Bachmann, Christian - Die Krebsmafia (1981, 315 S., Text)

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    Christian Bachmann

    DIE KREBSMAFIAIntrigen und Millionengeschäfte mit einer Krankheit

    Vorwort von Frederic Vester

    Editions Tomek

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    Für Maja

    Ich danke den zahlreichen Personen, die durch Anregungen, Mit-

    teilungen, Literaturvermittlung, Diskussion und Kritik mitgeholfenhaben, daß dieses Buch entstehen konnte.

    Frauenfeld, im Januar 1981 C. B.

    © 1981 R. St Tomek

    »Casablanca« - Principauté de Monaco

    Alle Rechte, einschließlich der fotomechanischen oder elektronischen Wiedergabe,

    vorbehalten

    Umschlag: Urs Kohli, Bern

    Lektorat: Bettina StahelGesamtherstellung: Weisermühl, Wels

    ISBN 2-86443-009-6

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    Inhalt

    Vorwort 7

    Einleitung

    1 Der betrogene Patient 19

    2 Der Vietnamkrieg gegen den Krebs 33

    3 Das Establishment 65

    4 Die »Wohltäter« 95

    5 Wunder oder Schwindel? 119

    6   »Es gibt keine Krebsdiät« 133

    7 Das Ghetto der Steiner-Jünger 157

    8 Bücherverbrennung 177

    9 Strahlengeschichten  I97 

    10 Psycho-Terror 22 5

    11 Der Fall Issels 253

    12 Die Kostenfrage 279

    13 Was tun gegen Krebs? 289

    Quellenhinweise 305

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    Vorwort

    In einer dreibändigen Zusammenstellung der Deutschen Forschungs-

    gemeinschaft berichteten kürzlich 2495 Krebsforscher aus insgesamt

    780 Instituten über den Stand ihrer Arbeit. Ergebnis der letzten Jahr-

    zehnte: eine Palette neuer krebshemmender Arzneimittel, immer raffi-

    niertere und kostspieligere Bestrahlungs- und Diagnosegeräte und der

    Nachweis einer großen Zahl krebserzeugender Chemikalien und Um-

    weltgifte. Einzig interessante Frage: Wie viele Menschen werden auf

    Grund dieser Ergebnisse heute weniger von Krebs befallen, bezie-

    hungsweise mehr geheilt als früher?Die Statistik weist aus, daß 1955 etwa 95 000 Bundesbürger an den ver-

    schiedenen Krebsarten starben, 1975 jedoch bereits rund 150000 -

    ohne daß die Bevölkerung entsprechend zugenommen hätte. Und die

    Zahl steigt weiter. Es ist daher wohl kaum zu leugnen, daß die eta-

    blierte Krebsforschung und Krebstherapie seit über 20 Jahren in einer

    Sackgasse stecken. Dennoch werden nach wie vor wesentliche alterna-

    tive Richtungen und Innovationen nicht gefördert, nicht ernsthaft aufneuartige Wirkungen geprüft, ja zum Teil gezielt unterdrückt.

    Die Krebsmafia - ein schockierender Titel. Gibt es sie also wirklich?

    Sicher nicht im Sinne des Familienclans, des bewußt organisierten,

    straff geleiteten Erpressungs-, Unterdrückungs- und Einschüchte-

    rungssyndikats. Der Autor hat diesen Titel vor allem gewählt, um die

    undurchdringliche Phalanx zu beschreiben, mit der das an den Hebeln

    sitzende Establishment - bewußt oder unbewußt - jedes Eindringen

    »Artfremder« abblockt.

    Mir selbst erscheint diese »Mafia« als das Ergebnis einer zufälligen Sy-

    stemstruktur äußerst unterschiedlicher, getrennt und dennoch parallel

    wirkender Interessengruppen. Da wäre z. B. der medizinische Klüngel

    mit seinen verständlichen Finanzinteressen; die etablierte Forschung

    mit ihren geldverschlingenden Programmen, die von der öffentlichen

    Hand immer neu gefüttert werden müssen, wo Doktorarbeiten laufen,

    für die man Geld braucht, und Forschungen durchgeführt werden,weil Publikationen fällig sind; dann die Apparatehersteller der Indu-

    strie mit ihren immer neu anrückenden Groß-Robotern, -Scannern,

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    -Bestrahlungs- und -Analysengeräten, die ihre teuren Maschinen na-

    türlich nur mit gutem Gewissen verkaufen können, wenn sie vom me-

    dizinischen Establishment abgesichert sind; und schließlich die Offi-

    ziellen, die Politiker und Administratoren, die Jahr für Jahr Steuergel-

    der verteilen im guten Glauben, sie in die richtigen Kanäle fließen zulassen, und für die es natürlich schwer ist, zuzugeben, daß sie vielleicht

     jahrzehntelang auf das eine oder andere falsche Pferd gesetzt haben.

    Auch ihnen hilft dann vielfach nur die Flucht nach vorne - und das

    heißt, eingefahrene Wege weiter und noch höher zu unterstützen und

    alles andere links liegen zu lassen. Zugegebenermaßen haben sie es -

    ähnlich wie in vielen Umweltbereichen - nicht leicht, sich aus dem

    Wust von sich zum Teil widersprechenden Gelehrtenmeinungen einUrteil zu bilden. Wem sollen sie jeweils glauben?

    Dennoch gibt es unzweifelhaft eine kleine Zahl von »Drahtziehern«,

    die bewußt, wenn auch vielleicht nicht wider besseres Wissen, jegli-

    chen neuen oder bisher nicht zum Zuge gekommenen Ansatz unter-

    drücken. Wie sonst könnte es regelrechte Anweisungen geben, die in

    der harmlosen Verpackung wissenschaftlicher Fachbücher aufzeigen,

    an welchen »Merkmalen« der zu unterdrückende Vertreter einer un-

    erwünschten Forschungs- oder Behandlungsrichtung zu erkennen ist.So liest sich folgender Passus aus einem onkologischen (sich mit der

    klinischen Krebsforschung beschäftigenden) Fachbuch schon recht

    makaber, wo anhand eines simplen Rezeptkatalogs bestimmt wird, was

    als pseudo-wissenschaftlich und was als wissenschaftlich zu gelten hat

    und welche Merkmale für das Quacksalbertum sprechen (das es selbst-

    verständlich durchaus gibt, aber eben nicht nur im unorthodoxen La-

    ger, sondern wohl genauso in der etablierten Krebsforschung und -the-rapie). In einem Kapitel, das bezeichnenderweise mit »Medikamente

    und Methoden ohne nachgewiesene therapeutische Wirkung« über-

    schrieben ist* (als wenn die Schulmedizin auf dem Krebssektor viel an-

    deres aufzuweisen hätte!), gilt es danach schon als verdächtig, wenn be-

    stimmte Methoden folgende Eigenschaften haben, die sie gegenüber

    der Schulmedizin auszeichnen: Keine unangenehmen oder gefährli-

    chen Nebenwirkungen (!), schlecht definierbare Extrakte aus Pflanzen,* Brun ner und Nagel (Hrsg. ): Internistische Krebstherapie, Kap. 4. Springer Verlag, Ber-

    lin 1979.

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    biologische Produkte oder homöopath ische Präparate, weiterhin wenn

    eine besondere Diät zur Behandlung gehört (!) und auch selbst dann,

    wenn es sich bei dem therapeutischen Effekt um eine immunologische

    Wirkung handeln soll.

    Bereits mit dieser Liste werden mehrere vielversprechende Wege vonvorneherein als unseriös abgestempelt, so daß sich die meisten ange-

    henden Mediziner und Doktoranden biologischer Forschungsrichtun-

    gen schon im voraus hüten werden, solche heißen Eisen anzufassen.

    Das Ergebnis: die heißen Eisen wurden so erst gar nicht ernsthaft ge-

    prüft. Als besonders unmoralisch - ohne den Bumerangeffekt zu er-

    kennen - wird im übrigen gebrandmarkt, wenn solche Richtungen den

    Patienten Heilung oder zumindest einen Therapieerfolg versprechen -also letztlich genau das, was die Schulmedizin unbekümmer t tut. Auch

    folgende Bemerkung schlägt wohl eher ins eigene Lager zurück und

    verfehlt die als Diffamierung gedachte Wirkung: »Es muß heute als

    unethisch bezeichnet werden, einem Krebspatienten eine Therapie zu

    verabfolgen, deren Nützlichkeit und Verträglichkeit nicht nach den

    geltenden erprobten Regeln untersucht worden ist.« Was die geltenden

    Regeln sind, bestimmt selbstverständlich das Establishment.

    Gibt es die Mafia im Krebsbereich also doch? In dem obigen Sinne ge-

    wiß. Bachmann zeigt deutliche Parallelen auf und beschreibt, was hier

    womöglich aus einer zufälligen Konstellation von in die gleiche Rich-

    tung gehenden Interessen entstanden ist, was jedoch in der Auswir-

    kung dann best immte Ergebnisse zeitigt, wie sie auch eine »ehrenwerte

    Gesellschaft« nicht viel anders hervorbringt. Nur daß hier beim Krebs

    - so könnte man es bösartig formulieren - die Zahl der durch die Ver-

    nachlässigung alternativer und ganzheitlicher Aspekte und somit aucheiner echten Vorbeugung womöglich frühzeitig ins Jenseits Beförder-

    ten beachtlich größer ist als beim organisierten Verbrechertum.

    Ich finde es daher gut und notwendig, daß nach aufklärenden Büchern

    aus der Krebsforschung selbst, wozu ich mein auf der Fernsehreihe

    »Krebs und Zelle« beruhendes Taschenbuch »Krebs - fehlgesteuertes

    Leben« ebenso zähle wie die so ungeliebten, weil wahrscheinlich doch

    der Wahrheit sehr nahekommenden Attacken des Dr. Hackethal

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    ' oder

    * J. Hackethal: Keine Angst vor Krebs. Molden Verlag, Mün che n 1978.

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    die verblüffenden Ergebnisse der beiden indischen Mediziner Kothari

    und Mehta, die in ihrem Buch »Ist Krebs eine Krankheit« jene von

    Stahl, Strahl und Chemotherapie ins Feld geführte »Erfolgsstatistik«

    völlig auseinandernehmen und ad absurdum führen, nun ein Journalist

    zu Wort kommt, der hier von verschiedenen Aspekten aus und an kon-kreten Einzelfällen die zum Teil schockierende Entwicklung eine der

    größten Pleiten unserer medizinischen Forschung aufzeigt. Dinge, die

    der Laie allenfalls ein wenig aus verstreuten Pressemeldungen ahnen

    konnte. Bachmann wählt dazu nur einige Protobeispiele aus. Sie sind

    gewissermaßen typisch, denn es gibt ein Vielfaches davon, ja täglich

    tauchen neue Fälle auf, die seine Aussagen nur noch bestätigen. Dabei

    ist er vor allem den Hintergründen der Unterdrückung nachgegangen,mit der die »Krebsmafia« zum Schaden der Patienten die ihr unwill-

    kommenen Außenseitermethoden verdrängt, durch die ihre Macht-

    stellung gefährdet werden könnte.

    Bachmanns Beispiele spiegeln wider, wie der Mechanismus in solchen

    Fällen abläuft. Er ist nicht neu, und wir begegnen ihm ebenso in Berei-

    chen der Kunst, des Sports, in der Politik und im übrigen Wissen-

    schaftsbetrieb. Doch hier beim Krebs, wo Prestigefragen und Recht-

    haberei, wo Geldmacherei und Revierverteidigung gegenüber der noch

    ungelösten Aufgabe zurücktreten und alle am selben Strang ziehen

    sollten, sind solche Vorgänge ganz besonders verwerflich.

    Daß es sie tatsächlich gibt, kann ich als Insider nur bestätigen. Denn

    auch der Fall meiner eigenen Forschung ist ähnlich gelagert, wobei ich

    allerdings selbst weit davon entfernt bin, mich als Märtyrer zu sehen.

