Begleitmaterial für den Unterricht - RealFictionFilme · Schnitt: Monika Willi Casting: Lisa Oláh...

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Begleitmaterial für den Unterricht

Spielfilm l Österreich 2012 l 112 min

Sprachen: deutsch, englisch – FSK 12

Regie, Drehbuch: Barbara Albert

Kamera: Bogumił Godfrejów

Schnitt: Monika WilliCasting: Lisa OláhKostümbild: Veronika AlbertSzenenbild: Enid LöserMaskenbild: Martha RuessMusik: Lorenz DanglTon: Dietmar ZusonSounddesign & Mischung: Tobias Fleig Produzenten: Barbara Albert, Bruno WagnerKoproduzenten: Alex Stern, Janine Jackowski, Jonas Dornbach, Maren AdeProduktion: coop99 (Österreich)Koproduktion: Alex Stern Film, Komplizen FilmDrehorte: Wien, Berlin, Polen, Siebenbürgen (Rumänien)Förderung: Österreichisches Filminstitut, Filmfonds Wien, Filmstandort Ös-terreich,

Polish FIlm InstituteFernsehbeteiligung: ORF (Film/Fernseh-Abkommen), SWR, ARTEFertigstellung: August 2012Verleih: Real Fiction FilmverleihKinostart: 30. Mai 2013

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Inhaltsverzeichnis

Inhalt und Besetzung ...........................................................................................................4

Drehbuch, Regie: Barbara Albert ........................................................................................5KURZBIO .......................................................................................................................... 5AUTORINNENSTATEMENT ............................................................................................. 6REGIESTATEMENT ......................................................................................................... 7INTERVIEW ................................................................................................................... 8-9

Darsteller .......................................................................................................................10-12MUSIKLISTE .................................................................................................................. 12

Pressestimmen ...................................................................................................................13

Bildungsziele, Themen, Unterrichtsfächer .......................................................................14ANKNÜPFUNGSPUNKTE FÜR DIE PÄDAGOGISCHE ARBEIT ................................... 15

Modul 1: Geschichtsbewusstsein und audiovisuelle Medien .........................................16ARBEITSAUFTRAG 1-1: HISTORISCHE QUELLEN...................................................... 18ARBEITSAUFTRAG 1-2: RECHERCHE ÜBER SIEBENBÜRGENER-SACHSEN ......... 19ARBEITSAUFTRAG 1-3: ORAL HISTORY ALS HISTORISCHE QUELLE ..................... 20

Modul 2: Standpunkte und Argumente .............................................................................21ARBEITSAUFTRAG 2-1: DISKUSSION: DIE BIOGRAFIE DER FIGUR SITA ................ 21ARBEITSAUFTRAG 2-2: VERSTECKT – VERDRÄNGT – VERARBEITET – UND FERTIG? ................................................................................................................ 24

Modul 3: Persönliche Verantwortung – Damals und heute .............................................25ARBEITSAUFTRAG 3-1: PERSÖNLICHE VERANTWORTUNG – DAMALS UND HEUTE ................................................................................................... 26ARBEITSAUFTRAG 3-2: PERSÖNLICHE VERANTWORTUNG – WAS WÜRDE ICH TUN? ................................................................................................ 27

Modul 4: Mit Bildern erzählen ............................................................................................28ARBEITSAUFTRAG 4-1: MIT BILDERN ERZÄHLEN ..................................................... 29ARBEITSAUFTRAG 4-2: VERGLEICH VON FILMSTILLS ............................................. 30

Kontakt.................................................................................................................................35RÜCKFRAGEN UND BUCHUNGEN .............................................................................. 35

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Inhalt und Besetzung

SYNOPSIS

Sita ist eine junge Frau von 25 Jahren, lebt in Berlin und studiert Germanistik. Nebenbei macht sie kleine Jobs und bewegt sich im Großstadtleben mit einer hohen Frequenz.

Eines Nachts landet Sita im Atelier eines israelischen Fotokünstlers und etwas an Jocquin berührt Sita auf ungewohnte Weise. Er geht ihr nicht so schnell wieder aus dem Kopf, wie sie es eigentlich angenommen hatte.

Zum 95. Geburtstag ihres geliebten Großvaters fährt Sita nach Wien, wo auch ihr Vater Lenzi mit seiner neuen Frau und einem gemeinsamen kleinen Sohn lebt. Am Abend nach dem großen Fest stößt Sita in der Wohnung ihres Vaters auf ein Foto, das ihren Großvater in SS-Uniform zeigt.

Gegen den Willen ihres Vaters beginnt Sita in der Vergangenheit ihres Großvaters zu kra-men. Ihr wird zunehmend klar, dass nicht nur ihr Großvater, sondern auch ihr Vater ihr eini-ges verschwiegen haben. Sita bleibt hartnäckig: ein Dokument in einem Wiener Archiv führt sie nach Polen, ein Erinnerungsfoto des Großvaters nach Warschau.

Sita dringt immer tiefer in die Abgründe ihrer Familie vor. Auf dieser Reise in die Vergangen-heit der älteren Generationen begegnet sie unerwartet Jocquin wieder. Sitas Perspektive auf ihr eigenes Leben verdichtet sich. Als sie selbst an den Rand der Erschöpfung gelangt, muß sie erkennen, dass sie selbst die Schuld nicht abarbeiten kann.

BESETZUNG

Sita

Anna Fischer

Gerhard Weiss

Hanns Schuschnig

Lenzi, Sitas Vater

August Zirner

Jocquin

Itay Tiran

Silver

Daniela Sea

Michael Weiss

Winfried Glatzeder

Marianne, Sitas Mutter

Almut Zilcher

Gunther

Wanja Mues

Junge Frau

Emily Cox

Gerda, Lenzis Frau

Kristina Bangert

Archiv-Mitarbeiter in Warschau

Łukasz Czapski

Alte Frau in Siebenbürgen

Ekaterina (Kati) Kreh

Hausbesetzer

Bartek Gudejko

Arzt

Bernhard Köttnitz

Sebi

Tobias & David Gollner

Chor

Capella "Ars Musica"

unter der Leitung von

Maria Magdalena Nödl

Milli als Kind

Leoni Stella Berger

Milli als junge Frau

Marija Ognjanoska

Milli als ältere Frau

Martha Flaschka

Gerhard als junger Mann

Lucas Amesberger

Sita als Kind

Stella Aschauer

Seda

Maja Samchanova

Joshua

Franciszek "Franek" Norman

Jugendlicher (Raimund)

Karl-Alexander Seidel

Model (Sara)

Leoni Tenius

DÖW-Mitarbeiterin

Heidi Baratta

Sedas Bruder

Ramzan Magomadov

Student im Hörsaal

Konstantin Gerlach

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DREHBUCH, REGIE: BARBARA ALBERT

KURZBIO

Barbara Albert wurde 1970 in Wien geboren. Sie studierte zunächst Theaterwissenschaft, Germanistik und Publizistik bevor sie 1991 mit dem Regie- und Drehbuchstudium an der Wiener Filmakademie begann. Sie arbeitete als Regie- und Schnittassistentin und spielte als Schauspielerin unter anderem in "Memory of the Unknown" (Regie: Natalie Alonso Casale) und "Crash Test Dummies" (Regie: Jörg Kalt) mit. Ihren international erfolgreichen Kurzfil-men folgte der erste Langspielfilm "Nordrand", der 1999 bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigt wurde. Nina Proll gewann den Marcello Mastroianni-Preis als beste Nachwuchs-schauspielerin. Im selben Jahr gründete Barbara Albert gemeinsam mit Martin Gschlacht, Jessica Hausner und Antonin Svoboda die Produktionsfirma coop99. Barbara Albert fungier-te als Co-Autorin bei "Grbavica" (Goldener Bär bei der Berlinale 2006), "Slumming" (im Wett-bewerb der Berlinale 2006), "Das Fräulein" (Goldener Leopard in Locarno 2006) und "Strug-gle" (Cannes 2003). Außerdem schrieb sie das Drehbuch zum Spielfilm "Auswege" (Regie: Nina Kusturica, Berlinale 2004, Perspektiven des jungen Films). Als Produzentin war Barba-ra Albert mitverantwortlich für "Darwin's Nightmare" (Hubert Sauper), "Die fetten Jahre sind vorbei" (Hans Weingartner) und "Schläfer" (Benjamin Heisenberg).

Daneben war (und ist) sie als Gastprofessorin und Lektorin an mehreren Hochschulen in Ös-terreich und Deutschland tätig (Wiener Filmakademie, ifs Köln, KHM Karlsruhe, FH St. Pöl-ten). 2007 wurde ihr Sohn Tristan Sunny geboren, seit 2010 lebt sie in Berlin.

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AUORINNENSTATEMENT

DIE LEBENDEN ist ein Film über Schuld und Verantwortung. Nicht nur über die Schuld der Täter einst, sondern auch über Schuld und Verantwortung jeder einzelnen Person heute.

Im Mittelpunkt des Films steht eine Figur, SITA. Sie ist die zentrale Figur, um die alles kreist - und pulsierendes Herz des Films. Eine junge, energiegeladene Frau, die, ständig auf der Su-che, dabei auf dem Grat des alten und neuen Europa wandelt.

