BDU Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung Nestler 2016

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Recht | Wirtschaft | Steuern www.betriebs-berater.de 14|2016 4.4.2016 | 71. Jg. Seiten 769–832 DIE ERSTE SEITE Prof. Dr. Ekkehart Reimer Reform der Erbschaftsteuer: Verschonungen verstoßen gegen EU-Recht WIRTSCHAFTSRECHT Dr. Andreas Meyer , RA Erleichterungen im Recht der Stimmrechtsmitteilungen bei Aktienemissionen | 771 Dr. Ralf Weisser , LL.M., und Dr. Claus Färber , RA Zumutbarkeit von Websperren für Accessprovider | 776 STEUERRECHT Stephanie Wahlig, StBin, und Bettina Mertgen, RAin/FAinStR/StBin/FBin Z&VSt Zollwertrelevanz von Markenlizenzzahlungen im Hinblick auf die Neuregelungen des Unionszollkodex (UZK) ab dem 1.5.2016 | 791 Markus Heinlein, WP/StB, und Alexander Euchner , StB Das Anwendungsschreiben zu § 50i Abs. 2 EStG – zugleich das Ende der faktischen Umstrukturierungs- und Nachfolgesperre? | 795 Prof. Dr. W. Christian Lohse, VRiFG i.R. Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines „als nicht existenter Wirtschaftsbeteiligter angesehenen“ Steuerpflichtigen | 801 BILANZRECHT UND BETRIEBSWIRTSCHAFT Dr. Anke Nestler BDU-Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung – welcher „Wertbeitrag“ ist für die Bewertungspraxis zu erwarten? | 809 ARBEITSRECHT Prof. Dr. Jürgen Taeger und Dr. Edgar Rose Zum Stand des deutschen und europäischen Beschäftigungsdatenschutzes | 819 Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main 70 Jahre

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Recht | Wirtschaft | Steuern

www.betriebs-berater.de

14|2016

4.4.2016 | 71. Jg.Seiten 769–832

DIE ERSTE SEITE

Prof. Dr. Ekkehart ReimerReform der Erbschaftsteuer: Verschonungen verstoßen gegen EU-Recht

WIRTSCHAFTSRECHT

Dr. Andreas Meyer, RAErleichterungen im Recht der Stimmrechtsmitteilungen bei Aktienemissionen | 771

Dr. Ralf Weisser, LL.M., und Dr. Claus F�rber, RAZumutbarkeit von Websperren f�r Accessprovider | 776

STEUERRECHT

Stephanie Wahlig, StBin, und Bettina Mertgen, RAin/FAinStR/StBin/FBin Z&VStZollwertrelevanz von Markenlizenzzahlungen im Hinblick auf die Neuregelungendes Unionszollkodex (UZK) ab dem 1.5.2016 | 791

Markus Heinlein, WP/StB, und Alexander Euchner, StBDas Anwendungsschreiben zu § 50i Abs. 2 EStG – zugleich das Ende derfaktischen Umstrukturierungs- und Nachfolgesperre? | 795

Prof. Dr. W. Christian Lohse, VRiFG i.R.Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines „als nicht existenter Wirtschaftsbeteiligterangesehenen“ Steuerpflichtigen | 801

BILANZRECHT UND BETRIEBSWIRTSCHAFT

Dr. Anke NestlerBDU-Grunds�tze ordnungsgem�ßer Markenbewertung – welcher „Wertbeitrag“ist f�r die Bewertungspraxis zu erwarten? | 809

ARBEITSRECHT

Prof. Dr. J�rgen Taeger und Dr. Edgar RoseZum Stand des deutschen und europ�ischen Besch�ftigungsdatenschutzes | 819

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

70Jahre

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Dr. Anke Nestler

BDU-Grundsätze ordnungsgemäßerMarkenbewertung – welcher „Wertbeitrag“ist für die Bewertungspraxis zu erwarten?

Die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten – insbesondere

von Marken – gewinnt zunehmend an Bedeutung. Gerade die aktuali-

sierten OECD-Richtlinien, die Ende 2015 verabschiedet wurden und

einen Schwerpunkt auf Verrechnungspreise für immaterielle Vermö-

genswerte legen, verlangen von der Praxis umfassende Kenntnisse über

deren Bewertung. Der Bundesverband der Unternehmensberater (BDU)

hat Ende 2015 Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung (GoM)

veröffentlicht. Die GoM sollen als „Checkliste“ dienen und darlegen,

welche Arbeitsschritte und Inhalte ein Gutachten über einen Marken-

wert beinhalten soll. Im nachfolgenden Beitrag werden die wesent-

lichen Inhalte der GoM vorgestellt. Dabei wird für den jeweiligen Grund-

satz diskutiert, welche Erkenntnisse bzw. welchen Mehrwert die schrift-

lich dokumentierten Empfehlungen des BDU bei der Bewertung von

Marken liefern können. Der Aufsatz richtet sich an Unternehmen und

Berater, die Anhaltspunkte für das Vorgehen bei der Markenbewertung

suchen.

I. Problemstellung

Im November 2015 hat der BDU sog. „Grundsätze ordnungsgemäßer

Markenbewertung“ (GoM) veröffentlicht.1

Standards bzw. Grundsätze für die Bewertung von immateriellen Ver-

mögenswerten, insbesondere von Marken, liegen bereits einige vor.

Neben dem in Deutschland bekannten Standard IDW S 5 des Insti-

tuts der Wirtschaftsprüfer (23.5.2011)2 und der DIN ISO Norm

10668 (Oktober 2011)3 gibt es national und international vielfältige

Vorschläge4 für die finanzorientierte Bewertung von Marken.

