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Philosophische Bibliothek Baruch de Spinoza Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt Lateinisch–Deutsch Meiner

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Philosophische Bibliothek

Baruch de SpinozaEthikin geometrischer OrdnungdargestelltLateinisch–Deutsch

Meiner

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BARUCH DE SPINOZA

S�mtlicheWerkeBand 2

FELIX MEINER VERLAG

HAMBURG

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BARUCH DE SPINOZA

Ethikin geometrischer Ordnung

dargestellt

Neu ˇbersetzt, herausgegeben,mit einer Einleitung versehen von

Wolfgang Bartuschat

Lateinisch ^ Deutsch

FELIX MEINER VERLAG

HAMBURG

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PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 92

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

DieDeutscheNationalbibliothek verzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographi-sche Daten sind im Internet ˇber <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-7873-2795-9ISBN eBook: 978-3-7873-2823-9

4. durchgesehene Auflage

� Felix Meiner Verlag. Hamburg 2015. Alle Rechte an dieserAusgabe, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der foto-mechanischen W|dergabe und der �bersetzung, vorbehalten.Dies betrifft auch die Vervielf�ltigung und �bertragung einzel-ner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und�bertragung auf Papier, Transparente, Filme, B�nder, Plattenund andere Medien soweit es nicht ‰‰ 53 und 54 URGausdrˇcklich gestatten. Satz: H & G, Hamburg. Druck und Bin-dung: Hubert & Co., G˛ttingen. Werkdruckpapier: alterungs-best�ndig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706 hergestelltaus 100% chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

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INHALT

Einleitung.VonWolfgang Bartuschat . . . . . . . . . . . . . . . . VIIAuswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII

BARUCH DE SPINOZA

Ethica Ordine Geometrico demonstrata etin quinque Partes distincta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Ethik in geometrischer Ordnung dargestelltund gegliedert in fˇnf Teile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Ethices pars prima. De DEO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4ErsterTeil der Ethik.Von GOTT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Ethices pars secunda. DeNatura et OrigineMENTIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98ZweiterTeil der Ethik.Von derNatur unddemUrsprung des GEISTES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Ethices pars tertia. De Origine etNatura AFFECTUUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218DritterTeil der Ethik.Von demUrsprungund derNatur der AFFEKTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Ethices pars quarta. De SERVITUTE HUMANAseu de AFFECTUUM VIRIBUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372VierterTeil.Von MENSCHLICHER KNECHT-SCHAFT oder von den KR�FTEN DER AFFEKTE . . . 373

Ethices pars quinta. De POTENTIA INTELLEC-TUS seu de LIBERTATE HUMANA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526FˇnfterTeil der Ethik.Von der MACHT DES VER-STANDES oder von MENSCHLICHER FREIHEIT . . 527

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VI Inhalt

RegisterW˛rterverzeichnis lateinisch^deutsch . . . . . . . . . . . . . 597Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603

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EINLE ITUNG

1. Inhalt und Darstellungsform der �Ethikß

Die >Ethik< ist Spinozas Hauptwerk, an dem er seit 1662, fˇrfˇnf Jahre (1665-1670) unterbrochen fˇr die Arbeit an dem>Theologisch-Politischen Traktat<, 14 Jahre lang gearbeitethat. Anfangs hat er sein Hauptwerk einfach seine Philoso-phie genannt, in der frˇhen >Abhandlung ˇber die Verbesse-rung des Verstandes<, wenn er auf noch auszuarbeitende wei-tergehende Sachverhalte verweist, und im Briefwechsel mitden Amsterdamer Freunden, wenn er von demWerk spricht,an dem er arbeitet und das er sp�ter >Ethik< nennen wird. InderTat enth�lt diesesWerk das Ganze der Philosophie Spino-zas, die er, wie kein anderer bedeutender Philosoph, in ei-nem einzigenWerk zusammengefa�t hat. Die anderenWerke,die Spinoza nach einem ersten in vielen Hinsichten nochunzul�nglichen Entwurf seiner Philosophie (>Kurzer Traktatˇber Gott, den Menschen und dessen Glˇck<) 1 geschriebenhat, sind begrenzten Themen gewidmet. Zum Teil sind siedurch �u�ere Umst�nde motiviert (>Descartes’ Prinzipien derPhilosophie<; >Theologisch-Politischer Traktat<), zum Teil be-handeln sie spezielle Fragen unter Ausblendung eines umfas-senden Philosophie-Konzepts, die sich wie die der >Abhand-lung ˇber die Verbesserung des Verstandes< in ein solchesumfassendes Konzept integrieren lie�en2 oder sich wie die des

1Vgl. meine Einleitung in: B. de Spinoza, Kurzer Traktat ˇberGott, den Menschen und dessen Glˇck, Hamburg 2014 (Phil. Bibl.Bd. 94).

2 Vgl. meine Einleitung in: B. de Spinoza, Abhandlung ˇber dieVerbesserung des Verstandes, Hamburg 1993, 22003 (Phil. Bibl.Bd. 95a).

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VIII Wolfgang Bartuschat

>PolitischenTraktats< auf Prinzipien stˇtzen, die sich einer sol-chen Integration sperren. 3

Dem eigenen Selbstverst�ndnis nach hat Spinoza mit der>Ethik< seine Philosophie zu einem definitiven Abschlu� ge-bracht. Im Aufbau streng komponiert und in einer Fˇlle st�n-diger Querverweise auf schon Bewiesenes pr�sentiert siesich als ein Werk, in dem nicht nur alles bewiesen ist, son-dern auch alles, was relevant ist, bewiesen wird. Nur ganzvereinzelt kommt so etwas wie Unsicherheit zum Ausdruck,etwa in der Anmerkung zum Folgesatz zu Lehrsatz 7 des2. Teils, die Spinoza mit dem Satz beschlie�t: �Fˇr jetzt kannich das nicht klarer darlegenß. Gemeint ist die These, da�Gott die Ursache von Dingen ist, insofern er aus unendli-chen Attributen besteht, von denen es ihrerseits unendlichviele gibt, die allesamt je unterschiedliche Aspekte eines unddesselben Dinges sind; und es ist nicht klar, worauf Spinozasein einschr�nkendes �fˇr jetztß bezogen wissen will, ob nurauf den Stand des bislang Bewiesenen oder auch auf den deseigenenNachdenkens ˇber diesen Sachverhalt.

Eine solche vereinzelt bleibende Zurˇckhaltung, mag sieauch einen zentralen Punkt betreffen, gibt kaum Veranlas-sung zu der Annahme, Spinoza habe sein Werk in der Form,in der er es dem Druck ˇbergeben hat, nicht als vollendet an-gesehen. Es ist ein Grundprinzip, unter dem er es organisierthat und das dem Werk eine innere Konsistenz verleiht, einGrundprinzip, das zweifach gegliedert ist und sich unter diebeiden S�tze bringen l��t: �Alles ist intelligibelß und �Das ge-lingende menschliche Leben ist ein solches, das dieser Intelli-gibilit�t verpflichtet istß. Im Dienst dieses grundlegendenKonzepts steht das Konzept Gottes, mit dem die >Ethik< un-vermittelt beginnt und das an deren Ende sich als das erweist,in dem der Mensch, wenn er sich an ihm orientiert, seinh˛chstes Glˇck findet. Das in fˇnf Teile gegliederteWerk ent-h�lt im 1. Teil eine Ontologie elementarer Strukturen der

3 Vgl. meine Einleitung in: B.de Spinoza, PolitischerTraktat, Ham-burg 1994, 22010 (Phil. Bibl. Bd. 95b).

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Welt, im 2. Teil eineTheorie menschlichen Erkennens und inden restlichen drei Teilen eine Ethik vernˇnftigen menschli-chen Handelns, auf die, wie der Titel >Ethik< signalisiert, diegesamte Philosophie hinausl�uft und im Hinblick auf die On-tologie und Erkenntnistheorie konzipiert sind.

Prinzip der Ontologie ist der Begriff Gottes als einer unbe-dingt unendlichen Substanz, als die Gott wesentlich Macht(�potentiaß) ist, eine Macht, die allein darin besteht, Dingezu produzieren, und die sich in dieser Produktion restlos er-fˇllt (�immanente Kausalit�t Gottesß). Demzufolge sind alleDinge, die Spinoza �Modiß nennt, in der Substanz und, ver-standen als eine interne Relation von Substanz, so notwendigwie die Substanz selbst. Und demzufolge sind alle Dingeprinzipiell begreifbar, weil ihr unbedingtes Prinzip, das ih-nen nicht transzendent ist, in ihnen begriffen werden kann.Weder mit einem sch˛pferischen Verstand noch mit einemWillen, der zwischen M˛glichem ausw�hlte, ausgestattet, istGott keine Instanz, die gegenˇber der tats�chlichen Welt et-was fˇr sich zurˇckbehielte. Gott, der nur zusammen mitdem Insgesamt aller Modi ist, ist die selbstgenˇgsame Ursa-che seiner selbst (�causa suiß, I, Def. 1) nur, insofern er zu-gleich die Ursache aller Dinge ist (�causa omnium rerumß, I,Lehrs. 25, Folges.). Andersartige Konzepte Gottes, die diewirkliche Welt eine Sch˛pfung sein lassen, zu der sich Gottaus blo� m˛glichen Welten in seinem Verstand eigens ent-schieden h�tte, seien, sagt Spinoza, �ein gro�es Hindernisfˇr die Wissenschaftß (I, Lehrs. 33, Anm.). Sie gef�hrden dieRationalit�t menschlichenWissens und verweisen den Men-schen in seiner Lebensfˇhrung auf unbegreifbare Sachver-halte, die er hinzunehmen habe und die hinzunehmen ihn inSpinozas Augen unmˇndig machen und ihn letztlich einenZufluchtsort der Unwissenheit (�asylum ignorantiaeß, I, An-hang) aufsuchen lassen.

Die Erkenntnistheorie des 2. Teils stˇtzt sich auf eineGeist-K˛rper-Relation, die mit Hilfe der Ontologie des1. Teils ˇber die Lehre eines attributiven Bestimmtseins derSubstanz als ein Repr�sentationsverh�ltnis gedacht wird,

IXEinleitung

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X Wolfgang Bartuschat

demzufolge Ideen und k˛rperliche Ereignisse, hervorge-bracht von unterschiedlichen Attributen der einen Substanz,in strenger Korrelation zueinander stehen, mit der Folge, da�alle Ideen auch wahr sind, weil sie notwendigerweise mit ih-ren Objekten ˇbereinstimmen. Zum Problem wird dannnicht die (cartesische) Frage, wie sich Ideen des Geistes aufDinge der Au�enwelt beziehen k˛nnen, auf die sie ja immerschon bezogen sind, sondern die Frage, wie der endlichemenschliche Geist mit den Ideen, die er faktisch hat, umdiese allem seinem Erkennen schon vorausliegendeWahrheitauch wissen kann, generell gesagt, wie das, was an sich ist, et-was fˇr ihn in seiner Endlichkeit sein kann.

Dieses Problem bestimmt den ganzen weiteren Untersu-chungsgang der >Ethik<. Es kann nicht durch eine Entfaltungdessen, was in der g˛ttlichen Substanz schon enthalten ist,gel˛st werden, sondern erfordert eine davon verschiedene Er-˛rterung, die Spinoza mit derThematisierung des wirklichenSeins des menschlichen Geistes in Lehrsatz 11 des 2. Teils be-ginnt. Und die Er˛rterung, wie der Mensch unter den spezifi-schen Bedingungen seiner Endlichkeit sich von der ihn im-mer schon bestimmenden g˛ttlichen Substanz her auchverstehen kann, verlangt ein hinreichendes Sicheinlassen aufdie Bedingungen, die den Menschen daran hindern, zu einemsolchen Verst�ndnis zu gelangen. Die Macht des menschli-chen Geistes zu kennen, hei�t auch, seine Ohnmacht zu ken-nen, und dies um so mehr, als das, was den Menschen an ei-nem ad�quaten Erkennen hindert, nicht mangelndesSichzusammennehmen ist oder sonst eine Form subjektiverDisziplinlosigkeit, sondern aus seiner natˇrlichen Verfas-sung resultiert, n�mlich zeitlich zu existieren und der Zuf�l-ligkeit k˛rperlicher Affektionen ausgesetzt zu sein, die ihmdie Dinge nicht, wie sie an sich sind, sondern lediglich in per-spektivischer Verzerrung pr�sentieren. Da� der Menschgleichwohl eine ad�quate Erkenntnis der Dinge haben kann,wird zwar durch die Ontologie einer immanenten Kausalit�tverbˇrgt, derzufolge Gott in jeder Idee, welcher auch immer,als deren Ursache ist und deshalb in ihr auch vom Menschen

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erkannt werden kann. Doch ist die ad�quate Erkenntnis, dieGott und das, was aus ihm notwendigerweise folgt, zum Ge-genstand hat, notwendigerweise Erkenntnis des Ewigen, diein Bezug auf Dinge in ihrer Zeitlichkeit und damit Zuf�llig-keit nur dann ad�quat ist, wenn sie diese Dinge unter einemAspekt von Ewigkeit (�sub specie aeternitatisß) betrachtet.Und genau diese Betrachtungsweise ist fˇr den Menschen soschwierig, weil er ein zeitlich existierendes Wesen ist, dassich zun�chst und elementar von dem her versteht, was ihmin der Abfolge der Zeit begegnet, in der sich, wie Spinoza im3. Teil der >Ethik< zeigen wird, das eigene Sein in Form einesStrebens nach Selbsterhaltung (�conatus in suo esse perseve-randiß) auch artikuliert.

