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Teil 1 Diagnose mit BADYS 1 – 4+ Das Thema des Workshops ist, wie in der Ankündigung zum Ausdruck kommt, der Umgang mit Rechenschwäche. Genauso gut hätte dort auch von Rechenproblemen, Rechenschwierigkeiten, Rechenstörung oder Dyskalkulie die Rede sein können. Welche Terminologie gewählt wird, ist aus therapeutischer Sicht eher zweitrangig, weil daraus weder über die Ursache noch für die Behandlungsmöglichkeiten hilfreiche Hinweise abgeleitet werden können. Entscheidend ist, dass alle betroffenen Kinder besondere Probleme mit numerischen Inhalten haben und dass für viele das Risiko einer psychischen Beeinträchtigung erheblich ist. Die Aufgabe von LerntherapeutInnen besteht darin, die Kinder aufzufangen, ihnen Mut zu machen und die Angst vor der Mathematik zu nehmen. Lehrkräfte dagegen haben bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt entscheidenden Anteil daran, dass die Versagensängste erst gar nicht entstehen, indem Sie die Problematik frühzeitig erkennen und idealer Weise verhindern, dass ein Leidensdruck entsteht. Die Frage ist, wieso bei einigen Kindern das Rechnenlernen so problematisch verläuft. Eine befriedigende Antwort hat die Wissenschaft bis heute nicht geliefert. Somit bleibt einstweilen nur die Möglichkeit, aus der Literatur jene Faktoren zusammenzufassen, die Rechenleistungen beeinflussen. Numerische Kompetenzen sind das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Faktoren, die zum größten Teil konstitutioneller Natur sind, zum Teil aber auch das schulische und familäre Umfeld betreffen.

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Teil 1

Diagnose mit BADYS 1 – 4+

Das Thema des Workshops ist, wie in der Ankündigung zum Ausdruck kommt, der

Umgang mit Rechenschwäche. Genauso gut hätte dort auch von Rechenproblemen,

Rechenschwierigkeiten, Rechenstörung oder Dyskalkulie die Rede sein können. Welche

Terminologie gewählt wird, ist aus therapeutischer Sicht eher zweitrangig, weil daraus

weder über die Ursache noch für die Behandlungsmöglichkeiten hilfreiche Hinweise

abgeleitet werden können. Entscheidend ist, dass alle betroffenen Kinder besondere

Probleme mit numerischen Inhalten haben und dass für viele das Risiko einer

psychischen Beeinträchtigung erheblich ist. Die Aufgabe von LerntherapeutInnen

besteht darin, die Kinder aufzufangen, ihnen Mut zu machen und die Angst vor der

Mathematik zu nehmen. Lehrkräfte dagegen haben bereits zu einem viel früheren

Zeitpunkt entscheidenden Anteil daran, dass die Versagensängste erst gar nicht

entstehen, indem Sie die Problematik frühzeitig erkennen und idealer Weise verhindern,

dass ein Leidensdruck entsteht.

Die Frage ist, wieso bei einigen Kindern das Rechnenlernen so problematisch verläuft.

Eine befriedigende Antwort hat die Wissenschaft bis heute nicht geliefert. Somit bleibt

einstweilen nur die Möglichkeit, aus der Literatur jene Faktoren zusammenzufassen, die

Rechenleistungen beeinflussen.

Numerische Kompetenzen sind das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Faktoren,

die zum größten Teil konstitutioneller Natur sind, zum Teil aber auch das schulische und

familäre Umfeld betreffen.

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� Allgemein-kognitive FunktionenGedächtnisleistungenAufmerksamkeit

Sprachverständnis

� Räumliche Vorstellung

� Basisnumerische FertigkeitenMengenerfassungZahlerfassung

� Arithmetische Fertigkeiten

Addition und Subtraktion

Multiplikation und Division

Neben allgemein-kognitiven Funktionen Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Sprache und

dem räumlichen Vorstellungsvermögen haben die hier aufgeführten basisnume-

rischen Fertigkeiten eine hohe Vorhersagekraft für die späteren arithmetischen

Kompetenzen, dies gilt heute als gesichert.

Kinder entwickeln bis zum Schuleintritt primäre numerische Kompetenzen . Bereits im

Alter von drei bis vier Jahren können sie Mengen visuell über 1:1-Zuordnungen

vergleichen, vier – bis fünfjährige Kinder können Zahlwörter in der Regel bereits kardinal

zur Bestimmung der Anzahl verwenden und Vorschulkinder führen schon einfache

Rechenoperationen aus. Dennoch bringen einige Grundschulkinder sehr geringe

Vorkenntnisse mit, die nicht ausreichen, um weitere Kompetenzen angemessen zu

entwickeln. Wir können davon ausgehen, dass, bei einer Prävalenzrate von ca. 6%, in

jeder Grundschulklasse mindestens ein Kind als rechenschwach einzustufen ist. Wo die

Probleme genau angesiedelt sind, muss sehr sorgfältig analysiert werden, denn Grund-

vorausaussetzung für jegliche Art von Fördermaßnahmen ist die umfassende Erhebung

und Analyse des aktuellen Leistungsstandes. Prinzipiell sollten Rechenschwierigkeiten

bei Kindern natürlich möglichst früh erkannt und in der Folge differenzierte Fördermaß-

nahmen veranlasst werden. Bei Nichtbeachtung haben die betroffenen Kinder in aller

Regel kumulativ Schwierigkeiten, mit dem aktuellen Schulstoff in Mathematik Schritt zu

halten. Misserfolgserlebnisse wirken sich auch auf die Position im Sozialsystem der

Klasse aus und erzeugen sekundär Ängste und Vermeidungsverhalten. Von daher ist es

nachvollziehbar, dass sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Rechen-

schwierigkeiten bislang vorrangig auf den Primarbereich und verstärkt auch auf den

vorschulischen Bereich bezieht. In der Folge sind in den letzten Jahren etliche neue

Diagnoseverfahren entstanden.

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Dies trägt wesentlich dazu bei, dass gefährdete Kinder zu einem Zeitpunkt Förderung

erfahren können, zudem sich unangemessene Rechenstrategien noch nicht verfestigt

haben. Bei einigen Kindern werden diese aber erst dann offenkundig, wenn die kompen-

satorischen Mittel, die jedes rechenschwache Kind im Laufe seiner Grundschullaufbahn

einzusetzen gelernt hat, nicht mehr greifen, weil die Techniken und das Vorstellungs-

vermögen für den höheren Zahlenraum und für die Mathematik jenseits der Grund-

schularithmetik nicht mehr ausreichen.

