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\, r ZUR ÖKONOMISCHEN FUNKTION DER HETHITISCHEN TEMPEL * von HORST KLENGEL Die bedeutende Rolle der Tempel 1n der W;irtschaft Mesopotamiens ist bereits einer ganzen Reihe von Arbeiten dal'gestellt worden. Sie ist dokumentiert dUl.'Ch eine Fülle von Texten, die entweder den Tempelarchiven selbst entstammen oder auf ökonomische Aktivitäten der Tempel Bezug nehmen. Zunächst eine eigenständige und Rolle im Wirt- schaftsleben spielend, später dann dem Palast bei-oder untergeordnet, hat sich der mesopotamisohe Tempel während der gesamten Zeit keilschriftlich überlieferter Geschichte seine Stellung als wichtiger Wirtlscbaftsfaktor be- wahrt 1. Was die hethitischen Tempel betrifft, so erlaubt das bisher verfügbare Matefiial nur einen begrenzten Einblick in ihre wirtschaftliche Stellung, ihren Platz in der Sphäre der Produktion und ihre Ro!re als Stätten der Akkumu- lation und Thesaul'ierung 2. Die Ursache dafür muss vor allem, wenn auch * Vortrag, gehalten im Juni 1973 im «Istituto per gli Studi Micenei ed Egeo- Anatolici », Rom. 1 Der «Tempel» war Thema der XX. iRencontre Assyriologique Internationale in Leiden (1972); der ökonomische Aspekt hat auf dieser Tagung jedoch nur geringe Beachtung gefunden. Der vorliegende Beitrag möge daher als eine Ergänzung der Thematik auf einem Teilgebiet betrachtet werden. 2 Dementsprechend ist diese Rolle der hethitischen Tempel in den einschlägigen Darstellungen bislang nur kurz angedeutet worden. O. iR. Gurney (The Hittites, Har- mondsworth 1954, 145) erwähnt die Tempel als Zentren der Zivil- und Wirtschafts- verwaltung in einigen Städten; A. Goetze (Kleinasien, München 1957, 118 und passim) geht etwas ausführlicher auf die ökonomische Funktion der Tempel ein, die er als «Wirtschaftskörper von Belang» bezeichnet und deren Stellung als Stätte der Reich- tumsanhäufung sowie als Besitzer von Land und Herden und Privilegien er hervorhebt. H. Otten (in: H. Schmökel, Kulturgeschichte des Alten Orient, Stuttgart 1966, 165)

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    ZUR ÖKONOMISCHEN FUNKTION DER HETHITISCHEN TEMPEL *

    von HORST KLENGEL

    Die bedeutende Rolle der Tempel 1n der W;irtschaft Mesopotamiens ist bereits ~n einer ganzen Reihe von Arbeiten dal'gestellt worden. Sie ist dokumentiert dUl.'Ch eine Fülle von Texten, die entweder den Tempelarchiven selbst entstammen oder auf ökonomische Aktivitäten der Tempel Bezug nehmen. Zunächst eine eigenständige und determin~erende Rolle im Wirt-schaftsleben spielend, später dann dem Palast bei-oder untergeordnet, hat sich der mesopotamisohe Tempel während der gesamten Zeit keilschriftlich überlieferter Geschichte seine Stellung als wichtiger Wirtlscbaftsfaktor be-wahrt 1.

    Was die hethitischen Tempel betrifft, so erlaubt das bisher verfügbare Matefiial nur einen begrenzten Einblick in ihre wirtschaftliche Stellung, ihren Platz in der Sphäre der Produktion und ihre Ro!re als Stätten der Akkumu-lation und Thesaul'ierung 2. Die Ursache dafür muss vor allem, wenn auch

    * Vortrag, gehalten im Juni 1973 im «Istituto per gli Studi Micenei ed Egeo-Anatolici », Rom.

    1 Der «Tempel» war Thema der XX. iRencontre Assyriologique Internationale in Leiden (1972); der ökonomische Aspekt hat auf dieser Tagung jedoch nur geringe Beachtung gefunden. Der vorliegende Beitrag möge daher als eine Ergänzung der Thematik auf einem Teilgebiet betrachtet werden.

    2 Dementsprechend ist diese Rolle der hethitischen Tempel in den einschlägigen Darstellungen bislang nur kurz angedeutet worden. O. iR. Gurney (The Hittites, Har-mondsworth 1954, 145) erwähnt die Tempel als Zentren der Zivil- und Wirtschafts-verwaltung in einigen Städten; A. Goetze (Kleinasien, München 1957, 118 und passim) geht etwas ausführlicher auf die ökonomische Funktion der Tempel ein, die er als «Wirtschaftskörper von Belang» bezeichnet und deren Stellung als Stätte der Reich-tumsanhäufung sowie als Besitzer von Land und Herden und Privilegien er hervorhebt. H. Otten (in: H. Schmökel, Kulturgeschichte des Alten Orient, Stuttgart 1966, 165)

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    nicht ausschliessilich, im fast völligen Fehlen relevanter Wirtschaftsurkunden gesucht werden, wie sie für die DalJ.1stellung der mesopoüamischen Tempel-wirt'Sdhaft die wesencl.iche Quellengrundllage bilden. Vlrelleicht wurden Vor-gänge die~r Art vorwiegend auf einem ,anderen, vevgänglicheren Schreib-mate1"1a!1notiert oder aher nicht in tJ!attusa verwahrt. Es ist aber auch mög-Hch - und sogar wahrscheinlicher - dass das hethitische W~rtschaftssystem die .fiXiierung der ökonomischen Aktivitäten der Tempel nioht unmittelbar forderte bzw. diese svark einschränkte. Die unzureichende Quellensiruation wäre dann nicht nur ein ZurJjalJ. der überlieferung, sondern unmhtelbail." in der wirtschaftlichen Funktion der Tempel begründet. In diesem Zusammenhang gewinnt das Verhältnis der Tempel rum Herrscher bzw. zum « Palast» Be-deuuung, dem im folgenden besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden soll.

    Dnrer dem Quetllenmaterira!l, das für -eine Darstellung der wirtschaftlichen Stellung der hetmüischen Tempel hel1angezogen werden kann, ist zunächst der archädlogische Befund im engeren Sinne zu nennen, d.h. das nicht..tnschrift-Hehe Zeugnis. Obgleich die 1nschl.1ifdiche Über}ieferung der Hethiter bereits für die Zeit des Anitta von Kussara sowie des Ijattusili 1. Tempel nennt (s. da2lU unren) , stammen die bi'slang ,archädlogisch unter,suchten Tempelbauten säm~1ich aus der Periode des hetmt±schen Grossteichs, d.h. dem 14. und 13. Jiah'tlhunde1"t. Bs handelt -sich dalbei um die Tempel I-V in Bogazköy / Ijatuusa sowie um das Helligrum von YiazilikaY'a, ferner um kleine Kultanlagen im Bereich der Hauptstladt 3. Ausser diesen AnLagen sind b1sher keine Tempel-bauten freigelegt worden, auch wenn ihre Eristenz auf Grund von Textaus-sagen für eine gfam~e Reihe von Orten ljauvsals gesichert angesehen werden darf 4. Sie werden 'alN.erdings die Grösse eines normalen Wohnhauses meistens nicht über,schritten haben 5 und sind, wie vor alJ.em die sogenannten «Bild-beschrdbungen» zeigen, zuweilen nur von einem einzigen Pl'iester betreut

    verweist allgemein auf die Bedeutung der Tempel als Grossgrundbesitzer. Die bislang ausführlichste Darstellung hat das Problem bei E. A. Menabde, Chettskoe obscestvo (Tbilissi 1965) 146 ff., gefunden, doch ist diese Arbeit den meisten Hethitologen aus sprachlichen Gründen nicht zugänglich und im wesentlichen nur durch den kritischen Beitrag von 1. M. Diakonoff, MIO 13 (1967) 313 ff., bekannt.

    3 V gl. dazu vor allem den überblick bei R. Naumann, Die Architektur Kleinasiens (Tübingen 1971) 433 ff. sowie P. Neve, in: K. Bittel, Bogazköy IV (Berlin 1969) 9 ff.; P. Neve, Regenkultanlagen in Bogazköy-lJattusa (Tübingen 1971, = Instanbuler Mittei-lungen, Beiheft 5).

    4 iFür NeSa s. etwa den Anitta-Text KBo 111 22 und Dupl., der Tempel des «Wettergottes des Himmels », Siusummi und tfalmasuitta erwähnt; für SamulJa s. KUB XXXII 133 I 2.5.9 (DINGIR GE6); für Tempel in verschiedenen weiteren Orten s. die « ,Bildbeschreibungen », passim, bei L. Jakob-IRost, MIO 8 (1963) 161 ff., 9 (1963) 175 ff. Zu Nerik vgl. V. Haas, Der Kult von Nerik (Rom 1970) 89.