Spinoza hatte sein Hauptwerk ursprˇnglich als ein dreitei-liges Werk konzipiert, dessen dritter Teil die Ethik im enge-ren Sinne ausmachen sollte.4 Aus diesem dritten Teil sinddann drei weitere Teile geworden, was sicherlich bedingt istdurch die Wichtigkeit der Affektenlehre, die dort aus einerTheorie menschlichen Strebens hergeleitet wird. Unser affekti-ves Befangensein ist der gr˛�te Hinderungsgrund, die unsm˛gliche ad�quate Erkenntnis so zu ˇbernehmen, da� wir unsvon ihr im Ganzen unseres Lebens auch leiten lassen; und Af-fekten unterworfen zu sein, ist die natˇrliche Konsequenz derGrundverfassung eines Individuums, in dem Streben nachSelbsterhaltung auf die Steigerung der eigenen Wirkungs-macht (�potentia agendiß) so aus zu sein, da� es sich gegen das,was es von au�en zu zerst˛ren droht, zur Geltung zu bringensucht. Dieses Streben ist n�mlich relativ auf die Perspektive, inder dem Individuum das �u�ere erscheint; dadurch getrˇbtl��t es das Individuum Erfahrungen von Steigerungen der eige-nen Macht machen, die instabil und schwankend sind und inihm Emotionen hervorrufen, denen es folgt, ohne da� dieseeine tats�chliche Steigerung der eigenen Macht anzeigten. Inihnen steht der Mensch, fern von der Rationalit�t eines freien

XIEinleitung

4 Vgl. Brief 28 (an J. Bouwmeester vom Juni 1665). In: B.de Spino-za, Briefwechsel, Hamburg 1986 (Phil. Bibl. Bd. 96a).

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XII Wolfgang Bartuschat

und selbstbestimmten Lebens, in Abh�ngigkeit von ihn �u�er-lich bestimmenden Zusammenh�ngen, die er nicht durch-schaut und die ihn deshalb nicht handeln, sondern leiden las-sen.

Im 3. Teil der >Ethik< entwickelt Spinoza zun�chst dieStruktur einer internen Zusammengeh˛rigkeit der Affekte,die er ˇber deren Herleitung aus dem Prinzip des conatusperseverandi gewinnt, wobei er insbesondere zeigt, da� einIndividuum nichts gegen seinen eigenen conatus und damitgegen die aus ihm jeweils resultierenden Affekte vermag. Im4. und 5. Teil untersucht er dann, wie der Mensch in vernˇnf-tigerWeise mit seinen Affekten umgehen kann und inwieferner dabei einserseits in Anbetracht der Affekte ohnm�chtigund unfrei bleibt (4. Teil) und andererseits doch eine tats�ch-liche Macht ˇber sie erlangen kann, in der er frei ist (5. Teil).Von dieser Macht zeigt Spinoza, da� sie allein in einer Formad�quaten Erkennens grˇndet, in der der Mensch seinen ei-genen conatus als eine T�tigkeit ad�quaten Erkennens be-greift und in der er alle dieser Form des Erkennens imWegestehende Affekte zu beherrschen vermag. Er kann es dann,wenn mit ihr in Form einer geistigen Liebe zu Gott selbsteine emotionale Komponente verbunden ist, die das affekti-ve menschliche Leben nicht ˇberfliegt, sondern durchdringtund darin zu einer h˛heren Form bringt, in der der Menschsein Leben in andererWeise als zuvor zu gestalten vermag.

Die >Ethik< erweist sich darin als einWerk, das einen dop-pelten Ausgangspunkt hat, einen Ausgang von Gott und ei-nen Ausgang vom Menschen, die am Ende zusammenge-schlossen werden. 5 Insofern applizieren die Darlegungen zurErkenntnistheorie und Ethik nicht etwas im 1. Teil im allge-meinen Erwiesenes auf den konkreten Fall des menschlichenGeistes; sie beschreiben vielmehr im Ausgang vom MenscheneinenWeg, den der Mensch durchlaufen mu�, um das, was ihnimmer schon bestimmt, als etwas zu begreifen, das die Bedin-

5 Vgl. meine Untersuchung �Spinozas Theorie des Menschenß,Hamburg 1992.

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gungen enth�lt, von denen her er sich imGanzen seines Lebensauch bestimmen kann. Und dieserWeg ist, wie es am Ende der>Ethik< hei�t, schwer und mˇhevoll; denn er ist, so zeigen Spi-nozas vielschichtige Analysen, gepflastert mit viel Material,auf das es sich in rechter Weise einzulassen gilt. Da� dieserStoff in seiner Vielfalt blo� ein durch unser mangelhaftes Er-kennen bedingter wirklichkeitsloser Schein sei und da�, ge-m�� der allesbeherrschenden einen Substanz, inWahrheit alleseins sei ^ Spinoza so interpretieren zu wollen, hei�t seine Phi-losophie auf den Kopf zu stellen.

Am Ende der >Ethik<, also nach Abschlu� des beschriebe-nen Weges, der zur menschlichen Selbstbestimmung undFreiheit fˇhrt, betont Spinoza im Gegenteil, da� die Etappenauf diesem Weg nicht nur vorbereitende Stufen sind, die esals Vorl�ufigkeiten zurˇckzulassen gelte, da� sie vielmehr re-lativ auf die Gegebenheiten, mit denen der Mensch sich aus-einanderzusetzen hat, eine eigene Bedeutung und interneVernˇnftigkeit haben (V, Lehrs. 41). So wird innerhalb des4. Teils, der von der menschlichen Knechtschaft handelt,eine Beschreibung dessen gegeben, was einen freien Men-schen auszeichnet (Lehrs�tze 67 ff.), aber auch eine Beschrei-bung der vernˇnftigen Grundlagen eines intersubjektivenZusammenlebens, das auf Achtung und Respekt vor dem an-deren basiert (Lehrs. 37, Anm.); darˇber hinaus findet sicheine Theorie vernˇnftiger Lebensfˇhrung in der Allt�glich-keit unserer natˇrlichen Bedˇrfnisse (Lehrs. 45, Folges. 2,Anmerk.). Das sind �berlegungen zu einer Ethik, die relativist auf die kontingenten Umst�nde menschlichen Lebens unddie deshalb pragmatische und zweckrationale Gesichts-punkte in den Vordergrund stellt, die einem unbedingtenWissen gar nicht unterliegen, wenn sie sich auch unter eineEinsicht bringen lassen, die mit einer Haltung, die auf unbe-dingtesWissen aus ist, in Einklang bleibt.

Freilich ist die Darstellungsweise der >Ethik< sehr schema-tisch und erweckt leicht den Eindruck einer klappernden Ste-rilit�t. Der an der Euklidischen Geometrie orientierten Dar-stellungsform haben sich viele philosophische Autoren der

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XIV Wolfgang Bartuschat

Zeit bedient; Spinoza hat es nur in besonders radikalerWeisegetan. Er hat sie gewi� nicht nur als eine der Sache �u�erlicheDarstellungsform verstanden, die einen blo� didaktischenGesichtspunkt verfolgt und den Leser zu einem Nachvollzugn˛tigen soll, der ihm kein Ausweichen in ihm liebgewordeneVormeinungen und Vorurteile erlaubt. Er hat damit demon-strieren wollen, da� das, was er in Form von Lehrs�tzen fol-gert, genau das ist, was aus derNatur Gottes folgt, und das la-teinische �sequiß deshalb in der doppelten Bedeutung vonlogischem �folgernß und sachlichem �folgenß gebraucht.Doch h�lt sich diese methodische Form nicht durch. Denn eskann nicht ˇbersehen werden, da� endliche Modi nicht inder Weise aus der Natur Gottes folgen, wie das Pr�dikat der�Winkelsumme gleich 180 Gradß aus der Natur des Dreiecksfolgt. Und es ist verfehlt, der >Ethik< ein Programm zu unter-stellen, das sich anheischig machte, die Fˇlle der konkretenBestimmungen des endlichen Modus Mensch aus der NaturGottes deduzieren zu k˛nnen.

Hervorzuheben ist auch, da� die den einzelnenTeilen vor-angestellten Definitionen nicht einen Gehalt in Anspruchnehmen, der dann blo� analytisch in Form von Lehrs�tzenaus ihnen entwickelt werden k˛nnte. So formuliert die Defi-nition von Substanz nicht mehr als Kriterien, die erfˇllt seinmˇssen, um von einem Ding sagen zu k˛nnen, da� es eineSubstanz ist; sie behauptet aber nicht, da� es so etwas wieeine Substanz gibt. Des weiteren ist deutlich, da� die nichtbeweisbaren Axiome zumTeil einen empirischen Gehalt ha-ben, der etwas zur Geltung bringt, das sich aus der blo�enNatur Gottes ˇberhaupt nicht gewinnen l��t; evident ist dasin den Axiomen 2 und 4 des 2. Teils, die den Tatbestand ein-fˇhren, da� der Mensch denkt und einen K˛rper hat, im Hin-blick worauf die die Natur Gottes ausmachenden Attributeals Prinzipien der Erkl�rung dieses ph�nomenalen Tatbe-standes erst ihre inhaltliche Bestimmung erlangen, n�mlich�Denkenß und �Ausdehnungß zu sein.

Was von der geometrischen Ordnung bleibt und augenf�l-lig ist, ist der st�ndige Verweis bei nahezu allen Schritten im

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Beweisverfahren auf zuvor Definiertes, axiomatisch Einge-fˇhrtes oder schon Bewiesenes, womit Spinoza deutlich ma-chen will, da� alles, was behauptet wird, streng bewiesenworden ist. Dieses Verfahren hat zumindest den Vorteil, denLeser darauf aufmerksam zu machen, wie eng miteinanderverfugt s�mtliche Lehrs�tze sind, aber auch welches Argu-ment es ist, das eine bestimmte Folgerung tr�gt. Insofernsollte man sich bei der Lektˇre des Werkes an Spinozas Bittehalten, mit ihm langsam voranzugehen und ˇber bestimmteAussagen kein Urteil zu f�llen, bis nicht alles durchgelesenworden ist (vgl. II, Lehrs. 11, Folges., Anm.). Allerdings birgtdies zugleich die Gefahr, im mˇhsamen Nachvollzug allerArgumentationsschritte im einzelnen sich auch in Einzelhei-ten zu verlieren und den�berblick ˇber die leitendenThesenzu verlieren. Offenbar wu�te das auch Spinoza selbst, dennmanchmal sieht er sich, etwa bei der Vorstellung der Geboteder Vernunft, gen˛tigt, Kerns�tze unabh�ngig von seinersonst praktizierten �weitl�ufigen geometrischen Ordnungß(IV, Lehrs. 18, Anm.) pointiert zusammenzufassen, �um viel-leicht die Aufmerksamkeit derer zu gewinnenß, die sonstglauben, andere Schlˇsse aus seinen Darlegungen ziehen zumˇssen (ebd.). So findet sich, um einer besseren �bersichtwillen, am Ende des 3. Teils eine Liste der Definitionen allerwichtigen Affekte und am Ende des 4. Teils eine Zusammen-stellung von Haupts�tzen, die all das enthalten, was eine ver-nˇnftige menschliche Lebensfˇhrung ausmacht. Das sindZusammenfassungen, die nichts Neues enthalten, sondernschon Erwiesenes nur in anderer Form pr�sentieren, von derSpinoza wohl meinte, da� sie leichter zug�nglich sei als jene,die sich in die angesprochene Weitl�ufigkeit einer geometri-schenOrdnung verliert.Die wichtigste Lesehilfe findet sich ohnehin au�erhalb

des Deduktionsganges more geometrico, in den zahlreichenAnmerkungen und in dem Anhang des 1. Teils. Die Anmer-kungen gehen, anders als sonst ˇblich, nicht auf etwas ein,das weniger wichtig w�re und deshalb nur eine beil�ufige Er-w�hnung verdiente; sie setzen sich in der Regel mit einem

XVEinleitung

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XVI Wolfgang Bartuschat

anderen Verst�ndnis des von Spinoza entwickelten Sachver-halts auseinander, also im wesentlichen mit fehlerhaftenMeinungen. Sie verdeutlichen in diesem Bezug sehr sch˛nund oft sehr eindringlich die Absicht, die Spinoza mit seinenDarlegungen verfolgt, eine Absicht, die aus den Lehrs�tzenselbst und ihrer Abfolge nicht immer deutlich wird. In ersterLinie geht es dabei nicht darum, den eigenen Lehrgehaltenˇber den Kontrast zu anderen Ansichten ein deutlicheresProfil zu geben, sondern darum, die anderen Ansichten alsblo�e Vorurteile zu entlarven, die sich durch die dargelegteSache korrigieren lassen. Einerseits wei� Spinoza, wie sehrseine Theorie der gew˛hnlichen Auffassung zuwiderl�uft,andererseits glaubt er zugleich sicher zu sein, da� sein Be-weisverfahren, wenn es nur in rechter Weise nachvollzogenwird, zur Preisgabe der gegenl�ufigen Auffassungen fˇhrt.