    Schließlich habe ich nie aus meiner wissenschaftlichen Meinung einen

    Hehl zu machen brauchen, ja, mein Ansatz wurde sogar lange Zeit -wenn auch mit bescheidenen Mitteln - von Pharmafirmen wie auch

    von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt, und meine

    Gruppe durfte jahrelang Gast im Max-Planck-Institut sein. Daß die

    Zeit noch nicht reif war, daß man in der Tat diese Forschung blockier-

    te, die Weiterführung einer unbequemen Richtung verhinderte und

    schließlich abwürgte, sehe ich als zwangsläufige Konsequenz der gege-

    benen Konstellation an. Und aus dieser Konsequenz zog ich dann diemeine: ich habe in anderer Weise weitergearbeitet - und sicher nicht

    weniger fruchtbar. So warte ich ab, bis der »Zeitgeist« sich so weit

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    gewandelt hat, daß er einen mehr ganzheitlichen Ansatz in der Krebs-

    forschung zum Tragen bringt, was durchaus schon bald der Fall sein

    kann.

    Dafür habe ich mich inzwischen intensiver mit der Frage beschäftigt,

    welches wohl die Ursachen dieser Konstellation sind. So ist eine derHauptschwierigkeiten bei der Bekämpfung der Krebskrankheiten

    wohl die, daß hier bis heute weder eine eindeutige Krankheitsursache

    noch eine eindeutige Bestimmung der Krankheit selbst existiert; ja,

    selbst die Frage, ob es überhaupt eine »Krankheit« ist, steht noch offen.

    Bei dieser Sachlage ist es - das leuchtet schon jedem Laien ein - ein Un-

    ding, mit einem vorgefaßten Dogma über das, was Krebs ist, an die Er-

    forschung heranzugehen. Will man weiterkommen, so wird man, wieich es in meinem letzten Buch »Neuland des Denkens« ausdrückte,

    »mit wissenschaftlichen Tabus ebenso brechen müssen wie mit den

    Tabus der bestehenden Forschungs- und Lehrstätten, die ja an festste-

    hende, historisch bedingte Konzepte von Zeit- und Lehrplänen ge-

    bunden sind. Denn feststehende Lehrpläne führen zu feststehenden

    Forschungsprogrammen, zu feststehenden Untersuchungsschemata

    und schließlich auch zu feststehenden Schablonen darüber, wie selbst

    neue  Forschungsrichtungen anzugehen seien. Nur deshalb reagierenauch die eingefahrenen Strukturen unseres Gesundheitswesens heute

    weder auf das dringende Bedürfnis des Umweltschutzes noch auf das

    einer echten Krebs Vorbeugung  - nicht zu verwechseln mit der umstrit-

    tenen Früherkennung -, noch auf die veränderte Situation in der Ar-

    beitswelt, in unserer Lebensweise oder Ernährung.«

    Ich möchte nicht verschweigen, daß es in dieser neuen Richtung bereits

    positive Wandlungen gibt, Änderungen in dem nun schon viele Jahr-zehnte dauernden Spiel. Nicht nur in Kreisen der praktizierenden Me-

    diziner und auch einiger Universitätskliniken, sondern auch was die

    offizielle Haltung einiger Ministerien betrifft. Das Bundesministerium

    für Jugend und Gesundheit ebenso wie entsprechende Abteilungen des

    Bundesministeriums für Forschung und Technologie haben sich

    durchgerungen, »auch außerhalb der schulmedizinischen Kenntnisse

    liegende Verfahren zur Bekämpfung bösartiger Neubildungen zu prü-fen«. Zumindest ein Lippenbekenntnis, das allerdings nur dann ver-

    wirklicht wird, wenn man entsprechende Forschungsanträge nicht

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    wieder von Gutachtern aus dem Lager der Schulmedizin beurteilen

    läßt, also den Bock nicht zum Gärtner macht.

    Jedenfalls beginnt man sich darüber klar zu werden, was Bachmann in

    diesem Buch aufzeigt, nämlich wie instabil doch das Fundament des

    vom Krebs-Establishment mit viel Flickwerk errichteten Gebäudes ist,dessen Anspruch, Maßgebliches auf dem Gebiet der Krebsforschung

    geleistet zu haben, durch die Resultate keineswegs gerechtfertigt ist.

    Damit ist aber auch nicht mehr die vielleicht tausendmal größere

    Summe an Forschungsmitteln gerechtfertigt und die jederzeit bereit-

    willige Amtshilfe, die den anderen, mehr ganzheitlichen Richtungen

    versagt waren. Eine Lage, an der sich in der Tat jahrzehntelang nichts

    änderte.Bachmann als Wissenschaftsjournalist versucht nun nach seinen sich

    recht schwierig gestaltenden Recherchen mit aller Sorgfalt Bilanz zu

    ziehen. Bilanz darüber, was denn nun eigentlich an der Krebsszene -

    und zwar der Krebsbehandlung wie der Krebsforschung - im Grunde

    faul ist und was dem bisherigen Unvermögen (und wohl nur zum

    kleinsten Teil bösem Willen), bei der Bekämpfung dieser eigenartigen

    Krankheit weiterzukommen, zugrunde liegt. Stück für Stück deckt er

    die Facetten jener grotesken Situation auf, daß wir heute trotz milliar-denhoher Summen und eines riesigen Forschungsapparats jener mo-

    dernen Geißel der Menschheit immer noch ohnmächtig gegenüberste-

    hen, und bestärkt das Gefühl, das in weiten Kreisen ohnehin vorhan-

    den ist, daß eben doch nicht alles getan worden ist, was getan werden

    konnte.

    Nicht daß ich a priori überzeugt wäre, mit den unterdrückten, unor-

    thodoxen Methoden hätte die Krankheit längst besiegt werden können- meine eigene, seit Jahren nicht mehr geförderte Forschung über

    krebshemmende Mistelproteine nicht ausgeschlossen.

    Wie viele Wissenschaftler sehe ich nur einfach, daß eine bestürzende

    Zahl vielversprechender Pfade sträflich vernachlässigt wurde, d. h.

    nicht mit der erforderlichen wissenschaftlichen Unbefangenheit, noch

    den adäquaten Methoden, noch dem nötigen Respekt und dem daraus

    resultierenden vollen Einsatz auf ihre speziellen Chancen hin verfolgtwurde. Daraus spricht eine Verantwortungslosigkeit der Entschei-

    dungsträger, die angesichts des unsäglichen Leids, das die Krebskrank-

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    heit über die Betroffenen bringt, ein Gefühl der Verzweiflung und der

    Verbitterung aufkommen läßt. Ganz besonders bei jenen Menschen,

    die in ihrem näheren Umkreis , bei Freunden oder in der eigenen Fami-

    lie - auch ich gehöre dazu - die Einseitigkeit, aber auch Ohnmacht des

    bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Ansatzes spüren.Warum werden Forschungsrichtungen, die nicht ins Schubladenden-

    ken passen, nie ernsthaft und konsequent durchgezogen? Vor was

    fürchtet sich das Establishment? Daß der Versuch gelingen könnte?

    Andererseits würde sich sicher jeder zufriedengegeben haben, wenn

    wirklich klargestellt worden wäre, daß der eine oder andere vermutete

    Weg nicht   geht. Doch so wird die Unruhe weiter gären - und gerade

    dann wird man der Scharlatanerie Tür und Tor öffnen, wenn man, wiebisher, mit vorgefaßten Meinungen, d. h. letztlich unwissenschaftlich,

    neue Ansätze verurteilt, lediglich weil sie unüblich sind. Zur Zeit je-

    denfalls lassen alle Versuche, den Krebs zu bekämpfen, auch die offi-

    ziellen, mehr Fragezeichen zurück als Antworten.

    Der beobachtete wissenschaftliche Dogmatismus - so wenig begründet

    er inzwischen auch erscheint - läßt sich schon aus einer einzigen for-

    schungspolitischen Fehlentwicklung heraus hinlänglich erklären.

    Denn vieles spricht dafür, daß hier die unselige Entscheidung eineRolle spielte, ausgerechnet ein Forschungsgebiet, welches seinen Weg

    noch gar nicht gefunden hat, in großen Krebsforschungszentren, wie

    bei uns demjenigen von Heidelberg, unter eine zentrale Führungslinie

    zu bringen. Wo es um Innovationen geht, muß dezentral gearbeitet

    werden. Hat man den Weg einmal gefunden, dann können die Kräfte

    vereint und auf das erkannte Ziel gerichtet werden. Doch genau dieses

    liegt nach wie vor im dunkeln, bzw. eine Reihe mindestens ebenso viel-versprechender Ziele wie das bisher verfolgte warten darauf, daß man

    ihr Potential entdeckt.

    So hatte diese Zentralisierung notgedrungen genau das zur Folge ge-

    habt, was eigentlich ihre  Voraussetzung  gewesen wäre: Ein Ziel anzu-

    peilen, auf das alle Kräfte konzentriert werden. Daß dabei dasjenige

    Ziel herausgegriffen wurde, welches den Tumor als lokale Angelegen-

    heit der Zellen sieht und gleichzeitig einen enormen apparativen undmedizinischen Aufwand verlangt, wo eine Behandlung die andere nach

    sich zieht, eine »Verbesserung« die andere jagt und damit die Weiterbe-

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    tion des Zell- und Gewebestoffwechsels bei den bösartigen Krankhei-

    ten. In der Tat betreffen letztere im Unterschied zu den meisten ande-

    ren Leiden biologische Grundvorgänge und Zusammenhänge, die den

    ganzen Organismus durchdringen. Subtile innere Steuerungsvorgänge,

    die nicht mit Schäden vergleichbar sind, wie sie durch Verletzungen,Vergiftungen und Infektionen bestimmt werden, dafür offenbar um so

    stärker durch die Art unserer heutigen Lebensführung. Krebsvorgänge

    müssen einfach von einer anderen Warte betrachtet werden als die übli-

    chen Organstörungen, so wie es auch dem heutigen Stand der Wissen-

    schaft und nicht der bornierten Anschauung von auf ihre Rechtferti-

    gung fixierten Dogmatikern entspricht: als Kommunikationsgesche-

    hen zwischen den einzelnen Zellen, den Zellen und dem individuellenOrganismus sowie dem Organismus und seiner Umwelt.

    Eine umfassendere Anschauung wird sich hier immer stärker heraus-

    schälen: »Gerade beim Krebs - von den typischen >Berufskrebsen<

    einmal abgesehen - geht es weniger um direkt auslösende Ursachen als

    um günstige und ungünstige Konstellationen. Es geht um genetische

    Schäden ebenso wie um Gleichgewichte zwischen Hormonhaushalt,

    Zellstoffwechsel, immunologischer Fremderkennung und psychoso-

    matischen Einflüssen, die Mensch und Krebsgeschehen als Ganzheiterfassen. Wie sehr hier Ursache und Wirkung verschmelzen, Rück-

    koppelungen entstehen und Geistiges, Psychisches und Körperliches

    einander überlagern, zeigen selbst die konventionellen Ergebnisse der

    Krebsforschung, wenn man sie z. B. im Hinblick auf die Beziehungen

    zwischen den Immunvorgängen und den übrigen Bereichen interpre-

    tiert So ist die enge Beziehung einer Krebsdisposition von hier über

    das Hormonmuster zu psychischen Vorgängen wie Depressionen undandere Streßbelastungen nicht mehr zu übersehen.

