦ und bestimmt nun die, fürdas Flächenmoment 1. Ordnung um die z -Achse, charakteristische Fläche von der eben

erzeugten Fläche A′

y (siehe Abb. 3.2.3 rechts). Der Punkt P auf der z -Achse darf dabeibeliebig gewählt werden. Alle Linien hh kennzeichnen eine neu entstandene Fläche Ayz

′′.Das Deviationsmoment Iyz berechnet sich daraufhin zu Iyz = Ayz

′′ · m · n.

ys

aa

m

nbb

cc

f

f

g

gh

h

yy

zz

AA

A′

y

A′

y

A′′

yzP

OO

Abbildung 3.2.3: Iyz grafisch

Page 14: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.2 Grafisches Verfahren 10

Im Sinne von Iyz = Izy könnte man natürlich auch zuerst A′

z ermitteln, dann darf aberder Punkt P auf der z -Achse nicht beliebig gewählt werden, sondern muss im Abstandzs vom Ursprung aufgetragen werden. Danach kann, diesmal mit beliebigem Punkt O aufder y -Achse, wieder A

′′

yz = A′′

zy konstruiert werden.

3.2.2 Mohr’scher Trägheitskreis

Zur Ermittlung der Hauptflächenträgheitsmomente und Trägheitshauptachsen existiert nebenden Formeln (3.6) und (3.7) auch ein grafisches Verfahren, der Mohr’sche Trägheitskreis. Erlässt sich sehr einfach anhand der axialen Flächenträgheitsmomente Iy, Iz und dem Deviations-moment Iyz konstruieren (siehe Abb. 3.2.4). Danach kann der Trägheitstensor für ein beliebigesKoordinatensystem angegeben werden. Die Hauptflächenträgheitsmomente finden sich auf derAbszisse, dort verschwindet das Deviationsmoment.

η

Iy, IzIy

Iz

Iyz

Iyz

Iyz

Iζ Iη

2 γ

M

ζ

γ y

z

Abbildung 3.2.4: Mohr’scher Trägheitskreis

3.2.3 Anwendung auf ein symmetrisches Schaufelprofil

Für ein Schaufelprofil nach Abb. 2.2.1 mit den Abmessungen b = 20mm, δ = 0, 5mm, ra =6, 73mm und β = 27◦ soll das Widerstandsmoment Wymin

grafisch ermittelt werden.

Lösung:

Zuerst wird mit Permanentstift eine maßstabsgetreue Zeichnung in ausreichender Größe aufMillimeterpapier angefertigt. Aufgrund der Symmetrie braucht man nur eine Hälfte des Pro-fils darstellen, in diesem Fall ist aber wichtig, dass der Punkt O auf die Mittelachse gelegtwird. Dann geht man wie oben beschrieben vor, um die charakteristischen Flächen für das Flä-chenmoment 1. und 2. Ordnung zu konstruieren. Hilfslinien sollten dabei sehr dünn gezogenwerden, es empfiehlt sich außerdem, sie nach Erzeugung der notwendigen Konturpunkte wiederzu entfernen. Hat man ausreichend Punkte einer Kontur erstellt, so verbindet man diese mitPermanentstift zu einer glatten Kurve. Abb. 3.2.5 zeigt das Ergebnis dieser Anleitung für dasbetrachtete Beispiel. Als Nächstes muss für jede der drei Konturen der Flächeninhalt bestimmtwerden.

Page 15: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.2 Grafisches Verfahren 11

A = 2 · 5 · (11 + 13 + 16 + 20 + 25 + 30 + 36 + 42 + 49 + 53 + 56+

+58 + 60 + 61, 5 + 62, 5 + 63 + 64 + 64, 5 + 64, 5 + 65) = 9140mm2

A′

y = 2 · {5 · (72, 5 + 74 + 72 + 68, 5 + 67 + 66 + 65 + 65) +

+140 + 114

2

}

= 5894mm2

A′′

y = 2 ·{

5 · (33, 5 + 61 + 82 + 68, 5 + 67 + 65) + 39 + 74

2

}

= 3922mm2

zmax = zmax

M= 77

10= 7, 7mm

Maßstab 10 : 1

y

z

S

A

A′

y

A′′

y

z max 20

O

Abbildung 3.2.5: Vereinfachte Schaufelgeometrie - grafisch

Page 16: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.2 Grafisches Verfahren 12

Unter Zuhilfenahme des Millimeterrasters lässt sich die Mittelpunktsregel relativ genau anwen-den. Flächenstücke, deren Inhalt sich mit der Mittelpunktsregel nicht in ausreichender Genau-igkeit erfassen lassen, kann man durch Abzählen von Kästchen besser abschätzen. Die in Abb.3.2.5 verwendete „ ˆ “ - Bezeichnung bedeutet, dass es sich um maßstäbliche Größen handelt.Demnach erhält man für die tatsächlichen Flächeninhalte:

A =A

M2=

9140

100= 91, 40mm2 ,

A′

y =A

y

M2=

5894

100= 58, 94mm2 ,

A′′

y =A

′′

y

M2=

3922

100= 39, 22mm2 .

Setzt man nun in die Gleichungen aus Abschnitt 3.2.1 ein, so erhält man:

zs =Sy

A=

A′

y · mA

=58, 94 · 20

91, 40= 12, 90mm

ISy = Iy − A · z2s = A

′′

y · m2 − A ·(

Sy

A

)2

= A′′

y · m2 − A ·(

A′

y

A

)2

=

(

A′′

y −A

′2y

A

)

· m2 =

=

(

39, 22 − 58, 942

91, 40

)

· 202 = 484, 83mm4

Am Ende trägt man noch den Schwerpunkt S in die Skizze ein und ermittelt zmax . Das minimaleWiderstandsmoment lautet:

Wymin=

ISy

zmax

=484, 83

7, 7= 62, 97mm3

Der exakte Wert durch numerische Berechnung mit CAD-Software ergibt Wymin= 75, 05mm3,

das bedeutet für den Wert der grafischen Methode eine Abweichung um etwa 16%.

Warum fällt dieser Fehler, trotz der genauen Arbeitsweise so groß aus?

Die Antwort auf diese Frage liegt in der Beschaffenheit der Formel zur Bestimmung von ISy. EineNachrechnung zeigt, dass, obwohl die grafisch ermittelten Werte von A, A

y und A′′

y gegenüberihren exakten Werten Abweichungen von unter 1% aufweisen, sie durch die Verkettung in derFormel einen viel größeren Fehler zulassen (Gauß’sches Fehlerfortpflanzungsgesetz ). Vor allemmuss man aber bedenken, dass jeder noch so kleine Fehler bei der Flächenberechnung in derFormel von ISy mit m2 multipliziert wird. Abschließend können also folgende Grundregeln fürdie grafische Methode zusammengefasst werden:

• Profil in ausreichender Größe zeichnen

• m so klein wie möglich wählen

• Symmetrie ausnutzen

• sehr genau arbeiten

Page 17: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.3 Numerische Berechnung mit CAD-Programmen 13

3.3 Numerische Berechnung mit CAD-Programmen

Die computerunterstütze Berechnung von Trägheitsmomenten bietet neben Genauigkeit undSchnelligkeit noch viele weitere Vorteile und wird heute dementsprechend häufig eingesetzt. Innahezu allen CAD-Programmen für den modernen Maschinenbau ist die Möglichkeit zur Be-stimmung der Flächenträgheitsmomente beliebiger Querschnitte und deren Trägheitshauptach-sen integriert. Eine typische Aufgabe und deren computerunterstützte Lösung soll im folgendenBeispiel veranschaulicht werden.

3.3.1 Computerunterstützte Berechnung eines asymmetrischen Schaufelprofils

Für die Festigkeitsrechnung eines Laufschaufelprofils werden die Widerstandsmomente um dieTrägheitshauptachsen benötigt. Dabei wird angenommen, dass die größten Spannungen an derEintrittskante auftreten werden. Die Form des Schaufelprofils liegt bereits als Handskizze vor.Nachdem das gesuchte Profil jenem der Handskizze geometrisch ähnlich sein soll, können dieWiderstandsmomente dimensionslos angegeben werden, wobei die Sehnenlänge das charakte-ristische Maß für die Schaufelgröße sein soll.

Lösung:

Als beispielhafte Handskizze wird eine Abbildung aus [12] S.209 herangezogen. Die verwendeteCAD-Software ist Solid Edge V19.