Für die Diagnose eignen sich vor allem prozessorientierte Methoden der qualitativen

Analyse von Rechenwegen und Rechenergebnissen. Die Idee dahinter ist, Einblick in

die numerischen Denkstrukturen zu gewinnen. Dies gelingt am besten mit förder-

diagnostischen Verfahren .

Zielsetzung förderdiagnostischer Verfahren

� Standardisierte Erkennung und Quantifizierung von Rechenschwierigkeiten

� Qualitative Analyse der Rechenleistung

Voraussetzungen

� Gute Differenzierung im unteren Leistungsbereich� Berücksichtigung vieler Aspekte von

Rechenfertigkeiten� Adaptive Vorgehensweise: Möglichkeit zur Variation

der Leistungsanforderung

Förderdiagnostische Testverfahren haben zwei Ziele: Neben der standardisierten Mög-

lichkeit der Identifizierung und Quantifizierung von Rechenschwierigkeiten sollten

sie auch den Anforderungen der Praxis genügen und die Grundlage für die Planung

individueller Förderansätze bilden. Um dies zu erreichen, muss das Verfahren vor

allem im unteren Leistungsbereich gut differenzieren und möglichst viele Aspekte

von Rechenfertigkeiten einbeziehen, da betroffene Kinder Störungsmuster in verschie-

denen Ausprägungsgraden und Mischformen zeigen. Dies bedeutet, dass neben den

arithmetischen auch basisnumerische Aufgaben berücksichtigt werden müssen.

Ein weiteres Anliegen ist die adaptive Vorgehensweise . Für rechenschwache Kinder ist

es kennzeichnend, dass ihre numerischen Fertigkeiten oft mehrere Klassenstufen unter

den Anforderungen liegen. Deshalb muss bei erkennbarer Überforderung in einzelnen

Subtests die Möglichkeit bestehen, zu den Aufgaben vorangegangener Klassenstufen

zurückgehen zu können. Nur so kann durch die quantitative und die qualitative Fehler-

analyse recht präzise angegeben werden, auf welcher Kompetenzebene sich ein Kind

befindet und wo die Förderung einsetzen sollte.

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Bei der Konstruktion von BADYS 1 – 4 + wurde dies alles so gut es ging berücksichtigt.

BADYS 1 - 4+ ist für die Einzeluntersuchung von Schülern mit besonderen Rechen-

problemen entwickelt worden. Das Verfahren kann ab dem Ende der ersten bis zum

Beginn der sechsten Klasse eingesetzt werden. Die Durchführung benötigt insgesamt 70

bis 90 Minuten, weshalb es ratsam ist, die Testung an zwei Terminen durchzuführen.

Der Test besteht aus acht Subtests mit 80 bis 116 Aufgaben , je nach Klassenstufe,

sowie einer zusätzlichen Aufgabe zur Erfassung der allgemeinen Bearbeitungs-

geschwindigkeit bei nicht mathematischen Inhalten. Sie geht aber nicht in die Bewer-

tung der Gesamttestleistung ein.

� Allgemein-kognitive FunktionenGedächtnisleistungenMathematische BegriffeAufmerksamkeit (Bearbeitungsgeschwindigkeit)

� Räumliche VorstellungVisuell-räumliche Grundfertigkeiten

� Basisnumerische FertigkeitenMengenerfassungZahlerfassung

� Numerische Fertigkeiten

Addition und SubtraktionMultiplikation und Division

� Umgang mit Maßen

Allgemein-kognitive Funktionen

Subtest Gedächtnisleistungen

Das Gedächtnis ist eine kognitive Funktion, die wesentlich an Rechenprozessen betei-

ligt ist. Das Arbeitsgedächtnis wird zur Aufrechterhaltung relevanter Informationen und

zur Weiterverarbeitung dieser Informationen benötigt. Es umfasst zwei Speicher für

auditive (phonologische Schleife) und für visuelle (visuell-räumlicher Notizblock) Infor-

mationen und die sog. zentrale Exekutive, die für die Koordination beider Speicher zu-

ständig ist, vor allem bei komplexeren Aufgaben. Alle drei Systeme spielen eine große

Rolle beim Lösen arithmetischer Aufgaben. Es ist eine ganze Reihe von Untersuchun-

gen bekannt, die die Zusammenhänge zwischen eingeschränkten Gedächtnisleistungen

und Rechenschwäche überprüft haben. Dabei konnten bei Kindern mit Dyskalkulie keine

generellen Probleme des Arbeitsgedächtnisses beobachtet werden. In der Regel zeigen

sie bei sprachlichen Gedächtnisleistungen keine besonderen Auffälligkeiten, die Schwie-

rigkeiten beziehen sich vor allem auf Merkleistungen mit Zahlenmaterial. Dies betrifft

generell die Fähigkeit, arithmetische Informationen zu verarbeiten und deutet darauf hin,

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dass nicht nur die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses beeinträchtigt ist, sondern auch

die zentrale Exekutive, die diese Informationsverarbeitung, etwa beim Kopfrechnen,

steuert. Für diese Annahme spricht, dass numerische Einträge ins Langzeitgedächtnis

häufig nur erschwert aufgebaut werden können; man denke an die Automatisierung der

Einmaleinssätze. Die Überforderung des Arbeitsgedächtnisses könnte allerdings auch

damit zusammenhängen, dass rechenschwache Kinder häufig sehr zeitaufwändige und

ineffiziente Rechenstrategien anwenden.

Gedächtnisleistungen werden mit zwei Aufgabengruppen überprüft. In der Grundschul-

version liegt der Focus auf visuellen Reizen. Zum einen sollen kurz präsentierte Würfel-

bilder oder geometrische Formen genauso reproduziert werden, wie sie zuvor gezeigt

wurden (Gedächtnisleistungen vorwärts) . Zum anderen müssen die Reize in umge-

kehrter Reihenfolge wiedergegeben werden (Gedächtnisleistungen rückwärts).

Eine weitere allgemein-kognitive Funktion, die bei der Entwicklung numerischer Kompe-

tenzen eine Rolle spielt, ist das Sprachverständnis .