    5 R. Naumann, Architektur Kleinasiens, 440.

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    Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 18-3

    worden 6. Die l1atsache, dass sich unter der Vieb;ahl von Göttern, den «Tausend Göttern des ijatti-Reiches », die in den hethitischen Texten ge-nannten werden, nur wenige feststellen lassen, für die ein eigenes « Haus» (E) inschriftlich nachgewiesen werden kann, darf gewiss darauf zurückge-führt werden, dass die meisten Gottheiten entweder in der freien Natur oder in Heiligtümern anderer Götter gleichzeitig verehrt wurden. Aus dem kleinen Kreis von Gottheiten, die des öfteren als Inhaber eines «Hauses » erwähnt werden 7, heben sich vor allem die Sonnengöttin von Arinna 8 sowie der Wettergott 9 heraus, als deren zentrales Heiligtum der grosse iDoppeltempel (Tempel 1) in Bogazköy/ijattusa bestimmt werden konnte 10.

    Bei den in ijattusa freigelegten Tempeln sind einige Umstände für unsere Thematik von besonderem Interesse: So wurde festgestellt, dass die Anlage der Tempel der eines Palastes ähnlich ist 11. Wie aus den Texten bekannt, nahm der König in seiner Funktion als oberster Priester in den Tempeln bzw. einem angegliederten balentuwa-Haus Residenz, wenn es die Erfüllung seiner kultischen - und amtlichen - Verpflichtungen erforderte. Der Tempel I war, wie die Ausgrabungen ergeben haben, im Südosten, Südwesten, Nord-westen und Westen von teilweise mehrgeschossigen Mazaginbauten umgeben, die eine Vielzahl - festgestellt wurden bisher 82 - von Räumen enthielten. Allein die Südost-Magazine nahmen eine Fläche von 84 Meter x 17 bis 27,5 Meter ein 12. In diesen Magazinen des Tempels I fanden sich zahlreiche Tontafeln, deren Textinhalt erkennen lässt, dass es sich hierbei um Teile eines Staatsarchivs handelt, nicht um ein Tempelarchiv im mesopotamischen Sinne 13.

    6 J. Jakob-Rost, MIO 8 (1963) 161 ff., 9 (1963) 175 H. Demgegenüber nennen andere Texte - wie etwa KUB XXXVIII 12 - ein umfangreiches kultischen Personal.

    7 E dLelwani vgl. KUB XIII 35+ I 8; E dMezzulla vgl. KBo X 2 I D.II 39 (vgl. KBo X 1 Vs.6.40.44); E dE.A vgl. KUB X 5 VI 9; f: dZA.BA..BA. vgl. KBo IV 9 I 3 und passim, KUB XI 29 II 9.11, KUB XXV 1 I 14. VI 44; E dLAMA vgl. KUB XI 17 lV 7; E dIjalki vgl. KUB XXV 1 I 25, XXVI 9 I 18. Die hier und in den folgenden beiden Anmerkungen genannten Belegstellen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

    8 E dUTU uRuTÜL-na vgl. KSo X 1-3 passim (tIattusiIi.ßiIingue), KUB XXVI 43 Vs. 56 f.; E dUru ohne Orts angabe in KUB X 99 VI 4.15, ~UB XI 17 V 5.16, HT 45 Vs.2.

    9 E dU vgI. KBo IJ 29 Rs. 18, KUB XXI,I 27 I 16.21.26 sowie KBo X 1-3 passim, vgl. auch dU + Ortsnamen; dISKUR vgl. KBo X 2 I 12, KBo XVI 65 I 5.7, KUB X 11 II 15, KUB XI 34 VI 41.44.51, ~UB XII 12 V 22, KUB XII 63 Vs.19 usw., KUB XXII 27 I 11.

    10 K. Bittel, MDOG 101 (1969) 7 H.;P. iNeve, in: Bogazköy IV (1969) 9 H. 11 R. Naumann, Architektur Kleinasiens, 451. 12 P. Neve, in: Bogazköy IV (1969) 11 ff. sowie R. iNaumann, Architektur Klein-

    asiens, 460 und 476 ff. 13 Vgl. H. Otten, Das Altertum 1 (1955) 72 f. sowie sein Referat auf der XX. Ren-

    contre Assyriologique Internationale in Leiden (1972), in dem er die Tempelarchive

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    Der übrige Befund in den Magazingebäuden zeigt den Tempel als zentralen Speicher; es wurde hier offenbar weit mehr an Nahrungsmitteln, Getränken usw. gelagert, als für die unmittelbare kultische Konsumtion notwendig war. Für das Nordwest-Magazin sind 68 Pithoi festgestellt worden, die in doppel-ten Reihen in den Fussboden eingelassen waren und ein Fassungsvermögen von 900 bzw. 1750 Litern aufwiesen. Eingekratzte Zahlen werden von P. Neve als Hinweise auf die jeweils enthaltenen Mengen - nicht auf das Fassungs-vermögen der Gefässe - verstanden, wie sie durch jährliche Abgaben oder Tribudeistungen einkamen 14. In den West-Magazinen befanden sich wohl mehr als 120 Pithoi, während in den Südwest-Magazinen mit mindestens 70 lPithoi zu rechnen ist. Insgesamt ergibt sich daraus ein beträchdiches Ge-samtvolumen, wie es von keinem anderen Tempel des hethitischen Staates erreicht worden sein dürfte 15. Das vom Tempel I mit seinen umliegenden Magazinen durch eine Strasse getrennte «Südareal » mit seinen Magazin-, Wohn- und Arbeitsräumen besass nur einen einzigen Zugang, der einem Tor zum Komplex des Tempels I direkt gegenüberlag. Die Anlage erinnert insge-samt an die ägyptischen «Arbeiterstädte »16, doch kann bislang nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, dass hier ausser dem engeren kultischen Personal auch Handwerker arbeiteten, die vom Tempel nur zeitweilig in Dienst genommen wurden. Auf Grund des Tafelfragments KBo XIX 28, das dort zutage kam, kann der Komplex wohl als ein « Haus der Arbeitsleistung» (E GISKINTI) angesprochen werden. In Vs. 1 werden 205 Bedienstete dieser Einrichtung addiert (SU.NIGIN 2 AfE 5 DUMUB:I.A E GISKINTI), wobei im erhaltenen Teil der Tafel 144 Priester, Sängerinnen, Tontafelschreiber, Holz-tafelschreiber , Seher und hurritische Sänger erwähnt werden 17 Wenn man unterstellt, dass sich auch unter dem übrigen Personal keine Handwerker befunden haben, spräche die Tafel eher gegen die Annahme, dass in diesem « Südareal » auch die für die Instandhaltung des Tempels und seines In-ventars notwendigen Handwerker tätig waren. Der Vermerk in Vs. 4, dass von den 19 Tontafelschreibern 9 nicht « gestellt» bzw. «gegeben» worden

    darstellte. Ein Hinweis darauf, dass es sich bei den Tafeln aus dem Bogazköy-Tempel I nicht um ein ausgesprochenes Tempelarchiv handelt, sondern alle Gattungen vertreten sind, findet sich auch schon bei K. Bittel, Die Ruinen von Bogazköy, der Hauptstadt des Hethiterreiches (Berlin/Leipzig 1937) 68.

    14 P. Neve, in: Bogazköy IV (1969) 14. 15 Wie bekannt, brachen in tIatti des öfteren Hungersnöte aus; s. dazu H. Klengel,

    AoF 1 (1974) 165 ff. Es gibt bislang kein Zeugnis dafür, dass in solchen Fällen der Not vorgebeugt wurde oder diese gemildert werden konnte, indem man Lebensmittel aus den Tempelmagazinen vergab.

    16 K. Bittel, MDOG 101 (1969) 11; R. Naumann, Architektur Kleinasiens, 460. 17 Vgl. dazu schon H. Otten, bei K. Bittel, MDOG 101 (1969) 11 sowie ders.,

    KBo XIX S. V Anm. 6.

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    Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 185

    sind (UL SUM-ir), lässt allerdings darauf schliessen, dass die Zahl der im « Südareal » Beschäftigten nicht konstant war und es sich nicht um ein ständiges Personal - mindestens bei den Tontafelschreibern - handelte. Vielleicht ist dann auch die Zusammensetzung der Berufsgruppen unter-schiedlich gewesen. Von Interesse ist hinsichtlich des archäologischen Be-fundes schliesslich, dass es bei verschiedenen Heiligtümern Umfassungsmauern gab, die offenbar das kostbare kultische Inventar und die Speicher vor äus-seren sowie inneren ,Feinden schützen sollten 18. In den Instruktionen für das Tempelpersonal (KUß XUI 4 und Dupl.) wird von den Umfassungs-mauern gesprochen und auf die Notwendigkeit eines strengen Wach- und Patrouillendienstes hingewiesen 19.