In einer Zeit, in der durch die aktualisierten OECD-Richtlinien für

die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten5 die Anlässe für

die Bewertung von Marken unter steuerlicher Perspektive erheblich

an Bedeutung gewinnen, hat der BDU nun eigene Grundsätze entwi-

ckelt. Der BDU hebt dabei hervor, dass bestehende „Verfahrensvor-

schriften“ wie etwa die DIN ISO Norm 10668 oder der IDW S 5 nicht

ersetzt oder entkräftet, sondern „in sinnvoller Weise ergänzt bzw.

punktuell präzisiert“ werden sollen.6 Das ist zu begrüßen, denn trotz

der umfangreichen Überlegungen in den vorhandenen Standards blei-

ben für die Markenbewertung noch zahlreiche Fragen offen – insbe-

sondere in Bezug auf eine adäquate Berücksichtigung verhaltens-

orientierter Parameter. Irreführend sind allerdings die vom BDU ver-

wendeten Begriffe zu den bisherigen Standards wie „Verfahrens-“

bzw. „Normvorschriften“. Denn diese Begrifflichkeit suggeriert, dass

es sich bei den Bewertungsstandards um Regelwerke mit Gesetzes-

charakter handelt und damit eine Pflicht für ihre Anwendung besteht.

Bei den GoM und auch den bislang vorliegenden Bewertungsstan-

dards handelt es sich aber durchweg um Empfehlungen von privaten

Organisationen, die keine Gesetzgebungskompetenz haben und daher

auch keine „Vorschriften“ erlassen können.7

Der BDU hat insgesamt acht Grundsätze publiziert, die in der nach-

folgenden Tabelle dargestellt sind.

In dem vorliegenden Beitrag werden die wesentlichen Inhalte der

GoM vorgestellt. Dabei wird diskutiert, welche Erkenntnisse bzw. wel-

chen Mehrwert die Empfehlungen des BDU bei der Bewertung von

Marken liefern können.

II. Grundsätze im Einzelnen

1. Analyse des BewertungsanlassesDer erste Grundsatz der GoM stellt fest, dass einer Markenbewertung

„die sorgfältige Analyse“ des Bewertungsanlasses voranzustellen ist.

Begründet wird dies damit, dass in Abhängigkeit vom Bewertungsan-

lass die Funktion des Bewerters und des anzuwendenden Bewertungs-

verfahrens begründet werden. Der BDU listet eine Reihe von mögli-

chen Bewertungsanlässen auf (z.B. Bewertung für Finanzierungs-

zwecke, Sale and lease back, Angemessenheit von Lizenzgebühren).8

Der Bewertungsanlass ist selbstredend wesentlich für jegliche Bewer-

tungsfrage und damit auch für die finanzielle Bewertung einer Marke.

Betriebs-Berater | BB 14.2016 | 4.4.2016 809

Aufsatz | Bilanzrecht und Betriebswirtschaft

Tabelle: Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung des BDU

1. Analyse des Bewertungsanlasses

2. Prüfung der Markenart und der Markenfunktion

3. Prüfung des Markenrechtsschutzes

4. Analyse der Marken- und Zielgruppenrelevanz

5. Bewertung des aktuellen Markenstatus bei den relevanten Zielgruppen

6. Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lebensdauer der Marke

7. Prüfung der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells der Marke

8. Bewertung der Marke mittels Barwertermittlung

1 Abrufbar unter www.bdu.de/media/119556/rz_gom_bdu_2015_gesamt.pdf (Abruf:8.3.2016).

2 S. IDW-FN 7/2011, 467 ff.3 Beziehbar über www.beuth.de/de/norm/din-iso-10668/144226437 (Abruf: 8.3.2016).

4 Z. B. Grundsätze der monetären Markenbewertung des Brand Valuation Forum des Mar-kenverbands, abrufbar unter www.markenverband.de/kompetenzen/markenbewertung/brand-valuation-forum-grundsaetze-der-monetaeren-markenbewertung, Vorschläge desMASB zur Markenbewertung, abrufbar unter https://themasb.org/projects/completed/brand-valuation-project-phase-1/ oder International Valuation Standards (IVS) – ChapterIntangible Assets, beziehbar über https://www.ivsc.org/ (alle Abrufe: 8.3.2016).

5 S. OECD (2015), Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10Final Reports, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, Paris,abrufbar unter www.oecd-ilibrary.org/taxation/aligning-transfer-pricing-outcomes-with-value-creation-actions-8-10-2015-final-reports_9789264241244-en.

6 S. GoM (Fn. 1), S. 4.7 S. hierzu nur die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH, 29.9.2015 – II ZB 23/14, BB

2016, 304 m. BB-Komm. Handke, wonach die zur Anwendung einer Bewertungsmethodeentwickelten fachlichen Berechnungsgrundsätze (hier: IDW S 1) keine Normqualität ent-wickeln.

8 S. GoM (Fn. 1), S. 8 f.

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Der Hinweis der GoM auf das Erfordernis einer „sorgfältigen Ana-

lyse“ vermittelt den Eindruck, dass viel Zeit in diese Frage investiert

werden muss, was aus praktischer Sicht eher nicht der Fall ist. Der

Bewertungsanlass ist – anders als diverse andere Analyseschritte einer

Markenbewertung – in aller Regel relativ leicht festzustellen.

Warum ist der Kontext des Bewertungsanlasses wichtig für die Bewer-

tung einer Marke? Der Bewertungsanlass definiert die Perspektive, aus

der ein Markenwert ermittelt wird.