• Einscannen der Abbildung (auf ausreichende Auflösung achten) und speichern als Bild-datei (.jpg oder .tif).

• Das Bild kann jetzt im Zeichnungsbereich von Solid Edge unter Einfügen → Bild ein-gefügt werden.

• Nachzeichnen der Profilkontur mit „Kurve“ durch Setzen einer beliebigen Anzahl vonPunkten entlang der Kontur. Achtung: Die Kurve muss geschlossen sein!

• Nach der Auswahl Prüfen → Flächeneigenschaften wählt man durch Rechtsklick indie Fläche das Profil aus. Drückt man jetzt den Button „Berechnen“ so erscheint einKästchen mit Ergebnissen und gleichzeitig in der Zeichnung ein neues Koordinatensystem,das die Trägheitshauptachsen kennzeichnet. Im Ergebnis-Kästchen sind in diesem Fallnur die Einträge der Kategorie „Hauptachsen“ interessant, wobei der dort genannte„Winkel“ jener ist, der zwischen x - und ξ -Achse auftritt. Des Weiteren steht Ipxx für Iξ

und Ipyy für Iη.

ηξ

ηp

ξp

y s

S

P

x

Abbildung 3.3.1: Schaufelprofil numerisch

Hinweis:

Sollte das Ergebnis-Kästchen nicht er-scheinen, so ist das Profil entweder nichtgeschlossen, oder es enthält zu viele Punk-te. In diesem Fall kann es manchmal hel-fen, das Profil mit einer einfachen „Linie“

in Abschnitte zu zerteilen.

Page 18: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.4 Empfehlungen diverser Autoren 14

• Als nächstes misst man die Abstände zur Eintrittskante (Punkt P ) entlang der Trägheits-hauptachsen. Dazu erzeugt man zu jeder Hauptachse eine Parallele durch den Punkt Pund misst die Abstände.

• Zuletzt misst man noch die Sehnenlänge s. Als Ergebnis für die dimensionslosen Wider-standsmomente erhält man nun:

Wξp

=Iξ

s3 · ηp=

42019, 58

44, 283 · 15, 47= 0, 03129

Wηp

=Iη

s3 · ξp=

4497, 40

44, 283 · 9, 14= 0, 00567

Als Ergänzung zur numerischen Berechnung sollte man grundsätzlich immer eine überschlags-mäßige Handrechnung durchführen, um die Richtigkeit der Ergebnisse beurteilen zu können.

3.4 Empfehlungen diverser Autoren

In der Vergangenheit sind zahlreiche Autoren auf das Problem der aufwendigen Bestimmungvon Widerstandsmomenten bei komplexen Profilformen gestoßen. Einige haben im Zuge dessenvereinfachte Berechnungskriterien und Diagramme entwickelt, welche für bestimmte Profiltypeneine rasche und relativ genaue Abschätzung der auftretenden Spannungen zulassen. Anschlie-ßend werden drei Methoden vorgestellt, wobei jene von Costard und Saravanamuttoo

zwar schon eigenständige Festigkeitsnachweise darstellen, aber trotzdem noch diesem Kapitelzugeordnet werden, weil die Diagramme zur Bestimmung der Flächenmomente im Mittelpunktstehen.

3.4.1 Abschätzung der maximalen Biegespannung nach Costard

Günther Costard gibt in einem Artikel über die „Frage des zweckmäßigen Reaktionsgradesbei Dampfturbinen großer Leistung“ [2] einen vereinfachten Spannungsnachweis an, der vorallem für Profilformen nach Traupel eine ausreichende Übereinstimmung mit der exaktenRechnung erzielt. Dabei wird das dimensionslose Widerstandsmoment W des Schaufelprofilsin Abhängigkeit von Zu- und Abströmwinkel aus dem Diagramm (Abb. 3.4.1) abgelesen undmit der Sehnenlänge s das tatsächliche Widerstandsmoment bestimmt. Mit dem, durch dieSchaufelkraft F erzeugten Schaufelmoment M , berechnet sich die maximale Spannung in derWurzel der Schaufel laut Costard dann einfach zu:

(σb)max =M

W(3.10)

Das heißt, dass das Widerstandsmoment W aus dem Diagramm um jene Achse bestimmt wur-de, auf die auch das resultierende Schaufelmoment M fällt. In der Regel handelt es sich beidieser Achse (im Diagramm Abb. 3.4.1 strichpunktiert dargestellt) um keine Trägheitshaupt-achse. Zur Berechnung von M siehe Kapitel 4.

Entspricht dieses Vorgehen überhaupt den Gesetzen der Festigkeitslehre?

Allgemein gilt: Wirkt auf einen beliebigen Querschnitt ein Momentenvektor, der zwar durch denSchubmittelpunkt geht, nicht aber in Richtung einer Trägheitshauptachse des Profils zeigt, sospricht man von der sogenannten „schiefen Biegung“. Wie später im Kapitel 4 näher erläutert,muss in diesem Fall der Momentenvektor in zwei Komponenten in Richtung der Trägheitshaupt-achsen zerlegt werden. Anschließend berechnet man die Spannungen für beide Hauptachsenfälleund überlagert diese am Ende.

Page 19: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.4 Empfehlungen diverser Autoren 15

Streng genommen führt also die Vorgehensweise von Costard nur dann zum korrekten Ergeb-nis, wenn die Schaufelkraft und damit auch das Schaufelmoment zufällig auf die Trägheitshaupt-achsen des Profils fallen. Dies trifft beispielsweise bei symmetrischen Profilen und reibungsfreierStrömung sehr gut zu, stellt aber ansonsten lediglich eine Näherung dar. Der Grund, warumdiese Methode trotzdem gute Ergebnisse liefert, liegt ganz einfach darin, dass die Wirkungsli-nie der Schaufelkraft in den meisten Fällen nur wenig von einer der Trägheitshauptachsen desProfils abweicht.

β1

β+

2 = 10◦

β1 = β+

2

β1

β+

2

W

s

FM

W = s3 · W

20◦

30◦

30◦

40◦

50◦

60◦

60◦ 90◦ 120◦ 150◦ 180◦0

0◦

0, 005

0, 010

0, 015

w1

w2

Abbildung 3.4.1: Dimensionslose Widerstandsmomente der Profile inAbhängigkeit von den Zuström- und Abströmwinkeln

Für welche Profilformen eignet sich die Methode?

Wie bereits oben erwähnt, wurde die in Abb. 3.4.1 dargestellte Zuordnung des dimensionslo-sen Widerstandsmomentes zu den Zu- und Abströmwinkeln eines Gitters in erster Linie fürProfilformen entworfen, die mit den von Traupel angegebenen Teilungen und Verlusten ver-träglich sind. Diverse Diagramme und Anmerkungen über die entsprechende Gittergeometrieim Speziellen finden sich sowohl in [2] S.15, als auch in [11] ab S.405. Das dimensionslose Wider-standsmoment von Schaufelgitterprofilen hängt allerdings nicht nur von den Strömungswinkelnund dem Verhältnis von Teilung zu Sehnenlänge ab, sondern auch von den Profilformen an sich.

Page 20: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.4 Empfehlungen diverser Autoren 16

An diese „(...) stellt Traupel allerdings nur die allgemeine Forderung, dass sie neuzeitlichenErkenntnissen entsprechen müssen.“ ([2] S.15). Costard hat daher, wie er selbst schreibt, beider Erstellung des Diagramms die Erfahrungen vieler weiterer Autoren eingebracht. Um alsosicherzustellen, ob eine vorliegende Profilgestalt mit dem Diagramm (Abb. 3.4.1) analysiertwerden kann, muss im Vorfeld wohl oder übel in geeigneter Sekundärliteratur nachgelesen wer-den.

Wie sieht es mit der Anwendung auf die vereinfachte Schaufelgeometrie (Abb. 2.2.1) aus?

Hier scheitert es an einem grundlegenden Kennzeichen der Gittergeometrie, nämlich dem Ver-hältnis von Sehnenlänge zu Teilung s/t. „So brauchen etwa Gleichdruckgitter mit spitzer Pro-filnase ein größeres s/t, als solche mit stark gerundeter (vorausgesetzt im Diagramm).“ ([11]S.405). Das s/t - Diagramm von Traupel, das auch Costard für seine Ausführungen verwendetund damit Voraussetzung für das Diagramm (Abb. 3.4.1) ist, gilt demnach nur für Profilformenmit stark gerundeter Nase. Eine Anwendung der Biegespannungsermittlung nach Costard aufdas vereinfachte Gitter mit seiner spitzen Profilnase scheidet somit aus.