Das Wegschauen des Vaters ist der konventionelle Umgang mit der Familienschuld, Sita stellt sich dagegen, will hinschauen – und kann nur dadurch verzeihen. Erst durch ihr Akzep-tieren der Vergangenheit ihres Großvaters wird ein Verzeihen möglich, und erst durchs Ver-zeihen der Weg für einen Neuanfang geebnet.Meine eigene Familie kommt väterlicherseits aus Siebenbürgen, Rumänien – und so bin ich mit den Themen Verlust der Heimat und Entwurzelung aufgewachsen (auf ganz andere Wei-se habe ich in meinen Filmen NORDRAND und SOMEWHERE ELSE bereits das Thema be-handelt). Die Siebenbürger Sachsen sind durch den Zweiten Weltkrieg gleichermaßen zu Tä-tern und Opfern geworden. Meine Großtante wurde in russische Gefangenschaft verschleppt – andere Verwandte wur-den aufgrund ihrer freiwilligen Meldung zur SS oft aufgrund von Kriegsverletzungen als Wachpersonal in Konzentrationslagern eingesetzt.

Dem Drehbuch liegen viele Reisen an die Orte, die auch Sita besucht, aber auch Recher-chen im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands in Wien, im Jüdischen Mu-seum in Warschau und in Archiven in Berlin, zugrunde.Über meinen Großonkel und Schriftsteller Dieter Schlesak (zuletzt: „Capesius – der Ausch-witzapotheker“) konnte ich viel handgeschriebenes Material und Aufzeichnungen von Inter-views mit Auschwitz-Überlebenden sowie Tätern einsehen. Aber auch Texte von Daniel Jo-nah Goldhagen („Schlimmer als Krieg. Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist“) haben mich beeindruckt.

In den letzten Jahren hat es einige AutorInnen und FilmemacherInnen gegeben, die mit der eigenen Familiengeschichte an die Öffentlichkeit gegangen sind (z.B. Marcus J. Carney in „The End of the Neubacher Project“, Malte Ludin in „2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“, Claudia Brunner und Uwe von Seltmann in „Schweigen die Täter reden die Enkel“, Kathrin Himmler in „Die Brüder Himmler“).Ich wollte über die eigene Familiengeschichte hinaus eine Allgemeingültigkeit und eine Ver-bindung zum Heute schaffen. Unter anderem aus diesem Grund sind die Figuren der politi-schen Aktivistin SILVER und die Figur der SEDA, eine Frau, die aus Tschetschenien geflohen ist, entstanden.

Ich wollte Zusammenhänge hinterfragen, nicht Buße für alte Schuld einfordern.Nicht das Wiederkauen der Schuld war mir ein Anliegen, nicht der Versuch, das Grauen 1:1 zu zeigen, sondern eine ganz neue Fragestellung hat mich beschäftigt: Wo liegt unsere Ver-antwortung heute? Wo beginnt Menschenverachtung? Wo führt sie hin? Wer sind die Täter, wer die Opfer heute?

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REGIESTATEMENT

Gesichter und Körper als Zentrum des Films, Gesichter und Körper, die sich immer mehr ver-lieren, irritiert sind, ‚die Welt nicht mehr verstehen’, aus dem Konzept gebracht sind und ab-stürzen, den Boden verlieren. Getriebene und vertriebene Menschen – und dann immer wie-der dazwischen leuchtende Einzelfiguren, die etwas wollen, die leben, die Fragen stellen und pulsieren. Der Umgang mit dieser Energie war auch Zentrum meiner Regieüberlegungen. Der Anspannung, ausgedrückt durch die bewegte Kamera und die nahen Einstellungen auf Gesichter in der Stadt (Berlin und Wien), stehen die Weite des trüben Winterhimmels (in Warschau) und der siebenbürger Wiesen gegenüber. Neben diesen Landschaften woll5te ich Gesichter und Körper zu eigenen Landschaften werden lassen.

"Die Lebenden" ist auch ein Film über das Bild.Sita, die als Praktikantin im TV-Sender Bilder sammelt, Bilder, die später relativiert werden, und Bilder, die Sita im Zuge ihrer Recherche findet. Bilder von Vergangenem, Bilder, die im-mer nur einen Ausschnitt der Wahrheit zeigen. In der Kameraarbeit haben wir versucht, Sitas Irritation über die Familienvergangenheit, aber auch über sich selbst, ihre eigenen Gefühle, auszudrücken. Neben ungewöhnlich nahen Ein-stellungen, die der Weite der Welt (=Landschaft und Stadt) gegenüber stehen, gibt es auch Einstellungen, in denen die Figuren am Rand stehen. Sie kippen aus dem Bild, aus der Welt. Der Energie des Films entspricht eine ‚pulsierende’, ‚atmende’ Kamera mehr, als eine ‚elegi-sche’. Wir wollten versuchen, Bilder zu schaffen, die einen beinahe physisch berühren, die einem nahe gehen, ohne dass wir je absichtsvoll Grausamkeit und Leid zeigen.Auch unterstützen für mich Nahaufnahmen den Versuch, verstehen zu wollen, genau hinse-hen und untersuchen zu wollen, woher Gewalt, Verachtung und vielleicht auch der Verlust von Mitgefühl kommen.

Sita, die sich auf ihrer Vespa, mit der Bahn oder dem Flugzeug – oder auch einfach laufend – bewegt, repräsentiert den schnellen Pulsschlag des Heute. Michael Weiss und Gerhard Weiss in ihrer Umgebung, dem Stuttgarter Reihenhaus, dem Altersheim und Siebenbürgen, stehen für die Vergangenheit.So ist "Die Lebenden" vielleicht auch als Roadmovie zu verstehen.Im Kontrast dazu friert der Film dann aber in einem Moment fast ein. Wenn wir mit Sita im Stuttgarter Reihenhaus sind, entspricht der Rhythmus Sitas Einsamkeit – im Hintergrund der Albtraum, den Sitas Großvater in den Videoaufnahmen verkörpert.Das Hin- und Wegschauen sollte hier als Thema mitschwingen. Der Blick auf den Täter und SS-Offizier Gerhard Weiss ist ein undeutlicher Blick, ein Blick auf ein Videobild in niedriger Auflösung – oder ein zensierter Blick: der Blick auf den Hausschuh, das Tischbein. Ich will mit dem verbotenen Blick spielen, will tabuisierte Blicke aufdecken, ohne ‚reißerisches’ Mate-rial zu verwenden.

Das Musikkonzept des Films beruht auf den zwei Polen, zwischen denen sich Sita bewegt. Auf der einen Seite ihr pulsierendes Leben als junge Frau in Berlin, auf der anderen Seite die alte Musik des Vaters, die die Welt verkörpert, aus der sie, geprägt von ihrer siebenbürgi-schen Herkunft, kommt. Am Ende des Films wird sich die alte Musik verwandelt haben. Das Henry Purcell Thema aus der Oper "King Arthur" hat der Filmkomponist Lorenz Dangel zu diesem Zweck ganz neu arrangiert (Gesang Monica Reyes).

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INTERVIEW

mit Gunther Baumann / Celluloid

Eine junge Frau von heute erkundet die Nazi-Vergangenheit ihres Großvaters: Das ist ein ungewöhnlicher Plot für einen Spielfilm im Jahre 2012, also 67 Jahre nach dem Ende der Diktatur.

Ich habe mich mit diesem Thema, ausgelöst durch Geschehnisse in meiner Familie, seit Jah-ren beschäftigt. Ich finde aber auch, dass 2012 ein reichlich später Termin für so einen Film ist: Weil die Tätergeneration stirbt und weil es nur noch wenige gibt, die darüber authentisch sprechen können – vorausgesetzt, sie sind überhaupt bereit dazu. Es geht um Täterschaft, um Schuld und Verantwortung. Ich war aber häufig mit dem Einwand konfrontiert, so ein The-ma wolle niemand mehr. Das sei schon oft genug durchgekaut worden.

Wie haben Sie auf diesen Einwand geantwortet?

Ich sagte, es gibt zwar viele historische Filme, die zeigen, dass die Täter böse und dass die Opfer gut waren, aber es gibt nicht so viele Filme, die sich auf die Grauzonen konzentrieren. Ich wollte einen Mann zeigen, der eigentlich ein lieber Opa ist – doch hinter seiner Fassade werden plötzlich tiefdunkle Flecken sichtbar. Sita, die 25-jährige Hauptfigur des Films, gerät dadurch in einen Gewissenskonflikt: Wie stehe ich jetzt zu dem Mann? Es wäre zu einfach, den Großvater, der einst KZ-Wachmann in Auschwitz war, als Monster zu stilisieren. Daraus lernen wir nichts, das hilft uns nicht. Denn wir ahnen selber, dass das Böse auch in uns schlummern könnte – dass wir selbst zu Tätern werden könnten.

Inwieweit ist der Großvater aus dem Film eine authentische Figur?

