Beckert: Das Rechtsverhältnis zwischen Veranstalter und Besucher nach der Schuldrechtsreform

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K Veranstaltungsrecht

K3 Rechtsverhältnisse Besucher/Veranstalter

20 Kultur & Recht Juli 2003

K3.1S. 1

Rechtsverhältnis zwischen Veranstalterund Besucher nach der Schuldrechtsre-form

Dr. Frauke Beckert, M.A.Rechtsanwältin in Berlin mit dem Schwerpunkt Vertrags- und Kulturrecht

Inhalt Seite

1. Einleitung 22. Ansprüche des Besuchers wegen Ausfalls der Vorstellung oder

wegen einer Aufführung unter widrigen Bedingungen 33. Ansprüche wegen verspätet begonnener oder abgebrochener

Aufführung 64. Ansprüche wegen Nichtzurverfügungstellung der gemieteten

Plätze 85. Ansprüche wegen falscher Besetzung 116. Ansprüche wegen Nichteinlasses zur Veranstaltung 127. Ansprüche wegen gesundheitlicher Schäden infolge zu großer

Lautstärke, gesundheitlicher Schäden und Sachschäden 138. Zusammenfassung 17

Checkliste: Ansprüche 17

Eine Kulturveranstaltung verläuft nicht immer entsprechend der Planung. DerAusfall eines Sängers, dauerhafter Regen bei einer Freilichtveranstaltung, Perso-nen- und Sachschäden etc. seien als typische Beispiele genannt, die dazu führen,dass der Besucher die Veranstaltung unzufrieden verlässt. Für ihn stellt sich dieFrage, welche Ansprüche er in solchen Fällen gegenüber dem Veranstalter gel-tend machen kann. Der Beitrag vermittelt einen Überblick über die wichtigstenFallgruppen und welche Regelung das Gesetz nach der Schuldrechtsreform hier-für vorsieht.

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1. Einleitung

Im optimalen Fall ist der Besuch einer kulturellen Veranstaltung ein gelungenesErlebnis für den Besucher und eine Einnahmequelle für den Veranstalter.

Doch was passiert, wenn der Kulturgenuss geschmälert wird oder ganz ausbleibt?Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Die Veranstaltung kann ausfallen, siekann zu spät anfangen oder nach einiger Zeit abbrechen. Der Besucher kann sichverspäten und wird nicht eingelassen oder findet seinen Platz besetzt vor oder dieVeranstaltung findet unter freiem Himmel statt, von dem es regnet. Die Darbie-tung kann in anderer Besetzung stattfinden oder einen völlig unerwarteten Inhalthaben, sie kann zu leise oder zu laut sein – etwa gar so laut, dass sie den Besu-cher oder die Besucherin gesundheitlich schädigt. Und selbst wenn die Veran-staltung glücklich über die Bühne gebracht wurde und die Besucher soweitglücklich und zufrieden sind, so können diese beim Verlassen des Veranstal-tungsortes immer noch stürzen und sich das Bein brechen oder feststellen, dassGarderobe und Fahrzeug fehlen.

In diesen Fällen stellt sich die Frage nach den Rechten und Pflichten des Besu-chers bzw. des Veranstalters: Bekommt der Besucher den Preis für die Eintritts-karte, inklusive eventuell gezahlter Vorverkaufsgebühren, erstattet, kann er eineandere Aufführung verlangen, den Ersatz für vertane Freizeit fordern oder – beiVerletzungen oder anderen Schäden – Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Fall:Die Familien Meier und Müller fahren in den Urlaub nach München. Dort

werden Eintrittskarten für einige kulturelle Veranstaltungen erworben. Das Ehe-paar Meier erwirbt Karten für die Oper, während das Ehepaar Müller ein Theater-stück auf der Freilichtbühne genießen will (20 Euro Eintrittskarte, 2 Euro Vorver-kaufsgebühr). Die Teenager (15 und 17 Jahre alt) haben Karten für eine Pop-Band, mit Ausnahme von Thomas Meier, der zu einem Heavy-Metal-Konzertgeht. Es ist Juli und es regnet.

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2. Ansprüche des Besuchers wegen Ausfallsder Vorstellung oder wegen einerAufführung unter widrigen Bedingungen

Zum Zeitpunkt des angekündigten Beginns des Freilichtstücks erklärt derIntendant, dass man im Hinblick auf die günstige Wetterprognose mit dem

Beginn der Aufführung wartet. Da diese nicht eintritt, beginnt man mit dem The-aterstück trotz Regens. Herr Müller erklärt, dass er das Stück ein anderes Malsehen will und verlangt sein Eintrittsgeld zurück. Der Intendant lehnt dies ab.Herr Müller verlässt das Theater.Frau Müller sieht sich das Bühnenstück an, das nach einer Stunde abgebrochenwird, weil sich die Wetterlage nicht verbessert hat.1

Hat Herr Müller einen Anspruch auf Rückzahlung der Eintrittskarte in Höhe von20,– Euro?Ein Rückzahlungsanspruch könnte sich aus § 326 Abs. 1, Abs. 4 BGB ergeben.Voraussetzung wäre, dass

- zwischen dem Veranstalter und dem Besucher ein Vertrag zustande gekom-men ist und

- dass dem Veranstalter die Leistung (die Aufführung des Theaterstücks) un-möglich geworden ist oder

- ihm ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.

