B&E Magazin - Ausgabe 1 2013 - Im Rhythmus der Zeit

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Ausgabe Frühling 2013 Das bildungspolitische Magazin des VBE-Bundesverbandes Verband Bildung und Erziehung V BE Im Rhythmus der ZEIT

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Das bildungspolitische Magazin des VBE Verband Bildung und Erziehung berichtet vielfältig über ein aktuelles Bildungsthema.

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Ausgabe Frühling 2013

Das bildungspolitische Magazin

des VBE-Bundesverbandes

Verband Bildung und Erziehung

V B E

Im R h y t h m u s der Z E i t

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Die Zeit – sie fließt von der Vergangenheit in die Zukunft. Dazwischen unser Jetzt. Pure illusion, sagen die Physiker. Zeit gibt es gar nicht. Bestenfalls als vierte Dimension in der Raumzeit. Zeit ist nichts anderes als ein subjektives Phänomen unseres Bewusstseins ...

Die Zeit ist das kostbarste, was unter der Sonne zu haben ist, sagen Lebenspraktiker – und auch Pädagoginnen und Pädagogen. Weil sie stets aufs Neue erfahren, immer zu wenig davon zu haben. Zeit ist nie genug da, der Uhrzeiger tickt unaufhaltsam ...

Wenige Phänomene bieten wie die Zeit einen solch schroffen Kontrast zwischen Forschungsbefund und Alltagserfahrung. Das macht das Nachdenken über die Zeit so spannend. Schon immer, vom Beginn der Zeit an – und natürlich auch in dieser B&E-Ausgabe.

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Liebe Leserinnen und Leser, die Einführung der 45-Minuten-Stunde durch den preußischen Kultusminister August von Trott zu Solz im Jahr 1911 hatte durchaus pädagogische Gründe. Entlastung in der mit „echten“ Stunden getakteten Ganztagsschule war sein Ziel und – ganz nebenbei – eine Unterrichts-verkürzung auf eine Halbtagsschule. Der Umschlag von 60 auf 45 Unterrichtsminuten pro Zeiteinheit – wie das G8 von heute? Die Halbtagsschule galt schon damals vielen als Notbehelf.

Bildungszeit rhythmisiert nicht nur das Lernen und Leben in unseren Bildungsinstitutionen: 45-Minuten-Takt, 10-jährige Schulpflicht, Bachelor in sechs Semestern ... Auch das gesellschaftliche Leben erfährt dadurch seinen eigenen Takt – während der Ferien tagt kein Parlament. Die Demokratie nimmt sich – wenn nicht Schule ist – eine Auszeit.

Die getaktete und rhythmisierte Zeit ist ein Wesensmerk-mal aller Lernprozesse. Ob das schon mit Bildung zu tun hat, da hat unsere Autorin Marianne Gronemeyer ihre großen Bedenken. Eile ist es, die die Zeit zerstört. Und Bildung ebenso, so ihre These. Dass das im pädagogischen Alltag wohl eher eine akademische Frage ist – aus Zeitnot, zeigen die weiteren Beiträge.

Viel Spaß beim Lesen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Ihre B&E-Redaktion

B & E 1| 2009

Inhalt

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34 Dem Lernenden schlägt keine Stunde –

Die Eile hat der Teufel erfunden von Marianne Gronemeyer

9 Meinung: Sprüche klopfen reicht nicht von Udo Beckmann

10 Bildungspraxis: Zeitmanagement in pädagogischen Berufen von Sonja Engel

13 Lebenszeit Schule Interview mit Birgit Drischmann

14 Blickpunkt: Die Reparatur der Folgen ist zu wenig von Helge Dietrich

16 VBE-Magazin

18 VBE in den Ländern

24 Die Kehrseite

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Dem Lernenden schlägt keine Stunde

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Wir sind gewohnt, von der Eile und vom schnellen Tempo besser zu denken, als das türkische Sprichwort. Dass das Schnelle dem Langsamen überlegen sei, dass alles, was dauert zu lange dauere, dass Zeit das knappste aller Güter sei, viel zu schade, um sie zu vertrödeln, das haben wir schon mit der Muttermilch eingesogen. Uns hoffnungslos säkularen Zeitgenossen erscheint das Leben als eine Frist; eingezwängt zwi-schen Geburt und Tod, ist es eine chronisch zu kurze Frist. Wir finden uns vor gegenüber einem Überangebot von Weltmöglichkeiten, das uns unsere Zeitknappheit als äußerst beunruhigend erfahren lässt. Die einzige Hoffnung: durch „Techniken und Kunstgriffe der Selbst-beschleunigung“ Zeit zu gewinnen (Hans Blumenberg), um in unserem kläglichen bisschen Leben mehr von den Weltofferten abschöpfen zu können. Für Geduld oder Muße oder Gelassenheit oder Bummelei werden wir dadurch bestraft, so glauben wir, dass wir das meiste, das Wichtigste oder das Beste versäumen. Unser Leben ist buchstäblich zur letzten Gelegenheit geworden. Eile ist demnach das einzige Kraut, das gegen die panische Versäumnisangst, der wir erliegen, gewachsen ist.

Die Eile hat der Teufel erfunden? Wenn das so ist, dann sind unsere Bildungseinrichtungen allesamt des Teufels. Es fragt sich, welcher Teufel die Macher der Schulen und Hochschu-len und sonstigen Beschulungsanstalten gerit-ten hat, zu glauben, Bildung sei eine Sache der Fixigkeit. Aber vielleicht tue ich ihnen Unrecht, wenn ich unterstelle, sie seien auch nur im Gerings-ten an Bildung interessiert. Sie sind auf Lernerfolg aus und sagen das ganz ungeniert. Und Bildung und Lernerfolg sind wahrlich zweierlei.

Dieses kleine Präludium wirft drei Fragen auf.

Erstens: Wie kommt das türkische Sprichwort dazu, die Eile teuflisch zu nennen? Übrigens ist es ja auch im Drama aller Dramen Mephisto, der zur Eile mahnt: „Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen“, rät er listig dem tölpelhaften Schüler und hat dabei nichts Gutes mit ihm im Sinn. Mephisto ist der Protagonist der Beschleu-nigung, er vermag alles im Handumdrehen. Die Windes-eile ist sein Metier.

Zweitens: Warum hat sich die Schule mit all ihren Varian-ten der Eile verschrieben, wenn die doch mindestens unter dem Verdacht steht, mehr zu schaden als zu nüt-zen und dem Lernen und Lehren hinderlich zu sein?

Und drittens: Was sind die Konsequenzen daraus, dass die Insassen der Bildungs-Anstalten, seien sie Lehrende oder Lernende, so unter Zeitdruck geraten sind?

Die Eile hat der teufel erfundenMarianne Gronemeyer

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Dem Lernenden schlägt keine Stunde B & E 1| 2013

5Aber wo Lernen systematisch unter Zeitdruck gerät, werden Bildungseinrichtungen zu Lernindustrien. Was heißt ‚werden’? Sie sind es längst in Reinkultur. Schu-lisches Lernen wird von Lehrenden, Lernenden und Bürokraten zunehmend wie eine Prozedur der Gewinn-maximierung veranschlagt. Bildung wird dabei unter der Hand zu etwas, das man sich als Besitz bescheinigen lassen und mit dem man Rangansprüche geltend machen kann. Damit kommt neben der Effizienz ein zweites Grundprinzip, das die Schule beherrscht, ins Spiel: die Konkurrenz. Die Schulen sind zu wahren Kriegs-schauplätzen geworden, auf denen jeder des Anderen Rivale ist. Es kommt gar nicht darauf an, dass jemand klüger, fähiger, geschickter, tauglicher und freundlicher werde, sondern darauf, dass er besser ist als andere. Und je mehr andere er niedergerungen oder zur Strecke gebracht hat, desto besser steht er – oder sie – da. Darauf kann man als auf einen Lernerfolg pochen. Aber Bildung kann sich unter Konkurrenzbedingungen nicht ereignen.

Es müsste doch denjenigen, die Schule machen, zu den-ken geben, dass die Schule für die überwiegende Mehr-heit ihrer Insassen, Lehrende wie Lernende – ein Ort des Schreckens ist, während doch sowohl Lehren als auch Lernen, zu den erfreulichsten und beglückendsten Tätigkeiten, derer Menschen fähig sind, gehören. Ivan Illich, der wohl radikalste und scharfsinnigste Kritiker der Schule, hat sie einen „Soulshredder“ genannt, einen Seelenzerkleinerer. Er betrachtet die Schule nicht aus der Perspektive derer, die in ihr reussieren, sondern aus dem Blickwinkel der Drop-outs, der Scheiterer und Schulversager, die ihr Scheitern als schuldhaftes Versa-gen zu begreifen lernen. Sie bilden weltweit eine über-wältigende Mehrheit: „Die weltweite Pflichtschule mul-tipliziert die drop-outs und Schulkrüppel. Sie schafft und rechtfertigt eine Welt, in der die große Mehrheit als drop-out stigmatisiert wird, während einer kleinen Minorität ihre Zugehörigkeit zu einer Superrasse bescheinigt wird, die die Pflicht hat zu herrschen.“3 Was ist das für eine Bildungsstätte, die die Lernenden gemäß der Gaußschen Normalkurve nach Gewinnern und Verlierern sortiert und ihnen entsprechende Lebens - chancen zuteilt? Was für eine Art von Lehre wird da praktiziert, wenn eine noch nicht verschlissene Lehrerin, ein dem Wohlergehen seiner Schüler zugetaner Lehrer sagen: „Ich möchte ja gern gute Arbeit tun, aber ich kann es mir nicht leisten. 3 The educational enterprise in the light of the gospel, Chicago Novem-ber 13th 1988, lecture manuscript http://ournature.org/~novembre/illich/1988_Educational.html. Übersetzung M.G.

Von ihr erhoffen wir uns, dass sie das Missverhältnis zwischen unserer knappen Zeit und dem Übermaß an Welt wenigstens mildern werde. Und sie sollen wir nun als List des Teufels, der auf unser Verderben sinnt,

beargwöhnen?