Sprachliche Fähigkeiten sind für alle Kulturtechniken grundlegend, natürlich auch für die

Mathematik. Bei BADYS 1- 4+ gibt es einen eigenen Subtest, der vor allem die Verfüg-

barkeit mathematischer Begriffe abprüft.

Subtest Mathematische Begriffe

Eine wichtige Voraussetzung für die Ausführung von Rechenoperationen ist die Kenntnis

von Operationsbegriffen.

Im Test wird die Verfügbarkeit prozeduraler Begriffe, wie wegnehmen, hinzufügen, ver-

mehren, verdoppeln etc. überprüft.

Eine weitere Aufgabengruppe bilden Positionsbegriffe.

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Räumliche Vorstellung

Subtest Visuell-Räumliche Grundfertigkeiten

Hier gibt es kognitive, perzeptive und grafische Aufgaben zum Räumlichen Denken und

zu Raumlagebeziehungen.

Ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen ist essentiell für den Bereich Geometrie.

Im Test haben wir Aufgaben zu Körpernetzen und Würfelkonstellationen.

Eine weitere Aufgabengruppe befasst sich mit Raumlagebeziehungen .

Ein Kind, das Schwierigkeiten hat, die Lage eines Gegenstandes in Relation zu seinem

eigenen Körper oder zu anderen Gegenständen zu bestimmen, wird auch bei

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geometrischen Aufgaben Schwierigkeiten haben. Raumlagebeziehungen sind auch für

die Differenzierung von Zahlen und Buchstaben relevant: b und d, p und q sind

symmetrische Buchstaben. Die Zahlen 6 und 9 können durch Drehung ineinander

überführt werden. Räumliche Vorstellungen entscheiden aber auch darüber, wie gut sich

ein Kind im Zahlenraum orientieren kann.

Wenn vom Zahlenraum die Rede ist, meinen wir damit nichts anderes als die geordnete,

richtungsgebundene Darstellung von Zahlen. Es müssen numerische Beziehungen in

räumliche transformiert werden. Nehmen wir die Hundertertafel als Beispiel: Jede Zahl

hat einen linken Nachbarn, den Vorgänger, der genau um 1 kleiner ist und einen rechten

Nachbarn, den Nachfolger, der genau um eins größer ist als die Zahl. Oberhalb und

unterhalb sind jeweils Zahlen angeordnet, die genau um 10 kleiner bzw. um 10 größer

sind. Oder der Zahlenstrahl: Jede Zahl steht in Relation zu anderen Zahlen. Diese

Relationen werden am Zahlenstrahl linear abgebildet.

Basisnumerische Fertigkeiten

Subtest Mengenerfassung

Sehr früh können Kinder im Allgemeinen schon Mengen visuell erfassen und verglei-

chen. Es gibt Befunde aus der Säuglingsforschung, wonach bereits sechs Wochen alte

Babys in der Lage sind, akustische und visuelle Reize als mengenmäßig gleich oder ver-

schieden zu beurteilen. Man geht von einem angeborenen Start-up Mechanismus für

Rechenleistungen aus, wozu auch die Simultanerkennung kleiner Mengen (bis 3 Ele-

mente, Subitizing) zählt. Diese Mengenbeurteilungen enthalten noch keinerlei nume-

risches Wissen, vielmehr handelt es sich um eine genetisch determinierte Fähigkeit zur

Mengendifferenzierung, so wie wir auch Formen und Farben unterscheiden können. Es

gibt Hinweise darauf, dass bei Rechenschwachen dieser Mechanismus nicht oder

zumindest schwächer vorhanden ist. Sie vergleichen auch kleinste Mengen zählend,

was an längeren Reaktionszeiten zu erkennen ist. Dies wird als Hinweis darauf gewer-

tet, dass die basale Zahlverarbeitung gestört ist. Neuere Untersuchungen aus der

Neuropsychologie bestätigen diese Annahme. Mit bildgebenden Verfahren wurden bei

rechenschwachen Kindern atypische Gehirnaktivitäten bei der Bearbeitung von Auf-

gaben zum Mengen- und Zahlenvergleich nachgewiesen. Im Unterschied zu

unauffälligen Rechnern, dauert der Entscheidungsprozess beim Zahlen- oder

Mengenvergleich bei Rechenschwachen etwa gleich lang, unabhängig davon, ob sich

die Reize um 5 (z. B. 2 und 7) oder um 1 unterscheiden.

Im Test wird der nicht-numerische Mengenvergleich anhand von Aufgaben zum Ordnen

von Punktmengen erfasst.

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Die Mengenerfassung wird im Allgemeinen wesentlich erleichtert, wenn Mengen struktu-

riert vorgegeben werden, etwa in Form der Würfelpunkte. Besonders gut konnte bei der

Testnormierung eine Aufgabe zur Strukturierten Mengenerfassung zwischen Kindern

mit Dyskalkulie und der Vergleichsgruppe differenzieren. Die schwachen Rechner

konnten die Mengenstrukturen weniger als Hilfsmittel nutzen und griffen häufig schon bei

kleinen Anzahlen auf Zählstrategien zurück.

Die Beurteilung der Mächtigkeit von Mengen bereitet Rechenschwachen meist große

Probleme. Jüngere Kinder überschätzen in der Regel die Mengenquantität. Dies zeigt

sich vor allem beim Schätzen größerer Mengen. Im Test wurde dies mit Aufgaben zum

freien, zum vorgabegebundenen und zum konzeptuellen Schätzen berücksichtigt.

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Subtest Zahlerfassung

Dieser Subtest umfasst die Aufgabengruppen Zählfertigkeiten , Aufbau des Stellen-

wertsystems und Orientierung im Zahlenraum .

Zählfertigkeiten werden vorwärts , rückwärts und mit Zählen in Zweierschritten erfasst.

Zählen ist eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung mathematischer Kompe-

tenzen. Zählfertigkeiten im Vorschulalter haben einen hohen Vorhersagewert für Rechen-

fertigkeiten. Vorwärts zählen, bei 1 beginnend, können Kinder schon lange vor der Ein-

schulung bis 10, 20 oder noch weiter. Sie lernen die Zahlenreihe zunächst wie einen Reim

auswendig, können aber noch keine Mengenvorstellungen damit verbinden. Zählen ab

Startpunkt, also Weiterzählen oder Rückwärtszählen geht zu diesem frühen Zeitpunkt noch

gar nicht, es bereitet oft noch in der Grundschule Probleme, solange keine Zahlvorstellun-

gen entwickelt sind.