3.4.2 Abschätzung der maximalen Biegespannung nach Saravanamuttoo

Saravanamuttoo schlägt in [8] zur ungefähren Bestimmung der maximalen Biegespannungeine etwas andere Herangehensweise vor. Seiner Meinung nach ist selbst bei Profilen mit Reakti-on (zusätzliche Kraft in Axialrichtung aufgrund der Druckdifferenz vor und hinter dem Gitter)vorwiegend das – durch die Umfangskraft Ft verursachte – Tangentialmoment Mt für die auf-tretenden Spannungen verantwortlich. Darüber hinaus vernachlässigt er die Winkelabweichungzwischen der y -Achse und der ζ -Trägheitshauptachse (siehe Skizze in Abb. 3.4.2). Dadurchvereinfacht sich die Spannungsberechnung zu:

(σb)max =Mt

Wζmin

(3.11)

Wζminist das minimale Widerstandsmoment um die ζ -Trägheitshauptachse und kann mit Hilfe

des Diagramms Abb. 3.4.2 (aus [8] S.336) ermittelt werden. Der große Vorteil des Diagrammsbesteht darin, dass es neben den Strömungswinkeln (Gasumlenkung β1 + β+

2 ) auch das Ver-hältnis von größter Profildicke zu Sehnenlänge d/s berücksichtigt. Dadurch kann das Diagrammfür Profilformen jeder Art eine ungefähre Abschätzung des Widerstandsmomentes liefern. ZurBerechnung von Mt siehe Kapitel 4.

B

B

η

n

n

ζ

β1

β+

2β1 + β+

2

y

z

s

FFt

Mt

M

d

Wζmin=

1

B

10d

s

«n

s3

40◦

60◦

80◦

100◦

120◦

200

400

600

800

1000

1, 0

1, 5

2, 0

120

w1

w2

Abbildung 3.4.2: Approximative Regel für das Widerstandsmoment

Page 21: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

3.4 Empfehlungen diverser Autoren 17

Beispiel:

Für das symmetrische Schaufelprofil aus Abb. 3.4.3 soll das minimale Widerstandsmoment mitHilfe des Diagramms nach Saravanamuttoo abgeschätzt werden.

Lösung:

Die Winkelsumme beträgt

β1 + β+

2 = 2β = 70◦

und das Verhältnis von größter Profildicke zuSehnenlänge

d

s=

d

b=

6, 93

40= 0, 173 .

Durch Ablesen von B und n aus Abb. 3.4.2erhält man für das minimale Widerstands-moment

Wηmin=

1

760(10 · 0, 173)1,4·403 = 181, 76mm3 .

Der exakte Wert aus der CAD-Berechnungergibt Wηmin

= 169, 28mm3. Die Abweichungmacht in diesem Fall weniger als 8% aus.

40

η

ζ

R16, 0

3

0,4

35◦

Abbildung 3.4.3: Schaufel-profil für b/t = 2, 8

3.4.3 Diagramme von Beglinger

Speziell für sogenannte Doppelkreisbogenprofile, also Profile, die nur aus zwei Kreisbögen be-stehen, hat Beglinger Diagramme entworfen, die unmittelbar zur Bestimmung der Flächen-trägheitsmomente, des Schwerpunktes und des Flächeninhaltes eingesetzt werden können. DieUmrechnung der dimensionslosen Werte aus den Diagrammen erfolgt mit:

Iη = Iη· s4 , Iζ = I

ζ· s4 , A = A · s2 (3.12)

e η

ζ

sS

ϑ

d

A

A

e/de /

d

d/s d/s d/s

000

0, 050, 5

1, 0

1

2

3

4

5

·10−4

·10−5

0, 02

0, 04

0, 040, 040, 04

0, 06

0, 060, 060, 06

0, 08

0, 080, 080, 08

0, 10

0, 10

0, 100, 100, 10 0, 120, 120, 12

0◦

0◦

0◦

20◦

20◦

30◦

30◦

40◦

45◦

ϑ =60

ϑ =60◦

ϑ=

60◦

ϑ=

60◦

Abbildung 3.4.4: Charakteristische Werte für Festigkeitsrechnungenbei Doppelkreisbogenprofilen aus [12] S.219

Page 22: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

18

4 Belastung und Beanspruchung

4.1 Bestimmung auftretender Biegemomente und Massenkräfte

Zur Erbringung des Festigkeitsnachweises müssen im nächsten Schritt die auftretenden Belas-tungen an der Dampfturbinenlaufschaufel identifiziert werden. Im Wesentlichen handelt es sichdabei je nach Anwendungsfall um zwei bis fünf Belastungsquellen: (i) Fliehkräfte der umlaufen-den Schaufelmassen; (ii) Biegemomente durch die Umlenkung des Dampfmassenstromes; (iii)Biegemoment durch unterschiedlichen Druck vor und nach dem Gitter (nur bei Überdruck-stufen); (iv) Biegemoment durch die Zentrifugalkraft, falls die Schwerpunkte einzelner Quer-schnittsflächen mit unterschiedlichem Abstand von der Schaufelwurzel nicht auf einer radialenLinie liegen; (v) Torsionsmoment bei verwundenen Laufschaufeln aufgrund der Fliehkraft. DieMaximalbelastung tritt in der Regel im Nabenschnitt (Querschnittsfläche beim Übergang vonSchaufelwurzel zu Schaufelblatt) auf, bei stark verjüngten Schaufeln kann sie aber auch aneiner anderen Stelle auftreten. Hier sollen jedoch nur Schaufeln mit konstantem Querschnittbehandelt werden, wodurch sich gemeinsam mit anderen Vereinfachungen folgende Annahmenzusammenfassen lassen:

• Schaufelkräfte gehen durch den Schwerpunkt des Schaufelprofils

• der Schwerpunkt ist gleichzeitig der Schubmittelpunkt, damit keine zusätzliche Torsions-belastung entsteht

• Schwerpunktslinie ist gerade und senkrecht zur Drehachse (keine Belastung (iv))

• maximale Belastung im Nabenschnitt

• keine Schaufelverwindung (keine Belastung (v))

• Deckbänder oder Deckplatten werden nicht berücksichtigt, die Schaufel endet frei

• reibungsfreie Strömung, Vernachlässigung sonstiger Verluste

• Schaufelwerkstoff ist homogen und isotrop

Als geeignete Mittelwerte für die Festigkeitsrechnung werden der Geschwindigkeitsplan und dieStrömungswinkel für den mittleren Durchmesser dm verwendet.

4.1.1 Fliehkraftbeanspruchung

Im Allgemeinen ist der Schaufelquerschnitt nicht konstant, sondern nimmt nach außen hin ab.Stellt man sich nun das Laufrad in kleine Scheiben der Stärke dr geschnitten vor (Abb. 4.1.1),so wirkt auf jede Scheibe mit der Masse dm = ρ A dr eine Fliehkraft von

dFr = r ω2 ρ A dr . (4.1)

Page 23: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

4.1 Bestimmung auftretender Biegemomente und Massenkräfte 19

Bildet man die Summe der FliehkraftanteiledFr vom Nabenschnitt An über die gesam-te Schaufellänge bis zum Schaufelendquer-schnitt As, so erhält man das Integral

Fr = ρ ω2

∫ rs

rn

r A dr . (4.2)

Unter Verwendung von ω = un/rn ergibt sichim Nabenschnitt eine Zugspannung von

σz =ρ u2

n

An r2n

∫ rs

rn

r A dr . (4.3)

Wie Traupel in [12] S.206 demonstriert,kann man diese Gleichung sehr leicht aufeine andere Darstellung umformen und zei-gen, dass geometrisch ähnliche Schaufeln ausgleichem Werkstoff bei gleicher Umfangsge-schwindigkeit gleich hoher Fliehkraftbean-spruchung ausgesetzt sind.