Eile ist etwas anderes als Schnelligkeit. Schnel-ligkeit kann der Lust an der Bewegung entsprin-

gen. Was wäre eine Beethoven-Symphonie ohne ihre schnellen Sätze. Eile aber hat ein Ziel vor Augen, das in geringstmöglicher Zeit erreicht werden soll. Und so ist dann Eile immer zugleich Übereilung, Überstürzung. Sie ist der Nährboden für „Irrtum und Gewalt“, für Torheit und Schlechtigkeit. ‚Veloziferisch’ nennt deshalb Goethe diese Haltung, eine Zusammenziehung aus ‚velox’=

‚schnell’ und Luzifer, dem gefallenen Engel.1 Wer es eilig hat, begnügt sich mit dem Vorur-

teil, glaubt sich aber im Besitz eines Urteils.2 Das ist verhängnisvoll. Und: Wer es eilig hat,

dem werden zeitraubende Ansprüche, die andere Menschen oder Aufgaben oder Dinge an ihn oder sie

stellen zu einer mehr als nur lästigen Störung, denn sie behindern seinen/ihren Wettlauf mit der Zeit, bei dem es darum geht, so viel Zeit wie möglich aus der Zeit herauszuschlagen, Zeit, die man braucht, um noch mehr Zeit zu sparen. Wem das verrückt vor-kommt, dem sei zu seinem Scharfsinn gratuliert. Und doch ist das genau die Logik, die sich in der Schule und in der Hochschule durchgesetzt hat. Es ist die Logik der Effizienz. 1 Osten, Manfred: Goethes Entdeckung der Langsamkeit,

Frankfurt/Leipzig 2003.2 Blumenberg, Hans: Lebenszeit und Weltzeit, Frankfurt 1986, S. 194 f.

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6 Der Lehrplan erlaubt es nicht, dass ich verweile, wo es notwendig wäre, mich dem zuwende, der es nötig hat und Fragen sich stellen lasse, die nicht schon im Vorhi-nein beantwortet sind? Was ist das für eine Schülerexis-tenz, in der jedes Lernabenteuer systematisch ausge-schlossen ist, weil alle das Gleiche lernen müssen, alle sich am selben Standard messen lassen müssen, damit alle vergleichbar werden? Was soll das für eine Bildung sein, in der jede Überraschung und alles Unvorherseh-bare als Störung wahrgenommen werden? Was ist das für ein ‚Studium’, in dem Schüler und Studenten als Kon-toposten im Budget kalkuliert und deshalb auf Trab gebracht werden? Alle werden zur Eile angetrieben und lernen dabei, dass es nicht darauf ankommt, sich zu bil-den, sondern sein Studium zu erledigen, es möglichst reibungslos hinter sich zu bringen und sich durch Selbst-disziplinierung an einen Zeitplan anzupassen, der kaum noch Abweichung duldet. Das ist es, was unter Zeitdruck gelernt wird: die geschmeidige und willfährige Einpas-sung in Systemerfordernisse, hinter denen nun einmal das eigene Begehren, eigene Interessen und eigene Moral zurückstehen müssen. Die Schule ist längst nicht mehr für die Lehrenden und Lernenden da, sondern umgekehrt: sie alle sind trainierte Diener des Systems Schule.

Und damit haben wir ein drittes Prinzip, das die Schule regiert, ausfindig gemacht: die Absenz. In der Schule regiert demnach die unheilige Allianz von Effizienz, Kon-kurrenz und Absenz. Lehrende und Lernende sollen als Personen in der Schule abwesend sein. Herausgefordert sind sie als ‚funktionale Menschen’. Deren Wirklichkeit, sagt Imre Kertész, sei eine „Pseudowirklichkeit, ein das Leben ersetzendes Leben, eine (sie) selbst ersetzende Funktion.“4 Der ‚funktionale Mensch’ fragt nicht warum oder wozu gut ist, was er will, erstrebt oder tut, sondern nur, wie er erreichen kann, was er will oder soll.

4 Imre Kertész: Galeerentagebuch, Berlin 1993, S. 8.

Er ist an der Optimie-rung der Mittel, nicht an der Sinnhaftig-keit des Ziels interessiert. Vilém Flusser konstatiert allenthal-ben die „Abdrängung des ‚Guten’ und ‚Wah-ren’ durch das ‚Effiziente’“5. Dass Lernende zu sinnentleerter Effizienz angetrieben werden, die jedes Nachdenken über Gut und Böse als Zeitverschwendung abtut, kann man mit Fug und Recht teuflisch nennen. Sie verlieren dabei buchstäblich den Boden unter den Füßen, und sie werden ihrer Zukunft beraubt. Denn die Verplanung, der sie durch das Schulreglement unterwor-fen werden, „erzieht ... (sie) dazu, sich die Zukunft nicht als etwas Neues zu denken, sondern als etwas, das im voraus berechnet werden kann. ... Wirkliche Zukunft umfasst in ihrer eigentlichen Bedeutung eine Qualitäts-änderung, eine Überraschung und eine Verheißung.“ 6

Das einzige, was mich angesichts der Schulmisere mit ein wenig Zuversicht erfüllt, ist, dass die Zahl der Nicht-Einverstandenen wächst. Unmut breitet sich aus. Was an der Schule von ihren Kritikern beklagt wird, ist, dass in ihr die Selbstbestimmung von Lehrern und Schülern immer weiter zurückgedrängt werde zugunsten der Verfahrens-förmigkeit von Prozeduren. Ich will anders argumentie-ren. Ich will für Fremdbestimmung plädieren und meine damit nicht die Rückkehr in die autoritären Verhältnisse vergangener Epochen.

5 Vilém Flusser: Gesten, Frankfurt 19956 Eugen Rosenstock-Huessy: Der unbezahlbare Mensch, Berlin 1955, S. 53

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Nehmen wir das Wort‚

Fremd-bestim-mung’ beim Wort.

Wenn jemand zu etwas bestimmt wird, wird ihm zugleich

eine Stimme verliehen, kraft derer er sel-ber Sprecher werden kann. ‚Fremd’ kann das auf zweier-lei Weise sein: er/sie kann zu etwas Fremdem bestimmt werden und er kann von jemandem, der ihm als Fremder gegenübertritt ‚bestimmt’, ‚berufen’ oder ‚in Anspruch genommen’ werden. All diese Wörter bezeichnen ein Geschehen zwischen Menschen, die als Sprechende und Hörende ebenbürtig so aufeinander bezogen sind, dass sie wechselweise mal das eine, mal das andere verkör-pern. Sobald einer nur anordnet und der andere stumm bleibt und ausführt, was ihm vor-geschrieben wurde, wird nicht Fremdbestimmung, sondern Herrschaft ausgeübt.

Berufen kann nur ein Auserkorener werden, einer, der zu der Bestimmung, die ihm zugedacht ist, in jeder Hinsicht stimmt. Eine Berufung stiftet eine unverwech-selbare Bezogenheit zwischen Rufer und Berufenem und der Aufgabe, die sie miteinander teilen. Sie ist so konkret, dass sie nur namentlich geschehen kann. Jemanden berufen, ist etwas ganz Anderes als ihn auf seine Eignung für ein Projekt hin zu mustern. Die Eig-nungsprüfung ist vom Gesichtspunkt der Selektion bestimmt und konzentriert sich auf die Ausmusterung der Ungeeigneten. Die Berufung hingegen ist eine Ein-ladung, die den Berufenen in eine Aufgabe und in eine Gemeinschaft hereinholt. Auf den Berufenen richtet sich eine Hoffnung, auf den Getesteten eine Erwartung.

Ich traue also jemandem etwas, was er noch nicht ist und noch nicht unter Beweis stellen kann, zu und gehe das Wagnis ein, mich in ihm zu irren. Dazu ist etwas not-wendig, was nur in einem persönlichen Verhältnis seinen Platz hat: gegenseitiges Vertrauen. Wer sich zutraut – und das ist wahrlich ein Wagnis –, einen Anderen fremd-zubestimmen, muss vor allem sich und dem Andern Rechenschaft über die Rechtmäßigkeit der Aufgabe geben. Er muss im Rahmen des Möglichen sicher sein, dass er den Andern nicht zu schädlicher, zerstörerischer oder überflüssiger Arbeit anstiftet. Ich berufe jemanden, weil ich ihn oder sie in einer wichtigen Angelegenheit brauche, und zwar ausdrücklich diesen besonderen Anderen für dieses besondere Anliegen brauche. Wenn wir auf unsere Schulen und Hochschulen schauen, dann müssen uns erhebliche Zweifel kommen, ob die Aufgaben, mit denen Schüler in Trab, wenn auch nicht bei Laune gehalten werden, diesen Anforderungen genügen. Können wir uns Lehrer vorstellen, die auf die Mitarbeit ihrer Schüler für eine wichtige gemeinsame Angelegenheit angewiesen sind? Können wir uns Schüler vorstellen, die das im Ernst erwarten? Die Aufgaben, die Schülern und Studenten auferlegt werden, sind beinah ausnahmslos trivial. Dass ein Schüler mit einer ihm gemäßen Aufgabe befasst werde, wird nicht einmal mehr für wünschbar gehalten. Dass ein Professor sich um Talent und Begabung jedes seiner Studenten sorgt, macht ihn zu einem Störfaktor im Betrieb. Aufgaben müssen nicht bedeutsam sein, wenn nur die Resultate abprüfbar sind und mit einer Note erledigt werden kön-nen. Aus Lehrenden und Lernenden sind Prüfer und Prüflinge geworden und die Aufgaben sind zum Prüfstoff verkommen, wodurch selbst Inhalte von erheblicher Tragweite zu Bagatellen werden. Bildung ist von diesen Bildungseinrichtungen nicht zu erwarten und wird auch nicht von ihnen erwartet.