Mein Großvater stammte aus Siebenbürgen, wo viele junge Männer zur SS gingen: aus pragmatischen Gründen - weil sie mehr bezahlt bekamen als bei der rumänischen Armee - aber auch aus Überzeugung. Er war später selbst Wachmann der SS, sagte aber, dass er nie jemanden umgebracht habe. Ich habe mit meinem Großvater nie darüber gesprochen. Er starb 1999, während ich „Nordrand“ drehte, und ich habe das alles damals noch gar nicht ge-wusst. Ich recherchierte seine Geschichte erst nach seinem Tod. Ich hätte ihn sehr gern zu seiner Vergangenheit befragt. Vielleicht ist auch deshalb der Film entstanden.

Haben Sie Ihrem Großvater posthum verziehen?

Ich bin nicht in der Position, ihm zu verzeihen. Es wäre anmaßend. Da nähme ich mich zu wichtig in dieser Geschichte. Am Anfang, als ich erfuhr, was geschehen war, spürte ich viel Erschütterung und Scham. Schuldgefühle helfen aber nicht weiter. Ich habe diese Geschich-te, psychologisch gesprochen, integriert. Ich verstehe, wo ich herkomme, und kann auf die-ser Basis aktiv schauen, wo ich Verantwortung übernehmen und dazu beitragen kann, dass so etwas nicht mehr passiert.

Sie sind Mutter eines fünfjährigen Sohnes. Wie lässt sich das mit der aufreibenden Arbeit einer Filmregie verbinden?

Ich habe mit Titus Selge einen Mann, der auch Regisseur ist und der das alles kennt. Wir wechseln uns in der Kinderbetreuung ab. Die intensive Zeit beim Dreh von „Die Lebenden“ dauerte vier Monate. Das war heftig und für uns alle nicht einfach, da ich dauernd unterwegs war. Es gibt Regisseurinnen, die mit einem Baby zum Set kommen, aber das könnte ich

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nicht.. Denn bei einem Filmdreh und im Familienleben gibt es höchst unterschiedliche Ener-gien. Das Filmemachen und die Familie sind sehr schwer zusammenzubringen.

Beim Festival Cannes gab es heuer die Klage, dass keine Filme von Regisseurinnen einge-laden wurden. Ist das Geschlecht wichtig beim Filmemachen oder ist das egal?

Wenn in Cannes kein Film einer Frau im Wettbewerb läuft, dann macht mich das richtig wü-tend. Ich finde es problematisch, wenn bei einem Festival, das das Welt-Filmschaffen reprä-sentiert, keine einzige Frau am Start ist. Vielleicht ist es ja so, dass Frauen Filme anders er-zählen als Männer. Aber da möchte ich mich gar nicht weit vorwagen. Ich selbst möchte nicht in die Schublade Frauenfilm gelegt werden. Schließlich gibt es so viele unterschiedliche Ar-ten Filme zu erzählen.

Warum gibt es so viel weniger Frauen als Männer im Regisseursberuf?

Es gibt gar nicht weniger. Sie kommen nur nicht so viel zum Arbeiten. Es scheint noch immer die seltsame Ansicht verbreitet zu sein, dass das Filmemachen für Frauen so eine Art Hobby ist und dass sie nicht ihre Familie damit ernähren müssen.

Sie sind, als Partnerin der Wiener Filmfirma Coop99, auch als Produzentin aktiv.

Das ist sehr wichtig. Die Coop99 ist für mich in einer Zeit, in der es immer schwieriger wird, Filme zu finanzieren, eine Art Insel, die es schafft, auf vielleicht unorthodoxe Weise gute Pro-jekte zu stemmen. Auch „Die Lebenden“: Weil ich selbst produziert habe, konnte ich diesen Film machen. Es war aber sehr, sehr schwer, in Deutschland Produktionspartner zu finden, bis die Komplizen-Film einstieg. Die sind auch richtige Komplizen geworden…

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Darsteller

ANNA FISCHER – SitaAnna Fischer wurde am 18. Juli 1986 in Berlin geboren. Sie ist im Fernsehen mit ihrer Darstellung ungewöhnlicher Figuren auf-gefallen und hat dafür in den letzten Jahren mehrere Preise er-halten: 2009 den Deutschen Fernsehpreis als beste Nebendar-stellerin in "Wir sind das Volk" und ebenfalls 2009 den Adolf-Grimme Preis für die beste Hauptrolle im Mehrteiler "Teufelsbra-ten". 2006 wurde sie auf dem Max-Ophüls-Preis Filmfestival ‘entdeckt’; sie erhielt dort den Preis als beste Nachwuchsdar-stellerin in "Liebeskind"

PREISE2011 Gewinnerin DIVA AWARD als Schauspielerin des Jahres 2010 für ihr Schauspiel in "Groupies bleiben nicht zum Früh-stück", "Wir sind die Nacht" und "Masserberg"2009 Deutscher Fernsehpreis als Beste Nebendarstellerin in den Mehrteilern "Die Rebellin" und "Wir sind das Volk

HANNS SCHUSCHNIG – Gerhard Weiss, Sitas Großvater

Hanns Schuschnig ist in Siebenbürgen geboren und war dort viele Jahre an Theaterhäusern tätig. Sein umfangreiches Schaf-fen umfasst Inszenierungen vom Kammertheater über Freilicht-spiele bis zur Oper, Bühnenbilder, Kostüme und Choreografien. Als Schauspieler ist er nur gelegentlich (allerdings in bedeuten-den Rollen) aufgetreten. Seine Filmografie beschränkt sich auf "Die Lebenden".

AUGUST ZIRNER – Lenzi, Sitas Vater

August Zirner wurde 1959 als Sohn österreichischer Emigranten in Urbana/Illinois in den USA geboren. Nach seinem Schauspielstudium am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, stand der vierfache Vater für zahlreiche Theaterproduktionen in Wien, Hannover, Wiesbaden, München, Salzburg oder Zürich auf der Bühne. Seit über 25 Jahren ist August Zirner auch vom Bildschirm und von der Leinwand nicht mehr wegzudenken.←←

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ITAY TIRAN – Jocquin, der Fotokünstler

Itay Tiran studierte ursprünglich Klavier am Petach Tivka Municipal Conservatory und beendete sein Studium an der Thelma Yellin High School of the Arts. Danach, 1999, begann er an der Beit Zvi Acting School nahe von Tel Aviv seine Schauspielausbildung. Schon wäh-rend seiner Ausbildung war er Ensemblemitglied am Cameri Theater in Tel Aviv, wo er auch 2006 als "Hamlet" den "Best Actor Award", einen Preis der Israelischen Theater, gewann. Neben regelmässigen Auftritten in israelischen Fernsehserien spielte er in Filmen wie "For-givness", "Beaufort" (Silberner Löwe bei den Filmfestspielen 2007 in Venedig und Nominierung für die Academy Awards als bester fremd-sprachiger Film 2008) oder "Lebanon" (Samuel Maoz-Goldener Löwe in Venedig 2009), wo er in einer Hauptrolle zu sehen ist.

DANIELA SEA – Silver die Aktivistin

Die US-Amerikanerin Daniela Sea arbeitet als Schauspielerin, Filme-macherin und Künstlerin im Film-, Performance- und Musikbereich. Einige Jahre verbrachte sie auf Reisen durch West- und Osteuropa und durch Asien. Die Erfahrungen auf dieser Wanderschaft haben ihr Verhältnis zum Leben und zu ihrer Arbeit stark beeinflusst. Mit 16 Jahren verließ sie die USA das erste Mal, um andere Lebensformen zu erforschen. Die darauffolgenden Jahre haben sie - neben vielen anderen Stationen - wie die Figur "Silver" nach Polen geführt, aber auch ein halbes Jahr lang nach Indien, wo sie sich in der Zeit als Mann ausgegeben hat.←Zurück in den USA hat sie versucht, die Grätsche zwischen Bildender Kunst, Independent Music und Schauspiel zu schaffen, um ihr exzen-trisches Leben letztlich auf die Leinwand zu bringen. Bahnbrechend war ihre Rolle als "Max" in der Fernsehserie "The L Word" (Showti-me). Außerdem war sie in John Cameron Mitchells "Shortbus" und in Jamie Babbit's "Itty Bitty Titty Committee", Amie Siegel's "Black Moon" und Erika Vogts "Geometric Persecution" zu sehen.←Als Regisseurin debütierte sie mit dem Experimentalfilm "Stick, Stick, Stuck" mit Dawn Kasper und Eden Batki. Derzeit arbeitet sie an ei-nem Langspielfilm und einem Dokumentarfilmprojekt.←Ihre Zusammenarbeit mit dem Musiker Will Schwartz ("Imperial Teen", "Hey Willpower") lässt sie in Gallerien, Theatern und Museen in Los Angeles auftreten. Das Stück "beach, a.k.a. untitled", in dem sie die Migrations- und Genderbewegung mittels Sound, Film und Live Per-formance erforscht, hat sie nicht nur geschrieben, sondern spielt dar-in auch selbst die Hauptrolle.