A

An

As

dr

l

r r n r s

ω

Abbildung 4.1.1: Zur Berechnung derFliehkraftspannung

Bei Laufschaufeln mit konstantem Querschnitt über die gesamte Schaufellänge lässt sich dasobige Integral allgemein auswerten. Die Zugspannung im Nabenschnitt lautet dann

σz =ρ ω2

An

∫ rs

rn

r A dr =ρ ω2 An

An· r2

s − r2n

2=

ρ u2m

r2m

· (rs + rn) (rs − rn)

2=

2 ρ l u2m

dm. (4.4)

Die Querschnittsfläche der Laufschaufel muss also zur Ermittlung der Fliehkraftspannung nichtbekannt sein, es genügen Schaufeldichte ρ, Schaufellänge l, mittlerer Durchmesser dm und mitt-lere Umfangsgeschwindigkeit um.

4.1.2 Biegebeanspruchung durch Strömungskräfte

Sämtliche Gleichungen werden wieder am Beispiel einer Turbinenlaufschaufel angeschrieben, siesind aber sinngemäß auch für Leitschaufeln anwendbar.

Die Schaufelkräfte, die durch die Umlenkung des strömenden Mediums entstehen, können inUmfangs- und Axialkomponente zerlegt werden (siehe [2] S.13). Die Umfangs- oder Tangenti-alkomponente lautet unter Verwendung des Impulssatzes

Ft = t l ρD cax (wu1 − wu2) , (4.5)

womit sich das Umfangsmoment im Nabenschnitt zu

Mt =t l2 ρD cax

2(wu1 − wu2) (4.6)

errechnet.Die Gleichungen gelten natürlich auch für teilbeaufschlagte Gleichdruckturbinen. Bei Über-

druckturbinen ist ohnehin keine Teilbeaufschlagung möglich, da die Laufradströmung starkgestört werden würde, bzw. der Druckunterschied gar nicht aufrecht erhalten werden könnte([6] S.32).

Page 24: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

4.1 Bestimmung auftretender Biegemomente und Massenkräfte 20

1

2

α1

α+

2

β1

β+ 2

c2

c2

c1

c1

cax

cu1

cu2

Leitschaufeln

Laufschaufeln

F

Ft

Fa

MMt

Ma

p1

p2γM

u u

w1

w1

w2

w2

wu1 wu2

Abbildung 4.1.2: Turbinenstufe mit Geschwindigkeitsplan

Bei der Axialkomponente der Schaufelkraft empfiehlt sich eine getrennte Angabe für Gleich-oder Überdruckturbinen. Bei Gleichdruckturbinen gibt es keine Druckdifferenz zwischen Ein-und Austrittsseite der Schaufelkränze, die Axialkraft lautet daher

Fa =t l ρD

2(wa1 − wa2) . (Gleichdruckturbine allgemein) (4.7)

Geht man davon aus, dass Dichteänderungen des Dampfes durch entsprechende Bemessung derSchaufelhöhe am Ein- und Austritt berücksichtigt werden, so bleiben die Axialkomponentender Geschwindigkeiten vom Eintritt in die Turbine bis zum Austritt konstant (cai = wai =cax = const.). Damit wird die Axialkraft, sowie das Axialmoment gleich Null.

Fa = 0 , Ma = 0 (Gleichdruckturbine mit cax = const.) (4.8)

Im Fall der Überdruckturbine kommt für die Axialkomponente der Schaufelkraft ein Term fürden Druckunterschied vor und hinter dem Laufrad hinzu.

Fa =t l ρD

2(wa1 − wa2) +

(

r2s − r2

n

)

π

z(p1 − p2) (Überdruckturbine allgemein) (4.9)

Der erste Term in der Gleichung fällt wieder weg, wenn die Axialkomponenten der Geschwin-digkeiten konstant bleiben. Vernächlässigt man die Krompressibilität des Dampfes, so kannman entlang eines Stromfadens 1 − 2 (Abb. 4.1.2) die Bernoulli-Gleichung für inkompressibleStrömungen anschreiben. Folglich gilt

p1 +ρD

2w2

1 = p2 +ρD

2w2

2 −→ p1 − p2 =ρD

2

(

w22 − w2

1

)

, (4.10)

Page 25: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

4.2 Auftretende Spannungen 21

womit für die Axialkraft

Fa =

(

r2s − r2

n

)

π

z

ρD

2

(

w22 − w2

1

)

(Überdruckt. mit cax = const., ρD = const.) (4.11)

und für das Axialmoment im Nabenschnitt

Ma =

(

r2s − r2

n

)

π

z

ρD l

4

(

w22 − w2

1

)

(Überdruckt. mit cax = const., ρD = const.) (4.12)

geschrieben werden kann. Das gesamte – auf den Nabenschnitt bezogene – Schaufelmomentkann nun aus beiden Komponenten zusammengesetzt werden. Zwischen dem Momentenvektorund der Drehachse wird dabei der Winkel γM eingeschlossen.

M =√

M2t + M2

a , tan γM =Ma

Mt(4.13)

4.2 Auftretende Spannungen

Nachdem im Allgemeinen der Momentenvektor M nicht in Richtung einer Trägheitshauptachsezeigt, ist der Fall der „schiefen Biegung“ gegeben. Das Moment muss also, wie in Abb. 4.2.1dargestellt, in die Komponenten in Richtung der Trägheitshauptachsen η und ζ zerlegt werden.Danach kann die Biegespannung in einem beliebigen Profilpunkt mit den Koordinaten cη, cζ

mit

σb (cη, cζ) = M

[

±cη cos φ

Iζ± cζ sinφ

]

(4.14)

berechnet werden. Durch logische Überlegungen sollte man immer prüfen, ob es sich dabei ineinem bestimmten Profilpunkt um Zug- oder Druckspannung handelt, deshalb immer ±. Beider Laufschaufel kommt zur Biegespannung σb natürlich noch die Fliehkraftspannung σz undes muss gelten:

σb + σz ≤ σzul (4.15)

c η

ζ

η

γ

M

MηM

ζ

γM

φ

S y

z

Abbildung 4.2.1: schiefe Biegung eines Schaufelblattes

Page 26: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

4.3 Dimensionierung der Laufschaufel 22

4.3 Dimensionierung der Laufschaufel

Anhand der aufgestellten Gleichungen für die Belastung und Beanspruchung einer Laufschau-fel und den getroffenen Annahmen sollen im nächsten Schritt Gleichungen abgeleitet werden,die eine direkte Dimensionierung der Laufschaufel ermöglichen. Dazu muss man in erster Linieversuchen, alle Gleichungen so umzuformen, dass am Ende nur noch eine unbekannte Zielgröße(meist die Sehnenlänge s) übrig bleibt.

Um Gleichung (4.14) und (4.15) direkt zur Bestimmung der erforderlichen Sehnenlänge ein-zusetzen, ist – abgesehen von der Ermittlung der zulässigen Vergleichsspannung – nur eineweitere Vorkehrung zu treffen. Und zwar muss man aus den Zu- und Abströmwinkeln eine Git-tergeometrie festlegen, welche unabhängig von tatsächlichen Abmessungen ist, und dafür diedimensionslosen Widerstandsmomente W

ηcund W

ζcim vermutlich kritischen Profilpunkt cη,

cζ bestimmen. Mit bekannter Gittergeometrie lässt sich auch die Teilung t in Abhängigkeit vons beispielsweise in der Form t = τ · s angeben. Bei der Dimensionierung ist es außerdem in derRegel ausreichend, von einer inkompressiblen Strömung auszugehen. Damit begeht man zwareinen Fehler bezüglich der Axialkomponente der Schaufelkraft, dies ist aber gerade eine Rich-tung großer Biegesteifigkeit, womit sich der Fehler in Grenzen hält. Für das Schaufelmomentkann mit Gleichung (4.6), (4.12) und (4.13) geschrieben werden:

M =

(

t l2 ρD cax2

(wu1 − wu2)

)2

+

(

(r2s − r2

n) π

z

ρD l

4

(

w22 − w2

1

)

)2

=

=

(

τ s l2 ρD cax2

(wu1 − wu2)

)2

+

(

τ s l2 ρD

4

(

w22 − w2

1

)

)2

=

=τ s l2 ρD

2

c2ax (wu1 − wu2)

2 +1

4

(

w22 − w2

1

)2(4.16)

Gemeinsam mit Gleichung (4.14) lässt sich Gleichung (4.15) umformen zu

2 ρ l u2m

dm+

τ s l2 ρD

2

c2ax (wu1 − wu2)

2 +1

4

(

w22 − w2

1

)2

± cos φ

s3 Wζc

± sinφ

s3 Wηc

=

=2 ρ l u2

m

dm+

τ l2 ρD

2 s2

c2ax (wu1 − wu2)

2 +1

4

(

w22 − w2

1

)2

±cos φ

Wζc

± sinφ

Wηc

≤ σzul . (4.17)

Die Schaufellänge l errechnet sich aus der Massenbilanz zu

l =m

ρD dm π cax ǫ. (4.18)

In Gleichung (4.17) bleibt dann die Sehnenlänge s als einzige Unbekannte übrig, alle anderenFaktoren können während der üblichen Auslegungsrechnung der Turbinenstufe bestimmt wer-den.

