Benz Der Prophet Jakob Boehme
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7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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K DEMIE
DER WISSENS H FTEN
UND
DER LITER TUR
ABHANDLUNGEN DER
GEISTES·
UND
SOZIALWISSENSCHAFTLICHEN
KLASSE
JAHRGANG 959 ·NR 3
er Prophet Jakob oehme
Eine Studie über
den
Typus
nachreformatorischen Prophetentums
von
ERNST
BENZ
VERLAG
DER
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR
IN
MAINZ
IN KOMMISSION BEI FRANZ
STEINER
VERLAG GMBH
·WIESBADEN
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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K DEMIE DER WISSENS H FTEN UND DER LITER TUR
ABHANDLUNGEN
DER
GEISTES· UND
SOZIALWISSENSCHAFTLICHEN
KLASSE
JAHRGANG
959
· NR
Der Prophet Jakob Boehme
Eine Studie
über
den Typus
nachreformatorischen
Prophetentums
von
ERNST
BENZ
VERLAG DER
AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR
IN M INZ
IN KOMMISSION
BEI
FRANZ STEINER VERLAG GMBH· WIESBADEN
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Vorgelegt in der
Plenarsitzung
am 24 April 1959
zum
Druck genehmigt am Belben Tage
ausgegeben
am 20
Juli
19 59
DRUCK L
C WITTICH
DARMSTADT
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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nh lt
Einleitung: Von der Prophetie und den Propheten
Teil
A:
Die prophetische
Frömmigkeit
Jakob
Boehmes
I Das prophetische Sendungsbewußtsein Jakob Boehmes
1 Seine Sendung durch Gott
2 Seine Sendung durch den
Heiligen
Geist
3 Seine Sendung durch Christus
4 Seine Sendung durch Eröffnung des Inneren Buches
5 Seine Sendung
durch
die
himmlische Jungfrau
Sophia
11
Die prophetische Frömmigkeitshaltung
IIT Die
Eigenart
der prophetischen
Erkenntnis
IV Der Kampf um die Berufung
und
Sendung
5
12
12
19
21
23
25
8
30
39
5
V Das prophetische
Werk
56
1
Der
prophetische
Ursprung
seiner Schriften 56
2 Sinn und Absicht seiner Schriften 64
3
Zukunft
seiner
Schriften
71
Teil B: Jakob
Boehme
als
Prophet
in der Auffassung seiner
·Schüler
und
Nachfahren
78
I Theodor von Tschesch
11 Abraham von Franckenberg
III Quirinus
Kühlmann
IV
Die Spiri tualisten
1 Johann Georg Gichtel
2
Friedrich
Breckling
3 Gottfried Arnold
V Neuere Zeugen einer prophetischen Auffassung Jakob Boehmes
VI Die kirchliche Bewertung der Prophet ie Boehmes
1 C
F
Oetinger
2 Heinrich
Jung Stilling
Namen und Sachregister
78
85
89
102
103
105
108
109
112
113
115
119
Die
Seitenzahlen des
Inhaltsverzeichnisses und
der
Verweisungen
beziehen
sich auf
die
Paginierung
am
u t r
Blattrand
5
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Den Geist dämpfet nicht I Thess. 5, 19
EINLEITUNG
Von
der Prophetie und den
Propheten
Der Titel Prophet wird in dem heutigen Sprachgebrauch in freigebiger und
unterschiedsloser Weise Menschen verschiedenster Art verliehen. In ihn
teilt
sich
der
Philosoph,
der
eine zukünftige geistesgeschichtliche
Entwicklung der
lIenschheit vorausahnt, mit dem Politiker oder Sozialtheoretiker, der die
zukünftigen
Wandlungen
des politischen oder gesellschaftlichen Lebens vor
ausschaut,
und
mit dem Historiker, der
auf
Grund seiner Einsichten in die
Grundkräfte
der
Vergangenheit
und
Gegenwart
ahnend
die zukünftige Welt
entwicklung zu beschreiben wagt.
Der
Grund
für
diesen weiten und unbestimm
ten Gebrauch des
Prophetennamens
in
der
Umgangssprache
ist
eine Auffassung
vom Wesen des Prophetischen, die
heute
nur
noch
den einen Zug
für
maß
geblich hält: die Vorhersage oder das Vorausahnen zukünftiger Ereignisse und
Entwicklungen, gleich viel welcher Art sie auch sein mögen. Als Maßstab für
die Anerkennung einer
Prophetie
gilt ausschließlich der Nachweis, daß die
vorhergesagten Dinge auch wirklich
eintreten,
oder zum mindesten
der
Glaube
der Anhänger des betreffenden
Propheten, seine Vorhersagen seien eingetroffen.
Eine Abgrenzung
bestimmter
Sachgebiete, auf die sich die
Prophetie
im be
sonderen und eigentlichen Sinne bezieht, wird nicht vorgenommen. So kommt
es,
daß der
allgemeine Sprachgebrauch
auch den
Verfasser von Wetterprogno
sen freigebig mit dem
Titel
eines Propheten
beehrt.
Von dem allgemeinen Sprachgebrauch unterscheidet sich die ursprünglich
christliche Anschauung
vom
Propheten aufs allerstärkste
. .
Sie versteht unter
den
Propheten zunächst
einmal
bestimmte
geschichtliche Personen
der
alt
testamentlichen Kirche. Diese erscheinen als gottgesandte Männer, die eine
bestimmte Stellung in der christlichen Heilsgeschichte und in der historischen
Entwicklung der Heilsoffenbarung einnehmen
und
deren Verheißung sich
auf
die zukünft ige Verwirklichung des gött lichen Heilsplanes bezieht. Sie ver
künden, durch eine besondere göttliche Inspiration erleuchtet
und durch
eine
spezielle Berufung in
ihr
Prophetenamt eingesetzt, die kommende Erfüllung
der Zeiten in Form der Ankunft des Gottesreiches. Die Propheten gelten
nach
der christlichen Geschichtsanschauung als Vorläufer und Wegbereiter Christi
und
haben ihre Vorrangstellung in
der
Gemeinschaft
der
Heiligen als die
Führer der Kirche
des Alten Testamentes.
Auch die
Kirche
der neutestamentlichen Epoche kennt Propheten. Aller
dings weiß
das
allgemein-christliche Geschichtsbewußtsein von heute
von
5
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58
ERNST BENZ
diesen neutestamentlichen Propheten wenig oder gar nichts.
In
der Regel
ist von der urkirchlichen Prophetie nur die Offenbarung des J ohannes bekannt
und
auch
die nur in abgeblaßten Vorstellungen.
Und
doch bildeten die Pro
pheten
in der ältesten Kirche noch viele Generationen nach dem Tode Christi
einen eigenen regelrechten
Stand;
es gab viele Gemeinden - in Kleinasien
bis ins zweite
Jahrhundert
hinein
-die
von
Propheten
geleitet wurden,
und
der Kampf um die Frage, ob die prophetische Schrift des Hermas unter die
Zahl der kanonischen Schriften des Neuen Testamentes aufgenommen werden
sollte,
fand erst
im vierten Jahrhundert mit einer endgültigen Ablehnung des
kanonischen Anspruchs dieses Buches seinen Abschluß.
Auch die neutestamentliche Prophetie hatte einen bestimmten heilsge
schichtlichen Inhalt: die Verkündigung
der nahen
Vollendung des Gottes
reiches
u
der zweiten Wiederkunft Christi und die geistliche und sittliche
Bereitung der Gemeinde auf diese Ereignisse der Endzeit. Aber die Prophetie
hat
sich in der Kirche des Neuen Testamentes nicht durchgesetzt ; die An
schauung von
der
Bedeutung der Prophetie für die Kirche
ist
in einer auffälli
gen Weise im Verlauf der Jahrhunderte immer mehr
verblaßt;
nur ganz ver
einzelt findet man heute bei Gläubigen
das
Bewußtsein, daß die Prophetie des
Alten
und
Neuen Testamentes für unsere heutige Wirklichkeit noch verbind
lich sei, daß die prophetischen Verheißungen, soweit sie sich nicht schon erfüllt
haben, sich weiter erfüllen müssen, bis
daß
alles erfüllet ist . Nur vereinzelt
findet man noch den Glauben verbreitet,
daß
auch unser heutiger Geschichts
verlauf
in einem Zusammenhang
mit
einem allgemeinen
Plan
einer göttlichen
Heilsgeschichte
steht
in dem die alt- und neutestamentliche
Prophetie
eine
maßgebliche und verpflichtende Rolle spielt.
Im
allgemeinen gilt auch bei
denen, die sich einer strengeren Gläubigkeit rühmen die Prophetie als etwas
Abgeschlossenes, als eine Erscheinung, die es
früher
einmal in
der
Kirche gab,
die aber in ihrer ursprünglichen Form in
der
Kirche aufgehört hat zu existie
ren, eine Bewegung, die vielleicht in der ältesten Zeit der Kirche noch lebendig
war, aber jedenfalls heute erloschen ist, nachdem die Heilsoffenbarung Gottes in
der endgültigen
und
für
alle Zei
ten
hinreichenden, ein
für
allemal abgeschlossenen
Form der Bibel mit
ihren alt.
und neutestamentlichen Schriften vorliegt.
Über diese Auffassung der Prophetie als einer abgeschlossenen historischen
Geistesäußerung hinaus führt eine Anschauung vom
Propheten
und von der
Prophetie, die aus dem heutigen christlichen Bewußtsein fast ganz verschwun
den ist. Diese Auffassung sieht in der Prophetie nicht eine ein für allemal
abgeschlossene, sondern eine ständig gegenwärtige und weiterwirkende Geistes
gabe der Kirche. Die Prophetie is t nach dieser Anschauung eine unveräußer
liche, jeweils
neu
hervortretende, wenn auch oft durch Generationen hindurch
verborgene
und
scheinbar aussetzende Geistesgabe der Gemeinde
der
Christ
gläubigen, eine Gabe, die der Kirche für den gesamten Verlauf ihrer irdischen
Geschichte zugedacht ist, die also auch heute noch weiterdauert und die sich
zwar nicht immer zu bekunden braucht aber sich doch grundsätzlich in jeder
Epoche der Kirchengeschichte aufs neue äußern. kann.
6 )
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Der Prophet Jakob Boehme
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Dieser Anschauung wohnt ein revolutionäres Element inne. Sie glaubt nicht
an eine einmalige historisch begrenzte Erschöpfung des prophetischen Geistes
,vährend einer
bestimmten
Epoche der Kirchengeschichte, sondern sie glaubt
an die fortgesetzte dynamische Gegenwart der
prophetischen
Geistesgabe im
Leben der Kirche. Die neutestamentliche Prophetie ist
nicht
die letzteÄuße-
rung des
prophetischen
Geistes, sondern
nur
der Auftakt,
die machtvolle
Erstäußerung dieses pneumatischen Lebensprinzips. Die Gabe der
Prophetie
gehört zu den Gaben des Heiligen Geistes, die zwar in einer besonders sinn-
fälligen und spontanen Weise in der Urkirche hervorgetreten, aber durchaus
nicht
mit
ihr erloschen sind, sondern
latent
in der Kirche weiterwirken und von
Zeit zu Zeit wieder als erneuernde Kraft hervortreten. Sie äußert sich darin,
daß ein
vom
Geist
Gottes
Ergriffener, von
Gott
berufen
und
beauftragt, der
Genleinde der Gläubigen neue Erkenntnisse eröffnet und Lebensanweisungen
gibt, die für ihren Weg in
der
Geschichte maßgebend
sind
und sie
auf
das
Kommen des Gottesreiches hinweisen
und
vorbereiten. Am
Ende
dieses Weges
steht die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit
und
die vollständige Aufrichtung
des Gottesreiches. Die prophetischen Verküncligungen beziehen sich auf das
bedrohliche und beseligende Nahen,
das
unmittelbare Bevorstehen der Wieder-
kunft Christi, auf die Begleitumstände seines
Kommens
und auf die innere
und
äußere Berei tung der Gemeinde, um diesen Endzeitereignissen gefaßt und
würdig
entgegenzutreten.
So ist die christliche Prophetie zu allen Zeiten
der
christlichen
Kirche
nichts
anderes als die
Weiterführung der Urverkündigung
Jesu:
Tut
Buße, denn
das Himmelreich ist
nahe
herbeigekommen Die Gabe
der
Prophetie
ist
not-
wendigerweise eine der Gemeinde der Christengläubigen
ständig
zugedachte
Geistgabe,
denn
es ist immer von neuem nötig,
den
Blick
der
Gemeinde auf die
kommende Erfüllung, auf den
Anbruch des Reiches, auf
das
Kommen Christi
zur Wiederkunft zu richten,
und
zwar ist dies um so notwendiger, je länger die
Vollendung selbst
auf
sich warten läßt; ist
doch
das
Kommen
Christi und
des Gottesreiches Ziel und Inbegriff des ganzen geschichtlichen Daseins der
Kirche
auf
Erden. Was
mit
der
Auferstehung
Christi angefangen
hat
und
als
neue Gcschichtsmacht hervorgetreten ist,
das
muß sich ja einmal ganz voll-
enden und in
einer
universalen, die
Welt
umfassenden
und umbildenden
Weise
in
Erscheinung
treten .
In dem Maße nun, als dieses Wiederkommen Christi sich verzögerte und der
letzte Schri tt zum leibhaften Eintritt des Gottesreiches auf sich warten ließ,
ist in
der
Tat die
Spannung der
Gemeinde erlahmt. Am Anfang
der
Kirche
standen noch neben den Aposteln die Propheten als leitende Persönlichkeiten
der Gemeinde. Ihre
Botschaft
bestand in
der ständigen Erneuerung
des mah-
nenden
Rufes: Der Herr kommt
,
und
in
dem
prophetischen
Flehen:
K0l11m,
Herr Aber der Priester hat
den
Propheten
verdrängt
und ausge-
schaltet. Der Liturg, der im
Sakrament
die mystische Gegenwart des Kommen-
sollenden
vermittelte,
wurde mächtiger als
der
mahnende Rufer,
der auf
den
zukünftigen Kommenden hinwies,
( 7 )
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ERNST
BENZ
Noch eine zweite Macht
hat
den Propheten
aus der
Kirche
verdrängt:
das
aus
dem Geist geborene Gesetz. Was der Heilige Geist durch den Mund des
Propheten als spontane Offenbarung verkündete wurde zum heiligen Buch-
staben eines bindenden und allgemein verpflichtenden kirchlichen Kanons.
Was drr
geisterfüllte Prophet einmal als heiliges Gebot Gottes aussprach,
wurde
zur
bleibenden heiligen
Formel
eines allgemeingültigen geistlichen
Kirchenrechtes. Der Geist, der sich
der Form fester Gesetze und Ordnun-
gen niederschlägt, wendet sich also selbst gegen die Freiheit der Prophetie. Im
Anspruch der Prophetie göttliche Weisungen
zu
verkünden l iegt bereits ein
Prinzip ihrer
Begrenzung
und
Einschränkung
ja sogar
der
Vernichtung
ihrer
Freiheit. Das heilige Gesetz, das heilige Buch beide aus
dem
prophetischen
Geist hervorgegangen, widersetzen sich
der
freien Prophetie
und dem
freien
Führertum
des Propheten.
Führer
der
Gemeinde bleibt also schließlich nicht der Prophet der freie
Sprecher des
göttlichen
Wortes
und der Verkünder
einer immer neuen und sich
ergänzenden und weiterbildenden Offenbarung, sondern der Priester, der
Bischof, der die in Wort und Gemeindeüberlieferung kirchenrechtlich fest-
gelegte, von
der
Kirche selbst für endgültig
erklärte
und durch keine
neue
Prophetie zu erweiternde
Ordnung
in der Gemeinde aufrecht
erhält.
Die
Prophetie die die Offenbarung ständig weiterbildet
und
ergänzt, das revolu-
tionäre freiheitliche Prinzip des Heiligen Geistes und die Träger dieses Geistes
selbst, die Propheten scheinen mehr
und mehr unerwünscht.
Seit
dem
Ende
des zweiten nachchristlichen
Jahrhunderts hat
sich dieser
Vorgang der Ausscheidung des Propheten und der freien Prophetie aus der
Leitung der Gemeinde
nnaufhaltsam
vollzogen. Die Verkirchlichung
der
-
meinde äußerte sich in der
Austreibung der
Propheten. Seit der Zeit der be-
ginnenden Festigung
der
Kirche, der Ausbildung des kirchlichen Kanons und
der
Glaubenslehre wird
der
Prophet von den beamteten Trägern
der
Gemeinde-
hierarchie als ein Störenfried empfunden der
den
Häuptern der Kirche, den
Verwaltern des geistlichen Amtes
unangenehm
peinlich und lästig ist , weil
der Geist Gottes,
den
die
Kirche
in
ihrer
Lehre,
ihrem
heiligen
Buch
und
ihrem
geistlichen Gesetz eingefangen weiß, sich
durch
den Mund des Propheten als
ein unkontrollierbares
Element der
Beunruhigung und
der
Erschütterung er-
weist, das oft die Grenzen der mühsam hergestellten kirchlichen Ordnung im
Namen
Gottes sprengt und die sorgfältig abgegrenzte Selbstsicherheit der
Kirche bedroht.
Trotzdem
sind zu allen Zeiten großer geschichtlicher Wenden
der Kirche
Propheten aufgetreten die sich von Gott berufen wußten
und
im Namen
Got
tes den Bußruf: Der Herr kommt in einer dringlichen, auf ihre Zeit
und
die
Lage
ihrer Kirche
bezogenen Weise
erneuerten. In ihnen ist
die
alte
Gabe des
Heiligen Geistes, die Gabe der
Prophetie
in den
großen
Notzeiten immer wieder
lebendig
geworden
und hat die Menschen
immer aufs
neue aufgerüttelt. Sie
haben
auch zu allen Zeiten das gleiche Schicksal erlitten. Viele wurden durch
das
Zeichen des
Martyriums für das
Himmelreich versiegelt, eines Martyriums
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Der
Prophet
Jakob Boehme
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das sie häufig genug gerade
von
Seiten der Kirche erlitten, denen ihre Ver
heißung galt. Alle
wurden
ihres
prophetischen
Berufes wegen verfolgt; keiner
ist
dem Prophetenschicksal
entgangen.
Alle diese Männer glaubten nicht an
das Erlöschen der
Prophetie.
Auf
Grund
ihrer
eigenen
Erfahrung
galt
ihnen
die
Prophetie als
eine Gabe, die sich jeder
zeit in
ihrer
ursprünglichen
Form
wieder verwirklichen
kann und
die
der
Kirche
als
unveräußerliches
Gnadengeschenk
von Gott
zugesprochen
ist.
Alle
sind
getragen
vom Glauben an die Freiheit des
göttlichen
Geistes. Nach ihrer
Anschauung können Propheten
im
ursprünglichen echten
Sinne des Wortes
nach einer unerforschlichen Fügung Gottes jederzeit auftreten. Der Geist
Gottes, der sich
aus Steinen
Söhne erwecken
kann vermag
sich die
Werk-
zeuge seiner Offenbarung zu schaffen, wann
und
wo er will. Da es nun Geistiges
immer
nur in Form einer leibhaften, geschichtlichen Verwirklichung
gibt
so
wandelt
sich
auch
die geschichtliche
Gestalt der Prophetie und
des Propheten
insofern alle
Propheten
die Sprache
ihrer
Zeit und ihres Volkes reden, in den
Denkformen ihrer Zeit
und ihres Volkes und auf Grund
der
Geschichtserfahrung
ihres Volkes zu
ihrer
Gemeinde und zu
ihrem
Volke sprechen.
In dem Wandel
der geschichtlichen
Gestalt verbirgt
sich
aber
der eine
ewige
Geist
Gottes,
in
ihr
ertönt
aus
vielen
Mündern
der
alte Gebetsruf:
Herr
komm
l und die
alte Mahnung: Tut Buße denn das
Himmelreich ist
nahe
herbeigekommen
In
Deutschland
ist
am eindrucksvollsten
der prophetische Ruf
in
der
Zeit
ertönt in der
die
Wurzeln der gesamten
Religionskrise unseres
Jahrhunderts
zu sueben sind, in
der
Zeit
des
Zusammenbruchs
der
Reformation
als
der
Plan
einer allgenleinen
Erneuerung der gesamten Kirche
wie er Luther zunächst
vorschwebte, sich als undurchführbar erwies und aus der Tat Luthers eine
Reihe
von
Konfessionskirchen hervorging, von denen jede
den
Anspruch erhob
der
einzige legitime Träger des urchristlichen, evangelischen
Erbes der
alten
Kirche zu sein, und von denen jede im Namen Christi den
Kampf
gegen die
feindlichen Brüder aufnahm
Der Rufer Gottes
in dieser Zeit
der tragischsten
Geschichtserfahrung
des C:eutschen Volkes
war akob oehme
1575-1624),
ein
Schuster
der
Stadt
Görlitz,
der
letzte
Prophet der
seine
Sendung
im
Sinn
der
urkirchlichen
Prophetie
verstanden hat.
Die
geschichtliche Erforschung seiner
Person und
seines
Werkes
die Boehme
im
wesentlichen als
den teutschen
philosophus als
Bringer
einer
neuen Metaphysik
als Vorläufer des
deutschen
Idealismus auffaßte hat
die
Tatsache
übersehen und
in
Vergessenheit
geraten
lassen, daß Jakob
Boehme
in seiner
Zeit
zunächst und in
erster
Linie als
Prophet
im
ursprünglichen
christlichen
Sinne gewirkt
hat als einer,
der
sein
Volk flehentlich warnte sich nicht im Namen Christi
selbst
zu vernichten son
dern im
Blick
auf das
kommende
Gottesreich die konfessionelle
Zwietracht
zu
überwinden und
die innere
Erneuerung der Kirche nicht in theologischen
Streitigkeiten
zu suchen,
sondern durch
die Schaffung einer
Einheit
des
evan-
gelischen
Glaubens
und
des evangelischen Lebens zu Ende zu führen.
Ich habe in
früheren
Studien die Geschichtstheologie, die Anthropologie und
die Sprachtheologie Jakob Boehmes behandelt
Studien
die sich gleichfalls
( o)
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62
ERNST
NZ
auf dem traditionellen Veg
einer Klärung
zentraler Themen der Boehmeschen
h i l o s ~ p h i bewegten, die mich aber immer nachdrücklicher auf das prophe
tische, an
manchen
Stellen bis ins Messianische sich erhebenden Selbstbewußt
sein
Jakob
Boohmes führten , Uni so dringlicher erschien es
mir
deshalb, einmal
den Gesam tkomplex der Boehmeschen Prophetie im Zusammenhang
mit
seinem
Sendungsbewußtsein wie
auch
mit
der
heilsgeschichtlichen
Deutung
seiner
eigenen Person und seines eigenen Werkes zu behandeln.
Als der unserer heutigen Zeit geschichtlich
nächste Typus
einer
propheti
sehen Frömmigkeitshaltung ist Jakob Boehmc auch die anschaulichste moderne
Prophetengestalt, nicht nur weil er
durch
seine Verkündigung in eine
Ent
wieklung eingegriffen hat in der bereits alle Konfliktpunkte unserer heutigen
religiösen Krise vorgebildet sind, sondern weil an ihm in einer geschichts
nahen
und
unserem historischen Verständnis noch verhältnismäßig leicht zu
gänglichen
Form das
Wesen echter Prophetie in ihrer ewigen Gestalt
erfaßbar
ist. Das Verständnis der Prophetie Jakob
Boehmes
is t deswegen besonders
leicht möglich, weil Boehme
in
seinen sehr umfangreichen Werken häufig von
sich selbst, von seiner Berufung
durch
Gott von seinem prophetischen Auf
trag von dem Ringen
um seine Sendung
und von
den Schwierigkeiten
ihrer
Durchführung spricht. Es ist bei Boehme also die einzigartige Möglichkeit
gegeben,
den
Anfang
und
die
Entwicklung
eines prophetischen Sendungs
bewußtseins an einem modernen Menschen zu beobachten, der bereits in
der
Situation der Aufspaltung der einen christlichen Kirche in die verschiedenen
Konfessionen
lebt
und
an
ihr
leidet.
Zudem
handelt
es sich bei
ihm
um einen
~ e n s c h e n der einen vortrefflich geschulten Blick für seelische Vorgänge und
Ereignisse und geistliche Erfahrungen hat und diese bei sich selber in einer
seltenen
Klarheit
schildert.
Die vorliegende rbeit
stellt
sich die Aufgabe, gerade an Hand dieser Selbst
aussagen Boehmes die sich bei ihm vollziehende Ausbildung des prophetischen
Bewußtseins in Verbindung
mit
seinem persönlichen Schicksal und seiner
geistigen Entwicklung
darzustellen und
auf
diese Weise den Typus
der
neu
zeitlichen christlichen
Prophetie
an
einer
Gestalt
zu erfassen, die
uns
- im
Gegensatz zu den fernen, menschlich schwer greifbaren Persönlichkeiten der
alttestamentlichen
und
altkirchlichen Prophetie - geschichtlich
und
seelisch
nahe ist, nicht nur weil hier ein Mensch der nachreformatorischen Zeit in einer
8. ERNST B ENZ er vollkommene Mensch nach Jacob Boehme
Stuttgart 1938,
W. Kohlhammer. X und 202 S.. - ders.:
darn
er J lfythus
vom
Urmenschen in
der
Sammlung:
Dokumente
religiöser
Erfahrung hgg. von ALFONS ROSENBERO
München Planegg
Otto
Wilhelm Barth Verlag
1955, 328 S. - ders.:
ieGeschichte-
metaphysik
Jacob Boehmes
in:
Deutsche
Vierteljahrsschrift für
Literaturwissen-
schaft
und Geistesgeschichte
Jg.
XIII
Heft 3, 1935, S. 421 455 - ders.:
Zur
metaphysischen Begründung der Sprache bei Jacob Boelime in: Euphorion Jg
37,
1936, S.
340 357
-
ders.:
Zur
Sprachalchimie der deutschen Barockmsjetile in:
Euphorion Bd. 37, Heft 4, 1936, S. 482 498; - ders.: Verheißung und Erfüllung
in: Zeitschrift für Kirchengeschichte Bd. 54, 1936, S. 484 546.
( ]0 )
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Der
Prophet
Jakob Boehme
63
unmißverständlichen Deutlichkeit von seiner prophetischen Berufung spricht
sondern weil seine Prophetie sich auf eine geschichtliche Krise der christlichen
Kirche
und
des Christentums bezieht die
zum
größten Teil noch die unsrige ist
und
nicht zuletzt weil sich an dieser Gestalt ein Prophetenschicksal vollzogen
hat
das ein
Urbild
deutschen Geistesschicksals geworden ist Gleichzeitig
weist
damit
diese
Untersuchung
auf
eine größere bisher noch
kaum
bearbeitete
Forschungsaufgabe hin nämlich die Aufgabe
einer
Darstellung der Geschichte
des nachchristlichen Prophetenturns überhaupt
11
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TEIL
A
Die prophetische
Frömmigkeit J
akoh
Boehmes
I.
Das prophetische Sendungsbewußtsein
Jakob
Boehmes
Schon in seiner
ersten
Schrift, der Aurora spricht Boehme als ein Berufener.
Sein Wort
gibt
sich nicht als Literatur nicht als künstlerisches Gernächte einer
dichterischen Phantasie
sondern als Verkündigung einer göttl ichen Offen-
barung an eine
Gott
entfremdete Welt.
Ein
klares Sendungsbewußtsein, ein
Wissen um
einen
besonderen göttlichen
Auftrag
spricht aus allen
Blättern
dieser Schrift, und zwar ist dieser Auftrag ganz im christlichen Sinn verstanden.
Der Verwirklichung dieses Auftrags stand vieles im Wege. Boehme war
zünftiger Görlitzer Schuster, seiner
Bildung nach
ein Laie, seiner religiösen
Haltung nach ein treuer Kirchenchrist,
der
sich allerdings zu dem Kreis um
den Görlitzer Pastor
Jfartin Moller
l
hielt, dem eine innere Erneuerung und
Verlebendigurig der Gemeinde als wichtigste Aufgabe erschien. Er
lebte
in
einer
Stadt
deren kirchliches Leben von einem eifrigen und eifernden Ortho-
doxen, dem Primarius Richter geleitet wurde und kannte die ganze
Pracht
und Wucht theologischer Gelehrsamkeit, die sich in den Precligten in einer
unermüdlichen Polemik gegen die Ketzer aller Arten
und
aller Zeiten von
den
Arianern
bis zu den Schwenkfeldianern
entfaltete.
Er
kannte
die
Macht
der orthodoxen Kirchenbehörden, die
nicht
nur das geistliche Leben kontrol-
lierten, sondern
kraft
des Ansehens ihres
Amtes auch auf
die staatlichen Be-
hörden
und
auf das gesellschaftliche Leben einen großen Einfluß hatten.
Er
kannte auch
den
Anspruch der Geistlichkeit, allein den
Stand
darzustellen,
der
rechtmäßig berufen sei, Über die Dinge
der
Gotteserkenntnis
und der
Aus-
legung der Heiligen Schrift in Wort
und
Schrift sich zu äußern.
Das
Bewußtsein
seiner persönlichen
Berufung
hatte sich also gegen eine so-
ziale
und
geistliche
Übermacht
durchzusetzen,
deren
Betrachtung
ihm
Schrek
ken
einjagen mußte. So hat Boehme nach dem entscheidenden Aufleuchten
seiner höheren Erkenntnis im Jahre 1600 lange im Verborgenen gewartet
bis er zu
einer
schriftlichen Darstellung seiner Offenbarungen überging. Zwölf
Jahre
lang
hat
er
nach
seinem
ersten Blick 2
die neuen Erkenntnisse die
Zum Verhältnis von Moller und Boehme s. \VILL
ERICH
PEUCKERT
Das Leben
Jacob Boehmes Jena 1924,
S. 20ff.
1
ABRAHAl\l
VON
FRANCKENBERG
sein Biograph spricht von drei
Erleuchtungen
Boehme nur von einer; urorac, 19
Nr.
11-13 S. 242. Ich zitiere nach der Ausgabe
von
GrcHTEL-GLÜSI.N:G:
Theosophia Reoelata
Das
ist lle Göttliche Schriften des
12
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 13/121
Der Prophet Jakob
Boehme
65
ihn da überfielen, geprüft, gesichtet; zwölf Jahre lang hat er
mit
allen Ver
suchungen der Selbstüberheblichkeit gerungen,
hat
die
Demut
bis zur letzten
Selbstentäußerung geübt, hat immer wieder die Unterscheidung der Geister in
sich vorgenommen
und
hat ausprobiert, ob seine Erkenntnis aus dem Heiligen
Geist oder aus dem Satan käme.
Er
hat dem Heiligen Geist selbst widerstanden,
bis er
den
Trieb
nicht
mehr
eindämmen
konnte
und
er sich -
trotz
des kirch
lichen Verbots - zur Aufzeichnung seiner Offenbarungen entschloß.
Die Frage wie sich seine
private
Berufung mit der Berufung der
beamteten
Lehrer der
Kirche und der
gelehrten Theologen zusammenreimen
läßt
be
schäftigt
ihn daher
in der
Aurora dort wo
er auf seine eigene Person
und
Sendung zu sprechen kommt vor allen Dingen.
Wan
nun Meister
KlügHng
der
da
in
der grimmen Quali tä t qualificiret
über
dis
Buch kommen wird der wird Widerpart
halten
gleichwie
das Himmel-
und
Höllen-Reich wider einander
wallet
und
ist:
erstlieh wird
er
sagen
ich sey viel zu
hoch
in
die Gottheit gestiegen
mir
gezieme solches
nicht darnach wird er
sagen
ich
rühme
mich
des
Geistes ich muste auch also
leben
I lmd
solches
mit
Wunder
werken beweisen;
zum 3ten
wird er sagen ich
tuhe solches
aus
Begierde des Ruhms
zum 4ten wird er sagen ich sey nicht gelehrt genug dazu zum 5ten wird
ihn
die
qrosse Einfalt des utoris
sehr argern
wie
dan der Welt Brauch ist nur auf
das
Hohe zu
sehen
und
sich
an der Einfalt
zu ärgern .
Die Tatsache seiner prophetischen
Beauftragung
wird hier als selbstverständ
lich
vorausgesetzt. Boehme weiß, daß sein Werk von oben is t und
die
Sache
des Gottesreiches führt. Er spricht
über
diese
Erwählung nicht
besonders;
was
ihn
beschäftigt,
is t
die Frage, wie
die
Welt
auf
diese seine Verkündigung
und
diesen Anspruch reagieren wird: ,Meister Klügling , das
is t
die
orthodoxe
Schultheologie,
wird
seiner Verkündigung
entgegentreten. Er
übersieht schon
im voraus alle die Einwände, die ihm
von
dieser Seite gemacht werden, um
sein Werk zu entkräften. Er is t sich auch über die Folgen seines prophetischen
Auftretens
klar
und sieht dem Kampf der ihn erwartet vorurteilslos
und
illusionslos entgegen. Was er hier anführt sind lauter Einwände, die ihm in
den späteren kirchlichen Pasquillen gegen seine Schriften
tatsächlich
auch
entgegengehalten wurden.
Nichts von dem was er hier geahnt
hat
ist ihm erspart geblieben;
im
Gegenteil,
das
Ausmaß der Verfolgung durch die orthodoxen Theologen hat
seine schlimmsten Ahnungen noch weit übertroffen. Alle ihre Einwände laufen
darauf hinaus, seine prophetische
Berufung
zu
bestreiten und
den
Schuster
in
die Schranken seines bürgerlichen Berufes zurückzuweisen. Der Vorwurf,
ich sey zu hoch in die Gottheit gestiegen/
mir
gezieme solches nicht ent
stammt
dem
Munde des orthodoxen Kirchenlehrers, für den es
nur dor t
wahre
Gottes und Schrifterkenntnis gibt, wo eine legitime Berufung und Ordination
Gottseligen
und
Hocherleuchteten Deutschen Theosophi Jacob Boehmens Bände in
fol., [Altona] 1715. Ein
Faksimile-Neudruck der
Ausgabe von 1730
in
el f
Bänden
er
scheint seit
1955 beim
Fromann-Verlag Stuttgart hgg. von WILL-ERICH PEU KERT
1 Aurora Vorrede nr. 91 S. 19.
( 13 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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66
ERNST BENZ
zum
kirchlichen Amt vorliegt.
Der
Vorwurf, ioh
rühme
mich des H. Geistesj
ich
müste
auch also leben
und
solches mit Wunderwerken beweisen ,
ent
springt der orthodoxen Anschauung,
daß
es außerhalb der kirchlichen Berufung
zum
Amt der
Auslegung
der
Heiligen
Schrift nur dort
eine
Weiterführung der
Offenbarung
geben
könnte wo der Heilige Geist diesen Ausnahmefall auch
durch bestimmte sichtbare Wunder bekräftigte
so
daß
der Ausnahmecharakter
dieses Einzelfalls
dadurch
einwandfrei
legitimiert
ist.
Der Vorwurf, er tuhe
solches aus Begierde des Ruhms
ist
die alte Beschuldigung, die die Kirehe
zu allen Zeiten gegen unerwiinschte Propheten erhoben
hat
um sie als falsche
Propheten
zu
entlarven:
der Bringer neuer
Prophetien wolle
sich
nicht
in die
legitime Verkündigung der Heilslehre in der Kirche einfügen,
sondern
wolle
eine
Sekte
um seine eigene Person scharen, wolle selber
Kirchen
gründen die
Aufmerksamkeit auf sich selber lenken; seine Prophetie sei seiner
Eitelkeit
und dem Wunsch
nach
seiner Selbstverherrlichung entsprungen nicht dem
Heiligen Geist.