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WINFRIED GLATZEDER – Michael Weiss, Sitas Onkel

Winfried Glatzeder ist der charmant schlaksige Paul in "Die Legende von Paul und Paula" (1973). Mit dieser Rolle wird der Schauspieler bis heute in Verbindung gebracht, der Film hat Kultstatus. Aber auch in anderen Rollen, etwa als Doktorand Erwin Graffunda und als Till Eulenspiegel macht sich der Darsteller bei der DEFA einen Namen und wird Mitte der 70er Jahre zum Publikumsliebling. In rund 20 DE-FA-Kino- und -Fernsehfilmen steht er vor der Kamera. 1982 verlässt er mit seiner Familie die DDR.

MUSIKLISTE

Ifall – Gustav

← Musik: Eva Jantschitsch, Elise Mory, Oliver Stotz – Text: Eva Jantschitsch – Mit freundlicher Genehmi-gung von Mute International Ltd./Edition Stumm, Söder & Wacha und Chicks on Speed Records

Minuit Passé

← Musik & Text: Fabrice Mauss – Veröffentlich von Lili Louise Musique – Beniceformusic Publishing Mit freundli-cher Genehmigung von Lili Louise Musique

Odessa – Caribou

← Musik & Text: Dan Snaith © Chrysalis Music Ltd. – Mit freundlicher Genehmigung von City Slang und Chrysalis Music Holdings GmbH

Deadness – Darkstar

← Musik & Text: Aidan Whalley, James Young (P)&© Hyperdub 2010 – Veröffentlich von Warp Music Publishing – Mit freundlicher Genehmigung von Hyperdub Ltd. und Warp Music Publishing

Marked – EMA

← Musik & Text: Erika M. Anderson – Veröffentlich von CEUSO – Mit freundlicher Genehmigung von CEUSO und City Slang

Die Krähe (Eine Krähe war mit mir) D911, 15 c-Moll

← Musik: Franz Schubert – Text: Wilhelm Müller – aus "Winterreise" – Piano: Elena GertchevaAgresja

← Musik & Text: Ignacy BurzynskiBoat Turns Toward The Port – Soap & Skin

← Musik & Text: Anja Plaschg, Georg Janosievics 2012 Solfo. – Released under exclusive license to Play It Again Sam Play It Again Sam is a label of the [PIAS] Entertainment Group 2012 © Strictly Confidential Belgium – Mit freundlicher Genehmigung von Strictly Confidential Germany GmbH und [PIAS] Entertainment Group 2012

Von guten Mächten

← Musik: Otto Abel – Lyrics: Dietrich Bonhoeffer – © für Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München – Mit freundlicher Genehmigung von Merseburger Berlin GmbH und Güterslo-her Verlagshaus

Minuit Passé

← Accoustic Version performed by Alev Lenz – Musik & Text: Farbrice Mauss – Veröffentlich von Lili Louise Musi-que – Beniceformusic Publishing – Mit freundlicher Genehmigung v. Lili Louise Musique & Alev Lenz

What Power art thou (aus King Arthur von H. Purcell)

← Deller Consort & Choir. Leitung Alfred Deller – © harmonia mundi s.a., 2012 – Mit freundlicher Genehmigung der Harmonia Mundi s.a.

The End Of The World – The Base

← Musik: Arthur Kent – Lyrics: Sylvia Dee – © Copyright 1962 Edward Proffitt Music / Music Sales Corp. – Mit fre-undlicher Genehmigung der Bosworth Music GmbH, Berlin, PEERMUSIC (Germany) GmbH und The Base

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Pressestimmen

Unter großem Applaus feierte Barbara Albert mit ihrem neuen Film „Die Lebenden“ am Dienstag auf dem Internationalen Filmfestival von San Sebastian seine Weltpremiere.

www.oe24.at

Die Art, wie hier die alte Geschichte von Schuldgefühlen der Täter-Nachkommen als kunst-volle Spurensuche betrieben und wie dabei einem jungen Publikum ganz undidaktisch viel über jene Zeit der Barbarei vermittelt wird, ist meilenweit von dem entfernt, was in «Venuto al mondo» als Spurensuche blosse Behauptung geblieben ist.

www.nzz.ch

„Die Lebenden“ ist Barbara Alberts bisher souveränster Film. Die Autorin/Regisseurin nähert sich dem sperrigen Stoff mit cineastisch leichter Hand; sie lässt die Dinge fließen, ohne je-mals belehrend zu wirken. So ist der Film ein großes Kinodrama, das nicht nur einen Blick zurück wirft, sondern auch sehr heutige Themen verhandelt: Die Suche nach der eigenen Identität (bei Sita). Und die Sehnsucht ihrer von Migration und Multi Kulti geprägten Generati-on nach Heimat und einer gemeinsamen europäischen Identität. Sehr sehenswert.

Celluloid, Gunther Baumann

Gerade weil Albert sich um Perfektion und dramaturgische Korrektheiten nicht schert, weil sie subjektiv und voller Leidenschaft erzählt, ist "Die Lebenden" ein hochspannender Film ge-worden. Neben dem Mut dieser wunderbaren, sehr besonderen Regisseurin, und ihrem im-mer wieder großartigen Umgang mit Musik - Höhepunkt ist eine Elektro-Version von Purcells "King Arthur" - ist dies der Film der Hauptdarstellerin: Anna Fischer umschifft hier viele Klip-pen und ist eine Schauspielerin, an der man sich nicht sattsehen kann.

Rüdiger Suchsland, Schwäbische Zeitung anlässlich der Hofer Filmtage

Sitas Blick auf die Welt ist weit offen, jedoch verunsichert; das spiegelt sich schön in den un-ruhigen Super-16mm-Handkamera-Bildern des aus Polen stammenden Bogumil Godfrejów (der mehrmals, aktuell bei Was bleibt, mit Hans-Christian Schmid gearbeitet hat). Brüchige Stimmungen und Befindlichkeiten zwischen Menschen in atmosphärisch wirksame Bilder zu übersetzen und mit wesensgleicher Musik zu stützen, war schon immer eine Stärke von Bar-bara Albert.

Roman Scheiber, ray Filmmagazin

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Bildungsziele, Themen und UnterrichtsfächerFür den Schulunterricht ab 8. Schulstufe; Kinder- und Jugendbildung ab 12 Jahre (FSK 12)

THEMENBEREICHE Gesellschaft, Ethik, Geschichte, Zeitzeugen, Politik,Generationen, Wahrheit, Aufarbeitung, Werte, Wertschätzung Selbstverwirklichung, Instrumentalisierung, Mut, Angst, Respekt

UNTERRICHTSFÄCHERGeschichte, Politik, Sozialkunde, Gemeinschaftskunde, ErdkundeReligion/Ethik, Psychologie, Philosophie, Deutsch, fächerübergreifender Unterricht, Projektunterricht

ALLGEMEINE BILDUNGSZIELE Leitvorstellungen, Wissensvermittlung, Kompetenzen, Religiös-ethisch-philosophische Bildungsdimension

BILDUNGSBEREICHE Sprache und Kommunikation, Mensch und Gesellschaft, Kreativität und Gestaltung

DIDAKTISCHEN GRUNDSÄTZE Interkulturelles Lernen, Förderung durch Differenzierung und Individualisierung, Stärken von Selbsttätigkeit und Eigenverantwortung, Herstellen von Bezügen zur Lebens-welt, Bewusste Koedukation und Geschlechtssensible Pädagogik

ALLGEMEINE ZIELSETZUNGENSelbstständiges Lernen und Handeln Eigene Fähigkeiten und Bedürfnisse erkennen und weiterentwickeln Handlungsbereitschaft entwickeln und Verantwortung übernehmen Ein weltoffenes, gesellschaftlich-historisches Problembewusstsein ausbilden Herausforderungen und Problemlagen erkennen, strukturieren und kreative Lösungsstrategi-en entwickeln Kommunikative und kooperative Kompetenzen sowie Konfliktkultur entwickeln Organisatorische Zusammenhänge begreifen und gestalten

VORSCHLAG

Projektunterricht anhand von „Die Lebenden“ – fächerübergreifend.

Wie kann der Zusammenhang zwischen historischem Unrecht und persönlicher Verantwor-tung (damals wie heute, als Nachkomme) aufgearbeitet werden? Ist in dem Zusammenhang Gerechtigkeit möglich? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

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ANKNÜPFUNGSPUNKTE FÜR DIE PÄDAGOGISCHE ARBEIT

GENERATIONENAUSTAUSCH – PSYCHOLOGISCH, SOZIOLOGISCH, PHILOSOPHISCHBeziehungsgeflecht Familie: Vertrauen, Verantwortung, Verdacht und Verdrängung: Was will ich wissen? Wie weit darf ich mit meinen Fragen gehen? Wie gehe ich mit den Antworten um?Lebt die (Familien-)Geschichte in mir fort - auch in der Zukunft?

UMGANG MIT ZEITZEUGEN – GESCHICHTLICH, WISSENSCHAFTLICH, KREATIVWie kommt Vergangenheit ins Bild? Gibt es eine ‚richtige‘ Darstellung von Geschichte? Was ist „wahr“, was ist Interpretation? Was sind historische Quellen? Welche Rolle spielt „Oral History“ für die Geschichtsschreibung?