Zur Erfassung der Zählfertigkeiten werden bei für jüngeren Kindern meist Aufgaben zum

Vorwärts- und Rückwärtszählen mit Zehnerüberschreitung verwendet, bei älteren Grund-

schülern sind Aufgaben in Zählschritten größer 1 aussagekräftiger.

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In einer weiteren Aufgabengruppe werden die Kenntnisse über den Aufbau des

Stellenwertsystems überprüft. Wenn Kinder zweistellige Zahlen schreiben, stellt der

gegensinnige Gebrauch von Zahlwörtern und deren Schreibweise eine große Heraus-

forderung dar. Wörter schreiben wir in genau der Reihenfolge, wie wir die Laute wahr-

nehmen. Zweistellige Zahlen müssen wir aber invers zur Sprechrichtung schreiben.

Demzufolge haben Rechenschwache häufig Transkodierungsprobleme, die sehr per-

sistent sind so lange Ziffern sequentiell verarbeitet und nicht als Zahlen wahrgenommen

werden.

In enger Verbindung mit dem Stellenwertsystem ist auch die Orientierung im Zahlen-

raum zu sehen. Hier geht es vor allem um den relationalen Zahlaspekt, um die Frage

also, wo eine Zahl, die ja immer in Beziehung zu anderen Zahlen steht, mental einzu-

ordnen ist. Man kann es als symptomatisch für Kinder mit Dyskalkulie bezeichnen, dass

sie keine adäquate kognitive Vorstellung des Zahlenraums haben.

Die Orientierung im Zahlenraum wird anhand von Aufgaben zu den Nachbarstellen und

mit Aufgaben am Zahlenstrahl erfasst. Dass Rechenschwachen das Eintragen von

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Zahlen am unvollständigen Zahlenstrahl besonders schwer fällt, ist empirisch gut belegt.

Bei jüngeren Kindern ist der mentale Zahlenstrahl logarithmisch, nicht linear, was

bedeutet, dass subjektiv der Abstand zwischen Zahlen mit der Zahlengröße abnimmt,

anders ausgedrückt: Kleine Zahlen nehmen zu viel Raum ein.

Numerische Fertigkeiten

Bei den Basisaufgaben der Subtests Addition und Subtraktion bzw. Multiplikation

und Division wurden verschiedene Anforderungsniveaus (mit und ohne Stellenüber-

schreitung) und Zahlenräume (bis 20, bis 100, bis 1000, größer 1000) berücksichtigt.

Zu den mathematischen Basiskenntnissen gehört die Einsicht in Teil-Ganzes

Beziehungen, d. h., es muss verstanden sein, dass Mengen in Teilmengen zerlegt

werden können. Hierzu eignen sich besonders Ergänzungsaufgaben .

Um zu gewährleisten, dass auch Kinder mit inadäquaten Rechenstrategien (z. B.

zählendes Rechnen) erkannt werden können, ist bei den Basis- und Ergänzungs-

aufgaben eine Zeitgrenze gesetzt. Quantitativ werden nur die Aufgaben gewertet, die

innerhalb des Zeitlimits bearbeitet wurden.

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Bei der Beurteilung der Rechenleistungen ist es besonders wichtig, die Art der entstan-

denen Fehler genau zu analysieren. In der Regel kommen falsche Rechenergebnisse

nicht zufällig zustande, sondern sind rekonstruierbar. Hilfreich ist immer, sich den

Rechenweg von den Schülern genau erklären zu lassen. Dies ist in der Testsituation

allerdings nicht immer möglich, deshalb bedarf es einer gründlichen qualitativen

Analyse.

Eine weitere Aufgabengruppe umfasst das Rechnen mit Überschlag . Da Rechen-

schwache häufig nur mechanisch rechnen und keine Zahlvorstellungen haben, die

flexible, adaptive Vorgehensweisen erlauben, gelingt es ihnen kaum, Rechenergebnisse

einzuschätzen. Selten findet am Ende des Rechenvorgangs eine Plausibilitätsprüfung

statt.

Der Subtest Multiplikation und Division ist ähnlich aufgebaut wie der Subtest

Addition/Subtraktion. Es gibt hier noch eine zusätzliche Aufgabengruppe zur Division

mit Rest.

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Umgang mit Maßen

In diesem Subtest ist eine Aufgabengruppe enthalten, bei der es um die Zeitliche

Orientierung geht, zweifelsfrei ein Bereich, der für viele Grundschüler mit und ohne

Dyskalkulie besonders problematisch ist.

Weitere Aufgaben erfassen den Umgang mit Maßeinheiten . Hier ist zwar eine hohe

Alltagsrelevanz gegeben, die Vorstellungsfähigkeit vieler Schüler reicht aber offensicht-

lich für die adäquate Umrechnung von einer Maßeinheit in die nächste nicht aus. Dies

gilt nicht nur für Rechenschwache.

© Dr. Gerhild Merdian, 2011

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Teil 2 Quantitative und qualitative Diagnostik anhand eines Fallbeispiels

Das ist Nele (8 Jahre):