    Was die inschriftlichen Quellen für eine Darstellung der ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel betrifft, so ist zunächst ihre zeitliche Ver-teilung von Belang. Der Umstand, dass - ebenso wie die inschriftliche Ge-samtüberlieferung - die meisten relevanten Nachrichten aus der Zeit des jüngeren tfatti.;Reiches stammen, ist wahrscheinlich nicht allein dem Zufall der überlieferung oder dem -Anwachsen des hethitischen Schrifttums allgemein zu verdanken. IEs ist auch möglich, dass die textlichen Zeugnisse in dem Umfang zunahmen, wie die kultische und ökonomische Bedeutung der Tempel im Rahmen der Entwicklung des hethitischen Reiches wuchs. Dabei war offenbar von der hethitischen Frühzeit an der Bau sowie die Erhaltung der Tempel vorrangige Aufgabe des Herrschers. Bereits Anitta von Kussara ver-weist in seiner Inschrift darauf, dass er in der Stadt Nesa Tempel erbaute und in ihnen offenbar auch Räumlichkeiten zur Aufnahme des Tempelgutes einrichtete 20. In diese Magazine wurden von Anitta Beutestücke verbracht, die er bei seinem voraufgehenden Feldzug gewonnen hatte (Vs. 55 ff.). Bereits in diesem bislang frühesten hethitischen Text erscheint der König als Stifter von Tempeln und Inventar. Die Fürsorge für die Götter und ihre Heiligtümer stellte auch in der nachfolgenden Zeit eine wichtige Aufgabe des Herrschers dar. Ihrer Realisierung verdanken wir die meisten Textzeugnisse, die für die Darstellung unseres Themas herangezogen werden können. Die sich daraus ergebende enge Verbindung zwischen König und Tempel, die Identifizierung von Staat und göttlichem Herrschaftsbereich 21 hat in den

    18 Nachgewiesen in Yazilikaya sowie bei den Bogazköy-Tempeln I und V, anzu-nehmen auch für die übrigen Tempel von tlattusa, s. R. Naumann, Architektur Klein-asiens, 458 ff.

    19 E. H. Sturtevant. lAOS 54 (1934) 380 ff. (KoI. III 7 ff.). 20 KBo III 22 und DupI. (CTH 1), s. zuletzt G.G. Giorgadze, VDI 4/1965,

    87 H. sowie jetzt E. Neu in StBoT 18 (1974). VgI. R. Naumann, Architektur Klein-asiens, 439.

    21 Am klarsten ist diese Vorstellung, derzufolge alles Land und die Menschen dem Gott (hier: dem Wettergott) gehörten, der König ihnen als irdischer Regent

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    Inschriften ihre Widerspiegelung gefunden. Die Schwierigkeit, dabei das Tempelbesitztum gegenüber dem Eigentum des königlichen Palastes abzu-grenzen, beruht weniger auf dem Charakter des Quellenmaterials als vielmehr auf der Situation, die dieses reflektiert.

    Königliche Stiftungen in For.m ·von einmaligen Zuwendungen oder von regelmässigen Einkünften bildeten die wesentliche Grundlage für die Existenz und die Unterhaltung der Tempel; das trifft mindestens für alle jene Heilig-tümer zu, die mehr als eine nur lokale Bedeutung besassen. Für das ältere tJatti .. Reich ist die 1957 entdeckte ,BiHngue des tJattusili I. (KBo X 1-3 und Dupl.) ein aufschlussreiches, wenn auch bislang alJein stehendes Zeugnis. tJattusili I. berichtet, dass er aus den von ihm eroberten nordsyrischen Orten Beute nach tJattusa sandte. Im Text werden dabei die Götterstatuen und Kult-gerätschaften aus wertvollem Material, die der Sonnengöttin von Arinna sowie den Tempeln des Wettergottes und der Mezzulla überwiesen wurden, gegen-über der an «tJattusa» und sein eigenes «Haus» 22 gegebenen Beute be-sonders hervorgehoben 23. Dass die Tempel von tJattusa bereits zur Zeit des tJattusili I. nicht allein Stätten der Thesaurierung, sondern auch einen Wirt-schaftsorganismus darstellten, lässt sich aus dem iPassus folgern, wonach den Tempeln Arbeitskräfte zugewiesen wurden: Aus dem nordsyrischen tJabbu wurden Sklavinnen, die am Mühlstein (NA4ARA.) gearbeitet hatten, sowie Sklaven ,« befreit » und der Sonnengöttin von Arinna als Arbeitskräfte zuge-teilt 24. Die zuerst für tJattuSili I. nachweisbare übersendung von Götter-statuen aus eroberten Gebieten nach tJattusa bedeutete offenbar eine über-nahme der entsprechenden Kulte; die Bindung dieser Bereiche an tJatti erfolgte

    diente, in I&T I 30 ausgedrückt; vgl. dazu A. Goetze, ]CS 1 (1947) 90 f. und H. G. Güterbock, lAOS Suppl. 15 (1954) 16 (CTH 821). Bei A. Goetze, Kleinasien, 88 Anm. 2 iDruckfehler IBoT I 20. Zur Frage der Identität von Tempel- und Staats-land s. E. A. Menabde, Chettskoe obscestvo, 146 H.

    22 ,Beute nach IJattusa s. KBo X 2 III 8-10, vgl. KBo X 1 Vs. 36 (IJattusili-Bilingue). Die nachfolgend aufgeführten Stiftungen an die Sonnengöttin von Arinna sind in diese wohl mit eingeschlossen, nicht aber notwendigerweise mit ihr identisch. KSo X 1 Vs. 10 spricht von einem Auffüllen des « Hauses» mit Schätzen, worunter wir nach hethit. Uo X 2 I 20 f. ('E-ir-mi-it a-as-sa-u-i-it sa-ra-a su-un-na-aIJ-IJu-un) das «Haus» des Königs, d. h. den Palast, verstehen dürfen.

    23 Es handelt sich dabei um .Beute aus Zalpa(r), UllumjUlma, Sanabut (Sanabuitta), IJassu(wa), ZipisnajZippasna und IJahlJu. Es war offenbar das erste Mal, dass den Hethitern so zahlreiche Gegenstände aus Gold und Silber in die Hände fielen; im kleinasiatischen Bereich selbst stellte Vieh die hauptsächliche Beute dar.

    24 ~KBo X 1 Rs. 11-14 (akkad.), KBo X 2 III 15-20 (hethit.). Vgl. dazu die über-setzung bei H. Otten, MDOG 91 (1958) 73 ff. sowie F. Imparati, Studi Classici e OrientaU 13 (1964) n und Cl. Saporetti, ebenda 14 (1965) 82. Die Arbeiterinnen aus Hahhu sind vielleicht auch im neuen Dienstverhältnis wieder als Müllerinnen (SALMES

    uu

    NA4ARA) verwendet worden, vgl. etwa die Gebete des Mudili II. bei O. R. Gurney, AAA 27 (1940) 27 und 33.

  • Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 187

    somit nicht nur auf der militärisch-politischen, sondern auch der kultischen Ebene 25. Zugleich entwickelten sich damit die Tempel von lJattusa zu zentra-len Heiligtümern eines Reiches.

    Nach einer längeren Periode, aus der keine Nachrichten über Stiftungen an Tempel vorliegen, bietet das Gebet des Königspaars ArnuwandaJ Asmunikal betreffend Gewalttaten der Kaskäer 26 Angaben über Privilegien, R.eichtum und

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    und zwar abgabenfrei 32. Besonderen Anteil nahm an Stiftungen für die Tempel Puduuepa; sie begründete ihre Schenkungen zum Teil durch Träume, in denen sie göttliche Anweisungen für Opfer und Stiftungen empfangen h8.be 33. Diese Anweisungen waren teilweise sehr detailliert: In KUB XV 1 wird in einem mit d'{je-pat uRuU_da_a überschriebenen Abschnitt u.a. die Forderung gestellt, in :ijatti ein bestimmtes Getränk (zizzaqi) herzusteJJ.en, aus dem nord-syrischen Mukis dagegen Wein zu liefern 34. Von derselben Königin ist das bislang umfangreichste Gelübde erhalten, von dem 50 Tafelfragmente bis jetzt bekanntgeworden sind. Es richtet sich an die Göttin Lelwani, eine Göttin von Samuha wie die von Hattusili ILI. besonders verehrte IStar - und möglicher;eise sogar mit ih; identisch 35. Ein Tempel der Lelwani ist durch KUB XIII 35 + I 8 bezeugt, doch wurden alle zugehörigen Tafelfragmente bisher in den Ostmagazinen des Tempels I, d.h. des Heiligtums für den Wet-tergott und die Sonnengöttin von Arinna (bzw. :ijepat) und Zentraltempels des Reiches, gefunden 36. Das Gelübde erfolgte, damit die Göttin Lelwani den :ijattusili « lange bei Leben und Gesundheit» erhalte (KoI. I 3 f.). Es bezieht sich auf wertvolle Kultgegenstände, auf Vieh sowie vor allem auf komplette « Häuser» mit Arbeitspersonal. Der Text vermittelt den bislang besten Ein-blick in die wirtschaftliche Stellung der Tempel dieser Zeit 37.