GESCHICHTE ENTDECKEN – POLITISCH, HISTORISCH, WISSENSCHAFTLICHUnterschiedliche Versionen derselben „Geschichte“. Wer definiert, was war? Ist Geschichte wirklich vergangen oder wird sie erst (immer wieder neu) geschrieben? Welche Rolle spielt Geschichte für die Gegenwart? Nähere Betrachtung der Rolle von TV und Medien für das vorhandene Geschichtsbild.

RECHERCHE HINTERGRUND – GESCHICHTLICH, MEDIENKOMPETENZ, WISSENSCHAFTLI-CHES ARBEITEN, INFORMELLES ARBEITEN

Anhand einer eigenständigen Recherche über die Fakten des 2. Weltkrieges und seiner his-torischen Aufarbeitung kann ein eigenständiges Bewusstsein entwickelt werden: Welche Quellen sind glaubwürdig, welche nicht und warum ist das so? Welcher Version der Geschichte kann ich glauben?Dazu werden Anregungen und Quellen sowohl zum historischen Fakten rund um das Thema 2. Weltkrieg (Ostfront, Arisierung, Warschauer Ghetto und Konzentrationslager, SS und Wehrmacht und deren Rolle im Krieg) zusammen gestellt als auch zur Aufarbeitung der Ver-gangenheit in Österreich (Stichworte: Staatsvertrag, Opfermythos, Entnazifizierung, Wald-heimdebatte, Wehrmachtsausstellung, Neonazismus).

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Modul 1: Geschichtsbewusstsein und audiovisuelle Medien

Wie kommt Geschichte ins Bild bzw. in unser Bewusstsein? Welche Rolle spielen dabei die Medien? Wie wird Geschichte gemacht? Wie wird „Wirklichkeit“ gemacht? (Stichwort: Sitas Arbeit als Videoreporterin für eine Cas-tingshow vs. „Oral History“ als Quelle der Geschichtsschreibung)Eine Recherche der Voraussetzungen und Aufgaben für mediale Berichterstattung, und de-ren geschichtlichen Auswertung, dient dazu, die persönliche Wahrnehmung in seiner Ge-samtheit zu betrachten und kritisch zu bewerten.

DIE GANZE WAHRHEIT – GIBT ES DIE?

Im Jahr 1986 warb die britische Zeitung „The Guardian“ mit einem TV-Spot um Leser, in dem Sie ein und die selbe Situation aus drei verschiedenen Perspektiven zeigte – und damit die Seher/innen zu drei völlig verschiedenen Schlussfolgerungen verleitete. Erst in der dritten Einstellung für diese Szene zeigt der kurze Clip die gesamte Information – und sorgt so für ein überraschendes Aha-Erlebnis. Zu sehen ist der Spot auf Youtube: The Guardian Commercial - Points of View (http://youtu.be/27XAhBu4XjE).

Bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte, mit historischer Wahrheit, ist die Sache nicht so einfach. Welche Betrachtungsweise, wessen Interpretation stimmt? Und kann man je si-cher sein, dass man wirklich alle relevanten Informationen zu einem geschichtlichen Thema kennt? Wer entscheidet eigentlich, was relevant ist und woher kann man Informationen be-ziehen?Gerade im Kino ist die Grenze zwischen historischen Fakten und Fiktion oft sehr schwer zu erkennen. „Er wolle keine ,Geschichtsstunde‘ geben, sondern Geschichte auf seine eigene Weise erzählen, lautete die Erklärung von Regisseur Quentin Tarantino für seinen laxen Um-gang mit der Faktizität historischer Zeitläufe.“ Sandra Nuy von der Universität Siegen unter-sucht in Ihrem Text Erinnerung und Fiktion (http://www.bpb.de/apuz/141905/erinnerung-und-fiktion) die unterschiedlichen Zugänge zur historischen Wahrheit bei einigen Meilensteinen der Kinogeschichte, die sich mit dem 3. Reich auseinander setzen, wie eben „Inglorious Bas-terds“ von Quentin Tarantino, „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg oder „Shoa“ von Clau-de Lanzmann.

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„Film oder, allgemeiner, Medien schaffen somit nicht nur Räume, in denen die Auslegung von Vergangenheit verhandelt wird, sondern sie nehmen auch Einfluss auf das "Wie" der Erinne-rung.“ zitiert sie darin Harald Welzer1.

Autorin und Regisseurin Barbara Albert hat mit DIE LEBENDEN einen Film gedreht, in dem die historische Wahrheit, die Ebene der Fakten, mit der persönlichen, autobiographischen Familiengeschichte und – wie sie selbst sagt (vgl. Autorinnenstatement auf S. 5) – erfunde-nen Figuren: „Ich wollte über die eigene Familiengeschichte hinaus eine Allgemeingültigkeit und eine Verbindung zum Heute schaffen. Unter anderem aus diesem Grund sind die Figu-ren der politischen Aktivistin SILVER und die Figur der SEDA, eine Frau, die aus Tschetsche-nien geflohen ist, entstanden.“

Zugleich thematisiert sie im Film selbst, wie „Geschichte gemacht wird“. In ihren Worten (vgl. Regiestatement S. 6): "DIE LEBENDEN ist auch ein Film über das Bild. Sita, die als Prakti-kantin im TV-Sender Bilder sammelt, Bilder, die später relativiert werden, und Bilder, die Sita im Zuge ihrer Recherche findet. Bilder von Vergangenem, Bilder, die immer nur einen Aus-schnitt der Wahrheit zeigen.“

Wichtig ist daher, ein Bewusstsein zu entwickelt, was als historisch gesicherte Tatsache gel-ten kann, was Interpretation und was frei erfunden ist. Welche Teile einer Geschichte sind künstlerische Ausschmückungen, bis wohin sind sie hilfreich, um einen historischen Zusam-menhang oder auch „nur“ das Lebensgefühl einer vergangenen Epoche verständlich und nachvollziehbar zu machen und ab wann wird die Geschichte verfälscht – sei es bewusst und absichtsvoll oder unbewusst.

Eine umfassende Auflistung über Quellen („jede historische Informationsgrundlage“) für historisches Arbeiten hat Mag. Heinz Berger vom Ludwig Boltzmann Institut für Historische Sozialwissenschaften im Rahmen des Projektes „Geschichte Online“2 der Uni Wien zur Ver-fügung gestellt: http://gonline.univie.ac.at/htdocs/site/browse.php?a=4237&arttyp=k.

Empfehlenswert ist auch das Medienbegleitheft zum Thema: ZeitzeugInnen im Film im BMUKK Medienpoool: http://www.bmukk.gv.at/medienpool/23373/thmbhzz_2012.pdf

Nachfolgend nun drei konkrete Vorschläge für Übungsaufgaben:

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1 Harald Welzer, Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, München 2005; Interessant auch das Fachbuch von Michael Elm: „Zeugenschaft im Film. Eine erinnerungskulturelle Analyse filmischer Erzählungen des Holo-caust“, Berlin 2008 (vgl.: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/3955)2 Das Projekt Geschichte Online (http://gonline.univie.ac.at) wurde vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte und vom Institut für Geschichte der Universität Wien zusammen mit KooperationspartnerInnen historischer Institute an den Universitäten Basel, Graz, Klagenfurt, Innsbruck, München, Salzburg und Wien durchgeführt.

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ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 1 - 1:

HISTORISCHE QUELLEN Teilt euch in zwei Gruppen auf.

Gruppe A:

Welche Art von Quellen nutzt Sita bei Ihrer Recherche über ihren Großvater?Versucht, eine möglichst vollständige Liste zu erstellen.

Überlegt zu jeder Quelle folgende vier Fragen:1. Was für eine Art Quelle liegt vor (z.B.: gedruckter/handgeschriebener Text, Bild, Video,

Dokument, Erzählung etc.)?2. Aus welcher Zeit stammt die Quelle?3. An wen war die Botschaft der Quelle ursprünglich gerichtet?4. Wie glaubwürdig ist die Information der Quelle?

Gruppe B:

Besorgt euch eine Tageszeitung, ein Wochen- oder Monatsmagazin. Durchforstet sie nach Inhalt en, die historische Informationen enthalten. Unterscheidet dabei:1. Aktuelle Berichterstattung Stellt euch vor, ein/e Historiker/in will in 100 Jahren genau die Ausgabe der Zeitung, die Ihr in Händen hält, als Quelle verwenden. Wie verlässlich ist die Information, die er/sie darin findet? 2. Berichte über historische Themen Wann beginnt Geschichte? Muss sich ein Artikel klar schon in der Überschrift und im Haupt-thema darauf beziehen, damit er als Beitrag zu einem historischen Thema wahrgenommen wird? Oder kann nicht auch ein Absatz zu der Vorgeschichte einer aktuellen Story schon als eine Art „Geschichtsschreibung“ gesehen werden?

Achtet dabei auf folgende Punkte:a. Ist in den Artikeln belegt, woher eine Information stammt? Welche Arten von Quellen werden in den Artikeln genannt?b. Sind Aussagen in den Artikeln exakt (Angaben zu Zeit, Ort, handelnden Personen)?c. Sind Aussagen zu Fakten und Meinungsäußerungen gut ersichtlich voneinander ge-trennt?d. Sind alle Informationen in der Zeitung/dem Magazin gleich glaubwürdig? Wenn nicht, was ist glaubwürdiger, welchen Informationen traut ihr nicht?