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8 Dass sich im Einzelfall Bildung dennoch ereignet, weil Lehrer und Schüler trotz alledem auch unter den wid-rigsten Umständen dort einander und ihre Aufgaben fin-den, ist ein Wunder, ändert aber nichts an der traurigen Bilanz. Schüler lernen dabei eine verheerende Lektion, nämlich die, dass es auf sie überhaupt nicht ankommt, auch nicht auf das, was sie tun oder können oder lassen, nicht darauf, ob sie Gutes oder Böses im Sinn haben oder ignorant gegenüber beidem sind, sondern lediglich darauf, das sie mithalten können im Kampf um Rang und Vorteil.

Fremdbestimmung ist umso kostbarer, lernträchtiger und überraschender, je fremder sie ist, und sie braucht ihre Zeit. Verglichen damit ist Selbstbestimmung gera-dezu langweilig, denn sie greift ja notwendig auf das, was ich schon kenne und kann, was schon in meinem Horizont ist, zurück. Aber wie soll denn das Andere, das Noch-Nicht meiner selbst hervorgelockt werden, wenn nicht durch die Herausforderung des Fremden. ‚Selbstbestimmung‘ wird die Fähigkeiten, die unerprobt und unerweckt in mir schlum-mern, nicht erwecken. Sie hat einen autistischen Zug und ist nicht sehr attraktiv. Das fanden auch die Kinder, die in den sechziger und siebziger Jahren antiau-toritäre Erziehung genos-sen und die sich, wenn sie morgens in ihren antiau-toritären Kindergarten kamen, einigermaßen besorgt erkundigten, ob sie heute schon wie-der machen müssten, was sie wollten. Man kann diese Frage natür-lich als einen erschre-ckenden Beleg für ihre konsumistische Verirrung nehmen. Ich glaube eher, diese Kinder haben von den Erwachsenen ihre Berufung eingefordert und haben ver-standen, dass sie nicht ernst genug genommen wurden für eine wichtige Bestimmung. Sie haben einfach gefunden, dass Selbstbestimmung langweilig ist und unter ihrem Niveau bleibt.

Prof. Dr. Marianne [email protected]

Das Leben als letzte Gelegenheit 4. Auf lage 2012, Verlag WBG

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Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE)

Meinung

Sprüche klopfen reicht nichtEs ist ein altbekanntes Spiel. Im Umfeld des Weltlehrertages werden Lehrerinnen und Lehrer in den Ländern gern von ihren Dienstherren mit lobenden Sprüchen umgarnt. Kaum sind diese Grußreden abgelegt, übernehmen die Finanzminister wieder das Zepter. Schließlich sind Lehrerinnen und Lehrer der größte Posten im öffentlichen Dienst. Dass sie für ihre Arbeit gleichwertig bezahlt werden wollen, gilt als Affront. Doch die gleiche Lehrerbezahlung – das haben VBE-Gutachten eindeutig belegt – ist Verfassungsauftrag.

Damit steht fest: Unterschiedliche Bezahlung, wie derzeit praktiziert, muss begründet werden, nicht andersherum! Der VBE sieht sich durch das Rechtsgutachten des Bielefelder Juristen Christoph Gusy darin bestärkt. Ausbildung und Arbeitsauftrag der Lehrerinnen und Lehrer sind gleichwertig. Eine Bezahlung nach Schuhgröße der Schülerinnen und Schüler steht dazu in krassem Gegensatz. Die Un-gerechtigkeit müssen die Länder endlich beseitigen. Lehrer in einer demokratischen Gesellschaft zu sein oder zu werden, heißt: Jeder Lehrer ist Lehrer. Gleich in welcher Schulstufe, in welcher Schulform er arbeitet, er leistet gleichwertige Arbeit. Und auch der Status darf das nicht konterkarieren. Verbe-amtete und tarifangestellte Kolleginnen und Kollegen gegeneinander auszuspielen, ist ein unwürdiger Umgang. Die Wertschätzung des Lehrerberufs muss mit dem Recht auf Verbeamtung einhergehen.

Als 2006 die bundeseinheitliche Bezahlung zugunsten der Länderhoheit aufgegeben wurde, war das ein Dammbruch. Ausgehandelte Tarifergebnisse werden nach Gutdünken an verbeamtete Kolleginnen und Kollegen weitergegeben oder vorenthalten. Und tarif beschäftigte Kolleginnen und Kollegen werden wiederum nach Arbeitgeberrichtlinien eingruppiert – von Land zu Land verschieden. Dem Prinzip des Teilens und Herrschens haben wir den Kampf angesagt. Arbeitgeber brauchen eine hohe Dosis an gewerkschaftlichem Druck, damit sie ihren Pflichten endlich nachkommen. Wir stehen dazu. Die Warnstreiks 2011 wurden von Zehntausenden Kolleginnen und Kollegen getragen. Auch 2013 geht es zur Sache. Wir fordern ein Plus von 6,5 % und den Wiedereinstieg in die Verhandlungen zur tariflichen Eingruppierung von Lehrkräften. Die Gutsherrenmentalität der Arbeitgeber ist in einer Demokratie unerträglich. Föderalismus als Kleinstaaterei zu praktizieren gefährdet Demokratie.

Udo [email protected]

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Zeitdiebe, Zeitfresser, ZeitfallenBildungspraxis

Auch das Eisenhower-Prinzip ermöglicht es, anstehende Aufgaben in Kategorien einzuteilen und Wichtiges zu--erst zu erledigen bzw. Unwichtiges auszusortieren. So werden anhand der Kriterien wichtig/nicht wichtig und dringend/nicht dringend die zu bewältigenden Aufgaben in vier Quadranten verteilt. Aufgaben im Quadrant wich-tig/dringend haben oberste Priorität; für diese sollte man genügend Zeit einplanen. Darunter fallen beispiels-weise die Unterrichtsplanung, Problemlösungen oder bedeutende Entscheidungen. Demgegenüber stehen Tätigkeiten im Quadrant nicht wichtig/nicht dringend; wie einfacher Kleinkram (z. B. unnötiges Herumsortie-ren, zeitraubende Telefonate o. Ä.). Diese Zeitfresser sollten außer Acht gelassen werden. Der Quadrant wich-tig/nicht dringend hat eine entscheidende Bedeutung und darf keinesfalls außer Acht gelassen werden. Für diesen Bereich sollten feste Zeiten eingeplant und die zu erledigenden Inhalte sorgfältig bearbeitet werden. Denn alle Dinge, die sich in diesem Bereich befinden, verschieben sich früher oder später in den Quadrant wichtig/dringend und verursachen demzufolge Stress. Der letzte, vierte Bereich ist der Quadrant nicht wichtig/dringend (Aufräumen, Sortieren, Hausaufgabenkon-trolle, Telefonate, E-Mails, Internetrecherche etc.) für den viele Menschen sehr viel Zeit verwenden, teilweise bis zu 65 %. Mehr als 20 % des eigenen Zeitbudgets sollte hierfür nicht investiert werden.

Schließlich kann das Pareto-Prinzip (oder „80/20-Regel“) helfen, sich seine Zeit sinnvoll einzuteilen. Es besagt, dass 80 % der Arbeit in 20 % der Gesamtzeit erledigt wird (beispielsweise werden in Konferenzen 80% der Beschlüsse in 20 % der Zeit gefasst). Die verbleibenden 20 % benötigen wiederum 80 % der Gesamtzeit und dienen nur noch der Perfektionierung. Viele Aufgaben erfordern nur eine 80-prozentige Lösung und nur wenige Dinge müssen bis ins letzte Detail perfekt geplant und durchdacht sein (z. B. die Erstellung eines neuen Arbeits-blattes; hier muss nicht jedes Bild perfekt sein). Es sollte genau überlegt werden, für welche Arbeiten sich der 100-prozentige Aufwand wirklich lohnt und bei welchen der 80-prozentige zufriedenstellend ist. Beispielsweise ist das Einüben von Ritualen in der Klasse besonders wichtig, denn hier wird die zunächst investierte Zeit, die vielleicht sogar als Zeitverlust empfunden werden kann, später zum Zeitgewinn für alle Beteiligten.

Zeitmanagement ist die Kunst, seine Zeit optimal zu nutzen. Der ein oder andere mag denken, dass gerade Lehrkräfte einen vorstrukturierten Unterrichtsalltag haben, welcher zeitlich klar durch die Stundentaktung, festgelegte Konferenzen, Elternsprechtage, Fortbil-dungen, Ferienzeiten usw. vorgegeben ist. Häufig wird die Auffassung vertreten, der Lehrplan gäbe der Lehr-kraft Unterrichtsinhalte vor und er könne, sobald er schon einmal ein Fach in einem Schuljahr unterrichtet hat, im nächsten Jahr auf seine vorbereiteten Unterla-gen zurückgreifen und diese eins zu eins in seinem Unterricht einsetzen. Aber dem ist nicht so! Neue päda-gogische Erkenntnisse, Änderungen der Lehrpläne, eva-luierte Arbeitspläne, veränderte Konferenzbeschlüsse, wechselnde Fächerkombinationen im neuen Schuljahr sowie die Individualität der Lerngruppe, lassen dies eben nicht zu. Vor- und Nachbereitung von Unterrichts-stunden, Lernzielkontrollen und Elterngespräche mögen strukturiert sein. Meist fallen diese Arbeiten auf den Abend, das Wochenende oder die Ferienzeiten, da der Unterrichtsalltag mit all seinen Aufgaben und Terminen voll ist. Und so hangelt sich der ein oder andere von Ferien zu Ferien oder von Schuljahr zu Schuljahr. Wer kennt nicht den aufkommenden Gedanken: „In diesem Schuljahr nehme ich mir so richtig viel Zeit für das Thema XY.“!? Doch letzten Endes scheitert dieses Vor-haben oft an all den anderen Anforderungen und Auf-gaben, die einem der Unterrichtsalltag stellt.

So gilt es, ein gutes Zeit- und Organisationsmanage-ment zu entwickeln, damit letzten Endes die Arbeitslust nicht zum Arbeitsfrust wird. Techniken des Zeitmanage-ments können helfen, den Arbeitsalltag zu strukturie-ren, Stress zu vermeiden oder gar abzubauen.