    Eine Stiftung für die Götter, und zwar im Ort Tanipija, wird im Illujanka-Mythos überliefert 38. Es handelt sich dabei um Feld, Weingarten, «Häuser », lDreschplatz und Gesinde '(SAG.GiEME.lR[MES]). Möglicher-weise steht auch das undatierte Textfragment KBo XVI 65 (CTH 233, 4) mit einem Gelübde des Königspaares in einem Zusammenhang (s. dazu unten).

    Wie die hier herangezogenen Texte zeigen, erfolgten Stiftungen seitens des Königs hzw. der Königin für bereits gezeigte oder für erwartete göttliche Gunst, ferner bei besonderen kultischen Anlässen. Man darf annehmen, dass auch Privatpersonen und hohe Beamte gelegentlich Stiftungen für bestimmte

    32 A. Goetze, ljattusilis (= MV AG 29, 1925) KoI. IV 36 H. und 66 ff. 33 E. Laroche, CTH 584. Zu KUB XV 11 kann wahrscheinlich unv. Bo 5454 gestellt

    werden (demnächst KUB XLVIII 118). 34 VgI. dazu E. Laroche, CTH 584 und Syria 40 (1963) 288 ff. 35 Vgl. A. Goetze, ANEP 393 Anm. und H . Otten - VI. Soucek, StBoT 1 (1965) 36. 36 H. Otten - VI. Soucek, StBoT 1 (1965) 4. In den sogenannten Bildbeschreibungen

    (,L. Jakob4Rost, MIO 8, 161 H. und 9, 175 ff.) wird eine Kultstatue der Le1wani nicht erwähnt. Der Beleg für ein Heiligtum der Göttin Lelwani KUB XIII 35 + XXIII 80+ KBo XVI 62 KoI. I 8 stellt ein Gerichtsprotokoll dar (s. R. Werner, StBoT 4, 1967,4 f.), wobei der Tempel als Ort der von der Königin Pudubepa (vgI. E. Laroche, RA 43, 1949, 46 Anm. 2) vorgeschlagenen Eidesleistung erscheint.

    37 H. Otten - VI. Soucek, StBoT 1 (1965) 2. 38 KBo LII 7 IV 22, s. dazu K. K. Riemschneider, MIO 6 (1958) 376; E. Laroche,

    RHA 77 (1965) 72 sowie jetzt G. G. Giorgadze, Ocerki po social'no-ekonomitesko; istorii chettskogo gosudarstva (Tbilissi 1973) 177.

  • Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 189

    Gottheiten bzw. Tempel machten 39. Höhepunkte im kultischen Leben - und zugleich der kultischen iKonsumtion - stellten die Feste dar; allein für ijat-tusa werden einmal als Minimum 18 regelmässige Feste erwähnt 40. Sie wurden nicht allein vom König ausgerichtet, sondern von einem weiteren Personen-kreis: In den ,« Bildbeschreibungen » werden als [,eute, die für die verschie-denen Gottheiten Feste ausrichteten, neben dem Königshaus die Bewohner bestimmter Städte, «-Leute des Palastes» und« Untergebene» bestimmter Personen genannt 41, und in den Instruktionen für das Tempelpersonal wird gefordert, man soLle denen, die Feste auszurichten hatten, keinesfalls einen Terminaufschub gewähren 42. Hs ist interessant, dass auch diese Anweisung vom König gegeben wurde. Den Charakter von Opfergaben trugen zum Teil auch die Abgaben, die an Götter bzw. Tempel entrichtet wurden oder wenigstens als solche deklariert worden sind. tBereits A. Goetze 43 hat darauf hingewiesen, dass es in ijatti offenbar eine allgemeine Abgabe an die Sonnen-göttin von Arinna gab, die vor allem aus Schafen bestand. Diese Abgabe, deren Einrichtung vielleicht in die frühhethitische Zeit zurückreicht, wurde von den jeweiligen lokalen Tempeln eingezogen. Diese fungierten hierbei als Zentren der staatlichen Verwaltung, und die allgmeine Abgabe an die Sonnen-göttin kann möglicherweise als eine Umschreibung der an den Staat bzw. den Grosskönig zu entrichtenden Naturalsteuer bezeichnet werden; dass sie bei Freibriefen ausgenommen wurde, würde sich in dieses Verständnis der Abgabe gut einfügen 44. ijattusili II!. fixierte die in Naturalien an den Tempel des Wettergottes zu entrichtenden Abgaben der Städte ijakmis, ijawarkina und ijattina; genannt werden Brote in zahlreichen Sorten, Weizen, Gerste, Malz, Bohnen, Getränke, Rinder, Schafe und Fische. Verantwortlich für das

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    !

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    Länder, von Fala und Tumana gegenüber der Htar von Samuba neu, wobei der 'Passus '« und welche ,Abgabe ich von ihnen beanspruche, die werden sie für die Htar von Samuba bereithalten» J(lKol.LLI 6-8), besonderes Interesse verdient: Es war der König, d.h. die königliche, auf seiner Stellung als oberstem Grundherrn basierende Souveränität, die zur Abgabenleistung zwang. Diese Abgaben wurden dann vom König auf bestimmte Gottheiten quasi « umgeschrieben ». Die Götter bzw. ihre Tempel oder Statuen wurden prak-tisch Nutzniesser der ,Produktion bestimmter Gebiete oder Orte sowie auch einzelner ,« Häuser» ,( s. dazu unten); sie wurden vom König versorgt wie auch seine Gefolgsleute. Unter den im ArnuwandajAsmunikal-Gebet erwähn-ten Ländern als Spender u.a. von «Tributen» I( ar-ga-ma-na-a1-sa) 47 dürfte es sich gleichfalls um - als Opfer gedachte - Abgaben an die lokalen bzw. zentralen Tempel handeln. Wenn dabei besonders die Sonnengöttin von Arinna genannt wird ,(bzw. ihr Tempel in IJattusa), so ist damit gewiss die allgemeine Abgabe an den Herrscher bzw. der dem Staat schuldige Tribut gemeint. Eine Aufgliederung dieser Abgabe ·(Sabban) an die Götter erfolgt in der Sabu-runuwa~Urkunde (KUB :XXV;I 43 aII 28-30), wobei es sich um Produkte der Viehzucht handelt 48. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Erwähnung eines Tributes des Königs von Alasija I(Zypern) in KlBo XII 38 49, der als Tribut an die 'Sonnengöttin von Arinna und ihren - im Text auch als solchen bezeichneten - Priester, den Tabarna/Grosskönig, erwähnt wird. Gleichermassen wurden Gold, Kupfer sowie ein Kornprodukn(?) so an den Wettergott von Zippalanda, den Wettergott von IJatti sowie den Wettergott von Nerik entrichtet. Wie es scheint, handelt es sich auch hier um die Auf-schlüsselung einer an den Grosskönig bzw. den Staat gezahlten Abgabe auf einzelne Gottheiten, womit jedoch - im Hinblick auf das Verhältnis des Königs zu den Tempeln - diese Abgaben innerhalb dessen verblieben, was wir als den unmittelbar « staatlichen Bereich» S1 der hethitischen Wirtschaft bezeichnen können 52.

    Wurden die Tempel bisher als Empfänger von Stiftungen, Opfern bzw. Abgaben dargestellt, so bleibt zu fragen, ob man von einer hethitischen « Tempelwirtschaft » sprechen darf bzw. inwieweit die hethitischen Tempel

    ~' 47 R von Schuler, Die Kaskäer, 155 (Z. 9), vgl. 159 (Z. 17). 48 Zur Stelle s. A. Goetze, MV AG 34,2 (1930) 56. 49 Kol. I 10 ff., vgl. dazu H. ütten, MDOG 94 (1963) 13 ff. sowie H. G. Güterbock,

    JNES 26 (1967) 73 ff., ferner auch E. Laroche, CfH 121. so Zu gajatum s. W. von Soden, bei H. ütten, MDOG 94 (1963) 15 Anm. 51,

    ferner CAD G (1956) 11. 51 Vgl. I. M. Diakonoff, MIO 13 (1967) 339 ff. 52 Es ist vielleicht bemerkenswert, dass für die Tribute syrischer Fürsten an tIatti

    (vgl. vor allem die Ugarit-Verträge) eine solche Aufschlüsse!ung nicht überliefert ist, sondern die Empfänger mit Königshaus und Würdenträgern genau verzeichnet sind.

  • Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 191 ----------------

    als besondere Wirtschaftseinheiten charakterisiert werden können. Liess sich bereits schwer abgrenzen, was als eigentlich staatliche und was als speziell für die Götter gedachte Abgabe erklärt werden darf, so zeigt es sich nicht weniger schwierig, zwischen einer generalisierenden, mit einer ,« religösen Propaganda» verbundenen Bezeichnung als Besitztum eines bzw. mehrerer Götter und seiner direkten Zugehörigkeit von Il.and, Vieh usw. zu einem Tempel als Wirtschaftseinheit zu unterscheiden. Ihre Ursprünge und ihre Existenz verdankte die '« Tempelwirtschaft » gewiss in erster Il.inie königli-schen Stiftungen bzw. der königlichen Sanktion hereits fixierter Einkünfte. Eigene Aktivitäten der Tempel, die auf eine Schaffung oder Erweiterung der Tempelwirtschaft abgezielt hätten, sind bislang nicht bekannt. Die eingehenden Erzeugnisse der agrarischen Produktion und der Viehzucht gingen einerseits in die regelmässige kultische Konsumtion ein oder wurden -- sofern das der Charakter der Naturalien gestattete -- gespeichert. Die Umsetzung dieser Produkte in ein dauerhaftes, haltbares Äquivalent ist aus den bisher verfüg-baren Quellen ebensowenig bekannt wie etwa eine Beteiligung von Tempeln an Geldgeschäften. Die Ursache dafür dürfte darin zu suchen sein, dass im Bereich des hethitischen Kernlandes in Anatolien -- im Gegensatz zu Meso-potamien -- die Ware-Geld-Beziehungen noch ungenügend entwickelt waren 53.

    Was die Viehzucht betrifft, jenen Produktionszweig, der in Kleinasien auf Grund der natürlichen Bedingungen besondere Bedeutung besass, so lassen einige iBelege erkennen, dass die Tempel über eigene Viehherden ver-fügtetl. Dabei dürfte es sich einerseits um Tiere handeln, die als nicht un-mittelbar konsumierte Opfertiere auf die Weiden gebracht und dort von Hirten der Tempel betreut wurden, bis die Versorgung der Götter ihre Opferung verlangte. Zum anderen besassen die den Tempeln zugewiesenen « Häuser» eine Anzahl von Tieren, die auch zum Unterhalt der Arbeits-kräfte dieser Einheiten dienten. Die Instruktion iKjUiB XIII 4 zeigt, dass das dem Tempel gehörende Vieh, Kühe und Schafe, rechtzeitig von den Weiden gebracht werden sollte, wenn ihre Opferung 1m Tempel notwendig wurde. Im gleichen Text werden Unterschleife der Hirten des Tempelviehs zu Kapital-verbrechen erklärt 54. Im Gebet des Arnuwanda und der Asmunikal gelobt das Königspaar Rinder und Schafe und erwähnt, dass die Kaskäer Opfertiere -- wie Stiere, Kühe, Schafe und Ziegen -- fortgetrieben hätten 55. Im Ge-lübde der Pudugepa werden grössere Zahlen von Schafen genannt, wobei die

    .53 Dem wird auch nicht dadurch widersprochen, dass in der Hethitischen Rechts-sammlung Silber als Verrechnungsgrundlage erscheint. Die altassyrischen Handelsnieder-lassungen haben offenbar die weitere Entwicklung der anatolischen Wirtschaft kaum nachhaltig beeinflusst.

    54 KUB XIII 4 I 39.1V 34.56 ff., vgl. E. H. Sturtevant, JAOS 54 (1934) 368 ff. 55 E. von Schuler, Die Kaskäer, 154 ff.

  • 192 Horst Klengel

    Addition 87 Tiere - sowie 11 Ziegenböcke - ergibt 56. Dieses Vieh wurde seitens des (palastes der Göttin Lelwani überwiesen (KoI. I 47). Die Lieferung der Schafe an Tempel konnte vom Palast auch auf bestimmte «Häuser» vedagert werden, wie es für die Zeit des IJattusili IH. bezeugt ist. Abgaben in .Form von Vieh werden in den Texten des öfteren· erwähnt, wobei auch hier nicht immer an eine unmittelbare Opferung der Tiere zu denken ist 57.

    'Eine Reihe von Belegen deuten an, dass die Tempel über umfangreiche Ländereien verfügten, ohne dass in jedem Falle klar ersichtlich ist, auf welcher Grundlage diese Verfügungsgewalt beruhte . .so nennt die Instruktion für das Tempelpersonal die Erstfrucht, produziert von «euren ,( d.h. der Götter) Bauern» (sumäs LUMBS hI>.IN.iLAL, ,KoI. I,V 3), und im folgenden Abschnitt ist von der Bestellung von « Gottesfeld » (,A.SA. DINGIRLlM ) die Rede ,(KoI. IIV 12 H.), sodann von Pflugochsen des« Dreschplatzes» (SA K.ISfjLAH] GUD . .A!BIN.L.A[}JI.\ KoI. IV 25). Unter letzteren Arbeitstieren

    v

    könnte man vielleicht solche verstehen, die einer bestimmten, aus mehreren « Häusern » bestehenden Einheit zugewiesen worden waren, die über einen gemeinsamen Dreschplatz verfügte. Im Gebet des Arnuwanda und der Asmu-nikal wird betont, dass die Kaskäer « eure -( d.h. der Götter) Feldfluren » (A.SA. A.GAlRur.A-K[U-NU, Rs. In 9) sowie die Weingärten der Götter auf-geteilt hätten; in KoI. Irr 6 werden Bauern unter dem Tempelpersonal ge-nannt 58. -In einem Gebet des MursiJi rr. an die Sonnengöttin von Arinna (CTH 376) wird geklagt, dass die heiligen IFelder durch den Tod der Bauern an der 'Pest nunmehr veröden würden 59. LEin anderer Text Mursilis Il. er-wähnt in einer Anrede an den Gott Telipinu dessen Felder, Weinberge, Gärten und Haine sowie das entsprechende Arbeitspersonal 60 • Der bisher deutlichste Hinweis auf die Existenz von ,Feldern und Weinbergen der Götter findet sich im ,Illujanka-Mythos. Der König stiftete Land und Arbeitspersonal im Ort Tanipija, und zwar ·6 kapunu Feld, 1 kapunu Weinberg, ferner Haus und Dreschplatz sowie 3 ,« Häuser» ,( mit) Gesinde 61. Wenn wir mit V. Haas annehmen, dass ein kapunu mindestens 10 Hektar bezeichnet 62, kämen wir

    56 H. Otten - VI. Soucek, StBoT 1 (1965) 38. 57 A. Goetze, Neue Bruchstücke (MV AG 34/2, 1930) 51. Zu Schafherden von

    Gottheiten vgl. V. Haas, Der Kult von Nerik, 23 Anm. 1 sowie S. 64 (Herden der Göttinnen ijulla und Mezzulla).

    58 E. von Schuler, Die Kafkäer, 158 f. 59 O. R. Gurney, AAA 27 (1940) 27. 60 O. R. Gurney, ebenda 33 und 35. 61 KBo III 7 IV 22-25, s. dazu K.K. Riemschneider, MIO 6 (1958) 376 sowie

    (Transliteration) E. Laroche, RHA 77 (1965) 72. 62 V. Haas, Der Kult von Nerik, 21 Anm. 2, vgl. auch 1. M. Diakonoff, MIO 13

    (1967) 343 Anm. 77. V. Haas gelangt zu dieser Berechnung, da die grösste Zahl von Iku, die in den Landschenkungsurkunden (= LS) genannt wird, 28 ist (LS 1 Rs. 20 und 43).

  • Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 193

    hier zu einer Stiftung ven wenigstens 60 Hektar Feld und 10 Hektar Wein-garten, pro. ,« Haus» dann 20 Hektar Feld im Durchschnitt.