Abschluss

Referiert wechselseitig eure Ergebnisse und vergleicht die Schlussfolgerungen, die sich aus der Beantwortung der jeweils gestellten Fragen ziehen lassen. Sind Informationen aus zeit-genössischen Medien glaubwürdiger als Quellen aus den 3. Reich? Bzw. welche Art von In-formation kann aus welcher Quelle bezogen werden. Versucht, die wichtigsten Punkte in ei-ner Liste festzuhalten.

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ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 1 - 2:

RECHERCHE ÜBER SIEBENBÜRGEN-SACHSEN

Teilt euch in zwei Gruppen auf.

Gruppe A:

Die eine Gruppe beschäftigt sich mit der Seite:http://www.siebenbuerger.de/portal/land-und-leute/siebenbuerger-sachsen/

Gruppe B:

Die andere Gruppe beschäftigt sich mit der Seite:http://de.wikipedia.org/wiki/Siebenbürger_Sachsen

Jede Gruppe macht eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen.

Stellt eure Informationen gegenseitig vor und bewertet anhand folgender Kriterien die Glaub-würdigkeit der Quellen.http://geschichtsunterricht.wordpress.com/2012/04/25/qualitatscheck-von-wikipedia-artikeln/

Abschluss

Reflektiert und diskutiert über die verschiedenen Stile und Methoden, wie das Thema behan-delt wird. Was bedeutet das in Bezug auf die Recherche von Sita im Film? Was weiß sie über die Wurzeln ihrer Familie als Siebenbürger Sachsen? Was will sie wissen? Welche Möglich-keiten stehen ihr zur Verfügung mehr über die Geschichte ihrer Familie zu erfahren? Welche historischen Quellen stehen ihr zur Verfügung? Wie groß ist die Glaubwürdigkeit dieser Quel-len?

Beschäftigt euch in diesem Zusammenhang mit dem Artikel „Geschichtskultur im Netz“:http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/10090Sammelt Vor- und Nachteile dieser Entwicklungen, und diskutiert anschließend den mögli-chen Einfluss auf unser zukünftiges Geschichtsverständnis.

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ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 1 - 3:

ORAL HISTORY ALS HISTORISCHE QUELLE

Drei Kleingruppen erarbeiten anhand der verschiedenen Handouts zum Thema „Interview“jeweils ein Plakat:

Gruppe A:

Lernmaterialien fur die interkulturelle Radioausbildung (2006) – Interaudio interkulturellQuelle: InterAudio - Koordinierungsstelle für Interkulturellen Hörfunk

http://tinyurl.com/Checkliste-Radiointerviews(http://interaudio.org/mos/interaudiodoc/handout/Handouts%20%28deutsch%29/Interview-Checkliste.pdf)

http://tinyurl.com/geschickt-fragen(http://interaudio.org/mos/interaudiodoc/handout/Handouts%20%28deutsch%29/Interview%20Geschickt%20fragen.pdf)

http://tinyurl.com/ZeitzeugInnen-befragen(http://interaudio.org/mos/interaudiodoc/handout/Handouts%20%28deutsch%29/Interview-ZeitzeugInnen%20befragen.pdf)

Gruppe B:

Impulsfragen zur Auswertung von InterviewsQuelle: Das Gedächtnis der Nation e.V.

http://tinyurl.com/Fragen-Interviewauswertung (http://www.gedaechtnis-der-nation.de/bilden/schulen/elements/0/copytext_files/file/Zum%20Umgang%20mit%20Zeitzeugen-Interviews.pdf)

Gruppe C:

Begegnungen mit ZeitzeugInnen des Holocaust im schulischen Rahmen Quelle: erinnern.at - Ein Vermittlungsprojekt des BMUKK für Lehrende an Österreichs Schu-len

http://tinyurl.com/Begegnung-mit-Zeitzeugen(http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/zeitzeuginnen/zeitzeugen-didaktik-methodik/GuidelinesSurvivorMeetingKurz.pdf)

http://tinyurl.com/Zeitzeugen-Didaktik(http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/zeitzeuginnen/zeitzeugen-didaktik-methodik)

Jede Gruppe präsentiert die wichtigsten Aussagen der Handouts anhand der Plakate.

Abschluss

Vergleich und Diskussion uber: Was sagen uns diese Anweisungen uber den Unterschied ei-nes Interviews vor Ort und eines fur Medien gemachtes?

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Was sagt uns das uber Interviews, die wir zu sehen bekommen (Arbeit Sitas als TV-Prakti-kantin, die von ihrem Onkel gefilmten Videointerviews mit ihrem Großvater)?

Modul 2: Standpunkte und Argumente

Die unterschiedlichen Zugängen der Generationen zur „Wahrheit“ der eigenen Familienge-schichte: der Großvaters, der Vaters, der Onkel und in 3. Generation Sita selbst.

ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 2 - 1:

DISKUSSION DIE BIOGRAFIE DER FIGUR SITA IM FILM

Sammelt in kleinen Gruppen Informationen über die Hauptfiguren Sita, ihren Vater und Groß-vater:Welche Berufe haben/hatten sie? Wie sind ihre Familienverhältnisse? Haben sie Geschwister? Wie alt ist sie? Wie wohnt sie? Was wisst ihr von ihrem Charakter?Tragt alles zusammen, was ihr über die Figuren erfahren habt.

Überprüft im Plenum, welche Informationen ihr tatsächlich im Film gesehen und gehört habt, und welche ihr nur vermutet.

Diskutiert Sitas Verhalten in Bezug auf ihre EntdeckungenWas war der Auslöser für Sitas Nachforschungen in Bezug auf ihre Familiengeschichte? Was beginnt sie zu tun? Wie reagiert ihr Umfeld darauf – ihr Vater, Joquin? Was haltet ihr von dem Satz des Vaters, „Was weißt du von mir? Du interessierst dich gar nicht wirklich.“

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INPUT: BIOGRAFIEARBEIT – WAS IST DAS?

Die Kultur des Biografisierens – Einführung3

„Die Kultur des Biografisierens ist allgegenwärtig. An unterschiedlichsten Orten und zu unter-schiedlichen Gelegenheiten erzählen Menschen ihre Geschichte. Sie ordnen zu, sortieren sich und möchten gehört werden. Besonders für ältere Menschen ist dies von großer Bedeu-tung. Sie möchten etwas weitergeben, aber auch, vielleicht zum ersten und zum letzten Mal, ihre Geschichte darstellen. Durch das Erzählen finden sie zu sich selbst, nehmen Kontakt auf. Biografien sind keine eindimensionalen Zeitabläufe, sondern sind von Brüchen und Än-derungen gezeichnet. Es geht nicht um das Erzählen und Erfassen der „wahren“ Geschichte, sondern um die Differenz und Summe unterschiedlichster Lebensgeschichten und Erfahrun-gen. Jede Erzählung kann nur eine Momentaufnahme sein und ist nicht allgemein gültig, sie ist abhängig davon, wem, wie, wo, weshalb und wann jemand erzählt. Die Diskrepanz von in-dividuell erlebter Geschichte und „offizieller“ Zeitgeschichte kann groß sein, eine Herausfor-derung ist die Akzeptanz von Differenz und Sichtweisen auf Vergangenes und Geschichte. Letztendlich geht es um persönliche Erinnerungen, die sich im Laufe eines Lebens ständig verändern und die in ihrer Einzigartigkeit und Subjektivität zu respektieren sind. Erinnerung bezieht sich auf bestimmte Orte und kann durch Gegenstände verstärkt werden.“

Moderationshinweise:

Der/die InterviewerIn achtet darauf, die Erzählung nicht zu beeinflussen oder zu bewerten. Biografiearbeit soll Menschen unterstützen, sich zu erinnern und dies zugänglich zu machen. Der Lernprozess verläuft auf der Ebene- derer, die reflektieren- derer, die leiten und- derer, die rezipieren.“

„Biografiearbeit ist ganzheitlich. Sie enthält- die individuelle Ebene (Lebensgeschichte, Erfahrungen, Begebenheiten, Erlebnisse),- die gesellschaftliche Ebene (gesellschaftliche Ereignisse, die Lebenschancen bedingenund Biografie beeinflussen) unddie tiefenpsychologische Ebene (seelischen Schädigungen und Heilungen)“ 4

Abschluss

Diskutiert die biografischen Methoden von Sita im Film. Welche Mittel stehen ihr durch die Arbeit ihres Onkels 30 Jahre vor ihr zur Verfügung? Was könntet ihr in eurem eigenen Lebensumfeld tun? Gibt es Geschichten, die euch interessieren, und die ihr gerne festhalten wolltet? Was braucht ihr dafür?