Ich lernte das Mädchen zu Beginn des 3. Schuljahres kennen. Vorangegangen war ein Erstgespräch mit Neles Mutter. Wie sich dabei herausstellte, war der Rechenlernprozess von Anfang an problematisch, in den anderen Lernbereichen zeigte Nele gute Leis-tungen. In Gesprächen mit der Lehrerin wurde auf Schwierigkeiten beim Erwerb und der Automatisierung der Einspluseinssätze bis 10, bei der Zehnerüberschreitung und auf das anhaltend zählende Rechnen des Mädchens hingewiesen. Hinzu kamen in der 2. Klasse Probleme bei der Erschließung des Zahlenraums bis 100. Auch im Bereich Geometrie hatte Nele große Probleme. Der Umgang mit der Uhr beschränkte sich auf die Erkennung ganzer Stunden. Bei den Hausaufgaben benötigte Nele nur in Mathematik die Hilfe der Mutter. Nele ging sehr gern zur Schule, die in privater Träger-schaft war. Dadurch, dass es keine Noten gab und der Unterricht in Lernepochen einge-teilt war, kam bei Nele nur temporär das Gefühl auf, den Anforderungen nicht entspre-chen zu können. Zu Hause wurden die schwachen Rechenleistungen des Mädchens nicht problematisiert. Es wurden für die Testung mit BADYS zwei Termine vereinbart. Zu Beginn der ersten Sitzung fand ein ausführliches Gespräch mit Nele statt. Grundlage hierfür bildete der Bamberger Anamnesebogen für Kinder und Jugendliche (BASE –K). Das Anamnese-gespräch ist ein wesentlicher Teil der Diagnostik, denn selbstverständlich setzen sich die Rechenleistungen eines Kindes nicht nur aus den erwähnten messbaren Faktoren zusammen, sondern sind in nicht unerheblichem Maße beeinflusst vom schulischen und häuslichen Lernumfeld, das möglichst genau erfragt werden muss. Nele wirkte im Ge-spräch, unbefangen und aufgeschlossen. Sie mochte die Lehrerin und hatte viele Freun-dinnen in der Klasse. Das Mädchen ließ sich bereitwillig auf die Testsituation ein und wirkte nie sonderlich gestresst. Manche Aufgaben, bei denen nicht gerechnet werden musste, bereiteten ihr sichtlich Spaß. Es stellte sich jedoch schon bald heraus, dass Nele mit den meisten Testaufgaben der 2. Jahrgangsstufe weitgehend überfordert war, so dass im weiteren Verlauf schwerpunktmäßig die Aufgaben von BADYS 1+ eingesetzt wurden. Dies ist durch den adaptiven Aufbau des Verfahrens jederzeit möglich. Neles Testbefunde

Die Datenanalyse kann bei BADYS entweder manuell mit Hilfe des Bewertungsbogens

oder computergestützt vorgenommen werden kann. Der Vorteil der manuellen Auswer-

tung mit dem Bewertungsbogen liegt darin, dass sowohl quantitative als auch quali-

tative Analysen möglich sind, der Nachteil ist, dass die Übertragung der Rohwerte aus

dem Protokollheft zeitaufwändig ist. Die computergestützte Auswertung ist sehr viel

zeitökonomischer, weil die Zuordnung der Testrohwerte zu den Subtests und die Auf-

summierung automatisch erfolgen. Nachteilig ist, dass nur quantitativ bewertet werden

kann.

Dies ist ein Ausschnitt aus der Deckseite des Bewertungsbogens . Hier werden neben

den Personalien des Kindes die Ergebnisse der Untertests zusammengefasst sowie

Prozentrang- und T-Werte aus dem Normenheft eingetragen. Mit Hilfe des Prozent-

rang-Profils können die Testleistungen grafisch veranschaulicht werden.

Im Gesamttest entsprach der erreichte Rohwert (RW ges.) Prozentrang 5 (T-Wert 33)

für die 1. Jahrgangsstufe und ist damit dem unteren Leistungsbereich zuzuordnen.

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Durchschnittliche Werte erreichte Nele in den Subtests Visuell-räumliche Grundfertig-

keiten (VRG), Gedächtnisleistungen (GED), Mathemati sche Begriffe (MB) und im

Umgang mit Maßen (UMA) . Zu letzterem sei erwähnt, dass in der 1. Jahrgangsstufe

nur Zeitmaße geprüft werden. Konkret heißt das, dass volle Stunden von der Uhr abge-

lesen bzw. in die Uhr eingetragen werden müssen. Aufgaben aus der 2. Jahrgangsstufe,

die halbe Stunden und Minuten beinhalten, konnte das Mädchen nicht lösen.

Neles Stärken zeigten sich vor allem im sprachlichen Bereich: Mit den Operations-

begriffen kam sie sehr gut zurecht, bei den Positionsbegriffen gab es allerdings

Probleme mit der Rechts-links-Orientierung. Ähnliche Schwierigkeiten mit der Raumlage

zeigten sich auch im Subtest VRG:

Strichmuster abzuzeichnen war für Nele sehr einfach, aber zwei von drei Spiegelungs-

aufgaben wurden nicht völlig richtig gelöst. Erwähnenswert ist auch die Verteilung des

Volumens in den gedrehten Flaschen.

Man kann die Befunde in den nicht numerischen Testteilen dahingehend zusammen-

fassen, dass es immer dann für Nele schwierig wurde, wenn vorstellungsgeleitete

Leistungen gefordert waren, nicht aber bei visuellen. Wo die Lösung gesehen oder

durch Abzählen gefunden werden konnte, gelang dies gut.

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Wie Nele in den anderen Subtests zurecht kam, werden wir uns nun genauer

anschauen. Zu diesen Aufgabengruppen werden Beispiele gezeigt, so wie sie von

Nele bearbeitet wurden. Voraus geht jeweils ein Auszug aus dem manuellen Bewer-

tungsbogen, gefolgt von Aufgaben, bei denen Nele im kritischen Bereich lag. Die

Abbildungen sind verkürzt dem Testheft und dem Bildvorlagenbuch entnommen.

Subtest Mengenerfassung

Beim Mengenschätzen konnte Nele nur einen Punkt erzielen und zwar beim Ordnen von

Punktmengen. Dies ist wieder eine Aufgabe, die keine quantitativen Einschätzungen

erfordert, sondern visuell lösbar ist. Mengen frei, mit Vorgabe oder aus der Vorstellung

heraus zu schätzen, gelang ihr nicht. Alle Mengenabbildungen wurden überschätzt.

Bei der strukturierten Mengenerfassung machte Nele zwar keine Fehler, aber sie löste

die meisten Aufgaben zählend. Dadurch war der Zeitaufwand viel zu hoch. Die Zahlen-

dreher bei allen zweistelligen Lösungen wurden nicht als Fehler gewertet.

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Subtest Zahlerfassung

Die Aufgaben der 1. Jahrgangsstufe zum Vorwärts- und Rückwärtszählen bis 20 löste

Nele problemlos. Bei dieser Aufgabengruppe war für mich interessant zu sehen, wie sich

Nele im Zahlenraum bis 100 verhielt, weshalb die entsprechenden Aufgaben für die 2.

Jahrgangsstufe einbezogen wurden. Hier zeigte sich auch, wie konsequent Nele die

Schreibrichtung vertauschte. Die Zahlen 5 und 3 wurden zudem gespiegelt. Dies hat

aber nicht dazu geführt, dass sie bei den Aufgaben der 2. Jahrgangsstufe nur einen

Punkt bekam. Das Aufnotieren der Zahlenfolge in Zweierschritten gelang ihr nicht.