    Doch gerade dadurch ist das Geschehen nicht mehr durch Einzelversu-

    che in den Griff zu bekommen. Denn sobald Konstellationen im Spiel

    sind, also mehrere Ursachen und mehrere Wirkungen miteinander ver-

    flochten sind, ist der übliche Weg des wissenschaftlichen Kontrollver-

    suchs (der von den Etablierten immer so gerne propagiert wird) nicht

    mehr anzuwenden. Und damit stoßen wir auf den Kern des Dilemmas:Konstellationen, die sich dadurch auszeichnen, daß sich mehrere Re-

    gulationsbereiche überlagern, können auch bei sehr unterschiedlichen

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    Einzeldaten die gleiche Wirkung haben und bei identischen Einzelda-

    ten oft gegenteilige Wirkungen*.«

    In diesem Falle ist also der Ansatz nicht mehr lokal, sondern genau in

     jenem Verbund von Lebensweise, Diät , Immunabwehr, psychischer

    Entspannung, biologischer Unterstützungstherapie usw. zu suchen.Da diese Grundlagen von denen, die über die Forschungsmittel zu ent-

    scheiden hatten, bis vor kurzem ignoriert wurden und man den Krebs

    a priori, d. h. ohne jeglichen Beweis, hartnäckig als lokales Geschehen

    einzelner Zellen zu betrachten sich versteifte, das mit dem Rest des Or-

    ganismus nichts zu tun hat, wurden auch die Untersuchungen über die

    beteiligten Regulationsvorgänge und ihre Berücksichtigung bei der

    Krebsbekämpfung (und damit all diejenigen Arbeitsr ichtungen, die auf

    dieser Basis arbeiten) von den Gesundheitseinrichtungen wie von vie-

    len Forschungsstätten jahrzehntelang sträflich vernachlässigt und, wie

    in diesem Buch gezeigt wird, sogar entsprechende Forschungen mit

    äußerst unfairen Mitteln regelrecht abgewürgt.

    Mir persönlich scheint jedoch gerade dort der einzige wissenschaftlich

    vertretbare Ansatz zu liegen, der dieser Krankheit adäquat ist. Und so

    glaube ich, daß die Zeit nunmehr reif ist, die durch nichts gerechtfer-

    tigte Überheblichkeit aufzudecken, mit der das medizinisch-wissen-schaftliche Establishment solche ganzheitlichen Ansätze in der Krebs-

    bekämpfung bisher unterdrückt hat. Bachmanns erregend geschriebe-

    ner Bericht setzt in dem beginnenden Trend einer Neubesinnung einen

    Markstein, der innovativen Wegen abseits der ausgetretenen Pfade

    zum Durchbruch verhelfen kann. Vielleicht werden manche harten

    Urteile, die in diesem Buch gefällt werden, auch denen, die sich von ih-

    nen betroffen fühlen, in etwas anderem Licht erscheinen, wenn siedaran denken, daß sie selbst jederzeit als Opfer des etablierten Unver-

    mögens für eine Hilfe dankbar sein mögen, die dann vielleicht aus einer

     jener allzu lange verachteten Richtungen kommt.

    Frederic Vester

    * F. Vester: Neula nd des Denkens, Kap. 6: Ge sundheit. Deutsche Verlags-Anstalt,

    Stuttgart 1980

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    Einleitung

    Ich hatte mich nie besonders für Krebs interessiert. Als im Herbst 1978das Krebsbuch von Hackethal erschien, nahm ich zwar pflichtgemäß

    davon Notiz, aber das Thema packte mich erst, als ich ein Buch von

    Werner E. Loeckle in die Hände bekam. Der Verlag hatte es offenbar

    aus Anlaß der Hackethal-Welle neu herausgebracht. (Die Erstauflage

    datierte von 1964.)

    Das Buch war eine kräftige Breitseite gegen die etablierte Krebsmedi-

    zin, und ich prüfte Loeckles Argumente kritisch. Einiges schien mir

    etwas dogmatisch, einiges polemisch. Doch die Art und Weise, wie erdie Heilungsstatistiken zerpflückte, leuchtete mir ein, so daß ich mich

    wunderte, nicht schon selbst draufgekommen zu sein. Ich nahm mir

    vor, mich bei Gelegenheit näher damit zu befassen, legte das Buch bei-

    seite und vergaß es.

    Der zweite Anstoß war ein Telefonanruf: Ob ich Interesse hätte, einen

    Krebsbericht des amerikanischen Männermagazins »Penthouse« zu

    begutachten und allenfalls zu bearbeiten. Am Draht war MartinSpeich, Chefredakteur der deutschen Penthouse-Ausgabe, die in

    Kürze auf dem Markt erscheinen sollte. Neben nackten Mädchen, so

    versicherte mir Speich, wolle das Blatt einen angriffigen, aber seriös re-

    cherchierten Journalismus bringen. Der Krebsbericht sei gut geschrie-

    ben und würde sich nach Meinung des Verlegers in der deutschen

    Erstausgabe gut ausnehmen. Ob ich in der Lage sei, ihn auch vom

    fachlichen Standpunkt aus zu beurteilen?Als Wissenschaftsjournalist mit Diplomabschluß in Biologie und

    Grundkenntnissen in Medizin sei ich sehr interessiert, den Artikel zu

    lesen und mich darüber zu äußern, sagte ich. Ich sei der Meinung,

    daß an der Krebsmedizin-Kritik etwas dran sei. Natürlich stimme

    meine Ansicht nicht unbedingt mit jener der Schulmedizin überein,

    und wenn er die offizielle Meinung hören wolle... Das sei ihm

    klar, erwiderte Speich und wollte wissen, ob ich auch recherchieren

    könne.Etwa vierzehn Tage später sagte ich, ich sei bereit, den Auftrag zu

    übernehmen, kassierte einen Spesenvorschuß, und einige Monate dar-

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    auf erschien nicht nur mein zweiteiliger Krebsbericht, sondern ich ent-

    schloß mich, dieses Buch zu schreiben. Genauer: Ich wurde sozusagen

    dazu gezwungen durch den Umstand, daß von den zahlreichen Be-

    handlungsmethoden außerhalb von Stahl, Strahl und Chemotherapie,

    die ich nach und nach genauer kennenlernte, erstaunlicherweise nichteine einzige existiert, die vom Establishment nicht unterdrückt wird.

    Die Sache hat Methode, und diese Methode will ich in diesem Buch

    aufzeigen.

    Christian Bachmann

    18

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    I

    Der betrogene Patient

    »Mama, warum arbeiten die Arzte nicht zusammen?»

    Krebskrankes Mädchen, 14 Jahre,

    wenige Wochen vor seinem Tod

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    Schlagwortabtausch um des Kaisers neue Kleider

    Seit einigen Jahren ist die Krebsmedizin unter Beschuß geraten.

    Schlagworte wie »Frühdiagnose ist gefährlich« oder »Seit Jahrzehntenkeine Fortschritte« schreckten viele Bürger auf, die bisher brav und re-

    gelmäßig ihre Krebsspenden entrichtet hatten. Die Mediziner, um das

    Vertrauen ihrer Patienten fürchtend, setzten Gegen-Schlagworte in die

    Welt: Bei vielen früher absolut unheilbaren Tumoren habe man »we-

    sentliche Behandlungsfortschritte« erzielen können.

    Der Gefühlshintergrund, vor dem dieser Schlagwortabtausch stattfin-

    det, ist von Angst geprägt: Krebs ist so ziemlich das letzte, von demman betroffen sein möchte. Diese Angst ist wohl der Hauptgrund für

    die zunehmend aggressiven Methoden, mit denen die moderne Medi-

    zin gegen den Krebs vorgeht. Sie macht vielleicht auch verständlich,

    daß es viel länger dauerte als beispielsweise in der Landwirtschaft oder

    in der Atomenergiefrage, bis sich auch in der Krebsbekämpfung eine

    »grüne« Opposition zu bilden begann.

    In den letzten Jahren schlossen sich Krebspatienten in zahlreichen

    Selbsthilfegruppen zusammen. Man steht sich gegenseitig bei und wagtmehr und mehr auch Kritik an den etablierten Behandlungsmethoden

    zu üben. Ein kämpferischer Vertreter dieser Bewegung ist der Expoli-

    zist Alfred Törmer, der in Wiesbaden einen Merkblätter-Versand auf-

    gezogen hat. Er ist überzeugt, daß »Millionen von Menschen überflüs-

    sigerweise an Krebs sterben«, weil die Schulmediziner den Patienten

    gewisse Behandlungsmethoden vorenthalten1.

    Auf Mißstände weisen jedoch auch etablierte Kreise hin. So kritisierteein Expertenbericht der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die

    Krebsforscher würden »mehr oder weniger zufällig« das ausprobieren,

    was »gerade aktuell« sei und was »die jeweilige wissenschaftliche

    Gruppe für richtig« halte2. Den Forschern scheint es also mehr darum

    zu gehen, in der Fachwelt zu Ansehen zu kommen, als wirklich alle er-

    folgversprechenden Möglichkeiten auszuprobieren.

    Eine sachliche Auseinandersetzung um die Chancen und Möglichkei-ten der verschiedenen Krebsbekämpfungsmethoden findet leider kaum

    statt Die Schulmedizin ist in Dogmen erstarrt, und die Gegenseite zieht

    2 0

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    sich oft in ein Sektierertum zurück. Einsichtige Kreise auf beiden Sei-

    ten versuchen zwar seit Jahren schon eine Verständigung herbeizufüh-

    ren. Doch mächtige Interessengruppen des medizinischen Establish-

    ments haben es bis heute verstanden, dies zu verhindern. Die Betroge-

    nen sind die Krebspatienten. Sie werden um Behandlungsmöglichkei-ten geprellt, die ihnen wahrscheinlich bessere Uberlebenschancen oder

    doch zumindest eine bessere Lebensqualität bringen könnten.

    Diese Behandlungsmöglichkeiten liegen nicht in einem bestimmten

    »Wundermedikament«, dessen Wirkung die Schulmediziner nicht

    wahrhaben wollen. So einfach ist die Sache nicht. Tragisch ist vielmehr,

    daß zwischen den aggressiven schulmedizinischen Standardmethoden

    Operation, Bestrahlung und Chemotherapie einerseits und den »inter-nen biologischen Ganzheitsmethoden« wie Diät, ungiftige Präparate,

    Homöopathie und sanfte physikalische Verfahren andererseits eine

    tiefe Kluft besteht. Sie verhindert, daß diese Behandlungsmethoden

    miteinander kombiniert werden, obwohl immer offensichtlicher wird,

    daß es gegen Krebs kein Patentrezept geben kann. Der Riß reicht so

    tief, daß sogar Forschungsprojekte abseits der großen Strömung von

    sturen »Gutachtern« verhindert werden, obwohl diese große Strö-

    mung, mit Milliardengeldern finanziert, bisher keine erkennbarenFortschritte gebracht hat.

    Im Jahre 1980 fanden allein in der Bundesrepublik Deutschland 14

    Krebskongresse statt, dazu mindestens ebenso viele von internationa-

    ler Bedeutung im übrigen Europa und in den Vereinigten Staaten3.

    Deutsche Krebsforscher veröffentlichten zwischen 1969 und 1977

    mindestens 8858 Arbeiten4. Dieser ausufernden Flut von Forschungs-

    ergebnissen sind selbst die Fachleute nicht mehr gewachsen. Sie müs-sen sich spezialisieren und wissen immer mehr über immer weniger.

    Dem Laien nötigt der Riesenaufwand in der Krebsforschung und in der

    Krebsbekämpfung zunächst einmal Respekt ab. Wenn so viele Exper-

    ten eine Sache von allen nur denkbaren Seiten erforschen, dann müßte

    man doch darauf zählen können, daß sich Erfolge zwangsläufig einstel-

    len.

    Es gehört schon etwas Mut dazu, die Krebswissenschaft als Laie kri-tisch unter die Lupe zu nehmen. Es ist der Mut des kleinen Mädchens

    im bekannten Märchen von Hans Christian Andersen, das inmitten

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    einer Menschenmenge, die »des Kaisers neue Kleider« bestaunte, naiv

    herausplatzte: »Aber er hat ja gar nichts an!«

    Man braucht nicht Medizin studiert zu haben, um zu erfassen, was es

    bedeutet, daß die häufigsten Krebsformen heute genausowenig heilbar

    sind wie vor dreißig oder vierzig Jahren. Man braucht kein Krebsfach-mann zu sein, um zu sehen, daß die Krebsforschung den Patienten bis

    heute, von Ausnahmen abgesehen, nichts gebracht hat.