Eine Möglichkeit der Stressreduzierung ist es, alle zu erledigenden Tätigkeiten in einer „To-do-Liste“ aufzu-führen und sie, nach H. Ford Dickie, in eine sogenannte „ABC-Analyse“ einzutragen. Das A steht für sehr wich-tige und anspruchsvolle Aufgaben; das B für wichtige Aufgaben und das C für unwichtige, für den Kleinkram oder Routine-Aufgaben. So werden die Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit in einem Spaltensystem geordnet und sortiert. In einer weiteren Spalte wird die zur Erledigung benötigte Zeit notiert. Mithilfe der ABC-Analyse ist es möglich, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen, Schwerpunkte bei der Arbeit zu setzen und unnötige Zeitinvestitionen zu vermeiden.

Zeitmanagement in pädagogischen Berufen Sonja Engel

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Zeitdiebe, Zeitfresser, ZeitfallenZeitdiebe, Zeitfresser, Zeitfallen11

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Ich fordere Sie hiermit auf: Geben Sie Zeitdieben keine Chance und eliminieren Sie Ihre Zeitfresser und Zeit-fallen. Seien Sie wachsam, denn Zeitdiebe können sich überall verstecken und sind vielfältig:

• Perfektionismus• Unentschlossenheit• Ungeduld• Vergesslichkeit• Unstrukturiertheit • Aufgaben nicht zu Ende zu führen• ein unaufgeräumter Schreibtisch• über Dinge immer wieder zu reden,

aber nicht zu handeln• der Versuch, alles

auf einmal zu erledigen• keine Ziele und

Prioritäten zu formulieren

Setzen Sie sich zum Ziel, effektiv mit denen für Sie anstehenden Arbeiten, in der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit, umzugehen. Setzen Sie sich klare Arbeits-, aber auch Freizeiten. Auch wenn der Beruf des Lehrers die Bereiche zuweilen fließend ineinander übergehen lässt, da vieles von zu Hause erledigt werden kann (Korrekturen, Unterrichtsvorbereitungen, Zeugnis-schreiben, Telefonate u. v. m.); schaffen Sie sich bewusst Freiräume!

Ein Tag in der Woche (Samstag oder Sonntag) muss „arbeitsfreie Zone“ sein. Hören Sie auf Ihren Körper und auf Ihre eigenen Bedürfnisse bzw. Ansprüche auf Ruhe-phasen, um unnötig eingesetzte Energien zu sparen. Jeder Körper benötigt Erholungsphasen, damit er in anderen Phasen produktiv sein kann. Finden Sie Ihre persönlichen Bedürfnisse heraus und nutzen Sie diese! Um vorausschauend zu planen, strukturieren Sie sich

am besten am Ende eines jeden Schuljahres das kommende Schuljahr. Tragen Sie wichtige

Termine des Schuljahres, Themen (siehe Arbeitspläne) und Lernziel-

kontrollen in den einzelnen Fächern, Projektarbeiten,

Elternsprechtage, Feste des Jahreskreises, Bundesju-

gendspiele usw. in eine Schuljahresterminplanung ein. Positionieren Sie diese Übersicht sichtbar an Ihrem Arbeitsplatz oder in Ihrem Kalender. So behalten Sie während des

gesamten Schuljahres den Überblick und verzetteln

sich nicht mit unnötigen und unwichtigen Themen.

Bildungspraxis

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Bildungspraxis

Lebenszeit SchuleÜber den Umgang mit Zeit sprach B&E mit Konrektorin Birgit Drischmann.

Schule besetzt viele Jahre Lebenszeit und steht deshalb in der Verantwortung, sorgsam mit dieser Zeit umzu-gehen. Wie wichtig ist dieses Thema an Ihrer Schule? Das ist ein wichtiger Aspekt. Wir haben deshalb im Blick, den Kolleginnen und Kollegen gezielt Zeit zu geben, sie zu motivieren, zur Weiterbildung anzuregen. Schließlich wollen wir guten Unterricht anbieten. Gleichzeitig wird von Schulleitungen und Kollegien erwartet, eine Vielzahl grundlegender Änderungen zu realisieren, wie jetzt aktuell die Einführung bilingualen Unterrichts ab Stufe 9 und des Wahlpflichtbereiches. Auch in der Klassenleiter-tätigkeit kommt Stück für Stück Neues hinzu, zum Beispiel die wichtigen, aber sehr zeitintensiven Schüler-Entwicklungsbögen und Klassenkonfe-renzen. Vor dem Hintergrund akuten Lehrerman-gels, eines Altersdurchschnitts von 52 Jahren und eines entsprechenden Krankheitsstandes ist es schwer, dies alles in Einklang zu bringen. Und es entsteht der Eindruck, zum Nulltarif immer mehr leisten zu müssen.

Gibt es Grundregeln für Schulleitung und Kollegium, mit der Ressource Zeit sorgsam umzugehen?Oberster Grundsatz für uns ist es, mit der Kollegen-zeit verantwortlich umzugehen. Dazu gehört die Entwicklung eines verträglichen Stundenplans, um den Kollegen unnötige Freistunden zu ersparen, da sie an der Schule keine eigenen Arbeitsplätze haben. Wir versuchen, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und geben zunehmend die Informationen per E-Mail an die Kollegen.

An welchen Kriterien machen Sie fest, dass Zeit an Ihrer Schule gut genutzt wird? Um die Schüler individuell zu fördern, wollen die Kollegen Zeit für die nötige intensivere Unterrichts-vorbereitung und -nachbereitung. Ganz wichtig ist die enge Zusammenarbeit der Kollegen in den Fach-gruppen, um sich auszutauschen und Schwerpunkte für jeden einzelnen Schüler festzulegen, um ein einheitliches Handeln zu erreichen. Für diese Arbeit muss Zeit sein und es ist am Ende weniger Zeit nötig, als wenn jeder nur Einzelkämpfer wäre.

Zwei Pultordner (31 Fächer für die Tage im Monat und 12 Fächer für die Monate im Jahr) können Ihnen zudem hel-fen, aufkommende Arbeiten innerhalb des Schuljahres im Überblick zu behalten. Sortieren Sie anfallende Arbeiten (Fortbildungsangebote, Elternabende, Unter-richtsreihenplanung, Vorbereitungen für den „Tag der Offenen Tür“, Klassenfahrten, zu beantwortende E-Mails, Zeugnisschreiben usw.) zunächst in die Jahresmappe. Bedenken Sie dabei den Monat, in dem Sie die jeweilige Arbeit erledigen möchten. Sortieren Sie am Anfang eines jeden Monats die bevorstehenden Arbeiten in Ihre Monatsmappe. Beachten Sie auch hierbei den jeweiligen Tag, an dem Sie die Arbeit erledigen wollten bzw. müs-sen. So haben Sie täglich einen freien Schreibtisch, Papiere fallen Ihnen nicht mehrmals in die Hände und es entstehen keine hohen Stapel auf Ihrem Schreibtisch.Außerdem kann es helfen, wenn Ihre geplanten Unter-richtsreihen „alltagstauglich“ sind, nicht mehr und nicht weniger. Wichtig ist, dass Sie wissen, dass Sie das Rad nicht neu erfinden müssen. Nutzen Sie Lehrerhand-bücher, Anregungen von Kollegen oder bereits vorbe-reitete Unterrichtshilfen. Für Elternbriefe, Protokolle von Elterngesprächen und Checklisten (z. B. für Klassen-fahrten) stellen Sie einen Ordner mit Formularen zusam-men, der Ihnen die Arbeitszeit im jeweiligen Moment verkürzt.

Bei allem, was Sie bereits über das Thema Zeitmanage-ment wussten, was Ihnen noch einmal bewusst oder vielleicht völlig neu vor Augen geführt wurde – beden-ken Sie, dass Sie als ausgeruhter, ausgeglichener, moti-vierter und gutgelaunter Lehrer zufriedener mit sich und

Ihrem Job sind. Auf diese Weise können Sie nicht nur für sich, sondern auch für Ihre Schüler, die

Basis für ein besseres Arbeitsklima schaf-fen, von dem im Endeffekt alle Beteili-

gten nur profitieren können. Nut-zen Sie Ihre Arbeitszeit sinnvoll!

Nur so haben Sie genügend Zeit für Ihr Privatleben! Denn

wie heißt es so treffend? „Wir arbeiten um zu leben und leben nicht um zu arbeiten.“

Sonja Engel, AdJ-Sprecherin Städteregion Aachen

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Wie macht sich die Schule auf die Suche nach verlorener Zeit bzw. damit Zeit nicht verloren geht?Wir sind eine gebundene Ganztagsschule für die Stu-fen 5 und 6. Dadurch sind die Kollegen sehr integriert und die Organisation bedingt sehr viele feste Termine. Deshalb legen wir Wert darauf, Versammlungen zu minimieren – auf den Abstand von zwei Monaten – und in der Zwischenzeit per E-Mail zu verkehren. Die direkte Kommunikation im Kollegium darf darunter natürlich nicht leiden. Doch jeder angesetzte Termin muss sinnvoll für die Arbeit jedes Kollegen sein. Das hat viel mit Motivation und Achtung voreinander zu tun.

Wir wissen, wie zeitintensiv die Anforderung an jeden Kollegen ist, in jedem Schuljahr mindestens zwei Ent-wicklungsgespräche mit jedem Schüler und den Eltern zu führen. Die Verschriftlichung der Zielvereinba-rungen und der Gespräche erfordern einen sehr hohen Zeitaufwand. Und es gibt ja noch viel mehr Aufgaben außerhalb der direkten Unterrichtsstunde. Das bedeu-tet für jeden Kollegen pro Woche nicht nur eine Stunde zusätzlicher Arbeit. Das summiert sich! Deshalb kol-lidieren wir auch immer wieder mit der traditionellen Definition der Lehrerarbeitszeit per Unterrichtsdepu-tat. Die Ermäßigungen reichen überhaupt nicht aus. Das gilt auch für die Schulleitung. Die Ermäßigung hängt ab von der Schülerzahl, aber unsere Arbeit lässt sich so nicht wirklich bemessen. Unser Ermäßigungs-pool von 38 Stunden soll für die gesamte Arbeit außer-halb des Unterrichts ausreichen. Wir sind da ständig in einem Konflikt. Die Kollegen arbeiten sehr verant-wortlich und sehen nicht auf die Zeit, aber wir sehen das auch kritisch, weil es Folgen für die Gesundheit hat und schlimmstenfalls zu Unterrichtsausfall führt.