Deutlich wird das in der zweiten Anmerkung zu Lehrsatz33 des 1. Teils. Wenn er sich auch darˇber im klaren sei, sagtSpinoza dort, da� viele seine Theorie, die Welt unterliege ei-ner aus der blo�en Natur Gottes folgenden notwendigenOrdnung, verwerfen, weil sie Gott die Freiheit eines unbe-dingten sch˛pferischenWillens zusprechen, sei er sich dochsicher, �da� sie, wenn sie die Sache recht bedenken und dieAbfolge unserer Beweise geh˛rig erw�gen wollten, eine sol-che Freiheit, die sie jetzt Gott zuschreiben, schlie�lich nichtblo� als t˛richt, sondern als ein gro�es Hindernis fˇr dieWissenschaft g�nzlich verwerfen wˇrdenß. Diese Anmer-kung verdeutlicht die Strategie nicht nur des 1. Teils, der vonGott handelt, sondern der gesamten >Ethik<; und sie kannnur in einer Anmerkung und damit au�erhalb des Dedukti-onsganges erscheinen. Denn die Natur Gottes, wie sie Spino-za im 1. Teil der >Ethik< entwickelt, kˇmmert sich um keineMeinungen, weder um gute noch um schlechte, der es inso-fern auch gleichgˇltig ist, ob sich Menschen auf Wissen-schaft und damit Rationalit�t verpflichten oder nicht. AberSpinoza kˇmmert sich darum, und hierfˇr entwickelt er einKonzept Gottes, das dem dient, dem Menschen durchg�ngi-ge Rationalit�t zu erm˛glichen.

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Noch deutlicher wird dies aus dem Anhang des 1. Teils, dervon den menschlichenVorurteilen handelt, die es fˇr das Ver-st�ndnis des 1. Teils der >Ethik< auszur�umen gegolten hat.Wenn nun Spinoza in der n�heren Explikation des Anhangsdie Vorurteile auf das eine Vorurteil einer anthropomorphenVorstellung Gottes zurˇckzufˇhren sucht, die Gott einzweckorientiertes Handeln unterstellt, wie Menschen es ansich selbst erfahren und dann auf Gott ˇbertragen, dannwird darin zugleich die eigentˇmliche Spannung sichtbar,die die Darlegungen der >Ethik< beherrscht. Als Hindernissefˇr das Verst�ndnis der Beweise, die Spinoza im 1. Teil der>Ethik< gegeben hat, k˛nnen dieVorurteile n�mlich nur durchdie Beweise selbst ausger�umt werden, von deren RichtigkeitSpinoza ˇberzeugt ist, nicht aber diejenigen, die Vorurteilenunterliegen. Sie mˇssen von derWichtigkeit vernˇnftigen Ar-gumentierens erst ˇberzeugt werden; das kann nur so gesche-hen, da� sie die von Spinoza beanspruchte theoretische Hal-tung auch selbst ˇbernehmen, dem ihr Vorurteil, das jagerade an der behaupteten Macht der Vernunft zweifelt, aberentgegensteht. Wenn Vorurteile auch nicht wahre Sachver-halte zum Gegenstand haben, sondern blo�en Schein, sosind sie doch selbst kein Schein, sondern eine Wirklichkeit,die aus der Verfa�theit des Menschen resultiert und die Spi-noza in den folgenden Teilen der >Ethik< im h˛chsten Ma�auch anerkennt. Erst wenn gezeigt wird, da� der Mensch vondiesem Boden aus sich in seinem Denken und Handeln vonjenem Begriff Gottes, wie er im 1. Teil der >Ethik< entwickeltwird, her tats�chlich verstehen kann, ist Spinozas Programmeiner Befreiung des Menschen von unzureichendem Wissendurch zureichendesWissen an sein Ziel gelangt.

Erreichen k˛nnen dieses Ziel nur ganz wenige, daran l��tSpinoza keinen Zweifel, und insofern ist seine Ethik elit�r.Doch ist es nicht glˇckliches Geschick, das einige wenige inden Genu� des H˛chsten kommen l��t, sondern das mˇhsa-me Gesch�ft der Arbeit des Gedankens. Und dieses Gesch�ftist nicht erst dann gerechtfertigt, wenn es sein Endziel aucherreicht, sondern ganz unabh�ngig davon, sofern es nur in

XVIIEinleitung

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XVIII Wolfgang Bartuschat

Gang kommt. Was Spinoza in seiner >Ethik< beschreibt, istzweifellos etwas, das es in Gang bringt. Bemerken wird esfreilich nur der, der diesesWerk nicht zu hastig liest.

2 . Text und Textgestaltung

Spinozas >Ethik< ist im Jahr seines Todes (1677) posthum er-schienen, in den von Spinozas Freunden herausgegebenen>Opera posthuma< bei Jan Rieuwertsz in Amsterdam. Spino-za hat das Werk 1675 fertiggestellt und als vollendet angese-hen. Anfang Juli 1675 teilt er Heinrich Oldenburg in einemuns nicht erhaltenen Schreiben 6 mit, da� er die Absicht habe,seine fˇnfteilige Abhandlung zu ver˛ffentlichen, und berichtetihm auf dessen dahingehende Nachfrage Ende Juli /AnfangAugust 1675,7 da� er nach Amsterdam gereist sei, um das Ma-nuskript dieses Werkes, der >Ethik<, dem Druck zu ˇbergeben.�ble Gerˇchte, so schreibt er an Oldenburg, h�tten ihn aberdavon abgehalten, den Druck tats�chlich in Auftrag zu geben,Gerˇchte, er wolle ein Buch ver˛ffentlichen, in dem er zu be-weisen suche, da� es keinen Gott g�be, was bereits zuVerleum-dungen seiner Person bis hin zu ˛ffentlicher Anklage durch ei-nige Theologen gefˇhrt habe. Der Autor, der sein Werk mitGott beginnt und mit der Liebe zu Gott enden l��t, wollte sichoffenbar nicht nur nicht der Gefahr aussetzen, falsch ausgelegtzu werden, sondern auch und vielleicht sogar in erster Linienicht dazu beitragen, da� mit einemWerk, dessen vernˇnftigeGrundlage den Ha� wie keinen anderen Affekt zu tilgen sucht,Ha� geschˇrt wird. Er habe deshalb beschlossen, die geplanteEdition aufzuschieben, bis er klarer sehe, ob sich die ˛ffentli-che Meinung nicht doch zum Besseren wendet. Spinozakonnte in diesem Punkt bis zum Ende seines Lebens keineHoffnung haben. Kurz vor seinemTode im Februar 1677 hat erden Freunden, die eine Ausgabe seiner nachgelassenen Schrif-

6 Vgl. Oldenburgs Brief an Spinoza vom 22. Juli 1675 (Brief 62).7 Brief 68.

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ten vorbereiteten, Anweisung gegeben, die >Ethik< dort aufzu-nehmen, wie einer der Herausgeber, Jarrig Jelles, berichtet.8

Spinozas Manuskript der >Ethik< ist nicht erhalten; wirwissen also nicht, ob es in der Druckvorbereitung Eingriffeder Editoren gegeben hat und ob diese eventuell Spinoza zurPrˇfung vorgelegt worden sind. Angewiesen sind wir auf denText der >Opera posthuma<, den wir allerdings mit der frˇhenniederl�ndischen �bersetzung in >De Nagelate Schriften<vergleichen k˛nnen. Sicher ist, da� die niederl�ndische�ber-setzung, in demselben Jahr wie die lateinische Ausgabe er-schienen, sich nicht auf den gedruckten Text der >Operaposthuma< gestˇtzt hat, was schon aus zeitlichen Grˇndenunm˛glich ist. Wahrscheinlich sind beide Ausgaben gleich-zeitig vorbereitet worden und haben sich auf verschiedeneAbschriften oder auch verschiedene Manuskripte des Textesgestˇtzt. An mehreren Stellen weicht die niederl�ndische�bersetzung vom lateinischen Text der >Opera posthuma<nicht unerheblich ab ^ teilweise handelt es sich hier umMi�-verst�ndnisse des lateinischenTextes, teilweise um erl�utern-de Erg�nzungen, teilweise um Wendungen, die tats�chlicheine Verbesserung darstellen. Im Ganzen kann gesagt wer-den, da� es sich bei dieser �bersetzung, wie bei jeder �ber-setzung, um eine Interpretation durch die �bersetzer han-delt. Auf jeden Fall ist die Entscheidung, wieweit derlateinische Text im Rˇckgriff auf die frˇhe niederl�ndische�bersetzung zu modifizieren oder gar zu korrigieren ist,�u�erst schwierig.

Nach Vorarbeiten durch J. H. Leopold,9 einem holl�ndi-schen Philologen, ist es Carl Gebhardt gewesen, der fˇr die

XIXEinleitung

8 ImVorwort zur niederl�ndischen Ausgabe, das Lodewijk Meyer,der andere ma�gebliche Herausgeber, in lateinischer �bersetzung derlateinischen Ausgabe vorangestellt hat; deutsch in: Spinoza ^ Lebens-beschreibungen und Dokumente, Hamburg 1998 (Phil. Bibl.Bd. 96 b), S. 11-15. Vgl. dazu Akkerman, F. / Hubbeling, H. G., Thepreface to Spinoza’s posthumous works 1677 and its author Jarg Jelles.In: Lias 6, Amsterdam 1979, S. 103 -172.

9 Ad Spinozae Opera posthuma, Den Haag 1902.

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XX Wolfgang Bartuschat

>Ethik< in der von ihm besorgten Heidelberger Ausgabe derOpera Spinozas den Text der >Nagelate schriften< berˇcksich-tigt und ausgewertet hat, teils durch Verweise in den Anmer-kungen zur Textgestaltung, teils durch Integration von Passa-gen der niederl�ndischen Fassung in den lateinischen Textselbst. Gebhardt hat damit die unglˇckliche These verbunden,da� die Text-Abweichungen eine Weiterarbeit Spinozas amText bezeugten und die beiden Fassungen Ausdruck zweierunterschiedlicher Fassungen der >Ethik< aus Spinozas Handseien. Fokke Akkerman,10 ein Philologe, hat diese These zu-rˇckgewiesen und mit Mitteln philologischer Textanalyse zei-gen k˛nnen, da� die meisten der Erg�nzungen, die die nieder-l�ndische �bersetzung enth�lt, blo�e Erl�uterungen sind, dienicht auf Spinoza selbst zurˇckgehen und es nicht erlauben,von einer doppelten Fassung der >Ethik< zu sprechen. Plausibi-lit�t hat insbesondere Akkermans Hinweis, da� die �berset-zung der beiden ersten Teile der >Ethik<, die Spinoza seinenAmsterdamer Freunden zugeschickt hatte, von Pieter Ballingstammt, der wohl schon 1665 gestorben ist, und da� J. H. Gla-zemaker, der als �bersetzer der >Ethik< gilt, nur deren letztedrei Teile ˇbersetzt hat, wenn auch vielleicht mit Eingriffen indie frˇhe�bersetzung Ballings.Wird dies akzeptiert, dann las-sen sich nicht nur die Abweichungen der niederl�ndischen�bersetzung vom lateinischen Text, die in den beiden erstenTeilen besonders offenkundig sind, aus der Manier des �ber-setzers Balling erkl�ren, sondern auch die These aufstellen,da� Spinoza die ontologischen und erkenntnistheoretischenElemente seiner Philosophie schon frˇh zu einem definitivenAbschlu� gebracht hat und die weitere Ausarbeitung, die ernach 1670 in Angriff genommen hat, der Ethik im engerenSinne gegolten hat.

Akkerman hat in seiner Abhandlung schon viele wertvolleVorschl�ge zur Verbesserung des Textes gemacht. Seine Un-tersuchungen, sp�ter unterstˇtzt von dessen Schˇler Piet

10 Studies in the posthumous works of Spinoza, Groningen 1980.

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Steenbakkers,11die auf eine kritische Neu-Ausgabe der lateini-schen Fassung der >Ethik< zielen, haben in zwei Jahrzehntenaber nicht dazu fˇhren k˛nnen, das erstrebte Ziel zu realisie-ren, wenn auch mittlerweile die Neu-Ausgabe vor ihremAbschlu� zu stehen scheint. Sie wird einerseits viele Eingrif-fe Gebhardts rˇckg�ngig machen, andererseits auch mehrereseiner Verbesserungsvorschl�ge ˇbernehmen k˛nnen undschlie�lich manches in neuer Lesart bringen. Sicher ist dabei,da� wir uns auf keine wirklich neue Lektˇre desTextes einstel-len mˇssen, die die Grundzˇge der Philosophie Spinozas be-tr�fe. Kontroverse Punkte, auch der Textgestaltung, werdenohnehin einer philosophischen Interpretation ˇberlassen blei-ben, die der philologischen Analyse allein nicht traut. Nurzwei Punkte m˛chte ich in diesem Zusammenhang erw�hnen.