    Natürlich mag es, wissenschaftlich gesehen, sinnvoll sein, die Lebens-

    vorgänge in einer Krebszelle zu studieren. Es ist auch selbstverständ-

    lich, daß neue Medikamente oder Heilverfahren in klinischen Untersu-

    chungen auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Doch das Prädikat

    »wissenschaftlich«, mit dem sich die etablierte Krebsmedizin bei allenmöglichen Gelegenheiten schmückt, sagt noch nichts über die Wirk-

    samkeit dieser Medizin aus.

    Wenn aber das Wort »wissenschaftlich« keine sachlich begründete

    Qualitätsbezeichnung ist, was ist es dann? Ist es ein Public-Relations-

    Trick der Ärzte, die erfolgreicher scheinen möchten, als sie sind? Oder

    sollen damit die Riesensummen gerechtfertigt werden, die in die

    Krebsforschung gesteckt wurden mit dem erklärten, aber nie erreich-

    ten Ziel, die Heilungschancen der Krebspatienten zu verbessern? Was

    auch immer zutrifft: Der Begriff »wissenschaftlich« hat auf jeden Fall

    eine politische Bedeutung. Seine Zweckbestimmung wird erst in Ver-

    bindung mit dem Gegenbegriff deutlich: Als »unwissenschaftlich«

    gelten alle Behandlungsmethoden, die vom medizinischen Establish-

    ment nicht anerkannt werden. Da es sich um »unwissenschaftliche«

    Methoden handelt, brauchen sie nicht mit wissenschaftlichen Mitteln

    nachgeprüft zu werden. Sie werden von vornherein als unwirksam be-trachtet.

    Bezeichnend für diese Haltung ist, daß in einem 565 Seiten starken

    Lehrbuch über internistische Krebstherapie (nur ein Teilgebiet der

    konventionellen Krebsmedizin) sämtliche dem Establishment nicht

    genehmen Methoden auf ganzen vier (!) Druckseiten abgehandelt wer-

    den. Die Hälf te davon ist zudem eine verallgemeinernde Beschreibung

    »des« medizinischen Außenseiters. Das Spektrum dieser Leute, soheißt es, reiche »von völlig ungeschulten« . . . »bis zu anerkannten Wis-

    senschaftlern (inkl. Nobelpreis träger), die sich entweder auf ein Gebiet

    2 2

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    außerhalb ihrer Kompetenz vorgewagt oder bezüglich Krebs eine auti-

    stische Denkweise entwickelt« hätten. Sie würden »die üblichen Ka-

    näle der wissenschaftlichen Mitteilung« meiden, wozu sie, wie sie sa-

    gen, angeblich durch die Vorurteile des wissenschaftlichen Establish-

    ments gezwungen worden seien. Sie seien »voll von Ressentiments ge-genüber der offiziellen Schulmedizin«, würden »allgemein anerkannte

    Behandlungsmethoden« kritisieren und mit Vorliebe wissenschaftliche

    Fakten subjektiv verdrehen5.

    Mit solchen bequemen Pauschalvorwürfen hält sich das medizinische

    Establishment, dessen führende Vertreter in den ärztlichen Standesor-

    ganisationen, auf Dozenten- und Chefarztsesseln und an den Schalthe-

    beln der pharmazeutischen Industrie sitzen, die unerwünschten Au-ßenseiter vom Leib. Unter diesen Außenseitern befinden sich Ärzte,

    die zum Beispiel » Wobe-Mugos« oder Ozon-Injekt ionen verschreiben

    und deren Adressen von Patienten unter der Hand weitergegeben wer-

    den. Es finden sich unter ihnen obskure Heiler, die behaupten, Krebs

    mit Gemüsesäften kurieren zu können, ebenso wie angesehene Profes-

    soren, die nach strengen statistischen Kriterien klinische Untersu-

    chungen durchführen. Es gibt solche, die zwischen dem Stand der Ge-

    stirne und der Wirkung ihrer Medikamente einen Zusammenhang se-hen, und es gibt streng rational denkende Forscher, deren wissen-

    schaftlicher Ruf durch gezielte Kampagnen des Establishments zer-

    stört wird. Die Außenseiter der Krebsmediz in bieten ein Bild, wie man

    es sich bunter fast nicht vorstellen kann. Ihre einzigen Gemeinsamkei-

    ten sind, daß sie der Krebsbehandlung durch Bestrahlung und Zellgifte

    mehr oder weniger kritisch gegenüberstehen und daß sie von der

    Schulmedizin abgelehnt werden.Verzweifelte Krebspatienten klammern sich oft an die Hoffnung nach

    einem Medikament, das ihnen sicher hilft. Gutmeinende Freunde er-

    zählen ihnen von aussichtslos scheinenden Fällen, die durch diese und

     jene Behandlung geheilt wurden, oder sie lesen darüber in der Regen-

    bogenpresse. Doch leider sagen Einzelfälle noch nichts über die Wirk-

    samkeit einer bestimmten Behandlung aus. Es ist nahezu sicher, daß

    nirgends ein Wundermittel gegen Krebs existiert. Mag sein, daß einesTages der höchst unwahrscheinliche Fall eintritt, daß ein solches ge-

    funden wird. Bis es soweit ist, bleibt nichts anderes übrig, als die bisher

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    bekannten Behandlungsmethoden schrittweise zu verbessern und -

    vor allem - sinnvoll miteinander zu kombinieren.

    Verbesserungsbedürftig ist vor allem die bekannte Tatsache, daß Ope-

    ration, Bestrahlung und giftige Medikamente nicht nur die Krebsge-

    schwulst, sondern auch gesundes Gewebe zerstören. Wer seine biswei-len nur sehr geringen Heilungschancen wahren will, muß Tribut zah-

    len: Unter dem Skalpell des Chirurgen verliert er Teile von sich selbst,

    unter der Strahlenkanone und mit den Giftpillen und -spritzen gehen

    Appetit, Spannkraft und sexuelle Lust verloren. Das einzig Sichere an

    diesen Behandlungsmethoden ist der Schaden, den sie anrichten. Doch

    die Schulmedizin zeigt überhaupt kein Interesse, ihre aggressiven Be-

    handlungsmethoden durch Kombination mit ungiftigen Präparaten zu

    mildern.

    Es sind keineswegs nur die als »Scharlatane« abgestempelten Außen-

    seiter der Medizin, die dafür plädieren. So fordert der Professor und

    Doppeldoktor Ernst Krokowski, ärztlicher Chef der Kasseler Strah-

    lenklinik, der sich selbst »zu den ganz klassischen Schulmedizinern auf

    der Basis der exakten Naturwissenschaften« zählt, daß die Schulmedi-

    zin versuchen sollte, »verschiedene, andernorts eingehend diskutierte

    Möglichkeiten« zu nutzen und nicht »ohne jede Uberprüfung« dieBremse zu ziehen6.

    Ein anderer Doppeldoktor, der Wiener Universitätsprofessor Hein-

    rich Wrba, hatte an einem Symposium in Salzburg erklärt, daß die En-

    zymbehandlung »vor, während und nach Bestrahlungen ein hochwirk-

    sames Kausaltherapeutikum ohne jede schädliche Nebenwirkung für

    den Patienten« sei. Die Unterdosierung oder das vorzeitige Absetzen

    dieser Mittel sei als Kunstfehler zu betrachten, und es sei »unverständ-lich«, daß derartige ungiftige Präparate »aus Nachlässigkeit oder Inter-

    esselosigkeit« dem Patienten vorenthalten und von Kliniken und

    Krankenkassen abgelehnt würden7.

    Mag sein, daß da mehr handfeste Interessen als Nachlässigkeit im Spiel

    sind. Einfache und billige Behandlungsmethoden, die zwar nicht mehr

    nützen, dafür aber weniger schaden, könnten für die teuren Bestrah-

    lungsapparaturen und chemischen Kombinationspräparate zu einerernsthaften Konkurrenz werden. Die pharmazeutische Industrie hat in

    den letzten Jahrzehnten riesige Summen in die Entwicklung neuer

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    Zellvernichtungsstoffe gesteckt. Mit ihnen, keineswegs aber mit En-

    zymen und anderen Naturheilpräparaten, soll nach der Operation das

    Wachstum neuer Tumoren verhindert oder das Sterben unheilbarer

    Patienten verlängert werden, oft um den Preis zusätzlicher, durch die

    Behandlung verursachter Leiden. So will es offenbar die offizielleLehrmeinung.

    Millionenfach werden dadurch die Krebspatienten betrogen: nicht un-

    bedingt um ihre Heilungschancen, aber mindestens um die Qualität

    des Lebens, das ihnen noch bleibt.

    Die spanische Hausfrau Dolores Fernandez, deren Lebensgeschichte

    im folgenden erzählt wird, ist nur ein Fall unter vielen. Er zeigt nicht

    nur die zerstörenden Nebenwirkungen der Behandlung, die bis zurAuslösung von neuen Krebsgeschwülsten führen können, nicht nur

    den Einfluß der psychischen Verfassung und der Lebensumstände auf

    die Widerstandskraft gegen die Krankheit, sondern vor allem auch den

    Druck, mit dem viele Schulmediziner ihre Patientinnen und Patienten

    bei der konventionellen Stange halten. Verschiedene Untersuchungen

    zeigen, daß ihnen das anscheinend in den meisten Fällen gelingt:

    Krebspatienten tun typischerweise das, was man von ihnen erwartet.

     Die Geschichte der Dolores Fernandez

    »Mir scheint die Geschichte etwas untypisch zu sein«, kritisierte Voj-tech B., dem ich mein Manuskript zum Lesen gegeben hatte.Natürlich, ich wolle ja nicht behaupten, daß solche Fehlbehandlungendie Regel seien, sondern damit nur zeigen ...

    »Nein, so meine ich das nicht«, unterbrach mich B. »Im Gegenteil, das

    kommt sehr häufig vor, nicht nur in Spanien und nicht nur vor vielen

    Jahren. Das müßte man noch besser herausarbeiten.«

    Nun ja - wie typisch ein Fall ist, darüber läßt sich immer streiten. Si-cher werden Hunderte oder Tausende von Patienten gegen Krebs be-

    handelt, die gar keinen Krebs haben. Aber welcher von ihnen ist ty-

    25

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    pisch? Als Autor eines kritischen Krebsbuches kann man hingehen,

    Dutzende von Fällen sammeln und daraus den schlimmsten aussuchen.

    Schließlich will man ja Aufsehen erregen, auf Mißstände hinweisen.

    Obwohl es vielleicht so aussieht, war es in diesem Fall aber nicht so. Ich

    hatte nämlich ursprünglich nicht die Absicht, Krankengeschichten zubringen. Doch da erzählte mir ein Freund, der von meinem Buchpro-

     jekt erfuhr, die Geschichte seiner Schwiegermutter.

    So fand die Geschichte der Dolores Fernandez * den Weg in dieses

    Buch - rein zufällig, wenn man so will. Der Bericht ist ganz bewußt

    nicht »objektiv«, sondern aus der Sicht der betroffenen Patientin ge-

    schrieben. Ich verwendete dazu Aussagen und schriftliche Aufzeich-

    nungen von Dolores' Tochter Maria, die einen medizinischen Beruf ge-lernt hatte und mir deshalb ziemlich präzise Angaben machen konnte.

    Da ich nicht Spanisch kann und Maria kein Deutsch spricht, fungierte

    mein Freund Martin als Dolmetscher.

    »Mit 37 Jahren«, berichtet Maria, »stieß sich meine Mutter mit ihrer

    Brust an einer Tischkante, worauf sich eine schmerzhafte, haselnuß-

    große Geschwulst bildete.« Dolores hatte zwar schon längere Zeit

    harte Knoten in der Brust gehabt, aber diese hat ten nie geschmerzt. In

    den drei Jahren vor Beginn des Spanischen Bürgerkriegs hatte sie zweiSöhne und eine Tochter geboren. »Nach meiner Geburt traten in ihrer

    Brust diese Knoten auf«, erzählte Maria. »Der Arzt sagte, es handle

    sich um eine Mastitis, eine Verhärtung der Milchdrüse, die weiter nicht

    schlimm sei.«

    Da die Schmerzen nicht nachließen, suchte Dolores ihren Hausarzt

    auf, nennen wir ihn Dr. A. Dr. A. tastete die Geschwulst ab und emp-

    fahl Dolores Dr. B., einen Chirurgen. Auch Dr. B. tastete die Stelle mitseinen Händen ab und sagte, man müsse die Geschwulst entfernen und

    analysieren. Er schickte Dolores also zu Dr. C., einem Pathologen.