Nutzt man die Gleichung, um eine Gleichdruckstufe zu dimensionieren, so geht natürlichaufgrund w1 = w2 nur das Umfangsmoment in die Gleichung ein, d.h. γM = 0. Zudem sindGleichdruckschaufeln üblicherweise fast symmetrisch, weshalb in Summe der Winkel φ sehrklein ist. Die Biegespannung um die η -Achse kann bei Gleichdruckstufen daher meist vernach-lässigt werden.

Page 27: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

4.3 Dimensionierung der Laufschaufel 23

Beispiel 1:

Für eine zweikränzige Curtis-Turbine (2C-Stufe) mit einer Drehzahl von n = 8000 min−1 sollendie Lauf- und Leitschaufeln dimensioniert werden. Es stehen m = 8 kg/s Dampf von pFD = 67 barmit tFD = 500◦C zur Verfügung und der Gegendruck am Turbinenaustritt beträgt p4 = 12 bar.Die Berechnung der Hauptabmessungen und die Erstellung des Geschwindigkeitsplanes erfolgtnach dem Berechnungsskript für die Konstruktionsübung [13]. Nachdem die Turbine als Gleich-druckstufe ausgelegt wird, treten keine bzw. nur sehr kleine Axialkräfte auf, welche deshalb beider Schaufeldimensionierung nicht berücksichtigt werden müssen. Die Schaufelgeometrie istsymmetrisch und wird mit den Formeln (3.8), (3.9) und Abb. 3.1.3 festgelegt (kδ = 0, 025).Das Widerstandsmoment dieses Schaufelprofils kann dimensionslos aus Abb. 3.1.5 abgelesenwerden. Die zulässige Vergleichspannung beträgt σzul = 70 N/mm2.

Lösung:

Unter Annahme eines Druckverlustes von 4% herrscht am Turbineneintritt p0 = 0, 96 · pFD =64, 32 bar. Die Enthalpie bleibt dabei konstant (h0 = hFD), womit sich die spezifische isentropeEnthalpiedifferenz ∆hs,2C = h0 − h4s = 3415 − 2940 = 457 kJ/kg der gesamten Stufe aus demh/s-Diagramm ablesen lässt. Geht man von einem Turbinenwirkungsgrad ηu = 0, 65 aus, sowird die spezifische Umfangsarbeit zu au = ηu ∆hs,2C = 308, 75 kJ/kg. Daraus errechnet sichdie mittlere Umfangsgeschwindigkeit um und der mittlere Durchmesser dm der Stufe zu

um =

au

8= 196, 45 m/s und dm =

60 um

π n= 0, 469 m .

Setzt man für den Düsenaustrittswinkel α1 = 18◦, so kann man den Geschwindigkeitsplan (Abb.4.3.1) zeichnen und die Strömungswinkel berechnen.

α1

α+ 2

α1 = 18◦

α+

2= α3 = 33, 02

◦ β1

β3

β1 = β+

2= 23, 42

β3 = β+

4= 52, 42

c1= 826

, 25

c2 =

468, 58c3=

468,

58

c 4=

826,2

5

c ax

cu1 = 4 um

cu2 = 2 umcu3 = 2 um

um = 196, 45 umumum

w1=

642, 2

9w

2 =642, 29

w3=

322, 1

6

w4=

322, 1

6

wu1 = 3 um wu2 = 3 um

wu3 = um wu4 = um

Abbildung 4.3.1: Geschwindigkeitsplan in m/s

Was jetzt noch für die Schaufeldimensionierung fehlt, sind die Dampfdichte nach dem Düsen-austritt ρ1 und die Schaufellänge l. Die Dampfdichte kann aus dem h/s-Diagramm abgelesenwerden, dazu muss man vorerst zugehörigen Druck und Enthalpie bestimmen. Die isentropeEntspannung von p0 auf p1 würde mit einem angenommenen Gitterwirkungsgrad ηI = 0, 82

Page 28: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

4.3 Dimensionierung der Laufschaufel 24

nach der Düse eine spezifische Enthalpie von hs1 ergeben. Nachdem aber nicht das gesamte Ent-halpiegefälle in Geschwindigkeit umgewandelt wird, ergibt sich durch die Verluste bei adiabaterDüsenströmung die spezifische Enthalpie h1.

hs1 = h0 − c21/(2 ηI) = 2998, 72 kJ/kg, h1 = h0 − c2

1/2 = 3073, 65 kJ/kg

Im h/s-Diagramm lässt sich für diese Werte die Dampfdichte nach der Düse mit ρ1 = 1/v1 =5, 88 kg/m3 beziffern. Im Folgenden wird vereinfacht angenommen, dass bis zum Turbinenaustrittdie Dampfdichte ρD = ρ1 konstant bleibt (Inkompressibilität). Dies stellt eine konservativeAnnahme dar, weil die Dichte zum Turbinenaustritt hin stets abnimmt.

Bei der Bestimmung der Schaufellänge l zeigt sich, dass eine Teilbeaufschlagung notwendig ist.Die Schaufellänge wird mit l = 15 mm festgelegt, auch sie bleibt aufgrund der angenommenenInkompressibilität des Dampfes für alle Schaufelreihen annähernd konstant.

Zur Ermittlung der Schaufelbreiten sind nun alle notwendigen Informationen gesammelt und

für die erste Laufreihe kann mit τ =t

b=

1

2, 5 sin (2β)+kδ aus Gleichung (3.9) geschrieben

werden:

σzul ≥2 ρ l u2

m

dm+

(

1

2, 5 sin (2β1)+ kδ

)

l2 ρD cax

2 (bII )2(wu1 − wu2)

1

Wymin

=

=2 ρ l u2

m

dm+

(

1

2, 5 sin (2β1)+ kδ

)

l2 ρD cax

2 (bII )2 Wymin

(3um − (−3 um)) =

=2 ρ l u2

m

dm+

(

1

2, 5 sin (2β1)+ kδ

)

3 l2 ρD cax um

(bII )2 Wymin

=⇒

bII ≥

3 l2 ρD cax um

(

12,5 sin (2 β1) + kδ

)

Wymin

(

σzul − 2 ρ l u2m

dm

) =

=

3 · 0, 0152 · 5, 88 · 255, 33 · 196, 45 ·(

12,5 sin (2·23,42◦) + 0, 025

)

0, 0135 ·(

70 · 106 − 2·7850·0,015·196,452

0,469

) = 0, 0129m = 12, 9mm .

Beim nachfolgenden Umlenkgitter tritt natürlich keine Fliehkraftspannung auf, daher gilt

σzul ≥(

1

2, 5 sin (2α+

2 )+ kδ

)

l2 ρD cax

2 (bIII )2(cu2 − cu3)

1

Wymin

=

=

(

1

2, 5 sin (2α+

2 )+ kδ

)

l2 ρD cax

2 (bIII )2 Wymin

((−2 um) + 2um) =

=

(

1

2, 5 sin (2α+

2 )+ kδ

)

2 l2 ρD cax um

(bIII )2 Wymin

=⇒

Page 29: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

4.3 Dimensionierung der Laufschaufel 25

bIII ≥

2 l2 ρD cax um

(

12,5 sin (2 α+

2 )+ kδ

)

σzul W ymin

=

=

2 · 0, 0152 · 5, 88 · 255, 33 · 196, 45 ·(

12,5 sin (2·33,02◦) + 0, 025

)

70 · 106 · 0, 0057= 0, 0124m = 12, 4mm .