Der eine betrifft die�berschrift des 3. Teils der >Ethik<, derin der lateinischen Fassung >Von dem Ursprung und der Na-tur der Affekte< lautet, in der niederl�ndischen �bersetzung,vielleicht in Analogie zur �berschrift des 2. Teils (>Von derNatur und dem Ursprung des Geistes<), aber zu einem >Vonder Natur und demUrsprung der Affekte< umgestellt wordenist. Akkerman folgend, tendiert Steenbakkers hier zur nieder-l�ndischen Version;12 Martial Gueroult verteidigt in philoso-phischer Interpretation die Abfolge �Ursprung ^ Naturß.13

Unabh�ngig davon sei bemerkt, da� man meines Erachtenshier kaum wird analogisieren k˛nnen, weil in den beiden F�l-len der Ursprung ein unterschiedliches Gewicht hat und inso-fern in Bezug auf Geist und Affekte auch einen unterschiedli-chen Ort. Der Ursprung des Geistes ist Gott, und der Geist istein Modus Gottes, den Gott hervorbringt. Doch handelt der2. Teil der >Ethik< evidenterma�en nicht von dem Geist im all-gemeinen, sondern von dem menschlichenGeist (�mens huma-

XXIEinleitung

11Vgl. Piet Steenbakkers, Spinoza’s Ethica from manuscript toprint, Assen 1994.

12 A.a. O., S. 33ff.13 Aus dem Nachla�: Le Spinoza de Martial Gueroult. In: Revue

philosophique de la France et de l’e¤ tranger (167), 1977, S. 285-302.

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XXII Wolfgang Bartuschat

naß), wie schon dieVorrede zu diesemTeil deutlich macht; unddessen Natur in ihrer Besonderheit ist durch empirische Sach-verhalte bestimmt, die sich nicht aus Gott als dem Ursprungdes Geistes allein ergeben. Der Ursprung der Affekte (undauch hier handelt es sich evidenterma�en um menschliche Af-fekte) ist jedoch nicht Gott, sondern der conatus der Indivi-duen und zwar in der spezifisch menschlichen Ausgestaltungdes Vorstellens und meinenden Sichwissens, aus der die Af-fekte resultieren, mit der Folge, da� ihre Natur mit ihrem Ur-sprung zusammenf�llt. So interpretiert, liegt es nahe, an derˇberlieferten lateinischen Fassung festzuhalten, n�mlich Spi-noza so zu lesen, da� er die Natur der Affekte ganz von ihremUrsprung her versteht und nicht als etwas, das zu ihm nochhinzukommt, w�hrend dies im Fall des menschlichen Geistesnicht m˛glich ist, dessen Spezifikation nicht aus seinem Ur-sprung folgt, sondern ein Faktum darstellt, auf das es sich ein-zulassen gilt, will man zeigen, wie derMensch unter den Bedin-gungen seiner spezifischen Endlichkeit seines Ursprungs auchinne werden kann.

Ein anderer Punkt ist eine in der lateinischen und nieder-l�ndischen Fassung dokumentierte Inkonsequenz, die aussachlichen Grˇnden so kaum stehen bleiben kann. Sie findetsich in dem �bergang zur zweiten H�lfte des 5. Teils der>Ethik<, in der Spinoza von der Ewigkeit des Geistes handelnwird und damit von einem Merkmal des Geistes, das nichtvon der Dauer her erkl�rt werden kann. Diese �berlegungleitet Spinoza in der Anmerkung zu Lehrsatz 20 mit demSatz ein, er wolle nun dazu ˇbergehen, das zu betrachten, wasdie Dauer des Geistes ohne Beziehung auf den K˛rper be-trifft, eine Ankˇndigung, die das Gegenteil von dem sagt,was er zu untersuchen beabsichtigt : Es geht gerade nicht umdas zeitliche Moment der Dauer des Geistes, sondern umeine Ewigkeit, die dem Geist angesichts dessen, da� dieserals die Idee eines K˛rpers notwendigerweise eine Beziehungauf den K˛rper hat, nur zugesprochen werden kann, wennseine Beziehung auf einen K˛rper, der dauert, ausgeblendetwird. Deshalb wird man hier eine von der Sache gebotene

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Korrektur machen mˇssen, die, gegen den ˇberliefertenText,�Dauerß auf den K˛rper und nicht auf den Geist bezieht.

3. Zu dieser Ausgabe

Der lateinischeText ist auf der Basis der Gebhardtschen Aus-gabe der Opera unter Berˇcksichtigung der sp�teren For-schungen zur Textgestaltung ediert. Eingegriffen habe ich indas ˇberlieferte Erscheinungsbild des Textes. Die den Lese-flu� hemmende exzessive Interpunktion, die auf die Heraus-geber oder auch Drucker der �Opera posthumaß zurˇckgeht,habe ich stark modifiziert; getilgt habe ich ferner s�mtlicheAkzente, die ebenfalls nicht von Spinoza stammen; revidierthabe ich des weiteren die gleichfalls nicht auf Spinoza zu-rˇckgehende Gro�schreibung vieler Worte, die die Heraus-geber als zentrale Termini haben herausheben wollen, und,m˛glicherweise inkonsequent, davon nur bei Gott und sei-nen essentiellen Bestimmungen, den Attributen, abgesehen.Schlie�lich habe ich um einer besseren Lesbarkeit willen dievon den Herausgebern stammenden Kursivierungen auf dieLehrs�tze beschr�nkt. Aus der niederl�ndischen �bersetzunghabe ich, im lateinischenText als Anmerkung unter der Seite,in der �bersetzung im fortlaufenden Text in eckigen Klam-mern, solche Erg�nzungen angefˇhrt, die mir hilfreiche Er-l�uterungen zu sein scheinen, ohne damit behaupten zu wol-len, sie seien authentische �bersetzungen des ManuskriptsSpinozas, das uns verloren gegangen ist. Zus�tzlich angege-ben sind im Kolumnentitel die Seitenzahlen des 2. Bandesder Opera Spinozas in Gebhardts Heidelberger Ausgabe, die,solange nichts Besseres vorliegt, immer noch den ma�gebli-chen kritischenText der >Ethik< enth�lt.

Eine neue�bersetzung der �Ethicaß ins Deutsche, die hiervorgelegt wird, ist seit l�ngerem ein Desiderat. L��t man diejˇngst erfolgte und durchaus verdienstvolle Revision der al-ten Sternschen �bersetzung unberˇcksichtigt, dann ist dieletzte deutsche �bersetzung, die von Baensch, bald hundert

XXIIIEinleitung

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XXIV Wolfgang Bartuschat

Jahre alt;14 weit besser als die frˇheren deutschen �bersetzun-gen, ist sie in der Terminologie dennoch vielfach ungenau undauch inkonsistent. Ich hoffe, aus der Kenntnis der PhilosophieSpinozas und unter Berˇcksichtigung der neuesten Spinoza-Interpretationen eine �bersetzung vorgelegt zu haben, dienicht nur den Zugang zu der �u�erst schwierigen PhilosophieSpinozas erleichtert, sondern auch den Gehalt dieser Philoso-phie angemessen erschlie�t. Dankbaren Gebrauch habe ichvon neueren �bersetzungen ins Franz˛sische und Englischegemacht, insbesondere von der vorzˇglichen �bersetzung, dieEdwin Curley im 1. Band der �Collected Works of Spinozaßvorgelegt hat und die, wie keine andere, eine philosophische�bersetzung ist.

Eine explizite Interpretation der Philosophie Spinozaskann diese Studienausgabe nicht enthalten, weder in der Ein-leitung, noch in Form von Anmerkungen, auf die deshalbganz verzichtet wird. Die Auswahl-Bibliographie nennt diewichtigsten Untersuchungen zur >Ethik<; das Sachregistersoll das Auffinden zentraler Begriffe erleichtern. Piet Steen-bakkers danke ich fˇr manche Auskunft, die er mir bereitwil-lig zum lateinischen Text gegeben hat; Katja Crone und Ben-jamin Schnieder danke ich fˇr die sorgf�ltige Lektˇre desManuskripts und fˇr die Mithilfe bei der Erstellung des Sach-registers.

Hamburg, im Juni 1999 Wolfgang Bartuschat

Fˇr die 2. Auflage habe ich den lateinischenText und die deut-sche �bersetzung durchgesehen und die Auswahl-Bibliogra-phie auf den neuesten Stand gebracht.

Hamburg, im Juli 2007 Wolfgang Bartuschat

14 Es ist die bisherige �bersetzung in der Philosophischen Biblio-thek.

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Da der im Rahmen der neuen kritischen Ausgabe der WerkeSpinozas (Spinoza. Oeuvres, lat./frz., Paris 1999 ff., bisher er-schienen Bd. I: Premiers e¤ crits, Bd. III: Traite¤ the¤ ologico-politique, Bd.V: Traite¤ politique) angekˇndigte lateinischeTextder >Ethik< noch nicht erschienen ist, habe ich fˇr die 3. Auflageden lateinischen Text lediglich an einigen Stellen typogra-phisch ver�ndert. Die deutsche �bersetzung habe ich erneutdurchgesehen und, wo es mir n˛tig zu sein schien, auch verbes-sert. Die Auswahl-Bibliographie habe ich auf den neuestenStand gebracht.

Hamburg, im Juni 2010 Wolfgang Bartuschat

Fˇr die 4. Auflage habe ich den lateinischen Text und meine�bersetzung erneut durchgesehen und auf m˛gliche Korrek-turen ˇberprˇft. Ein schon sehr frˇh der r˛mischen Kirchezugespieltes, der Denunziation Spinozas dienendes zeitge-n˛ssisches Manuskript der �Ethicaß ist uns jˇngst aus denVerliesen des Vatikans zug�nglich geworden (Leen Spruit /PinaTotaro,The Vatican manuscript of Spinoza’s Ethica, Lei-den 2011). Paolo Cristofolini hat es in seiner kritischen Aus-gabe der �Ethicaß (2014) gebˇhrend berˇcksichtigt, dochmacht es meines Erachtens (vgl. meine Rezension inHistoriaPhilosophica 2012, S. 93 f.) an keiner Stelle eine substantielleRevision des lateinischen Textes erforderlich. Die Auswahl-bibliographie habe ich ˇberarbeitet und neu geordnet.

Hamburg, im Mai 2015 Wolfgang Bartuschat

XXVEinleitung

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AUSWAHLBIBL IOGRAPHIE

1. Ausgaben

Erstver˛ffentlichung [OP] in: B[enedictus] D[e] S[pinoza] Operaposthuma, ohne Ort und Drucker [Amsterdam: Jan Rieuwertsz1677].

Niederl�ndische �bersetzung [NS] in: De Nagelate Schriften vanB[aruch] D[e] S[pinoza], ohne Ort und Drucker [Amsterdam: JanRieuwertsz 1677].

Kritische Ausgabe in: Spinoza Opera. Im Auftrag der HeidelbergerAkademie der Wissenschaften hg. von Carl Gebhardt, Heidelberg1925, Nachdruck 1973, Bd. II, S. 41-308.

2 . �bersetzungen

deutsch von B. Auerbach (1870) in: Spinoza, Opera ^ Werke, Bd. 2, hg.von K. Blumenstock, Darmstadt 1980.

deutsch von J. Stern (1888), revidiert von I. Rauthe-Welsch, in: Spinoza,Die Ethik (lat./dt.), Stuttgart 1977.

deutsch vonO. Baensch (1905), zuletzt Hamburg 1994 (Phil. Bibl. 92).engl.: Ethics, in: The Collected Works of Spinoza, Bd. 1, hg. und ˇbers.

von E. Curley, Princeton 1985, S. 408-617.frz.: Ethique, hg. und ˇbers. von Ch. Appuhn, Paris [1934].frz.: Ethique, hg. und ˇbers. von B. Pautrat, Paris 1999.ital.: Etica, hg. und ˇbers. von P. Cristofolini, Pisa 2014 [mit kritischem

lat. Text].niederl�nd.: Ethica, hg. und ˇbers. von H. Kroop, Amsterdam 2002.portug.: Etica, hg. und ˇbers. vonT. Tadeu, BeloHorizonte 2007.span.: Etica, hg. und ˇbers. von A. Dom|¤ nguez, Madrid 2000, 22005.

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XXVIII Wolfgang Bartuschat

3. Hilfsmittel

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In: Philosophy Research Archives, 1979. 5 (NO 1358).Pre¤ posiet, J., Bibliographie spinoziste, Paris 1973.Ramond, Ch., Dictionnaire Spinoza, Paris 2007.Schobinger, J.-P. (Hg.), Grundri� der Geschichte der Philosophie. Die

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5. Hintergrˇnde und Einflˇsse

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6 . Einfˇhrungen

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Chemins dans l’�Ethiqueß, Paris 1996).Curley, E., Behind the geometrical method. A reading of Spinoza’s

Ethics, New Jersey 1988.Della Rocca, M., Spinoza, London 2008.Donagan, A., Spinoza, Chicago 1988.Giancotti, E., Baruch Spinoza, 1632-1677, Roma 1985.Hampshire, S., Spinoza and Spinozism, Oxford 2005.Harris, E. E., Spinoza’s philosophy. An outline, New Jersey / London

1992.