Und auch der letzte
Einwand entstammt
dem
Mund
der
Ortho-
doxie: nur der gelehrte Theologe, der .in die ganze
Systematik
der kirchlichen
Lehre
an Hand
eines gründlichen philologischen, historischen und philoso-
phischen
Studiums
eingedrungen ist, könne die überlieferte Kirchenlehre er-
klären, definieren und gegen alle Feinde verteidigen,
nicht
aber der Laie,
vollends
nicht ein ungebildeter
Laie aus dem
Handwerkerstande.
Das Bewußt-
sein des sozialen und bildungsmäßigen Abstandes zwischen dem
Vertreter
des
Handwerks
und dem Träger der höchsten geistlichen Erudition
spricht
hier
mit:
Boehme sieht
voraus, welcher
Widerspruch
seiner
Verkündigung
gerade
auf
Grund
der Niedrigkeit seiner sozialen Stellung und Bildung erwachsen wird.
Gerade angesichts der zu erwartenden Widerstände
und
der bedrohlichen
Macht des Gegners
bricht das
prophetische Sendungsbewußtsein in
einer
un-
gewöhnlichen
Heftigkeit
bei
ihm
hervor ,
Denen Parteyischen
Klüglingen
wil ich entgegen setzen die Alt-Väter
in
der
ersten
Welt;
die waren auch nur geringe verachtete Leute wider welche
die
Welt
und
der
Teufel
wütete
und
tobete; als zur Zeit Henochs da die Heiligen
Väter
haben erstlieh gewaltig von des
HErrn
Namen geprediget; die sind auch nicht mit
dem Leibe in Himmel gestiegen
und
haben alles mit Augen gesehen alleine der
Heilige Geist hat sich
in ihrem
Geiste
offenbaret. Hernach
sihet mans
der
andern
Wel t auch bey denen Heiligen Alt-Vätern
Patriarchen und
Propheten; die waren
allesamt nU in ältig ut und ein Tei l nur Vieh-Hirten 1
C
Hier sieht also Boehme seine Berufung als
Bestätigung
eines allgemeinen
Prinzips der
Heilsgeschichte. Immer vollzieht sich die Offenbarung Gottes so,
daß er sich einfältige, verachtete Werkzeuge erwählt
um
mit ihnen seine
Macht
kundzutun
und die l\Iacht dieser Welt zu beschämen.
Immer
sind die
Träger der
Offenbarung die Armen, die
Verachteten
die Laien,
durch
die
der
Heilige Geist zu den Menschen spricht. Am deutlichsten erscheint diese Para
doxie
der
Offenbarung in der Gestalt Christi, in dem
Gott
selbst ins Fleisch
1
das.
nr.
92 S. 19.
( 14 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet
Jakob Boehme
67
herabsteigt, um im Zustand der tiefsten
Erniedrigung
zu den Menschen zu
reden
l
Auch
als Messias Christus der
Held im
Streit in der Natur ein
Mensch ward
ob er
gleich
ein Fürst
und
König
der
Menschen
war
/ so hielt er sich
doch in
dieser
Welt in qrosse
infalt
und
war nur
derWelt Hausgenoß : so wol auch
seine
Apostel
waren
allesamt
nur
arme
/
verachtete Fischerknechte
und
Leutlein.
Ja
Christus
selbst danket
seinem
himmlischen Vater
/
daß ers den Klugen und Weisen in dieser
Welt
hatte verborgen gehalten
und den Unmündigen
offenbaret
Matth.
11
:25.
Darzu
siehe man wie
sie
auch
in
gleicher Weise s ind arme
Sünder gewesen / und
haben beide
Trieb
bös und gut
/
in der Natu r an sich gehabt daß
sie
aber auch
gleich
wider die Sünde der
Welt
ja wider ihre eigene Sünde haben geprediget
/
und
die gestrafet
das haben
sie
durch
den Trieb des Hei ligen Geistes
gethan und
nicht
aus
Ruhmsucht.
Auch so
haben
sie
aus
eigenen
Kräften und Vermögen
nichts
gehabt
oder
in den Geheimnissen GOttes lehren können;
sondern es
ist
alles im
Trieb
Gottes geschehen.
Boehme betrachtet also seine Verkündigung unter dem Gesichtspunkt,
daß
sie die alttestamentliche Linie der Offenbarnng in die Epoche des Neuen
Testamentes und
in
die Heilszeit
der
christlichen Kirche hinein fortsetze: In
Christus selbst vollzieht sich urbildlieh die paradoxe Form der Verkündigung
Gottes. Seit dem lebt die wahre Kirche Christi nach demselben Lebensgesetz :
in
der
Geschichte
der
Apostel
der
Kirche Christi vollzieht sich das Leidens
schicksal Christi weiter als Schicksal der Erniedrigung, das zur Erhöhung führt.
In diese heilsgeschichtliche Linie der Prophetie
stellt
sich nun Boehme selbst
hinein ,
Also auch kan
ich
von
mir
selbst nichts
sagen
rühmen
oder
schreiben als das
daß ich
bin
ein einfältiger ann darzu ein
armer
Sünder und muß alle Tage
bitten: HErr
vergib uns
unser
Schuld
und mit den
Aposteln sagen: 0
HErr
/
du
hast uns
durch
dein Blut erlöset.
Col. 1: 14.
Ich
bin auch
nicht
in
Himmel gestiegen
und hab alle Werke und
Geschöpfe GOttes
gesehen;
sondern
derselbe Himmel
ist
in
meinem Geiste
offenbaret
daß
ich
im
Geist erkenne dieWerke und Geschöpfe
GOttes: auch
so
ist
der
Wille darzu nicht mein natürlicher Wille
sondern es
ist
des Geistes
Trieb; ich hab auch
manchen
Sturz des Teufels müssen
hiermit erleiden.
Hier spricht das Hochgefühl prophetischer Sendung. Boehme sieht sich in
die große Linie der alt- und neutestamentlichen Prophetie eingereiht. Er erlebt
ahnend, wie an ihm selbst das eigentümliche Prinzip der Umkehr der Welt
sich vollzieht, das er in
der
Heilsgeschichte der
Kirche
des
alten
und neuen
Bundes am Werke sieht: das Niedrige wird erhöht, das Verachtete wirdWerk·
1 das.
nr. 93. u. 94 S. 19/20.
das.
nr,
95 S.
20;
Theos. Send Briefe
10.
Br., nr.
15 S.
3738:
Und
ob ich
wol
ein
fremder Mann bin dazu' ganz einfält ig dannoch macht mich
E.
Gestr.
Be·
gehren
und Willen
kühn
an E.
Gestr.
zu
schreiben wiewol mit
einer einfältigen
Ifand: Aber Gottes Gaben sind
nicht
an
Kunst gebunden vorab
weil ich erkenne
euer Adeliebes Herze also viel demühtig erscheinet
und
zu mit schicket
der
ich
doch alber bin.
15 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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8
ERNST NZ
zeug
der
Offenbarung des
Himmels. Der Himmel
ist in meinem Geist offen-
baret/
daß
ich
im
Geiste
erkenne
die
Werke
und Geschöpfe
Gottes .
In diesem
Wort
drückt s ich berei ts
im
Anfang
seines ersten Werkes
das Bewußtsein
seiner
Berufung
aus
er weiß sich als
Prophet
in
einem neuen
Sinne: er
erkennt
im
Geist-die Werke
und die Geschöpfe
Gottes
d. h. er weiß sich
berufen
in die Tiefe
der
Schöpfung
und
den
Grund
der
Natur
hineinzusehen
und
den
inneren Zusammenhang der
Dinge zu erblicken. Die
an ihn
ergangene Offen-
barung
ist die
Enthüllung
der
le tz ten Gründe des
Seins,
der Blick ins
Wesen
aller
Wesen
wie er
ihm
in
einer
visionären
Form vor
zwölf
J ahren zum
ersten Mal
aufgegangen ist
wie er sich
ihm
in
immer neuen Erleuchtungen
enthüllt
hat.
Hier is t
also zugleich das Allgemeine,
Typisch-Prophetische
und das Eigen-
artig-Neue
seiner
Verkündigung
angedeutet:
Hochgefühl der prophetischen
Sendung Ahnung
einer inneren Zugehörigkeit zu den
Propheten der früheren
Zeiten
und
ihrem Leidensschicksal, Wissen um die
Neuheit
seiner
Verkündi
gung
und
tiefste
Demut
in
der Durchführung
dieser
Sendung
angesichts
einer
unausweichlichen Verfolgung
durch
die, zu denen er
gesandt
ist. So umspannt
diese
Äußerung
alle wichtigen
Momente einer prophetischen Frömmigkeits
haltung.
Die
weitere
Entwicklung
seines
prophetischen Erwählungsbewußtscins
voll-
zieht
sich im
engsten Zusammenhang
mit
dem
Schicksal,
das ihn
im
Anschluß
an das Bekanntwerden
seiner
urora
getroffen hat. Es
wird nachher
zu be-
richten
sein, wie
Boehme
sich
zunächst
selbst
gegen die
Verbreitung
seiner
Schriften gesträubt hat
wie er sie nur
als
: ~ t { e m o r i a I
für
sich selber nieder-
schrieb,
um dem Drängen
des
Geistes
nachzugeben , Nachdem
sich
aber
seine
Schriften durch Kopien anderer ohne
sein
Wissen verbreiteten und
zahlreiche
Anhänger fanden
sah
er
darin
ein
sichtbares
Zeichen
Gottes
und einen Beweis
für
die Wichtigkeit seines
prophetischen Auftrags.
Die
eigentliche Bestätigung seiner göttlichen
Sendung aber
brachte ihm
erst
die
Erfahrung
des heftigen
Widerspruchs den
die
Verbreitung
seiner
Schriften
von
seiten
der
orthodoxen
Geistlichkeit
erfuhr.
Der
Primarius
von Görlitz,
Gregor Richter veranlaßte einen
regelrechten
Ketzerprozeß
gegen
BoehmemitdemErgebnis
daß
die
urora
1613eingezogen und
dem Schuster das
Bücherschreiben verboten
wurde.
Er
solle sich
an
seinem
Leisten
begnügen.
Die Einzelheiten dieses Prozesses sind in
diesem
Zusammenhang nicht wichtig>,
Entscheidend für
die weitere
Entwicklung
Boehmes
ist daß nnnmehr
sein
innerer
Trieb durch
ein behördliches
Verbot
gehemmt wurde, das von
der
kirchlichen
und staatlichen
Obrigkeit ausging,
der
er sich als
guter
Christ
glaubte
fügen zu müssen. So
wurde
für ihn
die
Frage
ob er
Gott mehr
gehor-
chen
solle
oder
den
Menschen, in
einer besonderen
Weise
aktuell. Man
kann
die Größe seiner Qualen nachfühlen,
wenn man
sich
verdeutlicht
wie
stark
vgl.
unten
Teil V Anm. 1.
2 s. VILL
ERICH PEUCKERT
Jacob Boehme
S.
37ff. 118-138.
16 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 17/121
Der Prophet Jakob Boehme
69
in ihm schon in der
urora
das Hochgefühl seiner prophetischen Erwählung
lebendig
war
Hatte er nicht
zwölf
Jahre seines Lebens mit dieser Sendung
gerungen,
hatte
er
nicht
sein
Herz nach
jedem Funken
der
Selbstsucht
durch-
geprüft , die sich etwa in das ihm aufgetragene
Werk
hätte einschleichen und
seine Sendung zunichte
machen können
1
Jetzt aber nachdem
er sich
zitternd
und
demütig
endlich
ans
Werk
gemacht wird
ihm
das
prophetische
Werk
verboten
Boehme hat nicht gleich gegen das Verbot
revoltiert
sondern hat
zunächst
versucht, es einzuhalten.
Das
war seine härteste Prüfung
Er
hat das ein
Jahr-
zehnt
lang
Gesichtete
und
Geprüfte noch
einmal geprüft
und gesichtet. Die
Zeit dieses Ringens
war
die schlimmste seines Lebens, denn sie
führte fast
zum Erlöschen des Geistes. Es ist die Zeit, in der ihn alle Versuchungen über
fallen, in der
das
Bewußtsein seiner Sendung in ihm zu ermatten droht, um ihn
dann plötzlich wieder zu überfallen. Er sieht vor sich
nur
zwei Wege, die beide
in unvermeidbares Leiden führen:
der
eine führt zur Sünde wider
den
Heiligen
Geist, zum
Verrat an
seinem göttlichen Auftrag zum
Ersticken
seiner Offen
barung und zur Austreibung der himmlischen Gestalt in seiner
Brust
durch
deren un der Geist zu ihm spricht. Der
andere
führt zur aussichtslosen
Verfolgung durch Kirche und Obrigkeit,
zur
Verjagung von Stadt und Beruf,
zur Vernichtung seiner Familie und seiner sozialen Existenz zum Spott und
zur Verhöhnung Und wenn er
wirklich
den zweiten Weg gehen
wollte, wie,
wenn das, was
ihn
dazu treibt nur ein Betrug des Teufels, nur ein grandioser
Wunschtraum
seiner Eigenliebe wäre 1
Wenn
er sein
Leben
einer Illusion
zum
Opfer
brächte 1
Sieben
Jahre ringt
er wieder in
der
Verborgenheit. Dann weicht
er dem
Druck der göttlichen Last und beginnt wieder zu schreiben. 1619 schreibt er
das Buch
Von den drey rincipien
nieder. Von nun an folgt in kürzester Zeit
Werk auf
Werk Das verhaltene Leben des Geistes
strömt
jetzt in ungeheurer
Wucht aus und faßt sich in zahlreichen Schriften, die sich über ganz Deutsch
land
in
Drucken und handschriftlichen Kopien
verbreiten
die bald ins Hol
ländische, ins Englische,
ins
Französische
übersetzt
werden
und
von
denen
eine tiefe Umwandlung der Frömmigkei t seiner ganzen Epoche ausgeht.
Die
Tatsache
daß Boehme
das ihm
auferlegte Verbot bricht, zeigt ein
Zweifaches: Einmal hat er sich in seiner neuen Prüfung des Geistes in sieben
Jahren zu
der
unerschütterlichen Gewißheit durchgerungen, daß es Gott ist,
der ihn
erweckt
hat
und daß
Gott
mit ihm
ein
bestimmtes
Werk durchführen
will,
Das Bewußtsein seiner Berufung muß also schließlich doch stärker ge
wesen
sein als die zahllosen Anfechtungen und Versuchungen, die ihm aus der
Betrachtung seiner menschlichen und sozialen Schwächen erwuchsen, auch
stärker
als die Angst vor der Illusion und dem Teufelsbetrug. Weiter
hat
sich
in ihm
das
Bewußtsein gefestigt, daß er schreiben müsse. Nicht die mündliche
Predigt sondern die Schrift ist das Mittel seiner
prophetischen
Verkündigung.
Gerade in seinen
Schriften und in ihrem
Schicksal
hat
er die Verwirklichung
eines bestimmten Heilsplanes gesehen.
Abh. Geistes- u. sozialw.Kl. Nr. 3
17 )
6
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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70
ERNST NZ
Wenn er das ihm von
der
Kirchenbehörde auferlegte Verbot,
Bücher
zu
schreiben, brach, so
tat
er das in der Absicht, alle Folgen dieses
Schrittes
zu
tragen. Er wußte, welches Leidensschicksal seiner wartete
aber
er war der
Tatsache
seiner
Erwählung
der Notwendigkeit seiner Verkündigung
und
der
Wahrheit seiner Offenbarung so sicher, daß er
nunmehr
bereit war,
das
Opfer
der
Vprfolgung
zu bringen.
So zeigen die Selbstaussagen über seine Berufung in den späteren Schriften
einen bedeutsamen neuen Zug: es tritt in ihnen eine außerordentliche Sicher-
heit, eine zuversichtliche
und
freudige Siegesgewißheit hervor, die oft an die
trotzigsten Prophetenworte Luthers erinnert Erst jetzt weiß er sich als wirk-
lichen
Propheten
der
eine
bestimmte
Heilsaufgabe in seiner Zeit zu erfüllen
hat
An dem Verhältnis zu seiner Heilsbotschaft sieht er
das
Heilsgeschick
seiner Zeitgenossen sich entscheiden.
Bezeichnenderweise sind die Zeugnisse seines prophetischen Selbstbewußt-
seins am häufigsten
und stärksten
in seinen
ersten
Schriften, die
nach
sieben
Jahren des zwangsläufigen Schweigens erschienen sind,
vor
allem in
der
Schrift
Von den drey Principien
Es is t die Schrift,
in der
sich das in sieben Jahren
gestaute Sendungsbewußtsein in immer neuen
Blitzen
entlädt und in diesen
Entladungen alle
Stufen von der
Selbsterniedrigung bis
zur
Überhöhung, von
der Austilgung
der
eigenen Person bis zum unbändigsten Trotz gegenüber
den Verfolgern seiner Person und Lehre durcheilt. Er
benutzt auch
die Schrift
Von den drey Principien
dazu, eine Beschreibung seiner ganzen inneren Ent-
wiekhing zu geben
und
von
den Kämpfen
und
Versuchungen zu schreiben, die
er
während der
Zeit
der
gewaltsamen Unterdrückung seiner prophetischen
Sendung gehabt hat
Hier
spricht sich also sein Prophetentum
in
aller
Breite
aus: in den zahlreichen Äußerungen dieser Art
zittert
die gewaltige innere
Er-
regung
der
vorhergehenden Jahre nach, und alle Wunden des unterirdischen
und
verborgenen Streites mit dem Satan werden sichtbar.
In
der
Schrift Vom dreyfachen Leben des Menschen und in
den
Antworten
u
die vierzig Fragen von der Seele
von 1620 klingt dieses zunächst so heftig
hervorbrechende prophetische Selbstbewußtsein langsam ab,
ja
tritt
in
man-
chen
späteren
Schriften ganz zurück. Nicht , als ob das Wissen um seine Be-
rufung selbst verschwände, aber Boehme schreibt nunmehr aus der Fülle des
gegenwärtigen Geistes und läßt das Geschriebene selbst für seine Sendung
Zeugnis ablegen, ohne besonders auf diese hinzudeuten. Nur in den
Theoso-
phischen Sendbriefen
die meist aus einem konkreten apologetischen
Anlaß
verfaßt sind, spricht er wieder von seiner Berufung, und gerade diese ent-
halten
die klarsten und tiefsten Zeugnisse über die Ausbildnng seiner Sendung
und über die Abgründe des inneren und äußeren Leidens, das
ihm aus
dem
Ringen
um
diese
Sendung und
aus
ihrer
Durchführung
erwachsen ist.
Die
Tatsache
dieser Entwicklung zeigt, daß es nicht möglich ist , einfach
alle Selbstzeugnisse Boehmes
über
seine prophetische Sendung
auf
einen Nen-
ner zu bringen, sondern
daß man
sie immer in ihrer Verbindung
mit
seinem
Lebensschicksal betrachten muß. Es wird daher in der folgenden Darstellrmg
18
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob
Boehme
der einzelnen Momente der prophetischen Frömmigkeit
und
Selbstauslegung
Boehmes gerade dieser
Zusammenhang
mit seinem Leben überall zu berück-
sichtigen sein, und
man
wird an den einzelnen Punkten die besondere Ab-
tönung
und
die besonderen
Höhen und
Tiefen seiner prophetischen
Haltung
in seinen einzelnen Lebensabschnitten zu beachten haben.
Man wird
übrigens
enttäuscht,
wenn
man
vermutet,
Boehme spräche
über
seine Berufung in seinen Briefen anders als in seinen Schriften. Es sind, wie die
Untersuchung zeigen wird, dieselben Ausdrücke und Begriffe, die sich in beiden
vorfinden. Er schildert sich, wenn er von sich und seinem göttlichen Beruf
spricht, in seinen
Werken nicht
anders als in seinen Briefen. Nur in einem
Punkt
sind die
Berichte
der Briefe deutlicher: er benutzt die Briefe an Fremde des
öfteren,
um
ihnen in einer intimen, persönlichen Form seine ganze Entwick
lung in ihren einzelnen Stufen zu schildern. Insofern
sind
die Briefe besonders
erhellend für die Erfassung seines prophetischen Sendungsbewußtseins. denn
in ihren zahlreichen spontanen Selbstzeugnissen berichtet er auch von seinen
Kämpfen,
Zweifeln und Versuchungen, stellt die mannigfaltigen Kreuzweg-
stationen seines inneren Lebens dar, die
in den
Schriften oft nur dunkel an-
gedeutet werden, und ermöglicht
dadurch,
das Bild
der inneren
Geschichte
.seines Prophetenturns, wie er es in der Schrift Von den drey Principien ent-
wirft, an einigen Stellen zu ergänzen und zu vervollständigen.
1.
Seine
Se
nd
un
durch Gott
Die Art und Weise,
wie
Boehme seine Berufung begründet, ist außerordent
lich mannigfaltig. Es spiegelt sich darin die ganze Vielgestaltigkeit seiner
persönlichen religiösen
Erfahrung,
seiner Anschauungen über
das
Wesen Gottes
und die Art
der
göttlichen Offenbarung wieder. Als
der
Berufende erscheint
zunächst
Gott.
Dies
is t wohl
der schlichteste
und
zugleich auch der unreflek-
tierteste Ausdruck seines Sendungsbewußtseins. Hier spricht der Fromme, der
sich als
demütiges
Werkzeug
und
als
unwürdiger
Diener des
Herrn
fühlt.
Von dieser Berufung durch
Gott
schreibt er häufig in der urora so etwa,
wenn er
sagt
:
O tuhe
die
Augen
deines Geistes auf
du Menschen-Kind
ich wil dir alhie
die rechte und wahrhaftige
eigentliche Porten
der
Gottheit zeigen
als es dan
derselbe Einige GOtt haben wil.'
Dieselben Gedanken und Worte kehren in den
späteren
Schriften wieder,
in denen er sich auf
seine göttliche Sendung
beruft
und seine
Erkenntnis
als
1 urora cap. 23 ur. 8 S. 307; urora cap. 18 nr. 7 S. 224: Ich gebe zur Antwort
daß ich nicht die Gottheit
bin
gestiegen dan mir als einem geringen Menschen
solches auch
nicht
möglich wäre zu tuhn; son ern
die
ot thei t is t in mich
gest iegen und ist m ir solches
aus
seiner
Liebe offenbahr
welches ich in meiner
halb-todten
fleischlichen
Geburt sonst
wol
würde müssen
lassen bleiben.
19 6*
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72
ERNST ENZ
eine göttliche darstellt , so etwa in
der
Schrift
Von den drey Principien
wo er
schreibt :
Wiewal es ist dass wir mit diesem nicht werden allen gefällig seyn so reden
wir doch
nicht
unser Wort / sondern wir reden in unserer Erkenntniss und Trieb
im
Geiste
was
uns in
GOtt gezeiget wird
darum verstehe es
recht.
Als
wir
stellen
dirs
in
Göttlicher
Erkenntniss
und im
Ernst
unter
Augen
/
nicht
dass wir
walten
eherl: von
dieser
Welt
verbannet seyn
/
als dass
wir aus
Hofart
und
Eigen Ruhm
walten also treiben /
der
doch nur
Kot
wäre / und würde uns der Geist
der
Erkennt-
niss nicht beystehen das magstu wol vermerken: wollen
demnach
in
unserm
Erkenntniss schreiben
für
uns und das Ende GOtt
befehlen.
Fast regelmäßig is t mit dieser Zurückführung seiner Verkündigung auf den
göttlichen
Auftrag der
Hinweis
verknüpft, daß
es ein reiner
Akt
göttlicher
Gnade war, die ihn zu einer solchen Überhöhung
und
Auszeichnung mit einer
neuen Erkenntnis führte. So benutzt er gerade die 1. Schutzschrift gegen
Balthasar Tilken
um
auf
diese Berufung
durch
Gottes Gnade ausdrücklich
.hinzuweisen
und
seine geistliche Erkenntnis der fleischlichen Erkenntnis der
gegen
ihn
gerichteten Anklageschrift entgegenzustellen'',
,,0 höre Pasquill
hastu Kunst
von
dieser
Welt,
so
habe ich Kunst von der
göttlichen Welt: Du hast deine gelernet: und meine ist mir
aus
Gnaden in der
Liebe
GOttes
geschenket worden: Ich werde mit meiner vor
dir
wol bleiben
/ ist
es doch
nur
gegen
einander als Sonn und
Mond.
Vor allem aber die Briefe strömen über von immer neuen Hinweisen auf die
Berufung des
Autors durch
Gott. Diese Hinweise
haben
die verschiedenartig-
sten Motive. Teils will er die Aufmerksamkeit des Lesers von seiner eigenen
Person auf
den
zurücklenken. von dem er sich berufen weiß, teils will er seiner
Botschaft
durch
die Nennung ihres göttlichen Urhebers die Ehrfurcht und die
gläubige Aufnahme verschaffen, die der Autorität dieses Urhebers angemessen
ist, und will diese Botschaft gegenüber jeder irdischen Wissenschaft deutlich
abgrenzen. Besonders der Gedanke der himmlischen Schule tritt bei ihm
immer mehr in den Vordergrund. Der von
Gott
Berufene geht in die Schule
Gottes
und lernt dor t
die himmlischen Geheimnisse; diese Geheimnisse
sind
höher als alle Vernunft und sind dem Wissen der irdischen Wissenschaft
schlechthin unbegreiflich. Daher stellt Boehme regelmäßig dem Pochen auf
die irdische Gelehrsamkeit, auf die menschliche
Vernunft und
das fleischliche
Wissen diesen Hinweis
auf
die himmlische Schule entgegen, in der Gott selbst
ihn
die höhere
Erkenntnis
gelehrt hat. So schreibt er
etwa
im 12. Brief :
Darum ist mein ganzes Schreiben
als
eines
Schülers
der
zur Schulen
gehet;
GOtt hat meine Seele
in
eine wunderliche
Schule
geführet
und ich kan
mir in
Wahrheit nichts zumessen
dass meine
Ichtheit
etwas
wäre oder
verstünde.
De tribus
principiis
cap. 25
nr.
58
U
60 S. 772.
2 Erste Schutzschrijt wider Balth. Tilken nr. 93 S. 1784.
3
The08. Send Briefe
12.
Br. nr.
19 S. 3749.
( 20 )
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Der Prophet Jakob
Boehme
73
Ganz ähnlich
schreibt
er in deutlicher Abgrenzung seiner Lehre gegenüber
aller ,historischen Kunst >:
Denn aus
der
historischen Kunst dieser Welt habe ich wenig und schreibe
nicht um derselben Hofart
ihrer
Kunst willen denn ich bin
nicht
von
ihrer Kunst
erboren
sondern
aus
dem Leben
Gottes
auf dass
ich
Frucht bringe
im Paradeisi
schen
Rosen-Garten
GOttes.
Und
nicht
allein
fü r mich
sondern
auch für
meine
Brüder und Schwestern auf dass wir
werden
Ein
Leib
in
Christo
GOtt
unserm
Vater
welcher
uns
gellebet
und
in
Christo versehen hat
ehe der
Welt Grund
geleget
ward.
Boehme
kann von
dieser göttlichen
Berufung auch
fast formelhaft sprechen,
so wenn er zum Beispiel im 31. Brief die Darstellung einer bestimmten Lehre
mit den Worten einleitet :
So viel mir
im
HErrn meinem
GOtt
erkant ist
in
meinem
mir von
GOtt
gegebenen
gar
edlen
Talent
so
sage
ich
Gerade solche einfachen
und
naiven Äußerungen
verraten
die ungemeine
Stärke und Spontaneität des Berufungsbewußtseins von Jakob Boehme, das
alle Erkenntnisse
unmittelbar
auf
Gott
selbst als die
letzte
Wurzel aller Offen-
barung zurückführt.
2. Seine
Sendung durch
den
Heiligen
Geist
Aber Boehmes Selbstdeutung ist nicht auf diese naive, unreflektierte Be-
gründung seiner Offenbarung in Gott beschränkt. Es ist echt prophetisches
Sendungsbewußtsein. das aus
ihm
spricht, wenn er sich immer wieder in seinen
Werken auf Gottes Geist oder den Heiligen Geist als die unmittelbare Quelle
seiner Erkenntnis
beruft und
ihn sogar für den
Wortlaut
seiner Schriften als
den Urheber beansprucht.
Der
Heilige Geist
is t
es, den er in den alten Prophe-
ten am Werke weiß, durch ihn weiß er sich selbst zugleich getrieben
und
ge-
bunden; der
Geist ist es,
auf
den er sich
immer
gegenüber den Versuchen seiner
Gegner
beruft
seine Erkenntnisse als
ein
Produkt
menschlicher
Vernunft
zu
verstehen, ihre menschliche Vernunftwissenschaft gegen seine geistlichen Er
kenntnisse auszuspielen. So schreibt er in der
Aurora
von seinem
Werket:
Von denselben Geburten
wil
ich
alhie
schreiben und
der
letzten
Welt
Kindern
anzeigen was
GOtt
ist
nicht aus
Ruhm oder
Hofart
Jemanden hiermit
zu
schmähen oder verachten . Nein : der Geist wil
dich sänft ig und freundlich
unter
weisen
wie
ein Vater seine Kinder: dan das lVerk ist nicht meines Fleisches Ver-
nunft
sondern des Geistes Liebe Offenbarung oder Durchbrechung im Fleische.
Ganz ähnlich
hat
er sich daselbst schon
früher
auf
den
Heiligen Geist be-
rufen, wo er von dem ,feurigen Trieb erzählt, der sich in ihm regte, und wo
1 das.
4.
Br. nr.
22 u. 23
S.
3721.
3
urora cap.
22 nr. 50 S. 298.
( 21 )
2 das.
31.
Br.
nr. 14 S. 3806.
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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74
ERNST NZ
dieselbe Gegenüberstellung
von
Heiligem Geist und fleischlicher Vernunft er-
folgt .
W ilsind nicht damit aus derWeisheit
dieser
Welt
erboren
I verstehen die auch
nicht:
sondern was
uns gegeben wird I
das
geben wir wieder I und haben ferner
hir
innen keinen
andern
geschöpften Willen I wissen auch
nicht
genug I zu waserley
Ende
lohne
was uns der
Geist zeiget
I
welches
wir
auch setzen: Arbeiten
also
in
unserm
Weinberge I darein
uns
der Haus-Vater
gesetzet
hat
Wollen
doch also
reden
als
vor
vielen / und
meinen doch
/ wir
schreiben
für uns selber / welches
alles
in
GOtt
verborgen ist:
Denn
der feurige Trieb wil es als haben / als
wan
wir
aus
vielen redeten I und
auch
vor
vielen
/
da
ich dan nichts von
weis.
Darum ohs käme
dass es gelesen
würde
/ sols
Nimand
für ein
Werk
der äusseren
Vernunft
achten
I
dan es
ist
aus dem inneren verborgenen Menschen
gemacht
worden: deme
nach
hat
diese
Hand geschrieben
/
ohne Jemands
Ansehen.
Dieselbe Gegenüberstellung von Vernunft und Heiligem Geist erfolgt bei-
nahe regelmäßig
und
oft
in ähnlichen Ausdrücken in seinen späteren Schrif-
ten so vor allem in der 1.
Schutzschrijt wider Balthasar Tilken
2
:
Meine
hohe
Wissenschaft machet
mich
nicht selig: denn ich
weis
mich nicht;
Sie ist nicht mein I sondern GOttes Geist weis sich in mir. Er lockt
mich
darmit
zu
sich;
Wenn
er weichet
I
so weis ich nichts. Hab ich doch meine Wissenschajt nicht
von Menschen I was
sol
ich denn lange mit Menschen darum
zanken?
Es
kan mir
sie
Nimand weder gehen
noch
nehmen. Ich
handele närrisch /
dass
ich
mit
dir
kämpfe I kanstu mir doch nichts nehmen;
aber
es geschiht um
ander
Leute
willen
/
die
durch deinenMund meine Erkenntniss missbrauchen I sonst wolte ich um deines
Fluchens
und
Richtens
willen
nicht
einen
Finger aufheben.
Ganz ähnlich
heißt
es in der zweiten Schutzschrift wider Balthasar Tilken
Ich habe meine Wissenschaft nicht von Wahn oder Meinungen
I
wie
ihr:
sondern
ich habe
eine lebendige Wissenschaft
in der
Beschaulichkeit und Empfindlichkeit:
Ich darf
keinen
Doctor von der Schule dieser
Welt darzu:
denn
von
ihnen
hab
ichs
nicht
gelernet I sondern von GOttesGeiste I
darum
fürchte ich mich nichts
vor
eurem
Pralen und Spotten .
Daß diese Begründung seiner Offenbarung im Heiligen Geist nicht Phrase
oder reine Stilform ist, sondern
mit
voller prophetischer Verantwortlichkeit
gesprochen ist, geht aus der unbestreitbaren Tatsache hervor, daß Boehme
den Verfolgern seiner Offenbarung dieselbe Strafe
angedroht hat
die das Neue
Testament denen androht die die Sünde wider
den
Heiligen Geist begehen.
Es wird später zu zeigen sein, wie Boehme immer
mehr
zu der Erkenntnis
gelangt, daß Gott mit seinen Schriften einen ganz bestimmten heilsgeschicht-
lichen Plan in dieser letzten Zeit verfolgt
und
daß sich das
Heil
der Menschen
dieser letzten Zeit
an
der Annahme oder der Ablehnung der durch Boehme
1
Aurora
cap
25 u. 48 S. 338 vergI.
Theosoph. Send Briefe
2
nr.
10 S.
3716:
Dann so
ich schreibe I dictiret mir
es
der Geist in grosser wunderlicher
Erkentniß
I
da ich
ofte
nicht weis I
ob ich
nach
meinem
Geiste in dieser Welt
bin
I und
mich
die noch
erfreue.
Erste Schutz8chrift wider Balth.
Tilken nr.
587-589 S. 1855/56.
3 Zweite Schutuchrift wider Balth. Tilken nr. 53 S. 1878.
22 )
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Der Prophet Jakob Boehme
75
verkündeten Offenbarung entscheidet. Hier sei nur
auf
ein Wort hingewiesen
das zu den
furchtbarsten
Drohungen gehört die Boehme je ausgesprochen hat
und
dem
man nur
eines der gewaltigen Drohworte der
alten Propheten
an die
Seite stellen
kann
:
Was ich aber alhier nicht schreiben
kan
das wil ich
deiner
Selen zu bedenken
befohlen
haben: du wirst
es
am
Tage
der Auferstehung hel
und kla r
sehen:
du darfst
meines Geistes
alhie nicht spotten
er
ist
nicht
us in m
wilden Thiere entsprungen:
sondern er ist von meiner Kraft geboren und von dem Heiligen Geiste erleuchtet Ich
schreibe alhier
nicht ohne
Erkenntniss
: So
du
aber
als ein Epicurer
und
Teufels
Mast-
Sau aus des Teufels Anregen
wirst
dieser
Dinge
spotten und wirst sagen :
Der
Narr ist
nicht in Himmel
gestiegen und hats gesehen oder gehöre t
es sind
Fabeln; so wil
ich
dich
in Kraft meiner
Erkenntniss
vor das ernste Gerichte GOttes
citiret und geruffen
haben.
Und
ob ich
in
meinem
Leibe
zu ohnmächtig bin
dich
dahin
zu
bringen; so ist es
doch
Der / von dem
ich
meine Erkenntniss
habe
/
mächt ig genug
die
auch in Abgrund der Höllen zu
werfen
Der Fiedler hat
seine Saiten schon aufgezogen der Bräutigam
kommt: schaue zu
dass
du nicht
das höllische Podagra in deinen Füssen hast
wan
dan
der
Reihen angehet dass
du zum Engels-Tanz
gar
ungeschickt
seyst
/ und werdest von
der
Hochzeit hinaus
gestessen
weil du kein Englisch Kleid
anhast. Warlieh
die Thür
wird hinter dir
zugeschlossen werden und du wirst nicht mehr hinein
kommen:
sondern
du
wirst
mit den höllischen Wölfen im höllischen Feur
tanzen
der
Spott wird dir dan wol
vergehen
und Reuen
wird
dich
nagen.