Im vorliegenden Fall ist zwischen Herrn Müller und dem Veranstalter ein Vertraggeschlossen worden. Nach allgemeiner Ansicht kommt mit dem Kauf der Ein-trittskarte ein Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB mit mietrechtlichemEinschlag hinsichtlich des Zuschauerplatzes zustande.2 Der Veranstalter hat sichdamit vertraglich verpflichtet, am angegebenen Ort und Tag sowie zur angegebe-nen Stunde das Theaterstück aufzuführen und Herrn Müller zum Zwecke derBeobachtung dieser Aufführung einen (Sitz)platz zu gewähren.

Fraglich ist, ob dem Veranstalter die Erfüllung seiner Verpflichtung unmöglichgeworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Das ist der Fall, wenn durch die erbrachteLeistung keine Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung eingetreten ist und essich bei dem Vertrag um ein so genanntes absolutes Fixgeschäft handelte, alsoum eine Leistung, die nach Vorstellung der Vertragsparteien nicht nachholbar ist,sondern nur zur vereinbarten Zeit möglich sein sollte.3

Ein absolutes Fixgeschäft liegt vor, wenn man ein Taxi zum Flughafenbestellt. Die Taxifahrt hat für den Besteller nur dann Sinn, wenn sie tat-

sächlich am vereinbarten Tag zur vereinbarten Stunde stattfindet. Die zu beant-wortende Frage wäre, ob mit der fristgerechten Bereitstellung des Sitzplatzes dasganze Geschäft „stehen und fallen“ sollte.3

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Für Herrn Müller wäre eine Verschiebung der Aufführung durchaus denkbargewesen. In der Tat kündigen manche Veranstalter mitunter an, dass eine Verle-gung der Veranstaltung in Betracht kommt – etwa wenn es sich um einen Solo-auftritt eines bestimmten Künstlers oder einer Künstlerin handelt, so dass man inderartigen Fällen nicht zur Annahme eines absoluten Fixgeschäfts gelangen wür-de. Geht man jedoch davon aus, dass ein Theater einem von vornherein festge-legten Spielplan folgt, so wird man ein absolutes Fixgeschäft annehmen müssen,denn ein nachgeholtes Schauspiel, für das Eintrittskarten mit einem bereits abge-laufenen Datum gelten, würde zu Konflikten mit denjenigen führen, die Kartenfür das an dem späteren Tag angesetzte Schauspiel erworben haben. Es ist des-halb davon auszugehen, dass die Leistung hier nicht nachholbar ist.4

Fraglich ist, ob der Regen dazu geführt hat, dass die Leistung unmöglich wurde.Dagegen könnte sprechen, dass sich der Veranstalter trotz der Witterungsbedin-gungen zunächst in der Lage gesehen hat, das Schauspiel darzubieten. Von Be-deutung ist aber nicht, wozu sich der Veranstalter in der Lage hält, sondern ob erunter den konkreten Bedingungen auch vertraglich dazu verpflichtet war. Ent-scheidend ist somit die Besucherperspektive. Hier wird man zu dem Schlussgelangen, dass die unter Dauerregen stattfindende Aufführung eines klassischenTheaterstückes den Zuschauern nicht zumutbar und somit nicht das war, wozusich der Veranstalter verpflichten wollte. Er ist deshalb nicht zur Leistungserbrin-gung verpflichtet gewesen (§ 275 Abs. 1 BGB).5 Es liegt hier quasi ein Umstandhöherer Gewalt vor.

Selbst wenn man von einer Nachholbarkeit ausginge, so könnte das Theater alsSchuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, derunter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treuund Glauben in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubi-gers steht (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB). Bei der Nachholung eines Schauspiels würdeman angesichts des einzuhaltenden Spielplans von einem solchen unverhältnis-mäßig hohen Aufwand ausgehen müssen. Dies gilt umso mehr, als dass bei derBestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen auch zu berück-sichtigen ist, dass er das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat (§ 275 Abs. 2,S. 2 BGB).

Das Risiko, im Falle des Freiwerdens durch Unmöglichkeit oder aufgrund einesLeistungsverweigerungsrechts den Anspruch auf die Gegenleistung (das gezahlteEintrittsgeld) zu verlieren, liegt beim Veranstalter. Hat er das Eintrittsgeld bereitserhalten, muss er es deshalb gem. § 326 Abs. 4 BGB zurückzahlen.

Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht dadurch, dass der Veranstalter eine Teil-leistung erbringen ließ. Es ist jedoch der komplette Ausfall der Veranstaltung mitder (ganz oder teilweisen) Aufführung unter katastrophalen Bedingungen gleich-zusetzen. Nicht von Bedeutung ist deshalb an dieser Stelle die Frage, ob die teil-weise Darbietung eines Theaterstückes für die Zuschauer überhaupt von Interesseist. (Während man dies bei einem Theaterstück verneinen wird, könnte man dies