Bei den Aufgaben zum Stellenwertsystem wurde offensichtlich, dass Nele nicht

zwischen Einern und Zehnern differenzierte. Die Eintragungen in die Stellentafel nahm

sie bei der Zehnerstelle vor, die Aufgabe zur Stellenschreibweise konnte sie gar nicht

lösen. Zu erwähnen ist noch, dass Nele die Aufgaben zur Orientierung im Zahlenraum

überwiegend gut löste. Lediglich mit den Nachbarzahlen kannte sie sich nicht aus

(Vorgänger/ Nachfolger von 18), die Orientierung am Zahlenstrahl war aber sehr gut.

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Nun noch die Befunde in den numerischen Testteilen . In der 1. Jahrgangsstufe ist dies

nur der Subtest Addition und Subtraktion. Sie sehen an dieser Tabelle, wie schwach

Neles Leistungen bei allen Grundrechenaufgaben waren: Bei keiner Aufgabengruppe

dieses Testteils erreichte das Mädchen auch nur den kritischen Wert.

Bei der Zahlzerlegung löste sie nur die Aufgaben ohne Zehnerübergang richtig.

Bei den Kopfrechenaufgaben waren im Zahlenraum bis 20 alle Aufgaben, auch die mit

Übergang, weitgehend richtig gelöst, aber ausschließlich zählend mit enormem

Zeitaufwand. Im Zeitlimit von 90 Sekunden schaffte sie nur zwei Aufgaben. Die

Bearbeitung der Ergänzungsaufgaben hat Nele abgelehnt.

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Für den Umgang mit Gleichungen war keinerlei Operationsverständnis erkennbar. Nele

hat die Operatoren nur ins Ergebnis übertragen - der sog. Perseverationsfehler.

Weil Nele ihre Probleme mit der Multiplikation und Division bereits erwähnt hatte, wur-

de dieser Subtest nur noch angetestet. Bereits bei den Aufgaben zur Transkodierung

von Punktbildern in Multiplikations- und Divisionsaufgaben und beim Verdoppeln und

Halbieren war Nele völlig hilflos. Sie hat die Zahlen willkürlich genannt.

Zusammenfassend konnte bei Nele von einer schweren Rechenstörung ausgegangen

werden. Der erreichte Prozentrang < 6 erlaubte diese Diagnose gemäß der üblichen

Konvention. In nahezu allen Subtests lagen die Werte im unteren Bereich. Die quali-

tative Fehleranalyse ergab zudem, dass, auch wenn das Subtestergebnis den kritischen

Prozentrang von 25 überschritt, in vielen weiteren Bereichen Förderbedarf bestand.

Sicher ist, dass die Förderung nicht auf die Grundrechenarten beschränkt werden kann,

die nichtnumerischen Bereiche werden eine besondere Rolle im Förderplan einnehmen.

© Dr. Gerhild Merdian, 2011

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Teil 3 Fördermöglichkeiten

Nach den vorliegenden Testbefunden stand außer Frage, dass Nele umgehend einer

außerschulischen Förderung zugeführt werden musste. Es sei nochmals daran erinnert,

dass Nele, die zum Zeitpunkt der Testung die 3. Klasse besuchte, bei der Testversion

BADYS 1+ mit Prozentrang 5 im Gesamttest in nahezu allen Bereichen unterdurch-

schnittliche Werte erzielte. Ihre Stärken lagen im Bereich Sprachverständnis und bei

Aufgaben, die primär visuelle Fertigkeiten erforderten. Es genügt keinesfalls mit der

Förderung im numerischen Bereich anzusetzen, da die basisnumerischen Voraus-

setzungen hierfür nicht gegeben waren. Parallel zur Erarbeitung des Zahlenraums bis 10

sollte deshalb im Grundlagenbereich gearbeitet werden, denn erst wenn tragfähige

Zahlbegriffe entwickelt sind, kann davon ausgegangen werden, dass arithmetische

Leistungen erbracht werden können.

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Ein weiterer Punkt ist, dass bei Rechenschwierigkeiten, die so gravierend sind, zunächst

Anschauungshilfen und konkretes Material eingesetzt werden müssen, denn die mathe-

matische Begriffsbildung beruht auf der kognitiven Integration taktiler und visueller Er-

fahrungen. Demzufolge müssen Förderangebote zunächst handlungsorientiert bzw.

visuell sein, bevor auf der Vorstellungsebene gerechnet werden kann. Natürlich ist es

notwendig die Anschauungshilfen sukzessiv auszublenden, denn letztlich sollen die

Kinder zum vorstellungsgeleiteten Rechnen geführt werden.

Vor einigen Jahren habe ich damit begonnen taktile Materialien zur Förderung von

Rechenfertigkeiten herzustellen. Eines der ersten Produkte war Takto . Mit Legeplätt-

chen in verschiedenen Farben, Größen und Formen können alle relevanten visuell-

räumlichen und basisnumerischen Fertigkeiten auf spielerische Weise gefestigt werden.

Die meisten Anregungen, die im Folgenden vorgestellt werden, sind diesem Material

entnommen.

Beginnen wir mit den Visuell-räumlichen Grundfertigkeiten und erinnern uns an die

Probleme Neles mit den Positionsbegriffen . Sie sind nicht nur für die räumliche

Orientierung wichtig, sondern auch für die Stellenschreibweise, die Orientierung im

Zahlenraum und für die Einhaltung der Rechenrichtung. Mit das größte Problem, das die

Testung zu Tage förderte, war die undifferenzierte Stellenschreibweise, die sich

durchgängig im gesamten Test offenbarte.

Mit den Legeplättchen kann die Rechts-links-Orientierung wie im Beispiel abgebildet

geübt werden:

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Nele hatte auch Probleme mit den mathematisch so bedeutsamen Seriationsaufgaben .

Sie kam mit diesen Aufgaben gut zurecht, solange sie visuell lösbar waren. Kognitive

Seriationsaufgaben, zu denen auch das Rückwärtszählen oder das Zählen in

Zählschritten gehört, konnte sie nicht lösen.

Das Beispiel zeigt Aufgaben, bei denen es um logische Folgen geht. Die Aufgaben

können in mehreren Varianten durchgeführt werden, indem vorgelegte Reihen entweder

fortgesetzt werden (obere Aufgabe) oder – wie im Test – Lücken ausgefüllt werden

müssen. Zu einem späteren Zeitpunkt sollten dann Zahlenfolgen berücksichtigt werden.