In diesen Drohworten ist nicht mehr und nicht weniger gesagt als daß Boehmc
die Verächter seiner Verkündigung in
der
Vollmacht des Heiligen Geistes
vor
das Gericht Gottes zitiert. Selten äußert sich
das
prophetische Hochgefühl
des seiner
Natur
nach so demütigen und sanften Boehme in so schroffen Worten.
3.
Seine
Se ndu n
g
durch Chr is tu s
Trotzdem
läßt sich Boehme von diesem Wissen
um
seine geistliche Macht
nicht zur Schwärmerei verleiten wie dies bei vielen anderen prophetischen
Geistern seiner Zeit
der Fal l
war.
Er
bleibt sich
trotz der
Einsicht in die Neu
heit seiner
Verkündigung
immer
bewußt
auf
dem
Boden
der
christlichen Offen
barung zu stehen.
Er
will nicht die ihm vorliegende Offenbarung in der Heili
gen Schrift des Alten
und
Neuen Testamentes durch eine neue Offenbarung
aufheben oder inhaltlich ergänzen sondern erläutern, vertiefen und auf
schließen .
Dort
wo er sich auf seine bestimmte heilsgeschichtliche Aufgabe
innerhalb
der
christlichen Kirche besinnt nennt er den Urheber seiner
per
sönlichen
Erweckung und seiner persönlichen Offenbarung nicht allgemein
Gott sondern den durch den Gott zu dem Menschen gesprochen hat und durch
den er
für
die Menschen heilbringend gewirkt
hat,
J esus Christus. Wie er selber
Gott
gesucht
und
gefunden
hat
in seinem Sohn wie er
Gott nicht kennen
will
außer in
und
durch Jesus Christus so
sieht
er als Urheber seiner Offenbarung
und
Sendung
den
Erlöser dessen
Tat
er auf allen Seiten seiner Schriften preist.
1
Aurora cap,
5
nr. 14 15 16 u. 18 S. 57/58.
23
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ERNST NZ
In der schlichtesten Weise und ganz in den Worten
der
kirchlichen Gläubig-
keit hat er dies in dem 42. Brief ausgesprochen :
Mein lieber Herr und Bruder wisset ich schreibe
nicht stum
ohne Wissen
ich
habe es selber erfahren ich bin in eurem Wahne so tief gewesen als ihr; aber mein
Heiland
Jesus
hat
mir
meine ugen auf getahn dass ich
sehe:
nicht in
meiner
Gewalt
seh
ich
sondern
in
seiner
wie
Er
mich in
Ihm
kennet
und
wie
Er
in
mir
sehen
wil.
Und wünsche
von Herzen dass ihr
möchtet
in mein Sehen einsehen
und aus
meinem
Sehen mit
mir
sehen / ich wol te euch mein
Herz und
Liebe gern
zum
Eigentum geben / und durch diesen
Schein
aus
euch
sehen.
Ebenso schreibt cr in der Schrift Von den drey Principien an einer Stelle,
die auch sonst für die Erkenntnis seiner persönlichen Anschauung von
der
Heilsbedeutung seiner Schriften bedeutsam ist :
Uns
entgegnet
das Mysterium, welches wir
zuvor nie
erkant
auch
den Grund
nie
gewust
uns auch niemaln
würdig
geachtet
hatten
zu
solcher
Offenbarung.
Weil
sie
uns aber
aus Gnaden erscheinet durch die Barmherzigkeit des freundlichen
Sohnes GOttes unsers HErrn JEsu Christi: so sollen wir nicht so laß seyn sondern
in dem
Gärtlein
der
Lilien arbeiten um unsers Nähesten Liebe willen / und um
die
Kinder
der
Hofnung sonderlich um
des
armen kranken
Lazari
welcher zu
Babel
verwundet
liget
und
nach seiner so schmerzlichen
Krankheit im
Ruch der
Lilien wird heil
werden.
Vor allem in seiner Schutzschrift gegen seinen eifrigsten Gegner, gegen den
Primarius r gor
Richter
das
Haupt
der Görlitzer Orthodoxie, legt er beson-
deren
Nachdruck
auf
die Begründung seines \Verkes
auf
Christus;
lautet
doch
der
Vorwurf der Orthodoxen, Boehme wolle die Offenbarung Christi, die
Heilige Schrift, die der Kirche als ausreichende Grundlage und Norm des
Glaubens gegeben ist, durch seine Prophetie überbieten und abschaffen.
Gerade dieser Beschuldigung gegenüber schreibt Boehme :
Darum sage ich ich habe meine Erkenntniss nicht von Menschen oder durch
Menschen sondern von der Gabe meines Heilandes J su Ohristi: Und begehre
Nimand von Christo
Jesu abzuführen sondern
weise ihnen herzlich
wie sie sollen
durch ware ernste
Busse
und Gebät
zu
Christo
meinem Hei lande kommen
wie
dan mein gedrucktes Büchlein durchaus anders nichts lehret.
Es
ist
also christliche Erkenntnis, christliches Heilswissen, christliche Heils-
botschaft, die Boehme bringen will. Freilich denkt er
nicht
an
den
,historischen
Christus , d. h. im Sinne dieser Zeit an das Dogma
vom Christus,
an
den Vort-
christus der Kirchenlehre. an das bloße historische Wissen von Christus, son-
dern an den lebendigen Christus, den .Christus in uns , dessen metaphysisches
Schicksal sich in den Gläubigen vollzieht und vollendet. Christus
ist
also bei
Boehme
nach
Art
der alten
deutschen Mystik eines
Eckhart,
Tauler
und
Seuse
1 Theosoph. Send.Briefe
42.
Br., nr.
31 S. 3843.
2 e trib. princ. cap. 18 nr. 61
S. 625/626.
3 Schutz Rede wider Gregor. Richtern nr.
32 S. 2111,
vgl. Erste Schutz8chrijt wider
Balth. Tilken
nr.
300 S. 1814.
( 24 )
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Der Prophet Jakob Boehme
77
als der Gottessohn verstanden, der im gläubigen-Menschen geboren wird.
Maßgeblich
ist
für
ihn
Christus als das innere Urbild, das Gottesbild im
Menschen. Die
Wiedergeburt
besteht darin, daß der Mensch, in dem das Gottes-
bild bereits erloschen war, Christus aufs neue anzieht daß der Gottessohn
im
Menschen geboren
wird
daß
das Urbild im Menschen
erneuert wird, daß
der Mensch in Christus
an
der
ganzen
Fülle
der Gottheit
teil
hat daß
in
ihm
in Christus die
Fülle
der Erkenntnis Gottes, seiner selbst und aller Dinge
aufgeht.
4. Seine
Sen d u n g durch Eröffnung des I lln e ren
Buches
Diese
Gedanken
sind anund für sich innerhalb
der
Linie der deutschenMystik
traditionell; ihre Originalität bei Boehme liegt in der Besonderheit der per-
sönlichen
Erfahrung
dieser inneren Erneuerung des Urbildes und dieser
Wieder
eröffnung des Grundes .
Eine
besondere Abwandlung dieses Gedankens
ist
bei ihm in einer Anschauung zu suchen, die später
vor
allem durch
J ohann
Arnd eine außerordentliche Verbreitung
hat
in der Auffassung von Christus
als dem inneren Buch des Menschen.
Wann
und
wo die mystische Lehre von
den vier Büchern
zum
ersten
Mal
entfaltet worden ist, läßt sich
nicht
mehr genau feststellen. ie
Spuren
dieser
Lehre in der Barockmystik weisen auf imund von abunde t nach 1436
zurück. Ihr Grundgedanke
ist:
es besteht eine innere Wesensbeziehung
un
Entsprechung
zwischen Christus, Welt, Bibel
und
Mensch. Christus
ist
der,
durch
den Gott die
Welt
geschaffen
hat:
er hat
n
sich die Fülle aller Gestalten
und
Ideen, die in diesem Universum schöpferisch hervortreten und er ist die
personhafte
Gestalt
des Sohnes die alle diese Gestalten und Kräfte in sich
eint. Die Welt ist der
Ort der Verwirklichung
und Entfaltung aller dieser
Ge-
stalten, Ideen
und
Kräfte. Ihre schriftliche Zusammenfassung, Beschreibung
und Deutung ist die Bibel, das Lagerbuch
der
Welt in dem alle wahren Begriffe
und Signaturen der vollkommenen Welt aufgezeichnet sind. Der Mensch
selbst
ist
nach dem
Bilde Gottes geschaffen.
In
ihm ist
also ursprünglich die
Fülle
der
Erkenntnis
aller
Dinge.
Die
Adam-Spekulation
Boehmes zeigt
uns
das Bild Adams als des vollkommenen Urmenschen, der, nach seiner inneren
Gestalt ein Bild Gottes und ein Bild des in Christus sich verwirklichenden
Universums,
den
Zugang zu allen Dingen hatte der die volle Erkenntnis des
Wesens aller Dinge besaß und der gleichzeitig die Tiefen Gottes
und
der
Natur
kannte. Dieses
Wissen ist
durch die
Empörung
gegen Gott und
durch
die
Selbsterhebung des Menschen gleichzeitig
mit
der Zerstörung des Gotteben-
bildes im Menschen zerstört worden. Die Wiedergeburt bedeutet also von hier
aus gesehen,
daß dem
Menschen, in
dem
Christus geboren wird
und
in
dem das
ursprüngliche
Gottebenbild
wiederhergestellt wird, eben damit auch das ver-
lorene Wissen, die verlorene Zentralerkenntnis aller Dinge wiederum aufgeht.
Deshalb also wird bei Boehme Christus, d. h.
der
Christus in uns als das
lebendige Buch des Menschen bezeichnet. Ist Christus
in
uns, so ist er in
25
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78
ERNST BENZ
uns mit der
ganzen
Fülle seines
inneren
Lebens
und
Erkennens: in ihm ist
zugleich dem Menschen die Erkenntnis dessen gegeben was die ganze Mensch-
heitsgeschichte
und
das ganze
Universum
im innersten zusammenhält. So
schreibt Boehme in seiner
z ~ v y t Schutzschrift wider Balthasar
Tilken
1
:
Denn wir Menschen allesamt haben nur ein
einziges
uch/ das zu GOtt weiset
das
haben
wir
gemein
ein jeder
hat
es
in
sich
das
ist
der teure
Name
GOttes.
Seine
Buchstaben
sind
die Flammen der
Liebe / die
Er
aus seinem Herzen in
dem
teuren
Namen
JESU hat in uns
geoffenbaret.
Leset
nur dieselbigen einigen Buch-
s taben in eurem Herzen und Gernühte / so habt
ihr
Bücher genug: Alle Schriften
der
Kinder
GOttes weisen euch
dahin in das einige
Buch.
Den
darinnen
l iegen alle
Schätze der Weisheit.
Sehet nun zu / dass ihr im Leben und Geiste CHRISTI
neugeboren werdet so habet ihr Alles was GOtt is t und vermag.
Wenn hier nur von
einem Buch
die
Rede
ist so bedeutet dies keinen Gegen-
satz zu dem Gedanken von den vier Büchern denn die genannten vier Bücher
sind ja in Wirklichkeit eines: sie sind die
Darstellung
und Entfaltung
dessen
was im Namen Gottes beschlossen liegt und was in seiner Selbstoffenbarung
in Schöpfung und Erlösung aus ihm
hervortritt.
Die Erlösung besteht ja
gerade darin daß diese vier Bücher Mensch Christus Welt und Bibel sich
decken und eines werden daß der erlöste Mensch in Christus Gott erkennt
daß die ganze Welt als Bild Gottes erscheint
daß ihm
die Schrift der Bibel
und die Betrachtung der Natur die Tiefen
Gottes
aufschließt und
daß ihm
in
der Betrachtung des Buches in
ihm
selbst des inneren Menschen die Geheim-
nisse Gottes und seiner Schöpfung offenbar werden.
Auf Grund dieser Anschauung von der Offenbarung Gottes in dem Buch
der Natur
und
von
dem
Gedanken an Christus als
dem
inneren
Buch
des Men-
schen is t es verständlich daß Boehme auch neben der traditionellen Begrün-
dung
seiner Offenbarung in Gott und in Christus von einer Offenbarung durch
das
Aufschließen des
Inneren Buches
in ihm spricht. Gemeint is t eben
damit
der Christus in
uns
das Urbild der
zweite Adam
die Wiederherstellung
des Gottesbildes im Menschen in dessen Erneuerung dem Menschen wieder alle
Dinge in ihrer ursprünglichen Gestal t und in ihrem anfänglichen Wesen er-
scheinen wie sie in
Gott
sind. So
schreibt
Boehme
an
derselben Stelle weiter
an seine theologischen Zeitgenossen die über die begriffliche Auslegung des
Dogmas streiten :
Aber
ihr seyd
trunken
und gehet
irre
und suche t den
Schlüssel
zum Buch und
zanket
um
den Schlüssel ; Ein jeder spricht: Ich habe den
Schlüssel; und
keiner
will
sein eigen Lebens buch
aufschliessen ;
Es hätte
ein
jeder den
Schlüssel zu GOtt
in sich suchte
Er
ihn nur rechten Orte: Aber ihr wollet lieber zanken als dass
ihr
den S.chlüssel
in
euch
suchet; Darum
seyd
ihr
blind
alle d ie
ihr zanket
ihr
gehet
nur
als
vor
einem Spigel
suchen.
Warum gehet ih r
nicht ins Centrum
?
solchem Suchen
findet
ihr den Schlüssel
nicht
seyd gleich gelehrt
als
ihr
wollet
/ es
hilft
nichts.
1
Zweyte Schutz Schrift wider Balth Tilken nr. 305 S. 1919.
2
das.
nr. 306 S.
1919.
26
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob
Boehme
70
Boehme
führt
also seine Offenbarung
und
geistliche Erkenntnis auf dieses
Innere Buch
zurück, das
ihm
aufgeschlagen wurde.
Der
Zusammenhang
wäre unverständlich, wennman nicht wüßte, daß Boehme unter diesem inneren
Lebensbuche eben
den Christus
in uns , den Grund und Inbegriff alles Wesens
versteht, in
dem der
Mensch alle Dinge in
ihrem
Wesen
erkennt,
so wie sie in
Gott
und
vor
Gott
sind.
Es
ist nicht das Buch
seines
natürlichen
Wesens,
sondern die Eröffnung des urspriinglichen Gottesebenbildes in Christus und
damit zugleich
der
Wiedereinsetzung in die vollkommene
Erkenntnis
des
Grundes aller Dinge, wie sie dem vollendeten
Gottebenbild
entspricht :
Also habe ich nun
geschrieben
nicht
von Menschen-Lehre
oder Wissenschaft
aus Bücher-Lernen sondern aus meinem eigenen Buche das in mir eröfnet Als
die edle Gleichniss O t t e ~ das uch der edlen ildniß zu
verstehen
das Ebenbild
Gottes) ward mir vergönt
zu lesen
und
darin habe ich
mein
Studieren gefunden
als ein
Kind in
seiner
Mutter
Haus das da sihet was
der
Vater machet
und
dem
selben
in
seinem Kinderspiel nachspielet;
ich
darf
kein ander Buch
dazu.
ein
Buch hat nur
3.
Blätter
das sind die 3. Principia
der
Ewigkeit; darinnen kan
ich
alles finden was Moses und die Propheten sowol Christus
und
die Aposteln
geredet haben. Ich kan der Welt
Grund
und alle Heimlichkeit darinnen finden:
Doch nicht ich
sondern
der Geist
des
HErrn tuht
es
nach dem
Mass wie
Er wil.
Darum kann
Boehme auch schreiben,
Gott
selber
habe
ihm das
Buch
er-
öffnet :
Thr könnet auch wol vernünf tig bey euch erkennen dass
mich
die
Hand des
HErrn mit seinem Willen bisher habe geführe t
und
zu solcher Erkenntniss
gebracht damit ich vielen Menschen gutwillig
wiederum
gedienet habe:
diweil
ich
meine Wissenschaft
nicht
von Lernen
in
Schulen
und Büchern habe empfangen
sondern von dem großen Buche aller Wesen
welches des
HErrn Hand hat in mir
aufgeschlossen. Weil
dan
in
demselben
Buche ein der rechte Verstand
ist
so zeich-
net GOtt seine
Kinder
welchen er dieses
Buch
zu
lesen
gibet mit demselben
+
ist der
menschliche
Tod erwürget
und
das ewige Leben herwiederbracht worden.
Daß
Gott
alle die, in denen er das Buch des Lebens eröffnet,
mit
dem +
zeichnet,
bedeutet
die Einigung
der
Gläubigen mit Christus. Christförmig
und
damit der
Erkenntnis
Christi teilhaftig wird
nur
der,
der mit ihm
den
Tod
der
Selbstverleugnung, Entichung und Entwerdung gestorben ist,
um mit
ihm
als neuer Mensch, als Wiedergeborener in der Gestalt des ursprünglichen
Gottesbildes wiederaufzustehen.
Nur der
mit
dem +
Gezeichnete, d. h.
der
wahrhaft in Christus Gestorbene und Auferstandene wird dieser
Erkenntnis
teilhaftig.
Dadurch
erhält die Berufung
auf
Christus als
den
Urheber seiner
Berufung und Offenbarung einen besonderen Sinn: er i st best immt durch die
Anschauung vom Christus in uns , durch
den
Gedanken
der
mystischen Ein-
wohnung Christi im Menschen
und
durch die Auslegung der
Wirkung
dieser
Einwohnung als der Wiederherstellung des Gottesbildes und damit des Blickes
in das Zentrum aller Wesen.
1
Theos. Send Briefe
12.
n nr.
14 u. 15 S. 3748/49.
2
das.,
50.
Br., nr.
1, S. 3889.
27
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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80
ERNST BENZ
5. Seine Sendung durch die
himmlische
Jungfrau Sophia
\
Hat dieser Gedanke von
der
Offenbarung des inneren Lebensbuches bereits
über die allgemeine
Begründung
der Offenbarung in einem göttlichen Auftrag
hinaus die besondere Abtönurig des Boehmeschen Erwählungsbewußtseins ent
hüllt so
tritt
dies noch deutlicher in einer
letzten Form
der Auslegung seiner
Sendung hervor. Boehme bringt nämlich seine Offenbarung in unmittelbaren
Zusammenhang
mit der Gestalt der himmlischen Sophia der Weisheit. Die
Sophia ist bei Boehme die himmlische Gestalt
durch
die sich die gesamte
Aktivität der
göttlichen Dreifaltigkeit
nach außen hin
vollzieht - so
hat
sie
sich
ihm
selbst als die Offenbarerin gezeigt.
Das
Leben der göttlichen Personen
ist in der Verborgenheit des Herzens Gottes selbst beschlossen ist ein inneres
Wallen und
Weben
in der transzendenten
dunklen
Gottheit. Die Sophia die
himmlische Weisheit is t die erste Gestalt in der sich der transzendente ver
borgene unfaßliche
Gott
als faßbare
Form und
als Bild seiner selbst spiegelt
und darstellt. Durch sie hindurch vollzieht sich die Verwirklichung in
der
Schöpfung durch sie hindurch geschieht auch das Werk
der
Erlösung. Sie ist
die Offenbarerin des Wesens schlechthin. Sie
ist
es die die Bilder und -
stalten und Kräfte
der
Schöpfung in sich enthä lt und in
der
diese fruchtbar
und wirksam
werden. Sie ist das Gottesbild die erste Braut Adams die
nach
seinem Fall wieder in den Äther flüchtet und an deren Stelle ihm die fleisch
liehe Gehilfin in
der
Gestalt der irdischen Eva gegeben wird Sie ist es in der
in Maria
der Sohn
Mensch wird. Sie
is t
die
Leiblichkeit Gottes
und
der
Behälter
Gottes
in dem sich die Fülle der verborgenen Gottheit fängt der
Spiegel Gottes in dem sich Gott selbst
betrachtet
und in dem sich das Auge
Gottes und das erhellte Auge des Menschen begegnen.
Erst von
hier aus
wird es verständlich wie Boehme seine eigene Offenbarung
gerade
auf
die himmlische Weisheit zurückführen kann. Sie ist nicht ein Anderes
neben Gott sondern sie is t die erste Gestalt die Offenbarerin Gottes
schlechthin in
der Gott
sich selbst und der Mensch
Gott
erkennt. So beschreibt
er in der Schrift Von den drey Principien seine Berufung als eine Begegnungmit
der
Jungfrau
Sophia der Gestalt
der
himmlischen Weisheit folgendermaßen :
Ich sage dass
dieses
nicht ist
gesuchet worden: sondern wir suchten das Herze
GOttes
/ uns
darinnen
zu
verbergen vor dem Ungewit te r
des Teufels. Als wir
aber
dahin
gelangten /
begegnete uns
die holdselige
Jungfrau
aus dem Paradies
und
entbot
uns ihre Liebe Sie wolte uns freundl ich
seyn
und
sich mit
uns
vermählen
zu
einem Gespielen
und
den Weg weisen zum Paradies
/
da wir solten sicher seyn
vorm Ungewitter.
Und sie
trug
einen
Zweyg in
ihrer Hand /
und sprach:
Diesen
wollen wir
setzen
so wird eine Lilie
wachsenj und ich
wil
wieder
zu
dir
kommen.
Davon haben wir eine
solche
Lust
bekommen
zu
schreiben
von
der holdseligen
Jungfrauen
die uns
den Weg
weisete ins
Paradeis;
da
musten
wir gehen durch
dieser
Welt-
und auch
Höllen-Reich
und uns
geschah kein Leid; u
demselben
nach schreiben wir.
1
De
trib. princ. cap.
13
ur.
61 S. 517.
28
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob Boehme
81
In diesen Worten sind die wichtigsten Gedanken der Boehmesehen Weis
heitslehre und die persönlichen Frömmigkeitserfahrungen im Bezirk dieser
Lehre erhalten. Wenn hier von einer Vermählung mit der himmlischen Sophia
die
Rede
ist so führt dies wieder auf den Gedanken von dem ursprünglichen
Gottesbild in Adam zurück. Die Sophia is t ja das Gottesbild im Menschen
die erste
Form,
in
der
sich
Gott
selbst spiegelt
und
nach der das
Menschenbild
geschaffen ist. Wenn
in dem Abfall Adams von Gott
und
in der ersten
Erhebung
seiner Selbstsucht der Ehebruch Adams erfolgt ist in dem sich seine himmlische
Gespielin sein Gottesbild von ihm wandte so ist die Vermählung
mit
Sophia
von der
hier
Boehme spricht die Wiederherstellung der ursprünglichen
Ehe,
die Wiederverknüpfung des Menschen mit seinem verlorenen Gottesbild
der
Akt in dem ihm der Blick ins Zentrum alles Wesens wiederaufgeht der Akt,
in dem
der
Mensch wieder ganz und heil wird
und
alle Dinge und sich selbst
mit dem Auge Gottes sieht. In Sophias
Rat
schreibt
er
und vollbringt sein
Werk-.
Also
wollen wir ein
jeder sein
Tagwerk
in
seinem
Acker herfürbringen und
vollenden / und in
der
Erndte
wird
ein
jeder seiner Arbeit stehen
und
seines
Gewächses / so er gesäet
geniessen
:
darum
sol
meine
Hand nicht lassen
zu
graben
sagen
wir ohne
Scherz
hochteuer in
den
Wundern Gottes erkant /
in
Raht der
edlen
Jungfrauen.
Wie Boehme von der Schule
Gottes
sprechen kann, in der er seine
Er
kenntnisse gelernt hat, so kann er
auch
von der Schule der himmlischen
Weisheit sprechen
und
zwar in einem noch eigentlicheren Sinne
denn
Gott
in seinem überförmigen dunklen Sein kann niemand verstehen und begreifen:
die Sophia ist allein die Offenbarerin
Gottes ,
in ihr sind die u ~ e r Gottes
lebendig
und sichtbar und
begreifbar. ihr allein
kann
der Mensch das Einzelne
und seine Verknüpfung
zum
Ganzen erkennen. So schreibt Boehme in derselben
Schrift Von den drey Principiesi
Darum schreiben
wir aus einer andern Schulen
darinnen der irdische Leib
mit
seinen Sinnen nie
studiret
hat auch das ABC nie gelernet: denn in der Jungfrauen
Rosen
lerneten
wir das ABC welches wir vermeineten die Sinnen des
Gemühts
zu
lehren. Aber es konte
nicht
seyn / sie waren viel zu rauhe und
finster
/ konten es
nicht fassen
und
mus
te
derowegen der
irdische
Leib
in
dieser
Schulen
ungelehrt
bleiben
und
konte seine
Zunge
n icht darin erheben. Denn das Gemühte dieser
Schulen stund in den
Thoren der
Tieffe
im
Centro verborgen: dürfen
uns
derotwegen
dieser
Schulen nicht rühmen
/ denn sie ist
nicht des
irdischen Menschen Sinnen
und Gemühtes Eigenthum Darum haben wir keine Gewalt / macht oder
Verstand
/ zu
lehren
von
den Wundern Gotte s
in
unserm irdischen Willen
/
wir
verstehen
nichts dar innen nach
unserer angeborenen Natur / und darf Nimand
von
unserm
eigenen
Vil len etwas fordern denn
wir
haben nichts.
Die
Berufung
auf
Gott,
Christus das innere
Buch,
den Heiligen Geist die
Jungfrau Sophia als Ursprung seiner Offenbarung zeigt die wichtigsten
Fröm-
1
das.
cap.
23 nr. 34 S. 739.
2 das.
cap,
18 nr. 63 u. 64 S. 626.
29 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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ERNST
NZ
migkeitsimpulse und die originalsten Gedanken seiner Theologie.
Ihre
Ver-
flechtung in die Selbstauslegung seiner
Person
und seines Werkes läßt erkennen
daß
es sich dabei
nicht um
rein theoretische Spekulationen handelt sondern
daß
hier
bestimmte
religiöse Erfahrungen zugrunde liegen; sie haben vor aller
The610gisierung
und Systematisierung
eine
gefühlsmäßige Grundstimmung
geschaffen, die die theoretische Auslegung bereits in eine
bestimmte
Richtung
lenkt. Es zeigt sich hier ein Vorgang, der bei allen prophetischen
Frömmig
keltstypen immer wieder
zutage
tritt: die allgemeine Anschauung vom Wesen
der religiösen
Erkenntnis und
vom Wesen
der
religiösen Beziehung zwischen
Gott und Mensch ist geformt an dem eigenen Frömmigkeitserlebnis. Wie für
Luther
die besondere
Art
seiner Erfahrung der Rechtfertigung zur
Richtschnur
seiner ganzen Theologie wurde, so wird auch für Boehme seine zentrale Er..
fahrung des Blickes zum Maßstab der Beurteilung
und
Theologisierung des
religiösen Geschehens.
In
der Selbstdeutung seiner prophetischen Sendung
sind
bereits alle
Elemente
seiner Religionsanschauung lebendig.
11. Die prophetische Frömmigkeitshaltung
Die größte Gefahr jedes Prophetentums liegt
in
der Möglichkeit der Selbst-
überhebung.
Immer
ist der Charismatiker in Gefahr, sich für einen Über..
menschen zu
halten.
Bezeichnenderweise findet sich
der
Begriff Übermensch
zum
erstenmal in
der messianischen Selbstaussage des Propheten Montanns.
Der
Prophet der
durch
die göttliche
Beauftragung über
die
Häupter
der
übrigen Menschen erhoben ist, ist der Gefahr dieser Sünde
in
besonderem Maße
ausgesetzt: ist sie doch die Ursünde, die immer wieder dem Menschen die
Versuchung heranträgt: Ihr werdet sein wie Gott und die gerade dem
Propheten nahelegt aus seinem hohen Auftrag eine Überhöhung seiner Person
durch Gott abzuleiten. So ist das notwendige Gegengewicht des prophetischen
Hochgefühls die Demut dessen,
der
in den Augenblicken seiner höchsten
Erhebung durch Gott nie vergiBt, daß er nur ein unnützer
Knecht ist
Luk. 17, 10).
Die Betrachtung der religiösen Entwicklung Boehmes
und
seiner Einstellung
zu seiner eigenen religiösen Erfahrung und zu den
Widerständen
die ihm daraus
erwuchsen, zeigt, daß eine demütige Bescheidenheit
und
Zurückhaltung zu
den
Grundzügen seines Wesens gehörten. Nur ein bescheidener und
demütiger
Mensch konnte so lange
dem
Drange seines
Herzens
widerstehen, konnte so
lange die Geister prüfen, die ihn bewegten, und konnte so lange mit
der
Ver-
kündigung einer
ihn
bedrängenden Offenbarung zurückhalten.
Nur ein
be-
scheidener und
demütiger
Mensch konnte sich dem behördlichen Verbot einer
weiteren schriftlichen Niederlegung seiner
Erkenntnisse
sieben ganze
Jahre
unterwerfen und immer
aufs neue die
ernsthafte
Prüfung seines himmlischen
Wissens bis an die Grenze der Selbstvernichtung vornehmen.
Boehme
hat daher den
Gedanken
der
werkzeuglichen Aufgabe des
Propheten
besonders
tief
empfunden.
Er
war sich wie selten einer
der
Unansehnlichkeit
30 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet Jakob
Boehme
83
seiner Person bewußt.
Was
Abraham von Franckenberg von seinem Äußeren
schreibt, macht diese Zurückhaltung begreiflich :
Seine
äußerliche Leibes-Gestalt war
verfallen
und von
schlechtem
Ansehen
kleiner Statur
niedriger
Stirne
erhobener Schläffe was gekrümter Nasen grau
und fast Himmelblaulieh
glinzender
Augen kurz dünen Barte s
klein
lautender Stimme
züchtig
in
Gebärden
bescheidentlich
in
Worten
Deshalb tritt bei ihm
auch
dieses entscheidende Gegengewicht des pro
phetischen Hochgefühls, die werkzeugliehe
Demut
in einem viel stärkeren
Maße hervor, als dies etwa bei Luther der Fall ist.
Luther
konnte sich immerhin
noch bei seinem
Auftreten
auf seine ordentliche legitime Berufung ins kirchliche
Lehramt
und
auf sein Doktorat berufen: er besaß die geschichtliche, philoso
phische, sprachliche
und
theologische Bildung seiner Zeit, er besaß die kirchliche
Ordination und
konnte
zu seinen theologischen Gegnern, selbst wenn sie den
Kardinalshut trugen als zu Seinesgleichen sprechen.
Hier
aber tritt ein
armer
Schuster auf, der in einem Torbogen der Stadt Görlitz bei der Neiße-Brücke
seine bescheidene
Werkstatt
besaß, der im Glanz eines zinnernen Gefäßes in
seiner Stube
in
das
innerste
Wesen
der
Welt geblickt hatte und redete als
ein Prophet .
So
is t
diese Prophetie schon in der ersten Schrift ,
der
Aurora dadurch
gekennzeichnet,
daß
Boehme immer wieder fast flehentlich auf den rein werk
zeuglichen, dienenden Charakter seiner Person hinweist und die Menschen von
seiner Person auf
den
zurückweist, der ihm
das
Welk
der
Verkündigung auf
getragen
hat. Der
Hinweis
auf
seinen
Stand
als
arlner
einfältiger
Laie
durch
zieht sein ganzes Werk. Dieser Hinweis ist vor allem dort für ihn selbst von
Bedeutung, wo er seine Meinung der kirchlichen Schulmeinung der gelehrten
Theologen oder seine Naturanschauung der Lehre
der
Naturforscher von
Beruf
entgegenstellt. Gerade ihnen gegenüber ist er besonders bescheiden. So schreibt
er in der
Aurora
über sein Verhältnis zu den Gelehrten
i
Ich habe dessen auch keinen
Befehl/
dass ich
mich
über die sol hoch beschweren
und sie
verdammen lohne
über ihre Laster der
Hofart
Geizes Neides
und
Zornes:
über das
beschwert
sich
der
Geist
der
Natur
mächtig sehr
nicht
ich.
Was
wolte ich
armer Staub thun
der ich doch
fast
ohnmächtig bin ?
Darum
spricht
der Geist der Natur:
weil
sie nicht
wollen
aufwachen
vom
Schlaffe
und
die Thür
aufmachen so
wil
ichs selber tuhn. Was könte
ich
armer /
einfältiger
Laie sonst
von ihrer hohen
Kunst
lehren oder schreiben so
mir
nicht von
dem
Geiste der
Natur gegeben
wäre
in dem ich
lebe und
bin? habe ich doch nur
einen Laien
Stand
und habe von diesem Schreiben keine
Soldung :
solte
ich aber
darum
dem
Geiste
wehren
dass
er nicht
anfange
aufzuschliessen wo er wolle:
bin ich doch
nicht die Thür sondern ein gemeiner Riegel davor: so mich nun der Geist auszöge
und
würfe mich
ins Feuer II{önte ich ihm
auch das
wehren?
So
ich aber
ein
unnützer
Riegel
seyn wolte
der
sich nicht
wolte
lassen ausziehen
und
dem Geiste aufschliesen
1 R H ~ VON FRANCKENBERG
Bericht von
B Leben und Schriften Num. I
27 S. 17.
2 urora
cap.
22 nr. 15
u.
18-21
S.
293/94
31 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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84
ERNST NZ
würde nicht
der
Geist
über
mir erzörnen und
mich
abreisen
und
wegwerfen /
und
ihme einen nützern und gefügern Riegel
machen?
Alsdan läge ich und
würde
mit
Fiissel \
getreten da ich doch vorhin an der schönen Thür gepranget
hätte
wozu
wäre der
Riegel
sonst als zu Feur-Holz r Sihe ich sage dir ein Geheimniß : So
bald
die Thür bis an ihren Angel aufgehet so werden al le unnütze veste
eingekeilte
Riegel
weggeworfen werden / dan die Thür
wird fürbas nicht mehr zugeschlossen
werden
sondern stehet
offen
und
gehen
die vier Winde
da
aus
und
ein.
Der werkzeugliehe
Charakter
des Propheten
wird
hier durch den Vergleich
mit
dem Riegel besonders deutlich: Boehme
ist
an
dem
Tor
der Erkenntnis der
Riegel, den der Geist aufschließt, um das Tor zu öffnen. Er ist nicht selbst das
Tor, sondern
nur
Werkzeug, durch welches die neue Erkenntnis der letzten
Zeit den Menschen zugänglich gemacht wird.
Darin
liegt
auch
die Vorläufigkeit
seiner
Bedeutung:
Der Riegel wird unnütz in dem Augenblick, in dem das
Tor offensteht ; die
Tür
wird nicht
mehr
geschlossen werden, denn die
Erkennt
nis, die
durch ihn vermittelt
wird,
ist
die
Erkenntnis
der
letzten
Heilzeit, der
Lilienzeit , der Jesusmonarchie , deren Herrschaft kein Ende hat . So wird
seine Person durch ihre eigene Aufgabe selbst aufgehoben.
Boehme
hat
sich über seine Niedrigkeit
mit
einem Gedanken hinweg-
getröstet, der schon in der Einleitung der
Anrora
hervortritt,
aber
bei ihm auch
in seinen
späteren
Schriften sehr oft
und
ausführlich behandelt ist
und
dessen
häufige Wiederholung zeigt, wie notwendig es für
das
unsichere Selbstbewußt-
sein Boehmes war, immer wieder zur Beseitigung seiner
Hemmungen auf
diesen
Trost zurückzugreifen. Es
is t
der Gedanke,
Gott
habe sich ja innerhalb der
ganzen Heilsgeschichte
immer
in
der
paradoxen Weise verwirklicht, daß er das
Niedrige
und
Verachtete sich erwählte,
um
es
zum
Werkzeug seiner Verkündi-
gung zu
machen und
um das Hohe
und
Stolze
damit
zu beschämen ,
Wer
war Habel
r Ein Schäfer:
Wer
war Henoch und Noah? Einfältige Leute
Wer war Abraham,
Isaac
und
Jakob? Viehhirten
waren sie: wer
war
Moses, der
teuere Mann GOttes? e in Viehhir te
: wer
war David, als ihn
des
HErrn Mund
berief? ein Schäfer.