XXIXAuswahlbibliographie

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XXX Wolfgang Bartuschat

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7. Kommentare

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gestellt, Berlin 2006.Koistinen, O. (Hg.), The Cambridge Companion to Spinoza’s Ethics,

Cambridge 2009.Macherey, P., Introduction a' l’Ethique de Spinoza, 5 Bde., Paris 1994-

1998 [1 Band zu jedemTeil der >Ethik<].Matheron, A., Individu et communaute¤ chez Spinoza, Paris 1969, 21988

[zu denTeilen III-Vder >Ethik<].Robinson, L., Kommentar zu Spinozas Ethik Bd. 1, Leipzig 1928, Lon-

don 21980 [zu denTeilen I und II der >Ethik<].

8.Grundlegende Interpretationen

Alquie¤ , F., Le rationalisme de Spinoza, Paris 1981.Bartuschat,W., SpinozasTheorie des Menschen, Hamburg 1992.Bennett, J., A study of Spinoza’s Ethics, Indianapolis 1984.Delahunty, R. J., Spinoza, London 1985.Deleuze, G., Spinoza et le proble' me de l’expression, Paris 1968 (dt.

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Della Rocca, M., Representation and the mind-body-problem in Spi-noza, Oxford 1996.

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Di Vona, P., Studi sull’ ontologia di Spinoza, 2 Bde., Firenze 1960-69.Harris, E. E., Salvation from despair. A reappraisal of Spinoza’s philo-

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XXXII Wolfgang Bartuschat

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BARUCH DE SPINOZA

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2 [43]

ETHICAOrdine Geometrico demonstrata

etin quinque Partes distincta, in quibus agitur

5 I. De DEO

II. DeNatura et Origine MENTIS

III. De Origine et Natura AFFECTUUM

IV. De SERVITUTE HUMANA seude AFFECTUUM VIR IBUS

10 V. De POTENTIA INTELLECTUS seude L IBERTATE HUMANA

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ETHIKin geometrischer Ordnung dargestellt

undgegliedert in fˇnf Teile, die handeln

I. Von GOTT

II. Von derNatur und demUrsprung des GEISTES

III. Von demUrsprung und derNatur der AFFEKTE

IV. Von MENSCHLICHER KNECHTSCHAFT odervon den KR�FTEN DER AFFEKTE

V. Von der MACHT des VERSTANDES odervon MENSCHLICHER FREIHEIT

3

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4 [45]

ETHICES PARS PRIMADe DEO

Defin it iones

I.5 Per causam sui intelligo id, cujus essentia involvit existen-tiam, sive id, cujus natura non potest concipi nisi existens.

II.Ea res dicitur in suo genere finita, quae alia ejusdem naturaeterminari potest. Ex. gr. corpus dicitur finitum, quia aliud

10 semper majus concipimus. Sic cogitatio alia cogitatione ter-minatur. At corpus non terminatur cogitatione nec cogitatiocorpore.

III.Per substantiam intelligo id, quod in se est et per se concipi-

15 tur; hoc est id, cujus conceptus non indiget conceptu alteriusrei, a quo formari debeat.

IV.Per attributum intelligo id, quod intellectus de substantia per-cipit tanquam ejusdem essentiam constituens.

20 V.Per modum intelligo substantiae affectiones, sive id, quod inalio est, per quod etiam concipitur.

VI.Per Deum intelligo ens absolute infinitum, hoc est substan-

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ERSTER TE IL DER ETHIKVon GOTT

De f i n i t i on en

1.Unter Ursache seiner selbst verstehe ich das, dessen EssenzExistenz einschlie�t, anders formuliert das, dessen Naturnur als existierend begriffen werden kann.

2.Dasjenige Ding hei�t in seiner Gattung endlich, das von ei-nem anderen derselben Natur begrenzt werden kann. Z. B.hei�t ein K˛rper endlich, weil wir stets einen anderen begrei-fen, der gr˛�er ist. So wird ein Gedanke von einem anderenGedanken begrenzt. Dagegen wird ein K˛rper nicht von ei-nem Gedanken begrenzt, noch ein Gedanke von einem K˛r-per.

3.Unter Substanz verstehe ich das, was in sich selbst ist unddurch sich selbst begriffen wird, d. h. das, dessen Begriff nichtdes Begriffs eines anderen Dinges bedarf, von dem her er ge-bildet werden mˇ�te.

4.Unter Attribut verstehe ich das, was der Verstand an einerSubstanz als deren Essenz ausmachend erkennt.

5.UnterModus verstehe ich die Affektionen einer Substanz, an-ders formuliert das, was in einem anderen ist, durch das esauch begriffen wird.

6.Unter Gott verstehe ich ein unbedingt unendliches Seiendes,d. h. eine Substanz, die aus unendlich vielen Attributen be-

5

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6 [45]-46Pars Prima ˝ De Deo

tiam constantem infinitis attributis, quorum unumquodqueaeternam et infinitam essentiam exprimit.|

Exp l i c a t i o . Dico absolute infinitum, non autem in suogenere; quicquid enim in suo genere tantum infinitum est, in-

5 finita de eo attributa negare possumus; quod autem absoluteinfinitum est, ad ejus essentiam pertinet, quicquid essentiamexprimit et negationem nullam involvit.

VII.Ea res libera dicitur, quae ex sola suae naturae necessitate exi-

10 stit et a se sola ad agendum determinatur; necessaria autemvel potius coacta, quae ab alio determinatur ad existendum etoperandum certa ac determinata ratione.

VIII.Per aeternitatem intelligo ipsam existentiam, quatenus ex

15 sola rei aeternae definitione necessario sequi concipitur.E xp l i c a t i o . Talis enim existentia ut aeterna veritas, sic-

ut rei essentia, concipitur, proptereaque per durationem auttempus explicari non potest, tametsi duratio principio et finecarere concipiatur.

20 A x i omata

I.Omnia, quae sunt, vel in se, vel in alio sunt.

II.Id, quod per aliud non potest concipi, per se concipi debet.

5 possumus ] NS erg�nzen (dat is, men kan oneindige toeeigeningen bevat-ten, die tot des zelfs natuur niet behoren)9 dicitur] dicetur nach NS

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steht, von denen jedes eine ewige und unendliche Essenz aus-drˇckt.

E r l �u t e r un g : Ich sage �unbedingtß und nicht �in seinerGattungß unendlich. Was n�mlich nur in seiner Gattung un-endlich ist, dem k˛nnen wir unendliche Attribute abspre-chen [NS: d. h., wir k˛nnen unendliche Attribute begreifen,die nicht zu seiner Natur geh˛ren]; was hingegen unbedingtunendlich ist, zu dessen Essenz geh˛rt, was auch immer Es-senz ausdrˇckt und keineVerneinung in sich schlie�t.

7.Dasjenige Ding hei�t frei, das allein aus der Notwendigkeitseiner Natur heraus existiert und allein von sich her zumHandeln bestimmt wird; notwendig oder eher gezwungen da-gegen dasjenige, das von einem anderen bestimmt wird, aufbestimmte und geregelte Weise zu existieren und etwas zubewirken.

8.Unter Ewigkeit verstehe ich die Existenz selbst, insofern sieals etwas begriffen wird, das aus der blo�en Definition einesewigen Dinges notwendigerweise folgt.

E r l �u t e r un g : Eine solche Existenz wird n�mlich eben-so wie die Essenz eines Dinges als eine ewigeWahrheit begrif-fen und kann deshalb nicht durch Dauer oder Zeit erkl�rtwerden, selbst wenn man die Dauer so begriffe, da� sie ohneAnfang und Ende ist.

A x i ome

1.Alles, was ist, ist entweder in sich selbst oder in einem ande-ren.

2.Was durch ein anderes nicht begriffen werden kann, mu�durch sich selbst begriffen werden.

7I. Teil ˝ Von Gott

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8 46-47Pars Prima ˝ De Deo

III.Ex data causa determinata necessario sequitur effectus, etcontra, si nulla detur determinata causa, impossibile est, ut ef-fectus sequatur.

5 IV.Effectus cognitio a cognitione causae dependet et eandem in-volvit.

V.Quae nihil commune cum se invicem habent, etiam per se in-

10 vicem intelligi non possunt, sive conceptus unius alteriusconceptum non involvit.|

VI.Idea vera debet cum suo ideato convenire.

VII.15 Quicquid ut non existens potest concipi, ejus essentia non in-

volvit existentiam.

P ropo s i t i o I . Substantia prior est natura suis affectioni-bus.

Demons t ra t i o . Patet ex definitione 3. et 5.

20 P ropo s i t i o I I . Duae substantiae, diversa attributa ha-bentes, nihil inter se commune habent.

Demons t ra t i o . Patet etiam ex defin. 3. Unaquaequeenim in se debet esse et per se debet concipi, sive conceptusunius conceptum alterius non involvit.

25 P ropo s i t i o I I I . Quae res nihil commune inter se habent,earum una alterius causa esse non potest .

Demons t ra t i o . Si nihil commune cum se invicem ha-bent, ergo (per axiom. 5.) nec per se invicem possunt intelligi,

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3.Aus einer gegebenen bestimmten Ursache erfolgt notwendi-gerweise eine Wirkung; und umgekehrt, wenn keine be-stimmte Ursache gegeben ist, ist es unm˛glich, da� eineWir-kung erfolgt.

4.Die Erkenntnis einer Wirkung h�ngt von der Erkenntnis ei-ner Ursache ab und schlie�t diese ein.

5.Von Dingen, die nichts miteinander gemein haben, kannauch nicht das eine durch das andere erkannt werden; andersformuliert, der Begriff des einen schlie�t den Begriff des ande-ren nicht ein.

6.Eine wahre Idee mu� mit dem Gegenstand ˇbereinstimmen,dessen Idee sie ist.

7.Was als nicht existierend begriffen werden kann, dessen Es-senz schlie�t nicht Existenz ein.

L eh r s a t z 1 . Eine Substanz geht der Natur nach ihren Affek-tionen voran.

Bewe i s : Dies ist evident aus Definition 3 und 5.

L eh r s a t z 2 . Zwei Substanzen, die verschiedene Attributehaben, haben nichts miteinander gemein.

Bewe i s : Auch dies ist evident aus Definition 3. Jede mu�n�mlich in sich selbst sein und durch sich selbst begriffenwerden, anders formuliert, der Begriff der einen schlie�t denBegriff der anderen nicht ein.

L eh r s a t z 3 . Von Dingen, die nichts miteinander gemein ha-ben, kann das eine nicht die Ursache des anderen sein.

Bewe i s : Wenn sie nichts miteinander gemein haben,dann kann (nach Axiom 5) auch nicht das eine durch das an-

9I. Teil ˝ Von Gott

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10 47-48Pars Prima ˝ De Deo

adeoque (per axiom. 4.) una alterius causa esse non potest.Q. e. d.

P ropo s i t i o IV. Duae aut plures res distinctae vel inter sedistinguuntur ex diversitate attributorum substantiarum,

5 vel ex diversitate earundem affectionum.Demons t ra t i o . Omnia, quae sunt, vel in se, vel in alio

sunt (per axiom. 1.), hoc est (per defin. 3. et 5.), extra intellec-tum nihil datur praeter substantias earumque affectiones. Ni-hil ergo extra intellectum datur, per quod plures res distingui

10 inter se possunt praeter substantias sive, quod|idem est (perdefin. 4.), earum attributa earumque affectiones. Q. e. d.

P ropo s i t i o V. In rerum natura non possunt dari duae autplures substantiae ejusdem naturae sive attributi .

Demons t ra t i o . Si darentur plures distinctae, deberent15 inter se distingui vel ex diversitate attributorum, vel ex diver-

sitate affectionum (per prop. praeced.). Si tantum ex diversi-tate attributorum, concedetur ergo non dari nisi unam ejus-dem attributi. At si ex diversitate affectionum, cum substan-tia sit prior natura suis affectionibus (per prop. 1.), depositis

20 ergo affectionibus et in se considerata, hoc est (per defin. 3.et axiom. 6.) vere considerata, non poterit concipi ab alia di-stingui, hoc est (per prop. praeced.) non poterunt dari plures,sed tantum una. Q. e. d.

P ropo s i t i o V I . Una substantia non potest produci ab25 alia substantia .

Demons t ra t i o . In rerum natura non possunt dari duaesubstantiae ejusdem attributi (per prop. praeced.), hoc est

8 earumque] ejusque nach NS10 -11 defin.] axiom. korr. Gebhardt21 axiom.] Einfˇgung Gebhardt

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dere erkannt werden; mithin kann (nach Axiom 4) das einenicht die Ursache des anderen sein.Was zu beweisen war.