    Dieser nahm im September 1948 eine Biopsie vor.

    Als Dolores den Befund abholen wollte, sagte man ihr, die Resultate

    seien leider verwechselt worden. Eine andere Patientin mit dem Na-

    men Fernandez sei schon wegen derselben Biopsie dagewesen und

    habe nach dem Befund gefragt, und auch ihr habe man kein Ergebnis

    * Alle Nam en und Ortsangabe n sind selbstverständlich geändert.

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    mitteilen können. Von den beiden Biopsien sei die eine positiv, die an-

    dere negativ, und mehr könne man leider nicht sagen. Mit dieser lapida-

    ren Notiz kam Dolores nach Hause, und nun wurde beraten, was wei-

    ter zu tun sei. Dolores' Mann sagte, er kenne einen berühmten Arzt,

    Professor D., der eben von einem Auslandskongreß zurückgekommensei. Man beschloß, diesen Arzt aufzusuchen und ihn um Rat zu fragen.

    Professor D. ließ sich von Dolores eine Urin- und eine Speichelprobe

    geben, die er nach Frankreich zur Analyse sandte. Als der Bericht von

    Dr. E. aus dem französischen Labor eingetroffen war, erklärte Profes-

    sor D., Dolores habe noch  6   Monate zu leben, ob sie operiert würde

    oder nicht Man ging nun zu einem anderen Arzt, Dr. F., den Dolores'

    Mann von seiner Tätigkeit als Ärztebesucher her gut kannte. Dieser

    gab ihm den Rat, einen Radiologen aufzusuchen, und empfahl Dr. G.

    Dieser Radiologe spielt in Dolores' Lebensgeschichte eine Hauptrolle,

    deshalb soll er auch einen richtigen Namen bekommen: Gutierrez.

    Dolores suchte ihn im November auf, in Begleitung ihrer Tochter Ma-

    ria. Dr. Gutierrez studierte die Berichte der Ärzt e A. bis F., tastete die

    Stelle an der Brust ab und verordnete Dolores 30 Tage Bestrahlung. Im

    Laufe dieser Behandlung spritzte er ihr den Inhalt von 2 Schachteln mit

    männlichen Hormonpräparaten ein. Mit der Zeit verschwanden dieharten Knoten, und Dolores ' Brust wurde wieder normal weich. Da fü r

    wurde aber ihre Stimme tiefer, und auf ihrer Oberlippe bildete sich ein

    Schnurrbart. Dr. Gutierrez empfahl, nicht zu operieren. Doch Dolo-

    res, verängstigt durch den französischen Krebsbefund und die Aussage

    des »berühmten« Arztes, daß sie nur noch sechs Monate zu leben habe,

    wollte alles tun, was nur irgend möglich war. Hinter dem Rücken des

    Radiologen beschloß sie, sich trotzdem operieren zu lassen.Als Dolores im Februar 1949 operiert wurde, war aus der lebenslusti-

    gen und eigenwilligen Frau eine geworden, die gelernt hatte, ihre eige-

    nen Bedürfnisse hintanzustellen und das zu tun, was man von ihr er-

    wartete. Die Ärzte entfernten ihre rechte Brust. Trotz Schmerzen im

    rechten Arm verrichtete Dolores bald nach der Operation wieder ihre

    gewohnte Arbeit. Da die Schmerzen nicht verschwanden, suchte Do-

    lores den Radiologen Dr. Gutierrez auf.

    Maria erzählt: »Ich begleitete jedesmal meine Mutte r zu Dr. Gutierrez.

    Er hat sie wieder an verschiedenen Stellen abgetastet und Röntgenauf-

    27

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    nahmen gemacht. Dann schrieb er ein Rezept fü r den Arzt, der die Be-

    strahlungen durchführte, und bezeichnete auf der Haut die Stellen, die

    bestrahlt werden mußten.« Eine weitere Gewebeprobe wurde nicht

    gemacht

    »Etwas später bekam ich ebenfalls einen Tumor«, sagt Maria. »Es warein Knoten in der Nasenhöhle. Dr. Gutierrez verschrieb auch mir Be-

    strahlungen. Ich wurde einige Male bestrahlt, und die Haare begannen

    mir schon auszufallen. Glücklicherweise geriet ich dann in die Hände

    eines erfahrenen Chirurgen, der eine Biopsie anordnete. Die Gewebe-

    untersuchung ergab, daß es sich um einen gutartigen Tumor handelte.

    Dieser wurde in einer ziemlich heiklen Operation entfernt.«

    Einige Jahre vergingen mit vierteljährlichen Kontrolluntersuchungen

    des Radiologen. Als Dolores 40 wurde, traten Schmerzen in ihrer rech-

    ten Achselhöhle auf. Darauf verschrieb ihr Dr. Gutierrez 30 Sessionen

    Radiotherapie an jener Stelle. Die Bestrahlung war so stark, daß die

    Haut verbrannte. Dolores mußte ständig Talkum auflegen.

    Ein Jahr später bekam sie so starke Schmerzen im Brustbein, daß sie

    den rechten Arm nicht mehr heben konnte. Dr. Gutierrez machte

    Röntgenaufnahmen von der Wirbelsäule, da er vermutete, einige Wir-

    bel könnten verschoben sein. Da er aber nichts fand, entschloß er sichdazu, über dem schmerzenden Brustbein während 48 Stunden vier Ra-

    diumnadeln einpflanzen zu lassen. Diese Behandlung fand im Spital

    statt.

    Beim Entfernen der Radiumnadeln sagte Dr. Gutierrez, daß die

    Schmerzen nicht nachlassen würden, solange Dolores noch ihre Pe-

    riode bekomme. Es sei am besten, jetzt die Periode zu unterbrechen.

    »Wir könnten die Eierstöcke herausoperieren lassen«, sagte Dr. Gut-ierrez, »aber es ist natürlich einfacher, wenn wir sie bestrahlen.«

    Der passionierte Radiologe wollte diesen Fall nicht dem Chirurgen

    überlassen, sondern selber behandeln. An der Stelle, wo sich die Ra-

    diumnadeln befunden hatten, entwickelte sich später eine Delle.

    Nachdem der 41jährigen Dolores die Eierstöcke ausgetrocknet wor-

    den waren, blieb nicht nur ihre Periode aus. Wie damals bei der Hor-

    monbehandlung wurde auch ihre Stimme tiefer - »fast wie bei einemMann« —, sie bekam einen Oberlippenbart, und auch ihre Schamhaa-

    re fielen aus. Die Schmerzen im Arm gingen zwar einige Monate lang

    2 8

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    etwas zurück, doch bekam sie als Folge der dauernden Bestrahlungen

    eine Phlebitis am linken Arm, eine schmerzhafte Verhärtung der unter

    der Haut liegenden Venen. Nachdem Penicillin und andere Antibio-

    tika nichts halfen, suchte Dolores den Venenspezialisten Dr. H. auf.

    Dieser spritzte ein blaues Medikament (»Purazuleno«) und verschriebihr Tabletten. Die Phlebitis verschwand.

    Wenig später traten an den Knien, Hand- und Fingergelenken rheuma-

    tische Schmerzen auf. Auch dagegen verordnete Dr. Gutierrez Be-

    strahlungen, dazu Injektionen von Orthopiron. Eine der Spritzen ver-

    letzte den Ischiasnerv. Die Schmerzen, die wegen dieses Kunstfehlers

    entstanden, wurden mit Kurzwellen-Therapie auf der ganzen rechten

    Körperseite behandelt.»Von da an sind die Zeitdaten unpräzise«, sagt Maria, »denn meine

    Mutter kann sich wegen der vielen Medikamente, die sie damals ein-

    nehmen mußte, nicht mehr genau erinnern.« Jedenfalls wurde Dolores

    im Verlauf von etwa zehn Jahren periodisch untersucht und bestrahlt

    Die Schmerzen blieben, aber Dolores klagte nie darüber. Da sie jede

    Nacht husten mußte und manchmal sauren Magensaft erbrach, ging sie

    zu Dr. L, einem Spezialisten für Innere Medizin.

    Dolores mußte einen Schlauch schlucken, und durch diese Magen-sonde entdeckte Dr. I. einen Bruch im Magen. An ihrem Hals stellte er

    überdies eine Geschwulst fest. Als sie wieder Dr. Gutierrez aufsuchte,

    schalt der sie aus, weil sie über zwei Jahre nicht mehr zur Kontrollun-

    tersuchung gekommen war. Er las den Befund von Dr. I. über die Ge-

    schwulst am Hals und verordnete ohne weitere Untersuchung eine

    Kobaltbestrahlung. Die Bestrahlung dauerte einen Monat

    In dieser Zeit verschlimmert sich nun Dolores' Zustand rapide. Nichtnur die Geschwulst bildet sich zurück, sondern auch das darunter-

    liegende Gewebe wird zerstört. Zudem verschieben sich Speise- und

    Luftröhre: Dolores verliert ihre Stimme, kann kaum mehr schlucken

    und leidet an chronischem Erbrechen und an Schwindel. Ihr rechter

    Arm schwillt so stark an, daß sie ihn nicht mehr bewegen kann. Ver-

    schiedene Medikamente werden dagegen ausprobiert, aber keines hilft

    Schließlich gibt es weitere Komplikationen. Dolores leidet so starkeSchmerzen in den Halswirbeln, daß sie ihren Kopf nicht mehr bewegen

    kann. Sie wird behandelt von dem Rheumaspezialisten Dr. K. Ein

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    Jahr lang muß sie einen festen Kragen tragen, der ihren Kopf fixiert. Da

    die Schmerzen nicht nachlassen, geht sie wieder zum Radiologen, der

    sie erneut am Hals bestrahlt. Ihr Sohn Jaime, wie sein Vater in der

    Pharmaindustrie tätig, schickt Dolores zu verschiedenen befreundeten

    Kollegen und Professoren, die gegen Erbrechen, Schwindel, Schmer-zen und den geschwollenen Arm Medikamente verschreiben. Eine

    Besserung tritt nicht ein, und Dolores muß weiter erbrechen.

    Nachdem Dr. I. den Bruch festgestellt hatte, verschrieb er Medika-

    mente gegen die Magensäure und ordnete an, daß das Bettgestell am

    Kopfende um fünfzehn Zentimeter höhergelagert werden müsse. Das

    Erbrechen verschwand dadurch nicht, dafür konnte Dolores kaum

    schlafen, und die Schwindelgefühle verstärkten sich, da der Kopf man-gelhaft durchblutet wurde.

    Maria hatte inzwischen den Schweizer Martin geheiratet. Bei einem

    Besuch in Spanien, als Dolores wieder einmal über Schlaflosigkeit klag-

    te, entfernten Maria und Martin die Betthochlagerung. Dolores konnte

    besser schlafen, und ihr Erbrechen wurde nicht schlimmer. Doch beim

    nächsten Besuch war das Kopfende wieder hoch, denn Jaime besuchte

    seine Mutter jede Woche und bestand darauf, daß die Anordnungen

    von Dr. I. eingehalten werden müßten.

    Dolores verbrachte jetzt die meiste Zeit des Tages auf dem Sofa und litt

    an Depressionen. Sie ging kaum mehr aus und besorgte die nötigsten

    Einkäufe gleich um die Ecke. Gegen die Depressionen wurden Antide-

    pressiva verschrieben, immer wieder andere Präparate, deren Wirkung

    aber nach kurzer Zeit wieder nachließ. Als Nebenwirkung der Antide-

    pressiva verschlimmerten sich Dolores' übrige Symptome. Neben ver-

    stärktem Erbrechen und Schwindel litt sie nun an Verstopfung undmußte Abführmittel nehmen.