Die zweite Laufreihe ist prinzipiell wieder wie die erste zu berechnen. Es gilt

σzul ≥2 ρ l u2

m

dm+

(

1

2, 5 sin (2β3)+ kδ

)

l2 ρD cax

2 (bIV )2(wu3 − wu4)

1

Wymin

=

=2 ρ l u2

m

dm+

(

1

2, 5 sin (2β3)+ kδ

)

l2 ρD cax

2 (bIV )2 Wymin

(um − (−um)) =

=2 ρ l u2

m

dm+

(

1

2, 5 sin (2β3)+ kδ

)

l2 ρD cax um

(bIV )2 Wymin

=⇒

bIV ≥

l2 ρD cax um

(

12,5 sin (2 β3) + kδ

)

Wymin

(

σzul − 2 ρ l u2m

dm

) =

=

0, 0152 · 5, 88 · 255, 33 · 196, 45 ·(

12,5 sin (2·52,42◦) + 0, 025

)

0, 0016 ·(

70 · 106 − 2·7850·0,015·196,452

0,469

) = 0, 019m = 19, 0mm .

Wie man sieht, ergeben sich bei Gleichdruckstufen sehr einfache Gleichungen für die Schaufel-breiten, vor allem, wenn eine Geschwindigkeitsstufung vorliegt.

Beispiel 2:

Für eine Überdruckstufe mit dem Geschwindigkeitsplan nach Abb. 4.3.2 und einem mittlerenDurchmesser von dm = 700mm soll die Laufschaufel dimensioniert werden. Die Schaufelgeo-metrie soll dabei ein nach Traupel empfohlenes Teilungsverhältnis aufweisen. Die Dichte desDampfes vor der Laufschaufelreihe ist ρD = 15 kg/m3 und die Schaufellänge beträgt l = 30mm.Die zulässige Vergleichspannung beträgt σzul = 70 N/mm2.

α1

α+

2

α1 = β+

2= 16

β1

β+ 2β1 = α+

2= 58

c ax

c1= 190

, 1

c2=

61, 8

um = 150um = 150

w1

=61, 8

w2 = 190, 1

Abbildung 4.3.2: Geschwindigkeitsplan in m/s

Page 30: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

4.3 Dimensionierung der Laufschaufel 26

Lösung:

Die Fliehkraftspannung errechnet sich sofort zu

σz =2 ρ l u2

m

dm=

2 · 7850 · 0, 03 · 1502

0, 7· 10−6 = 15, 14 N/mm2 .

Für die vorliegenden Strömungswinkel des Laufrades gibt Traupel ein günstiges Verhältniszwischen Gitterteilung und Sehenlänge von τ = t/s = 0, 67 an. Das Schaufelmoment ist un-ter dem Winkel γM = arctan (Ma/Mt) zur Drehachse geneigt und wird in Abhängigkeit derSehnenlänge zu

M =τ s l2 ρD

2

c2ax (wu1 − wu2)

2 +1

4

(

w22 − w2

1

)2=

=0, 67 · s · 0, 032 · 15

2

52, 42 (32, 7 + 182, 7)2 +1

4(190, 12 − 61, 82)2 = 89, 16 s

γM = arctan

(

w22 − w2

1

2 cax (wu1 − wu2)

)

= arctan

(

190, 12 − 61, 82

2 · 52, 4 (32, 7 + 182, 7)

)

= 55, 06◦

An dieser Stelle könnte man nun von einer ge-nauen Bestimmung der Sehnenlänge und derdazu benötigten Widerstandsmomente im kriti-schen Profilpunkt absehen und stattdessen dievereinfachte Methode von Costard anwenden.Nach Abb. 3.4.1 ist W = 0, 012 und es gilt

(σb)max =M

W=

M

s3 W≤ σzul − σz =⇒

(σb)max =89, 16 s

s3 0, 012=

7430, 26

s2≤ 70 · 106 − 15, 14 · 106 = 54, 86 · 106 =⇒

s ≥√

7430, 26

54, 86 · 106= 0, 0116m = 11, 6mm .

1

2

ζ

η

γ

M

γM

φ

Abbildung 4.3.3: Profilgeometrie

Bei einer präziseren Berechnung der minimalen Sehnenlänge muss man zuerst die Widerstands-momente im kritischen Profilpunkt und die Lage der Trägheitshauptachsen auslesen, beispiels-weise mit CAD-Software (siehe Abschnitt 3.3). Dies wurde für die definierte Profilgeometrie(Abb. 4.3.3) ausgeführt, wobei sowohl an Ein-, als auch an Austrittskante (Punkte 1 und 2)die Maximalspannung auftreten könnte. Mit dem Winkel φ = γM − (90◦ − γ) = 26, 4◦ gilt inAnlehnung an Gleichung (4.17)

σz +M

s3

cos φ

Wζ1

+sinφ

Wη1

≤ σzul bzw. σz +M

s3

cos φ

Wζ2

− sinφ

Wη2

≤ σzul ,

15, 14 · 106 +89, 16

s2

[

cos 26, 4◦

0, 0110+

sin 26, 4◦

0, 0424

]

≤ σzul =⇒ s ≥ 12, 2mm bzw.

15, 14 · 106 +89, 16

s2

[

cos 26, 4◦

0, 0102− sin 26, 4◦

0, 0189

]

≤ σzul =⇒ s ≥ 10, 2mm ,

wobei für s natürlich der größere Wert entscheidend ist.

Page 31: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

27

5 Festigkeit der Hochtemperaturwerkstoffe

Die Betriebstemperaturen einer Dampfturbine stellen hohe Anforderungen an die verwendetenWerkstoffe. Neben mechanischen Eigenschaften werden vor allem auch gute Korrosionsbestän-digkeit, ausreichende Zerspanbarkeit und günstiger Preis gefordert. Aus diesen Gründen kom-men im Dampfturbinenbau noch immer vorwiegend Werkstoffe auf Eisen-Basis zum Einsatz,während man beispielsweise bei Hochtemperaturanwendungen im Gasturbinenbau längst neueWerkstoffe – wie Nickelbasis-Superlegierungen – anwendet. Zu den hochwarmfesten Werkstof-fen auf Eisenbasis zählen martensitische Chromstähle und austenitische Chrom-Nickel-Stähle,beide sind korrosionsbeständig. Während aber der martensitische Chromstahl nur bis etwa600◦C einsetzbar ist, kann der wesentlich teurere austenitische Stahl bis ca. 700◦C verwendetwerden. In der Vergangenheit hat diese Preisdifferenz eine mögliche Wirkungsgradsteigerungnicht gerechtfertigt, weshalb noch immer hauptsächlich der martensitische Stahl zur Anwen-dung kommt.

5.1 Ermüdung bei hohen Temperaturen

Grundsätzlich sinken Zugfestigkeit und Streckgrenze mit steigender Temperatur. Darüber hin-aus kommt es ab einer Temperatur von etwa 40% der Schmelztemperatur TS zu einem zeit-abhängigen Verformungsprozess, der als Kriechen bezeichnet wird. Diese thermisch aktivierteGefügeänderung führt beispielsweise dazu, dass sich ein unter Zugspannung stehender Staboberhalb ca. 0, 4 TS ständig, bis zum Bruch, verlängert. Wesentlich bei Festigkeitsrechnungenim Hochtemperaturbereich ist daher das Fehlen von Dauerfestigkeiten, vielmehr werden soge-nannte Zeitstandfestigkeiten und Zeitdehngrenzen angegeben.

00

100 200 300 400 500

500

900

Auslegung nach0,2%-Dehngrenze

Auslegung nach1%-Zeitdehngrenze

Rin

N/m

m2

Rm

Rp 0,2

Rm105/ϑ

Rp1/105/ϑ

ϑ in ◦C

Abbildung 5.1.1: Festigkeitsschaubild des martensitischenChromstahles X 22 CrMoV 12-1 aus [1] S.102

Page 32: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

5.1 Ermüdung bei hohen Temperaturen 28

Abb. 5.1.1 zeigt das Festigkeitsschaubild für den martensitischen Chromstahl X 22 CrMoV 12-1.Man erkennt sehr gut, dass unterhalb von ca. 300◦C zeitunabhängige Streck- und Dehngrenzenvorliegen, bei Temperaturen darüber wird jedoch der Einfluss der Kriechvorgänge sehr groß,wodurch eine Auslegung nach zeitabhängigen Kenndaten zu erfolgen hat. So bedeutet zumBeispiel Rp 0,2/105/500◦ = 100 N/mm2, dass ein Zugstab unter einer Spannung von 100 N/mm2 beieiner Temperatur von 500◦C nach 100.000 Stunden eine Dehnung von 0,2% erreicht.