Der Bewertungsanlass ist – anders als die GoM es darstellen – nicht

zwangsläufig kausal für die Funktion des Bewerters. Zwar können Be-

wertungsanlässe eine bestimmte Funktion determinieren, ein Bewer-

ter kann aber für einen Bewertungsanlass in unterschiedlichen Funk-

tionen tätig sein. Bei einem Markenerwerb kann aus subjektiver Per-

spektive, aber auch in der Funktion eines neutralen Gutachters be-

wertet werden. In der jeweiligen Funktion wird der Bewerter vermut-

lich zu einem anderen Ergebnis kommen.

Folglich kommt es in erster Linie darauf an, dass für eine Markenbe-

wertung je nach Bewertungsanlass verschiedene Perspektiven einge-

nommen werden können. Für die gleiche Marke ergeben sich da-

durch unterschiedliche finanzielle Werte.

2. Prüfung der Markenart und der MarkenfunktionDie GoM stellen im zweiten Grundsatz dar, dass die Markenart und

die -funktion geprüft werden müssen. Die Markenart hat Einfluss auf

die zu berücksichtigende Stakeholdergruppe und die sich ergebenden

Rahmenbedingungen für die Ermittlung der Markenstärke.

Als Markenarten wird in den GoM unterschieden zwischen der Mar-

kenarchitektur, dem geografischen Geltungsbereich, der Art der mar-

kierten Produkte oder Dienstleistungen, der Positionierung der Mar-

ke und der Reife der Marke (i.S.d. Zeitpunkts des Markteintritts).9

Die Aufzählung derMarkenarten in denGoMgeht über das hinaus, was

im IDWS 5 dargestellt ist. So beschränkt sich der IDWS 5 auf dieUnter-

scheidung von Marken anhand der Markenarchitektur, das Thema der

Stakeholderrelevanz wird gar nicht erwähnt.10Der DIN ISO 10668 geht

hier etwasweiter als der IDWS5undnennt zumindest die verschiedenen

Stakeholder, fürdie eineMarke relevant sein kann.11Ansonsten sieht die

DIN ISO 10668 nur vor, dass die zu bewertendeMarke zu benennen, zu

definieren und zu beschreiben ist, ohne hier auf die Markenarten oder

dieKriterien einerBeschreibungnäher einzugehen.12

Interessant und auch ergänzend zu den bisher vorliegenden Standards

der finanziellen Markenbewertung sind die in den GoM dargestellten

Funktionen einer Marke. Sie sind umfassender als das, was viele Prak-

tiker spontan unter einer Marke verstehen. So dient eine Marke nicht

nur zur Unterscheidung des Produkts oder der Dienstleistung vom

Wettbewerb, sondern auch zur Identifikation des Absenders, der

Kommunikation oder der Kennzeichnung von Qualität. Während die

Beschreibung der Kommunikations- und Qualitätsfunktion eher ein

Instrument zur Differenzierung vom Wettbewerb ist, können Marken

auch nur zur Identifikation genutzt werden (z.B. durch die Firmie-

rung).

Für die Beschreibung einer Marke kann der zweite Grundsatz der

GoM somit eine hilfreiche Stoffsammlung sein.

3. Prüfung des MarkenrechtsschutzesDer nächste Grundsatz sieht die Prüfung des Markenrechtsschutzes

vor. Diese Prüfung ist gemäß den GoM erforderlich, um mit der DIN

ISO Norm 10668 konform zu gehen.13 Durch diese Formulierung

wird der Eindruck erweckt, dass sich die Autoren der GoM von der

Bedeutung des Markenrechtsschutzes für den Markenwert eher di-

stanzieren. Dieser Eindruck wird durch den letzten Absatz verstärkt,

wonach „nach Auffassung des BDU […] Marken auch dann einen

positiven wirtschaftlichen Mehrwert haben [können], wenn der for-

male rechtliche Schutz nur gering oder auch nicht geklärt ist.“

Eine Analyse des Markenrechtsschutzes ist für die Höhe des Marken-

werts von großer Bedeutung. So kann eine Marke aus ökonomischer

Sicht einen sehr hohen wirtschaftlichen Wert haben, da sie z.B. sehr

bekannt ist, eine hohe Nachfrage nach Markenbesitz besteht, ein

deutlich höherer Preis erzielt werden kann als für nicht markierte

Produkte etc. Wenn eine solche Marke wirtschaftlichen Erfolg hat, er-

höht sich die Attraktivität für Dritte, davon ebenfalls zu profitieren.

Um solchen Missbrauch abzuwehren, ist ein ausreichender Marken-

schutz für den Markeninhaber wichtig. Vor diesem Hintergrund füh-

ren rechtliche Risiken im Markenschutz zu Wertabschlägen. Die Er-

läuterungen in den GoM mögen hier etwas missverständlich sein. Der

isolierte wirtschaftliche Wert einer Marke – interpretiert als der öko-

nomische Vorteil aus den relevanten Merkmalen – kann durchaus po-

sitiv sein. Der Wert der Marke insgesamt muss aber die verschiedenen

Risiken einbeziehen, die mit dem Bewertungsgegenstand verbunden

sind. Dies ist gerade in der Funktion eines (neutralen) Gutachters

und bei der Ermittlung von objektivierten Werten von Bedeutung.