Welche Widerstände hat Schule zu bestehen, um zeitschonend arbeiten zu können?Wir leben leider von der Hand in den Mund. Wir müs-sen viel zu oft kurzfristig reagieren und sind gezwun-gen, unsere eigenen Grundsätze umzuwerfen. Wenn sich morgens zwei Kollegen krankmelden, muss ich kurzfristig bis zu 12 Unterrichtsstunden absichern. Schließlich stehen wir in der Pflicht, Unterricht zu leis- ten. Dann muss ich auf die Bereitschaft der anderen Kollegen der Schule und auch von der Nachbarschule setzen und den Stundenplan entsprechend umbauen. Ich sagte schon, wie wichtig uns ist, die Kollegen zu motivieren, aber es darf eben nicht nur für das Meis- tern von Notfällen sein.

Die Zunahme von Erziehungs- und Beratungsaufga-ben, Gemeinsamer Unterricht, die Dichte von Neu-erungen, Einführung neuer Fächer und der damit verbundenen beruflichen Fortbildung in der Freizeit, Zunahme von erzieherischen Aufgaben und die Zunahme von Vergleichsarbeiten dienen nicht dazu, verantwortlich mit der Zeit umzugehen.

Welche Empfehlungen haben Sie an Kollegen in Schulleitungen?In eine Schulleitung zu gehen, heißt, man braucht ganz viel Optimismus, ganz viel Sozialkompetenz. Es ist eine wunderschöne, sehr vielseitige Aufgabe, die einen fordert. Es geht nicht um einen Machtzuwachs. Im Vordergrund steht die Arbeit mit Kindern, mit Menschen. Schule ist keine Auf bewahrungsanstalt. Vor Jahren stieß ich auf ein Buch aus den USA und die Grundsätze darin habe ich an meine Tafel gehängt: Lieben, was man tut, auch wenn man im Augenblick etwas tut, was man nicht liebt. Sei präsent, gehe in deiner Arbeit auf. Bereite Kollegen die Freude, ihnen einen schönen Tag zu ermöglichen. Da schaue ich gern hin, denn es hilft mir, das Wichtige wieder in den Blick zu nehmen.

Für das Gespräch bedankt sich Mira Futász.

Literaturtipp: Stephen C. Lunding, Harry Paul, John Christensen, Fish! Ein ungewöhnliches Motivations-buch, Ueberreuter, Wien, 2001

Birgit Drischmann, Lehrerin für Mathematik und Chemie und seit 1996 Konrektorin am Gymnasium Veit-Ludwig-von-Seckendorff in Meuselwitz/thüringen; Referat Gymnasien im tlv

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Die Reparatur der Folgen ist zu wenig Helge Dietrich

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Blickpunkt

Jugendliche prügelten hilflosen Obdachlosen zu Tode. Diese und ähnliche Meldungen finden wir immer wieder in unseren Zeitungen und fragen uns, ob mit unserer Gesellschaft etwas nicht in Ordnung ist.

Gewaltausübung scheint kein Tabu mehr zu sein. Es ist an der Zeit, sich intensiver mit dem Thema zu befassen. Gerade für uns Lehrerinnen und Lehrer, aber auch selbstverständlich für Erzieherinnen und Erzieher, ist die Beschäftigung damit von großer Bedeutung, denn wir haben die wichtige Aufgabe, unsere Schülerinnen und Schüler zur Gewaltlosigkeit zu erziehen.

Zunächst bleibt zu definieren, was unter dem Begriff Gewalt zu verstehen ist. Es geht nicht nur um die Anwendung psychischer Gewalt, auch physische Belästi-gungen sind darunter zu verstehen. Dazu gehören natürlich jede Form von Mobbing, sexuelle Belästigung.Der VBE und die GEW sind Mitglied der Bildungsinterna-tionale. Deren europäischer Zweig ist das „European Trade Union Committee for Education (ETUCE)“. ETUCE hat in den beiden zurückliegenden Jahren Konferenzen zu Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz in Prag, Warschau und Brüssel durchgeführt.

Hier wurde ganz deutlich, dass auch in der Schule Ge-waltvorfälle und Belästigungen nicht nur in Deutsch-land, sondern auch in anderen europäischen Staaten an Bedeutung gewonnen haben. Schule ist immer auch ein Spiegel der Gesellschaft.

Deutlich wurde aber auch, dass die betroffenen Päda-goginnen und Pädagogen wesentlich daran interessiert sind, die Folgen für die Qualität der Schule und des Unter-richts möglichst gering zu halten. In einigen europäischen Staaten arbeiten die Schulen ganz eng mit der Polizei zusammen. Das ist sinnvoll, zumal die Polizei ja ein Teil der staatlichen Gemeinschaft ist und schon aus diesem Grunde für die Verhinderung von Gewalttaten zuständig ist. Aber es stellt sich die Frage, ob die Bewachung von Schulen ein pädagogisches Mittel zur Verhinderung von Gewalt sein kann. In Berlin gibt es so etwas schon seit einiger Zeit. Hier ist es jedoch nicht die Polizei, die vor der Tür steht, sondern Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen, die dafür sorgen, dass schulfremde Personen das Schul-gelände nicht betreten können. Schulen, Eltern und auch die Neuköllner Schulbehörden sehen die Erfolge einer solchen Kontrolle und haben erfolgreich protestiert, als die Landesregierung den Abzug der Sicherheitsfirmen anordnen wollte.

Pädagogische Maßnahmen, die darauf abzielen, den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, dass Gewalt kein Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen sein kann, gibt es in anderen europäischen Staaten fast nicht. So war es interessant, als in Warschau das System der Kon-fliktlotsen erläutert wurde, wie Schülerinnen und Schüler ihre Konflikte mithilfe solcher Konfliktlotsen gewaltfrei lösen. Die Schülerinnen und Schüler, die an einer Tätig-keit als Konfliktlotsen interessiert sind, erhalten eine spezielle Schulung und werden von einer Lehrkraft be--treut. Hierbei entsteht eine gewisse Nachhaltigkeit, weil die Lotsen als Vermittler auftreten und mögliche Kompro-misse aufzeigen. Da alle Beteiligten dem Kompromiss zustimmen müssen, ist der Konflikt dadurch beigelegt.

Gewalt.

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15Damit werden Streitigkeiten ausgeglichen und der Frieden in der Klasse oder in der Schule wieder herge-stellt. Schülerinnen und Schüler lernen mit Konflikten umzugehen.

Ein anderes Beispiel sind Schulwegbegleiter, die in öffentlichen Verkehrsmitteln eingesetzt werden. Sie haben darauf zu achten, dass sich ihre Mitschülerinnen und Mitschüler im Bus oder anderen Verkehrsmitteln so verhalten, dass andere Fahrgäste nicht gestört wer-den. Diese beiden Beispiele mögen aufzeigen, dass eine pädagogische Maßnahme immer darauf abstellen muss, den betroffenen Jugendlichen davon zu überzeugen, dass Gewalt kein Mittel zur Durchsetzung eigener In-teressen ist und dass es besser und ertragreicher ist, durch Überzeugungskraft mit guten Argumenten zum Ziel zu kommen.

Diejenigen, die sich in unserer Gesellschaft mit dem Phänomen Gewalt beschäftigen müssen – dies sind in erster Linie die Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch Polizisten und Sozialwissenschaftler – können sich aber nicht nur mit den Folgen von Gewalt beschäftigen. Es ist zu wenig, Schulen zu bewachen, damit gewaltbe-reite schulfremde Personen daran gehindert werden, die Schulen zu betreten. Viel wichtiger ist, die Ursachen von Gewalt und Belästigung zu erkennen und dann zu überlegen, welche Maßnahmen geeignet sind, Gewalt-bereitschaft gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Viele Gewaltvorfälle ergeben sich aus mangelnder Toleranz. Wenn also ein muslimischer Jugendlicher seine zumeist gar nicht christlichen Mitschüler als „Schweine-fleischfresser“ verunglimpft und der nicht muslimische Klassenkamerad ihn dafür einen „Knoblauchfresser“ schimpft, gibt es in der Klasse genug Anlässe zur Klä-rung gegenseitiger Vorurteile.

Viele Gewaltvorfälle an Schulen sind natürlich auch durch den jeweiligen Entwicklungsstand des betrof-fenen Schülers gekennzeichnet. Wenn ein Sechstklässler seine Mitschülerin als „Hure“ bezeichnet, so wird er oft etwas verwirrt reagieren, wenn ihm die Frage gestellt wird, was denn dieses Wort bedeuten mag.

Man muss auch deutlich sehen, dass eine multikultu-relle Gesellschaft mit vielerlei unterschiedlichen Regeln und Vorschriften zu tun hat. Der eine mag etwas, das der andere aus einem anderen Kulturkreis verabscheut. Der übersteigerte Stolz, den manche arabisch stämmige Jugendliche an den Tag legen, ist durch ihre Erziehung in einem ganz anderen Kulturkreis bedingt. Die Aufgabe der Pädagogik ist es dann, diesem Jugendlichen zu ver-mitteln, dass er trotz seiner Forderung nach Anerken-nung seiner Überzeugungen die Eigenheiten eines Ka-meraden aus einem anderen Kulturkreis zu respektieren hat. Vielen, die für sich Respekt einfordern, mangelt es am Respekt vor anderen.

Viele Jugendliche, die gewaltbereit durch die Straßen ziehen und andere, die ihnen vom Outfit oder von der Haarfarbe missfallen, belästigen und schlagen, tun dies, weil sie keine Lebensperspektive für ihre Zukunft haben. Hier muss angesetzt werden.