Alleine mit der Zeitstandfestigkeit ist jedoch in den seltensten Fällen eine Festigkeitsrechnungmöglich, denn die meisten Bauteile einer Turbine sind nicht bloß statisch, sondern dynamischbeansprucht. In Abb. 5.1.2 ist ein typischer Spannungsverlauf im kritischen Profilpunkt einerTurbinenlaufschaufel bei Teilbeaufschlagung gegeben.

R

σ

σm

a=

σb

σu

z

σo

t

T

ǫ T

Abbildung 5.1.2: Spannungsverlauf im kritischen Profilpunkt einer Laufschaufel (n = const.)

Wie man sieht, kommt ausgehend von einer Grundspannung, der Fliehkraftspannung σu = σz

beim Durchlaufen des Dampfstromes ein Biegespannungsanteil dazu. Wie lange die Biegespan-nung pro Umdrehung (mit Periodendauer T ) des Laufrades auf eine Schaufel einwirkt, hängtvom Beaufschlagungsgrad ǫ ab. Die Welligkeit der Biegespannung entsteht durch die Nachlauf-dellen des vorhergehenden Gitters und wird vom Schwingungsverhalten der Schaufel beeinflusst(siehe [14] S.151).

In Abhängigkeit von der Größe der Fliehkraft- und Biegespannung können unterschiedli-che Belastungsgrade R auftreten. Was man daher benötigt, sind zulässige Spannungswertein Abhängigkeit von Belastungsfall und Temperatur für eine bestimmte Belastungszeit. Manspricht in diesem Zusammenhang von Hochtemperatur-Lang- bzw. Kurzzeitschwingfestigkeiten(HT-HCF bzw. HT-LCF), wobei der Low Cycle Fatigue - Bereich (LCF) bis zu einer Bruch-zyklenzahl von ca. 104 bis 105 Lastwechsel und der High Cycle Fatigue - Bereich (HCF) fürBruchzyklenzahlen darüber gilt ([1] S.201). Die Darstellung dieser Daten erfolgt üblicherwei-se im Haigh-Diagramm Abb. 5.1.3 (um 45◦ gedrehtes Smith-Diagramm), also ähnlich wie dieDauerfestigkeitsschaubilder bei tiefen Temperaturen. Nachdem, wie bereits erläutert, bei hohenTemperaturen keine Dauerfestigkeitswerte existieren, gelten die Kurven in diesem Diagrammjeweils nur für eine bestimmte Temperatur und Belastungszeit.

Page 33: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

5.1 Ermüdung bei hohen Temperaturen 29

0

R =σu

σo

Rm t/ϑ

R = −1R = −0, 5

R = 0

R = 0, 5

R = 1σ

σ

σ

σσ

σm

|σa|

σW t/ϑ

t

t

t

tt

tm1

tm5

tm1 ≥ tm2 ≥ . . . ≥ tm5

ϑ = const.

Abbildung 5.1.3: Haigh-Diagramm für Temperaturen oberhalb ca. 0, 4Ts aus [1] S.219

Im Diagramm sind auf der Abszisse die Zeitstandfestigkeiten eingetragen und auf der Ordinatefinden sich die ertragbaren Spannungswerte bei rein wechselnder Beanspruchung, jeweils beider Temperatur ϑ und für eine bestimmte Belastungsdauer tm. Der Verlauf für Belastungs-grade zwischen R = −1 und R = 1 muss in zahlreichen Versuchen ermittelt werden, weshalbsich die Erfassung der Daten zur Erstellung solcher Diagramme oft über Jahrzehnte zieht.Näherungsverfahren zur raschen Konstruktion eines Haigh-Diagramms, wie z.B. mit Hilfe derGoodman-Geraden oder der Gerber-Parabel, gelten nur für niedrige Temperaturen und exis-tieren für hohe Temperaturen nicht. Der/die TurbinenbauerIn sieht sich an dieser Stelle alsohäufig mit dem Problem konfrontiert, dass er/sie auf keine zulässigen Vergleichsspannungenzurückgreifen kann, da das entsprechende Haigh- oder Smith-Diagramm nicht vorliegt.

Selbst Stahlhersteller machen in ihren Datenblättern fast immer nur Angaben für statischeBeanspruchungen, für das HCF-Verhalten liegen keine Daten vor. Wenn man bedenkt, welcherAufwand zur Erstellung eines vollständigen Haigh-Diagramms für unterschiedliche Tempera-turen und Belastungszeiten erforderlich ist, scheint dies verständlich. Große Turbinenherstellerbetreiben daher meist selbst Werkstofflabors, um Materialien direkt unter Betriebsbedingungenzu erproben. Manchmal kann sich aber auch eine oft langwierige Literaturrecherche lohnen.

5.1.1 Zulässige Spannungen für den Chromstahl X 22 CrMoV 12-1

Die Suche nach einem vollständige Haigh- oder Smith-Diagramm blieb vorerst auch für denChromstahl X 22 CrMoV 12-1 vergebens. Einzig das Diagramm Abb. 5.1.4 nach Costard

liefert scheinbar zulässige Vergleichsspannungen für das betrachtete Material. Die Angabe zu-lässiger Vergleichsspannungen für Temperaturen im Kriechbereich, ohne Angabe einer Belas-tungsdauer wie in diesem Diagramm, ist jedoch aus oben genannten Gründen zu kritisieren.Das Diagramm eignet sich also bestenfalls zur ungefähren Schaufeldimensionierung.

Page 34: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

5.1 Ermüdung bei hohen Temperaturen 30

00

50

100

100

150

200

200 300 400 500 600

σzu

lin

N/m

m2

ϑ in ◦C

Abbildung 5.1.4: Zulässige Vergleichsspannungen für denChromstahl X 22 CrMoV 12-1 nach [2] S.15

Sehr vielversprechend klingt jedoch ein Verfahren nach Keil und Maier [4], bei dem eineKorrelation zwischen HCF- und Zeitstanddaten hergestellt wird. Dadurch ist man in der La-ge, aufwendige HCF-Versuche durch Versuche kürzerer Laufzeit zu ersetzen. In [5] wurde dieMethode auf den betrachteten Chromstahl X 22 CrMoV 12-1 angewendet und daraus das Dia-gramm Abb. 5.1.5 gewonnen. Die Kurven im Diagramm sind für bestimmte Belastungsfälleangegeben und sind weitgehend unabhängig von der Temperatur. Kennt man die Werte ausden Zeitstandversuchen (z.B. Abb. 5.1.1), kann daraus durch Interpolation bzw. Extrapolati-on auf die HCF-Belastbarkeit bei höheren Temperaturen geschlossen werden. Damit wird esmöglich, das Haigh-Diagramm für unterschiedliche Temperaturen und Belastungszeiten aus denZeitstanddaten aufzubauen, was im nachfolgendem Beispiel kurz demonstriert wird.

0

0

0, 1 0, 2 0, 3 0, 4

0, 5

0, 5 0, 6

1, 0

0,2%-DehngrenzeAuslegung

R = −1R = 0

R = 0, 5

σa/R

mt/

ϑ

Rm t/ϑ/Rp 0,2

Abbildung 5.1.5: Korrelation der HCF-Ergebnisse mit den Zeitstanddatenfür den Chromstahl X 22 CrMoV 12-1 (glatte Probe) aus [5] S.246

Hinweis:

Zur Erstellung des Korrelationsdiagrammes aus Abb. 5.1.5 standen den Autoren nur äußerstwenige Proben zur Verfügung, es ist daher statistisch wenig abgesichert. So wurde beispielsweisedie Kurve für R = 0, 5 aus einer einzigen Probe, also einem einzelnen Punkt in der Grafikmodelliert. Für eine praktische Anwendung des Diagramms sollte es durch weitere Versuchebestätigt und wenn nötig ergänzt werden.

Page 35: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

5.1 Ermüdung bei hohen Temperaturen 31

Beispiel:

Unter Verwendung der Diagramme Abb. 5.1.1, Abb. 5.1.5 und einer Belastungszeit von 105

Stunden soll für den Werkstoff X 22 CrMoV 12-1 das Haigh-Diagramm für die Temperaturenϑ = {400, 450, 500, 550} ◦C gezeichnet werden.