Zum Thema Markenrechtsschutz äußert sich auch der IDW S 5 eher

verhalten, wenn auch nicht so distanzierend wie die GoM. Gemäß

IDW S 5 kann der rechtliche Schutzumfang Auswirkungen auf den fi-

nanziellen Wert haben, so dass darzulegen ist, von welchem rechtli-

chen Schutz bei der Wertermittlung ausgegangen wurde. Allerdings

habe der Wirtschaftsprüfer „keine Verpflichtung“ eine umfassende

rechtliche Würdigung vorzunehmen.14

Festzuhalten ist, dass es keine direkte Relation zwischen dem Umfang

des rechtlichen Schutzes und dem Wert einer Marke gibt. Die Quanti-

fizierung von Wertabschlägen für rechtliche Risiken muss im Einzel-

fall erfolgen. Wesentlich ist, dass bei einer Markenbewertung transpa-

rent sein muss, von welchen Bedingungen des Markenschutzes die

Bewertung ausgeht. Die Formulierung des BDU zum Markenschutz

ist dabei eher unglücklich gewählt, da – und da sind sich IDW S 5

und DIN ISO 10668 einig – der wirtschaftliche Wert nur eine Dimen-

sion des Markenwerts darstellt und parallel die rechtlichen Rahmen-

bedingungen bei einer Begutachtung zu prüfen sind.15

4. Analyse der Marken- und ZielgruppenrelevanzDer vierte Grundsatz „Analyse der Marken- und Zielgruppenrele-

vanz“ greift die verhaltenswissenschaftliche Dimension einer Marken-

bewertung auf. Er sieht vor, dass die Gegebenheiten der Märkte, auf

denen die Marke angeboten wird, im Hinblick auf die Marken- und

Zielgruppenrelevanz zu beschreiben sind. Dabei soll auch darauf hin-

gewiesen werden, „für welche Zielgruppe die Markenbewertung Gül-

tigkeit hat.“16 Mit dieser Formulierung ist nicht eindeutig erkennbar,

worauf der BDU hier abzielt. Die Markenbewertung als Ergebnis des

Bewertungsprozesses ist – je nach Bewertungsanlass – für eine be-

810 Betriebs-Berater | BB 14.2016 | 4.4.2016

Bilanzrecht und Betriebswirtschaft | AufsatzNestler · BDU-Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung – welcher „Wertbeitrag“ ist für die Bewertungspraxis zu erwarten?

9 S. GoM (Fn. 1), S. 10 f.10 S. IDW S 5 (Fn. 2), Tz. 56.11 S. DIN ISO 10668 (Fn. 3), Abschn. 2.7.12 S. DIN ISO 10668 (Fn. 3), Abschn. 4.3.13 S. GoM (Fn. 1), S. 12.14 S. IDW S 5 (Fn. 2), Tz. 58.15 S. IDW S 5 (Fn. 2), Tz. 57, und DIN ISO 10668 (Fn. 3), Abschn. 3.6.

16 S. GoM (Fn. 1), S. 13 f.

Page 4: BDU Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung Nestler 2016

stimmte Zielgruppe, z.B. ein Gericht, von Bedeutung. Dies steht aller-

dings eher im Zusammenhang mit dem Bewertungsanlass. Gemeint

ist hier vermutlich eher die Relevanz der Markennutzung an sich für

eine bestimmte Zielgruppe, wie z.B. für Endkonsumenten.

Wesentlich für eineMarkenbewertung ist gemäß den GoMdieMarken-

relevanz. Die Markenrelevanz ist dabei nach den GoM über verhaltens-

wissenschaftliche Analysen oder über wertschöpfungsbezogene Indika-

toren in den Unternehmen zu beobachten. Dabei soll die individuelle

Situation der Marke ausreichend berücksichtigt werden. Als mögliche

Werttreiber für denMarkenwert werden die Größe der Zielgruppe, ihre

Kaufkraft undmöglicheMarkendehnungsfelder genannt.

Die Hinweise zur Marken- und Zielgruppenrelevanz sind grundsätz-

lich sinnvoll und für die Ermittlung eines Markenwerts durchaus

wichtig. Vergleichbare Überlegungen finden sich in dieser aufgefä-

cherten Darstellung im IDW S 5 nicht. Der DIN ISO 10668 gibt für

verhaltenswissenschaftliche Aspekte einer Markenbewertung doch

deutlich mehr Anhaltspunkte. So werden wirtschaftliche Vorteile ei-

ner Markennutzung betont und die Bestimmung von Markenstatus,

Markenstärke und der Einfluss auf die Nachfrage thematisiert.17

Die Erläuterung in den GoM bleibt dabei leider auf einem allgemei-

nen Niveau und stellt in den Vordergrund, dass der Aspekt der Ziel-

gruppe wichtig ist, ohne eine Verbindung zur Markenbewertung her-

zustellen.

5. Bewertung des aktuellen Markenstatusbei den relevanten Zielgruppen

Der fünfte Grundsatz fordert eine Bewertung des aktuellen Marken-

status bei den relevanten Zielgruppen. Dabei sollen folgende Dimen-

sionen berücksichtigt werden:18

– Die mit der Marke in der Vergangenheit erzielten Vermarktungser-

folge gemessen in Schlüsselkennzahlen und auf der Basis von quan-

titativen Marktdaten,

– der Erfolg einer Marke mit der Unterscheidung in eine Offline- und

eine Online-Nutzung,

– die Attraktivität bzw. die Anziehungskraft der Marke zum jetzigen

Zeitpunkt und gegebenenfalls zukünftig für die relevante Zielgrup-

pe bzw. der Stakeholder.