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3 Aus: http://www.politischebildung.at/upload/Lebensgeschichten_erinnern.pdf Stand: 14.11.20124 Aus: http://www.thomas-langens.de/archiv/biografiearbeit/SkriptBiografiearbeit.pdf Stand: 14.11.2012

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Weitere Links zum Thema Biografiearbeit:

http://de.wikipedia.org/wiki/Biografiearbeit

http://www.pqsg.de/seiten/openpqsg/hintergrund-biographie.htm

http://www.thomas-langens.de/archiv/biografiearbeit/index.html

http://www.memory-schreibwerkstatt.de/mediapool/80/804223/data/Memory_e_V_Projekt_Lebensbuch.pdf

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ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 2 - 2:

VERSTECKT – VERDRÄNGT – VERARBEITET – UND FERTIG?

Das Verhältnis zur Geschichte verändert sich laufend. „Die Zeit heilt Wunden“ – sagt man – vielleicht lässt sie aber auch nur „Gras über eine Sache wachsen“, die darunter weiter unver-ändert schlummert. Teilt euch in vier Gruppen. Überlegt für jede Generation, welche Motive eine Rolle spielen könnten, über die NS-Zeit zu sprechen – oder dieses Thema lieber zu verdrängen.

Gruppe A: Generation des Großvaters

Sie waren in der Zeit des Krieges erwachsen, auf Grund ihres Alters verantwortlich für das, was sie taten – auch wenn sie nicht die Wahl hatten, ob sie auf der einen oder der anderen Seite standen.Unterscheidet drei Gruppen: Täter, Opfer und jene Personen, die Täter und Opfer zugleich waren.Lesetipp: Hanisch Ernst, Opfer-Täter - Mythos Referat beim 5. Zentralen Seminar; Quelle: erinnern.at (774_Hanisch OpferTäter Mythos.pdf)5

Gruppe B: Generation des Vaters

Sie waren in der Zeit des Krieges noch kleine Kinder, verstanden wohl erst später, was in die-sen Jahren wirklich vor sich ging. Dennoch wollten und wollen viele nicht über diese Jahre sprechen.Lesetipp: Reiter Margit, Die Generation danach. Referat beim 5. Zentralen Seminar;Quelle: erinnern.at (776_Reiter, Die Generation danach.pdf)6

Gruppe C: Generation der Enkel – Sita

Sie sind im Frieden aufgewachsen, kennen die Geschichte nur aus Büchern. Trotzdem wol-len viele verstehen und wissen, wie sie sich verhalten hätten. Anderen scheint die Zeit egal zu sein oder sie sind mit wenig, oberflächlichem Wissen zufrieden. Versucht ihre Motive zu beschreiben.Lesetipp: Geneviève Hesse: Das schwere Erbe der NS-Zeit; Tagesspiegel, 13.1.20127

Gruppe D: Generation des Urenkel

Das seid im wesentlichen Ihr. Die meisten unter euch kennen persönlich niemanden mehr, der den Krieg noch erlebt hat. Diese Zeit versinkt langsam im Nebel der Vergangenheit. Oder doch nicht? Ihr seht, dass das Thema immer noch viele Menschen beschäftigt. Seid vielleicht selbst neugierig. Warum ist das so – und was wollt ihr von dieser Zeit eigentlich wissen?Lesetipp: Christia Staas: Was geht mich das noch an? Die Zeit, 4.11.20108

Abschluss

Berichtet wechselseitig von den Ergebnissen der Diskussion in der Gruppe. Findet ihr Über-schneidungen der Motive in den verschiedenen Generationen? Was sind heute Gründe, wei-ter über die NS-Zeit zu sprechen? 24

5 http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/seminarbibliotheken-zentrale-seminare/verbrechen-verdrangen-leid-erinnern/774_Hanisch%20OpferTater%20Mythos.pdf/view 6 http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/seminarbibliotheken-zentrale-seminare/verbrechen-verdrangen-leid-erinnern/776_Reiter%2C%20Die%20Generation%20danach.pdf/view 7 http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/vergangenheitsbewaeltigung-das-schwere-erbe-der-ns-zeit/6027916.html 8 http://www.zeit.de/2010/45/Erinnern-NS-Zeit-Jugendliche

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Modul 3: Persönliche Verantwortung - Damals und heute

Die Schüler/innen informieren sich über die Rahmenbedingungen und Handlungsalternativen im 3. Reich. War es überhaupt möglich, Widerstand zu leisten? Welchen Preis musste man zahlen, wenn man erwischt wurde? Gibt es eine Grenze zwischen „Mitläufer“ und „Mittäter“, an der man individuelle Schuld objektiv festmachen kann?Und: Wie ist das heute? Wo beginnt heute unsere Verantwortung? Ist es heute auch wichtig, Widerstand zu leisten - und wogegen - oder ist heute, in einer Demokratie, ohnehin alles in Ordnung?

Der Widerstand, sein Ausmaß und seine Bedeutung, ist nur im Zusammenhang mit dem Ge-samtverhalten der ÖsterreicherInnen in der NS-Zeit, also unter Berücksichtigung des öster-reichischen Nationalsozialismus, der partiellen oder zeitweisen Zustimmung von Bevölke-rungsgruppen zum System u. a. Faktoren, zu bewerten. Eine solche Beurteilung kann freilich nicht in Form einer bloßen Gegenüberstellung von - größenordnungsmäßig geschätzten - 100.000 WiderstandskämpferInnen mit 700.000 NSDAP-Mitgliedern erfolgen; denn die einen hatten ihre gesamte Existenz zu riskieren, die anderen genossen alle Vorteile einer die allei-nige Macht ausübenden Staatspartei. [...] Gemessen an der großen Zahl der Opfer waren die praktischen Ergebnisse des Widerstandskampfes - etwa in Richtung einer Gefährdung des NS-Regimes, einer ernstlichen Schädigung der NS-Kriegsmaschinerie oder der Erringung der Hegemonie in der Bevölkerung - eher bescheiden. Die Befreiung Österreichs von der NS-Herrschaft war nicht das Werk einer Revolution von unten oder eines nationalen Frei-heitskampfes, sondern das ausschließliche Verdienst der alliierten Streitkräfte, von denen mehr als 30.000 1945 auf österreichischem Boden gefallen sind. [...] Die weitere politisch-ge-sellschaftliche Entwicklung Österreichs stand freilich nicht im Zeichen der WiderstandskämpferInnen und NS-Opfer; sie wurde von der Generation der Kriegsteilnehmer und ehe-maligen Nationalsozialisten dominiert. 9

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9 Aus: Wolfgang Neugebauer: Referat im Rahmen der Tagung "Widerstand in Österreich 1938-1945" im Parlament, Wien, 19. Jänner 2005 (http://www.doew.at/thema/widerstand/tagung_wn.html#bedeut)

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Widerstand zu leisten gegen ein totalitäres Regime, das terroristische Unterdrückungsmetho-den anwendet, erfordert ein hohes Maß an Mut und die Bereitschaft, alles, auch das Leben, zu riskieren. Dazu sind nur wenige Menschen bereit. In Österreich stieß die Organisierung des Widerstandes 1938 auf beträchtliche Schwierigkeiten: Der kampflose UntergangÖster-reichs und die brutalen und massiven Verfolgungsmaßnahmen wirkten sich ebenso negativ aus wie die erzwungene Flucht Tausender potentieller NS-Gegner.10

Das Gedenken an den Widerstand ist vielfach zu Ritualen erstarrt, man denkt an Kranznie-derlegungen und Heldengeschichten. Peter Steinbach, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Mannheim hat zu dieser Thematik anlässlich eines Jahresta-ges des Hitler-Attentates (nicht des einzigen11, aber des wohl spektakulärsten) vom 20. Juli 1944 den Podcast12 „Nach Hitler kommen wir“ gestaltet, in dem er sich mit Widerstand und Erinnerungskultur befasst: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/10529.

Junge Menschen von heute sind aber weniger an dieser Art Gedenken, den Ritualen um Kranzniederlegungen interessiert, sondern eher an der Frage, was für Schlüsse für das Le-ben heute aus den Erfahrungen dieser Zeit zu ziehen sind. Der Satz „Wehret den Anfängen“ ist allen geläufig – aber: was bedeutet der genau?

ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 3 - 1:

PERSÖNLICHE VERANTWORTUNG – DAMALS UND HEUTE

Widerstand und Engagement im FilmSammelt Situationen im Film, in denen in der Gegenwart Widerstand geleistet wird, bzw. wo sich jemand für etwas oder jemand anderen einsetzt.Was macht die Figur der Silver in Warschau? Womit beschäftigt sich die Figur Jocquin? Welche Gefühle könnten Sita dazu gebracht haben aus Warschau abzureisen?

Diskussion über das Thema SchuldIm Film fallen die Sätze, „Die Wahrheit – als wenn damit schon alles gelöst wäre.“ und „Das war nicht ich. Das war ein Anderer. Ich habe kein Schuldgefühl.“

„Das Wegschauen des Vaters ist der konventionelle Umgang mit der Familienschuld, Sita stellt sich dagegen, will hinschauen – und kann nur dadurch verzeihen. Erst durch das Ak-zeptieren der Vergangenheit ihres Großvaters wird eine verzeihen möglich, und erst durch Verzeihen der Weg für einen Neuanfang geebnet.“ Barbara Albert aus Autorinnenstatement (Presseheft)

Was sagt ihr dazu? Welche Möglichkeiten gibt es noch mit dem Bewusstsein der ‚Schuld‘ umzugehen? Welche Möglichkeiten werden im Film noch praktiziert?