Nun zur Raumlage . Wenn die Lösung mentale Vorstellungen erforderte, wurde es für

Nele schwierig, wie etwa bei der Aufgabe zur Raumlage des Inhalts der gedrehten

Flaschen.

In diesen Bereich fallen Übungen zu Spiegelungen. Für die Erkennung und Schreibwei-

se vieler Buchstaben und Zahlen sind räumliche Aspekte ausschlaggebend: Nele hat,

wie Sie sich vielleicht erinnern, im Test fast durchgängig statt der 3 den Buchstaben E

geschrieben, auch die Zahl 5 hat sie häufig gespiegelt.

Eine Fördermöglichkeit besteht darin, vorgelegte Muster spiegeln zu lassen. Man kann

auch symmetrische Muster vorgeben und die Spiegelachse zeigen lassen.

Wir sind nun bei den basisnumerischen Fertigkeiten angelangt und beginnen mit der

Mengenerfassung: Welche Größenvorstellungen Kinder bereits entwickelt haben, zeigt

sich besonders beim Schätzen von Quantitäten . Visuelle Schätzaufgaben können wie

hier abgebildet aussehen, entweder mit Orientierungshilfe oder ohne.

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Wie viele Plättchen sind es ungefähr?

Mengenbeurteilungen werden erleichtert, wenn Material strukturiert vorgegeben wird,

vorausgesetzt, es existieren geeignete Vorstellungsbilder, etwa die Zehnerstruktur. Des-

halb muss ein Ziel der Förderung eben diese Verinnerlichung strukturierter Mengenbil-

der sein, weil so die Kinder vom zählenden Rechnen weggeführt werden können.

Wo sind mehr Plättchen, links oder rechts?

Meist können übrigens die Würfelbilder spontan erkannt und benannt werden. Auch

Nele kam bei der Aufgabe zur strukturierten Mengenerfassung mit den Würfelbildern

einigermaßen zurecht. Diese eignen sich für das Rechnen mit Fünfereinheiten.

Wo sind mehr Punkte, links oder rechts?

Bei der Punktanordnung in Zehnerstruktur kam Nele nur durch Zählen weiter. Es ist also

unbedingt notwendig sie mit linearen Fünfer- und Zehnerstrukturen vertraut zu machen.

Eine Möglichkeit ist die kurzzeitige Darbietung strukturierten Mengenbilder. Das Beispiel

stammt aus dem Fördermaterial Mengenbilder , das für den Zahlenraum bis 20 genutzt

werden kann.

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Im Bereich Zahlerfassung werden zunächst Zählfertigkeiten geübt, weil diese absolut

grundlegend sind. Zählanlässe, die das Vorwärtszählen automatisieren, gibt es im Alltag

reichlich. Es werden deshalb hier nur Möglichkeiten gezeigt, Weiterzählen ab einem

Startpunkt und Rückwärtszählen zu trainieren.

Zählen ist wichtig, das heißt aber nicht dass Zählendes Rechnen unterstützt werden

sollte, wenngleich dies die häufigste Rechenstrategie zu Beginn der Grundschulzeit ist.

Und leider bleiben viele Kinder über einen langen Zeitraum dabei. Wenn Zahlvor-

stellungen fehlen, sind für diese Kinder auch keine weiterentwickelten Rechenstrategien

möglich. Es gibt übrigens durchaus Situationen, in denen auch Erwachsene auf das

Zählende Rechnen zurückgreifen, z. B. in der Regel dann, wenn nicht mit Zahlen

gerechnet wird. Wenn ich ausrechne, wie viele Tage es von Dienstag bis Sonntag sind,

rechne ich auch zählend unter Einbezug der Finger und mache dabei genau den Fehler,

der bei zählenden Rechnern zum Verrechnen um 1 führt: Ich zähle den Dienstag mit und

komme auf 6, was zwar richtig ist, wenn ich ausrechne, wie viele freie Tage ich habe,

nicht aber, wenn ich wissen will, wie viele Übernachtungen für diese Zeit gebucht

werden müssen.

Um ineffiziente oder falsche Rechenstrategien, wenn möglich, von Anfang an zu ver-

meiden, sollte in der Förderung ein besonderer Schwerpunkt auf die Erarbeitung des

Zahlenraums bis 10 und hier vor allem auf die Zahlzerlegung gelegt werden.

Gut geeignet für Übungen zur Zahlzerlegung sind die Einerwürfel, aber natürlich gibt es

auch viele andere Mittel z. B. die Schüttelbox oder die Käferkarten und Mengenpunkte

aus dem Fördermaterial Einspluseins mit Krabbelfix , das den Zahlenraum bis 20 ab-

deckt. Man muss bei diesem Schwerpunkt in den Förderstunden unbedingt so lange

verweilen, bis die Mengen-Teilmengen-Beziehung sicher verstanden ist. Erst dann kann

der nächste Schritt erfolgen.

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Zur Erarbeitung der Einspluseinssätze bis 10 eignen sich ebenfalls die Mengenpunkte,

Im Zahlenraum bis 5 ist die Würfelbildstruktur recht günstig, weil die Summanden sozu-

sagen ineinander zur Summe verschmelzen und gesehen werden können, dies trifft

nicht auf die Darstellung der 6 zu, deshalb sollte darauf verzichtet werden.

Nach den handelnden Übungen setze ich selbst gern die Rechenkette ein. Die

Rechenkette bildet Mengen linear ab und bereitet auf die Arbeit am Zahlenstrahl vor. Bei

diesen Ketten wird mit Klammern gearbeitet, wodurch es möglich ist, Teilmengen mit

einem Griff zu verändern. Das sonst übliche Verschieben der Kugeln verleitet zum

Zählenden Rechnen und genau das soll ja vermieden werden.

Auf diese Übungen folgt das Ergänzen auf 10 , als Vorbereitung auf den Zehnerüber-

gang. Zunächst geschieht dies wieder taktil und mit der Rechenkette.

Wenn anschließend auf der Vorstellungsebene gearbeitet wird, kommen die

Mengenbilder hinzu, die nur kurz gezeigt und dann sofort wieder verdeckt werden.