Ver
waren die
Propheten
gros und
klein?
gemeine und geringe
Leutlein;
ein Teil
nur
Bauren
und
Hirten
die nur
der Welt Fusshader waren man
hielt
sie
nur
für Narren.
Und
ob sie
gleich
Wunder und
Zeichen
tahten
r
noch sahe
die
Welt
nur auf
das
Hohe und der Heilige Geist mus te ihrer Füsse Schemel
seyn: dan
der
stolze Teufel hat je
und
allwege wollen e in König
in
dieser Welt. seyn.
Nun wie
kam unser König Jesns Christus in diese
Welt ?
arm und in
grossem
Kum
mer
und Elende;
und hatte
nicht
da Er
sein
Haupt
könte hinlegen
Matth. S: 20.
Wer waren
seine
Aposte l? a rme verachtete
rmgelehrte
Fischerknechte. Wer
gläubete ihren Predigten? das arme geringe Völklein, Die Hohen
und
Schrift
gelehrten waren
Christi
Henkerknechte die
da schrien: Crucifige, Crucifige,
Luc.
23:21.
Wer
ist
je
und
allwege
bey
der
Kirchen
Christi
am
vestesten
gestanden?
das
arme verachtete Völklein : das
hat um
Christi
willen
sein Blut vergossen. Wer
hat
die
rechte
reine ChristI. Lehre
verfälschet und je und allwege angefochten?
Die
Schriftgelehrten Päpste
/ Cardinäle /
Bischöfe
und
grosse Hansen. Varum folgete
1
das.
cap. 9 nr, 3-7 u. 11 S. 96/97.
32
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Der Prophet Jakob
Boehme
85
ihnen
die Welt r
darum
daß sie ein
gros Ansehen
hatten und vor der Welt
prangeten:
e ine solche stolze Hure
ist
die verderbte menschliche Natur Wer
hat
des Papstes
Geldsucht
Abgötterey Finanzen und Betrug in Deutschland aus
der Kirchen
gefeget?
ein armer verachteter
Müneh.
Durch
was
Macht
oder Kraft
?
durch
die
Macht GOttes
des Vate rs /
und
durch die Kraft GOttes des Hei ligen
Geistes
Darum will ich
den
Leser treulich
gewarnet
haben
daß er dis Buch
mit
Fleiss
lese
und
sich
nicht
an
der
Einfalt
des A
utoris ärgere:
dan
GOtt sihet
nicht
auf
das Hohe
dan Er
ist allein hoch; sondern Er sihet wie Er dem Niedrigen
helfe. Wirds so weit mit dir kommen
daß
du des Autors Geist und Sinn ergreiffest /
so wirds keiner Ermahnung
mehr
bedürfen ; sondern du wirst dich in diesem
Lichte
freuen
und frölich seyn und deine Sele wird
darinnen
lachen und triumphiren.
Der Gedanke
ist an dieser t ~ l l an einem
entscheidenden Punkt
über die
bereits genannten
Ideen hinausgeführt: Boehme setzt
sich
hier nicht nur in
unmittelbare heilsgeschichtliche Beziehung zu
den
Propheten der alten Kirche,
sondern
zu Luther: wie
zur
Zeit
des
höchsten
Verfalls
der Kirche Gott
sich
das
armselige
Mönchlein erwählte,
um sein
Werk
zu vollbringen, so
erwählt er
in
dieser
letzten Zeit
den
armen, unansehnlichen Schuster,
um seine Geheimnisse
zu offenbaren. Derselbe
Gedanke
kehrt
dann
auch
in
den späteren
Schriften
wieder,
in
denen
er nach
der
siebenjährigen PaUSe in
verstärktem
Maße
auf
seine göttliche Berufung zu sprechen kommt und durch den Hinweis auf seine
Sendung
die
Fortsetzung
seiner
Verkündigung rechtfertigt.
So
heißt
es in der
Schrift Von den drey
Principiens:
,,'Vie
du
wol
denken
magst
daß
es
diesem
Autor
auch
ergangen
ist
denn
er
ist eine
gar
einfältige Person gegen den Hochgelehrten
zu
ach ten . Aber Chri stus
spricht:
Meine Kraft
ist
in den Schwachen mächtig / 2 Cor. 12:9.
a
Vater es war
also gefällig vor
dir
daß du es den Klugen und Weisen
hast
verborgen und den
Unmündigen
offenbaret /
auf
daß da sey
dieser
Welt Weisheit vor
dir
eine
Torheit.
Luc. 10 :21. Ob nun wol die Kinder dieser Welt
in ih ren
Geschlechten
klüger
sind
als die
Kinder des Lichts so
ist ihre
W eishei
t
doch
nur ein zerbrechlich Wesen
;
aber diese
Weisheit
bleibet ewiglich.
Und
in
dem
42.
Brief
schreibt
er
:
Und
wiewol
ich gegen den Herrn
zu achten
als
ein
Kind
bin
/ das unverständig
ist
so hat
mir aber
doch mein Heiland seinen Sinn und
Verständniß
aus seiner
Liebe und Gnade eingegossen
und durch
sich selber eröfnet
daß
ich Ihn
und
seinen Willen kräftig erkenne.
Welches
ob es wol
vor
der Vernunft
scheinet
töhricht
zu
seyn so
ist
mir es doch
Sonnenklar
und gibet mir Freude und
Begierde daß ich also
in
allen Anfechtungen vom Teufel und seinem
Anhange
mich
kecklieh
darein
mag verbergen.
Ganz allgemein ist der Hinweis: Ich
bin
ein Laie , ich bin ein einfältiger
Mann , der Grundton seiner Selbstaussagen, die sich durch alle seine
Werke
De trib princ
cap. 9 nr. 45 S. 457.
2 T ~ e o
Send Briefe
42. Br., nr. 6-7 S. 3839.
Abh. Geistes- u. sozialw. Kl. Nr. 3
33 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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86
ERNST
BENZ
hindurchziehen , Diese Rückwendung der
Betrachtung
des Lesers von der
Höhe
seiner göttlichen Botschaft
auf
die Niedrigkeit seiner Person pflegt gewöhnlich
dort
zu erfolgen, wo kurz vorher oder nachher die Darstellung besonderer
Geheimnisse und die Beantwortung besonders schwieriger Fragen erfolgt. So
bemüht sich Boehme bereits in der Vorrede
der
u r o r ~ sich als einen ganz
gewöhnlichen
Menschen darzustellen,
der
sich
von
Natur
von
einem gewöhn-
lichen Sünder in nichts unterscheide und
der
nur durch den Akt einer höheren
Erkenntnis und während dieses Aktes werkzeugIich über die
anderen
Menschen
hinausgehoben wurde :
Also
auch kan ich von mir
selbst
nichts sagen
rühmen
oder schreiben
als
das
dass ich bin ein einfältiger nn darzu ein
armer
Sünder
und
muss alle
Tage
bitten:
Herr vergib uns unser Schuld und mit
den
Aposteln sagen:
0 HErr
du
hast
uns
durch dein Blut
erlöset.
Col. 1: 14.
Ich
bin auch nicht in Himmel
gestiegen
und hab alle Werke und Geschöpfe GOttes gesehen: sondern derselbe Himmel ist
in
meinem
Geiste
offenbaret
dass ich
im
Geist
erkennen
die
Werke
und
Geschöpfe
GOttes ; auch so
ist
der Wille darzu nicht mein natürl icher Wille sondern es ist
des Geistes
Trieb;
ich habe auch manchen Sturz
des
Teufels müssen
hiermit
erleiden.
Er schildert seine prophetische Erkenntnis als etwas, das ihn Überfällt und
überrumpelt
und seine natürliche Person völlig verwandelt
und
in einen ganz
1 Weil ich aber
als
ein
gar einfältiger Mensch
nicht verstanden habe
und
nun m it
Augen sehe daß es
GOtt
gar anderst damit meinnet als
ich
je bedacht
hatte; als lerne ich mich
erst
bedenken
daß
vor
GOtt kein Ansehen der Person
gilt
sondern wer Ihme anhanget
der ist Ihme
lieb
und
Er
treibt sein
Wesen
in
ihme
;
denn Er ist alleine hoch und wil sich
in
dem
Schwachen
offenbaren
auf-daß
es erkant werde / wie da alleine sey das Reich und die Kraft seine und es
nicht
lige an Menschen Forschung und
Vernunft lader
an den Himmeln
und
ihrer
Kraft
denn
dieselben
Ihn doch nicht begreiffen; Sondern
daß
es Ihme
wol-gefalle
sich zu
offenbaren
in dem Niedrigen / auf-daß Er erkant
werde
in
allen
Dingen.
Theos. Send-Briefe
1.
Br.
nr. 4
S.
3709/10.
Und ob unsere Rede zwar gar einfältig erscheinet so ist doch
unsere
Erkennt
niß
Sinn und
Begriff
gar tief
darf
sich
derhalben
keiner
an
der
Einfältigen
Rede
ärgern
als
hätten wir
nicht
den tieffen
Begriff;
er lese es
nur
mit rechtem Ernste
und denke ihme in GOttesfurcht ernstlich
nach
er
wird
wol i n ~ n wes Geistes
Kind wir gewesen sind in
unserm
Aufschreiben:
wir
wollen ihn treulich
vor
den
Spö ttern und
Gleisnern
gewarnet haben.
Vom dreyfachen Leben des Menschen
cap.
2
nr.
18
S.
834.
l\Iein .Edles
Herz
nehmet es doch
nicht
für Scherz was
uns Gott aus
seiner
Liebe
offenbaret sehet nicht auf die Einfalt des Menschen durch welche Er
solches tuht / es ist
also
vor
Ihme
wolgefällig
daß Er
seine Macht
an
den
Schwachen
u.
Töhrichten
wie sie die
Welt achtet
offenbaret;
Es
geschihet
der
Welt
zur
Lehre dieweil alles
im
Zank lebet u. wil sich seinen Geist
nicht
ziehen lassen daß
sie erkenneten daß
das Reich
GOttes
in uns
ist; so wird i hnen auch
noch das
Centrum seines Wesens u. aller Wesen offenbaret /
das
geschiehet
alles aus
seiner
Liebe gegen
uns
Theos. Send-Briefe
17. Br., n r. 7 S. 3773/74.
Auroi a Vorrede nr.
95 S.
20.
34 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet
Jakob Boehme
87
neuen Zustand versetzt , in dem durch ihn ein Höheres sich offenbart. Die
Beschreibung dieser
Form
seiner Offenbarung soll
dazu
dienen, die Unwürdig-
keit seiner Person und ihren rein werkzeuglichen
Charakter
noch mehr 7.U
unterstreichen und die Aufmerksamkeit von ihr abzulenken. Ja, Boehme betont
immer
wieder,
daß
er Offenbarungen
und
höhere
Erkenntnisse
seinerseits gar
nicht
gesucht habe, sondern
von
ihnen selbst überfallen worden sei. So schreibt
er in der Schrift Vom dreytachen Leben des Menschen»:
Nimand
soll
uns für
unwissend achten daß wir
also
tief reden: sähen
wir
nichts
und
erkenneten das nicht / so
geschwiegen wir
doch;
man saget:
Wes
des
Herze vol
ist
des gehet
der und
über. Ein solches
ist von
dieser
Hand nicht
gesuchet worden aber es stehet geschrieben: ich bin funden worden von denen so
mich
nicht
sucheten
und
nach mir n icht frageten Jesai 65: 1.
Ich war wol
so
einfältig in den
Geheimnissen
als
der
allerwenigste; aber meine Jungfrau
derWunder
GOttes l ehre t mich dass
ich
von seinen Wundern schreiben muss wiewol mein
Fürsatz
ist
mir
zum
Memorial
und
sol
doch
also
reden
als
vor
vielen
das GOtt
bewust
ist.
,
Ja, dieses ganze Überfallenwerden von einem höheren Leben wird bei ihm
in derselben
Schrift
ganz ähnlich beschrieben, wie
Paulus
sein Ergriffenwerden
von
dem auferstandenen
Herrn
darstellt: Wie der Apostel von sich sagen
kann: Ich lebe, nicht ich, sondern Christus in mir (Gal. 2, 20), so beschreibt
Boehme dieses Ergriffenwerden von
dem
Geist der Erkenntnis als das Aus-
löschen
und den Tod
seines natürlichen Menschen im Akt seiner werkzeugliehen
Verwendung
durch den
Heiligen
Geist .
,,\Vir
wissen
was er (der
Mensch)
im Tode und im Leben ist und wissen
auch
was er in
der
Höllen ist: und solches nicht
aus
unserer itzwelche grösser sey
als aller
Lebendigen sondern in der Mut te r Schoß:
in der
Mutter Geist. In bin todt
und al s ein nichts
so
ich also rede
und
schreibe
und schreibe nicht
aus
mir selber
sondern aus der
Mutter
aus
ihrem Wissen
und Sehen;
und
da
ich doch
lebe
gleich
allen
Menschen in Angst.j Mühe
und Arbeit
in Furcht und Schrecken in
Anfechtungen
als alle
Menschen: dan ich habe auch Adams
Pelz an
, und
lebe
in
der Hofnung Israels.
Ich
bin
allen Meinungen
in
mir
todt
und habe nichts
lohne
was
mir
von
GOtt
zu erkennen gegeben wird: und gebe es euch allen selber zurichten , wovon ich
weis was es ist daß ich
als
e in Laie
und
ungeübter nn mit euch
die
ihr von
den hohen Schulen
geboren
seyd , zu tuhn habe und mich wider
die gelehrte
Kunst setzen mus
und da ich
in
meiner eigenen
Vernunft
doch
nicht
weis
lohne
GOttes Wissen
wie ich darzu komme sondern sehe ihm
selber
nach
was
GOtt
tuht. Aber
in
dem Grund meiner Gaben weis ich
gar
wol
was
ich tuhe
in
diesem
Vorhaben und da es doch
kein
Vorhaben in mir ist sondern also bringet es die
Zeit und
also
treibet es Der der Alles regiret.
Die eigentümliche Bezeichnung
der
Mutter
weist dabei wiederum
auf
seine
Anschauung von der Sophia, der Gestalt der himmlischen Weisheit, als der
1 Vom
dreyfachen Leben des Menschen cap.
4
nr.
3
S.
869.
1 das. eap.
8
nr.
4 S.
945; Theos. Send Briefe
15. Br.,
nr.
8 9 S. 3765.
7*
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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88
ERNST
NZ
eigentlichen Mittlerin
der
göttlichen Offenbarung und des Geistes Gottes und
der großen Gebärerin hin.
Noch deutlicher spricht er über dieses Auslöschen seiner natürlichen Person
im A1it des Ergriffenseins durch die himmlische Erkenntnis in seiner
Zweyten
Schutzschrift wider Balthasar Tilken.
Dort führt
er aus, daß er seinen Gegnern
widersprechen
muß.
Nicht der Meinung
zu
verachten
sondern zur
Unterweisung
aus meinem
Pfund / so mir
von
GOtt gegeben ist: Dan man weis
wal daß
ich kein
Doctor
von
der
Schule
dieser Welt bin
:.
Wäre mirs nicht gegeben
/ so
verstünde
ichs
nicht.
Wiewol ichs
nicht also
hoch
gesuchet habe
und
mir
aber ohne
meinen Bewust
gegeben ward: Ich suchte allein den Brunnenquel l Christi und vers tunde nichts
vom Mysterio, was das wäre; Nun aber
ist
mir auch vergönnet worden zu sehen
das Wesen aller
Wesen an
welchem
ich
ohne GOttes
Licht wol solte
blind seyn-.
Hier
is t sogar ausdrücklich
betont, daß ihm
die Gabe der Erkenntnis ohne
sein
Bewußtsein ,
d. h. ohne Mitwirken seiner irdischen
Vernunft
gegeben
ist. Sein rein passives werkzeugliches Verhalten dabei
ist
dann
in einer voll-
endeten Art in derselben Schrift beschrieben. Der Vorrang der Begnadigung
mit dem göttl ichen Wissen selbst wird als Akt einer göttlichen Empfängnis
aufgefaßt in dem sich der Empfangende selber rein passiv verhält. Der
mystische Tod
das
Erlöschen des natürlichen Menschen
ist
hier identisch
mit
dem Akt der Zeugung des göttlichen Menschen und mit dem Aufleuchten der
göttlichen Erkenntnis :
Gott
hat
mir
das
Wissen
gegeben:
Nicht
Ich
/
der
Ich bin
weis
es
sondern
GOtt
weis es
in
mir . Die Weishei t
ist
seine Braut
und die
Kinder
Christi
sind in
Christo
in der
Weisheit
auch
GOttes Braut: So nun
Christi
Geist
in Christi Kindern
wohnet
und Christi Kinder Reben am Weinstocke Christi sind und mit Ihm Ein
Leib sind
auch
Ein
Geist; wem
ist
nun das Wissen
/ ists
mein
oder GOttes?
Solte
ich
denn nun nicht im
Geiste Christi
wissen woraus diese Welt sey geschaffen
so
derselbe
in mir wohnet
der sie geschaffen
hat?
Solte
Ers
nicht
wissen? So leide
ich nun und will nichts wissen
der
ich der
Ich bin
als ein
Teil
von
der
äussern
Welt
aufdaß Er in mit
wisse
was Er
wolle; Ich
bin nicht
die
Gebärerin im Wissen
sondern
mein
Geist ist sein Weib
in
der
Er
das
l ~ s s e n
gebieret /
nach dem Maaß
als Er wil. Gleichwie die
ewige
Weisheit
GOttes
Leib
ist und
Er gebieret darinnen
was
Er wil:
So
er
nun
gebieret
so
tuhe nicht
ichs
sondern Er in m ir; ich bin
als
1
Zweyte Schutz-Schrift wider Balth.
Tilken
nr. 11 u. 12 S.
1870;
vgl. 40 Fragen
von der Selen 26.
Frage nr.
3 S. 1240:
Dan diese
Hand
hat nichts vom
Mysterio
gewust
sie
suchte nur Abrahams Glauben aber
es
ward ihr auch Abrahams
Verstand
gegeben
welches ihr verursachet hab t m it
eurem
Suchen Erkennet
uns
recht
/wir s ind Lazarus / u. ihr gegen uns zu
achten
als
Abraham;
ihr habt viel
mehr gearbeitet
als
wir
aber
wir sind
in
eure
Erndte
gefallen
nicht
aus Verdienst
sondern
aus Gnaden
des Gebers
aufdaß s ich keine Zunge vor GOtt rühme und
sage das hat mein Verstand gemacht. das. ur. 2: So gibt euch das auch GOtt
durch einen solchen schlechten geringen Werckzeug / der
sich
noch viel
unwürdiger
achtet
aber
seinem
Villen· nicht begehret zu widerstreben
2 Zweyte Schutz Schrift wider Balth.
Tilken
ur. 72-76 S. 1881.
36
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob
Boehme
89
todt im
Gebären
de r hohen
Wissenheit
und
Er
ist
mein Leben; hab
ichs
doch
weder
gesucht noch gelernet: Er
neiget
sich zu meiner
Ichheit ; und meine
Ichheit
neiget sich
in
Ihn. Nun
aber bin ich todt und verstehe nichts r aber ist mein
Verstand;
Also
sage
ich
ich
lebe in
GOtt
und GOtt in
mir
und
also
lehre und
schreibe
ich von
Ihm
lieben Brüder;
sonst weis
ich
nichts.
Dieser Einstellung
entspricht
auch
daß
Boehme immer wieder dem
durch
ihn gewirkten Werk staunend wie etwas Fremdem gegenübersteht. Er
spürt
den Strom des Geistes
durch
sich
hindurch
wirken
und läßt
es in dem Bewußt-
sein geschehen daß bei dem Herrn das Wollen und das Vollbringen ist. So
wenig das durch
ihn
gewirkte Werk seinem eigenen natürlichen Willen ent-
sprungen ist so wenig weiß er sich als Herrn der Wirkung dieses Werkes und
will nicht in seinen Ablauf eingreifen
1
:
So
wollen wir nun den Grund des Himmels Sternen und Elementen im
Grunde
fürstellen /
daß
ihr doch sehet was himlisch oder
irdisch
ist
zu welchem
Ende
wir
auch
dieses
Buch zu
schreiben
vor
uns haben
genommen;
nicht zu unserm
Ruhm
unserer hohen
Erkentniß
welche in GOtt ist
und
uns in
dieser
Welt nichts
nützet
sondern aus Liebe in Christo als
ein Knecht
und Diener Christi zu
suchen das verlohrne Schäflein
vom
Hause
Israel GOttes :
dan
der
HErr
hat
beides das
Wollen
und
das
Tuhn
in
seinen Händen: wir
vermögen .nichts
auch
verstehet unsere irdische Vernunft nichts: wir sin ergeben
in
der Mutter Schoß
und
tuhn also
wie uns
die Mutter zeiget
von
keinem andern wissen wir nichts.
Boehme
kann
sich von dem durch
ihn
gewirkten Geschehen so weit distan-
zieren
daß
er sich über sich selber wundert
und verwirrt
fragt wie es möglich
ist
daß
solche Dinge
durch
ihn
geschehen.
Ja
um bei seinen Lesern der Gefahr
einer Verwechslung seiner eigenen Person
mit
dem in ihm sich äußernden
höheren Ich vorzubeugen hat er zu einem ganz analogen Mittel gegriffen
wie der Apostel Paulus. Wie dieser in dem Brief an die Korinthische Gemeinde
zur genauen Unterscheidung der
an
ihn ergangenen Offenbarung des
Herrn
1
Vom dreyfachen Leben des Menschen cap.
6
ur.
7 S. 913.
2 Theos. Send Briefe 12. Br. nr. 20 S. 3749/50: Es sol
keiner
höher von mir
halten
als
er hier sihet:
Dan
das
Werk in
meiner
Arbei t i st nicht
mein
/
ich
habe
es
nur
nach dem Maß /
als
mir es
vom HErrn
vergönnet wird
ich bin
nur
sein
Werkzeug mit dem Er tuht / was Er wil. Solches melde ich euch mein geliebter
Herr zur
Nachricht
daß nicht Jemand
einen
andern bey
mir suche der
ich
nicht
bin
als einen
von Kunst
und hoher Vernunft ; sondern ich
lebe
in Schwachheit
und Kindheit
in
der E infa lt Christi in seinem
mit
gegebenen Kinderwerke
darinnen habe ich
mein
Spiel /und ist mein
Zeit-Vertreiben
darinnen habe ich
meine Freude
/
als
in
einem Lust-Garten
da
vie l edle
Blumen
innen stehen; mit
denen wil ich
mich dieweil
ergetzen
bis
ich werde wiederum die Paradeis-Blumen
im
neuen
Menschen
erlangen.
das.
56.
Br. r
16 S.
3899: Ich
wil
euch
gerne geben
was
mir
der HErr
hat
gegeben
sehet nur
zu
und leget
es
recht an:
Es
wird
euch ein Zeugniß über den
Spötter seyn.
Auf
meinePerson
darfN
imand sehen
es
ist eine
lautere
Gabe
GOttes:
Nicht allein um
meinetwillen
sondern auch um
euren
twillen und
aller
deren
welche sie zu lesen bekommen. .
37
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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ERNST BENZ
von seinen eigenen Lehren jeweils den einzelnen Sätzen die Worte vorfügt :
Der Herr sagt
bzw. Ich sage euch, nicht der
Herr
so hat Boehme ein
noch ra1dikaleres Mittel
der
Unterscheidung
seiner
beiden
Zungen und Geister
versucht.
Die von ihm versuchte
Unterscheidung
is t außerordentlich charakteristisch
und verrä t
gerade
gegenüber
Paulus
eine
neue
Auffassung
von
der
Art
des
Zusammenwirkens von
Gott
und Mensch in der Ausübung des Propheten
amtes.
Paulus
unterscheidet Ich
und Nicht-Ich .
Anders Boehme.
Spricht
er aus sich selbst
nach
seinem natürlichen Menschen, so schreibt er Ich
spricht er als Prophet so schreibt er
Wir .
Er hat diese Unterscheidung
wiederholt
begründet.
Das
erste
Mal
findet sie sich in
der
Schrift
Von den drey
Principien.
Die
Unterscheidung zweier verschiedener
Sprecher
ist eine Vor-
sichtsmaßregel, die
den
Vorwurf der Selbstüberheblichkeit
von
vornherein
durIi eine
klare
Kenntlichmachung des prophetischen
und
des naturliehen
Wortes
des
Propheten abwehren
soll. So
schreibt
er :
Nun
spricht
die
Vernunft: Wo ist
Christus
hingefahren?
Ist
er aus
dieser Welt
gefahren
hoch
Über
das Gestirne
in
einen andern Himmel? Höre
meine
liebe
Vernunft neige
dein Gemühte
in Christo und sihe
ich
wil d irs sagen den
wir
sehens und wissens
/
nicht
ich.
Dan
so
ich rede WIR
/
mustu nicht meinen
irdischen
Menschen
blos
verstehen denn der Geist so in
dieser
Feder treibet wird mit
genannt: darum
schreibe
ich und sage / so Ich wil von mir als
vom
Autor reden /
TVIR.
Denn Ich
wuste
nichts / so der Geist nicht in mir
die
Wissenschaft aufbliese /
und
hat auch nichts mögen
gefunden
werden
als auf solche Weise:
anderst
walte
der
Geist nicht
/ sondern verbarg
sich da sich dan
meine Sele
ganz
unruhig in
mir
mit grossem Sehnen
nach dem
Geiste erzeigete
bis
ich
erlernet
wie es
wäre.
Ähnlich heißt es
in
einem Brief>:
Ferner bescheide
ich
E. Gestr.
das
alhie in
den mitgesandten
Schreiben daß
da
sich
der Autor
wan
er
von ihme
zu reden
pfleget WIR als zweyfach
zu nennen
und dan auch. öfters lOH dass in dem WIR der Geist verstanden wird / und in dem
einfachen lOH »erstehet der Autor sich selbst:
zur
Nachrichtung u Argwohns
willen
eröfnet.
Und
obs
nun
wol
ist daß
mirs
gegeben
und
eröffnet
wird
so
is ts doch
nicht
meines
Verstandes und eigen-Wissens
sondern
das
Wissen
stehet
im Geiste
das.
10. n nr. 34 S.
3742:
Endlich
bitte
ich /
meines
Namens bey den Gelehrten
zu
schweigen dan ich
weis
wol daß ein alber Mann vor
der
Kunst
spöttlich
gehalten und verachtet wird:
und wiewol
GOtt
seine
Kinder
auch
unter ihnen hat
/
so achte ich es doch
nicht
daß
es solte
nach
meinem Namen
genant
seyn : dan
GOtt gehöret die
Ehre
der der
Geber
ist;
Ich
suche
mir damit keinen
Namen
noch
Ruhm / sondern Christus ist meim Ruhm
und
mein
Lohn und gedenke dessen
in
jenem
Leben vor
Menschen
und
Engel
Ruhm
zu
haben
und
mich
in
Christo
mit den Heiligen darinnen
zu
freuen
wie
solches
meine Schriften genugsam dar
stellen. c,
e
trib. princ. cap.
25
nr.
109 S. 785.
2 Theos. Send Briefe 10.
Br.
nr. 49 S.
3745;
40 Fragen
von
der Selen, 30.
Frage
nr
3
u
4
8.1247.
38 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet
Jakob
Boehrne
91
Christi
nach welchem
sich
die
Hand
zweyfach
nennet
als Uns: den sie rede t aus
zweyen
Personen; dan zwey
ersonen sagen
nicht lOH
/ sondern WIR und
reden
von zweyen als
ein Herr
der von seiner Person und
von
seinem Reiche redet.
Also sollen auch GOttes Kinder
und
Diener nicht sagen: Mein ist
das Wissen mein
ist der
Verstand:
sondern
GOtt
die
Ehre geben
und mit ihrem Eröfnen
der
Wunder GOttes
von
Zweyen reden als vom Geber und
vom Nehmer.
Das WIR weist darauf daß Boehme seine Erfüllung mit dem Geist als
eine Art Verdoppelung seiner Person empfindet, in der
durch
sein Ich eine
höhere
Person
sich kundtut die aber nicht als ein Fremder mit ihm wirkt
sondern in
ihm im
Zentrum seiner Persönlichkeit selbst tätig ist. Boehme
empfindet sich also
auch
während seiner werkzeugliehen Verwendung
durch
den Heiligen Geist als Person
immer mit:
er
erfährt
seine Begegnung mit
dem
göttlichen Geist nicht als Vernichtung, sondern als die Adelung, Weihe und
Erhöhung seines Ich zum Wir als eine Art von Ehe mit dem höheren Ich
das
ihn überkommt.
Man wird
daran
denken
müssen,
daß
bei Boehme
ja
auch
die Begegnung mit Christus unter diesem Bild der Ehe beschrieben wird,
111. Die
Eigenart der
prophetischen
Erkenntnis
Welcher
Art
war das erste Aufleuchten seiner prophetischen
Erkenntnis
die erste Erfahrung an die sein Sendungs- und Erwählungsbewußtsein an
knüpfte 1
Die
Antwort
auf
diese schwierige
Frage bringt den
letzten
Aufschluß
über
die Eigenheit seiner Frömmigkeitshaltung
und
seiner Verkündigung. Sein
prophetisches Sendungsbewußtsein
knüpft nämlich
nicht an
ein Berufungs
erlebnis nach
Art
der Berufung der alten Propheten an seine Gotteserfahrung
vollzog sich nicht
in
Form einer Vision und Audition, in
der
ihm Gott selber
oder ein Gottesbote erschien und
ihm
einen
bestimmten
Auftrag erteilte.
Seine entscheidende erste Erfahrung ist vielmehr eine Schau in den Grund
aller Dinge, eine Vertiefung seiner Erkenntnis
und
intellektualen Anschauung.
Darüber schreibt Boehme in dem 12. theos. Sendbrief vom 10. Mai 1622 an
Herrn Caspar Lindner, Zöllner zu
Beuthen-:
Ich
sol euch aber nicht bergen des einfältigen Kindes-Weges den ich in Christo
wandele Dan ich kan
von mir n icht
anders
schreiben
al s von
einem Kinde
das
nicht
weis und
verstehet
auch niemals gelernet
hat
als nur dieses was der HErr
in
mir wissen
wil nach dem Maß als Er
sich
in mir offenbaret.
Dan
von dem Gött
lichen
Mysterio
etwas zu wissen / habe ich niemals
begehret
vielweniger verstanden
wie ich es suchen oder
finden
möchte: wuste
auch
nichts
davon
als
der
Laien
Art
in ihrer
Einfalt
ist;
Ich
suchte allein das Herze JEsu Christi mich darinenn
zu
verbergen vor dem
grimmigen Zorn
GOttes
und
den
Angriffen des Teufels
und
bat Gott
ernstlich
um seinen Heil. Geist und Gnade daß
Er
mich
in Ihme wolte
segnen und führen / u das von mir nehmen was mich
von
Ihme wendete
und
mich Ihme gänzlich ergeben auf daß ich
nicht
meinem sondern seinem
Willen
Theos Send Briefe 12. Br. nr, 5-7 S. 3746{47.
39 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 40/121
9
ERNST BENZ
lebete
und Er
mich allein führete und
ich
sein Kind
in
seinem Sohne JEsu Christo
seyn möchte.
In
solchem meinem
gar
ernstlichen Suchen
und
Begehren darinnen
ich
heftige Anstösse
erlitten
mich
aber
ehe des Lebens verwegen als
davon
ausgehen
und ablassen wolte i
st
r ie forte eröfnet worden daß ich in einer
Vier
teil
Stunden
mehr
gesehen und
gewust
habe
als wan ich wäre viel Jahr auf
hohen Schulen gewesen dessen
ich
mich
so
hoch
vorwunderte
wuste
nicht
wie
mir geschahe
und
darüber
mein Herz
ins
Lob Got tes
wendete.
Bei dieser Darstellung ist vieles auffällig. Einmal versichert Boehme selber,
und zwar
nicht
nur hier, sondern auch an zahlreichen anderen Stellen, daß er
nie
daran
gedacht und nie
danach
gestrebt habe, besondere Visionen oder
andere mystische Erfahrungen zu haben. Vielmehr ist für
ihn
selber entschei
dend, was
ihm bei den
späteren zahlreichen Anfechtungen von
nicht
geringem
Trost
gewesen sein mag, daß sich seine besondere Erfahrung ohne sein Wollen
vollzogen
hat
als Abschluß eines Aktes
unverfälscht
christlichen Glaubens.
Wenn
er schreibt, er habe
nur
versucht, sich
vor dem
grimmen Zorn Gottes
in das
Herze Jesu
Christi zu verbergen
und
vor den Angriffen des Teufels darin
Schutz zu suchen, so beschreibt er den evangelischen Glaubensakt ; dahinter
steht die
Anschauung
der Rechtfertigung, wie sie bei Luther in ihrer evange
lischen
Form hervorgetreten ist
und wie sie
für
die Frömmigkeit
der
pietisti
schen Kreise Breslaus, die sich gleich Boehme zu dem Pfarrer artin oller
hielten, in einer verinnerlichten Form
maßgebend
und vorbildlich gewesen sein
mag.
Auch
für
Boehme
ist
also
der
Ausgangspunkt
die evangelische
Erkenntnis
daß
der
Mensch kein
Recht hat vor
Gott daß er
durch
seine Sünden den Zorn
Gottes verdient
hat
daß
er als Sünder den Verfolgungen des Satans ausge
liefert ist, daß die
Strafe
für die Sünde in dem Sündigenmüssen und in der
immer weiterschreitenden Verstrickung in die
Sünde
besteht
daß
Christus
allein das
Unterpfand
unserer Erlösung ist, daß wir in ihm seiner Überwindung
des Todes und
seiner Vernichtung des Satans teilhaftig
und
durch ihn schon
jetzt
der
Herrlichkeit
des Gottesreiches zugezählt werden. Dies alles hat also
Boehme
erfahren:
er
hat
den Abgrund der
Sünde, des Verlorenseins des
Menschen, die Schrecken des göttlichen Zorns in sich selbst und seinem kleinen
Leben erkannt er hat die Verfolgungen des Satans am eigenen Leibe gespürt
und hat sich zu dem geflüchtet, in
dem der
Gläubige allein das ewige Leben
ergreifen
und
der Gerechtigkeit Gottes teilhaftig werden
kann.
Sein
Kampf
ist also ein
Ringen
um das wahre Verständnis und wahre Ergreifen Christi, ein
Ringen um die Wiedergeburt, das ihn in die Bußfertigkeit, die Selbstaufgabe,
die Entichung die Überwindung des eigenen Egoismus, das Sich-selber-Preis
geben, die völlige Einfügung in den göttlichen Willen hineinführte.
Der Abschluß dieses Ringens und die erlösende Befreiung besteht aber nicht
wie
etwa
in dem pietistischen
Bußkampf
in
dem
befreienden Bewußtsein des
sicheren und
unverlierbaren
Teilhaftigwerdens der Erlösung, sondern enthält
bei Boehme ein besonderes Moment
der
Tiefenschau : indem er Christus sucht
wird ihm in der Erfüllung dieses Suchens
nicht
nur Christus erkenntlich,
4
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob
Boehme
93
sondern er schaut zugleich in dem, der Himmel und Erde gemacht hat, den
innersten Grund aller Wesen.
Er
sieht in ihm den inneren Zusammenhang
der
Natur, er sieht die innerste Bewegung des Seins und das innere Band einer
gewaltigen, einheitlichen Entwicklung, die auf die Vollendung des Gottes-
reiches in allen Stufen des Universums hintreibt.