L eh r s a t z 4 . Zwei oder mehrere unterschiedene Dinge un-terscheiden sich voneinander entweder anhand einer Ver-schiedenheit der Attribute der Substanzen oder anhand einerVerschiedenheit der Affektionen dieser Substanzen.

Bewe i s : Alles, was ist, ist entweder in sich selbst oder ineinem anderen (nach Axiom 1), d. h. (nach Definition 3 und5), au�erhalb des Verstandes gibt es nichts als Substanzenund deren Affektionen. Also gibt es au�erhalb desVerstandesnichts, wodurch mehrere Dinge sich voneinander unterschei-den k˛nnen, au�er Substanzen bzw. deren Attribute (wasnach Definition 4 dasselbe ist) und Affektionen von Substan-zen.W. z. b. w.

L eh r s a t z 5 . In der Natur kann es nicht zwei oder mehrereSubstanzen derselben Natur, d. h. desselben Attributes, geben.

Bewe i s : G�be es mehrere unterschiedene Substanzen,mˇ�ten sie sich entweder anhand einer Verschiedenheit ihrerAttribute oder anhand einer Verschiedenheit ihrer Affektionenvoneinander unterscheiden (nach vorigem Lehrsatz). Wennblo� anhand einer Verschiedenheit ihrer Attribute, dann wirdes zugestandenerma�en nur eine einzige desselben Attributesgeben. Wenn anhand einer Verschiedenheit ihrer Affektionen,dann wird eine Substanz, weil sie der Natur nach ihren Affek-tionen vorangeht (nach Lehrsatz 1), wenn die Affektionen bei-seite gelassen werden und sie in sich selbst, d. h. (nach Definiti-on 3 und Axiom 6) wahrheitsgem�� betrachtet wird, nicht alsvon einer anderen unterschieden begriffen werden k˛nnen;d. h. (nach vorigem Lehrsatz), es wird nicht mehrere, sondernnur eine [desselben Attributes] geben k˛nnen.W. z. b. w.

L eh r s a t z 6 . Eine Substanz kann nicht von einer anderenSubstanz hervorgebracht werden.

Bewe i s : In derNatur kann es nicht zwei Substanzen des-selben Attributes geben (nach vorigem Lehrsatz), d. h.

11I. Teil ˝ Von Gott

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12 48-49Pars Prima ˝ De Deo

(per prop. 2.), quae aliquid inter se commune habent. Adeo-que (per prop. 3.) una alterius causa esse nequit, sive ab alianon potest produci. Q. e. d.

Co ro l l a r ium . Hinc sequitur substantiam ab alio produ-5 ci non posse. Nam in rerum natura nihil datur praeter sub-stantias earumque affectiones, ut patet ex axiom. 1. et de-fin. 3. et 5. Atqui a substantia produci non potest (per praeced.prop.). Ergo substantia absolute ab alio produci non potest.Q. e. d.

10 A l i t e r . Demonstratur hoc etiam facilius ex absurdo con-tradictorio. Nam si substantia ab alio posset produci, ejuscognitio a cognitione suae causae deberet pendere (peraxiom. 4.); adeoque (per defin. 3.) non esset substantia.|

Propo s i t i o V I I . Ad naturam substantiae pertinet existe-15 re.

Demons t ra t i o . Substantia non potest produci ab alio(per coroll. prop. praeced.); erit itaque causa sui, id est (per de-fin. 1.), ipsius essentia involvit necessario existentiam, sivead ejus naturam pertinet existere. Q. e. d.

20 P ropo s i t i o V I I I . Omnis substantia est necessario infini-ta .

Demons t ra t i o . Substantia unius attributi non nisi uni-ca existit (per prop. 5.) et ad ipsius naturam pertinet existere(per prop. 7.). Erit ergo de ipsius natura vel finita, vel infinita

25 existere. At non finita. Nam (per defin. 2.) deberet terminariab alia ejusdem naturae, quae etiam necessario deberet exi-

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(nach Lehrsatz 2) nicht zwei Substanzen, die etwas miteinan-der gemein haben. Mithin kann (nach Lehrsatz 3) eine nichtdie Ursache der anderen sein, d. h. eine kann nicht von der an-deren hervorgebracht werden.W. z. b. w.

Fo l g e s a t z : Hieraus folgt, da� eine Substanz nicht vonetwas anderem hervorgebracht werden kann. Denn in derNa-tur gibt es nichts au�er Substanzen und deren Affektionen,wie aus Axiom 1 sowie Definition 3 und 5 evident ist. Von ei-ner Substanz kann sie aber nicht hervorgebracht werden(nach vorigem Lehrsatz). Was Substanz ist, kann also ˇber-haupt nicht von etwas anderem hervorgebracht werden.W. z. b. w.

And e r e r B ewe i s : Noch leichter l��t sich dies aus demWidersinn des Gegenteils beweisen. K˛nnte n�mlich eineSubstanz von etwas anderem hervorgebracht werden, mˇ�teihre Erkenntnis von der Erkenntnis ihrer Ursache abh�ngen(nach Axiom 4); mithin w�re sie (nach Definition 3) nichtSubstanz.

L eh r s a t z 7. Zur Natur einer Substanz geh˛rt es zu existie-ren.

Bewe i s : Eine Substanz kann nicht von etwas anderemhervorgebracht werden (nach Folgesatz zu vorigem Lehr-satz); sie wird daher Ursache ihrer selbst sein; d. h. (nach De-finition 1), ihre Essenz schlie�t notwendigerweise Existenzein, anders formuliert, zu ihrer Natur geh˛rt es zu existieren.W. z. b. w.

L eh r s a t z 8 : Jede Substanz ist notwendigerweise unend-lich.

Bewe i s : Eine Substanz von nur einem Attribut existiertnur, insofern sie einzig ist (nach Lehrsatz 5), und zu ihrer Na-tur geh˛rt es zu existieren (nach Lehrsatz 7). Kraft ihrer Na-tur wird sie also existieren und zwar entweder als endlicheoder als unendliche. Als endliche jedoch nicht. Denn dannmˇ�te sie (nach Definition 2) von einer anderen derselbenNatur begrenzt werden, die ebenfalls notwendigerweise exi-

13I. Teil ˝ Von Gott

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14 49-50Pars Prima ˝ De Deo

stere (per prop. 7.); adeoque darentur duae substantiae ejus-dem attributi, quod est absurdum (per prop. 5.). Existit ergoinfinita. Q. e. d.

S cho l ium I . Cum finitum esse revera sit ex parte nega-5 tio et infinitum absoluta affirmatio existentiae alicujus natu-rae, sequitur ergo ex sola prop. 7. omnem substantiam debereesse infinitam.

S cho l ium I I . Non dubito, quin omnibus, qui de rebusconfuse judicant nec res per primas suas causas noscere con-

10 sueverunt, difficile sit demonstrationem prop. 7. concipere;nimirum quia non distinguunt inter modificationes substan-tiarum et ipsas substantias, neque sciunt, quomodo res pro-ducuntur. Unde fit, ut principium, quod res naturales haberevident, substantiis affingant; qui enim veras rerum causas

15 ignorant, omnia confundunt et sine ulla mentis repugnantiatam arbores quam homines loquentes fingunt, et hominestam ex lapidibus quam ex semine formari, et quascunque for-mas in alias quascunque mutari imaginantur. Sic etiam, quinaturam divinam cum humana confundunt, facile Deo affec-

20 tus humanos tribuunt, praesertim quamdiu etiam ignorant,quomodo af|fectus in mente producuntur.

Si autem homines ad naturam substantiae attenderent, mi-nime de veritate prop. 7. dubitarent; imo haec propositio om-nibus axioma esset et inter notiones communes numeraretur.

25 Nam per substantiam intelligerent id, quod in se est et per seconcipitur, hoc est id, cujus cognitio non indiget cognitionealterius rei. Per modificationes autem id, quod in alio est et

7 infinitam.] NS erg�nzenWant indien men de zelfstandigheit eindig stel-de, zo zou men in haar natuur ten deel het wezentlijk te zijn ontkennen; ’twelk (volgens de gezeideVoorstelling) ongerijmt is.22 Si] kein Absatz in OP

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stieren mˇ�te (nach Lehrsatz 7), so da� es zwei Substanzendesselben Attributes g�be, was widersinnig ist (nach Lehr-satz 5). Also existiert sie als unendliche.W. z. b. w.

Anmerkun g 1 : Weil endlich sein der Sache nach einepartielle Verneinung ist und unendlich sein die unbedingteBejahung der Existenz irgendeiner Natur, folgt allein schonaus Lehrsatz 7, da� jede Substanz unendlich sein mu�. [NS:Denn n�hme man eine endliche Substanz an, dann spr�cheman ihrer Natur partiell die Existenz ab, was (nach dem ge-nannten Lehrsatz) widersinnig ist].Anmerkung 2 : All denen, die ˇber Sachverhalte ver-

worren urteilen und nicht gewohnt sind, Dinge durch ihre er-sten Ursachen zu erkennen, wird es zweifellos schwerfallen,den Beweis von Lehrsatz 7 zu verstehen; kein Wunder, weilsie nicht zwischen den Modifikationen von Substanzen undden Substanzen selbst unterscheiden und auch nicht wissen,wie Dinge hervorgebracht werden. Daher kommt es, da� sieSubstanzen ein Anfangen andichten, wie sie es bei natˇrli-chen Dingen sehen. Wer n�mlich die wahren Ursachen vonDingen nicht kennt, wirft alles durcheinander, bildet sich un-bekˇmmert ein, da� B�ume wie Menschen reden, und stelltsich vor, da� Menschen aus Steinen ebensogut wie aus Samenentstehen, und ˇberhaupt, da� alle Formen, welche auch im-mer, sich zu beliebig anderen wandeln. So legt auch, wer dieg˛ttliche Natur mit der menschlichen durcheinanderbringt,Gott unbedenklich menschliche Affekte bei, besonders so-lange ihm noch unbekannt ist, wie Affekte im Geist entste-hen.

H�tten Menschen jedoch die Natur von Substanz im Blick,wˇrden sie die Wahrheit von Lehrsatz 7 keinen Augenblickin Zweifel ziehen. Fˇr alle w�re dieser Lehrsatz in der Tat einAxiom und wˇrde zu den Gemeinbegriffen gez�hlt werden.Denn unter Substanz wˇrden sie das verstehen, was in sichselbst ist und durch sich selbst begriffen wird, d. h. das, des-sen Erkenntnis nicht der Erkenntnis eines anderen Dingesbedarf; und unter Modifikationen das, was in einem anderenist, Dinge also, deren Begriff von dem Begriff des Dinges her,

15I. Teil ˝ Von Gott

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16 50Pars Prima ˝ De Deo

quarum conceptus a conceptu rei, in qua sunt, formatur. Quo-circa modificationum non existentium veras ideas possumushabere; quandoquidem, quamvis non existant actu extra intel-lectum, earum tamen essentia ita in alio comprehenditur, ut

5 per idem concipi possint. Verum substantiarum veritas extraintellectum non est nisi in se ipsis, quia per se concipiuntur.Si quis ergo diceret se claram et distinctam, hoc est veramideam substantiae habere et nihilominus dubitare, num talissubstantia existat, idem hercle esset, ac si diceret se veram ha-

10 bere ideam et nihilominus dubitare, num falsa sit (ut satis at-tendenti fit manifestum); vel, si quis statuat substantiam crea-ri, simul statuit ideam falsam factam esse veram, quo sanenihil absurdius concipi potest; adeoque fatendum necessarioest substantiae existentiam sicut ejus essentiam aeternam

15 esse veritatem.Atque hinc alio modo concludere possumus non dari nisi

unicam ejusdem naturae, quod hic ostendere operae pretiumesse duxi. Ut autem hoc ordine faciam, notandum est : I. ve-ram uniuscujusque rei definitionem nihil involvere neque ex-

20 primere praeter rei definitae naturam. Ex quo sequitur hoc II.,nempe nullam definitionem certum aliquem numerum indi-viduorum involvere neque exprimere, quandoquidem nihilaliud exprimit quam naturam rei definitae. Ex. gr. definitiotrianguli nihil aliud exprimit quam simplicem naturam trian-

25 guli, at non certum aliquem triangulorum numerum. III. No-tandum, dari necessario uniuscujusque rei existentis certamaliquam causam, propter quam existit. IV. Denique notan-dum, hanc causam, propter quam aliqua res existit, vel deberecontineri in ipsa natura et definitione rei existentis (nimirum

30 quod ad ipsius naturam pertinet existere), vel debere extra ip-sam dari.