Mit dem Hinweis auf die Attraktivität der Marke zum „jetzigen“ Zeit-

punkt greifen die GoM für den gutachterlichen Bewerter etwas zu

kurz. Relevant für jegliche Bewertung ist der vereinbarte Bewertungs-

stichtag. Er markiert den Zeitpunkt der Erkenntnis, zu dem die Be-

wertung erfolgt. Richtig wäre somit, die Attraktivität der Marke zum

Bewertungsstichtag zu erfassen und ausgehend von diesem Zeitpunkt

Anhaltspunkte für die zukünftige Attraktivität plausibel abzuleiten.

Zu den drei Dimensionen werden verschiedene Erläuterungen gege-

ben. Als typische Schlüsselkennzahlen zum Vermarktungserfolg wer-

den z.B. Wiederkaufrate, Käuferreichweite, Preisindex oder Wachs-

tum genannt. Für Online-Marken sollen andere Schüsselkennzahlen

wie z.B. Traffic auf der Website, Interaktionsrate oder Brand Appeal

verwendet werden. Darüber hinaus wird auch die Messung der Mar-

kenstärke erwähnt, die an „typischen“ Parametern wie Bekanntheit,

Imageattribute, Markenwissen, Einstellung und Loyalität ansetzt. Die

Messung der Markenstärke auf der Grundlage von Primärerhebungen

wird als „das Verfahren der ersten Wahl“ bezeichnet.

Es zeigt sich, dass die GoM eine – wie auch immer durchzuführende

– verhaltenswissenschaftliche Analyse der Marke zwar vorsehen. Wel-

che Analysen das im Einzelnen sein sollen und welche Schwerpunkte

der Bewerter setzen sollte, bleibt allerdings offen. Es werden mögliche

Kriterien genannt, die man für die Messung von Markenstatus, Mar-

kenstärke und Markenrelevanz heranziehen kann. Eine nachvollzieh-

bare Systematik ist hier nicht erkennbar.

6. Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lebensdauerder Marke

Grundsatz sechs betrifft die Analyse der wirtschaftlichen Lebensdauer

einer Marke.19

Die Analyse der Lebensdauer von immateriellen Vermögenswerten ist

eine der wichtigen Fragestellungen einerMarkenbewertung. Bei der Er-

mittlung der wirtschaftlichen Lebensdauer soll zwischen Dach- bzw.

Unternehmensmarken einerseits und Produktmarken andererseits

unterschieden werden. Die Lebensdauer von Dach- bzw. Unterneh-

mensmarken soll auf der Basis einer Wettbewerbsanalyse abgeleitet

werden. Wie das praktisch aussieht und mit welcher Methode vorge-

gangen werden soll, bleibt offen. Die Nutzungsdauer von Produktmar-

ken soll unter der Berücksichtigung von Produktlebenszyklen und

Marktanalysen ermittelt werden. Als mögliche Einflussfaktoren nennt

der BDUPatente, Schutzrechte und behördliche Genehmigungen.

Die Verbindung zu Patenten ist allerdings zu hinterfragen. So mag es

durchaus markierte Produkte geben, deren Lebenszyklus an einem

Schutzrecht hängen. Dabei geht es aber eher um die Frage der Le-

bensdauer von Patenten und Technologien bzw. der Lebensdauer des

markierten Produkts, das von Patentlaufzeiten oder Genehmigungen

abhängen mag. Eine Marke hat aber gerade die Chance, sich von einer

solchen begrenzten Lebensdauer zu lösen. So wird die Marke „Apple“

oder „IPhone“ keineswegs von den zahlreichen Patenten in den Pro-

dukten begrenzt. Vielmehr verschafft die Marke dem Unternehmen

aufgrund der Wahrnehmung beim Konsumenten einen Wettbewerbs-

vorteil, trotz der endlichen Schutzrechte immer wieder erfolgreiche

und neue Apple-Produkte auf den Markt zu bringen.

Nicht thematisiert wird die Frage, ob die Lebensdauer unter der Be-

rücksichtigung der permanenten „Investition“ in die Marke (durch

weitere Marketingmaßnahmen) oder ohne weiteres „Aufladen“ be-

stimmt wird. Beide Annahmen sind grundsätzlich denkbar, führen

aber zu unterschiedlichen Einschätzungen in der Lebensdauer und ei-

ner entsprechenden Abbildung der Cashflows im Bewertungsmodell.

Eine Differenzierung bzw. Klarstellung wäre für das Aufstellen von

„Bewertungsgrundsätzen“ sinnvoll gewesen.

Nicht nachvollziehbar und auch völlig unbegründet ist die Aussage

des BDU, dass der Relaunch einer Marke und damit die Verlängerung

des Produktlebenszyklusses mit mindestens drei bis fünf Mio. Euro

veranschlagt wird. So wird an dieser Stelle weder spezifiziert, für wel-

che Marken (mit welchen Merkmalen gemäß der in den GoM darge-

stellten Kriterien) diese Größenordnung gilt, noch auf welcher Basis

diese Aussage getroffen wird. Gleiches gilt für den Hinweis in den

GoM, dass die durchschnittliche Produktlebensdauer „heutzutage“

mit fünf Jahren angesetzt wird. Solche pauschalen Aussagen entwer-

ten den Anspruch auf eine Anerkennung als Grundsatz erheblich.

Zwar wird in den Erläuterungen eingeräumt, dass die Bestimmung

der Lebensdauer einer Marke je nach Industrie unterschiedlich erfol-

gen kann. Anstelle einer Erläuterung, wovon die Lebensdauer einer

Betriebs-Berater | BB 14.2016 | 4.4.2016 811

Aufsatz | Bilanzrecht und BetriebswirtschaftNestler · BDU-Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung – welcher „Wertbeitrag“ ist für die Bewertungspraxis zu erwarten?