Mit der Gewalt aus ethnischen und religiösen Überzeu-gungen müssen gerade Lehrerinnen und Lehrer umge-hen können. Ethikunterricht ist zwar wichtig, er darf aber nicht als Ersatz für christlichen oder muslimischen Religionsunterricht missbraucht werden. Er muss die Techniken und Überzeugungen vermitteln, die notwen-dig sind, um in einer multikulturellen Gesellschaft zu bestehen.

Die ETUCE-Konferenzen haben gezeigt, dass die Pro-bleme, die wir in Deutschland haben, keine spezifisch deutschen Probleme sind. In anderen europäischen Ländern gibt es dieselben Probleme. Es ist also wichtig, dass wir auch in Zukunft den Meinungsaustausch för-dern. Aber es ist zu wenig, wenn wir nur die Reparatur der Folgen miteinander besprechen. Wir müssen ge-meinsam pädagogische Ziele formulieren und anstre-ben. Vielleicht ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer gewaltlosen Schule und damit zu einer gewalt-loseren Gesellschaft etwas mehr Toleranz anderen gegenüber und etwas weniger Beharren auf den eigenen Positionen.

Helge Dietrich, Lehrer für Mathematik und Gesellschafts-wissenschaften, war Hauptpersonalrat, Vorsitzender des VBE Berlin von 2003 – 2012 und bis 2012 stellvertretender VBE-Bundesvorsitzender für Beamtenpolitik. [email protected]

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Im Bund und über Grenzen

16 Lehrergewerkschaften der OECD-Länder: Öffentliche Bildung sichern

Die EI OECD Konferenz „Bildung als öffentliches Gut si-chern“ in London Ende Januar bot Mitgliedsgewerkschaf-ten der Bildungsinternationale die Gelegenheit, mit Vertretern der OECD und Bildungsforschern die aktuellen Probleme und Ziele in Bildung und Erziehung zu diskutieren. Der VBE-Bundesverband war durch Gerhard Brand vom geschäftsführenden Vorstand und Gitta Franke-Zöllmer, stellvertretende Bundesvor- sitzende für Internationales, vertreten.

Im Mittelpunkt des Austausches in London standen die Finanzierung der öffentlichen Bildung vor dem Hintergrund der Krise und die Entwicklung der Lehrer-profession. Die OECD plant dazu für PISA 2015 einen Lehrerfragebogen. Andreas Schleicher hielt das Grund-satzreferat „Herausforderungen und Chancen für Bildung im 21. Jahrhundert“.

Generalversammlung des EGBW in BudapestDie erste Generalversammlung des Europäischen Gewerkschaftskomitees für Bildung und Wissenschaft (EGBW) als europäische Struktur der Education Inter-national (EI) fand vom 26. bis 28. November in Budapest statt und stand unter dem Motto „Förderung der Bildung im öffentlichen Bereich im Zeitalter der Sparpolitik“.

Der VBE war durch Rolf Busch und Gerhard Brand vom geschäftsführenden Vorstand, Gitta Franke-Zöllmer, stellvertretende Bundesvorsitzende für Internationales, sowie Dr. Ingrid Otto vertreten.

Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa, die vielerorts zu drastischen Einsparungen auch im Bil-dungsbereich führte, forderten die 300 Delegierten in einer Grundsatzresolution, dass Bildung von den Kür-zungen öffentlicher Haushalte verschont bleiben solle, da sich kein Land eine „verlorene Generation“ von Kin-dern und Jugendlichen leisten könne. Investitionen in Bildung seien als zentrale Investition in die Zukunft der Länder anzusehen. Die Delegierten machten Druck auf die europäischen Regierungen, die von Europäischer Union und Europarat entwickelten Standards zur Ver-besserung der Bildungsqualität für Schule und Lehrer-bildung ernst zu nehmen und die nötigen Gelingensbe-dingungen zu schaffen. Dem Lehrerberuf mangele es an Attraktivität, kritisiert die EGBW-Resolution. Um die Besten für den Lehrerberuf zu gewinnen, brauche es Kar- riereperspektiven, gute Arbeitsbedingungen, flexible Arbeitszeiten, ein Recht auf Sabbaticals, angehobene, gleichberechtigte Besoldung (bei Abbau der Besol-dungsrückstände) und amtsangemessene Pensionen.Die Delegierten wählten auf der Basis der veränderten Satzung auch eine neue Führung und einen neuen Vorstand. Erstmalig wurde Frau Christine Blower von der englischen Gewerkschaft NUT zur Präsidentin gewählt. Zu den Vizepräsidenten gehört Dr. Andreas Keller, GEW. Der Ländersitz Deutschland wird von Gitta Franke-Zöllmer wahrgenommen.

Basale Lesekompetenz fördernDie Sprach- und Literaturdidaktikerin Prof. Dr. Gabriele Gien von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingol-stadt evaluierte das Lesefitness-Training für Grundschü-ler, das von der Stiftung Lernen der Schul-Jugendzeit-schriften floh/FLOHKISTE in Zusammenarbeit mit dem VBE für die Schulstufen 1 – 4 entwickelt worden war. Auf der Bundesversammlung des VBE Ende November in Mannheim stellte die Wissenschaftlerin ihren Bericht vor. Die empirische Studie mit über 1000 Probanden ergab, dass bei regelmäßigem und gezieltem Einsatz des Lesefitness-Trainings über vier Jahre die Schüle-rinnen und Schüler sowohl sicherer und schneller im Lesen waren als auch mehr Freude am Lesen und ein positives Leser-Selbstkonzept entwickelt hatten. Es bewährte sich insbesondere die Verbindung von regel-mäßigem schulischem und häuslichem Lesen.

Chancen und Probleme der öffentlichen Bildung in den Mitgliedstaaten der OECD standen im Mittelpunkt der diesjährigen Ei OECD Konferenz in London. im Podium v. l. n. r.: John Bangs (Ei), Randi Weingarten (Ei OECD Advisory Committee), Andreas Schleicher (OECD), Ei-Präsidentin Susan Hopgood

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VBE-Magazin17In den zehn Jahren seines Bestehens haben inzwischen

über 2,5 Millionen Kinder am Lesefitness-Training teilge-nommen. Gien machte mit Blick auf die Hirnforschung deutlich, Lesen sei nicht als genetisches Programm wie etwa Sehen und Hören angelegt und müsse erlernt wer-den. Nur regelmäßiges Lesen führe zu einer Automati-sierung der Leseprozesse, die sinnverstehendes Lesen und Teilnahme an literarischen Bildungsprozessen über-haupt erst ermöglichten. Gien warnte zugleich vor der Gefahr eines Teufelskreises bei Vernachlässigung syste-matischer Leseförderung. Schwache Leser würden das Lesen meiden und fehlende Übung würde die Lesefertig-keit nicht verbessern.

Veränderungen im Lernprozess notwendigSchwerpunkte des VBE-Seminars „Bildungspolitik im 21. Jahrhundert“ Anfang November 2012 in der dbb akademie Königswinter waren der Stand der Inklusion im Vergleich der Bundesländer, neue Sichten auf früh-kindliches Lernen sowie der Aufbruch zu einer neuen Lernkultur. Der VBE bejaht Inklusion und fordert die entsprechenden finanziellen Mittel, damit die nötigen inhaltlichen, methodisch-didaktischen, schulorgani-satorischen und baulichen Veränderungen realisiert werden können. Derzeit sei in keinem Bundesland das Thema Inklusion befriedigend implementiert, resü-mierte Klaus Wenzel, stellvertretender VBE-Bundes-vorsitzender. Der Vergleich der Länder ergab: Die Spannweite bei der Umsetzung der Inklusion in den Bundes ländern reicht von der Vorbereitungsphase (Aufnahme ins Schulgesetz, Fortbildung, Ausbildung von Multiplikatoren) bis zur flächendeckenden Ein-richtung von Inklusionsklassen, nach Jahrgängen aufwachsend.

Prof. Dr. Heiner Böttger, Katholische Universität Eich-stätt-Ingolstadt, legte Folgerungen aus der Verknüpfung der Ergebnisse der pädagogischen Forschung mit den Erkenntnissen der hirnphysiologischen Forschung dar. Die sich aus diesen neuen Erkenntnissen ergebenden, notwendigen Veränderungen im Lernprozess seien als fundamental anzusehen und würden viele Aspekte des traditionellen Lernens infrage stellen oder sogar als kontraproduktiv erscheinen lassen.

Der Referent stellte dies exemplarisch am frühkindlichen (Fremd-) Spracherwerb dar. Bis zum Alter von drei Jahren erlernten Kinder die „Fremdsprache“ wie eine zweite Muttersprache.

Diese Form des Spracherwerbs könne später nicht nach-geholt werden. Die Schule komme zu spät. Die zuweilen geäußerte Besorgnis, die Kinder würden überfordert und verunsichert, habe sich als unbegründet erwiesen. Die-ser Spracherwerb sei zudem von zentraler Bedeutung in anderen Fächern, in besonderem Maße in der Mathema-tik. Alles spreche dafür, dass bilingualer Spracherwerb – auch eine Forderung der Europäischen Union – von ent-scheidender Bedeutung in der individuellen Ausprägung von Fähigkeiten und im globalen Wettbewerb sei.

Simone Fleischmann, Schulleiterin der Volksschule in Poing in Bayern, befasste sich in ihrem Referat mit dem Aufbruch zu einer neuen Lernkultur. Als Leitlinie fasste sie die Erkenntnisse aus Psychologie, Pädagogik und Neurobiologie in sechs Punkten zusammen:

1. Lernen beruht auf Beziehung. Ohne sie verkümmert der Lernprozess und den Lehrenden und Lernenden geht es nicht gut.

2. Lernen ist ein individueller Prozess. Kinder lernen besser, wenn sie selbst(bestimmt) lernen, als wenn sie belehrt werden.