In
Christus eröffnet sich ihm
der Grund, Sinn
und
Ziel des gesamten Seins,
der
Geschichte ebenso wie des
Kosmos. Er
schaut
das Wesen der Dinge, und
zwar
ganz
real:
die Dinge selbst
beginnen
für ihn
durchsichtig zu werden
und ihr
innerstes Wesen zu offenbaren.
Ihr
Name, ihre äußere Form wird
ihm
zum Künder ihrer inneren Zusammen-
setzung und ihrer Einordnung in das Gefüge der göttlichen Ordnung des Alls.
In Christus
sieht
er alle Dinge, in allen Dingen sieht er Christus.
Es
wäre völlig verfehlt, seine ,Schau
von
der christlichen Grundhaltung abzu-
trennen,
die
dem
Aufleuchten dieser Schau in die Tiefe vorausgeht und die
ihn
vorbereitet hat. Man wird
nur
eines sagen müssen: offenbar war für Boehme
bereits vorher die
Frage nach der
wahren
Erkenntnis
des Grundes
der
Natur
und die Frage nach dem wahren Heil aufs engste miteinander verbunden:
offenbar hat er bereits vorher zugleich um die
rechte Naturerkenntnis. um
die
rechte Selbsterkenntnis,
um
die rechte Gotteserkenntnis
und
um die rechte
Erkenntnis der Heilsgeschichte gerungen: offenbar hat er bereits vorher
dunkel
gehofft, daß
ihm
mit dem Ergreifen des Heils
auch
die wahre Erkenntnis des
Wesens und Grundes aller Dinge zufallen würde : offenbar
war
bereits
während
der Zeit seines Ringens die
Grundhaltung
seiner
Frömmigkeit
von Anfang an
auf
ein gläubiges Schauen eingestellt.
Was Boehme hier in dem genannten Brief beschreibt,
ist
nicht eine spätere
Auslegung seiner geistigen Entwicklung, sondern is t auch schon in der ,Aurora
deutlich ausgeprägt. Er schreibt nämlich dort-:
Ich
habe meine
Wissenschaft nicht vom Studio:
zwar der sieben Planeten
Ordnung und
Innestehen habe
ich
in
der Astrologorum
Bücher gelesen befinde
sie auch ganz
recht;
aber die Wurzel wie sie
worden
und
herkommen
sind kan
ich
nicht von Menschen erlernen
dan
sie wissens
nicht;
ich
bin
auch nicht
darbey
gewesen da sie
GOtt
geschaffen
hat.
Weil mir aber in meinem Geiste
die
Thoren
der Tieffe
und
Porten
des Zorns
auch
die Kammer
des
Todes
ist aufgeschlossen
worden durch
die
Liebe GOttes so sihet der Geist hindurch .
Solche
Erkenntniß
sehe ich nicht mit
fleischlichen Augen;
sondern
mit
denen
Augen wo sich das
Leben
in
mir
gebäret:
in demselben Sitze stehet mir des
Himmels und der Höllen
Porten
offen
und
speculiret
der
neue Mensch in Mitten
der
siderischen Geburt und
stehet i m die innere un iiusserste Porten offen.
Auch hier
ist
also seine Schau als eine
Erkenntnis
der Wurzel, des Grundes
aller Dinge beschrieben, wie sie worden
und
herkommen sind . Die
Art der
Erkenntnis
ist
durch
ein Bild verdeutlicht,
das
schon zu
den
Archetypen
der
alten
Gnosis
gehört
undoffenbardas Grunderlebnisdieser intellektualenAnschau-
ung am deutlichsten beschreibt,
denn
es kehrt bei ihm immer wieder: die
,Eröffnung
der Pforte .
Es wird in ihm ein
Tor der Erkenntnis
aufgetan, das
Aurora
cap.
5
nr. 45, 46 u. 48 S. 338.
( 41 )
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ERNST NZ
sonst den Menschen verschlossen ist; er hat Einblicke in Abgründe des Seins,
die
den übrigen
Menschen
verwehrt
sind. Die Tore
der
Tiefe, die
Pforten
des
Zorns, die Kammer des Todes ist ihm aufgeschlossen
wor
den , er sieht
hinter
den
~ r h n g · aller Geheimnisse des
Lebens: er sieht
im
Tod
das Leben, im
Zorn die Barmherzigkeit und die Gnade
Gottes
am Werke.
Die gleiche
Schilderung
seiner
Schau
als eines
,Blicks
in die Tiefe
Gottes
und d.ie Bezeichnung dieses Vorgangs als ,Eröffnung einer Pforte findet-sich
bereits
im
Kapitel 16 der
Aurora
vo er schreibt :
Dan das
triumphirende
Freuden-Licht
in meinem
Geiste zeiget
mirs genugsam
an:
darinnen
ich auch bis
in
die
Tieffe der Gotthe it
habe
geforschet und
dieselbe
nach
meinen
Gaben und
Trieb
des
Geistes
recht beschrieben; obwol in
grosser
Ohnmacht und Schwachheit
indem
mir
meine
angeborne
und
wirkliche Sünden
haben
oft
die
hür
verriegelt
und der Teufel davor getanzet
als
ein hurisch Weib
und sich meiner Gefängniß
und
Angst gefreuet; so wirds ihm doch auch
wenig
Nutz
zu
seinem Reiche bringen.
Darum habe
ich
nur
nichts
als
seinen
grimmen Zorn
zu gewarten: aber meine
Zuversicht
ist der Held im Streit
der mich oft von seinen
Banden erlöset hat;
in
Dem wil ich mit ihm fechten bis aufmeine von Hinnenfahrt.
Dessen erfreu ich mich
daß
meine Sele schwebet in den \\ undern zu GOttes
Lobe
daß ich
erkenne seine
Wundertaht
in
welchem
sich meine
Sele als in ihrer
Mutter erlustiget. So redet nur
ein
jeder Geist von seiner Mutter von
derer
Speise
er
isset
und
in
derer
Quaal
er lebet.
So
ich nun die Wunder
erkenne sol
ich dan
stumm seyn ? bin
ich
darzu geboren wie dan auch alle Creaturen daß sie
sollen
GOttes lVunder eriijnen;
so arbeite ich nun in
dem
meinen
und
ein ander in
dem
seinen
und du
stolzer
Sophist auch
in dem
deinen.
Hier ließen sich
leicht
alle diejenigen Äußerungen anschließen,
in
denen
er
in
immer
neuer
Abwandlung
des Ausdrucks von
der
Eröffnung
der
Wunder
Gottes
berichtet, die ihm geschehen ist und die ihn in heiligem Gehorsam
verpflichtet.
Das Eigentümliche
dieser Schau,
das
Besondere,
das
ihn
zum
Propheten im
eigentlichen
Sinne
macht, ist, daß diese Schau beides umfaßt: den Blick in den
inneren
Zusammenhang der
Dinge, also in die göttliche
Ordnung
des Seins
und
zugleich in die progressive Verwirklichung dieses
Seins
im Leben der
Natur
und
der
Geschichte. Hier wirkt sich
der Dynamismus
seiner
Gottesanschauung
aus.
Es
gibt kein abstraktes,
statisches Sein,
sondern Gott ist
ein unermeßlicher,
unfaßlicher,
übermächtiger
Wille zu sich selbst. Alles Sein ist
Selbstoffenbarung
Gottes,
der aus
seiner Verborgenheit
heraus zur Darstellung
seiner
inneren Fülle
in einem Gottesreich von sichtbaren und
lebendigen
Gestalten drängt.
Der
,Blick
Boehmes
ist also nicht ein
Blick in einen gläsernen
Himmel starrer,
ewiger Formen,
sondern
ein Blick
in
die Entfaltung des göttlichen Lebens in
einer
Fülle von Gestal ten, der Natur
und
der Geschichte, die sich im Ringen
der
Gegensätze zu
einem
Gottesreiche
ordnen,
in
dem Gott
alles in
allem ist ,
und in
dem
die
ganze Fülle der Gottheit zur Darstellung ihrer
selbst
gekommen
1 das., cap. 16
nr.
24 u. 25 S. 206; om
dreyfachen Leben des
Menschen cap. 5
nr.
1 u.
2 S.
886.
( 42 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet tTakob
Boehmc
91
und
seine Seligkeit
zur
Seligkeit des
verwirklichten
Gottesreiches geworden
ist.
Das
Geheimnis von Natur und Geschichte heißt: Theogonie.
Eben deshalb, weil der Blick in das
Wesen
aller Wesen
ein
Blick
in
die
Entfaltung des Seins
im
Gegensatz ist,
ist
er
auch
ein Blick in die
Zukunft.
Eben deshalb ist der
Gnostiker
zugleich
Prophet.
Indem er in
den Grund
des
Wesens
schaut,
erblickt
er seine
zukünftige
Vollendung.
Indem
er
den
Gegen
satz enthüllt, der
sich
auf dem
Grund alles
Lebens
abspielt, offenbart er
den
endzeitliehen
Kampf, der
seiner eigenen
Zeit und
dem
kleinen Häuflein der
Genossen des Gottesreiches -in der nahen Zukunft
bevorsteht.
So sind also
Blick in die Tiefe
und Blick
in die
Zukunft
bei
ihm
identisch, denn er
sieht
das
Wesen
als
ein werdendes, er sieht das Sein als
ein
sich verwirklichendes
und
sich offenbarendes. Indem er
den Grund des
Gegensatzes
aufdeckt,
ver
kündigt er das
Kommende,
und
indem
er
die Wurzel des Streites enthüllt,
verkündigt
er
den
nahen
Sieg. Bezeichnenderweise
ist
ja auch in
Boehmes
Schriften
beides unmittelbar
verbunden: der Blick
in
das
Wesen
und die Ver
heißung
des
zukünftigen
Gerichtes und der
zukünftigen
Erfüllung.
Erst von diesem Selbstzeugnis
her
ist nunmehr
auch verständlich,
was
Abraham von Franckenberg
über
die
entscheidende
Erfahrung Boehmes
schreibt.
In dem
Historischen Bericht von dem Leben
und
Schriften des Deutschen Wunder-
mannes
und
Ilocherleuchieien Theo Philosophi Jacob Böhmens
Nr. 1 und
dem
gründlichen und wahrhaften Bericht von dem Leben und Abschied des in Gott
seligruhenden Jacob Böhmens geschrieben von brahamvon Framckenberq
be
richtet
dieser
nämlich :
Unterdessen
wird er Boehme)
mit des
16.
Seculi Ausgang
nemlich Anno
1600 als
im
25.
Jahre seines Alters
zum andernmal vom
Göttlichen
Lichte er
griffen
und
mit seinem
gestirnten Selen-Geiste
/ durch
einen
gählichen
Anblick
eines
Zinnern
Gefäßes als des lieblich Jovialischen Scheins
zu dem innersten
Grunde oder Oentro der geheimen
Natur
eingeführet.
Da er als in etwas
zweyfelhaft
um
solche
vermeinte Phantasey
aus dem
Gemühte
zu schlagen
zu Görlitz vor dem
Neyßthore
alwo er
an
der Brücken
seine
Wohnung
gehabt)
ins Grüne
gegangen
und doch
nichtsdestoweniger solchen
empfangenen Blick je mehr und klärer
emp
funden
also
daß er
vermittelst der angebildeten
Signaturen oder Figuren Linea
menten
und Farben
allen Geschöpfen gleichsam
in d s
Herz
und in
die innersie
Natur hinein
sehen
können wie auch in seinem Büchlein
die
Signatura
Rerum,
dieser ihm eingedruckte
Grund
genugsam
verkläret
und enthalten) wodurch er
t
großen
Freuden überschüttet
stille
geschwiegen
GOtt gelobet
seiner
Haus-Geschäfte
und
Kinder-Zucht wahrgenommen
und mit
Jederman fried- und
freundlich
umgegangen
und von solchem seinem empfangenen Lichte und
innern Wandel
mit GOtt und
der
Natur
wenig oder n ichts
gegen
Jemanden
gedacht.
Diese
Darstellung stellt
eine
bestimmte
Auslegung des Boehmeschen
Erleb
nisses dar. Was
mit
der eigenen Schilderung Boehmes übereinstimmt,
ist
die
Tatsache,
daß sich
in Boehme
diese Erfahrung als
Blick
in
den innersten
1
Bericht von
B
Leben und Schriften. Num. J. ,
nr, 11 S. 7/8.
43
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96
ERNST NZ
Grund,
in
das Zentrum
vollzog.
Abraham von Franckenberg verengt
die Uni
versalität
dieses Blicks auf die
Erkenntnis der
Natur.
Während Boehme
all
gemein
davon schreibt,
daß er den
Grund und
Ungrund / Item die
Geburt der
H.
Dreyfaltigkeit
/
das Herkommen und den Urstand
dieser
Welt
/
und
aller
Creaturen
/
durch
die
göttliche Weisheit geschaut habe und
daß er in sich
selbst
alle drey
Welten
sah,
daß
er
weiter
erkannte
das
ganze
Wesen
in
Bösem
und Gutem
/ wie eines von
dem anderen
urständete
und
wie die
Mutter
der Gebärerin wäre ,
spricht
braham von Franckenberq
der
Naturphilosoph,
Rosenkreuzer
und
Kabbalist
ausschließlich
vom
Blick in die innere
Natur ,
und
führt
dies
näher
aus durch
die
Begründung, Boehme
habe nach der
Gestalt
der Kreaturen,
wie sie in
ihrer äußeren Form, ihren
Linien
ihren
Farben
zum
Ausdruck kommt, ihr
Wesen
gedeutet. In Franckenbergs Darstellung ist
also
die
prophetische Seite dieses Blicks zurückgetreten; betont wird vor allem
seine
naturphilosophische,
pansophische Erkenntnis auf Grund einer Deutung
der
sichtbaren
Formen als Wesensformen. Der
Blick auf
die Theogonie
auf
die
Geschichte
auf
die
künftige
Selbstverwirklichung des Seins auf die Heils
ordnung,
die
sich
innerhalb
dieses
Werdens
ausprägt, tritt
hier
zurück.
Die
Beschreibung
der großen
Schau , wie sie Abraham von Franckenberg
bringt,
stellt
also
gegenüber den
Selbstäußerungen Boehmes
eine Verengung
auf
die
naturphilosophische,
rosenkreuzerisch-kabbalistische
und
pansophische Linie
dar wie sie
später bei
dem
Engländer Robert
Fludd
am deutlichsten
wieder
hervortritt, während
die prophetische heilsgeschichtliche Seite der
Verkündi-
gung
Boehmes wie
nachher
darzustellen sein
wird
klarsten
bei einem
anderen
Schüler Boehmes bei Quirinus Kuhlmann
aufgenommen
und
weitergeführt
wird-.
Von dieser
Verengung
abgesehen welche die Auslegung
der
großen
,Schau
durch br h m
von Franckenberg
enthält, klingen
die
übrigen
historischen
Angaben der Biographen
recht
vertrauenswürdig,
so
vor
allem die Angabe daß
diese
,Schau
bei
der Betrachtung
eines
zinnernen
Gefäßes
eintrat,
wobei die
Frage offen b lei bt ob dieses zi nnerne Gefäß nur zufällig als
Instrument
der
inneren
Sammlung
diente
oder ob
Boehme
sich
bewußt
dieses Gefäßes als
Mittel
der
Meditation
bediente. Seine
beschauliche
und
manchmal recht
spinti
sierende
Art und
seine zahlreichen Zeugnisse in
denen
er
von
dem geistigen
Ringen spricht,
das
dem
Durchbruch
der entscheidenden Erkenntnis voraus
ging lassen es
ja
als
nicht
ausgeschlossen erscheinen daß er
über
eine eigene
Methode
der Meditation und Kontemplation verfügte und
daß
ihm dabei
sein
Zinnkrug
als
Mittel der Sammlung und der
geistigen
Konzentration diente.
Glaubwürdig ist weiter
die Schilderung daß
Boehme
zunächst
an der Echt
heit
seines Blicks zweifelte.
Auch
dieser Zug
ist
in
der
Geschichte
der Mystik
des 17.
Jahrhunderts
geläufig: die
Angst vor der
Illusion
ist
eines
der
Haupt-
motive
der Frömmigkeitspraxis
der
Mystik
dieses
Jahrhunderts, und
nicht
nur
in
den Erbauungsbüchern, sondern auch
in
den erbaulichen Predigten wurden
1 s. u. S. 89ff.
44
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Der Prophet Jakob Boehme
97
in dieser Zeit hochgespannter und
visionärer
Frömmigkeitsäußerungen immer
wieder die
Gläubigen
gewarnt, ihren
etwaigen
Visionen
sofort
vertrauensvoll
nachzugehen und
sie
als göttliche
Offenbarungen zu verstehen: die
beunruhi
genden Worte des
Apostels
Paulus, daß sich auch der
Satan
in
einen
Engel
des
Lichts verwandeln kann (2
Kor.
11, 14), waren dem
Frommen
dieser
Zeit
tief
eingeprägt
und
wurden ihm immer
wieder eingeschärft.
Wenn also Boehme nach der ersten
Erfahrung
des
Blicks einhält
und erst
einmal die Echtheit des Blicks prüft,
indem
er
einen
Ortswechsel vornimmt,
und wenn er dann feststellen muß, daß der ,Blick trotzdem andauert und ihm
in
diesem Blick alle gewöhnlichen
Gegenstände plötzlich ihr Wesen
offenbaren
und durchsichtig werden, so ist dies ein
Vorgang,
der sehr viel geschichtliche
Wahrscheinlichkeit für sich hat und den man bei jedem wahren
Frommen
erwarten konnte, in
dem
die christliche Demut und die Furcht vor den Ver-
suchungen des Satans
stärker war als
der
Stolz,
durch
besondere geistige
Er
fahrungen und Visionen ausgezeichnet zu werden. Wenn
Boehme
in
seinem
Brief
schreibt,
er habe in
einer
Viertelstunde mehr gesehen als wäre ich viele
Jahre auf
hohen
Schulen
gewesen , so ist diese Zeitangabe kaum als .eine
genaue zeitliche
Fixierung
zu verstehen, die man etwa gegen den Bericht
Abrahams von
Franckenberg auswerten
könnte.
Was Boehme
sagen will,
ist
doch wohl das : er habe in kürzester Zeit
auf
intuitivem Wege mehr
geschaut,
als andere
in
langer Zeit sich
an
empirischem Wissen schulmäßig
erarbeiten
konnten. Jedenfalls
ist
für diese
Schau
charakteristisch, daß sie sich nicht
im
Blitz ,
als
raptus,
sondern
als
Zustand
einer
Erhöhung
seines Bewußtseins, als
ein Durchbruch ins
Supramentale
abspielte, der
längere
Zeit, also nicht -nur
Sekunden, sondern Minuten und Stunden
anhielt
und
in
dem
er später auch
seine Schriften niederschrieb. Auch das Bild
vom
Platzregen , von der
Eröffnung der Pforte ,
von dem
wiederholten Zuschließen
der Pforte
weist
darauf
hin,
daß es sich hier nicht um Momente einer blitzartigen
Entraffung
handelt, sondern
um länger
anhaltende
Zustände einer
Überhöhung
des
Be-
wußtseins, in denen er nicht außer sich , sondern bei sich war, auch die
Dinge
um
sich
und
in sich
wahrnahm,
sie
nur
in
einem besonderen Lichte
und
in
einer
.besonderen Transparenz
ihres
Wesens
erblickte.
IV.
Der Kampf um
die
Berufung und
Sendung
Obwohl das
prophetische
Sendungsbewußtsein Boehmes
an
eine be-
stimmte
und
für ihn
selbst genau datierbare
Erfahrung einer höheren Erkennt
nis anknüpft,
hat
sich seine
prophetische
Begabung keinesfalls dieser ein-
maligen Erfahrung
erschöpft.
Diese erste Erfahrung ,bedeutet
nur
das Empor
quellen eines höheren Lebens, das von
nun an in
ihm weiterströmte
und
immer
neuen Strömungen
sich entfaltete. Sie bildet für ihn
nicht
nur den
Beginn einer
neuen Erkenntnis, die
sich
immer
weiter
vertieft
und
vervoll-
ständigt, sondern
auch
den Beginn eines
neuen
schweren
Kampfes um
seine
45
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98
ERNST
NZ
Berufung, Boehme hat diesen Kampf verstanden als die schwierigste Probe,
der ein Mensch unterzogen werden kann, als einen Kampf , in dem nicht
nur
der
Satan,
sondern Gott selbst als Gegner erscheint.
Sdhon die zwölfjährige Prüfungszeit zwischen dem ersten Durchbruch
der
prophetischen
Schau
im Jahre 1600 und dem Jahr der Niederschrift der
Aurora
ist
von
diesen
Kämpfen
erfüllt. Angesichts
der
ihm
auferlegten Aufgabe
hält er Gott immer wieder die Niedrigkeit seiner Person, die Unvollkommenheit
seiner geistigen Mittel, die Verächtlichkeit seines
Standes vor:
er wehrt sich
gegen die ihm aufgetragene Last und
fühlt
sich zu schwach, die
Durchführung
der Aufgabe
auf
sich zu nehmen. Die Beschuldigungen seiner Gegner, die
zukünftigen Etappen seiner Verfolgung malt er sich mit aller realistischen
Deutlichkeit aus: wie of t mögen diese
Gedanken
ihn niedergedrückt, wie oft
mag uas Übermaß des zu erwartenden Leidens ihn verzagt gemacht haben
Wiederum stammen die
Hauptaussagen
über dieses Ringen
mit
Gott
um
seinen
prophetischen
Auftrag
aus der Aurora zeigen also, daß dieser Kampf nicht·
erst mit der öffentlichen Verfolgung der Boehmeschen Schriften, sondern schon
vor
seinem
ersten
Schritt zur Veröffentlichung seiner Offenbarungen bei
ihm
eingesetzt hat.
Aber nicht
nur der
Anblick seiner
äußeren
Schwachheit wurde
ihm zur
Ver
suchung. Die Erkenntnis, das es zur
Durchführung
seines göttlichen Auftrags
an der inneren
sittlichen
Eignung
seiner Person mangelt, und das Bewußtsein
seiner Verflochtenheit in die allgemeine menschliche Sündhaftigkeit - beides
hat
Boehme
viel zu schaffen gernacht
und ihn
oft
zum Verzagen
an
seiner
Sendung gebracht. Dort
wo er zum
erstenmal von
seiner Schlacht spricht,
geschieht dies im Anschluß
an
die Beschreibung der Urfeindschaft, die in jedem
zwischen dem Menschen der Sünde und dem himmlischenUrbilddes Menschen
besteht. Boehme findet in seinem eigenen Ringen das Urbild dieses Gegensatzes
wieder,
der
sich im Zentrum der Heilsgeschichte
abspielt ,
udarfst
auch n icht denken
daß
ich sey
in Himmel
gestiegen
und
habe
solches mit
meinen
fleischlichen Augen gesehen. 0 Nein: höre du halb
verstorbener
Engel ich bin wie du un habe kein grösser Licht
in
meinem iiusserlichen Wesen als
u
darzu
so bin ich sowol ein sündiger und
sterblicher
Mensch als du und mus
mich
alle
Tage
und Stunden mit
dem Teufel
kratzen und schlagen
welcher
mich
in
meiner
verderbten
Natur in der grimmen
Qualität
die in
meinem
Fleische
ist
wie in
allen
Menschen
immer anficht:
bald
siege ich ihm ob
gar bald er; er
hat
mich aber da rum nicht
überwunden
/ wan er
gleich
vor mir oft
sieget;
sondern
unser Leben
ist
wie
ein
steter
Krieg
mit dem
Teufel . . . Schläget
er mich
so mus
ich
zurücke weichen:
aber
die Göttl iche Kraft hilft
mir auf
dan bekomt
er
auch
seinen
Streich
und
verlihret oft
die
Schlacht.
Wan er aber
überwunden
ist so
gehet
die Himmel-Pforte in meinem Geiste auf: dan sihet
der
Geist das Göttl iche
und
himmliche
Wesen
nicht
ausser
dem
Leibe
sondern
im
Quell-Brunne
des
Herzens gehet der Bliz
auf
in die
Sinnligkeit
des
Hirns
darinnen speculiret der
Geist.
1 Aurora cap.
nr .
67-68, S. 130/31.
( 46 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob
Boehme
99
Boehme schreibt hier wie
der Durchbruch
seiner höheren Erkenntnis immer
erst als Abschluß eines langen Ringensmit dem Satan erfolgt indem ein Eingriff
der
göttlichen Gnade den Sieg des
Satans
vereitelt. Die Erleuchtung
der
Blick ist bei ihm also nicht auf
den
einen Fall eingeschränkt den er be
sonders
erwähnt
sondern diese von ihm
berichtete
Erfahrung des Blicks
is t
für
ihn
nur
deshalb so entscheidend weil sie
ihm
zum
erstenmal diese
neue
Form der Erkenntnis
eröffnet hat. Die weitere
Entwicklung
vollzieht sich so
daß er sich immer wieder bis zu diesem Blick in der beschriebenen
Form
durchringen muß und daß die Wiedererlangung der Erkenntnis nicht eine
Selbstverständlichkeit sondern
der
Abschluß eines inneren mühsamen Ringens
um die
Bewahrung
seiner Berufung ist .
Deswegen fährt Boehme an derselben Stelle fort:
Du soIs t
wissen
/ daß ich
alhie nicht
schreibe als
eine
Historia die mir von
andern ist
erzehlet
worden
;
sondern
ich
mue
stets
in
derselben Schlacht stehen
und
befinde
die
mit grossem
Streite
da
mir dan oft
ein
Bein untergeschlagen
wird
/ wie
allen
Menschen.
Aber
um
des heftigen Streites
und
Kampfes willen
und um
des
Eifers willen den wir mit einander
haben
ist mir diese Offenbarung gegeben
worden und der heftige Trieb zu solcher solches alles aufs Papir zu bringen.
Was aber gänzlich
hierunter
oder
hiernach
folgen
möchte
weis
ich nicht gänzlich;
allein
daß
mir etliche zukünftige Geheimnisse in der Tieffe gezeiget werden.
Der
Prophet
erscheint hier zwischen Gott und dem Versucher hin- und her
gerissen und muß oft nach beiden Seiten kämpfen. Oft scheint er zu erliegen
oder seiner
Sendung
untreu
zu werden
oft
scheint
er selber innerlich geneigt
Gott zu widerstehen und den lästigen Auftrag abzuschütteln bis ihn in der
höchstenNot und Selbstaufgabe die Kraft
Gottes
wieder
überkommt
und er sich
in sein werkzeugliches Amt willig ergibt. In diesem Augenblick erscheinen ihm
auch die Angriffe der
Welt
gegen seine Person nicht
mehr
wichtig: vor der
Macht Gottes die
ihn
ergriffen
hat kommt
ihm die Macht
der
Welt die sich
gegen ihn richtet als bedeutungslos vor und er \vagt sich trotz der Verzagtheit
seines irdischen Menschen an die Ausführung seines Auftrages.
Daß
dies alles bei
ihm
auf
reale innere Erlebnisse
und Kämpfe
zurückgeht
zeigt ein Wort aus
dem
Kapitel
der Aurora
:
Sie sagen: was
ist
dem
Narren?
wan hat
er ausgeträumet?
das
macht
sie sind
in den fleischlichen
Lüsten
entschlaffen; wolauf
sihe
zu
was das für ein Traum seyn
wird. Ich walte
auch
wol in meiner
Sanftmuth ruhen
/ so
ich
dis nicht tuhn müste ;
aber der GOtt der die lVelt gemacht hat
ist mir viel zu stark: ich bin seiner Hände
Werk /
Er mag
mich setzen wohin Er wil. Und ob ich gleich der Welt und des
Teufels Spectacul seyn
mus
so ist doch meine
Hofnung
in
GOtt
auf das zukünftige
Leben:
in dem wil iche wagen: un dem Geist ni ht widerstreben Amen.
In
diesen Augenblicken des Sieges und der Erleuchtung erwacht in ihm
der
prophetische Trotz der in so eigentümlichem Gegensatz zu der Bescheidenheit
seines Naturells steht
und der
vielleicht gerade deshalb bei ihm um so
stärker
1 das.
cap. 11
nr.
75-77 S. 132{33.
47
2 das. cap. 11 nr 81-83 S.
133.
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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100
ERNST
NZ
empfunden ist: das zuversichtliche Bewußtsein, im
Namen
und in der Kraft
Gottes als Sieger im Kampf gegen Welt, Tod und Teufel zu stehen. Derselbe
prophetische Trotz
kehrt
in einem späteren
Wort
wieder, in dem er ebenfalls
auf sJine inneren Erfahrungen im Widerstand gegen Gott und seine ihm
aufgetragene Sendung zu sprechen kommt :
Weil
dan
der
Geist
des
Himmels Gestalt
zu
erkennen gibet
/
k n
ichs nicht
unterlasen also zu schreiben
und las
es
den
walten,
der
es also
haben
wil. Wiewol
der
Teufel
möchte
Spötter und
Verächter
darüber erwecken
so
frage ich
doch
nach
dem nichts
mir
genüget an der holdseligen Offenbarung GOttes; sie mögen so
lange spotten
bis
sie es
mit
ewiger Schande
erfahren
werden:
dan
wird sie
der
Quell des
Reuels
wol nagen. Ich bin auch
nicht
in
Himmel gestiegen und habe
solches
mit
fleischlichen
Augen gesehen vielweniger
hat
rnirs
jemand
gesaget:
dan
obgleich
e in Engel
käme
und sagte mirs
so
könte
ichs
ohne Erleuchtung GOttes
doch nicht fassen
vielweniger
glauben.
Dan
ich
stünde
noch
immer im Zweyfel
obs
auch e in guter Engel im
Befehl
GOttes
gewesen
wäre
/
sintemal
sich
der
Teufel
auch in Gestalt
eines
Engels verkleiden kan die Menschen zu verführen 2. Cor,
11:
14. Weil
es
aber im Centro
oder Cirkel
des
Lebens
geboren wird
als
ein helle
scheinend
Licht
/ gleiche der himmlichen
Geburt
oder Aufgehen des
Heiligen
Geistes
mit feurigem
Trieb
des
Geistes 8 k n
ich dem nicht widerstehen dieWelt
mag
meiner
immerhin spotten.
Die starke
und
unerschütterliche Zuversicht dessen, der nach langem Ringen
durch Gott selber zum Sieg geführt ist, kehrt in der uroranoch öfters wieder.
Auffallend sind die folgenden Worte,
denn
sie zeigen, welcher
Art
die Stö
rungen waren,
auf
die er an
den anderen
Stellen
nur
allgemein anspielt :
Von diesem Lichte habe ich nun meine Erkenntniß darzu meinen Willen
und
Trieb; und
wil
diese
Erkentniß
nach meinen Gaben schreiben
und
es
GOtt
walten
lassen
/
und solte ich gleich hiemit erzörnen die Welt
den Teufel
un aller Höllen
Porten und
wil
zusehen
/ was
GOtt darmit
meinet. Dan seinen Fürsatz
bin
ich
viel zu
schwach zu erkennen;
obgleich
der Geist etl iche Dinge
die
zukünftig
sind
im Lichte zu
erkennen gibt
so
bin ich doch dem äusserlichenMenschen nach viel
zu
schwach
solches zu
begreiffen. C
Dan das triumphirende Freuden-Licht
in
meinem
Geiste
zeiget
mirs
genugsam
an:
darinnen
ich
auch
bis
in
die
Tieffe
der Gottheit
habe
geforschet
/
und
dieselbe
nach meinen Gaben
und Trieb
des
Geistes recht beschrieben; obwohl in grosser
Ohnmacht
und
Schwachheit / indem mir meine angeborne und wirkliche Sünden
haben oft die
Thür
verriegelt / und der Teufel davor getanzet als ein hurischWeib
und sich meiner
Gefängniß
nndAngst
gefreuet;
so
wirds ihm doch auch wenig Nutz
zu
seinem Reiche bringen. Darum habe ich nun nichts
als
seinen
grimmen
Zorn
zu
gewarten:
aber
meine Zuversicht
ist der Held im Streit
/
der
mich
oft von
seinen
Banden erlöset
hat;
n
Dem
wil ich mit
ihm
fechten
bis
auf meine
von
Hinnen
fahrt.
Boehme
nennt
hier
eine doppelte
Störung:
Seine eigenen
Sünden
haben
ihm
also die
Tür
der göttlichen Erkenntnis verriegelt; teuflische Gedanken
haben
ihn von
der
inneren
Erkenntnis
abgelenkt. Vorausgesetzt
ist
bei dieser Selbst-
1 das ., cap. 12
nr 116-118,
S. 151/52.
2 das.,
cap.
19
nr.
17, S. 243; cap. 16
nr. 24-25,
S. 206.
48
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob Boehme
101
beurteilung,
daß
bei
dem
prophetischen Auftrag
von dem
zum Prophetenamt
Berufenen eine bestimmte Heiligung gefordert wird,
und
daß die
Reinheit
der
Offenbarung von der
Reinheit
ihres Werkzeuges abhängig ist.
Boehme kannte auch die Zustände
der Dürre der
Leere, in denen ihm die
Gnade entzogen
wird
und in dem er die Verlassenheit, Nichtigkeit
und
Trost
losigkeit empfindet, die schon die Mystiker des Mittelalters
mit
dem
Wort der
Wüste bezeichnen. Er
hat
diesen Zustand auch schon vor seiner öffentlichen
Verfolgung empfunden, also bevor er sich in Gehorsam gegen das irdische
Gebot zur Unterdrückung des inneren
Wortes
zwingen wollte. Denn in der
urora schreibt er im Zusammenhang
mit
der Darstellung seiner göttlichen
Sendung :
Ich wil solches hinfüro wan ich
werde von
der
Schöpfung schreiben
viel
heller
klärer
und
lauterer
beweisen { dan ich
nehme mein
Schreiben und Buch
nicht von andern
Meistern.
Und
ob
ich
gleich
viel
Exempel und
Zeugnisse
der
Heiligen
GOttes
darinnen führe so ist mir doch eolches alles von GOtt in meinen
Sinn geschrieben
daß ichs
ganz
ungezweyfelt glaube
erkenne und
sehe;
nicht im
Fleisch sondern im Geiste im Trieb
und
Wallen GOttes. Nicht also zu verstehen
daß meine Vernunft grösser wäre als aller derer die da leben; sondern ich bin des
H rrn Zweyg
nur ein kleines und geringes Fünkelein aus Ihm Er
mag
mich
setzen
wo Er hin
wil J
ich kan Ihm das nicht
wehren.
Auch so is t dieses nicht mein
natür
licher
Wille
den ich aus meinen Kräften vermag: dan so mir der Geist entzogen
wird
so kenne oder verstehe ich
meine
eigene
Arbeit
nicht
und muß mich auf
allen
Seiten
mit dem
Teufel
kratzen
und
schlagen
{und
bin der Anfechtung und Trübsal
unterworfen wie alle Menschen.
Noch
an
einem anderen
Punkte
scheinen seine Versuchungen eingesetzt zu
haben: er entdeckte nur zu häufig den Widerspruch seiner neuen Erkenntnisse
zu den Schulmeinungen der Gelehrten. Wie oft mag ihn, den Laien, den Un
gelehrten, die
Entdeckung
dieser Tatsache
irregemacht
und beschwert haben 1
Auch
hier
befreit ihn der ,Sieg von der
Furcht
vor den Folgen eines Verstoßes
gegen diese Autorität des Wissenden. So
hat
er
das
Wort Man muss Gott mehr
gehorchen als den Menschen bezeichnenderweise gerade gegen sie gewandt.
Dies geschieht zum Beispiel dort, wo er in der
urora auf
die Lehren der
Astrologen zu sprechen kommt ,
Ich
wil zwar den Befehl des Geistes
gehorsamlieh ausrichten; schaue
du nun
zu
und las
dich nicht in einer offenen Thür verschliessen
dan
alhie
stehet
die
Porten der Erkenntniß offen.