    Maria und ihr Mann versuchten, Dolores von diesem übermäßigen und

    schädlichen Medikamentenkonsum abzubringen. Aber gegen den Wil-

    len von Jaime war nichts zu machen. Dolores fürchtete, daß er sich

    dann nicht mehr so oft um sie kümmern würde, wenn sie seine Anwei-

    sungen nicht befolgte. Da Dolores' rechter Arm noch immer schmerz-

    haft geschwollen war und die Depressionen nicht nachließen, schlugMartin vor, es einmal mit dem Homöopathen Dr. L. zu versuchen. Er

    selbst hatte sehr gute Erfahrungen mit Dr. L. gemacht. Nach längerem

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    Suchen gelang es Martin, diesen Arzt wieder ausfindig zu machen. Es

    war ein Schulmediziner, der nach einigen Jahren Praxis sich bei einem

    chinesischen Spezialisten in Genf zusätzlich in Akupunktur hatte aus-

    bilden lassen. Martin schlug vor, Dolores von diesem Arzt behandeln

    zu lassen. Jaime hatte für diesen Vorschlag nur Spott übrig und nannteDr. L., den er persönlich nicht kannte, einen Scharlatan, ohne sich auch

    nur im geringsten nach seiner Behandlungsmethode zu erkundigen.

    Da Jaime kategorisch erklärte, für die Folgen einer kombinierten Ho-

    möopathie- und Akupunkturbehandlung keine Verantwortung über-

    nehmen zu wollen, weigerte sich Dolores, sich von Dr. L. untersuchen

    zu lassen. Jaime schickte Dolores zu einer Ärztin, Frau Dr. M. Sie

    empfahl eine spezielle Gymnastik für den geschwollenen Arm. Diesewurde vermutlich nicht sachgemäß ausgeführt, denn Dolores bekam

    starke Schmerzen im Hals. Eine Röntgenaufnahme zeigte, daß die

    Halswirbel verschoben waren. Die Gymnastik wurde deshalb wieder

    aufgegeben. Dann versuchte es Frau Dr. M. mit einem in den USA

    entwickelten Dränagegerät, das die aufgestaute Flüssigkeit aus dem

    Arm entfernen sollte. Sogar die Akupunktur, inzwischen in Mode ge-

    kommen, wurde jetzt ausprobiert. Doch aus den Einstichstellen

    tropfte Gewebeflüssigkeit, und die Schmerzen ließen nicht nach.Wieder versuchten Maria und Martin, Dolores soweit zu bringen, ih-

    ren Table ttenkonsum einzuschränken und auch andere Heilmittel aus-

    zuprobieren. Von ihren Ärzten, einschließlich ihrem Sohn, bekam sie

    folgende Medikamente verschrieben, die sie regelmäßig einnahm:

    »Ecuanil:'~« (Tabletten), »Nobritol F« (F wie Fuerte, stark. Eines der

    vielen Antidepressiva), »Antiacid« (gegen Magensäure), »Buscapina«

    (Zäpfchen gegen Schmerz, Schwindel und Krämpfe), »DinistenileB 12« (Spritzen, vitaminhaltig), »Dormodor« (Schlaftabletten) und

    viele andere.

    Aus der Schweiz brachte Maria ihrer Mutter verschiedene Naturheil-präparate mit: Weizenkeimpastillen zur Besserung des Allgemeinbe-findens, einen Tee zur vermehrten Wasserausscheidung (gegen dieArmschwellung), eine Salbe zum Einreiben sowie Tröpfchen. Doloresweigerte sich, den Tee zu schlucken und die Salbe einzureiben. Durch

    " Spanische Handelsbezeichnungen

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    viele Worte ließ sie sich schließlich überzeugen, wenigstens die Tröpf-

    chen und die Pastillen zu nehmen.

    »Die Tröpfchen wurden ihr von Jaime wegen des Magens verboten«,

    berichtet Martin. »Die Kapseln seien ihr aber gut bekommen, sagte sie,

    und so brachten wir ihr beim nächsten Besuch wieder eine Packungmit. Diese nahm sie aber nicht mehr, weil Jaime sich ständig darüber

    lustig machte und sagte, das Zeug könne sie ebensogut wegwerfen.«

    Vor zwei Jahren traten in der vorderen Brustregion erneut starke

    Schmerzen auf. Frau Dr. M. ordnete Röntgenaufnahmen und eine

    Punktion an, bei der Flüssigkeit entnommen und analysiert wurde.

    Das Resultat war positiv, das heißt, es wurden bösartige Zellen festge-

    stellt, wie Maria von Jaime erfuhr.

    Seit zwei Jahren steht also fest, daß Dolores Fernandez Krebs hat

    Ohne genaue Diagnose war sie kastriert und 30 Jahre lang bestrahlt

    worden. Ob sie in dieser Zeit je krebskrank war, muß bezweifelt wer-

    den. Waren jene Stellen, die der Radiologe Dr. Gutierrez bestrahlt hat-

    te, gar keine Krebsgeschwülste, sondern vielleicht rheumatische Ver-

    änderungen? Trat der Krebs erst als Folge der vielen Bestrahlungen

    auf? Genau läßt sich das nicht sagen, aber aus der Fachliteratur sind

    solche Fälle bekannt. Es gilt als erwiesen, daß Bestrahlungen Krebs er-zeugen können.

    Frau Dr. M. sagte, Dolores' Brustregion sei durch die vielen Bestrah-

    lungen schon so stark verbrannt, daß man keine weitere Radiotherapie

    mehr durchführen könne. Sie verschrieb deshalb das »hormonähnli-

    che« Präparat »Nolvadex«. Dolores bekam davon so fürchterliche

    Schmerzen, daß die Dosis reduziert werden mußte. Die Schmerzen

    blieben jedoch, und zusätzlich litt sie an Ausfluß. Seit einem Jahrnimmt sie kein »Nolvadex« mehr, aber da ihr Unterleib immer noch

    schmerzt, wurde sie im November 1980 von einem Frauenarzt Dr. N.

    untersucht Er fand nichts, meinte aber, die Schmerzen kämen von den

    Tabletten.

    Heute ist Dolores ein physisches und psychisches Wrack. Sie hat viele

    der Ärzte überlebt, von denen sie in ihrem leidvollen Leben behandelt

    wurde.Die Mediziner jedoch können stolz sein auf den Erfolg einer Dreißig-

    Jahres-H eilung.

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    Der Vietnamkrieg gegen den Krebs

    »Die Nebenwirkungen, zum Beispiel auf die Blutbildung, können als

     Maß einer genügenden Dosierung dieser Tumormittel genommen wer-

    den. Außerdem muß gesagt werden, daß ein gewisses Maß an Neben-

    wirkungen nahezu angestrebt wird, weil aus dem Ausmaß der Neben-

    wirkungen auf die eigentliche Medikamentenwirkung geschlossen

    werden kann.*

    Prof. Gerd Nagel, Göttingen, in einem Interview mit Jochen Aumiller

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     Milliarden -Pleite

    »Ich hatte nicht geglaubt, daß man gegen Krebs soviel ausrichten kann,

    als ich als Assistent in der Onkologie anfing«, sagte mir Dr. ChristophH. Er sei wirklich überrascht gewesen, wie man heute mit Chemothe-

    rapie Krebsgeschwülste zum Verschwinden bringen könne.

    Wie er denn die Nebenwirkungen beurteile, wollte ich wissen.

    »Nun, das ist verschieden, je nach Patient. Natürlich ist es eine Roß-

    kur. Aber heute gibt es sehr viel wirksamere Substanzen als früher. Die

    Patienten glauben auch mehr an den Erfolg und nehmen deshalb die

    Nebenwirkungen eher in Kauf. Diese sind ja nur vorübergehend. Nachder Behandlung kann der Patient wieder ein mehr oder weniger norma-

    les Leben führen.«

    Ich sah mich nach anderen Stellungnahmen um.

    Der Gött inger Onkologe Professor Gerd Nagel stellt fest: »Die drama-

    tischsten Fortschritte haben wir in der Behandlung der soliden Tu-

    moren gesehen, zum Beispiel bei Brustkrebs, bei gewissen Sarkomen

    (besonders bösartigen Geschwülsten des Bindegewebes), des Lungen-

    und Hodenkrebses8.«

    Der St Galler Onkologe Professor Hansjörg Senn sieht »erstaunliche

    kurative Fortschritte der zytostatischen Chemotherapie bei einigen

    disseminierten malignen Erkrankungen, vor allem Hämoblastosen und

    ausgewählten soliden Tumoren9«.

    Schließlich noch eine Stimme aus der Industrie: »Die Fortschritte, die

    dank chemotherapeutischer Behandlung erzielt werden konnten, sind

    beeindruckend. Ein Bericht darüber erschien kürzlich im offiziellenOrgan der amerikanischen Gesundheitsbehörde >Food and Drug

    Administration< Die Verfasserin Annabel Hecht, Mitglied des Büros

    für öffentliche Angelegenheiten der FDA, kann kaum der Schön-

    färberei bezichtigt werden, denn diese Behörde ist bekannt für die sehr

    strengen Maßstäbe, die sie bei der Zulassung neuer Medikamente an-

    legt10 .«

    Die Verlautbarungen von der »Krebsfront« sind etwa so schwer zu be-urteilen wie jene von kriegführenden Generälen. Man hört zwar stän-

    dig Siegesmeldungen - hier das Leben um soundsoviel verlängert, dort

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    Tumoren zum Verschwinden gebracht -, doch es handelt sich dabei

    immer bloß um einzelne Gefechte. In der Schlacht gegen den Krebs

    stehen die Zeichen nicht auf Sieg, sondern auf Niederlage.

    Die Parallele mit dem Vietnamkrieg drängt sich geradezu auf: Dort

    versuchten die Amerikaner, die im Dschungel verstreuten Guerilla-kämpfer mit Flächenbombardementen zu besiegen. Als ein ähnlicher

    Fehlschlag erweist sich die aufwendige Materialschlacht gegen den

    Krebs: Zu raffiniert verstecken sich die bösartigen Zellen im gesunden

    Gewebe und tauchen, nachdem sie an einer Stelle scheinbar radikal

    vernichtet wurden, plötzlich an einer anderen Stelle wieder auf. Der

    Vergleich läßt sich noch weiterziehen: Vietnam ließ die amerikanische

    Rüstungsindustrie florieren, und auch in der Krebsmedizin werdennicht nur Milliarden ausgegeben, sondern ebenso viele Milliarden ver-

    dient.

    Vor zehn Jahren rief der damalige US-Präsident Nixon die amerikani-

    schen Forscher zum »Krieg gegen den Krebs« auf. Zuversichtlich

    hoffte der Kongreß, daß bis 1976, dem 200-Jahr-Jubiläum der Verei-

    nigten Staaten, der Sieg gefeiert werden könne. Immer größere Sum-

    men für das Nationale Krebsinstitut (NCI) wurden bewilligt, das bald

    zum größten der elf Bundesgesundheitsinstitute der Vereinigten Staa-

    ten heranwuchs. Rund 7 Milliarden Dollar verteilte dieses Institut bis-

    her an eine Forschungsmaschinerie, die ebenso krebsartig wucherte

    wie die Krankheit, deren Ursachen und Heilungsmöglichkeiten sie

    herausfinden sollte.

    Schon vor Jahren stand indessen fest, daß man damit keinen Schritt

    über den Stand von 1971 hinausgekommen war. »Dieses Scheitern ist

    für die meisten Wissenschaftler keine Überraschung«, schrieb das NewYorker Managerblatt »Business Week« in einem Sonderbericht. Es

    führte dazu, daß die US-Regierung jetzt die Krebsverhütung forciert.