17 S. DIN ISO 10668 (Fn. 3), Abschn. 6.2.18 S. GoM (Fn. 1), S. 15 ff.

19 S. GoM (Fn. 1), S. 18 f.

Page 5: BDU Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung Nestler 2016

Marke nach anerkannten Kriterien abhängt, wird das Beispiel einer

Wort-Bildmarke in der Mineralbrunnenbranche angeführt, bei der

die Nutzung der Marke von den Schüttungsrechten abhänge. Ge-

meint ist mit diesem Beispiel, dass bestimmte Rechte an dem mar-

kierten Produkt möglicherweise die Lebensdauer des Produkts und

damit auch der Marke limitieren können (wie bei dem Beispiel mit

dem Patent). Aus ökonomischer Sicht ist es ja gerade interessant, eine

Marke so zu etablieren, dass sie gegebenenfalls einen Produktlebens-

zyklus überdauert und nachhaltig zu einer kognitiven Wahrnehmung

bei den relevanten Stakeholdern und vor allem zu Cashflows führt.

DIN ISO 10668 ist zum Thema Nutzungsdauer eher zurückhaltend

und sieht vor, dass im Rahmen der kapitalwertorientierten Bewer-

tungsverfahren (denn hier stellt sich primär die Frage der Zeitachse

für die prognostizierten Cashflows) die ökonomische Lebensdauer

von Marken zu analysieren ist. Vergleichbare Hinweise finden sich im

IDW S 5, wonach auf die ökonomische Nutzungsdauer einer Marke

abzustellen ist, die z.B. vom Produktlebenszyklus bestimmt wird.20

Letztlich stellen die beiden etablierten Standards somit auf das öko-

nomische Umfeld der Marke, wie z.B. auf das Verbraucherverhalten

oder den technologischen Wandel der markierten Produkte, ab.

Konkrete oder neue Erkenntnisse über die Bestimmung der Lebens-

dauer von Marken ergeben sich aus den GoM daher im Ergebnis

nicht. Vielmehr werden rechtliche Aspekte angeführt, die gar nicht

unmittelbar in Verbindung mit einer Marke stehen.

7. Prüfung der Zukunftsfähigkeit desGeschäftsmodells der Marke

Die GoM stellen die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells der Mar-

ke als wesentliche Säule der Markenbewertung dar. Sie definieren Zu-

kunftsfähigkeit von Marken „als die Fähigkeit, die Zukunft der Marke

aktiv zu gestalten sowie die Anforderungen und Bedürfnisse der aktu-

ellen und/oder zukünftigen Zielgruppen, Zielbranchen und Ziel-

märkte bedienen zu können.“21

Die Zukunftsfähigkeit der Marke ist dabei nach Auffassung des BDU

insbesondere von den Geschäftsmodellen und der Fähigkeit des Ma-

nagements, sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen, ab-

hängig. Die GoM sehen dabei u.a. vor, dass Organisation und Quali-

tät der Markenführung, wie z.B. Unternehmenskultur, finanzielle

Ausstattung des Markeninhabers und Prozesse im Unternehmen in

die Markenbewertung einzubeziehen sind. Diese Überlegungen kön-

nen berücksichtigt werden, wenn das Potential einer Marke als Wert-

treiber eines Unternehmens aus interner Perspektive und unter

„Going Concern“, d.h. Fortführung der Marke im unveränderten Un-

ternehmenskonzept, analysiert werden soll. Bei zahlreichen Bewer-

tungsanlässen (z.B. bei Schadensersatz) ist es aber nicht vertretbar,

subjektive Kriterien, wie z.B. bestimmte Managementfähigkeiten, in

die Bewertung einzubeziehen. Denn als neutraler Gutachter ist ein

objektivierter Wert zu bestimmen, der aus der Perspektive eines Drit-

ten realisiert werden könnte. Nach der Vorstellung des BDU ließe sich

somit z.B. im Insolvenzfall der Marke kein Wert bemessen. Das Ge-

schäftsmodell ist – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – geschei-

tert. Ein Management steht in der Regel nicht mehr zur Verfügung.

Trotzdem haben Marken aus der Insolvenz heraus oftmals noch einen

Wert. So wurden Marken von insolventen Unternehmen wie z.B.

Grundig oder Knirps an Dritte veräußert.

Im Rahmen des Grundsatzes der „Prüfung der Zukunftsfähigkeit“

wollen die GoM noch das Markenpotenzial und die Markenerosion

berücksichtigt sehen. Zu ergänzen sei dies mit einer Analyse zum „Di-

gitalisierungsgrad“, dem Potenzial dazu und zur „Social Brand“. Völ-

lig unklar ist, wie sich diese Schlagwörter aus dem Marketing in einer

nachvollziehbaren Markenbewertung niederschlagen sollen. Auch ist

fraglich, inwieweit diese Kriterien auf Marken generell anwendbar

sind. So wird es Marken geben, die kein Potenzial für eine „Digital

Fitness“ haben oder für die „Social Brand“ keine Rolle spielt.