Und
obgleich der Geist wider etliche Astrologos wird
lauffen;
so
l igt mir
nicht viel dran {ich mueGottmehr gehorsam seyn als den Menschen
sie
sind
im Geiste
blind
wollen
sie nicht sehen so mögen sie blind bleiben.
An zwei Stellen
hat
Boehme den ganzen Verlauf seiner inneren Entwicklung
bis
zur
Niederschrift
der
urora
aufgeschrieben.
In
beiden wird derselbe Weg
unter einem verschiedenen Gesichtspunkt beschrieben: beide sind Zeugnisse
echtesten prophetischen Ringens. Das erstegeht
aus
von dem Bekenntnis seiner
1
das. cap.
3.nr.
48-49
S. 46/47.
Abh. Geistes- u. sozialw. Xl. Nr. 3
( 49 )
2 das. cap. 22 nr. 3 u. 4, S.
8
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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102 R ~ T NZ
Niedrigkeit und Unansehnlichkeit, das den Knecht Gottes umtreibt. Aus diesem
Wissen erwächst die Erkenntnis der zukünftigen Leiden des Propheten. Diese
Erkenntnis ist
die Quelle
von
schweren
Anfechtungen und
Versuchungen, in
denenlihn der Satan um seine Sendung betrügen will. Die Versuchung wird
aber
zuletzt
als Bewährung,
Läuterung und
Vertiefung seiner Sendung
erkannt:
ihr
Abschluß
ist
die zuversichtliche
Ergebung
des eigenen Willens in die Gewalt
dessen, von
dem
er sich berufen weiß.
So
erhält
in
dem
letzten Satz das Wort ~ r u f einen neuen Sinn: während
er zunächst von seinem
Schuhmacherhandwerk
als seinem Berufe spricht
dessentwegen er von den Gelehrten verachtet wird, spricht er am Schluß von
seinem Beruf als von seiner göttl ichen Berufung die er den Gelehrten,
den Kindern
des Fleisches vorhält
und
auf die er sich gegenüber deren
Erkenntnissen beruft. Gerade in dieser Verwandlung seiner Auffassung vom
Beruf
kommt die Linie seiner Entwicklung besonders
klar
ZUlU
Ausdruck :
Ja
lieber stolzer Mensch
deine Begierde
und hocherhabene
Lust die
hat
die
Gottheit bewogen dir
deines Herzens Begierde in
höchster Einfalt
in
der
grösten
Tieffe zu
offenbaren
Es
ist
auch
nicht
mein Fürnehmen
daß ich walte
von des Baumes Aesten schreiben und ihre
Erkentniß
umkehren: auch so baue ich
nicht
auf
ihren
Grund sondern
lasse ihre Erkentniß
in ihrem Sede
sitzen
dieweil
ich
sie nicht
studiret
habe
und schreibe im
Geiste meiner Erkentniß
von des
Baumes Wurzel
Stamme
Aesten
und Frucht als ein
mühsamer
Knecht seines
Herrn
den ganzen
Baum dieser
Welt
zu
blössen
Ich weis auch
gar
wol daß die Kinder des Fleisches werden meiner spotten
und
sagen:
Ich sol te meines Beruffs warten und
mich um
diese Dinge
unbekünunert
lassen
und die lassen philosophiren die es studiret und
darzu berufen
sind.
Mit,
dieser Anfechtung
hat mir auch der Teufel so manchen Stoß
gegeben
und
mir
solches
selbst.
eingebleuet daß ich mich oft verwogen habe
dieses zu unterlassen:
aberm n ürnehmen ist
m r
zu schwerworden
Dan
wan
ich dem
Bauch
nachgedacht
und
bey mir entschlossen dieses mein Vorhaben zu unte rla ssen so ist mir die
Porten des Himmels in
meiner
Erkentniß zugerigelt
worden.
Alsdan hat
sich
meine
Sele
geängstet als sie vom
Teufel
gefangen:
dadurch die Vernunft so manchen
Stoß bekommen als
solte
der Leib zu Grunde gehen /
und
hat auch der Geist nicht
ehe nachgelassen
/
bis
er
ist
wieder
durch
die
todte
Vernunft
gebrochen
und
hat
die
Thoren der F inste rn iß
zusprenget und seinen Sitz wieder an seine
Stelle
bekommen;
dadurch. er dan allzeit
neu Leben und
Kraft bekommen.
Dadurch i st
dan verstehe daß der Geist mus durch Creuz und
Trübsal
bewäret werden:
auch
so
hat
mirs
an leiblicher
Anfechtung
nicht gefehlet sondern habe immer
müssen
im
Kampf
stehen; sogar ist
der Teufel darwider gewesen.
Weil ich
aber spüre daß mein ewig Heil
darauf s tehet
und daß mir durch mein
Nachlassen walte die
Porten des
Lichts zugeschlossen werden; welches doch ist die
Vestung
meines Himmels
/
darein sich meine
Sele
verb irge t vor dem Ungewitte r
des
Teuffels
welche
ich doch
mit
grosser
Mühe
und manchem harten Sturme durch
die Liebe Gottes e robe rt habe durch
die
Durchbrechung meines Erlösers
und
Königes JEsu Christi so wil ichs lassen GOtt
walten
und meine fleischliche
Vernunft
gefangen nehmen. Und habe mir erwehlet
die
Porten der Erkenntniß
das. cap.
24 ur.
76-77
S. 331
und
cap. 25
nr.
3, 5-11 S. 332/33.
50 )
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Der Prophet Jakob Boehme
3
des Lichtes und
ioil des Geistes Trieb
und
rkenntniß
nachfahren
und solte gleich
mein thierischer Leib an Bettelstab gereichen oder gar zu
Grunde
gehen
so
frage
ich nun weiter
nichts darnach ;
und
wil
mit
dem königlichen Propheten David
sagen: Und
wan mir gleich
mein Leib und
Sele verschmacht so bistu GOtt
doch mein Heil
mein
T rost und
meines
Herzens Zuversicht Psalm 73: 26. Auf
dich
wil iehs wagen und
deinem Geiste nicht widerstreben
und ob es gleich
dem
Fleische wehe
tuht
noch
dannoch
lUUS
der
Glaube
in
Erkentniß
des Lichts
Über
die
Vernunft
schweben. :-
Ich weis
auch
gar wol daß einem Jünger nicht gebühret wider den Meisten.zu
kämpfen
und daß
die hocherfahrnen Meister
der Astrologiae mir
weit
überlegen
sind: aber
ich arbeite
in meinem
Beruffe
und sie in ihrem
auf
daß ich nicht ein
fauler
Knecht meines
Herrn
erfunden werde wan derselbe wird kommen und
sein überantwortet Pfund von mir federn daß ich Jhrn dasselbe möge mit
Wucher
darstellen.
Als
wil ich sein Pfund nicht
in
die Erde vergraben: sondern auf
Wucher
ausleihen
damit
Er nicht
in
Zeit seiner
Abfoderung
möchte zu mir sagen:
Du
Schalksknecht
warum hastu
mein
Pfund
in
die
Finsterniß
versteckt
/.
und nicht
damit gewuchert?
Matth. 25:21.
Luc. 19:23.
So bekäme ich itzunder das,
Meine
mit
\Vucher;
und dasselbe gar von mir nähme und e inem andern gäbe der
mit
seinem
Pfunde viel gewuchert hätte;
al s
wil ich säen
Er
mag
begiessen;
und es Ihn
lassen
walten.
In die tiefsten Abgründe seiner inneren Entwicklung führt die zw t Stelle,
an welcher er seinen der Niederschrift der Aurora vorausgehenden inneren
Kampfschildert. Hier steht
am
Anfang
das
fassungslose Staunen des Berufenen,
der
nicht weiß, wie ihm geschieht, und
der
sich
wundert, warum
gerade er
ZUlU
Wirken
eines solchen Heilswerkes herangezogen wurde. Es folgt die Schilderung
seines anfänglichen Widerstehens gegen die ihn überfallende göttliche Gewalt
und des endlichen Sichfügens
unter
die göttl iche Last. Dann erklingt das
Bekenntnis
dessen,
der
sich
schaudernd
auf eine übermenschliche Höhe gehoben
sieht, der
nicht mehr
umkehren kann. Die gewaltige prophetische Wahrheit,
die in dem
Wort
liegt: Weh dem, der die
Hand
an den Pflug legt
und
zieht
sie zurück , hat Boehme im Ringen UDl seine eigene
Sendung
zutiefst erfahren.
Er sieht,
daß
er in seinem göttlichen
Beruf
gefangen ist, daß es für ihn kein
Zurück
mehr gibt,
und
dieses Bewußtsein
erweckt
in
ihm den
gläubigen Mut,
den Leidensweg zu gehen, den er unausweichlich
vor
seinen Augen sieht. So
mündet die Betrachtung seines Lebens in einem Lied der Zuversicht .
Dieses
ist von
der
Welt
her verborgen blieben
und in keines Menschen
Herze
also ganz und gar offenbar
worden: ich verwundere mich auch
selber
viel sehrer
als sich
der
Leser
vielleicht verwundern wird ob der hohen
Offenbarung,
Nicht
schreibe
ich mir solches zum Ruhm dan mein Ruhm stehet in meiner
Hofnung
des Zukünftigen: ich
bin so
wol ein
armer
Sünder wie alle Menschen und gehöre
auch
vor
diesen
Spigel;
sondern ich
verwundere
mich daß
sich
GOtt
in
so
einem
einfältigen Manne
wiI
also
ganz
und
gar
offenbaren
und
treibet
ihn
noch darzu
solches aujzuschreiben
da doch viel bessere Scribenten wären die es viel höher
könten
schreiben und ausführen als ich der ich nur
der Welt
Spott und Narr bin.
Aber ich
k n
und willhm nichtunderstehen dan
ich
bin
oft in
grosser Arbeit gegen
1 das., cap.
14
nr. 38-43,
S. 179/80.
51 )
8*
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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104
ERNST
BENZ
Ihm gestanden
so es
nicht
sein
Trieb und
Wille
sey daß
Er
solches
wolte
von mir
nehmen;
aber
ich befinde
das
ich mit meiner Arbeit gegen Ihm nur habe Steine zu
diesem Bau zugetragen.
up
aber
in
ich zu hoch gestiegen
und darf nicht wieder zurück sehen
sonst
schwindelt
mir;
und habe noch ein
kleines
Leiterehen
bis
ans
Ziel
da
ist
alle
meines Herzens Lust vollend hinzusteigen. Dan so ich
aufsteige
so schwindelt
mir
gar nicht:
aber
wan ich
zurück
sehe und wil wieder umkehren
so
schwindelt
mir
und fürchte
mich
des Fallens
Darum habe
ich meine
Zuversicht
auf den
starken
GOtt
gesetzt und wils wagen und zusehen was doch
draus
werden wiI.
Ich
habe
auch n icht mehr
als
e inen Leib de r ist ohne das sterblich
und
zerstöhrlich
den
wil ich auch
gerne
dran
wagen:
so
mir
nur das
Licht
und die
Erkentniß meines
GOttes bleibet
so
hab
ich
genug wol hie und dorte. Auch
so
wil ich mit meinem
GOtt nicht
zürnen ob ich vielleicht tun seines Namens willen müs te Schmach
leiden
welches mir dan alle Tage blühet
und
bin
des
fast
wol gewohnet; ich wil
mit
dem Prophe ten Dav id singen: Und wan mir
gleich mein
Leib und Sele
ver-
schmacht
b is tu GOtt
doch meine
Zuversicht
mein
Heil
und
meines
Herzens
Trost
Psal. 73:
26.
Alle diese Zeugnisse bestätigen
daß
die
Hauptkämpfe
Boehmes bereits vor
der Niederschrift der
Aurora
ausgefochten waren.
Um
so
mehr mußte
ihn die
Verordnung des Görlitzer Rates treffen die ihm gebot keine Bücher mehr zu
schreiben d. h. auf seine innere Stimme
und auf
den Trieb seines Geistes
nicht
weiter zu hören. Was bisher als Stimme der Versuchung in seiner eigenen Brust
an ihn herangetreten
war das wurde ihm jetzt von der Obrigkeit als ver
pflichtendes Gebot auferlegt.
Jetzt hat
sich
für ihn der
Gegner
der
ihn
an
der
Verwirklichung seiner Sendung hindern will sichtbar als menschliche Person
in
der
Gestalt des Görlitzer Primarius Gregor Richter
enthüllt.
Dieser Gegner
Fleisch geworden
in
der Gestalt des Orthodoxen der im Namen des heiligen
Buchstabens sich gegen den lebendigen Heiligen Geist wendete erscheint in der
ersten Schrift die er unter dem Druck des Geistes
nach
siebenjährigem
Schweigen ans Licht bringt als eine geheimnisvolle dämonische Persönlichkeit
mit
der Boehme zu ringen
hat
als der Treiber .
Er
hat seinen Namen von seinem Werk: Boehme
ist
das Wild das er
jagt
um ihn-nirgends zur Ruhe kommen zu Jassen und ihm jede Entfaltung seiner
Verkündigung unmöglich zu machen. Diese Figur des Treibers
nimmt jetzt
die
Stelle des Versuchers ein. Gleichzeitig
ist
er eben
Treiber
in einem anderen
verborgenen Sinn indem er wider seinen eigenen Willen
und
seine selbstgefaßte
Absicht durch die Verfolgung Boehmes das
Werk
Gottes
treibt und
durch
Gegensatz und Widerpart ans Licht bringt. Das Bewußtsein auch diesen
Kampf mit
Gottes Hilfe siegreich überwunden zu
haben und
seinem geistlichen
Beruf
treu
geblieben zu sein
gibt daher
seinen Worten in
der
Schrift
Von den
drey
Principien
einen besonders freien
und kühnen
Klang .
So ich mich entsinne und denke
warum ich also schreibe
und es nicht
andern
Scharfsinnigen stehen lasse
so
finde
ich
daß mein Geist in diesem Wesen
davon
1
De
trib
princ
cap.
24
nr.
1 u. 3 S. 746/47.
52
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Der
Prophet Jakob
Boehme
105
ich
schreibe
entzündet
ist:
denn
es ist
ein
lebendig-lauftend
Feur dieser
Dinge
in
meinem
Geiste; Darum
was ich mir auch sonst fürnehme / so
quillet
doch immer
das
Ding
oben
und bin also in meinem Geiste
damit
gefangen und ist mir auf-
geleget als ein Werk
das
ich treiben mus So es dan je mein
Werk
ist das mein
Geist treibet so wil
ich mirs
zu
einem Memorial schreiben
und
eben auf
eine solche
Art wie
ichs
in meinem Geist erkenne / und dan auf die
Art
wie ich dazu
kommen
bin; und
wil
nichts fremdes setzen
was
ich
nicht
selber erfahren habe
damit ich
mir n icht selber ein Lügner vor GOtt erfunden werde Weil ich aber itzo mit
dem
Articul der
Busse umgehe
/ so
füge
ich
dem Leser
daß
in meinem
Ernste mir
diese
Feder
ist
gegeben worden welche mir
der Treiber wolte
zerbrechen da ich
dan also einen
ernsten
Sturm mit ihm angefangen
daß
er mich zu Boden unter
die
Füsse
des Treibers geworfen hatte;
aber
dem Odem
GOttes
hal f mir auf
daß
ich
noch stehe
und
habe
noch die
erste
Feder in
meinem Gemühte
darmit
wil
ich
fortschreiben; und
solte der Teufel aus Bosheit d ie Hölle stürmen.
Auf
Grund
dieser amtlichen Unterdrückung seines Werkes bekommt auch
der
Gedanke seiner Berufung eine neue
Bedeutung.
Die schlimme
Erfahrung
der
sieben
dürren Jahre
hat in
ihm
das
Bewußtsein
reifen lassen,
daß
er seinem
geistlichen
Beruf auch
gegen das Gebot
der
Menschen nachkommen muß. So hat
ihngeradederGedanke
von
demihmanvertrautenPfund bestimmt, trotz des Ver-
botes wieder mit seiner
Botschaft
hervorzutreten aufdie Gefahr hin, noch
härter
verfolgt zu werden,
In
derselben Schrift Von den drey Principien
heißt
es :
So
wir
uns
entsinnen in der
Erkentniß
so uns
durch die Liebe
GOttes
in
der
edlen
Jungfrauen
der
Weisheit GOttes eröfnet
wird
nicht
nach
unserm
Verdienst
Frömmigkeit oder
Würdigkeit
sondern aus seinem
Willen
und
urkundlichen
ewigen Fürsatz derer Dinge so
uns
in seiner Liebe
erscheinen;
so erkennen
wir
uns freilich
viel
zu
unwürdig zu
solcher
Offenbarung s in temal wir Sünder s ind
und mangeln alle
des
Ruhmes den
wir haben
solten vor Ihme.
Dieweil
es aber
sein ewiger Wille
und
Fürsatz
ist
uns
wolzutuhn
und
zu eröfnen
seine Geheimnisse
nach seinem
Raht
sollen wir nicht widerstreben
und das gegebene fund in die
Erde verscharren
den
wir müssen
davon in der Erscheinung
seiner
Zukunft Rechen
schaf t geben; Wollen also in unserem
Weinberge
arbeiten und Ihme ferner die
Frucht
befehlen und
uns
soloheszu
einem
Memorial aufschreiben und
es
Ihme
befehlen
denn
wir
können
weiters
nicht
forschen
oder ersinnen
als
nur
was
wir
im Lichte
der
Natur ergreiffen. Da denn unsere offene Porten stehet n icht nach
dem Maaß unsers
Fürsatzes wenn und wie
wir wollen; sondern nach seinenGaben
wan und
wie r wil Wir
können auch nicht
den
kleinesten
Funken von Ihme
er
greiffen es
sey dan
daß uns die Thoren
der
Tieffe
aufgetahn
sind in unserm
Gemühte da
denn
der eiferige und
hochbegierige
entzündete Geist gehet als ein
Feur
deme der
i rdische Leib
billig untertähnig ist
und sich
keine
Mühe
sol
lassen
tauren
dem
begierigen
feurigen
Gemühte zu dienen. Und ob er gleich
von
der
Welt nichts
als Schmach und Spott hat zu
gewarten
für seine Arbeit noch sol
er seinem
Herrn
gehorsam seyn: sintemal sein Herr
ist
mächtig
und
er unmächtig ;
und sein Herr
ihn führe t
und nehret
er aber in
seinem Unverstande
nichts wels
was er tuht sondern lebet
allem Vieh gleich
auch so
ist sein
Wille
also
zu leben:
s sol er dem theuren Gemühte folgen welches
forschet
nach der Weisheit GOttes
das. cap 16
nr.
I u. 2, S. 563.
53 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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106
ERNST
BENZ
Was in seinen Schriften mehr oder
minder
deutlich anklingt,
das
ist dann
in den Briefen an seine Freunde mit letzter Klarheit dargelegt.
In
diesen Briefen,
die mit
dem Jahr
seiner neuen literarischen
Aktivität
einsetzen,
blickt
er
bereits auf die ganze Abfolge der drei Perioden seines Lehens: die Vorbereitung
nach der ersten Erleuchtung dann das
öffentliche Hervortreten
mit der -
schließenden Verfolgung
und
die Zeit des Verbots
mit
dem abschließenden
neuen Durchbruch zurück. In diesen Briefen zittert das ständige Ringen mit
Gott um die Erhaltung seiner Berufung in
immer
neuen Schwingungen nach.
So heißt es bereits in dem 1.
Sendbrief
an Herrn Carl von Endern vom 18.
Jan.
1618 in einem geheimnisvollen Hinweis auf seine zukünftigen Schriften, mit
denen er aus seinem zwangsläufigen Schweigen hervortritt. :
Die
Gaben
/ so
mir einmal
von
GOtt
sind
gegeben worden
f
sind darum nicht
gar erstorben / ob sie gleich
eine Zeit sind
vom Teufel
und
der
Welt
verdecket
worden;
so
erzeigen
sie
sich
doch
itzo
manchmal
viel
höher und
wunderbarlieher
:
und
sol
dem Herrn
in Kurzem
wils GOtt etwas davon zu Händen kommen
denn es
ist
ein hoher
Anfang darzu
gemachet
worden
In
dem
zweiten
Brief an denselben Carl von
Endern
vom 22. Okt. 1619 spricht
sich das Berufungsbewußtsein mit einer befreiten Entschlossenheit aus, die
dem
schwersten Leidensgeschick
entgegenzutreten bereit
ist :
Darum
ist es
mir Ernst eintemal mir auch. ein Funke von der edlen Perle
ist
gegeben worden und Christue uns treulich warnet sie nicht unter die
ank
zu
stecken
oder
in
die
Erde
zu
vergraben:
Sollen
uns
darob auch nicht
zu
sehr
fürchten
vor denen Menschen
die
den Leib
tödten
und
nichts
mehr tuhn
können;
sondern
vor dem
der
Leib
und
Sele verderben
und
in die Hölle
werfen mag.
Ja gerade die
Erfahrung
seiner neuen Verfolgung bestätigt ihn in der Gewiß-
heit seiner Berufung,
denn
er sieht sich
dadurch
in
das
Schicksal hineingerissen,
das von Anfang an
den Propheten
Aposteln und Christus selber vorbehalten
war ,
Dan ich doch sonst
bey
dem
Weisen dieser
Welt
/
welche ihnen alleine Erkentniß
und Wissenschaft
aus
eigener Hofart
ohne Gottes Geist
zu
messen
/ schlechten
Danck ja nur Spott habe
f
welches
ich
mich doch nur höchlich erfreue
f
um des
Namens und Erkentniß GOttes
willen
Schmach zu tragen: Dan wäre mein Erkent-
niß aus ihren Schulen geboren / so würden sie
das
ihre
lieben;
weil sie
aber aus
einer
andern
Schule
ist
so kennen sie
das nicht; verachtens
derowegen
f
wie sie
allen
Propheten f auch Christo
und
seinen Aposteln tähten:
Ich
wil mich das nicht
irren lassen
sondern wie ich angefangen
an
meinem
GOtt und Schöpfer nur mit
desto
grösserm Ernst
hangen
und mich derne
ergeben f
r mache
in
mir was r
w l
Ich schreibe mir keine
Klugheit zu
verlasse
mich auch auf keinen
Fürsatz
der
Vernunft
dan ich
sehe
und befinde gar hel
und
klar
/
daß GOtt gar
viel
eine
andere
Bahn
gellet.
Theos. Send Briefe 1.
131 .
nr . 17 S. 3713.
3
das. 5.
Br. nr. 5 u. 6, S. 3725/26.
54
2
das., 2.
Br.
nr. 6 S.
3715.
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob Boehme 107
Die Verfolgung, die
durch
eine Menge
von
literarischen und persönlichen
Angriffen und Bedrohungen seines Lebens
und
seiner Existenz
über
ihn herein.
bricht, erscheint
ihm
als
das
göttliche Siegel
der
Berechtigung
seiner
Heils
sendung. So legt er
zum
Beispiel die Verfolgung, die sein ebetbüchlein von
seiten seines alten Gegners, des Görlitzer Primarius
erfährt,
als
Bestätigung der
besonderen
Heilsbedeutung
aus
und
schreibt
an
seinen
Freund am
4.
April
1624
1
:
Und
füge
euch
zu
wissen daß
der
Satan
in unserm
Obersten
Priester
wegen
des gedruckten Büchleins
ganz
erzürnet
ist und
gleich wie rasende
und tolle
worden / mit Fluchen und Schmähen Lügen
und
Morden
daß ich
kräftig
sehe
daß dieses Büchlein dem Teufel ganz zuwider is t
und
mich
darum
gerne wolte
ermorden;
und mus i tzo wegen seiner
grausamen
Verfolgung unter dem Christi
stehen
/ und
sein
Mahlzeichen tragen dan der
Teufel
geusset i
tzo
seine
letzte
Gift aus.
Boehme
erfährt
es, wie sogar die Verfolgung seiner Sache zum
besten
dienen
muß, indem durch
die Verfolgung selbst seine
Lehre immer
weitergetragen.
seine
Bücher
ohne sein Zutun inuner aufs neue abgeschrieben
und gedruckt
werden,
so
daß
sein
Treiber
zum unfreiwilligen Verkünder der verfolgten
Erkenntnisse
wird.
So schreibt er in einem
anderen Brief>:
Stosset euch nicht an meine Verfolgung; und
ob es euch
dergleichen auch gehen
würde so
denket daß
ein ander Leben
is t
und daß
sie
unsern eigenen
Feind
verfolgen
welchen wir selber
auch hassen
Ich b in
abermal durch die Bewegung
GOttes Zornes beweget worden von den Widerwertigen / auf daß ich wachse und
gros werde; dan itz t ist erst mein Talent meinem
Vaterlande
offenbar
worden;
der
Feind meinets böse aber
er
publiciret nur dadurch mein Talen t es wird ani tzo
mächtig sehr alhier begehret und ist manche hungerige Sele dadurch erquicket
worden
ob es
gleich der unwissende
Hauffe
lästert.
Wie
sich schon in
den
obigen
Worten der
Gedanke
anbahnt, daß
Boehme
in seiner Verfolgung das Leidensgeschick Christi am eigenen
Leibe erfährt,
so klingt dieser für ihn unendlich trostvolle Gedanke immer wieder in seinen
Briefen auf bis zu
den
demütig-stolzen
Worten
in
dem Brief
an Tobias Kober
vom
13.
Juni
1624?
in
dem
er schreibt :
Ich für meine Person danke
GOtt
in Christo JEsu
daß r mich hat m t seinem
Mahl Zeichen gezeichnet und machet mich täglich seinem
Bilde ähnlich
Es
is t
fast
ein großes
Wunder
daß
der Teufel
wieder
so
ein
kleines
Bät-Büchlein
solch
Lermen anrichtet;
es
mus
ihme gewis
nicht schmecken
/
und
anstinken
da doch
viel
grosse Bücher vol
NarrenPossen
teils auch vol Aberglauben gefunden werden
welche
er nicht
anficht;
sondern nur den Weg
zu
Christo speyet er an daß Nimand
sol
darauf wandeln Man
lasse es doch
nur also gehen Stilleschweigen ist das
Beste:
Sie
jagen eine Mücke
/
und
meinen sie
haben
den
Braten
/ aber es stecket
ein kleines Senfkörnlein vom daran Christus hat den Tod erwürget darin das
wird
ihnen
den Bauch zerbersten
und wird
zu
einem
Baum
werden
das kan
Nimand wehren.
1 das., 51
Br.,
nr. 2
S. 3893.
:3 das.,
58. Br. , n r. 11 u. 12, S. 3907.
3
das.,
64
BI., r
2, 3 u. 11, S. 3921/23.
55 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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108 ERNST BENZ
In
diesen Schlußworten ist nicht weniger gesagt als daß in den Schriften
Boehmes die Lebenskräfte Christi selbst lebendig sind Seine Verfolger werden
sich an der Verfolgung seiner Lehre
den
Tod holen zugleich
aber
müssen sie
in
ihrer Raserei
dazu
dienen das geistige Leben das in diesen Schriften
und
Lettern strömt
immer
mehr zu entfalten. Der
alte
Gedanke der sich auch bei
Luther
findet
daß
der
Satan
als
er
Christus
verschlang
und
den
Herrn
des
Lebens selbst zu vernichten glaubte an diesem Bissen zerborsten ist wird
hier
auf die
Person und
die
Verkündigung
Boehmes selbst
übertragen:
aus denselben
Schriften die hier verfolgt werden wird eine
Erkenntnis
hervorwachsen die
sich
in der Erfüllung der
Zeiten
über
die
ganze Welt
ausbreiten wird So
ist
dieser ganze Kampf Boehmes um seine
Berufung
in
der
Tat
von
einem ge-
waltigen Siegesbewußtsein und einer Zuversicht getragen deren Wurzeln der
Glaube an die Treue Gottes ist der seinen Auserwählten auch in der tiefsten
Erniedrigrmg nicht verläßt.
v.
Das
prophetische Werk
1
Der prophetische Ursprung se iner
Schriften
Wie weit sich dieser Anspruch prophetischer
Sendung
erstreckt läßt sich
aus
der
Tatsache
ermessen
daß
sich Boehme
nicht
nur
auf
eine allgemeine
prophetische Inspiration beruft sondern jede einzelne seiner Schriften in
ihrem
Wortlaut
unmittelbar auf eine göttliche Eingebung
zurückführt.
Die Tatsache
selbst
daß
er
der
schriftunkundige ungelehrte
Schuster
schreibt sieht er
schon in einer solchen göttlichen Eingebung begründet. Gottes Geist ist es
nicht
nur der
ihm
einzelne Erkenntnisse eingibt sondern er
ist
es der ihn zur
Niederschrift zwingt So weiß er sich nicht nur in dem Inhalt seiner Offenbarung
sondern
auch
in der
Art
seiner
Darstellung durch
eine höhere
Führung
be-
stimmt.
Die
einzelnen Schriften sprechen
immer
wieder
von
dieser göttlichen
Nötigung die Boehme zum Schreiben trieb Vor allem jene Schriften in denen
er
nach dem
siebenjährigen Schweigen wieder
hervortritt
unterstreichen diesen
Gedanken
denn
bei
ihnen
hat
ja
der
Hinweis
auf
ihre
prophetische
Eingebung
apologetischen Charakter: Boehme
hat
als einzige
aber
unwiderlegbare
Ent
schuldigung für seine
Übertretung
des Verbotes weitere Bücher zu schreiben
den
Hinweis auf
den
Geist Gottes
der ihn
zwingt die
Feder
zu ergreifen
So schreibt er in
der Schrift Von den dre
y
Principiens :
Die
viele
tieffe
lmd
schwere
Sachen
s ind euch
nichts nütze;
ih r
dürft euch nicht
darin vergaffen wie müssen sie nur setzen daß
ihr
sehet was der Grund ist was
der Irrtuhm
ist:
denn wir sind nicht Ursache dieses Schreibens sondern ihr in
eurer
hoch-erhabenen Lust habet den Geist erwecket
daß
ihr
eures Herzens
Gedanken
erführet.
Und
in der Schrift o dreyfachen Leben des Menschen
heißt
es
2
:
1 De trib princ cap 25 nr. 93 S 780
2 Vom dreyfachen Leben des Menschen cap.
9
nr
32 S 964
56
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet
Jakob
Boehme
109
Von
der Welt
her
ist e in
Zank um
dieses gewesen
I
weil diese
Pforte
mit
Adam
ist versenket gewesen
I
und
wir in Finsterni ß
sind
gefangen
gehalten
worden weil
es
aber
uns
GOtt
gönnet
und eröfnet
/
und auch einen starken TVillen zum A u jschreiben
gibt
I so
sollen
wir das
tuhn
j lmd danken das GOtt dem Vate r in Christo JEsu
in
Ewigkeit
I
der uns erlöset
hat aus
der Finsterni des Todes.
Der
Hinweis
auf
diesen prophetischen Zwang,
der ihn
zu
der
Niederschrift
seiner Bücher
veranlaßt hat, tritt dort
besonders stark hervor, wo er sich in
besonderen Verteidigungsschriften gegen die Vorwürfe seiner Gegner recht-
fertigt und wo er gerade die Bestreitung seiner prophetischen Berufung durch
den Hinweis auf
den
unüberwindlichen göttlichen Zwang widerlegt, der ihn
zu seinem schriftstellerischen Werk veranJaßt hat.
Die
übersichtlichste Dar
stellung des Ursprungs seines Schrifttums bringt hier die 1. Schutzschrift wider
Balthasar Tilken
in deren Vorrede er den ganzen Gang seiner Entwicklung
unter besonderer Berücksichtigung
der
Anfänge seiner schriftstel1erischen
Tätigkeit
beschreibt.
Dort
heißt
es :
Ich
verstund
zuvor
wenig die hohen
Glaubens-Artikel
I
nur
als der Laien
Art
ist
J
vielweniger die
Natur; b-is
1nir
das
Licht
in der
ewigen
Natur
anhub zu scheinen;
davon
ich so
sehr lüs terend ward
I
daß ich anfing und wolte mir
mein
Erkentniß
zu
einem
Memorial
aufschreiben.
Denn der
Geist ging hindurch als ein Blitz
/
und
sahe in Grund der Ewigkei t; oder
wie
ein Platzregen vorüber
gehet
I was er
trift
das t ri ft e r;
also
gings auch in mir: ich fieng an zu schreiben als ein Knab in der
Schule I und
schrieb
also in
meiner
Erkentniß
und
eiferigem Trieb immerhin
fort
und
allein
für mich
selber. Ich
vermeinte mein Lebenlang nicht vor einemMenschen
damit bekant zu
werden;
sondern solte
es
mein Lebonlang bey mir
zu
einem
Memorial behalten;
wiewol
mir immer gegeben ward von zukünftigen Dingen ZU
schreiben; oder als wäre ich vor vielen /
als wäre es
ein
IVerk / das
mir
aufgeleget
wäre /
daß
ichs treiben müste. Ich empfand
mächtig
des
neu-angezündeten Licht
Geistes rillen:
Aber
meine
Sele war vor und in ihm I
als
ein unverständig Kind ;
Sie ging also in dem
Rosen-Garten
ihrerMutter /
und taht als ein
Knecht in
Gehorsam;
und mir
ward gegeben
I
alles auf Magische
rtaufs
Papier
zu
erüioerjen Denn ich
schrieb nur
meinen
Sinn Iwie ichs in der Tieffe verstund:
und
machte darüber
keine
Erklärung;
denn
ich vermeinte
nicht
/ daß es solte gelesen werden
I
ich wol ts
für
mich behalten: sonst
I
so
ich gewust
hätte
I
daß
es
saite
gelesen
werden
I
so
wolte
ich klärer geschrieben haben.
Auch so war die
Arbeit
meines
Geistes darin
und
damit
I
wie eine immer..
Uebung
/ da meine Sele sich
je
länger
je
tieffer ins Mysterium
der ewigen
Natur vertouffete; gleich einem Schüler I der zur Schule gehet I und sich
treflich
übet. Denn
der Geist des Lichtes übte
meine
Sele heftig:
wie der unparteyische
Leser
darinnen
sehen wird / wie sich der Geist hat geübet und manch Ding gar oft
erzehlet
I und
je tieffer
und
klarer von einer Stnffen zur
andern: es war die
rechte
Leiter ..
J
acobs
f
da meine Sele aufstieg
I
durch GOt tes Villen; deme es also gefiel I
mich
also zu Üben j und in
die Himlische Schule
in Ternarium Sanctum
einzuführen.
Wollet
ihr oder
e in anderer
mein Buch
nicht
lesen
Ilassets
stehen
I
ists
doch
nicht
gedruckt:
wer heise ts nachschreiben? Last mir es stehen:
Ich
habe es nur
1
Erste
Schutz Schrift wider alth T ilken Vorrede nr.
27-33,
S. 1774/75 und
nr. 54, 60,
62-64
S. 1778/79.
57 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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110
ERNST NZ
für mich geschrieben
es gehet
euch nicht
an
ich bin
nicht
damit
gelauffen
und
habe.es
Jemand
angeboten;
es
ist
ohne
meinen
Villen
ausgekommen und
ohne
mein Wissen wie diejenigen die es zuerst bekommen haben wohl wissen
Es sind aber auch
solche Geheimnisse
darin in meinem Buch) die man Meister
Klügling
nicht
alle erzehlen wird; denn es hat GOtt also gefallen zu seyn Sihe
der
Propheten Schriften an loh
sie alle
im hellen
Verstande sind: dazu lehrete
CHristus
auch
in
Gleichnissen:
man
sol die
Perlen nicht vor
die Säue
werffen.
Matth.