    Mit Milliardenbeträgen, die die Industrie und letztlich der Konsument

    zu bezahlen hat, sollen krebserzeugende Substanzen (Karzinogene)

    aus der Umwelt entfernt werden. In Wissenschaftlerkreisen wird ver-

    mutet, daß dieser Krieg gegen die Karzinogene kaum erfolgreicher sein

    wird als der Krieg gegen den Krebs11

    .In der Bundesrepublik Deutschland werden schätzungsweise jedes

    Jahr über 120 Millionen Mark für Krebsforschung ausgegeben, in der

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    Schweiz über 5 Millionen Franken. Sie stammen zum größten Teil aus

    Steuergeldern. Die Kosten für die Krebsbehandlung sind noch um ein

    Vielfaches höher . In der Bundesrepublik Deutschland erreichen sie die

    Größenordnung von 3 Milliarden DM, in der Schweiz 400 Millionen

    Franken*.Den Löwenanteil an den bundesdeutschen Krebsforschungskosten

    verschlingt das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Hei-

    delberg. In dieser Forschungsfabrik von amerikanischem Zuschnitt

    sind rund 1100 Mitarbeiter beschäftigt Die Ausgaben des DKFZ

    schnellten allein in den Jahren 1976 bis 1978 von 47 auf 84,5 Millionen

    Mark, also auf beinahe das Doppelte14. Diese Expansionspolitik ist

    noch keineswegs abgeschlossen.»Die äußerst komplexen Probleme der Krebsforschung und -bekämp-

    fung können«, wie es in einer 1979 herausgegebenen Programmerklä-

    rung der DKFZ-Stabsstelle fü r Presse- und Öffentlichkeitsarbeit heißt,

    »nur in enger Zusammenarbeit von Wissenschaftlern ... auf nationaler

    und internationaler Ebene und durch Konzentration und Ausbau vor-

    handener Forschungskapazitäten in Angriff genommen werden15.«

    Mit anderen Worten: Man braucht noch mehr Geld.

    In einem 1677 Seiten starken Bericht, der im April 1980 von der Deut-schen Forschungsgemeinschaft (DFG) veröffentlicht wurde, legt eine

    53köpfige Kommission von führenden Krebsexperten eine »Bestan-

    desaufnahme der Krebsforschung in der Bundesrepublik Deutsch-

    land« vor. Das Fazit dieser »deprimierenden Lektüre« - so der »Spie-

    gel« - ist die Feststellung, daß die deutsche Krebsforschung in vielen

    Bereichen einem internationalen Vergleich nicht standhält. »Alarmie-

    rende Zustände« herrschen nach Ansicht der DFG-Experten bei derStrahlentherapie, wo »ein großer Mangel an Spezialisten eine angemes-

    sene Patientenversorgung nicht mehr zuläßt.« Auf dem Gebiet der Er-

    forschung und Behandlung von Krebserkrankungen der männlichen

    Geschlechtsorgane - obwohl gerade in Deutschland besonders häufig -

    seien »wesentliche Lücken« zu verzeichnen. Bei der Entwicklung von

    * Brut tosozialprod ukt BRD rund 1200 Milliarden DM, Schweiz rund 150 Milliarden

    Franken12. Gesundheitsausgaben (ohne Lohnausfall) betragen durchschnittlich(OECD-Länder) rund 7 Prozent des Bruttosozialprodukts, die Ausgaben für Krebsbe-

    handlung (britische Zahlen) rund 4 Prozent der Gesundheitsausgaben13.

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    zelltötenden Medikamenten werde »mit ungenügendem Einsatz ge-

    forscht«.

    Um die Versäumnisse aufzuholen, empfehlen die Autoren der DFG-

    Studie, »Serum- und Tumorzellbanken«, »neue Zentren für experi-

    mentelle Pathologie und Zellbiologie«, »Referenzzentren« und »Tu-morregister« einzurichten. Ferner sei die Forschung auf Gebieten wie

    der »chemischen und physikalischen Kanzerogenese« (Krebsentste-

    hung), der »immunologischen Abwehrmechanismen bei der Tumor-

    entstehung und Tumorausbreitung«, der »RNS-Virusforschung« und

    einer ganzen Anzahl anderer wichtiger Spezialgebiete zu »intensivie-

    ren« und zum Teil »dringend« und »über den bisherigen Rahmen hin-

    aus« zu fördern

    1 6

    .Dieser Forderungskatalog, verbunden mit Wehklagen über die jetzige

    Situation, dür fte wohl in erster Linie den Zweck haben, mehr Mittel fü r

    die Forschung lockerzumachen. Wenn wirklich die »internationale

    Spitze« erreicht werden soll, die in der Krebsforschung von den USA

    gehalten wird, so ist das anders als durch massive Erhöhung der

    Forschungskredite nicht zu erreichen. Immerhin geben die Ameri-

    kaner pro Kopf etwa dreimal soviel für Krebsforschung aus wie die

    Deutschen. Mehr Fortschritte haben sie damit nicht erzielen kön-nen.

    Die Kritik der DFG-Experten läuft im wesentlichen darauf hinaus, daß

    im Bereich der Bestrahlung und Chemotherapie mehr getan werden

    müsse. Fachleute, die dieses traditionelle Konzept der Krebsbehand-

    lung kritisieren, waren gar nicht erst in das DFG-Gremium aufge-

    nommen worden.

    Zu den großen Abwesenden zählt auch der Kasseler RöntgenologeProf. Ernst Krokowski, der sich vor allem durch seine Untersuchun-

    gen auf dem Gebiet der Metastasenbildung, einem der Hauptprobleme

    der Krebskrankheit, einen Namen gemacht hatte. »Glaubte man im

    Ernst, mit solchen Kommissionen dem Krebsproblem echt näherzu-

    kommen?« fragt sich Krokowski. »Ist es nicht vielmehr für die Schul-

    mediziner Zeit einzusehen, daß sie mit ihrem Ziel der Krebsbekämp-

    fung, den Krebsherd lokal anzugehen bzw. ihn zu entfernen, zwar dasBestmögliche geleistet, dabei aber den Krebs als Krankheit des Gesamt-

    organismus aus den Augen verloren haben? Wagt denn keiner... aus-

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    zusprechen, daß wir mit unseren derzeitigen Konzeptionen, Theorien,

    Behandlungsmethoden eine Grenze erreicht haben, die uns verpflich-

    tet, andere Ideen, Gedanken und Ergebnisse zu prüfen, anstatt sie ex

    cathedra zu verdammen17?«

    In der DFG-Studie fristen diese »anderen Ideen« ein klägliches Daseinam Rande. So wurden bei der Uberwärmungstherapie »wichtige Insti-

    tute, die internationalen Rang haben«, in der Studie »nicht... erfaßt«.

    Überhaupt nicht erwähnt sind die sogenannten Naturpräparate (z. B.

    Extrakte aus Mistel und Thymus), Vitamine und Enzyme sowie der

    Zusammenhang zwischen Krebserkrankung und Diät. Andere Ansät-

    ze, zum Beispiel in der Untersuchung der Krebs-Persönlichkeit, seien

    »wenig ergiebig«, kritisierte der Bericht.In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien

    die Forschungsarbeiten ausgewählt und bewertet wurden. Im Januar

    1978 berief die DFG im Auftrag der Bonner Regierungskoalition eine

    Kommission ein, die in einer Umfrage rund 3000 Krebsforscher auf-

    forderte, ihre Arbeiten zur Begutachtung zur Verfügung zu stellen.

    Dabei bediente sich die Kommission der Datenbank »Cancernet« am

    Heidelberger Krebsforschungszentrum. Deren Konzeption und Se-

    lektionsverfahren bestimmte die Zusammensetzung der angefragtenKrebsforscher. Insgesamt gingen 1762 Mitteilungen ein, die von 2495

    Wissenschaftlern aus 780 Forschungsinstitutionen stammten.

    Im Mai 1979 begann eine Gruppe von 48 Experten aus den verschiede-

    nen Bereichen der Krebsforschung, die Umfrageergebnisse auszuwer-

    ten. Diese Berichterstatter, so die Studie, »waren gehalten, die einge-

    gangenen Mitteilungen ... in bezug auf Originalität der wissenschaft-

    lichen Fragestellung, Bedeutung des Forschungsinhaltes und Ange-messenheit der Methodik zu beurteilen, soweit dies aus den zum Teil

    sehr kurz gefaßten Abstracts (Zusammenfassungen) möglich war«.

    Keines dieser Kriterien ist objektiv faßbar. Entscheidend bei der Be-

    wertung war vielmehr, daß die eingegangenen Arbeiten von konserva-

    tiven Schulmedizinern mit den international üblichen Normen der be-

    treffenden Fachgebiete verglichen wurden. So räumt der Expertenbe-

    richt ein, daß die Ergebnisse gewisser Forschungsrichtungen durchaus»auch international als Spitzenleistungen angesehen werden«. Das be-

    deutet allerdings nicht, daß damit den Krebspatienten geholfen wurde,

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    sondern nur, daß bestimmte, gerade gültige wissenschaftliche Quali-

    tätskriterien erfüllt wurden.

    Anders als die Amerikaner kommt der DFG-Bericht in seinen »allge-

    meinen Empfehlungen« zum Schluß, daß die Grundlagenforschung

    vermehrt gefördert werden müsse, wozu es »zusätzlicher Mittel« be-dürfe. Zur Frage, wann denn mit Erfolgen bei der Krebsbekämpfung

    zu rechnen sei, meinte der Vorsitzende der DFG-Krebskommission,

    Professor Otto Westphal, man müsse sich in Geduld üben und »in

    Jahrzehnten denken18«. Er warnte davor, Ergebnisse durch Planung

    erzwingen zu wollen, wie dies in den USA geschehen sei: »Ungeduld,

    so sehr sie im Sinne der Millionen von Krebskranken verständlich ist,

    sollte weder wissenschaftliche Organisationen noch Politiker zu Maß-

    nahmen veranlassen, welche am Ende viele Mittel verschlingen und

    doch keinen wirklichen Erfolg bringen.«

    Treffender läßt sich die Situation in der Krebsforschung kaum aus-

    drücken, mit dem wichtigen Unterschied, daß sie schon längst existiert

    und nicht erst durch besondere Maßnahmen herbeigeführt zu werden

    braucht.

    Wo sitzt der Feind?

    Das Krebsübel beginnt damit, daß irgendeine von den vielen Milliar-

    den Körperzellen sich in ihrem Inneren plötzlich verändert. Diese»Mutation« - so die gängige Theorie - bewirkt, daß die Zelle sich un-kontrolliert zu teilen beginnt. Sie kümmert sich sozusagen nicht mehrdarum, daß sie zu einem Organ gehört, dessen Grenzen und Funk-tionsgesetzen sie zu gehorchen hat Ihre ebenso unkontrolliert wu-chernden Zell-Nachkommen bauen das Zerrbild eines Organs auf, ei-nen Tumor.

    An dieser Mutationstheorie, die von Karl Heinrich Bauer formuliertwurde und mindestens in ihrer ursprünglichen Fassung heute überholtist, orientieren sich die Heilungsbemühungen der Mediziner. Die Zell-

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    biologen, so hoffen sie, werden eines Tages herausfinden, welche inne-

    ren Veränderungen eine gesunde Zelle zu einer Krebszelle machen.

    Dann hätte man Gelegenheit, dies mit Medikamenten oder sonstigen

    Eingriffen gezielt zu verhindern. Da eine solche ursächliche Therapie

    noch nicht in Sicht ist, versuchen die Ärzte, die Tumorzellen mit radi-kalen Mitteln aus den Patienten zu entfernen oder zu zerstören. Ein Pa-

    tient gilt theoretisch dann als geheilt, wenn »die letzte bösartige Zelle«

    aus seinem Körper entfernt wurde.