8. Bewertung der Marke mittels BarwertermittlungDie GoM unterstellen schließlich im letzten Grundsatz, dass ein Mar-

kenwert mit Hilfe eines kapitalwertorientierten Verfahrens ermittelt

wird. Einem kapitalwertorientierten Verfahren liegt die Annahme zu-

grunde, dass sich der Wert eines immateriellen Vermögenswerts aus

dessen Eigenschaft ableitet, künftige Erfolgsbeiträge in Form von

Cashflows zu erwirtschaften.22

Nach Auffassung der GoM haben sich die kostenorientierten und

marktorientierten Verfahren als nur eingeschränkt praktikabel erwie-

sen. Die kostenorientierten Verfahren werden mit dem Argument als

nicht geeignet abgelehnt, dass gerade wenig erfolgreiche Marken hohe

Kosten erzielen. Folglich ließen sich aus der Höhe der Kosten nicht

die richtigen Rückschlüsse auf den Wert der Marke ziehen.23

Diese Überlegung ist bei klassischen Konsumgüter- bzw. Produktmar-

ken nachvollziehbar und durchaus diskussionswürdig. Die GoM las-

sen mit ihrer Aussage aber unberücksichtigt, dass eine kos-

tenorientierte Perspektive aus dem Reproduktionsgedanken heraus

für bestimmte Marken ein vernünftiger Plausibilitätstest sein kann.

Aus finanzorientierter Perspektive ist die „Make-or-buy“-Analyse ein

sinnvolles Korrektiv bei der Ableitung von Markenwerten. Das gilt

nicht für alle Marken, da es zahlreiche Beispiele gibt, die sich prak-

tisch nicht reproduzieren lassen (z.B. Coca Cola). Es gibt andererseits

aber auch etliche Fälle, bei denen ein Reproduktionsszenario durch-

aus in Betracht kommt. Zu denken ist z.B. an Unternehmensmarken

im B2B-Bereich von mittelständischen Unternehmen, deren haupt-

sächlicher Werttreiber eine Technologie ist und die Marke eine Identi-

fikationsfunktion übernimmt. Eine pauschale Ablehnung der kos-

tenorientierten Verfahren ist daher nicht nachvollziehbar.

Bei den marktorientierten Verfahren nennen die GoM Preis-Pre-

mium-Modelle und Lizenzpreisanalogie-Modelle.

Diese Modelle sind im Grunde Mischverfahren zwischen kapitalwert-

orientierten Modellen und marktorientierten Modellen. Beide Verfah-

ren gelten als äußerst praktikabel und werden für Markenbewertun-

gen regelmäßig herangezogen. Da die Mehrgewinne einer Marke z.B.

bei der Mehrgewinn-Methode direkt am Markt abgelesen werden

können, sind diese Verfahren – anders als die GoM es darstellen – ge-

rade gute Indikatoren für einen Markenwert.

Der IDW S 5 sieht die Anwendung der Methoden etwas differenzier-

ter. Kapitalwertorientierte Methoden sind vorzugsweise anzuwenden,

die kostenorientierten Methoden sind demgegenüber nachrangig.

Marktpreisorientierte Methoden sind nach Einschätzung des IDW

meist nicht anwendbar aufgrund der fehlenden aktiven Märkte.24 Ver-

gleichbar positioniert sich der DIN ISO 10668.25

812 Betriebs-Berater | BB 14.2016 | 4.4.2016

Bilanzrecht und Betriebswirtschaft | AufsatzNestler · BDU-Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung – welcher „Wertbeitrag“ ist für die Bewertungspraxis zu erwarten?

20 S. IDW S 5 (Fn. 2), Tz. 71 ff.21 S. GoM (Fn. 1), S. 20 ff.22 S. IDW S 5 (Fn. 2), Tz. 22.23 S. GoM (Fn. 1), S. 24 f.24 S. IDW S 1 (Fn. 2), Tz. 59 ff., 68, 69.

25 S. DIN ISO 10668, Abschn. 5.1, 5.3 und 5.4.

Page 6: BDU Grundsätze ordnungsgemäßer Markenbewertung Nestler 2016

Schließlich stellen die GoM dar, dass eine Markenbewertung typi-

scherweise in fünf Phasen abläuft:26

– Phase 1: Messung der Markenstärke und Markenrelevanz,

– Phase 2: Isolierung der Markenleistung,

– Phase 3: Ermittlung des Markenertragspotentials,

– Phase 4: Ermittlung der Lebensdauer der Marke,

– Phase 5: Barwertberechnung.

Die Elemente, die in den voranstehenden Grundsätzen genannt wur-

den, finden sich in diesen fünf Phasen sporadisch wieder (z.B. der

sechste Grundsatz zur wirtschaftlichen Lebensdauer), andere werden

gar nicht mehr erwähnt (z.B. Analyse des Bewertungsanlasses, Be-

schreibung der Marke und Markenrechtsschutz). In Phase zwei füh-

ren die GoM aus, dass die Isolierung der Markenleistung durch das

Preis- und Mengenpremium erfasst werden kann. Ein solches Pre-

mium ist aber nur für wenige Markenarten ablesbar. Zudem

widerspricht dies der vorher von den GoM getroffenen Aussage, dass

sich Preis-Premium-Modelle als marktorientierte Verfahren nur ein-

geschränkt als praktikabel erwiesen haben. Die Darstellung in den ge-

nannten fünf Phasen ist insgesamt mit den voranstehenden GoM

nicht konsistent und auch nicht vollständig.

III. Würdigung der GoM aus praktischer Sicht

Die GoM lassen wesentliche Prinzipien, die für die finanzorientierte

Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände generell gelten, au-

ßer Betracht. Hierzu gehören ganz grundsätzliche Aspekte wie Zeit-

punkt der Bewertung/Tag der Erkenntnis, Verwendung von Unterla-

gen, Funktion eines Bewerters und Prüfung der Plausibilität des Be-

wertungsergebnisses.

Die GoM vermitteln den Eindruck, für verschiedene Bewertungsan-

lässe anwendbar zu sein. Ein typischer Anwendungsfall besteht darin,

als neutraler Gutachter einen objektivierten und nachvollziehbaren

Markenwert abzuleiten. Die GoM sind für die Erstellung eines Sach-

verständigengutachtens aber nicht geeignet, da sie in sich nicht

konsistent sind, die Hinweise der GoM z.T. nicht begründet sind und

eher exemplarisch argumentiert wird.