7:
6
Ver
sie
aber nicht
begehret
den
hab ich auch nichts geschrieben Er las
sie
mir
stehen: Ich
schreibe fü r
mich selber und
lauffe
Nimand nach. Ich
habe sie in
keinem Buchladen feil:
Wären
nicht
Gottesfürchtige
Leute
gewesen
die mich
inniglich und in rechter Christlicher Meinung
darum
hätten angelanget und
gebeten
/
ich
hätte wol
Nimand
nichts gegeben. Weil
aber Gottesfürchtige
fromme
Herzen
gefunden
werden
denen ihr Christentuhm noch ein Ernst ist / solte sich
denn
die
Christliche Liebe entziehen? Oder hat mirs GOtt gegeben
ß
ichs solte unter die
ank stecken oder
in
die Erde graben? Christus saget:
Nimand zündet
ein Licht
an
und steckets
unter
die
Bank
oder
unter
einen
Scheffel;
sondern
setzt
es
auf
einen
Tisch auf
daß alle
die
im
Hause sind
davon
sehen.
Matth, 5: 15.
Das
Göttliche Licht lä st sich nicht verstecken ; dem es GOtt gibt der sol es lassen leuchten
denn
GOtt
wil von seinem
Pfund
Rechenschaft Iodern.
Diese Schilderung
enthält
eine Reihe bedeutsamer Selbstaussagen über das
Wesen seines
Schrifttums.
Einmal ist aufschlußreich,
von
Boehme selbst zu er-
fahren, wie ihn der erste Durchbruch
der
Schau offenbar in einer ganz
irrationa-
len Weise überfallen
hat.
Dort, wo er
davon
spricht, schildert er immer
das
Unerwartete,
Überraschende,
Numinose dieses Ereignisses,
das
ihn
wie
ein
,Platzregen
überrascht
hat.
Er
fühlt sich in ein überschwengliohes Leben einer
neuen Erkenntnis hineingerissen, die er gar nicht in
ihrer
ganzen Überfülle in
sich aufnehmen, sondern von der er
nur
einen geringen
Rest
in eine worthafte
Form bringen
kann.
Neben dieser Überschwenglichkeit des Geschauten
und
dem offensichtlichen Mißverhältnis zwischen dem
Geschauten
und
dem, was
sich
davon überhaupt
in Worte fassen läßt, ist als zweites auffällig,
daß Böhme
bei der Niederschrift, zu der ihn der Geist trieb, zunächst offenbar nur an sich
selber dachte. Er teilt nämlich wiederholt mit,
daß
er bei seiner ersten Nieder-
schrift
nur
ein Memorial
plante ,
d.
h.
seine
Erfahrungen
und
Erkenntnisse
nur
für
sich
selbst
zur
Erinnerung
in Form eines geistlichen Tagebuches auf-
schreiben wollte,
Er
unterstreicht damit, daß er ursprünglich nicht die
Absicht
hatte, die Grenzen seines Standes zu übertreten und mit einem
Buch
über die
Grundfragen der Offenbarung an die Öffentlichkeit. zu treten. Boehme erklärt
auch mit
dieser rein
privaten Abstimmung der
Niederschrift ihre Unvoll-
kommenheit: Sonst
so ich gewust
hätte
/ dass
s
solte gelesen
werden
/ so
solte ich
klärer
geschrieben
haben .
Dös bedeutet doch,
daß
er sich
der
for-
malen
Unvollkommenheit
seiner
ersten
Schriften
sehr
wohl
bewußt
war.
r
betont ja
in seinen späteren Schriften immer wieder seine Absicht, die Dunkel-
heiten der ersten Schriften zu erhellen, und entwickelt auch eine regelrechte
t
s, u.
S. 65ff.
58 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 59/121
Der
Prophet
Jakob
Boehrne
111
Methode
der
Systematisierung
und Ordnung
seiner Hauptgedanken
und e·
griffe .
Dem
entspricht, was cr
von
der ,Himmlichen Schule sagt. Wenn er sich
zunächst als unverständiges Kind schildert, das in die ,ABC-Schule des Heiligen
Geistes
geht und
alles nur .auf magische
Art
aufs
Papier
bringt, d. h. einfach
schematisch niederschreibt, was er im
Zustand der
.miagischen
Überhöhung
seines Bewußtseins gesehen
hat,
ohne selber ganz zu verstehen, was er da
schreibt, und mit vieler Verwunderung über dieses Außergewöhnliche,
das
mit
ihm selber geschieht, so weist dies darauf,
daß
in
ihm
selber das Bewußtsein
lebendig war: es gibt für
ihn
selbst einen Fortschritt der Erkenntnis im Verlauf
dieser überschwenglichen Geistausgießung ;
das
was
ihn
zunächst unverstanden
und regellos wie ein
Platzregen
überfällt,
das
erhellt sich ihm später immer
mehr
in dem Maß, als er in dieser Schule weiter lernt und versteht, das Neue
zu ordnen
und
zu verknüpfen und in einen höheren Zusammenhang zu bringen.
Damit ist von vornherein der Gedanke der progressiven Entwicklung der pro
phetischen Erkenntnis aufgestellt,
und
gerade dieser Gedanke ist es,
der ihn
zu seinem weiteren
Schrifttum
ermutigt hat.
Daraus
ergibt sich in der Betrachtung
und
Bewertung seines Werkes ein
Letztes: Boehme selbst hat zeit seines Lebens sich davor gescheut, etwas
ZUlU
Druck
seiner Schriften zu unternehmen. Genau so wie er ihren ersten Anfängen
mit der Verwunderung dessen gegenüberstand,
der nicht
reiß, was
ihm
ge
schieht, so hat er
auch
der weiteren Verbreitung seiner Schriften gegenüber
stets
den
Standpunkt
eingenommen,
durch
seine eigene
Hand
das Weiterwir
ken der
durch
ihn ausgesprochenen Verkündigung nicht zu beeinflussen. Immer
wieder
legt
er den
größten Nachdruck auf
die
Tatsache, daß
seine
Aurora
seine
Erstlingsschrift, gänzlich ohne sein Wissen
durch
ihm
unbekannte
Abschriften
verbreitet
worden
sei
Er
hat
keine
Propaganda
für seine
Bücher gemacht,
ja
hat die
Unberufenen
sogar
oft
genug in seinen Schriften selbst
vor ihrer
Lektüre
gewarnt. Die Tatsache der gegen seinen Villen und unabhängig von ihm sich
vollziehenden Verbreitung selbst erscheint
Ihm
ein weiteres Wunder, in
dem
er die göttliche Vorsehung am Werke sieht. .
Gerade diese anfängliche Tendenz der Privat is ierung der Prophetie bildet
eine Eigentümlichkeit dieser Frömmigkeit, die der
alten
Prophetie fehlt. Sie
bestätigt, wie
nahe
diese prophetische Erfahrung der .mystischen Erfahrung
steht, die sich ja auch als persönliche innerliche
Bcgnadung
eines
Frommen
darstellt
und
deren ,Vesen einer schriftlichen Veröffentlichung geradezu wider
strebt, ja die sich durch eine solche Verbreitung höchstens entweiht sähe
und die sich
sträubt,
die Perlen vor die Säue zu werfen ,
Das
Bewußtsein,
daß
seine
ihm
persönlich zuteilgewordene Offenbarung
außer ihm
selbst eine
1 Die
erste
Darstel lung der
systematischen
Struktur der Philosophie Boehmes
hat HANS
GRUNSKY
vorgelegt, der mit
dem
Mythus
von
der
Verworrenheit
des
Boehmschen
Denkens
aufgeräumt
hat,
in:
Fromanrr s
Klassiker der
Philosophie
XXXIV, Stuttgart 1956.
-.59
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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112 ERNST NZ
öffentliche Heilsdeutung für die Christenheit haben könnte, ist Boehme offen
bar rst im Streit mit seinen Verfolgern erwachsen, die sofort nach dem Auf-
tauchyn der ersten Abschriften der Aurora den Kampf gegen
ihn
eröffneten
und die durch das Hervorzerren seiner
schüchternen
literarischen Anfänge in
die öffentlichkeit eines Konsistoriums
und
einer Kirchengemeinde in Form
von Predigten,
Gutachten und Pamphleten
sein Geheimnis
publik
machten
und durch ihre Verfolgung ungewollt die beste Propaganda für seine neue
Prophetie
betrieben.
All dies zeigt, daß Boehrne nicht nur
den
Ursprung und Anfang seines
Schrifttums, nicht nur die Form seiner Niederschrift, sondern auch die
Form
seiner Verbreitung
und
die dadurch hervorgerufene Bewegung in der
Kirche
als eine besondere Fügung der göttlichen Vorsehung verstanden hat, die seine
Person
benutzte,
um mit ihr auf rätselhafte und zunächst völlig undurchsichtige
Weise einen
bestimmten
Heilsplan durchzuführen.
Diese Gedanken treten in den Briefen hervor, in denen er seinen Freunden
bei verschiedenen Gelegenheiten den
Ursprung
seiner Begabung und die An-
fänge seiner schriftstellerischen Tätigkeit beschreibt. Zum großen Teil kehren
dieselben Worte und derselbe
Aufbau
der
Gedanken
wieder.
Das
Selbst-
bewußtsein des Propheten erscheint hier identisch mit dem Selbstbewußtsein
des Gnostikers.
TIn
7. Sendbrief
an Herrn
Balthasar
alter VOll1
7. Juni 1620 schreibt er
:
Tuhe
euch aus hohem Bedenken
Christlicher und guter Meinung erinnern daß
ihr ~ h meine
Schriften nicht einem jeden wollet
in
die
Hände
geben
dan
sie
sind nicht Jedermanns Speise.
uch
mus
man
die Perle auf den Weg nicht werfen
daß dieselbe mit Füssen vertreten
werde
dadurch
der würdige Name GOttes
möchte
gelästert werden:
dan ich
erkenne gar wol
was
der Satan im Sinn bat;
aber mir
s t
gezeiget wie sein Fürnehmen mus zu schei tern gehen Meine
Schriften dienen
nicht für
den
vollen Bauch
sondern
für einen hungerigen Magen
sie gehören den
indern
der Geheimniß
zumal in
denselben
viel
edele
Perlen
ver
schlossen und auch
offenbar Iigen.
Ich habe dieselbe auch nicht geschrieben für den
idioten.
oder für den
lugen
sondern für
rni h
selbsten
und für denjenigen
an
welchen GOtt
dieselbe
wird in
Verstand
geben. Dasselbige
Gewächs
stehet
in
GOttes Macht
darum
erkenne ichs auch nicht für
ein
lVerk meiner Vernunft
sondern [iir eine Offenbarung GOttes und mus mir hierinnen ganz
nichts
zuge
schrieben
werden:
Deswegen behöret
auch Nimand nach meiner Person zu
trachten
um
ein
Wunder daran
zu sehen; Er
wird
nichts anders
sehen
als einen gar schlechten
und einfältigen
Mann
dan
meine Wiesenschait stehet in GOtt verborgen.
Im
12.
Sendbrief an
Herrn
Caspar Lindmein
/ Zöllner zu Beuthen vom
10. l\Iai 1622 (oder 1621) schreibt er :
1
Theos. Send-Briefe 7. Br.,
1-2, 4-6
S. 3729/30.
das.,
12. Br., nr. 9-12 S. 3747/48; vgI. das. 2.
Brief
nr. 10 S.
3716:
Denn so
ich schreibe dictire t mir es der Geist in grosser wunderlicher Erkentniß daß
ich
ofte
nicht weis
ob ich nach meinem Geiste in dieserWelt bin und mich des
hoch
erfreue
da mir
denn die s te te und gewisse Erkentniß
wird
mit
gegeben;
und jemehr
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Der Prophet .Jakob Boehme
113
Und fiel mir zu hand also
stark
in mein
Gernühte
mir solches
fü r e in
Memorial
aufzuschreiben: Wiewol ich es in meinem äussern Menschen gar
schwer
ergreiffen
und in die
Feder
bringen kante; ich muste
gleich
anfangen in dieser
sehr
grossen
Geheimniß zu arbeiten als
ein
Kind das zur Schule gehet, Im Innern sahe ich es
wol als in
einer
grossen Tieffe dan ich sahe
hindurch
als in
ein
Chaos,
da
alles
inne
liget
aber
seine Auswickelung war immer unmöglich.
Es
eröfnete sich aber
von Zei t
zu
Zeit
in
mir
als in
einem Gewächse:
wie
wal
ich
12.
Jahr
damit
umging
/
und dessen in mir schwanger rar
und
einen heftigen
Trieb
in
mir befand
ehe
ich es
konte
n das Äussere bringen: bis es
mich
hernach überfiel als ein
Platzregen
was der trift das t ri ft er: Also n es mir auch was ich konte ergreiffen in
das
äußere
zu
bringen
das
schrieb
ich auf. Wiewol mir
die Sonne
nachmals ziemliche
Zeit
geschienen
hat aber nicht
immer beharrlich:
Wan
sich
diese
hat verborgen
so habe ich wal auch meine eigene Arbeit kaum
verstanden und
solches darum
auf
daß
der Mensch erkenne daß das Wissen nicht
sein
sondern t t e ~ sey daß
GOtt in
der
Selen
des
Menschen wisse
was und wie Er wil, Solche meine
Schriften
gedachte
ich
mein
Lebenlang
bey mir
zu
behalten
und
keinem
Menschen
zu
geben: ber
es jügete sich nach Schickung des öchsten
daß
ich einem Mehsehen
etwas davon
vertrauete
durch welchen es ohne mein Vorwissen
offenbar wurde
darauf
mir das
I. Buch
(Aurora) entzogen ward
und
weil darinnen
gar
wunderliehe
Sachen eröfnet so dem menschlichen
Gemühte
nicht
bald
begreiflich
waren
habe
ich
darum müssen
von
den
Vernunft-
Weisen
viel ausstehen.
Am aufschlußreichsten ist der 10. Brief an Abraham von Sommerfeld und
Falckenheim
auf Wartha
vorn
Jahr
1620, denn in dieseln
Brief
schildert er
nicht
nur
die Anfänge seines Schreibens,
sondern
auch
die
Unterdrückung
seines
Bistums
durch die behördliche Verfügung, das Leiden, das ihm daraus
erwachsen ist und die Überwindung dieser Versuchung. Er schreibt dort :
Ich kan aber
das
gar wol
verstehen
wasmessen
ja GOttes Geist Euer Adeliches
Herze
müsse
rühren
indem ihr also Kosten und Mühe
auf
dieses Werk (Auroram)
geleget habet / welches doch gar von einer einfältigen Hand geschrieben worden
mit keiner Kunst oder
großem Verstande
/ sondern nur in Erkentniß der
Gaben
GOttes auch vomAutor niemahlen vermeinet worden
daß es so hohen Leuten solle
zu Händen kommen dan es ihme der Autor nur für sich selber zu einem
Memorial
und
zu
einer
Aufrichtung
des finstern
Schlafs
in
Fleisch
und Blu t
geschrieben
hatte;
Darzu
mit
keinem Fürsatze /
ein
solches Werk zu
machen.
Es
war
wol
ein feuriger
Trieb alda
aber
ohne Vorwissen dieses Werkes
welcher im
utor
verborgen gelegen
a ein ysterium welches Ottes eist gerühret davon
eine
solche Lust und
Begierde zu schreiben entstanden; und da doch keine Kunst noch Geschicklichkeit
im Autor
nach dem
äusseren Menschen
darzu
war:
er
suchte
alleine das
Herze
GOttes /
sich
darein zu verbergen vor dem Ungewitter des Teufels
Also sage
ich als es dahin gelanget
und das
edle
Senfkorn
gesäet ward / 80 kam dieses JVerk
ich suche
jernehr
finde ich und immer tieffer daß ich auch ofte meine
sündige
Person zu wenig und unwürdig achte solche Geheimniß anzutasten·/ da mir denn
der
Geist
mein
Panier aufschlägt und saget: Sihe du
solt
ewig darinnen leben
und damit
gekrönet werden
was
entsetzestu
dich ?
das., 10. Br. ur . 2, 6, 8 u, 9, S. 3734-3737.
( 61 )
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114
ERNS.T
ENZ
vor zu schreiben welches dan gleich gar
tief
als in einem Mysterio
gesehen
ward
aber mit
gar
großen Freuden wol nicht genug begreiflich als es dan das e rste
Buch
ausweiset
da die
grossen
Geheimniß
noch
gar
einfältig und
nicht
genug
ausführlich
auch
noch in vielen Mängeln
geschrieben worden sind
und nur als
ein Regen vorüber
gehet;
was der trift
das
trift
er /
also auch der Geist der
lVunder
sintemal
der
Autor ein ungelehrter und wenig-verständiger Mann war dazu fast
wie
kindisch
in den
Geheimnissen
gegen
den Erfahrnen und
Gelehrten
welcher
auch
den Weg noch
nicht
verstund wie es gehen sol te
lohne
was ihm der Geist
zeigete; da er
ihm
dan
selber seine
Verfolgung und
Schmach so ihme würde zu
Handen stossen mit aufgeschrieben hat; ehe die Vernunft
noch
etwas
gewust.
Und
es
geschahe also
klar
als stünde es
vor Augen
wie im Bliche
Morgenröhte
als
im ersten Teil seiner
Schriften
zusehen welches alles vor der
Verfolgung
ge-
macht
worden
und
mir itzt gleich
einen Trost
gibet
daß es mir der Geist GOttes
zuvor
hat
q z iq t
daß
ich erkenne
was sein
Raht
in seinem Wege ist
da
ich
mich
dan
auch ganz gedultig unter das Crenze gegeben
und meine Sachen
GOtt
befohlen
Ihme
auch gar
viel
geflehet
/
daß
Er
solches
(wo es
nicht
aus
seinem
Raht
herkomme) wolte
von mir nehmen
und
mich
nichts
auf
solehern
Wege
erkennen lassen. Hatte
mich
auch nach der Verfolgung verwogen
nichts mehr
zu
machen sondern als ein Gehorsamer GOtt stille zu halten und den Teufel lassen
mit
seinem
Spotte also
Über mich hinrauschen
indeme dan
so gar
mancher
Sturm
gegen ihme ist ergangen und
was
ich gelitten
nicht
wol
sagen
kan,
Aber mein äusserer Mensch walte nicht mehr aufschreiben /
sondern
war etwas
blöde
bis
es
auch dahin kam daß der
Innere
den
Äusseren
gefangen nahm da
dan das gröste Mysterium erschien; da verstand ich GOttes Raht und w rf
mi h
derowegen
in
GOttes
Willen
/
wolte
auch
nichts
denken
oder
tichten
aus
der
Ver
nunft;
auch lies ich der Vernunft keinen
Raum
mehr und stellete meinen. IVillen
in Gottes Willen also daß meine
Vernunft solte seyn
als
todt
und
Er
der Geist
GOttes
solte
machen was Er
uiolte
ich wolte in der Vernunft nichts
seyn
auf daß
sein sey das lVollen und Tuhn
Und
als
dis
geschahc
so ward
der innere Mensch
gewapnet und krig te
gar einen
teuren Führer deme habe ich
meine Vernunft
ganz
heimgestelt
auch nichts
gesonnen
lader der Vernunft
zugelassen
was ich
doch schreiben wol te lohne das
daß mir es der Geist gleich als
in
einer grossen
rieDe
im
Alysterio auj einem HauDen immer zeigete aber ohne meinen genugsamen
Begrif
dan
die
Creatur
ist
nicht
als
GOtt
der
alles
in
seiner
Weisheit
auf
einmal
fasset und
tuht.
Es
folgt eine Darstellung seiner verschiedenen Schriften.
Dem entspricht genau, was Boehmc im 34.
Sendbrief
an einen Ungenannten
vorn 10. Dez. 1620 schreibt. Dort heißt es :
Und
wiewol ich ein einfältiger
Mann
bin
und der hohen Kunst
und des
Studii
unerfahren i st auch niemals meine
Übung gewesen
mich in hoher Meisterschaft
zu
üben
und grosse Geheimniß in meiner Vernunft zu fassen. Sondern meine
Übung ist äusserlich ein gemein Handwerk gewesen damit ich
mich
lange Zeit
ehrlich
ernehret ; daneben
ist mein innerliche
Übrmg mit fast strenger Begierde in
das
Sterben
meines
angeerbten
Menschen gegangen
wie
ich.rneiner
Ichheit und
Selb-Wollens möchte im Tode
Christi
ersterben
und
in
seinem
Willen eines neuen
Geistes und lV illens Göttlichen
Sinnes
aufstehen. Habe mich
auch
dermaleins also hart
1
das.,
34. Br.,
nr 6-15,
19 S. 3812-14.
62
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob
Boehme
115
darin verwogen ehe das
irdische
Leben zu
verlassen
als von diesem
Fürsatz
und
Streite
auszugehen und was
ich darinnen
und darüber
gelitten
das
habe
GOtt
zu erkennen
welcher
mich also durch
sein
Gerichte meiner SÜnden geführet
mich
aber hernach
mit
dem schönsten triumphirendenAnblick
seiner
Göttlichen
Freuden
reich
gekrönet
darzu
ich keine Feder zum Schreiben weis sondern dem Leser
dieses und allen
Kindern
GOttes gerne gönnen und wünschen wil.
Und
aus
demselben triunvphirenden Licht ist
mir
gegeben worden
das was
ich
bishero etzliche Jahre qeschrieben habe
dan
ich erlangete darin so viel Gnade mein
eigen Buch
das
ich selber
bin
als das Bild GOtt.es) zu lesen
und
zu erkennen
darzu auch zu schauen
das
Centrum
aller Wesen
auch zu verstehen
das geformte
Wort
GOttes
auch den
Verstand der compact ir ten und
gefasseten
oder geformeten
sensualischen Zunge aller Eigenschaften
sowol
die mentalische
ungeformete
heilige
Zunge
zu verstehen
darin ich dan
gar
viel hoher BÜcher
geschrieben habe
welche
eines teils
der
vernunft
ohne GOttes Licht
wollen
unergriffen seyn. Wiewol
ich als
ein
schwach irdisch Werkzeug
nach
dem äußeren Menschen
dieses hohe
Werk
anfänglich
als
ein
ungeübter
ungelehrter Mann
übel
fassen
und
zum
Verstande geben konte wie in der Aurora zu
sehen
welche
das
erste Teil meiner
Schriften
ist;
vermeinete
auch mein Lebenlang bey keinem
Menschen
damit be
kant
zu werden /
sondern schrieb
es mir zu einem
Memorial
der ganz
wunderlichen
Erkentniß
Anschauung
und
empfindlichkeit.
Und
wiewol es der Geist deutete
wozu
es solte so möchte es doch die Vernunft als
der
äussere Mensch) nicht
fassen,
sondern sahe seine Unwürdigkeit und Niedrigkeit an.
Behielt
auch dieselbe
Schrift die Aurora
bey mir
bis ich
endlich einem
einigen
Menschen
davon sagete
durch welchen es war
vor die
Gelehrten kommen welche
alsobald
darnach
getrachtet
und angestiftet
daß
sie
mir
entzogen wurde.
Da
dan
der
Satan
gedachte Feyer-Abend
mit
zu
machen
und
meine Person
damit
zu
verunglimpfen
darum
ich auch viel
gelitten habe um
Christi meines
HErrn
willen: Ihme in
seinem Process recht nachzufolgen
Aber wie es dem Teufel.mit
Christo ging also ging es
ihme
auch
mit
meinen Schriften. Dan der sie begehrete
zu verfolgen
der hat sie publiciret
und mich noch in
grösser
und
heftigere Übung
eingeführet
dadurch
ich im Gerichte mehr geübet und den
Sturm wieder den
Teufel im Schlangen-Ente
des
irdischen Adams
und seines
Gegensatzes
desto
mehr
bestanden und die Pforten
der
Tieffe desto
mehr zersprenget
und
an
das
helle
Licht kommen
bin.
Daß
es
auch
anitzo
so
weit
damit
kommen is t
daß
sie
weit
und ferne von vielen hoch gelehrten Doctoren auch vielen von
Adel
hohen und
niedrigen
Standes-Personen /
mit Lust
gelesen
und
nachgeschrieben worden
ganz
ohne
meinen
Trieb oder
Lauff /
durch
Ottes
Schickung
. .
Habe
auch
meine Hand
werk
um
deswillen
ligen
lassen
Ott
und
meinen
rüdern in
diesem eruffe zu die-
nen und meinen Lohn
in
dem Himmel
zu
empfangen
/ ob ich gleich
von Babel und
dem Antichrist
mus Undank
haben.
Der letztgenannte
Brief
ist deshalb auffällig, weil in ihm der Gedanke aus
gesprochen wird, daß
der
Teufel gerade durch die
Unterdrückung
seiner
Schriften ihre Verbreitung
hat
fördern müssen; es
ist
dies ein Gedanke,
der
in unmittelbarem Hinweis auf
das
Christus-Schicksal als
das
Vorbild eines
solchen Geschehens entwickel t ist. Wie der Teufel durch die Vernichtung
Christi zu dessen
Erhöhung
und Verklärung beigetragen hat so vollzieht sich
dasselbe unerwartete Geschick mit den Boehmeschen Schriften:
Ihre
geplante
63 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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116 ERNST
NZ
Verfolgung
und
Vernichtung dient
dazu
sie erst recht zu verbreiten ihre
Wahrheit offenbar zu machen
und
ihre Verfolger ihrer eigenen Falschheit
zu
überführen. Daß dabei die göttliche Vorsehung im
piel
ist unterstreicht er
n ~ l n
er in dem oben genannten 10.
Brief
schreibt :
Die Leute
so es
haben
habe
ich nie
erkant
darzu
habe
ich es
selber nicht
und
ist
mir doch nun
schon
zum
viertenmal
ganz nachgeschrieben
zu
Augenschein
/
und in die Hände
kommen
und sehe daß es
andere
Leute publiciren welches ich
für
Wunder achte daß das Korn wächst wider
des
Feindes Willen: Aber
uias
vo
GOtt gesäet wird kan N
imand
halten noch erwehren
Auch von seinen folgenden Schriften wagt er im selben Brief zu schreiben
daß sie einer besonderen göttlichen Vorsehung unterstehen und
daß
sich mit
ihnen ein ganz bestimmter Heilsplan verwirklicht über den sich der Autor
selbst
verwundert :
Was
aber GOtt
in
seinem Rahte
hat
jilrgenommen stehet
Uzt im
Lichte
und
Wird
viel
heller
erscheinen
wan die
letzten zwey Bücher werden
gelesen
werden
darüber
ich
mich
dan in dem
äusseren
Menschen selber hoch
wundere
was doch
GOtt hiermit meinet
und tuh»
wil
Sintemal
ich
mich ganz unwürdig und unver-
ständig
erkenne und aber dem inneren Menschen die grösten und höchsten
Geheimnisse geöffnet
werden
gebe
ich
E. Gestr. und
andern Liebhabern
GOttes
in Demuht
nachzudenken
/
dan ich
ja mit
nichten sagen kan
daß
es
meines
Verstandes
und der
Vernunf t Werk
sey sondern erkenne es ür ein lVunder
darinnen GOtt wil qrosse Dinge offenbaren;
Da
dan
meine
Vernunft gleich
auch mit
znsihet
und sich immer mit
verwundert
dan ich habe die
Geheimnisse
mein
Lebenlang
nicht
studiret
auch fas t
nicht
davon
gewust
dan
ich bin ein
aie
und
sol nun solche
Dinge
ans Licht. bringen
das
allen hohen Schulen
ist
zu
mächtig
gewesen
gegen welchen
ich doch ein Kind bin und weder Kunst noch ihre
Weisheit
habe
und mus schlechts
aus einer
andern Schule schreiben.
Dies
führt
zu der letzten und schwierigsten Frage: Wie
hat
Boehme selbst
die heilsgeschichtliche Bedeutung seiner
Schriften
verstanden 1 Hat
er
selber
klare Vorstellungen von
deren
Bedeutung für die zukünftige
Entwicklung
der
Kirche
und
der
christlichen
Erkenntnis gehabt
2
Sinn und
Absicht seiner Schriften
Nicht nur den
Ursprung seiner Schriften
führt
Boehme
auf
göttliche Ein-
gebung zurück sondern
auch
ihre \Virkung steht für ihn unter einem geheimnis-
vollen Vorzeichen heilsgeschichtlicherBestimmung. Auch hier
läßt
sich deutlich
eine
Entwicklung
in
der Art
feststellen in
der
Boehme
diese
Bestimmung
seines
Schrifttums
aufgefaßt
hat.
Wie schon erwähnt
betont
er ungewöhnlich oft in
seinen Briefen daß er sich dem Zwang seine Erkenntnisse niederzuschreiben
1 das. 10. Br.
nr.
41 S. 3743.
2 das. nr. ~ 7 8 S. 3740.
. 64
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet
. .
Takob
Boehmo 117
nur
n
der
Absicht gefügt
hat
für sich selbst n ,Memorial zu schreiben .
Seine Worte besagen,
daß
er wirklich zunächst
nicht
an eine Veröffentlichung,
sondern an eine private Verwendung seiner Niederschrift gedacht hat. Was
heißt aber private Verwendung 1
Man wird diese Äußerung kaum in dem engen Sinne verstehen können, daß
Boehme
zunächst
entschlossen war, seine
Erkenntnisse für immer
und
gegen
Über allen Menschen zu verschweigen. Auf den Gedanken, die Niedersohrift
für sich als
Memorial
zurückzubehalten, wird wohl ein Doppeltes eingewirkt
haben.
Einmal
die Angst, etwas von
den
geschauten göttlichen Dingen aus
zuplaudern und damit ein Verräter am Heiligtum Gottes zu werden. Daß
solche Urmomente religiöser Scheu bei ihm
mit
eine Rolle spielen, geht
aus
den
zahlreichen Äußerungen hervor, in denen er seine Leser oder seine Herausgeber
anfleht, doch nicht die Perle
vor
die Säue zu werfen oder seine Erkenntnisse
Unwürdigen mitzuteilen. In dieser Angst spiegelt sich doch offensichtlich die
persönliche numinose Scheu, das Heilige zu
entehren
und dadurch den Zorn
Gottes gegen sich selbst zu kehren.
.Eine zweite Erkenntnis is t aus einer Einstellung Boehmes zu seinen Schrif
ten geboren, die mit einem fast messianischen Sendungsbewußtsein zusammen
hängt: Es i st der Gedanke, daß die Zeit noch nicht reif ist, seine Offenbarungen
zu verstehen. Man
könnte
auf ein
drittes
hinweisen: Es ist ein Merkmal ur
sprünglicher religiöser Erfahrung daß die
Frage nach
dem Sinn
und
Zweck der
Vision oder Erleuchtung im Augenblick der Erfahrung selbst überhaupt nicht
gestellt
wird.
Die
Frage
nach
Sinn
und
Zweck
ist
gegenüber
der Unmittelbar
keit der Erfahrung des Transzendenten selbst
immer
erst ein Späteres, Sekun
däres, das
dann
einsetzt , wenn die
Unmittelbarkeit
wieder aufgehoben ist,
und wenn
der
Verstand sich nachträglich Rechenschaft über das Erfahrene
ablegt
und
es in seinen Anschauungsformen zu verdeutlichen, zu begründen
und zu prüfen versucht.
Der Trieb, der Boehme jn der Zeit seiner erhöhten Bewußtseinszustände
Überfiel, veranlaßte
ihn offenbar niederzuschreiben, solange die innere Pforte
aufgeschlossen war, solange
das
Auge in die Tiefe
schaute
solange
der
Platz-
1
das.
18.
Br. nr.
13 S.
3777/78: Das Buch Aurora oder Morgenröthe war mein
kindlicher
Anfang
schrieb also im Widerschein ohne Vernunf t
blos
nach
dem
Schauen fast auf
magische Art:
Ich
verstund
das
wol
aber es
ist
nicht genug
aus
geführet es dürf te Erklärung und bessere Ausführung: Dan ich gedachte es bey
mir
zu
behalten
ward
mir aber ohne meinen
Willen
entzogen und publiciret wie
dem Herrn bewust ist:
Und
tuhe mich in des
Herrn
Gunst und uns alle in die
sanfte Liebe
Jesu
Christi befehlen. Und das. 1. Br nr. 2 S. 3710: ,,\Viewol ich
als
oinfältiger
Mann
/
mir
die Zei t meiner Tage niemals fürgenommen
mit
so
hohen
Leuten / mit
meiner Gabe
so mir von
Gott
aus seiner
Liebe
und
Gnade gegeben
zu conversiren oder damit bey Ihnen bekant zu werden , Sondern / nachdeme in
mir das hohe
Licht
angezündet wurde und
der
feurige
Trieb
mich Überfiel war
es
allein
mein
Wille
zu schreiben was
ich eigentlich
Rahe
und
im
Geiste
erkant
und meine
Schriften bey mir zu behalten.
Abh. Geistes- u, sozlalw. Kl. Xr. 3
65 9
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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118
ERNST BENZ
regen fiel , wie cr so
anschaulich sagt.
In dieseln Zustand
wurde
die Frage
der
zukünftigen- Absicht dieser Niederschrift nicht gestellt, sondern er schrieb
einfach. Erst die spätere Reflektion über dieses
Tun
führte zu der Begründung,
dies alles sei nur
als
.Memorial geschrieben, eine Begründung, die
Boehme
aber
aufgab,
alssich zeigte, daß
ohne
sein
Zutun durch
spontane
'Abschriften
seiner
Aufzeichnungen
eine' große Erneuerungsbewegung
in
Gang
kam
und daß
das geahnte
Heilswerk
sich über den Kopf des
Schreibers
weg an anderen zu
erfüllen
begann.
Diesen Momenten, die eine Veröffentlichung
seiner
Schriften verhindern
sollen, wirken aber andere Kräfte entgegen, die von sich
aus
zu einer Verbrei
tung seiner Erkenntnisse
und Schriften
drängen
und
diese
Hindernisse
zu
beseitigen versuchen. Wenn Boehme
die
Dinge aufschreibt,
die ihm im Geist,
kundgetan werden,
so kommt
doch
darin -
wenn
vielleicht auch
unbewußt
die Absicht
zum
Ausdruck, etwas festzuhalten, was er zwar m Augenblick
nicht öffentlich zu verbreiten
wagt,
was aber
wenigstens
als Grundlage
einer
Verbreitung im int imen Kreise, im
Gespräch
mit anderen erleuchteten
Seelen
dienen könnte. Daß Boehme in solchen Kreisen
von
Frommen gelebt hat, und
daß
er
in innigem persönlichem Gedankenaustausch
mit
Männern einer solchen
vertieften Frömmigkeitserfahrung stand,
ist
bekannt. Die schriftliche
Fixic
rung
selbst
Jnag also von
Anfang an
mit als notwendig für eine
spätere
Vor
breitung seiner Offenbarungen gedacht
worden
sein,
wenn
JÜcht
der \
erbrei
tung
der
Schrift selber, so doch wenigstens
der
Verbreitung der in ihr fest
gehaltenen Erkenntnisse.
Der
reinen Privatisierung seiner Erkenntnisse widerstrebt aber auch der
besondere Inhalt seiner Offenbarungen selbst, denn diese Offenbarungen drän
gen lau t und
deutlich
nach einer
Verkündigung
vor der
gesamten christlichen
Kirche. Gerade die urorawendet sich an alle . Der Kern ihrer Botschaft ist,
die uralte christliche Verkündigung: Tu t Buße,
denn
das
Himmelreich
ist.
nahe herbeigekommen Die ganze
Verkündigung
Boehmes ist von einem
lebendigen Endzeitbewußtsein
getragen.