16 Atque] kein Absatz in OP

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in dem sie sind, gebildet wird. Deshalb k˛nnen wir auch vonnicht existierenden Modifikationen wahre Ideen haben, da ja,auch wenn sie au�erhalb des Verstandes nicht wirklich exi-stieren, ihre Essenz doch so in einem anderen einbegriffenist, da� sie durch dieses begriffen werden k˛nnen. DieWahr-heit von Substanzen ist au�erhalb des Verstandes hingegennur in ihnen selbst, weil sie durch sich selbst begriffen wer-den. Sagte also jemand, er habe eine klare und deutliche, d. h.wahre Idee einer Substanz und zweifle dennoch, ob eine sol-che Substanz existiert, so w�re das fˇrwahr dasselbe, alswenn er sagte, er habe eine wahre Idee und erw�ge dennoch,ob sie nicht falsch ist (wie es jedem klar vor Augen liegt, dernur hinreichend aufmerksam ist); ebenso, wenn jemand be-hauptete, eine Substanz werde geschaffen, hie�e das zu be-haupten, eine falsche Idee sei wahr geworden; und mehr Wi-dersinn l��t sich nun wirklich nicht denken. Mithin bleibtnur einzugestehen, da� die Existenz einer Substanz, wie ihreEssenz, eine ewigeWahrheit ist.

Von hier aus k˛nnen wir noch in anderer Weise folgern,da� es nur eine einzige [Substanz] derselben Natur gibt, washier zu zeigen der Mˇhe wert ist. Um es in der rechten Ord-nung zu tun, sei vermerkt: 1. Die wahre Definition eines je-den Dinges schlie�t nichts weiter ein als die Natur des defi-nierten Dinges, noch drˇckt sie etwas anderes aus. Darausfolgt : 2. Keine Definition schlie�t eine bestimmte Anzahlvon Individuen ein, noch drˇckt sie sie aus, weil sie ebennichts anderes ausdrˇckt als die Natur des definierten Din-ges. Beispielsweise drˇckt die Definition des Dreiecks nichtsanderes aus als die einfache Natur des Dreiecks, nicht abereine bestimmte Anzahl von Dreiecken. 3. Es ist hervorzuhe-ben, da� es fˇr jedes existierende Ding eine bestimmte Ursa-che geben mu�, derentwegen es existiert. 4. Schlie�lich isthervorzuheben, da� diese Ursache, derentwegen ein Dingexistiert, entweder in der Natur selbst des existierenden Din-ges enthalten sein mu�, also in dessen Definition (dann,wenn es zu dessen Natur geh˛rt zu existieren), oder au�er-halb von ihr liegen mu�.

17I. Teil ˝ Von Gott

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18 50-51Pars Prima ˝ De Deo

His positis sequitur, quod, si in natura certus aliquis nume-rus individuorum existat, debeat necessario dari causa, curilla individua et cur non plura nec|pauciora existunt. Si ex.gr. in rerum natura 20 homines existant (quos majoris perspi-

5 cuitatis causa suppono simul existere nec alios antea in natu-ra exstitisse), non satis erit (ut scilicet rationem reddamus,cur 20 homines existant) causam naturae humanae in genereostendere, sed insuper necesse erit causam ostendere, curnon plures nec pauciores quam 20 existant; quandoquidem

10 (per notam III.) uniuscujusque debet necessario dari causacur existat. At haec causa (per notam II. et III.) non potest inipsa natura humana contineri, quandoquidem vera hominisdefinitio numerum vicenarium non involvit; adeoque (pernotam IV.) causa, cur hi viginti homines existunt et conse-

15 quenter cur unusquisque existit, debet necessario extraunumquemque dari, et propterea absolute concludendumomne id, cujus naturae plura individua existere possunt, debe-re necessario, ut existant, causam externam habere. Jam quo-niam ad naturam substantiae (per jam ostensa in hoc schol.)

20 pertinet existere, debet ejus definitio necessariam existen-tiam involvere, et consequenter ex sola ejus definitione debetipsius existentia concludi. At ex ipsius definitione (ut jam exnota II. et III. ostendimus) non potest sequi plurium substan-tiarum existentia; sequitur ergo ex ea necessario unicam tan-

25 tum ejusdem naturae existere, ut proponebatur.

P ropo s i t i o IX . Quo plus realitatis aut esse unaquaequeres habet, eo plura attributa ipsi competunt.

Demons t ra t i o . Patet ex defin. 4.

1 His] kein Absatz in OP

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Aus diesen Bemerkungen folgt : Wenn in derNatur eine be-stimmte Anzahl von Individuen existiert, mu� es natˇrlicheine Ursache geben, warum gerade diese Individuen undnicht mehr oder weniger existieren. Wenn z. B. in der Naturzwanzig Menschen existieren (wobei ich der gr˛�eren Deut-lichkeit halber annehme, da� sie zugleich existieren und vorihnen nicht andere in der Natur existiert haben), wird esnicht genug sein (will man einen Grund angeben, warum ge-rade zwanzig existieren), die Ursache der menschlichen Na-tur im allgemeinen aufzuzeigen; vielmehr wird es darˇberhinaus erforderlich sein, die Ursache dafˇr aufzuzeigen, wes-halb nicht mehr oder weniger als gerade zwanzig existieren,mu� es doch (nach Bemerkung 3) fˇr jeden [einzelnen Men-schen] eine Ursache geben, weshalb gerade er existiert. Nunkann diese Ursache (nach Bemerkung 2 und 3) nicht in dermenschlichen Natur selbst enthalten sein, weil nun einmaldie wahre Definition des Menschen die Zahl 20 nicht ein-schlie�t. Mithin mu� (nach Bemerkung 4) die Ursache, wes-halb diese zwanzig Menschen existieren und folglich auchweshalb jeder einzelne von ihnen existiert, zwangsl�ufig au-�erhalb eines jeden von ihnen liegen. Deshalb ist uneinge-schr�nkt zu folgern, da� jedes Ding, dessen Natur so beschaf-fen ist, da� mehrere Individuen [dieser Natur] existierenk˛nnen, zwangsl�ufig eine �u�ere Ursache seines Existierenshaben mu�. Weil es nun (wie in dieser Anmerkung schon ge-zeigt) zur Natur einer Substanz geh˛rt zu existieren, mu�ihre Definition notwendige Existenz einschlie�en, und folg-lich mu� ihre Existenz sich aus ihrer blo�en Definition er-schlie�en lassen. Nun kann aus ihrer Definition (wie wirschon aufgrund von Bemerkung 2 und 3 gezeigt haben) nichtdie Existenz mehrerer Substanzen folgen. Also folgt aus ihrzwangsl�ufig, da� nur eine einzige [Substanz] derselben Na-tur existiert, wie dargelegt wurde.

L eh r s a t z 9 . Je mehr Realit�t oder Sein ein jedes Ding hat,umso mehr Attribute kommen ihm zu.

Bewe i s : Dies ist evident aus Definition 4.

19I. Teil ˝ Von Gott

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20 51-52Pars Prima ˝ De Deo

P ropo s i t i o X . Unumquodque unius substantiae attribu-tum per se concipi debet .

Demons t ra t i o . Attributum enim est id, quod intellec-tus de substantia percipit tanquam ejus essentiam consti-

5 tuens (per defin. 4.); adeoque (per defin. 3.) per se concipi de-bet. Q. e. d.|

Scho l ium . Ex his apparet, quod, quamvis duo attributarealiter distincta concipiantur, hoc est unum sine ope alteri-us, non possumus tamen inde concludere ipsa duo entia sive

10 duas diversas substantias constituere; id enim est de naturasubstantiae, ut unumquodque ejus attributorum per se conci-piatur; quandoquidem omnia, quae habet, attributa simul inipsa semper fuerunt nec unum ab alio produci potuit, sedunumquodque realitatem sive esse substantiae exprimit. Lon-

15 ge ergo abest, ut absurdum sit uni substantiae plura attributatribuere; quin nihil in natura clarius, quam quod unumquod-que ens sub aliquo attributo debeat concipi, et quo plus reali-tatis aut esse habeat, eo plura attributa, quae et necessitatemsive aeternitatem, et infinitatem exprimunt, habeat; et conse-

20 quenter nihil etiam clarius, quam quod ens absolute infini-tum necessario sit definiendum (ut defin. 6. tradidimus) ens,quod constat infinitis attributis, quorum unumquodque ae-ternam et infinitam certam essentiam exprimit. Si quis autemjam quaerit, ex quo ergo signo diversitatem substantiarum po-

25 terimus dignoscere, legat sequentes propositiones, quaeostendunt in rerum natura non nisi unicam substantiam exi-stere eamque absolute infinitam esse, quapropter id signumfrustra quaereretur.

P ropo s i t i o X I . Deus sive substantia constans infinitis at-

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Leh r s a t z 10 . Jedes Attribut ein und derselben Substanzmu� durch sich selbst begriffen werden.

Bewe i s : Ein Attribut ist n�mlich das, was der Verstandan einer Substanz als deren Essenz ausmachend erkennt(nach Definition 4); mithin mu� es (nach Definition 3) durchsich selbst begriffen werden.W. z. b. w.

Anmerkun g : Hieraus ist offensichtlich, da�, wennauch zwei Attribute als real unterschieden begriffen werden,also das eine ohneHilfe des anderen [begreifbar ist], wir dar-aus gleichwohl nicht schlie�en k˛nnen, da� sie zwei En-tit�ten oder zwei verschiedene Substanzen ausmachen. Dashat n�mlich dieNatur einer Substanz an sich, da� jedes ihrerAttribute durch sich selbst begriffen wird, da ja alle Attri-bute, die sie hat, von jeher in ihr zugleich gewesen sind undein Attribut nicht von einem anderen hat hervorgebrachtwerden k˛nnen; jedes einzelne drˇckt vielmehr die Realit�toder das Sein von Substanz aus. Weit entfernt, da� es wider-sinnig w�re, ein und derselben Substanz mehrere Attributezuzuschreiben, ist im Gegenteil der Sache nach nichts kla-rer, als da� jedes Seiende unter irgendeinem Attribut begrif-fen werden mu� und da�, je mehr es Sein oder Realit�t hat,es umso mehr Attribute hat, die sowohl Notwendigkeit,also Ewigkeit, als auch Unendlichkeit ausdrˇcken. Folglichist auch nichts klarer, als da� ein unbedingt unendlichesSeiendes zwingend als ein Seiendes zu definieren ist (wiewir es in Definition 6 getan haben), das aus unendlich vielenAttributen besteht, von denen jedes eine bestimmte ewigeund unendliche Essenz ausdrˇckt. Wenn jetzt jemand fragt,an welchem Merkmal wir dann noch die Verschiedenheitvon Substanzen erkennen k˛nnten, so m˛ge er die folgen-den Lehrs�tze lesen, die zeigen, da� in der Natur nur eineeinzige Substanz existiert und diese unbedingt unendlichist, weswegen man ein solches Merkmal vergeblich suchenwˇrde.

L eh r s a t z 11 . Gott, anders formuliert eine Substanz, dieaus unendlich vielen Attributen besteht, von denen jedes eine

21I. Teil ˝ Von Gott

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22 52-53Pars Prima ˝ De Deo

tributis, quorum unumquodque aeternam et infinitam es-sentiam exprimit, necessario existit .

Demons t ra t i o . Si negas, concipe, si fieri potest, Deumnon existere. Ergo (per axiom. 7.) ejus essentia non involvit

5 existentiam. Atqui hoc (per prop. 7.) est absurdum. ErgoDeus necessario existit. Q. e. d.

A l i t e r . Cujuscunque rei assignari debet causa seu ratio,tam cur existit quam cur non existit. Ex. gr. si triangulus exi-stit, ratio seu causa dari debet cur existit; si autem non existit,

10 ratio etiam seu causa|dari debet, quae impedit quominus exi-stat, sive quae ejus existentiam tollat. Haec vero ratio seu cau-sa vel in natura rei contineri debet, vel extra ipsam. Ex. gr.rationem, cur circulus quadratus non existat, ipsa ejus naturaindicat; nimirum, quia contradictionem involvit. Cur autem

15 contra substantia existat, ex sola etiam ejus natura sequitur,quia scilicet existentiam involvit (vide prop. 7.). At ratio, curcirculus vel triangulum existit, vel cur non existit, ex eorumnatura non sequitur, sed ex ordine universae naturae corpo-reae; ex eo enim sequi debet, vel jam triangulum necessario

20 existere, vel impossibile esse ut jam existat. Atque haec per semanifesta sunt. Ex quibus sequitur id necessario existere,cujus nulla ratio nec causa datur, quae impedit quominus exi-stat.

Si itaque nulla ratio nec causa dari possit, quae impedit25 quominus Deus existat, vel quae ejus existentiam tollat, omni-

no concludendum est eundem necessario existere. At si talisratio seu causa daretur, ea vel in ipsa Dei natura, vel extra ip-sam dari deberet, hoc est in alia substantia alterius naturae.Nam si ejusdem naturae esset, eo ipso concederetur dari

17 triangulum] Gebhardt liest triangulus24 Si] kein Absatz in OP

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ewige und unendliche Essenz ausdrˇckt, existiert notwendi-gerweise.

Bewe i s : Wer dies bestreitet, nehme an, wenn er kann,Gott existiere nicht. Dann schlie�t (nach Axiom 7) seine Es-senz nicht Existenz ein. Nun ist dies (nach Lehrsatz 7) wider-sinnig. Also existiert Gott notwendigerweise.W. z. b. w.