    Wir gelangen damit zu einer Frage, die in der hethitischen Wirtschaft generell eine besendere Bedeutung besessen hat, die der Arbeitskräfte. Das kultische Persenal selbst kann hier nicht Gegenstand der Darstellung sein; es erferdert eine eigene Untersuchung, zudem ist es im gegebenen Zusam-menhang nur als Kensument ven Belang. Es muss zahlenmässig sehr umfang-reich gewesen sein, da allein für den Ort Karabna eine Zahl ven 775 Personen überliefert ist 63. Dass kultisches Persenal über eigene «Häuser» verfügte, die ihm den Unterhalt sicherten, wird nicht nur durch die Instruktien ,~UB XUI 4 deutlich, wo. mehrfach « Häuser» des TempeLpersenals mit Frauen, Kindern und Sklaven erwähnt werden ,( iKel. I 50 H., m 32 H., I:I.I 15 f.), sendern ver allem aus K!UB XLII 86 und 87. Es handelt sich dabei um zwei Textfragmente, die die aus den Häusern bestimmter Kultfunktienäre gelieferten Opfer für Feste in Gestalt ven Vieh und Naturalien netieren 64. Zum kuhischen Persenal im weiteren Sinne gehörten auch die unmittelbar in der preduktiven Sphäre tätigen Bauern, Hirten und Handwerker des Tempels. Bei Stiftungen wurden intakte Wirtschaftseinheiten den Tempeln zugesprechen 65. Die natür-liche ,Fluktuatien innerhalb des Persenals, verstärkt durch die Flucht ven Arbeitskräften, zwang die königliche Verwaltung dann dazu, auch Einzel-persenen bestimmten « Häusern» zuzuweisen, um deren Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Die bislang klarste Verstellung ven der Überweisung ven Arbeits-persenal an die Tempel vermittelt das Gelübde der Königin Pudubepa an die Göttin Lelwani 66. Es handelt sich hier um insgesamt 9 Wirtschaften bzw. « Häuser» ven jeweils 4 bis 8 Persenen, die in der Additien als 50 NAM.RA-Leute bezeichnet werden. Unter diesen finden sich zwei Kriegsgefangene, die sehen zuver im Dienst des Tempels gestanden hatten und nunmehr den

    Als Untereinheit eines kapunu ist die in den LS bislang höchste Zahl an Iku 20 (LS 3 Vs. 6 f, und 24); möglicherweise muss für ein kapunu daher auch mit einer etwas nied-rigeren Grösse als 10 Hektar gerechnet werden.

    63 Jru.B :XXXVIII 12 IV 16' (Kolophon), vgI. M. Darga, RHA 84/5 (1969) 5 f. 64 Genannt werden folgende Kultfunktionäre bzw. Würdenträger: L0!Ja-me-na-as

    (

  • 194 Horst Klenge!

    « Häusern» zweier Frauen, Abbä und Mamma, zugeteilt wurden 67. Sie wurden jetzt also nur umgesetzt, in eine neue W,irtschaftseinheit eingefügt mit dem Ziel, deren Arbeitsfähigkeit zu sichern. An Arbeitskräften wurden weiterhin einzelne Personen übergeben, die aus Kriegsbeute ·stammten und von den Feldherren dem Palast zugesandt worden waren; sie wurden offenbar nicht sogleich auf einzelne Häuser verteilt. Bei diesen handelt es sich um mobile Einheiten in unterschiedlicher Zusammensetzung; mit iFamilien waren diese Einheiten nichta priori identisch 68. Um die Stiftung von Feld und Wald sowie Arbeitspersonal handelt es ,sich im kleinen Fragment ~o XiIX 32, dessen Inhalt an das ,Pudubepa-Gelübde erinnert ff}. Ein etwas klareres Zeugnis bietet sich in iK1Bo XVI 65 dar, einer Tafel, die nach Ausweis des noch erhal-tenen Kolophons die Angelegenheiten von vier Ortschaften behandelt. über-liefert ist ein Teil der ersten Kolumne; sie nennt zunächst 5 Männer und 3 Frauen, die Bewohner des Ortes Kapatta waren und von einzelnen, mit Namen .genannten Personen, zu deren « Häusern» sie zuvor offenbar gehörten, fortgenommen wurden '10. Sie wurden aJs Weingärtner dem Tempel des Wetter-gottes in ij:asbatatta überstellt 71. Im folgenden Abschnitt werden dann 6 Häuser erwähnt, die zum Ort Kuluppa gehörten und nunmehr im Tempel des Wettergottes in ij:asbatatta für kostbares Kultinventar zuständig waren 72. Nach Z. 12~14 wurden zwei Iku (= etwa 7200 m2 ) Weinberg von zwei Personen genommen, offenbar ebenfalls zum Zwecke einer religiösen Stiftung.

    IBereits die Notiz über die Zuweisung von Arbeitskräften an die Sonnen-göttin von Arinna, die sich in der ij:attusili-Bilingue .KBo X 1-3 findet, zeigte an, dass es sich bei diesem Personal nicht notwendigerweise um Sklaven handelte 73. Im Gelübde der Pudubepa werden die Angehörigen der einzelnen

    67 Vgl. dazu die Bemerkungen in StBoT 1, 43 f. Anm. 3. Es ist anzunehmen, dass sich in den «Häusern» gelegentlich auch Handwerker befanden, vgl. etwa KBo XII 53+ sowie die Landschenkungsurkunde ~o V 7 Rs. 41.

    68 Zu den «Häusern» und ihrer inneren Struktur s. jetzt G. G. Giorgadze, Ocerki ... , 9 ff.

    ff} Vgl. H. Otten, KBo XIX, Inhaltsübersicht. Das .Fragment erwähnt in Z. 11' einen Kriegsgefangenen (LüSU.DIB).

    '10 Die Bezeichnung als «liste de famille» in CTH 233 scheint dem Inhalt nicht ganz gerecht zu werden. Kapatta ist vielleicht mit dem Kapitt[a in KBo XII 52 Ir? 2' und dem Kipitta in KBo XII 53 Vs. 16 gleichzusetzen. Stifter ist möglicherweise das Königspaar.

    71 Z. 5 f.: ki-e LUMBS URUKa-ap-pa-at-ta A-NA ~ dIS [KUR] / I-NA URVIja-as-!Ja-ta-at-ta LUMBsNU.GIS.SAIR.GESTIN. Im Kolophon IV 5' erscheint letzterer GN als lJasbatetta.

    72 Genannt werden ein goldnes und ein silbernes Gefäss sowie ein mit Gold und Silber eingefasstes arimma. Wie das Prädikat Anfang Z. 11' ergänzt werden darf, ist unsicher; das nach der Kopie mögliche [uH-ka-an-zi ergibt kaum einen Sinn.

    73 G. G. Giorgadze, Ocerki ... , 86, möchte in ihnen NAM,RA sehen, obgleich der Terminus (noch) nicht verwendet wird.

  • Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 195

    « Häuser» als NAM .. RA. zusammengefasst. NAM.RA-Leute als Tempelper-sona! im weiteren Sinne werden auch in ~UB XXXV~U 12 II 12 H. genannt, und zwar bei dem Tempel des "LAMA von Karagna sowie dem Sonnengöttin / Wettergott-Heiligtum in tJattusa. 2 « Häuser» zu jeweils 10 NAM.RA gehör-ten, wie die überprüfung feststellte, «von altersher » (an-na-al-liS-si) zum Tempel der beiden Hauptgottheiten tJattis, zu denen nunmehr - gestiftet vom GM.. LiIDUB'sAR.GIS, dem Oberholztafelschreiber - noch ein ·« Haus» mit 1,2 NAM.RA kam 74. Der Verweis auf ältere Stiftungen von « Häusern» mit NAM.RALeuten findet sich auch in KBo XII 53 + unv. VIAT 7461 + unv. V.AT 13028 75 • Der erhaltene Text umfasst etwa zwei Drittel der Tafel; er lässt erkennen, dass in mehreren Orten des tJatti-Staates durch den Gross-könig für verschiedene Gottheiten Häuser, Vieh, Saatgetreide, Dreschplätze und Gerätschaften bestimmt wurden nebst dem notwendigen Arbeitspersonal in Form von iNlA!M.RIA~Leuten, und zwar fast durchweg 10 NAM.RA je Haus. Dass diese Zahl als die durchschnittlich notwendige Zahl von NAM.,RA-Leuten pro Wirtschaftseinheit betrachtet wurde, erhellt auch aus KBo XII 52: Die « Häuser» zu jeweils 10 NAM . .:RAJ.,euten gehören hier zu verschiedenen Orten, und als Herdenvieh je « Haus» werden jeweils 50 Schafe erwähnt 76. In KBo XH 53+ werden in drei Additionen auf der Vorderseite der Tafel 80« Häuser» mit insgesamt 710 NAMIRA-Leuten genannt. Alles in allem waren auf der Tafel wohl ungefähr 150 ,« Häuser» mit etwa 1500 NAM,RA notiert worden. Hinzu kommen mindestens 132 .Rinder, 940 Schafe und 100 Ziegen. :Dieses ,Personal sowie das Vieh befanden sich zuvor in der Hand verschiedenerJ>ersonen, vor allem des Königs von Tum(m)a.na. Die NAM.RA-Leute werden durch Hinweise auf ihre frühere Tätigkeit bzw. Stellung charak-terisiert, wie etwa Rinderhirten (LUMBSSIIPAD.GUD, Vs. 24'), Pferdehirten (ILUMBSSIPAiD.AiNSE.,KUR..RA, Vs. 37'), Weber des Königs (U}MBSUS.BAR SA LUGAL, Vs. 34'), «Priester von altersher » (iNlAM .. RAMBS L"OSANGA

    74 VgI. die in CTH 517 genannte iLiteratur sowie H. Otten- VI. Soucek, StBoT 1 (1965) 42 f.; Rs. UI 4 f. erwähnt die Stiftung eines « Hauses» mit 7 NAMJRA durch diesen Würdenträger, wobei aber dieses .« Haus» vom « Palast der Majestät» gegeben wurde.