    Ob ein Tumor lebensgefährlich ist oder nicht, hängt großenteils vom

    Verhalten seiner Zellen ab. Insbesondere kommt es darauf an, ob sich

    das Tumorgewebe mit einer festen Kapsel aus Bindegewebe umhüllt,

    das die Tumorzellen beisammenhält. Einen solchen Tumor nennt derMediziner »gutartig«, weil er das Leben des Patienten in der Regel

    nicht bedroht Bildet das Tumorgewebe jedoch keine Bindegewebs-

    kapsel aus, dann handelt es sich um einen »bösartigen« Tumor, im

    Volksmund Krebs genannt.

    Je nach Herkunft der Zellen, ihrer Form, ihrer Wachstumsgeschwin-

    digkeit usw. unterscheidet der Fachmann (Onkologe) Hunderte von

    verschiedenen Tumorarten. »Krebs« ist also keine einheitliche Krank-

    heit. Auch eine bösartige Geschwulst bedroht in der Regel das Lebendes Patienten zunächst nicht. Doch ihre Zellen, durch keine Bindege-

    webskapsel behindert, zerstreuen sich in alle Körperregionen und bil-

    den dort Tochtergeschwülste, sogenannte Metastasen. Diese beein-

    trächtigen die Funktion lebenswichtiger Organe und führen schließ-

    lich zum Tod des Patienten.

    Der Verlauf des Krebsgeschehens gleicht dem einer Lawine. Man

    nimmt an, daß sich die Krebszellen in ungefähr gleichmäßigen Abstän-den teilen. Etwa einen Monat bis ein halbes Jahr mag es dauern, bis aus

    einer bösartigen Zelle zwei entstanden sind, aus zwei Zellen vier, aus

    vier Zellen acht usw. In der theoretischen »Halbzeit« zwischen dem

    Auftreten der ersten Krebszelle und dem Tod des Patienten wächst der

    Tumor auf einen Durchmesser von gut einem Millimeter heran.

    Bereits jetzt, in einem Stadium, wo er mit den heutigen Diagnoseme-

    thoden noch bei weitem nicht entdeckt werden kann, wandern vermut-lich bösartige Zellen aus: Diese sogenannten Mikrometastasen verbrei-

    ten sich über Lymphbahnen und Blutgefäße im ganzen Körper. Die

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    meisten von ihnen werden zwar von den Freßzellen des körpereigenen

    Abwehrsystems (Immunsystem) unschädlich gemacht. Aber einigen

    von ihnen gelingt es trotzdem, sich an irgendeiner Stelle im Körper der

    Patientin oder des Patienten festzusetzen. Ist ihnen das gelungen, be-

    ginnen sie sich wiederum zu teilen und bilden den Keim zu einer neuenGeschwulst.

    Je mehr Zellen mit der Zeit aus dem wachsenden Tumor ausschwär-

    men, desto häufiger beginnen sich solche Metastasenherde zu bilden.

    Noch bleiben sie aber ebenso unentdeckt wie der Ersttumor. Die klein-

    sten Tumoren, die auf dem Röntgenschirm entdeckt werden können,

    haben einen Durchmesser von einem Zentimeter. Sie bestehen aus

    mehreren hundert Millionen Zellen und mögen etwa 10 Jahre alt sein.Die Krankheit befindet sich jetzt bereits in ihrem Endstadium.

    Angenommen, es handle sich um einen bösartigen Knoten in der Brust

    einer Patientin. Er kann durch Operation leicht entfernt werden. Doch

    die kleinen Metastasen, die unentdeckt im Körper der Patientin wu-

    chern, entgehen dem Skalpell. Auch später, wenn sie zu erkennbarer

    Größe herangewachsen sind, werden sie nicht operiert werden kön-

    nen, da sie zu zahlreich und nicht so gut zugänglich sein werden wie der

    Brustknoten. Unsere Patientin hat nach der Operation eine Chancevon 8 5 Prozent, nach fünf Jahren noch zu leben. Statistisch gilt sie dann

    als »geheilt«, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit stirbt sie nach 10

    oder 15 Jahren dennoch an ihrem Krebs.

    Der Spätverlauf einer Tumorkrankheit - nur er läßt sich diagnostizie-

    ren- wird von den Medizinern in die Stadien I bis IV eingeteilt. I und II

    sind die sogenannten Frühstadien, III und IV die Spätstadien. Die

    Tumorgröße wird mit dem sogenannten TNM-System klassifiziert: T(mit Ziffern von o bis 4 für die verschiedenen Größen) bedeutet »Tu-

    mor«, N (mit Ziffern von o bis 3) bedeutet »Lymphknoten« (Nodi), die

    in der Nähe des Tumors meist zuerst von den bösartigen Zellen befal-

    len werden, und M (mit den Ziffern o und 1) bedeutet »Metastasen«,

    also erkennbare Tochtergeschwülste in weiter entfernten Körperregio-

    nen. T 0 N 0 M 0  ist der Befund eines gesunden Menschen oder eines

    frischoperierten Patienten ohne erkennbare Metastasen. T 4 N 3 M 1  be-deutet, daß der Tumor die Grenzen seines Ursprungsorgans über-

    schritten hat, die Lymphknoten so stark befallen sind, daß sich Krebs-

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    zellen in die Umgebung ausbreiten und daß Fernmetastasen vorhan-

    den sind.

    Metastasen lassen sich in der Regel nicht operieren, da sie meist le-

    benswichtige Organe wie Lunge, Gehirn, Leber usw. befallen. Durch

    Bestrahlung und giftige Medikamente, die das Zellwachstum hemmen(sogenannte Zytostatika), versucht man, die Metastasen abzutöten.

    (Von der Wirkung dieser zweischneidigen Schwerter soll an späterer

    Stelle noch ausführlich die Rede sein.) Ein Rückgang der Metastasen-

    wucherungen oder eines inoperablen Tumors wird in der Fachsprache

    »Remission« oder »Regression« genannt. Von »Vollremission« spricht

    man dann, wenn keine Knoten mehr auf dem Röntgenschirm zu er-

    kennen sind, von »Teilremission«, wenn sie kleiner werden.»Remission« darf nicht mit Heilung verwechselt werden. Von Heilung

    spricht der Onkologe erst, wenn die Remission eine gewisse Zeit an-

    hält. Die Medizinstatistiker haben sich darauf geeinigt, einen Patienten

    als »geheilt« zu betrachten, wenn er 5 Jahre nach der Operation noch

    lebt. Seriöse Onkologen meiden aber den Begriff »Heilung« und spre-

    chen lieber von »5-Jahres-Uberlebensraten«. Das ist eine Prozentzahl,

    die angibt, welcher Anteil der Patienten nach 5 Jahren noch lebt.

    Die Mutationstheorie von Bauer geht davon aus, daß der Krebs durchäußere Einflüsse verursacht wird, beispielsweise durch krebserregende

    Stoffe in der Umwel t. Diese verändern die genetische Substanz der Zel-

    le, die sogenannte DNA (internationale Abkürzung für »Desoxyribo-

    nukleinsäure«). Dadurch entsteht aus einer normalen Zelle eine Krebs-

    zelle, die sich vermehrt und einen Tumor bildet. Nach dieser Theorie

    ist die Krebskrankheit ein lokales Geschehen, das mit dem Allgemein-

    zustand des Patienten weiter nichts zu tun hat Die eigentliche Krank-heit ist der Tumor, er muß bekämpft werden. Auf dieser Grundlage ba-

    sieren sämtliche schulmedizinischen Behandlungsmethoden gegen

    Krebs.

    Inzwischen setzt sich aber auch in schulmedizinischen Kreisen die An-

    sicht durch, daß der Krebs eine allgemeine Erkrankung ist Die Muta-

    tionstheorie läßt sich nämlich in ihrer ursprünglichen Form heute nicht

    mehr aufrechterhalten. Sie erklärt zum Beispiel nicht, warum die mei-sten Menschen, die doch den krebserregenden Stoffen ebenso ausge-

    setzt sind wie Krebspatienten, trotzdem keinen Krebs bekommen.

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    Selbst starke Raucher erkranken mit 9oprozentiger Wahrscheinlichkeit

    nicht an Lungenkrebs. Umgekehrt sind auch strenge Nichtraucher in

    ländlichen, von Abgasen weitgehend verschonten Gegenden nicht da-

    vor gefeit.

    Es muß also Einflüsse oder vielleicht auch erbliche Dispositionen ge-ben, die den einen Menschen eher für Krebs anfällig machen als den an-

    deren. Einflüsse, die noch weitgehend unbekannt und unerforscht

    sind, weil sich die Wissenschaftler bisher zu verbissen nur um die Zell-

    veränderungen gekümmert haben. In dieser Sicht ist der Krebs nicht

    ein bösartiger Tumor, den man herausoperieren oder bestrahlen kann.

    Er ist keine Krankheit, die dadurch geheilt werden kann, daß man die

    wildwuchernden Zellen durch Zytostatika abtötet. Der Krebs ist viel-

    mehr die Grundbedingung dafür, daß sich im Körper des Patienten

    eine bösartige Geschwulst entwickelt. Das heißt, der Tumor ist nicht

    die Krankheit, sondern nur ihr Symptom. Genauer gesagt: eines ihrer

    Symptome.

    So vermutete der amerikanische Krebsforscher Hardin B. Jones, daß

    nur ein kleiner Bruchteil der Patienten an ihren Wucherungen stirbt. In

    seinen Untersuchungen an Tausenden von Patienten war er darauf ge-

    stoßen, daß ebenso viele von ihnen an hinzugekommenen Krankheitenverstorben waren wie am Krebs selbst. Und selbst diese, mutmaßte Jo-

    nes, könnten an einer allgemeinen Stoffwechselstörung gestorben sein,

    an einer Art vorzeitigem Alterungsprozeß, bei dem der Tumor nur eine

    Begleiterscheinung ist. Für diese These spricht auch, daß Krebs mit zu-

    nehmendem Alter sehr viel häufiger auftritt 19.

    Was auch zutrifft - Krebs ist jedenfalls keine Krankheit im üblichen

    Sinne. Krebszellen sind nicht krank, sondern im Gegenteil äußerst vi-tal. De r deutsche Krebsforscher Frederic Vester nennt sie »ein zweites,

    allerdings fehlgesteuertes Leben in uns20«. Es ist eine Art Leben, das

    sich auf mysteriöse Weise so verhält wie die Urzellen, die als wu-

    chernde Masse unseren Planeten mit erstem Leben überzogen.

    43

  • 8/19/2019 Bachmann, Christian - Die Krebsmafia (1981, 315 S., Text)

    44/315

     Mißerfolge und Scheinerfolge

    Ein Bericht des Nationalen Krebsinstituts der Vereinigten Staaten

    stellte 1979 fest, daß sich innerhalb von 23 Jahren die 5-Jahres-Uberle-bensrate für alle Krebsarten insgesamt nur um 2 Prozent verbessert

    hat21. Gerade bei den häufigen Krebsarten stagnieren die Uberlebens-

    kurven seit Jahrzehnten: Seit 1955, schrieb etwa das »New England

    Journal of Medicine«, sei die Heilungsrate bei Brustkrebspatientinnen

    »praktisch unverändert«. Bei Magen- und Dickdarmkrebs gibt es sogar

    seit 40 Jahren keine Heilungsfortschritte22.

    Solche Erkenntnisse werden von der medizinischen Fachwelt ver-drängt. »Wütende Proteste« erlebte beispielsweise Professor Ernst

    Krokowski, als er auf einem Röntgenkongreß die unerfreulichen Tat-

    sachen ungeschminkt darlegte. Eine medizinische Fachzeitschrift wei-

    gerte sich, eine Untersuchung des angesehenen Berliner Professors

    Heinz Oeser abzudrucken, die mit exakten Zahlen nachwies, daß die

    Krebsgefährdung des Menschen seit Beginn dieses Jahrhunderts kon-

    stant geblieben ist23.

    Die Medien beteiligen sich eifrig an der Vertuschungskampagne des

    medizinischen Establishments. So wurden die Äußerungen des ameri-

    kanischen Krebsforschers Hardin B. Jones von den großen Medien

     jahrelang totgeschwiegen, obwohl oder eben weil sie eine skandalöse

    Unstimmigkeit in der Krebsstatistik a