Am Zahlenstrahl schließlich werden Zahlen und Relationen zwischen Zahlen räumlich

abgebildet, was eine weiterentwickelte Größenvorstellung impliziert.

Als nächstes sollte der Zehnerübergang in Angriff genommen werden. Dies beginnt mit

Umtauschhandlungen. Gut geeignet hierfür sind die Einerwürfel und Zehnerstangen,

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weil die Länge der Zehnerstange genau 10 Einerwürfel repräsentiert und natürlich eig-

nen sich auch die Käferpunkte.

Sie sind auch zu empfehlen für den Einstieg ins Rechnen mit Zehnerübergang, vor

allem, wenn nach der Methode der „Kraft der fünf“ gearbeitet wird, bei der

Fünfereinheiten zusammengefasst werden. Im Beispiel werden zunächst die

Fünferpunkte addiert und in einen Zehnerpunkt umgetauscht, das Ergebnis kann so

direkt gesehen werden.

Mit der Rechenkette und dem Zahlenstrahl dagegen lässt sich gut nach der dezimalen

Zahlzerlegungsmethode arbeiten.

Wenn der Zehnerübergang und der Zahlenraum bis 20 bewältigt sind, wird in analoger

Weise der Zahlenraum bis 100 erarbeitet. Wir beginnen dabei mit dem Aufbau des

dekadischen Stellenwertsystems . Für den höheren Zahlenraum bietet sich die Stel-

lentafel an.

In enger Verbindung mit dem Stellenwertsystem ist auch die Orientierung im Zahlen-

raum bis 100 zu sehen. Hier geht es um Beziehungen zwischen Zahlen, um die Frage

also, wo eine Zahl in Relation zu anderen Zahlen einzuordnen ist. Fördermaterial zur

Orientierung im Zahlenraum sind Zahlenstrahl und Hundertertafel, beide möglichst

sparsam beschriftet.

Erst wenn die Kinder eine Vorstellung vom Hunderterraum entwickelt haben, sollte mit

mit Additionen und Subtraktionen begonnen werden und zwar in genau der gleichen

Vorgehensweise, wie sie für den Zahlenraum bis 20 beschrieben wurde.

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Das Fördermaterial Das Käfer 1+1 ist ähnlich aufgebaut wie 1+1 mit Krabbelfix , jedoch

für den Zahlenraum bis 100 ausgelegt.

Kommen wir abschließend noch zur Multiplikation und Division, genauer gesagt, zum

kleinen Einmaleins. Die lerntherapeutische Erfahrung zeigt, dass Kinder mit gering aus-

geprägten Rechenfertigkeiten oftmals nicht in der Lage sind, die Logik des additiven Auf-

baus der Einmaleinsreihen zu verstehen. Die Folge ist ein mühsames, häufig erfolgloses

Pauken scheinbar zusammenhangloser Zahlenfolgen. Kinder können aber durch an-

schauliche Übungen Verständnis für den Aufbau der Einmaleinsreihen entwickeln. Das

Fördermaterial Das Käfer 1 x 1 ist so aufgebaut, dass die Kinder schrittweise zur

Automatisierung des kleinen 1 x 1 geführt werden.

Begonnen wird mit dem Verdoppeln und Halbieren .

Auf den Käferflügeln wird die Anzahl der Punkte verdoppelt oder auch halbiert, indem

eine gerade Anzahl Punkte gleichmäßig auf beide Flügel verteilt wird. Anschließend

werden die Übungen mit der Rechenkette durchgeführt.

Nach diesen Übungen nehmen wir uns die Einmaleinsreihen vor. Es geht zunächst

darum, den additiven Aufbau zu veranschaulichen. Auf 10 Käferkarten werden Punkte

einer Einmaleinsreihe verteilt, bei den Beispielen hier handelt es sich um die Dreierreihe.

Gut lässt sich das auch mit den Einmaleinsketten machen, bei denen die Perlen im

Farbwechsel aufgefädelt werden. Auch das Kommutativgesetz lässt sich so veranschau-

lichen.

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Nützlich ist auch der Zahlenstrahl, da die Klammern, wie bei der Kette, in gleichen

Abständen gesetzt werden können. Zur Verdeutlichung legen die Kinder die ent-

sprechenden Bildstreifen mit den Käfern zu den Klammern.

Anschließend muss der Übergang zum Rechnen mit Zahlen vollzogen werden. Dies

geschieht in einem Zwischenschritt, indem visuelles Material und die Zahlenschreib-

weise kombiniert werden. Zu den Käferabbildungen einer Reihe suchen die Kinder die

passenden Einmaleinsaufgaben heraus und ordnen die Ergebniskärtchen zu.

Schlussbemerkungen

Was hier vorgestellt wurde, sind Förderansätze, die auf das Leistungsprofil von Nele

abgestimmt sind. Nele wird seit November 2010 gefördert, sie besucht derzeit die 5.

Klasse. In Zusammenarbeit mit der Lehrerin, die sehr betroffen war, als sie erfuhr, wie

gravierend die diagnostizierte Rechenstörung war, ist es inzwischen gelungen, den

Zahlenraum bis 100 zu sichern. Schwerpunkt der Förderung ist derzeit der Zahlenraum

bis 1000. Wie es aussieht, kann Nele die gelernten Rechenstrategien auch hier gut

anwenden. Sie hat die schriftlichen Verfahren der Addition und Subtraktion problemlos

gelernt. Das Einmaleins zu erlernen fiel ihr sehr schwer, die Reihen sind bis heute nicht

vollständig automatisiert. Das Mädchen hilft sich oft durch geschicktes Weiterrechnen,

von den Faktoren 5 oder 10 ausgehend, weiter. Mit der schriftlichen Multiplikation

kommt Nele ebenfalls klar, verwendet hierfür mit Genehmigung die Einmaleinstabelle.

Das Divisionsverfahren als multiple Subtraktion ist konzeptuell noch nicht vollständig

präsent. Sie kann aber recht gut damit umgehen, Divisionsaufgaben in Multplikations-

aufgaben umzukehren und bewältigt so auch die schriftliche Division.

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Nele wird wohl auch weiterhin Unterstützung benötigen, aber die arithmetischen

Grundlagen hat sie sich bereits angeeignet. Positiv ist, dass das Mädchen von allen

Seiten Unterstützung erfährt und keine Ängste vor neuen Lernschritten hat.

© Dr. Gerhild Merdian, 2011