    7S Die VATJNummem sind zitiert bei H. Otten- VI. Soucek, StBoT 1 (1965) 43 und 48. Eine Bearbeitung dieses wichtigen Textes wird seit langem von VI. Soucek vorbereitet. Ohne ihr vorgreifen zu wollen, muss dieser Text hier wegen seiner interessan-ten Aussagen mit herangezogen werden. Für die freundliche Genehmigung, diese VAT-Fragmente hier zu verwenden, sei dem Vorderasiatischen Museum an dieser Stelle gedankt. Sie werden demnächst als KUB XLVIII 105 ediert.

    76 Die Rs., soweit erhalten, nennt Rinder und Schafe als Opfergaben für die Götter. Gruppen von jeweils 10 NAM.RA werden auch in KUß XXVI 54 genannt; sie sind nach Qualifikation oder Herkunft zusammengestellt. VgI. F. Sommer - A. Falkenstein, Die hethitisch-akkadische Bilingue des IJattusili I. (München 1938) 123 sowie zuletzt G. G. Giorgadze, Ocerki ... , 79.

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    1% Horst Klengel

    an-na-al-la-as, Vs. 40'), '« Speerleute» (UjMES GISSUKiUR., Rs. 4'), NAM.RA GIS11UKUL.GtiDDA (Vs. 32', Rs. 3') 77, oder auch durch einen bestimmten Ort bzw. ein früheres Abhängigkeitsverhältnis 78. 'Es ist wahrscheinlich, dass diese NAM.:&AJLeute meistens entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt worden sind 79.

    Wie vor allem das Gelübde der Pudugepa zeigt, wurden die einzelnen « Häuser» nach einiger Zeit auf ihre Arbeitsfähigkeit hin überprüft; wenn notwendig, wurden Ergänzungen des Personals vorgenommen. Pudugepa hat die im 1. Jahr gemachten Stiftungen an « Häusern» im 4. Jahr kontrollieren lassen; Lücken im lPersonalbestand, die durch den Tod von Arbeitskräften entstanden waren, wurden ausgefüllt. Wie auch aus KiBo XII 53 + ersichtlich, erfolgte eine .Lieferung von Saatgut; es war zur Zeit der Ernte zurückzuer-statten und sollte offenbar nur die Produktion der gestifteten « Häuser» ein-leiten helfen.

    Die Instandhaltung der zentralen und lokalen Heiligtümer mit ihrem kultischen Inventar, wie sie vor allem durch die als «Bildbeschreibungen » bekannten Inventartexte bezeugt wird, war Sache der königlichen Verwaltung. Das zeigt ,sich nicht nur im Fehlen entsprechender Anweisungen für das kul-tische Personal (KUB XIU 4 usw.), sondern vor allem in den Dienstanwei-sungen für den «Grenzherrn » ,( aurijas EN -an. iEs heisst hier, dass er ver-pflichtet sei, die Zahl des Tempelpersonals und den Zustand der Heiligtümer zu überprüfen. Zusammen mit dem «Stadtaufseher » (LÜMASKIM.,URUK1 ) habe er den Tempel in Ordnung zu bringen und abhanden gekommene Kult-geräte zu ersetzen bzw. Priester, «Gottesmütter » oder «Gesalbte» ein-zusetzen, worüber ein Inventar anzufertigen sei 80. Solche Inventarisierungen bzw. Protokolle über den Personalbestand wurden offenbar regelmässig ange-fertigt; .Reparaturen wurden vorgenommen, Heiligtümer neu erbaut oder

    77 Zu LljGISTUKUL = « Handwerker» s. H. G. Güterbock, in: D. O. Edzard [Hrsg.], Gesellschaftsklassen im Alten Zweistromland (München 1972) 94 f.; LOGISTU_ KUL.GfDDA nach J. Friedrich, HWb 297 = «Bauer »(?), vgl. auch G. G. Giorgadze, Ocerki ... , 79.

    78 Vgl. Vs. 32' f.: 1 BTUM SA. 16? NAMJRAMES SA LljMUI]UR.SAG 1 BruM SA. 10 NAM.RAMES tRMES SA "'In-na-ra-a, « 1 Haus, darin 16 NAM.RA-Leute der Berg-bewohner, 1 Haus, darin 10 NA!M.RA-Leute, Sklaven des Innarä ».

    79 Die NAM.RA konnten, vgl. etwa § 40 der Hethitischen Rechtssammlung, auf ein freigewordenes Grundstück gesetzt werden. Im Gelübde der Pudubepa (StBoT 1, 31 Z. 52) wird die Ansiedlung von 9 « Häusern» mit 50 NAM.RA-Leuten erwähnt. Desgleichen erscheint in der Dienstanweisung für den Bel Madgalti (s. E. von Schuler, AfO Beiheft 10, 1957, 48). In den Annalen des MuriHli II. werden sehr grosse Zahlen an NAM.RA-Leuten genannt, die zum Teil dazu gedient haben mögen, die agrarische Produktion in verwüsteten oder entvölkerten Gebieten Anatoliens wieder in Gang zu bringen. Diese Aufgabe konnten sie auch im Dienst eines Tempels erfüllen.

    80 E. von Schuler, Afo Beiheft 10 (1957) 44 ff.

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    Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 197

    Priester eingesetzt. Die « Bildbeschreibungen » stellten praktisch ein « Arbe1ts-material» für die vom König für die Instandsetzung und Vervollständigung der Tempel und ihres Inventars eingesetzten Beamten 18 dar. Die dabei not-wendigen Handwerksarbeiten wurden von Leuten ausgeführt, die teils den Tempeln zugeordnet waren, teils dem Palast angehörten und nur zeitweilig für den Tempel arbeiteten 82. Ein Passus im Gelübde der Pudul].epa an die Göttin Lelwani lässt darauf schliessen, dass es in den Tempeln auch Töpfer-werkstätten gegeben hat, deren Drehscheiben von Ziegen- und Schafböcken in Sewegung gehalten wurden &3. Die einfache, jedoch beim Kult sowie für die Speicherung von Naturalien in grosser Menge benötigte Keramik scheint wenigstens teilweise in den Tempeln, d.h. den ihnen angegliederten Werk-stätten, hergestellt worden zu sein.

    In Zusammenhang mit der Stellung der hethitischen Tempel im hethi-tischen Wirtschaftssystem müssen auch die Privilegierungen erwähnt we,rden. Bereits für die Personen, die IJattusili 1. der Sonnengöttin von Arinna über-stellte, ist eine Sefreiung von der sonst üblichen Abgabe- und Dienstpflicht (Salflfan und luzzi) überliefert 84. Diese Praxis wurde auch in der Gross-reichszeit geübt: Die Güter, die IJattusili III. der IStar von Samuba zuwies, wurden ebenfalls von diesen «staatlichen» Verpflichtungen befreit 85; wie KlBo XIII 8 bezeut, wurden auch die «Ortschaften» (URU6 I.A) und das aus Handwerkern, Bauern, Schafhirten bestehende Personal der Totenheilig-tümer von salflfan und luzzi ausgenommen 86. Damit wurden diese Leistungen jedoch nur 'scheinbar dem Palast entzogen, da sie in anderer -Form für den Tempel erbracht wurden, der dem «staatlichen Bereich» der Wirtschaft zugehörte. Der Herrscher besass zudem, wie die Instruktion für das Tempel-personal erkennen lässt 87, eine Verfügungsgewalt über Tempelinventar. Während dem Personal das Aneignen von Tempelgut strengstens untersagt war und als Kapitalverbrechen geahndet wurde, hatte der Palast bzw. König das Recht, übereignungen von Tempelgut vorzunehmen. Eine Weiterver-äusserung durch die betreffenden Personen war dann nur unter strikter Ein-

    81 L. Jakob-Rost, MIO 8 (1963) 167. 82 VgL A. Goetze, Kleinasien, 168, ferner KUB XXXVIII 12 sowie die in KBo XIII 8

    (Totenritual, s. H. Otten, Hethitische Totenrituale, Berlin 1958, 106 f.) erwähnten Handwerker, die einem Totenheiligtum (

  • 198 Horst Klenge!

    haltung aller Vorschriften möglich, die das Tempelinventar schützen sollten. Wie das Gelübde der Pudubepa zeigt, war der König - bzw. die Königin -in der Lage, sich bereits im Tempeldienst befindende Kriegsgefangene um-zusetzen und damit in die Struktur der «Tempelwirtschaften » direkt ein-zugreifen.