Lösung:

Durch Interpolation bzw. Extrapolation erhält man folgende Tabelle mit Werten in N/mm2:

σa σmϑ [◦C] Rp 0,2 Rm105/ϑ R = −1 R = 0 R = 0, 5 R = −1 R = 0 R = 0, 5

400 466 338 223 164 69 0 164 207450 415 251 176 135 51 0 135 153500 364 178 130 104 36 0 104 108550 313 126 100 81 28 0 81 84

Nach Eintragung dieser Punkte in das Haigh-Diagramm ergibt sich das Bild Abb. 5.16.

0

0

50

100

100

150

200

200 300

R=

0

R = 0, 5

σm

|σa|

ϑ = 400◦C

450◦C

500◦C

550◦C

Abbildung 5.1.6: Haigh-Diagramm für den Chromstahl X 22 CrMoV 12-1bei einer Belastungszeit von 105 Stunden in N/mm2

Sieht man zunächst von den ohnehin sehr fragwürdigen Punkten entlang der Gerade R = 0, 5ab (siehe Hinweis), so kann man die Isochronen in guter Übereinstimmung als Ellipsen konstru-ieren. Zu diesem Ergebnis kamen auch die Autoren in [5]. Die Halbachsen der Ellipsen werdendabei jeweils von Rm

105/ϑauf der Abszisse und σa bei R = −1 auf der Ordinate gebildet.

Würde man jetzt nochmals Beispiel 2 aus Abschnitt 4.3 mit σz = 15, 14 N/mm2 und σb =54, 86 N/mm2 im kritischen Profilpunkt betrachten, so könnte man mit Hilfe des Diagrammssehr einfach den Festigkeitsnachweis erbringen. Denn bei einer angenommenen Dampftempera-tur von ϑ = 500◦C vor dem Schaufelgitter erhält man mit

σm ≈ σz +σb

2= 15, 14 +

54, 86

2= 42, 57 N/mm2 und σa ≈ σb

2=

54, 86

2= 27, 43 N/mm2

einen Punkt im Haigh-Diagramm des Chromstahls X 22 CrMoV 12-1, der innerhalb der 500◦C-Isochronen und damit im zulässigen Bereich liegt. Der Festigkeitsnachweis für eine Belastungs-dauer bis zu 105 Stunden ist damit bereits erbracht.

Page 36: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

32

6 Zusammenfassung

Unter Berücksichtigung der statischen Beanspruchungen und der zulässigen Festigkeit wird dieDimensionierung einer Dampfturbinenlaufschaufel betrachtet. Besonderes Augenmerk gilt derSchaufel-Auslegung für Gleichdruckturbinen nach dem Curtis-Prinzip, welches Gegenstand derKonstruktionsübung Kleindampfturbine, unter der Leitung von Prof. Reinhard Willinger ist.

Zu Beginn werden mehrere Methoden zur Bestimmung der Flächenträgheits- und Wider-standsmomente vorgestellt und deren Tauglichkeit für verschiedene Profilformen beurteilt. Her-vorzuheben sind dabei die Diagramme aus Abschnitt 3.1.2, welche für die vereinfachte Schau-felgeometrie einer Gleichdruckstufe sehr präzise Ergebnisse liefern und sich dadurch bestensfür die Konstruktionsübung eignen. Für komplexere Profile ist heute die computerunterstützteBerechnung nicht mehr wegzudenken, in Ausnahmefällen ist aber auch das etwas in Verges-senheit geratene grafische Verfahren zu gebrauchen, weshalb beide jeweils mit einem kurzenBeispiel dargestellt werden. Weil im Vorfeld einer exakten Festigkeitsrechnung der Aufwandzur Bestimmung der Widerstandsmomente um die Hauptträgheitsachsen sehr groß sein kann,haben sich bereits in der Vergangenheit diverse Autoren Gedanken über vereinfachte Kriteriengemacht. Ihre wesentlichen Ergebnisse werden ebenfalls präsentiert, und der genauen Rechnunggegenübergestellt. Danach erfolgt die Erfassung sämtlicher Belastungen der Laufschaufel undBerechnung wesentlicher Beanspruchungen. Auftretende Biegespannungen müssen dabei nachdem Prinzip der „schiefen Biegung“ jeweils hauptachsenbezogen angegeben werden und könnenim Anschluss zusammen mit der Fliehkraftspannung zur Gesamtspannung in einem beliebigenProfilpunkt aufsummiert werden.

Eine besondere Herausforderung beim Festigkeitsnachweis von Bauteilen im Hochtempera-turbereich stellt die Ermittlung von zulässigen Spannungen dar. Nachdem bei Temperaturenüber ca. 0, 4 TS keine Dauerfestigkeiten mehr existieren, können zulässige Spannungen nur inAbhängigkeit von Belastungsfall, Temperatur und Belastungszeit angegeben werden, was derenErmittlung entsprechend aufwendig gestaltet. Mit Hilfe eines Verfahrens von Keil und Mai-

er gelingt es aber eine Korrelation zwischen Zeitstanddaten und HCF-Verhalten herzustellen,wodurch umfangreiche Versuche durch einfachere ersetzt werden können. An einem Beispielwird dies für den Werkstoff X 22 CrMoV 12-1 demonstriert und die Ergebnisse in ein Haigh-Diagramm eingetragen.

Page 37: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

Literaturverzeichnis

[1] Bürgel, R.: Handbuch Hochtemperatur-Werkstofftechnik. 3. Auflage. Wiesbaden: View-eg+Teubner Verlag, 2006.

[2] Costard, G.: Zur Frage des zweckmäßigen Reaktionsgrades bei Dampfturbinen großer Leis-tung. Siemens Zeitschrift 41, 1967. Beiheft: „Dampfturbinen großer Leistung“, S.9-21.

[3] Dietzel, F.: Dampfturbinen. 3. Auflage. München: Hanser-Verlag, 1980.

[4] Keil/Maier: Verhalten der hochwarmfesten Legierung X 40 CoCrNiW 45 20 unterZeitstand- und Schwingungsbeanspruchung. Materialprüfung, Bd. 10, 1968. Nr. 4, S.116-121.

[5] Kußmaul/Maile/Bothe: Langzeitschwingfestigkeitsverhalten bei Temperaturen im Kriech-gebiet. Materialwissenschaften und Werkstofftechnik, Bd. 26, 1995. S.241-250.

[6] Menny, K.: Strömungsmaschinen: Hydraulische und thermische Kraft- und Arbeitsmaschi-nen. 5. Auflage. Wiesbaden: Vieweg+Teubner Verlag, 2006.

[7] Merziger/Wirth: Repetitorium der höheren Mathematik. 5. Auflage. Springe: Binomi-Verlag, 2006.

[8] Saravanamuttoo/Rogers/Cohen: Gas Turbine Theory. 5. Auflage. Harlow (u.a): PrenticeHall, 2001.

[9] Stapper, B.: Wirkungsgradpotentiale steinkohlebefeuerter Kraftwerke. VDI Berichte 1321.Düsseldorf: VDI, 1997.

[10] Tapley, Byron D.: Eshbach’s Handbook of Engineering Fundamentals. 4. Auflage. Hoboken,New Jersey: John Wiley & Sons, 1990.

[11] Traupel, W.: Thermische Turbomaschinen 1. 4. Auflage. Berlin: Springer-Verlag, 2001.

[12] Traupel, W.: Thermische Turbomaschinen 2. 4. Auflage. Berlin: Springer-Verlag, 2001.

[13] Willinger, R.: Unterlagen zur Konstruktionsübung „Kleindampfturbine“, (2009).

[14] Willinger, R.: Skriptum zur Vorlesung „Thermische Turbomaschinen“, (2008).

iv

Page 38: Bachelorarbeit - TU Wien · Bachelorarbeit Festigkeitsberechnung einer Dampfturbinenlaufschaufel Ausgeführt am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität

Ich versichere, dass ich diese Bachelorarbeit selbständig verfasst und nur die angegebe-

nen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.

Die Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinne nach ent-

nommen sind, wurden in jedem Fall unter Angabe der Quellen kenntlich gemacht. Dies

gilt auch für beigegebene Zeichnungen, bildliche Darstellungen, Skizzen und dergleichen.

Steyr, am 12. September 2009

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

(Unterschrift des Kandidaten)

v