Problematisch ist, dass die Wissenschaft noch keine nachgewiesene

und anerkannte Verbindung zwischen der verhaltenswissenschaftli-

chen und der finanziellen Perspektive entwickelt hat. Zu dieser Frage

hat sich in den USA z.B. das Marketing Accountability Standards

Board (MASB) formiert, das sich u.a. mit diesem Themenkomplex

beschäftigt.27 Diese Lücke können die GoM naturgemäß auch nicht

füllen. Der Praktiker kann sich in den GoM zumindest einige Anre-

gungen holen, wie sich eine Marke beschreiben und kategorisieren

lässt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die GoM vor allem in den

Grundsätzen 4–7 offensichtlich eher auf die klassische Konsumgüter-

marke abzielen. Problematisch für die typischen Gutachtersituationen

sind aber oft die Marken, die eine nur geringe Aufmerksamkeit durch

das Marketing erfahren, wie etwa Unternehmensmarken bzw. die Ver-

wendung von Marken im B2B-Geschäft.

Die Aufstellung von Grundsätzen vermittelt generell den Anspruch

auf Allgemeingültigkeit und ihre Anwendbarkeit in unterschiedlichen

Fällen. Diesem Anspruch werden die GoM nicht gerecht. Für einen

Bewertungsfall lassen sich hier recht gute Anregungen für die Be-

schreibung einer Marke28 und mögliche Aspekte für eine verhaltens-

wissenschaftliche Analyse einer Marke finden.29 Der BDU als Verband

der Unternehmensbewerter hätte hier die Chance gehabt, aus den

Mitgliedsunternehmen heraus die Bedeutung der Marketingperspek-

tive in einer Markenbewertung stärker herauszuarbeiten, die v.a. im

IDW S 5 eher kurz abgehandelt sind. Dabei wäre ein anderes Format,

wie z.B. die Veröffentlichung in Form eines Arbeitspapiers oder eines

Aufsatzes, geeigneter gewesen, als den Anspruch auf Grundsätze zu

erheben. Festzuhalten ist, dass in einem Punkt dem BDU als Verfasser

dieser Grundsätze uneingeschränkt zuzustimmen ist: Das Ergebnis ei-

ner Markenbewertung ist nur so gut wie die ihr zugrunde liegende

Datenbasis und Methodik.30

IV. Zusammenfassung

1. Die GoM werden zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, in dem der

Bedarf an Markenbewertungen, u.a. initiiert durch die internatio-

nalen Vorschriften für Verrechnungspreise von immateriellen Ver-

mögenswerten, stetig zunimmt. Diese Grundsätze wollen die Stan-

dards, die in Deutschland bereits existieren – wie insbesondere den

IDW S 5 des Instituts der Wirtschaftsprüfer und die DIN ISO

Norm 10668 – ergänzen. Die GoM wollen dabei Checkliste sein

und gleichzeitig dokumentieren, welche Arbeitsschritte und Inhalte

ein „Gutachten“ nach diesen Grundsätzen enthält.

2. Die GoM werden den Anforderungen, die an allgemein akzeptierte

Grundsätze zu stellen sind, aus mehreren Gründen nicht gerecht:

Wichtige Grundprinzipien für gutachterliche Bewertungen, wie

z.B. Relevanz des Bewertungsstichtags, Nachvollziehbarkeit des An-

satzes, Dokumentation von Annahmen, werden gar nicht erwähnt.

Die Erläuterungen zu den einzelnen Grundsätzen wirken eher wie

eine exemplarische Zusammenstellung möglicher Anwendungs-

fälle. Wichtige inhaltliche Fragen werden nicht ausgearbeitet. So

beschränkt sich beispielsweise die Ableitung der Lebensdauer einer

Marke auf rechtliche Begrenzungen anderer immaterieller Vermö-

genswerte, wie etwa Patente. Hier stellen IDW S 5 und DIN ISO

10668 ganz klar auf die ökonomische Lebensdauer der Marke ab.

Da den GoM eine überzeugende Systematik abgeht, ist ihre Ver-

wendung als „Checkliste“ ebenfalls fraglich.

3. Damit liegt der Mehrwert der GoM für die Bewertungspraxis eher

darin, sich in einigen Aspekten, z.B. für die Beschreibung einer

Marke, ihrer Funktionen und Relevanz für bestimmte Zielgruppen,

Gedankenanstöße zu holen. Als Grundlage für die Erstellung eines

Gutachtens reichen die Grundsätze des BDU aber bei weitem nicht

aus. Ein Bewerter sollte sich somit für die Durchführung einer

Markenbewertung an den vorliegenden Standards IDW S 5 und

DIN ISO 10668 orientieren.

Dr. Anke Nestler ist öffentlich bestellte und vereidigte

Sachverständige für Unternehmensbewertung sowie für die

Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IHK Frankfurt),

Certified Licensing Professional (CLP), Certified Valuation

Analyst (CVA) und geschäftsführende Gesellschafterin der

VALNES Corporate Finance GmbH in Frankfurt a.M.

Betriebs-Berater | BB 14.2016 | 4.4.2016 813

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26 S. GoM (Fn. 1), S. 24 f.27 S. www.themasb.org.28 Z. B. GoM (Fn. 1), S. 11.29 Z. B. GoM (Fn. 1), S. 16.

30 Vgl. GoM (Fn. 1), S. 25.

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