    In der Literatur über die hethitischen Tempel spielen auch die soge-nannten «Gottesstädte » eine Rolle. Sie sind von A. Goetze unter Ver-wertung eines Strabo-Zitats als « theokratische Gebilde» bezeichnet worden, in denen die Priesterschaft auch die politische Macht ausgeübt habe 88. Sieht man so vagen Belegen wie etwa der Bezeichnung von Ortschaften als « eure (d.h. der Götter) Städte» 89 einmal ab, verbleiben bislang nur zwei Zeugnisse, die für die « Gottesstadt » herangezogen werden können: Einmal § 50 der Hethitischen Rechtssammlung, der bezeugt, dass die « Häuser» der obersten Priester .(?, LüUK-KE-E) in den drei alten iKultstädten Nerik, Arinna und Zippalanda «frei» (ELLU) 90 sind. Hier geht es um die BefreiJUng von « staatlichen» Verpflichtungen lediglich bei den 1« Häusern» dieses be-grenzten Personenkreises, nicht die Selbständigkeit einer ganzen Stadt bzw. eine priesterliche Verwaltung unter Ausschaltung der königlichen Beamten oder ausserhalb der königlichen Kontrolle. Für Nerik sind aus der Zeit IJat-tusilis IH. und Tutbalijas IV. die königlichen Beamten bekannt, die hier ihr Amt ausübten 91. Im anderen Zeugnis für eine «Gottesstadt », dem § 10 des Kupanta-'\LAMA-Vertrages, heisst es lediglich, das,s eine «Gottesstadt » (URULUM DILNGIRL1M bzw. URlULUM SA DINGIRL1M ) des Mashuiluwa am Sijanta-Fluss liege und nicht unter die im Vertrag gestellten Bedingungen falle 92. Hinsichtlich dieser « Gottesstädte » ist den Quellen demnach nicht viel abzugewinnen. iEs dürfte aber sicher sein, dass sie nicht ausserhalb des Be-reiches der königlichen Souveränität lagen 93.

    Es ist schwierig, aus dem, was bisher - und teilweise nur unter Vor-behalt - zur ökonomischen ,Funktion der hethitischen Tempel gesagt werden konnte, Schlussfolgerungen zu ziehen, die den Anspruch erheben könnten,

    88 A. Goetze, Kleinasien, 103. 89 So etwa im Gebet Arnuwanda/ Asmunikal, s. E. von Schuler, Die Kaskäer, 155. 90 Zu ELLU im Hethitischen s. zuletzt H. G. Güterbock, in D. O. Edzard [Hrsg.],

    Gesellschaftsklassen im Alten Zweistromland, 93 ff. 91 V. Haas, Der Kult von Nerik, 24 ff. 92 J. ,Friedrich, Staatsverträge (= MVAG 31, 1926) 117 f. 93 E. A. Menabde, Chettskoe obscestvo, 147 f., betrachtet diese «Gottesstädte » als

    Teil der königlichen Wirtschaft, während I. M. Diakonoff, MIO 13 (1967) 350 f. Anm. 91, daran zweifelt. Die bisher verfügbaren Hinweise auf die «Gottesstädte » bei den Hethitern sind gewiss zu wenig aussagekräftig, um hier ein Urteil fällen zu können. Es lag zweifellos nahe, dass der Priester, der dem Hauptheiligtum dieser alten Kultstädte vorstand, zugleich Vollmachten eines königlichen ·Beamten besass. Es geht aber gewiss zu weit anzunehmen, dass er tatsächlich allein die politische Macht ausübte.

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    Zur ökonomischen Funktion der hethitischen Tempel 199

    wenigstens für die Grossreichszeit auf einer gesicherten Basis zu stehen. Um das zu erreichen, wird es notwendig sein, diese Problematik in Zusammen-hang mit Untersuchungen zum hethitischen Wirtschaftssystem und zum sozialen Gefüge eingehender darzustellen, als es in diesem Rahmen möglich war. ;& ergibt sich jedenfalls, dass Tempel und 'Palast zwar ihre abgegrenzten Einkunftsbereiche hatten, jedoch in der Person des Herrschers zu einer Einheit zusammengeführt wurden 94. Das den Tempeln überwiesene Land verlieb beim « Staatsland », unterstand der königlichen Souveränität und konnte vom Herrscher neu verteilt werden. Das Besitztum der Tempel war, was den Boden betrifft, praktisch aus dem staatlichen Grundeigentum abgeleitet, blieb aber in dieses integriert. (Die Götter und ihre Tempel wurden - ähnlich wie die Gefolgsleute des Herrschers - mit Einkünften belehnt. Es gibt bislang keinen Hinweis darauf, dass Tempel und 'Palast - wie etwa in Mesopotamien - zu irgendeiner Zeit des hethitischen Staates in Gegensatz bzw. einen Konflikt geraten wären; dieser Umstand erklärt sich nicht zuletzt aus der erwähnten Situation. Die Tempel stellten Zentren der königlichen Verwaltung dar, und Zerstörungen von Tempeln dürften sich wohl vorrangig gegen diese Funktion und weniger gegen die in ihnen verehrten Götter gerichtet haben. Die agra-rische ,Produktion der Tempel bzw. der ihnen zugewiesenen « Häuser» er-folgte im wesentlichen für die kultische iKonsumtion, die - nach den zahl-reichen überlieferten Ritualen zu urteilen - beträchtlichen Umfang besass. Durch sie wurde auch das kultische Personal der Tempel erhalten, für das auch eigene « Häuser» bezeugt sind. Zugleich zogen die Tempel die - teil-weise als Opfer deklarierten - Abgaben ein, die eine staatliche Abgabe dar-stellten; es ist anzunehmen, dass diese Abgaben teilweise nach IJattusa gebracht und dort im Zentraltempel und seinen grossen Magazinen gespeichert wurden. Andererseits kann angenommen werden, dass der König bzw. sein unmittelbares Gefolge von den Naturalien, die in den einzelnen Tempeln gespeichert wurden, an Ort und Stelle profitierten, wenn sie anlässlich der regelmässigen Inspektions- und Kultreisen in den betreffenden Ort kamen.

    Wenn Gründe für diese Situation, die durch eine im König repräsen-tierte Einheit von Palast und Tempel in ökonomischer Hinsicht charakterisiert ist, beigebracht werden sollen, dann könnten folgende - allerdings auf einer noch unzureichenden Quellenbasis beruhenden - Erwägungen angestellt werden: Zu nennen wären zunächst die ökologischen Bedingungen, unter denen sich der hethitische Staat entwickelte. (Der in Teilen Anatoliens mögliche Regenfeldbau, bei dem der agrarische Nutzungsraum jedoch durch die land-schaftlichen Gegebenheiten stark zergliedert war, begünstigte die Entstehung bzw. das Fortbestehen von relativ selbständigen bäuerlichen Klein- bzw.

    94 Vgl. dazu E. A. Menabde, Chettskoe obscestvo, 153.

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    Familienwirtschaften, die in Gemeinden zusammengeschlossen waren. Eine Kooperation grösseren Stils, wie sie etwa im mesopotamischen Bewässerungs-land notwendig war, wurde unter den iBedingungen des zentralen Kleinasien nicht zu einem Erfordernis, ebensowenig eine zentralisierte Leitung bzw. Koordinierung der wirtschaftlichen Aktivitäten. Dem Herrscher der zuge-wanderten Hethiter, der die politische Gewalt an sich zu bringen vermochte, standen diese Einzelwirtschaften der «(Leute von ON » gegenüber sowie wohl Grosswirtschaften lokaler Dynasten, jedoch, soweit man sehen kann, keine Tempelwir~schaften mesopotamischen Typs. Auf der Grundlage eines Unter-werfungsverhältnisses entstand ein Herrschaftssystem, das im wesentlichen auf der iNutzung intakter Wirtschaftseinheiten ,('« Häuser») beruhte, deren Leistungsfähigkeit im Interesse des Staates lag und daher von ihm kontrolliert wurde. Die Veränderungen lagen vor allem im Bereich der Distribution; die Existenz der Tempel wurde dabei umso mehr von dem Herrscher abhängig, desto umfangreicher ihre kultischen Aufgaben und damit die kultische Konsumtion wurden. Die Tempel wurden als vorgefundene oder neu ge-gründete lokale Zentren in dieses Herrschaftssystem voll einbezogen und erfüllten darin eine ,Funktion. In der Weiterentwicklung der Wirtschaft, etwa hinsichtlich der ,Arbeitsteilung, der .Entwicklung und Anwendung neuer Me-thoden der Produktion, der Entwicklung der Geldwirtschaft usw. haben die hethitischen Tempel, soweit wir sehen können, keine den mesopotamischen Tempeln vergleichbare Rolle gespielt, wenn sie auch vor allem im Bereich des Handwerks durch das geforderte oder zu pflegende kultische Inventar stimulierend gewirkt haben dürften.

    Es bleibt zu hoffen, dass neue Texöfunde einmal dieses noch schemen-hafte Bild von der ökonomischen Rolle der hethitischen Tempel erweitern, vertiefen oder auch korrigieren werden; eine Aufhellung durch ein Text-material, das dem Mesopotamiens vergleichbar wäre, ist kaum zu erwarten.