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10 Aus der Online-Ausstellung des DÖW - Kapitel „Widerstand“ (www.doew.at/ausstellung) direkter Link: http://de.doew.braintrust.at/chapter7.html

11 http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_aller_Attentate_auf_Adolf_Hitler 12 Direkter Link: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2012/07/15/dlf_20120715_0930_8cb3ab81.mp3

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Weitere Links zum Thema Schuld:

http://de.wikipedia.org/wiki/Vergangenheitsbewältigunghttp://de.wikipedia.org/wiki/Schuld_(Ethik)http://de.wikipedia.org/wiki/Scham-_und_Schuldkultur

ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 3 - 2:

PERSÖNLICHE VERANTWORTUNG – WAS WÜRDE ICH TUN?

„Was wurde ich tun, wenn … ?“negative Vorurteile uber andere verbreitet werden?ein Vorgesetzter (Lehrer etc.) einen Kollegen (Schuler) demutigt?Passanten belästigt werden?ein Erwachsener ein Kind schlägt?in einer Gruppe uber Abwesende herabsetzend geredet wird?ein Tier gequält wird?Andersdenkende beleidigt werden?mir ein »Skandal« bekannt wird?1

Überlegt, welche Handlungsoptionen ihr in den jeweils genannten Situationen habt – und was ihr glaubt, dass ihr wirklich tun würdet (bzw. getan habt, in Situationen, die ihr schon er-lebt habt).

Diskutiert in der Gruppe uber die Ergebnisse in Bezug auf eure eigene Zivilcourage und dem Verständnis fur die Handlungen anderer in Extremsituationen.

Weiterführende Links zum Thema

„Was würde ich tun wenn...?“http://friedenspaedagogik.de/themen/handeln_in_gewalt_und_gefahrensituationen/was_wuerde_ich_tun_wenn

Interview mit Gewaltexperten Günter Gugl: „Schweigen ist Mittäterschaft“http://friedenspaedagogik.de/blog/wp-content/uploads/2009/07/zivilcourage_taz_19_7_09.pdf

Kenne Deine Rechte - Das Menschenrechtsportal von Jugendlichen für Jugendlichehttp://kennedeinerechte.at/

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Modul 4: Mit Bildern erzählen

Die Inszenierung des Films steht im Mittelpunkt des letzten Moduls, hier geht es um die Sen-sibilisierung für die filmische Gestaltung. Anhand von Standfotos veranschaulichen sich die Schüler/innen, wie der Film das Verhältnis zwischen den Generationen durch die Bildaus-schnitte und Perspektiven kommentiert und wie Geschichte erzählt wird.

Barbara Albert - Auszüge aus dem AFC-Interview13

„Im Grunde ist der Film eine Coming-of-Age-Geschichte, ein Entwicklungsroman, in dem es um Sitas Idenditätssuche geht. [...] Ich wollte für diesen Film eine sehr nahe, sehr direkte und sehr bewegte und moderne Kamera. [...] Ich wollte bei diesem Thema keine getragenen Bil-der. Wenn etwas im Film getragen ist, dann ist es die Musik [...] Ich wollte Frische, Lebendig-keit, Energie vermitteln. [...] Ich wollte zum einen, dass Sita durch schnelle Songs etwas Heu-tiges bekommt. Ihre Familie hingegen ist sehr stark der alten Musik verbunden. [...] Ein we-sentlicher Punkt war die Entscheidung, auf Super-16 mm zu drehen, das macht durch seine Körnigkeit stark diesen „filmischen“ Look aus, der ein wenig „old school“ wirkt. Die Super-16 mm Kamera machte es Bogumił auch leichter, mit Handkamera zu drehen und somit die Schauspieler noch besser zu begleiten. Gleichzeitig gefiel mir gut, dass in einem Film, in dem es um Vergangenheit geht, diese deshalb präsent ist, weil er mit dem Medium spielt. [...] Fotos zeigen immer wieder, dass es die Vergangenheit gegeben hat, auch wenn es nur Mo-mentaufnahmen sind. Sie zeigen die Vergänglichkeit, die Erinnerung an etwas Vergangenes, egal ob es beschönigend ist wie die Erinnerung des Großvaters an Mühlenthal oder die Schrecken der Konzentrationslager: Es ist immer etwas Vergangenes und immer mitten unter uns. [...] Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man diese Erfahrungen nicht szenisch dar-stellen kann. Ich finde, man muss die Leute selbst sprechen lassen. Das ist stär

ker, weil die Bilder im eigenen Kopf entstehen. Bilder davon wären kitschig oder falsch und nie der Realität gerecht geworden.“

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13 Das komplette Interview hier: http://www.afc.at/jart/prj3/afc/main.jart?rel=de&reserve-mode=active&content-id=1164272180506&artikel_id=1337152302688

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ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 4 - 1:

MIT BILDERN ERZÄHLEN

Mediensprache – Filmtechnologie – Brainstorming, Diskussion

Beachtet die Stilmittel des Films, wie Schauplätze, Kostüme, Verhalten der Figuren, Musik, Sprache, Filmschnitt.Welche Rolle spielt im Film die Musik - im Leben des Vaters, im Leben von Sita, im Film selbst?Welcher Schnitt wurde für die Erzählung gewählt? Sind die Handlungen immer kontinuierlich nachvollziehbar, oder springen sie von Moment zu Moment? Was bedeutet das für das Realitätsbewusstsein der Protagonistin bzw. für die Zuschauer?Welchen Einfluss haben die verschiedenen Filmtechnologien in Bezug auf das Gefühl von ‚Wahrheit‘?

Man sieht zu Beginn den jungen Mann im Kamerabild, und von der Seite, wie er vor der Ka-mera steht. Doch auch dieses Bild wurde von einer Kamera aufgenommen, die technologisch hochwertiger ist, und die man nicht sieht und auch nicht spüren soll. Was erzählt uns das über unser Gefühl von Realität, wenn wir einen Film sehen? Was ist Realität im Film? Wie stark ist der Machteinfluss der Technologie?

Diskutiert über eure Sehgewohnheiten – im Kino, im Fernsehen, im Internet, auf dem Handy. Was wisst ihr von den Bildern, die ihr seht, wenn sie nicht von euch selbst sind? Wie ist es für euch Bilder zu sehen, die ihr selbst aufgenommen habt? Was bedeutet das für eure Perspektive auf die Realität, die ihr selbst erlebt habt?

Beschreibt den Unterschied der Videobilder vom Interview mit dem Großvater und den Inter-viewaufnahmen der Castingvideos vom Anfang.

Welches Ziel verfolgt die Aufnahme, in der man den Großvater hört, während man Schuhe und Tischbeine sieht?

Was bedeutet es für die Interviewsituation, wenn die Kamera schwenkt und plötzlich die Großmutter zu sehen ist?

Versucht euch die Situation vorzustellen, in der diese Aufnahmen entstanden sind. Welche Form hat Sita gewählt, um von ihrem Großvater etwas von seiner schuldhaften Ver-gangenheit zu erfahren?

Abschluss

Analyse eines FilmsAus: http://www.mediamanual.at/mediamanual/leitfaden/filmgestaltung/filmanalyse/index.php Stand: 14.11.2012

Diskutiert die abschliessenden drei Fragen aus diesem Text. Welche Fragen würdet ihr stellen, um den Film „Die Lebenden“ zu analysieren?

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ARBEITSAUFTRAG FÜR DEN UNTERRICHT MODUL 4 - 2:

VERGLEICH VON FILMSTILLS

Beschreibt zunächst, was ihr auf den Filmstills seht. Analysiert anschließend die Gestaltung der Bilder im Hinblick auf den Kamerastil. Füllt dazu jeweils zu zweit folgende Tabelle aus:

Lesetipp: filmABC Materialien 01: Einführunghttp://www2.mediamanual.at/pdf/filmabc/01-filmabc_mat_einfuehrung.pdf

Moderationshinweis: VOR DEM AUSTEILEN DER BÖGENDie erste Aufgabe lautet:

Beschreibt das Bild in eigenen Worten. Ein/e Mitschüler/in, der /die das Bild vorher NICHT ANSEHEN darf, soll versuchen, es nach deiner/eurer Beschreibung auf ein Blatt Papier zu skizzieren.

Nach dieser Übung folgt der Bildvergleich:

Element des Kamerastils Beschreibung / Funktion & WirkungFilmstill Nr. Filmstill Nr.

EinstellungsgrößeKameraperspektiveBildkompositionFarbeLicht

Beantwortet folgende Fragen:

Welche Emotion drückt das Bild aus?

Was sagt das Bild über die Protagonistin / den Protagonisten aus?

Welche Beziehung drückt das Bild aus zwischen den Personen auf dem Bild (bzw. – wenn nur würde man aus eine Person auf dem Bild ist) zwischen der Person und dem Betrachter?

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Gruppe AStill 1

Still 2

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Gruppe BStill 3

Still 4

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Gruppe CStill 5

Still 6

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Gruppe DStill 7

Still 8

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Kinostart in Deutschland ist am 30.05.2013

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