3. Lernen ist ein kommunikativer Prozess. Lernen lebt vom Austausch der Gedanken: „Ich, du, wir“!

4. Lernen ist Kompetenzerwerb. Das dem reinen Wissenserwerb übergeordnete Ziel des Lernens ist der Erwerb von Kompetenzen, der allerdings auf einer soliden Wissensgrundlage basieren muss.

5. Lernen ist ein konstruktiver Prozess. Erfolgreiches Lernen ist Lernen „mit Kopf, Herz und Hand“.

6. Lernen basiert auf Motivation. Ein verständnis- intensives Lehren und Lernen geht auf die Denkweise der Kinder ein und entwickelt diese weiter.

Die Bildungsbehörden würden schwerfällig auf die Herausforderungen des Lernens im 21. Jahrhundert rea-gieren, kritisiert der VBE. Die staatlichen Einrichtungen würden die Konsequenzen fürchten, z. B. die notwendi-gen Veränderungen in der Besoldung: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit.

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VBE in den Ländern

Neues aus den Landesverbänden18 Baden-Württemberg

Weniger Stress durch bessere Erziehung

„Völlig kostenneutral im Sinne eines besseren Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Lehrer ließe sich Stress in der Schule spürbar abbauen, wenn Kinder wieder besser oder überhaupt von Eltern erzogen werden würden“, behauptet der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg. Eine grenzenlose pädagogische Gleichgültigkeit der Erziehungsberech-tigten gegenüber negativen Entwicklungen des Kindes und die permanent vorhandene mediale Reizüber-flutung machten Lehrern und Schülern die Arbeit im Unterricht unnötig schwer.

Exzessiver Medienkonsum – von dem ständig einge-schalteten Handy über den Computer, DVD-Player und TV-Apparat bis hin zur Spielekonsole – und in Erzie-hungsfragen grenzenlos nachgiebige, bisweilen sogar nachlässige oder gleichgültige Eltern, erschwerten Kindern und Jugendlichen, in der Schule konzentriert und selbstständig zu arbeiten. Lehrer müssen daher, bevor sie ihren eigentlichen Bildungsauftrag wahrneh-men können, erst einmal Basis-Erziehungsarbeit leisten, damit Unterricht überhaupt stattfinden und gelingen kann.

„Dieser täglich Spagat zwischen dem eigenen hohen Anspruch an sich selbst und an einen effektiven Unter-richt und der vorgefundenen Realität ist Stress pur und macht den Pädagogen das Leben unnötig schwer und sie letztendlich krank“, so der VBE-Sprecher.

www.vbe-bw.sw Bayern

Schlag ins Gesicht für junge GymnasiallehrerObwohl sie händeringend gebraucht werden und immer wieder Unterrichtsausfälle zu beklagen sind, kommen viele junge Gymnasiallehrer auch im neuen Jahr nicht zum Einsatz. Trotz der angespannten Situation wird nur rund ein Drittel aller ausgebildeten Referendare eine Planstelle bekommen. „Das ist für die Betroffenen bitter und angesichts des Lehrermangels an Gymnasien auch nicht nachvollziehbar“, erklärte der Präsident des Baye-rischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, zu den aktuell bekannt gewordenen Einstellungszahlen.

Die Personaldecke sei an vielen Gymnasien derart auf Kante genäht, dass bei Krankheitsfällen Unterricht gestrichen werden muss – manchmal über mehrere Wochen.

Während junge, gut ausgebildete Hochschulabsolven-ten auf die Straße geschickt werden, werden ältere Kolleginnen und Kollegen aufgrund der hohen Arbeits-belastung und der steigenden Anforderungen krank und brennen aus. Umsichtige und verantwortungsvolle Einstellungspolitik sieht anders aus.“

Auch Eltern seien frustriert, weil sie feststellen müssen, dass ihr Kind nicht die Förderung erhält, die sie sich wünschen. „Das bayerische Gymnasium wird seit Jahren systematisch geschwächt. Damit muss endlich Schluss sein“, forderte Wenzel. „Die Lehrerinnen und Lehrer brauchen jede erdenkliche Unterstützung – letztlich profitieren davon die Schüler.“

www.bllv.de

Berlin

Sofortige Verbeamtung Die Ungleichheit in den Berliner Lehrerzimmern hat der Senat von Berlin, hier besonders der Regierende Bürger-meister, Klaus Wowereit, zu verantworten. Die aus-schließlich ideologisch bedingte Verweigerung der Ver-beamtung junger und teuer ausgebildeter Lehrerinnen und Lehrer, treibt diese in andere Bundesländer und bringt Berlin erhebliche Wettbewerbsnachteile.

Die Nichtverbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern belastet laut Rechnungshof den Berliner Haushalt und führt in den Schulen zu Unterrichtsausfall, hohen Klas-senfrequenzen und Mehrbelastung der Lehrerschaft. Trotz der Nichtverbeamtung übernimmt Berlin verbeam-tete Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundeslän-dern und zahlt ihnen sogar noch Zulagen.

Der VBE Berlin fordert die politisch Verantwortlichen auf, aus Fehlern zu lernen und zur Verbeamtung der Leh-rerschaft, wie sie in fast allen anderen Bundesländern üblich ist, zurückzukehren. Das, was in anderen Bundes-ländern gilt, muss auch in Berlin gelten. Berlin darf nicht immer Schlusslicht sein.

www.vbe-berlin.de

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Neues aus den LandesverbändenBrandenburg

Landesregierung ignoriert die Situation der Beschäftigten im Schulbereich! Seit nunmehr 8 Wochen ignorieren die Ministerin für Bil-dung, Jugend und Sport und damit die gesamte Landes-regierung die berechtigten Forderungen von 11.000 Leh-rerinnen und Lehrern des Landes Brandenburg. Die Verhandlungsaufforderung der Lehrergewerkschaften ist bisher unbeantwortet geblieben. Eine solche Ignoranz ist ein bisher beispielloser Vorgang in der Geschichte dieses Landes. Die Beschäftigten ver-missen die Unterstützung seitens der politisch Verant-wortlichen für den Bildungsbereich. Offensichtlich hat die Landesregierung den Ernst der Lage im Bildungsbereich noch nicht erkannt oder will ihn nicht erkennen. Sogenannte Bildungsreformen sol-len und werden gegen den Willen der Beschäftigten durchgesetzt und die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen werden dafür nicht bereitge-stellt. Aus Sicht der Interessenvertretungen der Beschäftigten im Bildungsbereich ist festzustellen, dass die Landesre-gierung den „Brandenburger Weg“ verlassen will. Bisher war es in Brandenburg möglich, in grundlegenden Fra-gen Formen der Zusammenarbeit bei der Lösung von Problemen zwischen den Gewerkschaften und Berufs-verbänden und dem MBJS zu entwickeln und gemein-same Vereinbarungen zu treffen. Deshalb verabredeten die Lehrergewerkschaften kon-krete Maßnahmen, um die Landesregierung an den Ver-handlungstisch zu zwingen. Eine weitere Verschlechte-rung der Qualität des Bildungswesens und die fortwährende Selbstausbeutung der Lehrkräfte sind nicht länger hinnehmbar. Die Lehrergewerkschaften rufen deshalb die Personal-räte im Schulbereich erneut auf, am 6. März 2013 die unbefriedigende Lage in den Schulen und das Ausblei-ben von Antworten seitens des MBJS in Personalver-sammlungen mit allen Beschäftigten zu beraten. Gleich-zeitig rufen sie zu einer landesweiten Protestaktion Anfang März in Potsdam auf, um den berechtigten For-derungen gegenüber der Landesregierung Nachdruck zu verleihen und Einfluss auf die Tarifrunde 2013 für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder zu nehmen.

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Hessen

Zensuren gerechter gestaltenDer hessische Landesvorsitzende des VBE, Helmut Deckert, forderte eine Einführung der 15-Punkte- Regelung bei der Notengebung in allen Schulstufen und -formen.

„Wer Noten will – und das ist derzeit Konsens bei den meisten Lehrerinnen und Lehrern – muss danach trach-ten, diese möglichst gerecht und transparent zu gestalten“, erläuterte Deckert. „Der VBE tritt deshalb seit langem dafür ein, die bewährte und aussagekräf-tige Abstufung der gymnasialen Oberstufe – nämlich ein 15-Punkte-System – auf alle Schulstufen und -for-men zu übertragen.“ Als Beispiel wies Deckert auf die möglichen Leistungsunterschiede zwischen zwei benachbarten Noten der Notenskala 1 – 6 hin.

Das 15-Punkte-System habe, so erläuterte das VBE- Landeschef, zudem den unschätzbaren Vorteil, dass eine wesentlich breitere Beurteilungsskala zur Verfü-gung stehe, die entsprechend transparenter sei, weil sie erheblich mehr Abstufungen möglich mache.

„Außerdem“, so Deckert, „gibt es Noten erst ab dem 2. Schuljahr und selbst dort sind die Kinder im Zahlen-raum bis 100 geschult.“ Zudem verhindere eine solche Übernahme den pädagogischen Unsinn einer Plus-Minus-Regelung auch für Zeugnisse, wie es im Koaliti-onsvertrag zwischen CDU und FDP vorgesehen sei.

„Dies wäre“, so monierte Deckert, „letztlich dem Sinne nach nichts anderes als die 15-Punkte-Regelung. Man vermeidet aber die leichten Fälschungsmöglichkeiten, die schlechte Lesbarkeit und den Unsinn z. B. einer 6+ oder 6-.“

www.vbe-he.deMecklenburg-Vorpommern

DemografievertragMit dem Maßnahmenpaket der Landesregierung wer-den seit über 20 Jahren zum ersten Mal Lehrerinnen und Lehrer wirklich entlastet. Dies wird sich auch direkt positiv auf Schülerinnen und Schüler auswir-ken.“, so der Landesvorsitzende des Verbandes Bil-dung und Erziehung (VBE), Michael Blanck, als erste Reaktion auf das 50-Millionen Euro-Programm der Landesregierung. Blanck: „Ein solches Programm war schon lange über-fällig. In diesem findet sich vieles wieder, was auch in unserem Forderungskatalog weit oben stand.