And e r e r B ewe i s : Von jedem Ding mu� sich eine Ursa-che oder ein Grund angeben lassen, weshalb es existiert, wieauch weshalb es nicht existiert. Wenn z. B. ein Dreieck exi-stiert, mu� es einen Grund oder eine Ursache geben, weshalbes existiert; und wenn es nicht existiert, mu� es ebenfalls ei-nen Grund oder eine Ursache geben, die sein Existieren ver-hindert, also seine Existenz aufhebt. Dieser Grund oderdiese Ursache mu� entweder in der Natur des Dinges enthal-ten sein oder au�erhalb von ihr liegen. Z. B. zeigt den Grund,weshalb ein viereckiger Kreis nicht existiert, dessen Naturselbst an, weil dies n�mlich einen Widerspruch in sichschlie�t. Weshalb andererseits eine Substanz existiert, folgtebenfalls aus ihrer blo�en Natur, weil sie n�mlich Existenz insich schlie�t (siehe Lehrsatz 7). Dagegen ergibt sich derGrund, weshalb ein Kreis oder ein Dreieck existiert odernicht existiert, nicht aus deren Natur, sondern aus der Ord-nung der k˛rperlichen Natur im Ganzen. Aus dieser [Ord-nung] mu� n�mlich folgen, entweder da� das Dreieck not-wendigerweise jetzt existiert oder da� es unm˛glich ist, da�es jetzt existiert. Das alles ist ja selbstverst�ndlich. Hierausfolgt, da� ein Ding notwendigerweise existiert, wenn es kei-nen Grund oder keine Ursache gibt, die es daran hindert zuexistieren.

Wenn es daher keinen Grund oder keine Ursache gebenkann, die Gott daran hindert zu existieren, d. h. die seine Exi-stenz aufhebt, ist einwandfrei zu schlie�en, da� er notwendi-gerweise existiert. G�be es dagegen einen solchen Grundoder eine solche Ursache, mˇ�te es sie entweder in GottesNatur selbst oder au�erhalb von ihr geben, d. h. in einer ande-ren Substanz von anderer Natur. Denn w�re sie von dersel-ben Natur, dann w�re ebendamit zugestanden, da� Gott exi-

23I. Teil ˝ Von Gott

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24 53-54Pars Prima ˝ De Deo

Deum. At substantia, quae alterius esset naturae, nihil cumDeo commune haberet (per prop. 2.), adeoque neque ejus exi-stentiam ponere neque tollere posset. Cum igitur ratio seucausa, quae divinam existentiam tollat, extra divinam natu-

5 ram dari non possit, debebit necessario dari, siquidem nonexistit, in ipsa ejus natura, quae propterea contradictioneminvolveret. Atque hoc de ente absolute infinito et summe per-fecto affirmare absurdum est; ergo nec in Deo nec extraDeum ulla causa seu ratio datur, quae ejus existentiam tollat,

10 ac proinde Deus necessario existit. Q. e. d.A l i t e r . Posse non existere impotentia est, et contra posse

existere potentia est (ut per se notum). Si itaque id, quod jamnecessario existit, non nisi entia finita sunt, sunt ergo entia fi-nita potentiora ente absolute infinito; atque hoc (ut per se

15 notum) absurdum est; ergo vel nihil existit, vel ens absoluteinfinitum necessario etiam existit. Atqui nos vel in nobis, velin alio, quod necessario existit, existimus (vid. axiom. 1. etprop. 7.). Ergo ens absolute infinitum, hoc est (per defin. 6.)Deus necessario existit. Q. e. d.|

20 S cho l ium . In hac ultima demonstratione Dei existen-tiam a posteriori ostendere volui, ut demonstratio faciliusperciperetur; non autem propterea, quod ex hoc eodem fun-damento Dei existentia a priori non sequatur. Nam, cumposse existere potentia sit, sequitur, quo plus realitatis alicu-

25 jus rei naturae competit, eo plus virium a se habere ut existat;adeoque ens absolute infinitum sive Deum infinitam abso-lute potentiam existendi a se habere, qui propterea absoluteexistit.

1 naturae] NS erg�nzen dan de goddelijke2 haberet] habere korr.W. B., gestˇtzt auf NS6 propterea] NS erg�nzen volgens onz tweedeVoorbeelt7 Atque] Gebhardt liest Atqui

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stiert. Nun h�tte eine Substanz, die von anderer Natur w�re[NS: als die g˛ttliche], mit Gott nichts gemein (nach Lehr-satz 2) und k˛nnte mithin dessen Existenz weder setzennoch aufheben. Da es also einen Grund oder eine Ursache,die die g˛ttliche Existenz aufhebt, au�erhalb der g˛ttlichenNatur nicht geben kann, wird sie, wenn Gott tats�chlichnicht existiert, unausweichlich in seiner eigenenNatur liegenmˇssen, die demnach [NS: (entsprechend unserem zweitenBeispiel)] einenWiderspruch in sich schl˛sse. Nun ist es wi-dersinnig, dies von einem unbedingt unendlichen undh˛chstvollkommenen Seienden zu behaupten. Also gibt esweder in Gott noch au�erhalb Gottes eine Ursache oder ei-nen Grund, der seine Existenz aufhebt; somit existiert Gottnotwendigerweise.W. z. b. w.

And e r e r B ewe i s : Imstande sein nicht zu existieren, istOhnmacht, w�hrend imstande sein zu existieren, Macht ist(wie sich von selbst versteht). Wenn demnach das, was jetztnotwendigerweise existiert, nur endliche Entit�ten sind,dann sind endliche Entit�ten m�chtiger als ein unbedingt un-endliches Seiendes; und das ist (wie sich von selbst versteht)widersinnig; also existiert entweder nichts, oder ein unbe-dingt unendliches Seiendes existiert notwendigerweise auch.Nun existieren wir aber, entweder in uns selbst oder in einemanderen, das notwendigerweise existiert (siehe Axiom 1 undLehrsatz 7). Also existiert ein unbedingt unendliches Seien-des, d. h. (nach Definition 6) Gott, notwendigerweise.W. z. b. w.

Anmerkun g : In diesem letzten Beweis habe ich GottesExistenz a posteriori dartun wollen, um den Beweis fa�licherzu machen, nicht aber weil aus derselben Grundlage GottesExistenz nicht a priori folgte. Denn, da imstande sein zu exi-stieren, Macht ist, folgt, da� je mehr Realit�t der Natur einesDinges zukommt, es umso mehr Kraft aus sich heraus hat zuexistieren. Mithin mu� ein unbedingt unendliches Seiendes,also Gott, aus sich heraus eine unbedingt unendliche Machthaben zu existieren, und deshalb existiert er in unbedingterWeise.

25I. Teil ˝ Von Gott

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26 54Pars Prima ˝ De Deo

Multi tamen forsan non facile hujus demonstrationis evi-dentiam videre poterunt, quia assueti sunt eas solummodores contemplari, quae a causis externis fluunt; et ex his, quaecito fiunt, hoc est quae facile existunt, eas etiam facile perire

5 vident, et contra eas res factu difficiliores judicant, hoc est adexistendum non adeo faciles, ad quas plura pertinere conci-piunt. Verum, ut ab his praejudiciis liberentur, non opus ha-beo hic ostendere, qua ratione hoc enunciatum >quod cito fit,cito perit< verum sit, nec etiam, an respectu totius naturae om-

10 nia aeque facilia sint an secus. Sed hoc tantum notare sufficit,me hic non loqui de rebus, quae a causis externis fiunt, sed desolis substantiis, quae (per prop. 6.) a nulla causa externa pro-duci possunt. Res enim, quae a causis externis fiunt, sive eaemultis partibus constent, sive paucis, quicquid perfectionis

15 sive realitatis habent, id omne virtuti causae externae debe-tur, adeoque earum existentia ex sola perfectione causae ex-ternae, non autem suae oritur. Contra, quicquid substantiaperfectionis habet, nulli causae externae debetur; quare ejusetiam existentia ex sola ejus natura sequi debet, quae proinde

20 nihil aliud est quam ejus essentia. Perfectio igitur rei existen-tiam non tollit, sed contra ponit; imperfectio autem contraeandem tollit, adeoque de nullius rei existentia certiores essepossumus quam de existentia entis absolute infiniti seu per-fecti, hoc est Dei. Nam quandoquidem ejus essentia omnem

25 imperfectionem secludit absolutamque perfectionem invol-vit, eo ipso omnem causam dubitandi de ipsius existentia tol-lit summamque de eadem certitudinem dat, quod mediocri-ter attendenti perspicuum fore credo.|

1 Multi] kein Absatz in OP

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Indessen wird es vielen wohl nicht leicht fallen, die Evi-denz dieses Beweises zu sehen, weil sie gewohnt sind, alleindiejenigen Dinge zu betrachten, die aus �u�eren Ursachenhervorgehen; und hier bemerken sie, da� Dinge, die schnellentstehen, d. h. die ohne viel Umst�nde existieren, auch leichtvergehen; und umgekehrt meinen sie, da� diejenigen Dingeschwerer herzustellen sind, also nicht so ohne weiteres exi-stieren, zu denen ihrer Ansicht nach mehr geh˛rt. Um sievon diesenVorurteilen zu befreien, mu� ich hier gewi� nichtzeigen, in welchem Sinn der Satz �Was schnell entsteht, ver-geht schnellß wahr ist; auch nicht, ob im Hinblick auf die gan-ze Natur alles gleicherma�en leicht ist oder nicht. Es genˇgtdie knappe Bemerkung, da� ich hier nicht von Dingen spre-che, die aus �u�eren Ursachen entstehen, sondern allein vonSubstanzen, die (nach Lehrsatz 6) von keiner �u�erenUrsache hervorgebracht werden k˛nnen. Dinge n�mlich,die aus �u�eren Ursachen entstehen, m˛gen sie aus vielenTeilen bestehen oder aus wenigen, verdanken alles, was sieanVollkommenheit oder Realit�t haben, der Beschaffenheitihrer �u�eren Ursache; mithin entspringt ihre Existenz al-lein der Vollkommenheit der �u�eren Ursache, nicht aber ei-ner eigenen. Was andererseits eine Substanz auch immer anVollkommenheit hat, verdankt sie keiner �u�eren Ursache;deshalb mu� sich aus ihrer blo�en Natur auch ihre Existenzergeben, die somit nichts anderes ist als ihre Essenz. Voll-kommenheit hebt also die Existenz eines Dinges nicht auf,sondern setzt sie im Gegenteil, w�hrend es Unvollkommen-heit ist, die sie aufhebt. Mithin k˛nnen wir der Existenz kei-nes Dinges gewisser sein als der Existenz eines unbedingtunendlichen oder vollkommenen Seienden, d. h. Gottes.Denn weil seine Essenz nun einmal alle Unvollkommen-heit ausschlie�t und unbedingte Vollkommenheit in sichschlie�t, ist sie es, die jeden Grund, an seiner Existenz zuzweifeln, beseitigt und diesbezˇglich h˛chste Gewi�heitverschafft. Ich glaube, das wird denen, die nur halbwegs auf-merksam sind, einleuchten.

27I. Teil ˝ Von Gott

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28 55Pars Prima ˝ De Deo

P ropo s i t i o X I I . Nullum substantiae attributum potestvere concipi, ex quo sequatur substantiam posse dividi .

Demons t ra t i o . Partes enim, in quas substantia, sic con-cepta, divideretur, vel naturam substantiae retinebunt, vel

5 non. Si primum, tum (per prop. 8.) unaquaeque pars debebitesse infinita et (per prop. 7.) causa sui et (per prop. 5.) consta-re debebit ex diverso attributo, adeoque ex una substantia plu-res constitui poterunt, quod (per prop. 6.) est absurdum.Adde, quod partes (per prop. 2.) nihil commune cum suo

10 toto haberent et totum (per defin. 4. et prop. 10.) absque suispartibus et esse et concipi posset, quod absurdum esse nemodubitare poterit. Si autem secundum ponatur, quod scilicetpartes naturam substantiae non retinebunt; ergo, cum totasubstantia in aequales partes esset divisa, naturam substan-

15 tiae amitteret et esse desineret, quod (per prop. 7.) est absur-dum.

P ropo s i t i o X I I I . Substantia absolute infinita est indivi-sibilis .

Demons t ra t i o . Si enim divisibilis esset, partes, in quas20 divideretur, vel naturam substantiae absolute infinitae retine-

bunt, vel non. Si primum, dabuntur ergo plures substantiaeejusdem naturae, quod (per prop. 5.) est absurdum. Si secun-dum ponatur, ergo (ut supra) poterit substantia absolute infi-nita desinere esse, quod (per prop. 11.) est etiam absurdum.

25 Coro l l a r ium . Ex his sequitur nullam substantiam etconsequenter nullam substantiam corpoream, quatenus sub-stantia est, esse divisibilem.

S cho l ium . Quod substantia sit indivisibilis, simpliciusex hoc solo intelligitur, quod natura substantiae non potest

30 concipi nisi infinita, et quod per partem substantiae nihil

5 primum,] NS erg�nzen namelijk dat zy de natuur van de zelfstandigheitbehouden,6 prop. 7.] prop. 6. korr.W. B., Curley folgend