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VBE-Nachrichten Landesverbände

Die Beharrlichkeit unseres Arbeitens trägt somit erste Früchte bei der Entlastung der Lehrkräfte.“ Um konkur-renzfähig mit anderen Bundesländern zu werden, sind die angekündigte Verbeamtung der Lehrkräfte und eine bessere Eingruppierung dringend erforderlich.

Aus der Sicht des VBE muss man sich jetzt aber das Programm noch genauer ansehen. Das gilt z. B. für die Anerkennung der Klassenleitertätigkeit als Arbeitszeit und für alle Schulformen. Blanck: „Manchmal steckt der Teufel im Detail. Wir gehen aber davon aus, dass durch die Klärung dieser Detailfragen die positiven Aspekte nicht infrage gestellt werden.“

Aus der Sicht des VBE werden mit diesem Programm aber noch nicht alle Probleme gerade des demogra-fischen Wandels gelöst. Der VBE-Chef: „Wir werden wei-ter im Gespräch zu einem Demografievertrag bleiben müssen. Ansonsten werden in wenigen Jahren innerhalb kurzer Zeit viele Lehrer in Rente gehen, die dann durch Einstellungen nicht ersetzt werden können. Wir benöti-gen ein langfristiges Programm mit flexiblen sozialver-träglichen Maßnahmen zum Eintreten in den Ruhestand, verbunden mit Neubesetzungen der Stellen durch junge Lehrkräfte.“

www.vbe-mv.de

Niedersachsen

Bildungskarrieren beginnen mit der Grundschule!Beim ersten Lesen der von der KMK und dem Bundes-bildungsministerium vorgestellten Auswertung der IGLU 2011 – und TIMMS 2011 – Vergleichsuntersu-chungen könnten sich die politisch Verantwortlichen beruhigt zurücklehnen. Eine frohe Botschaft für die politisch Verantwortlichen: Dank der Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen schneiden deutsche Grundschüler im internationalen Vergleich gut ab.

Erst beim genaueren Hinsehen fällt auf, dass die Gaben weiterhin sozial sehr unterschiedlich verteilt bleiben. Auf gutem durchschnittlichen Niveau im Lesen und Rechnen bewegt sich der Hauptteil der Viertklässler aus nicht bildungsfernen Elternhäusern; zurückbleiben die anderen und auch für die Hochbegabten fällt nicht genug ab.

Dies ist in einer wachsenden Einwanderungsgesellschaft und angesichts der demografischen Herausforderungen Stillstand,“ erklärte VBE-Landes vorsitzende Gitta Franke-Zöllmer in einer Presse stellungnahme.

„Grundschullehrerinnen haben die höchste Unterrichts-verpflichtung bei schlechterer Bezahlung als in der Sekundarstufe. Die Unterrichtszeit der Schüler liegt dabei deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, wie gut Grundschulen sein könnten, wenn sie nicht mehr als Sparmodell be-handelt werden würden. Dann würde es auch besser gelingen, dass die soziale Herkunft in geringerem Maße über die Bildungschancen entscheidet.“

www.vbe.nds.de

Nordrhein-Westfalen

inklusion: Versäumnisse sind groß

„Die von der Schulministerin vorgelegten Daten und Maßnahmen zur Inklusion machen erneut deutlich, dass die Landesregierungen, die seit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention in NRW in der Verant-wortung gestanden haben, es versäumt haben, rechtzei-tig die notwendigen Begleitmaßnahmen einzuleiten“, moniert Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) NRW. „Der vorgelegte Maß-nahmenkatalog ist im Grundsatz zu begrüßen, er ist aber weitgehend eine Ansammlung von Notmaßnahmen, um die Versäumnisse der Vergangenheit zu minimieren. Nach wie vor fehlt ein umfassendes Konzept mit klaren Daten und Fakten, und vor allem fehlt nach wie vor die Gesamtkostenschätzung.“

Der von der Ministerin genannte deutliche Anstieg der Integrationsquoten in der Primarstufe und der Sekundar-stufe täusche vor, dass die Schulen, die sich dem Thema Inklusion stellen, die notwendigen Rahmenbedingungen haben. „Den Schulen fehlen immer noch die nötigen Res-sourcen, um inklusiven Unterricht erfolgreich für Kinder mit und ohne Behinderung umsetzen zu können“, so Beckmann. Das, was zurzeit an Inklusion stattfinde, werde weitgehend auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen, die sich der Aufgabe Inklusion trotz fehlender Rahmenbedingungen stellen würden.

www.vbe-nrw.de

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Rheinland-Pfalz

Die gymnasiale Oberstufe bleibt außen vor – kein Abi für Behinderte? „Wir sind uns mit Bildungsministerin Ahnen völlig einig, dass die schulpolitische Umsetzung der von Deutsch-land ratifizierten UN-Behindertenkonvention zur Inklu-sion eine der größten Herausforderungen für unser Schulwesen ist. Der VBE ist allerdings auch der Auffas-sung, dass dies nicht mit 200 Lehrerstellen allein zu machen ist. Qualität hat ihren Preis. Wir sind den behinderten Kindern und Jugendlichen eine hochwertige Versor-gung schuldig – wo immer sie unterrichtet werden. Die Umsetzung der Inklusion sollte deshalb für die Landes-regierung ein Anstoß sein, ihre Sparbeschlüsse zur Streichung von 2.000 Lehrerstellen in den kommenden Jahren zu überdenken.“

Mit dieser Stellungnahme äußerte sich der Landesvor-sitzende der rheinland-pfälzischen Lehrergewerkschaft VBE, Gerhard Bold, zum schulpolitischen Konzept der Landesregierung zur Inklusion, das von Bildungsminis-terin Doris Ahnen in Mainz vorgestellt wurde.

Gerhard Bold: „Förderschulen wird es auch weiterhin geben müssen. Ihre Weiterentwicklung zu Förder- und Beratungszentren, wie das die Landesregierung jetzt vorhat, ist ein richtiger Weg. Allerdings sollten ihn alle Förderschulen beschreiten können – und nicht nur eine Auswahl.“ Auch die Verankerung eines Wahlrechts der Eltern zwischen Inklusivem Angebot und Förderschule sehe der VBE positiv.

Unverständlich sei für den VBE, warum die gymnasiale Oberstufe im Bereich der Sekundarstufe II von dem Inklusionskonzept ausgenommen wird. Gerhard Bold:

„Dürfen behinderte Kinder am Gymnasium kein Abitur machen?“

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B & E 1| 2013

B&EBildungspolitisches Magazindes Verbandes Bildungund Erziehung (VBE)

Redaktion: Hjalmar Brandt (br), verantwortlichMira Futász (fu)Matthias Kürten (kue)

Redaktionsanschrift: Verband Bildung und Erziehung (VBE), Redaktion B&E Behrenstraße 23/24, 10117 BerlinT. 030-726 19 66 0, F. 030-726 19 66 19www.vbe.de, [email protected]

B&E wird herausgegeben vomVerband Bildung und Erziehung (VBE),Behrenstraße 23/24, 10117 Berlin

Bundesvorsitzender: Udo Beckmann

Titelfoto: Jan Roeder Fotos: Jan Roeder 2 – 12, 14 – 23); Jesper Balleby (9); (13)Karikatur: BECK (24)

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Anzeigenverwaltung und Herstellung:Gebrüder Wilke GmbH, Oberallener Weg 1, 59069 Hamm, Telefon 0 23 85 / 4 62 90-0

B & E erscheint viermal im Jahr.

Mitglieder des VBE erhalten die Zeit-schrift als Verbandsorgan, der Bezugs-preis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Mitglieder richten Bestellungen an die Redaktion.

Bestellungen für Nichtmitglieder an: VBE-Bundesgeschäftsstelle,Behrenstraße 23/24, 10117 Berlin.Die offizielle Meinung des VBE geben nur gekennzeichnete Verlautbarungen der satzungsgemäßen Organe des VBE wieder.

Für unverlangte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. Rücksendung unverlangt zugesandter Bücher und deren Besprechung bleibt vorbehalten. Nachdrucke nur mit schriftlicher Geneh-migung der Redaktion.

Die Artikel werden nach bestem Wissen veröffentlicht und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Rechtsansprüche können aus der Infor-mation nicht hergeleitet werden.

ISSN 1869-2788Redaktionsschluss für Heft 2/2013: 30. April 2013

impressum

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23Schleswig-Holstein

Schluss mit dem Ausspielen der Beschäftigungssysteme Am 31. Januar beginnen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst mit der Tarifgemeinschaft der Län-der (TdL). Der VBE steht voll hinter den Forderungen des dbb. Ein Plus von 6,5 Prozent orientiert sich völlig zu Recht an der Einkommensrunde 2012 mit Bund und Kommunen. Die Schuldenbremse darf kein Vorwand für die Arbeitgeber sein, die Tarifbeschäftigten der Länder von den Kolleginnen und Kollegen in Bund und Kom-munen abzukoppeln.

Dem Prinzip des Teilens und Herrschens haben wir den Kampf angesagt, so der VBE-Landesvorsitzende Rüdiger Gummert. „Arbeitgeber brauchen eine hohe Dosis an gewerkschaftlichem Druck, damit sie ihren Pflichten nachkommen. Wir stehen dazu.“

Mit der Praxis des Ausspielens beider Beschäftigungs-systeme muss Schluss sein. Einerseits werde die Ein-gruppierung der tarifbeschäftigten Lehrkräfte durch eine Arbeitgeberrichtlinie bzw. den Verweis auf Beam-tengesetze festgelegt. Andererseits würden ausgehan-delte Tarifergebnisse nach Gutdünken an verbeamtete Kolleginnen und Kollegen weitergegeben oder vor- enthalten.

Die Forderung ist eindeutig: Auch die zeit- und inhalts-gleiche Übertragung der Potsdamer Einigung auf den Beamtenbereich gehört zur Einkommensrunde.

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Verband Bildung und Erziehung

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