Er sieht sich umgeben
von
einem
entarteten
Kirchentum,
in
dem auch
das
urpsrüngliche
geistliche
Leben der
Reformation sich in Lehrbekenntnisse verschiedener miteinander rivalisieren
der
Kirchen
gefaßt hat und
in
dem der Geist
der
Liebe
in
einen
Geist gegen
seitiger Unterdrückung verwandelt ist, In diese Zeit
sieht
er sich hineingestellt
als erkünder eines
neuen
Durchbruches des Heiligen Geistes, der in den
Menschen, die in
ihren
verschiedenen Sektenlehren befangen sind, die
ein
geistige Erkenntnis wecken wird, die sie zu der
neuen
Gemeinde der Endzeit
verbinden
soll. schreibt er z. B. im 19. Kapitel der urora
l
Nicht
schreibe
ich solches und gebe es ans Licht ./ daß mir
alsbald
ein jeder sol
nachkratzen
/
und
hierinnen
seines Geistes Gutdünken an Tag geben fund
es
fÜI
Heiligtum ausschreien Ich lasse mich
schon wol
bedünken der
Teufe]
werde
sein
hofärtiges Rößlein alhie
mit
manchem rei ten : und. wird sieh
Inaneher
auf di
uro·ra cap. 19 nr, 77-78 S. 252 .
.( 66 )
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Der
Prophet
-Iakob Boehmc
1]
Bahne
machen
ehe er gegürtet
ist
daran
ich wil unschuldig
seyn.
Dan was
ich
alhie offenbare das
mus
ich tuhn dan es is t die
Zeit
der Durchbrechung vorhanden
Wer nun wil
schlaffen
den wird das Sturm-Wetter der Grimmigkeit aufwecken:
damit nun ein jeder Acht auf seine Sache
habe ich wil
treulich angezeiget haben
nach
des
Geistes Trieb und
Willen.
Hier
ist
eine Situation beschrieben, die geeignet ist, Boehmes Selbstaussage
Über die
rein
private Absicht
der
Niederschrift
der
Aurora zu korrigieren. Denn
hier redet Boehme nicht
nur
von einem Niederschreiben, sondern von
einem
Ans
Licht-geben. Er spricht hier im Geiste zu allen
und
wehrt.sich bereitsgegen,
die bösartigen Nutznießer seiner Offenbarungen, die ihn nach ihrer beschränk
ten
fleischlichen
Einsicht
ausplündern und ihre Entstellung seiner echten Offen
barung als eigene Offenbarung ausgeben. Noch
deutlicher
ist der zweite Ab
schnitt: dort ist ja
die Notwendigkeit einet Verkündigung
an
alle unmittel
bar gefordert, denn sie soll ja alle aufwecken ,
damit
sie nicht vom jüngsten
Tag
und
von den
Stürmen
der
Endzeit
unvorbereitet
überrasoht
werden,
sondern
innerlich in Buße
auf
das Gottesreich eingestellt sind. Jeder soll acht
auf
seine Sache haben
Die
Situation, die
hier
vorausgesetzt wird, ist also nicht
mehr die eines privaten Memorials, sondern die
einer
regelrechten prophetischen
Sendung Boehmes für
alle ,
um alle
auf
das Kommen des Herrn vorzu
bereiten. Der Plan einer rein
privaten
Niederschrift kann also nur ein vorläufi
ger gewesen sein, solange Boehme
zunächst noch keinen
praktischen Weg
einer
Verbreitung
seiner Verkündigung sah, aber n ich t der endgültige
Plan
eines
Begrabens
dieser Verkündigung im eigenen
Herzen
für
alle Zeiten ,
denn
damit wäre er ja gerade seiner besonderen
Sendung untreu
geworden,
Diese Berufung zur
prophetischen Bußpredigt an alle
is t dann
im 23. Ka
pitel der Aurora
noch einmal
ausgesprochen. Dort redet Boehrne ganz
in den
\\ orten
der altchristlichen
Propheten :
,,'Vo
du
mir
auf
dieser
Leiter
darauf ich
in
die
Tieffe GOttes
steige
/
nach
steigest
so
wirstu
wol gestiegen haben; ich bin nicht durch meine
Vernunft
oder
durch
meinen
vorsetzliehen
Willen
auf
diese Meinung
/ oder
in
diese Arbeit und
Erkentniß kommen: ich habe auch diese Wissenschaft nicht gesucht auch nichts
darvon
gewust
:
ich
habe
allein
das Herz GOt tes
gesucht
mich vor
dem Ungewitter
des
Teufels
darein zu
verbergen.
Als ich
aber dah in gelanget
bin
j ist
mir
diese
qrosse und
schwere Arbeit a ujgelegt worden
der
lVelt zu
offenbaren
und anzukündigen
den
qrossen Tag des HErrn:
und
weil sie so
harte
nach
des
Baumes \V
urzel
üst rn
ihnen
zu
offenbaren
was der
ganze Baum
sey
darmit anzumelden
daß
es
dip
1\lorgen-Röhte des
Tages
sey das
GOtt in
seinem Raht vorlängst
beschlossen hat.
Amen.'
Der
Inhalt
seiner Verkündigung ist hier als die Ankiindigung des großen
Tages des
Herrn
beschrieben. Diese Auslegung seines Werkes findet sich bei
Boehme
inuner
wieder
und kennzeichnet
die Gruncleinstcllung seiner
späteren
Tätigkeit
: einerseits sieht er
l s
Gottesreich
unmittelbar
vor
der
TÜr und
hut
selbst schon einen Blick in die I iefc getan, andererseits sieht er tun sich die
1 das.,
cap. 23
ur. 84-85
S. 318.
67 9*
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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120
RRNST BENZ
Kirchen, die im Buchstaben
ihrer Tradition
ersticken,
den
Geist der christ
lichen Liebe
ertöten
und die wahre christliche Erkenntnis durch eine Fülle
formaler Unterscheidungslehren Überdecken. In dieser Lage sieht er sich be-
).
.
rufen, der gottfremden Entwicklung seiner Zeit
Einhalt
zu gebieten und sie
durch die Vorkündigung des kommenden
nahen
Gerichtes auf ihren eigent
lichen
Gegenstand
der
Erkenntnis und
der
Liebe hinzuweisen.
Dieses
Bewußtsein,
als
Endzeitprediger
für alle, d. h. für die ganze Christen
heit berufen zu sein, erhält bei Boehme eine besondere
Wendung
durch den
Gedanken: die Offenbarung
und
Erkenntnis, die ihm zuteil wurde, is t schon
selbst die Heilserkenntnis der
Endzeit,
d, h. ist der Durchbruch der geistlichen
Erkenntnis, die innerhalb der fortschreitenden Selbstoffenbarung Gottes in
der
Heilsgeschichte der letzten
Epoche
derselben vorbehalten ist. Die Ge
meinde der Endzeit wird sich von allen vorhergehenden Gemeinden dadurch
unterscheiden, daß sie die reine und unmittelbare Geisterkenntnis alles dessen
hat,
was der vorhergehenden Kirche früherer Heilsepochen in Bildern und
Rätseln und
iln
Spiegel (I
Kor
13, 12) kund getan war.Mit seiner
Verkündigung
sieht also
Boehme
eine
neue
heilsgeschichtliche
Epoche sich
anmelden, in der
das bisherige
rissen
und Erkennen
durch
eine höhere Erkenntnis abgelöst
wird,
wie
sie der Gemeinde der Endzeit
zusteht.
Er verkündet nicht nur
das
kom-
mende Neue, sondern
ist
schon selbst der Beginn, der Anbruch
und
die
Vor
wegnähme des Neuen :
Alhio
magstu
deine
Augen recht auftuhn: dan du wirst
die
verborgne
Dinge
sehen
die
allen
M
enschen
von
der lVelt her
sind
verborgen gewesen
dan
du
wirst.
sehen die Mordgruben des Teufels und die grausame SÜnden
Feindschaft
und
Verderburig
, Wolher ihr
Gauekler
und
Zauberer
die ihr mit dem Teufel
buhlet komt auf meine Schule ich wil euch
weisen wie
ihr
mit eurer Nigromantia
oder Kunst in die Höl le fahre t. Ihr kützelt euch damit, daß euch der Teufel
unter-
tähnig ist
fund
meinet ihr
seyd
Götter;
alhie
wil
ich
der
Nigromantiae
Urkurul
beschreiben dan ich bin auch ein Naturkündiger worden aber nicht auf eure Art
sondern
eure
Schande aufzudecken
durch
göttliche
ffenbarung
der letzten lVeZt zur
achrichtung
und
zu
einem U ·te Z ihrer Wissenschajt
dan das Gerichte folget über die
Wissenschaft.
Wiederum
setzt
hierbei
Boehme selbst voraus, daß seine
Schriften
für
alle
bestimmt sind.
Dem
entspricht,
daß
er sich nunmehr an
die
Gelehrten dieser
Welt
wendet,
von
denen er einen besonders heftigen Angriff
auf
seine neue
Verkündigung erwartet, die Kundigen der schwarzen Magie und die Inhaber
der
Erkenntnis, die ihre
Wurzel
im Vater
der
Finsternis hat. Ihnen gegenüber
verkündet er, daß seine Botschaft in dieser
Zeit
zum Gericht über ihr falsches
Wissen hervorgetreten ist. Wenn seine Botschaft wirklich die Wissenschaft
seiner Zeit
richten
soll,
dann is t
damit wiederum die Forderung erhoben,
daß
diese
neue Verkündigung
allen
gilt
und
allen
den
geheimen Charakter
ihrer
Zeit als
Endzeit
eröffnet - eine Forderung, die die allgemeine Verbreitung
seiner Schriften
voraussetzt.
1 das.,
cap,
16 nr. 1 u. 3, S. 202.
68 )
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Der Prophet
Jakob
Boehme
121
In den späteren Schriften verstärkt sich dieses Bewußtsein
der
Öffentlichen
prophet.ischen Sendung auffallend.
Was
Boehme
von
den drei Prinzipiell
schreibt, is t die Eröffnung der Tiefe aller Dinge, die Aufsehließung aller Ge-
heimnisso der
Natur und
die
Enthüllung
des
göttlichen
Grundes alles Seins.
Boehme ist sich
dabei
bewußt, das Amt Johannes des
Täufers
zu erfüllen.
Seine
Lehre
ist nicht
selber
das
ewige
Evangelium
der
Endzeit,
aber
sie weist
auf diese
kommende
feine
Erkenntnis
der Endzeit hin.
Er
weiß sich
nicht
als
die Tür selbst, sondern als der Riegel dieser Tür, die
nunmehr
aufgestoßen
wird und durch die das Licht
der Heilserkenntnis
der Endzeit in die V\eJt
hineinfällt. So spricht
er in der
Schrift
Von den drey Principien aus :
Du
rnust nicht
a lles also
tief
im Sinne ergründen
/ so
dirs nicht gegeben als
diese
Feder :
diese Feder schreibei in GOttes Raht
den die Hand noch lange
nicht
weis .und
wol kaum ein FÜnklein
daran verstehet und
doch
g ar tief wie du
sihest
die künftigen Dingen gar in einer schweren Tieffe angezeiget werden /
welche
GOtt
alleine
wird
eröfnen
zu
seiner
Zeit
welche
von
uns
unerkant
ist.
Hier wird deutlich zwischen der Vorbereitung der Erfüllung und der
Erfül-
lung selber unterschieden. Boehme ist
der
Anzeiger
der künftigen
Dinge, ihre
Eröffnung wird
erst ihrer
Zeit
durch
Gott erfolgen. Freilich:
ihre
Zeit ist
nicht mehr ferne.
In den Schriften nach dem siebenjährigen Schweigen hat dann Boehmo
selbst die
Konsequenz
gezogen: in ihnen läßt er seine ursprüngliche
Zurück-
haltung und den
Gedanken
des ~ I e m o r i a l fallen. Die
Hemmungen,
mit seinen
Schriften
an
die Öffentlichkeit zu
treten,
sind
beseitigt,
nachdem
er seiner Be-
rufung sicher geworden ist. So is t in diesen späteren
Schriften der
öffentliche
Zweck seiner Schriften ausdrücklich in den Vordergrund geschoben, In der
Schrift Vom dreyfachen Leben heißt cs
2
:
Unser Schreiben
langet nicht
dahin daß wir
wollen die
Gottheit in
der
ewigen
N
atur
ausgründen ; Nein das
kan nicht
seyn sondern
daß
wir
wollen dem
linden
den
eg
weisen welchen
er
selber gehen rnus
: Wir können nicht
mit seinen
Füssen
gehen
aber als ein
Christ
wollen
wir ihn gorne
leiten
und ihme mitteilen
was
wir
haben nicht
uns
zu Ruhme
sondern
helfen pflanzen den grossen
Leib
in Christo
mit
seinen Gliedern
zu welchem
Ende
diese gar hohe
inge
gemeldet werden
/
daß
wir
euch
mögen den
rechten
Zweck
im Urkund
zeigen auf
daß ihr euch
selber
sehet f und lernet verstehen s Treiben dieser Welt wie alles so blind
an
GOt t
ist,
un was die
Ursachen
und dan
auch sein
Ende
ist.
Der Zweck seiner Verkündigung ist hier ganz
in
den
Worten
der Kirche
definiert: Erbauung des Leibes Christi , d. h. Erweckung
von
lebendigen
Gliedern der Gemeinde
durch
die Bußpredigt und
durch
den Hinweis
auf
die
kommenden
Ereignisse der
Endzeit,
durch die Umwandlung
der
Gemeinde
aus einer Versammlung von Buchstabenchristen in eine Gemeinde von wahren
Wiedergeborenen, Gerade dieser letzte Gedanke tritt in den
Theosophischen
Sendschreiben deutlich hervor. Dort, wo
gar
kein äußerer Zwang vorlag, den
1 De trib
princ. cap.
25 ur . 77
S.
777.
2
Vont dreyfachen Leben cap, 2
nr.
46 S. 840.
( 69 )
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122
ERNST
BENZ
Sinn und Zweck seiner Botschaft in den Worten der Kirche zu formulieren, ist
die kirc}llichc Auslegung seines Werkes besonders auffällig. So
drückt
Boehme
in seinem 45 Brief seine unverhohlene Freude darüber aus, daß seine Schriften
dazu geführt haben, bei einigen Lesern Buße und Bekehrung hervorzurufen :
Mich
Gat t
lob
sollet ihr
auch
noch
in
guter Gesundheit
und in meinem
Talent
wirkende
wissen
/
dan mir GOtt
seine
Gnaden-Thür
je
mehr und mehr
aufgetahn / und nicht alleine mir sondern auch vielen
andern
welchediese Schriften
zu lesen bekommen welchen
Gatt
ihre Herzen gorühret
daß
sie sind in die Busse
un
Bekehrung
getreten und
sind
in
sich
selber
zu
innerlicher GÖttlicher Beschau
lichkeit kommen.
Auch hier lassen sich viele Abtönungen dieses Gedankens feststellen, je nach
der Stärke des prophetischen Selbstbewußtseins,
das
gerade in ihm lebendig
ist. Einmal
kann
sich Boehme damit begnügen, ganz schlicht zu sagen, er
wolle
mit
seinen Schriften nichts anderes als
nur
den
Brüdern
den Weg zu
zeigen 2 :
Auf
keine
andere
Weise
habe ich das
Mysterium
funden ich habe ··es
nicht
studiret
oder
gelernet:
so
euch oder einen ander darnach dürstet deme
bin ich
brüderlich
geneiget den
\Veg zu zeigen; , weil es aber durch GOttes
Schickuny
dahin
gerahten
daß
es gelesen wird
80 gönne
iehs
einem jeden
der es
in
Ernst
begehret zu verstehen
und wünsche
von Herzen
daß
es
dem
Leser dieses und
einem jeden in ihme
selber
möchte
offenbar und
erkant seyn
so dürfte es keinos
Forschens mehr.
Dann aber
kann
er sich
auch
wieder in seinem prophetischen Hochgefühl bis
zu
Behauptung
versteigen :
Dan was darinnen
(gemeint
ist: in meinen Schriften) geschrieben ist hat der
Autor selber
erkant
es ist keine fremde. Hand und Geist dar innen; Nicht schroibe
ich
mir
es
zum
Ruhm
welcher
in
GOtt ist
/ sondern
den
Kindern GOttet
zur
Richtschnur
und daß
sie
wissen
was G·Ott
für Lohn gibet
denen die auf
Ihn
vortrauen
und der Welt Spo tt
nichts
achten.
.
Den Kindern Gottes
zur Richtschnur - das
würde
im
strengsten
Sinne
heißen,
daß
die Schriften Boehmes als
Kanon für
die Christenheit gelten sollen.
.Kanon
im selben Sinn wie die apostolischen Schriften 1 Neben oder über den
kanonischen Schriften
f
Ein neuer Kanon anstelle des alten 1 Boehmc selbst
hat
diese Fragen nie beantwortet - er würde erschrocken sein, wenn
man
sie
ihm gestellt hätte und würde sie als eine vermessene
Zumutung
weit. abge
lehnt
haben,
n
doch hat fünfzig Jahre später einer seiner begeistertsten
Schüler alle diese Folgerungen aus diesem höchsten Anspruch kanonischer
Geltung gezogen und seine Schriften als das ,Ewige Evangelium
der
Endzeit
herausgegeben.
Darüber
wird
nachher
zu sprechen sein.
1
Theo8. Send Briefe
45. Br., nr. 2
S.
3849.
2 das.,
20. Br., nr. 27/28 S. 3781.
3
das.,
10. Hr.
ur.
24 S. 3739/40.
70 )
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Der Prophet Jakob Boehme
3
Zukunft
seiner
Schriften
123
Boehmo
hat
den Gedanken, daß sich mit seinen Schriften ein gcheimnis
\ o les Heilswirken
Gottes
verwirklicht, nicht nur
hier
und
dort
in
versteckter
\\Teise
angedeutet, sondern
mehrere Male offen in seinen Selbstaussagen aus
gesprochen,
und
gerade
solche Aussagen gehören
zuderi
kühnsten Aussprüchen
seines
prophetischen
Berufungsbewußtseins.
In der Erwartung
einer zukünf
tigen endzeitliehen Aufschließung seiner Schriften findet
sein
Sendungsbewußt
sein die höchste
Zuspitzung, und es ist selbstverständlich,
daß
gerade
an
dieser Tatsache die Orthodoxie seiner Zeit den größten Anstoß nehmen mußte,
denn diese Ideen bewegten sich für eine
orthodoxe
Betrachtungsweise an der
Grenze
der
Blasphemie.
Die letzte Zuspitzung seiner Selbstauslegung
setzt
erst
nach
der Periode
seiner Unterdrückung ein. Während die
A lrora
noch nicht von der
zukünf
t
igen
Erhöhung
seiner
Schriften
spricht,
ist
in
der
Schrift
Von den
drey
Prin-
cipien offen davon die Rede :
Auch
so wird unser Schreiben zu seiner
Zeit
wol dienen I
wenn
blühen wird der
Lilien-Rosen: denn es ist manch edles Röslein darinnen I welches itzt wegen der
grossen
Finsterniß in
Babel n icht mag
erkant werden.
Die Voraussetzung eines solchen Wortes ist die Erfahrung, daß ihm
VOll
vielen
Seiten entgegengehalten wird, seine Schriften dienten
jetzt, nicht
wohl , d. h. ihre Zeit sei noch
nicht
gekommen.
Wenn
er hier
auf der
Lilien
Rosen hinweist, so
bedeutet
das
in seiner
Sprache
den Anbruch
der letzten
Zeit
der Jesusmonarchie ,
der Vollendung der Kirche,
der
Zeit, in
der
die
Erwählten in das Reich des Menschensohns
zusammengeführt
werden, der
dann
die Herrschaft Gott Vater Übergeben wird, auf
daß
sei Gott alles in allem .
Boohme erklärt also all denen, die seine Schriften ablehnen, seine Schriften
würden dereinst beim Anbruch des messianischen Reiches dicnlich . Beine
Erwartung ist dabei
etwa
die folgende: wenn nach der \1erheißung der Schrift
am Ende der Geist über alle ausgegossen wird, dann werden alle
den
Blick
in das Wesen aller Wesen
tun,
dann werden alle die geistliche
Erkenntnis,
den
.Blick haben, mit dem jetzt er selber - Boehme - als
Mahner
der kommondon
Endzeit
ausgestattet
worden ist. Der ,Blick Boehmes is t also die wirkliche
Vorwegnahme der
Erkenntnis,
die der Endzeit
vorbehalten
ist. Die jetzige
Kirche dagegen ist so verhärtet , daß ° sie ihr angebliches geistliches \Vi e l
der wahren geistlichen ·Erkenntnis Boehmes, die in Wirklichkeit bereits viel
weiter
reicht
als die der Kirche, entgegenstellt und daß sie die lebendige Pro
phetie mit dem Buchstaben
der
Schrift und mitder toten Gelehrsamkeit ihrer
Theologie zu
dämpfen
versucht. -
Die
letzte
Enthüllung
dieser
Gedanken bringen
erst die
Theosophischen
Sendbriete Dort spricht Boehme ganz unverhüllt aus>:
1 De trib
priuc.
cap. 20
IU·.
2 S. 656.
2 Theos Send Briefe 6. Br., ur. 12 S. 3727.
( 71 ).
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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124
ERNST
NZ
A.ber unterdessen
grünet
die Lilie im
Wunder
wider welche der
letzte
Anti
christ
Verfolgung
erräget da dan
sein
Ende komt ; dan die
Erscheinung
des HErrn
erstickt ihn. Da dan
Babel
im
Eifer
und Zorne
GOttes verbrennet;
und
ist wunder
lich Ildavon ich keine Macht habe
deutlicher
zu
schreiben doch werden meine
Schriften
zur
selben eit
wol
dienen: dan es komt eine Zei t vom HErrn die nicht aus
dem
gestirnten
Himmel
ist.
Die Wirkung seiner Schriften ist hier
ganz
in die Endzeitereignisse einge
ordnet,
wie
sie der gläubige Christ
auf
Grund der Verheißungen der Apokalypse
erwartet.
Zunächst kommt die Zeit des großen Abfalls und der Verfolgung der
wahren Kirche Christi, eine Zeit, in der die
weltförmige
Kirche - denn
das
ist
Babel - sich selbst
auf
die Seite des Antichrist schlägt
und
in welcher der
Greuel der Verwüstung seinen Thron im Tempel Gottes
inmit ten der
ent
arteten
Welt-Kirche
aufschlägt. Dann aber kommt der Herr und macht
dem
Toben des
Satans
ein Ende;
dann
fällt auch alles falsche Kirchen- und Christen
tum
Babel, - d. h. die Weltkirche,
das
fleischliche, buchstäbliche Christen
tum,
die
unter
dem
Namen
Christi geübte Verkehrung des christlichen Lebens
urid
Erkennens
in
ihr
Gegenteil - wird verbrannt; das konfessionelle Zank
Christentum wir ausgerottet; aus den einzelnen Konfessionen werden die
wahren
Jünger
Christi ausgesiebt
und zu der
Kirche
der Endzeit unter
der
Herrschaft des Menschensohns zusammengeführt. Eine neue Zeit bricht
an,
die
nicht
mehr
durch
den
Umlauf
der Gestirne
bestimmt
ist, d. h. die über
haupt keine irdische Zeit mehr ist, sondern die das ewige Leben selber ist. Die
Schriften Boehmes
haben
die Aufgabe, dieses Endzeitgeschehen denen, die es
erleben, verständlich zu machen, die
Erbauung der
wahren Kirche zu beschleu
nigen, die
Sichtung der erwählten
Gemeinde
vorwärtszutreiben.
Wenn
die
Endzeit gekommen ist,
auf
die seine Schriften
hinweisen,
werden diese Schrif
ten dazu dienen, den Endzeitcharakter
der
Zeit und ihre heilsgeschichtliche
Aufgabe
zu
eröffnen
und den
wahren Christen den Weg
zu
zeigen, der sie
durch
die endzeitliehen Listen des Satans hindurch zum
wahren
Gottesreich führt.
Die
weiteren
Andeutungen, die Boehme über diesen
Punkt
macht, sind viel
fach trotz
der Einordnung
in die traditionelle christliche
Endzeiterwartung
sehr rätselhaft. So
schreibt
er :
Und ob ich viel weis
und mir eine qrosse OUeubarung ist gegeben
so weis ich
doch auch
\,,01
daß
ich
all denjenigen
so
nicht aus
GOtt
geboren
sind stum
bin:
Darum bitte ich mit meinen Schriften weisl ich zu
handeln
auch meinen Namen
zu verschweigen /
bis
daß
endlich
die finstere Nacht
komt
wie
mir ist gezeiget;
Alsdan sol
das
Perlein gefunden werden:
Dan
so
lang mein Geliebter
sat
ist
schlummert
er
und
ligt
in dem Schlaf von
dieser
Welt; Aber wan ihn der HErr
mit dem Sturmwind wird aufwecken und daß sie
in Aengsten
stehen lalsdan
schreyen sie ängstiglich zu dem HErrn
und
ermuntern
von
dem Schlaffe: an
80Uen diese Schriften stehen
und
in
denselben die Perle gesucht werden Bitte
und
Begehre
auch
daß von wegen des
Druckens
ausser meinem Villen
sich
Nimand
bemühe
dan dasselbige geschihet erst nach
dem
Ungewitter. Wollet solches allein
1 das., 7.
Br.,
nr. 7-9 S. 3730/31.
72
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob Boehme
125
in die Herzen der
\VeiSO
offenbaren die ihr erkennet
daß
sie
GOtt
lieb haben;
an den andorn ist es itzo
noch
kein nütze.
Boehme
is t
also
der
festen Überzeugung,
daß
seine Schriften mit ihren
Erkenntnissen
jetzt zu seiner eigenen Zeit,
nur von
einigen wenigen geistlich
Erleuchteten richtig verstanden werden,
sieht aber
diese Tatsache darin be
gründet,
daß jetzt
noch
gar nicht
die heilsgeschichtliche Epoche angebrochen
ist, in der sich seine Offenbarung als Prinzip einer allgemeinen Erkenntnis
durchsetzen wird. Andererseits denkt er auch nicht daran daß seine Schriften
erst
dann
eröffnet und ihre Offenbarung allgemein
anerkannt
werden sollen,
renn der Messias selber kommt denn dann braucht es ja keiner Schrift und
keines
Buchstabens
mehr, um die
Erkenntnis
des Wesens aller Dinge zu haben.
Er
stellt sich offenbar die Zukunft seiner Schriften so vor: seine eigene Zeit}
die Zeit des Niedergangs der Kirche,
wird unerwartet und
rasch in die Zeit
einer völligen Verfinsterung des Evangeliums übergehen. In dieser bald herein
brechenden Zeit, in der das
Licht
des Evangeliums in der Kirche selbst durch
den
Antichrist fast
zum
Erlöschen
gebracht
wird, da wird in wunderbarer
Weise seine Verkündigung hervortreten und seine Schriften werden
dann
zur
inneren Sammlung der Gemeinde dienen, die inmitten der Verfolgung der
Endzeit,
inmitten der größten
Heimsuchung
auf den Herrn wartet. In
dieser
Zeit der höchsten Not ,verden seine Schriften
stehen
d. h. sie werden Gültig
keit haben
und werden in ihrem Wahrheits-
und
Offenbarungsgehalt erkannt
werden im Gegensatz zu dem jetzigen Zustand in dem sie
nur
Haß
~
Ge
spött
der
Kirchenlehrer hervorrufen
und nur
von wenigen
erkannt
werden,
Dann
wird in ihnen ,die Perle gesucht werden, d. h. die wahre geistliche
Erkenntnis der .Blick ins Wesen aller Wesen, das Wissen des innersten gött
lichen Lebens. So werden seine Schriften die
wahre
Gemeinde zusammen
führen helfen und werden in dieser Gemeinde die wahre geistliche Schau
eröffnen in der Form daß sie die Türe aufstoßen zu der Erkenntnis wie sie in
ihrer letzten und
höchsten Form und als Allgemeinbesitz aller Seligen bei der
Ankunft des Menschensohns hervorbrechen
wird,
on hier
aus
könnte
man
versuchen,
auch
die beiden dunkelsten Stellen
der
Boohmcschen Verheißungen auszulegen. In
der
VOITede
der uror
entwickelt
ja Boehme die Geschichte der Kirche Christi in Form
der
Darstellung des
Wachstums
und
der Entfaltung des Lebensbaumes. Die Betrachtung der
Heilsgeschichte erfolgt so, daß die ganze Geschichte als Kampf zwischen dem
Gottesreich und Satanreich dargestellt wird,
der
sich in verschiedenen Epochen
vollzieht. Immer wenn das Gottesreich zu einer neuen
Heilsveranstaltung
fortschreitet, erfindet
der
Satan ein Gegenmittel,
um
dem
Fortschritt
und
Wachstum des Gottesreiches entgegenzuarbeiten. Die Originalität dieser Be
traohtungsweise
besteht
darin,
daß
sie bis
zur
Betrachtung der
Kirche
der
eigenen Zeit und ihrer heilsgeschichtlichen Situation fortgeführt wird, Dabei
ist
der
Verfallsgedanke auf die Reformation selbst angewendet. Auch die
Reformation ist entartet und zwar dadurch, daß sieh die einzelnen Erben des
universalen Erneuerungs,verkes ß
die echte Lehre zanken, oder, der Dar-
73
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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126
ERNST BENZ
stellung der l(irchengc8chichtc alt) \rach tul}l des
Lebensbaumes
entsprechend,
daß
die Führer der einzelnen
Kirchen
nach
der Wurzel
des
aU eS graben und
darüller die Früchte des
Baumes
vergessen.
Im
Anschluß an die Darstellung dieses letzten crfalls der Kirche nach
Luthcr heißt es dann-:
Dan
es
wuchs ein
grünes
Zweyglein
auf
der
Wurzel des edlen
Baums
und krigte
der
Wurzel
Saft und Leben : und ihm
ward
gegeben
des Baums
Geist
und erklärete
den ed Ion Baum
in
seiner herrlichen
Kraft
und Macht darzu die N
atur
darinno
er gewachsen
war. Als nun
dieses
geschahe
da
gingen
in der Natur
beide
I hürcn
Huf die Erkentniß
beider
Qualitäten
Böses und
Gutes
und
ward
offenbar das
himlische Jernsalem
sowol der
Höllen Reich
allen Menschen auf
Erden. Und daß
Licht und die
Stimme
crschol
in
die vier \V inde;
und der
falsche
Kaufmann VOll1
Mittage ward ganz
offenbar
und
die Seinen hasseten ihn und rotteten
ihn
rtl IR
von
der
Erden. Als
nun
dieses
geschahc
f da verdorrete auch der wilde Baum gegon
l\litternacht:
und
alles
Volk
sahe
den
heiligen
Baum auch
in
fernen
Insulcn
mit.
Verwunderung:
und der FÜrst
in
der
Finsterniß
ward
offenbar
fund seino
Geheim
nisse
wurden aufgedeckt und
seine
Schande und
Spot und
Verderben sahen
und
erkennoten die Menschen auf Erden dan es war lichte
worden,
Aber das währe to
eine
kleine Zeit. f so Hessen die Menschen das L icht
und lebeten
in ihres Fleisches
Lust zum Verderben: dan gle ich wie
sich
die Thür des Lichts hatte aufgetahn
also
auch
die Thür der Finsterniß ; und gingen aus heiden aller ley Kräff to und
1(Ünste was darinne war,
Es
folgt dann die Darstellung eines letzten
Kampfes
zwischen den beiden
l\lächten
und
die
endgültige
Scheidung im Gericht.
Vergleicht Inan diese Stelle mit
den
zahlreichen geheimnisvollen Anspielun-
gen Boehmes
auf
seine eigene
Person
und die
Heilsbedeutung
seines Werkes,
so läßt sich die Vermutung
nicht von
der Hand weisen, daß hier Boohme
unter
dem grünen Zweyglein aus der
Wurzel
sich selber oder seine Schriften ver-
steht.
Daß sich dieses
Hervorsprießen
des
grünen
Zweygleins auf eine be-
stimmte
Person,
auf .cincn Führer
der
Kirche bezieht, zeigt unzweifelhaft
der
Vergleich mit
der vorhergehenden bildhaften Art
und Weise, wie
das Hervor
treten
der
einzelnen
Gestalten der
Kirchengeschichte als einzelne Zweige he-
schrieben ist. Wenn
von
dieser
Gestalt gesagt
ist, daß sie des Baumes
Geist
hat , und
daß sie den
Baum in seiner
Kraft
und
Macht erklärt, dazu
die Natur,
darin
er gewachsen
war
, so ist dies eine bildhafte Beschreibung dessen,
was
Boehme
von
seinem eigenen prophetischen Wissen hält. Auch
der
Erfolg der
Verkündigung dieser endzeitliehen
Gestalt
entspricht dem,
den
er
von der
\Virkung seiner eigenen
Schriften verheißt:
es eröffnen sich heide
Türen der
Natur, h es
geht
auf
der
Blick in die
Tiefe des Gottesreiches
und des Satans
reiches
und
in ihr·
Ringen,
wie es sich
auf dem
Grunde
des Seins abspielt.
Er,
Boehme
selber,
ist
also
der
Wegbereiter
und
Übergang
zu
dem
wahren
und
höchsten Wissen, das den
innersten Grund
alles Wesens enthüllt.
Jetzt bricht
auch die falsche Theologie, jetzt bricht vor allem das Papsttum zusammen,
urora ·Vorrede, nr. 67-69 S. 14{15.
( 74 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob Boehme
127
dessen Trug nunmehr durch die Offenbarung des
wahren
Wissens enthüllt
wird.
Diese Erwägungen scheinen doch
dafür
zu sprechen, daß Boehme hier
sich selbst als Bringer
der
Heilserkenntnis der Endzeit versteht.
Nachdem
die
Kirchen
der Reformation von neuem entartet sind
u
über dem
Streit UJlI
die Wurzel ihre eigentliche Aufgabe vergessen haben, kommt Boehme und
eröffnet Über
die
Streittheologie
seiner Zeit
hinaus
den'
Blick ins
Wesen
der
\Vcsell, die universale Erkenntnis des inneren
Zusammenhanges
aller Dinge,
das wahre
Wissen. Er lenkt
den
Blick von
den
polemischen Zankfragen der
Theologie seiner Zeit wieder zurück auf das wahre Wesen der Kirche, auf den
wahren
göttlichen
Grund der Natur ,
auf
die wahre
göttliche
Bestimmung des
Menschen, auf die baldige Vollendung des göttlichen Heilswirkens in der her-
einbrechenden .Iesusmonarohie, in der aus allen Kirchen, Sekten
und Dertomi
nationen die Wiedergeborenen zusammengelesen werden als die lebendigen Glie-
der des Gottesreiches. Boehme bringt hier also
nicht
nur eine geheimnisvolle
Anspielung auf die heilsgeschichtliche Bedeutung seiner Person,
sondern
auch
einen Hinweis auf die zukünftige Stellung der Kirche zu seiner Verkündi-
gung: UDl seine Lehre selbst wird sich
der
Streit zwischen dem Reich Christi
und dem
Reich
des Antichrist entfachen,
und
dieser Kampf wird die Über-
leitung zu den
furchtbaren
Kämpfen der Endzeit sein, in
denen
die letzte
und
endgültige Scheidung
vorgenommen
wird.
Dies entspricht den
vorhergenannten
geheimnisvollen
Selbstdeutungen
Boehmes : er is t nicht selbst das Ende, nicht selbst die Tür,
sondern
der Über-
gang
zum
Ende,
die
Einleitung
des
Endes,
der
Riegel
an
der
Tür,
mit
dem
die
Türe aufgeschlossen wird, der letzte Trieb
am
Baume des Heils,
bevor
der
Baum
angezündet wird
in seiner eigenen Qualität
mit
dem Feur
des
heiligen Geistes; und seine
Qualität
branto
im Feur der himlischen
Freuden-Reich in
unerforschlichem Lich te und
Klarheit.
In diesem
Feur
qualificirten alle St.immen oder himlischen Freuden-Reich
die in der guten
Qualit.ät
waren
von Ewigkeit gewescn : und das Lieht der heiligen
Trinität
leuchtete in dem Baum des Lebens und
.erfüllete
die
ganze
Qualität
darinnen er stund.
Damit läßt
sich
auch
eine zweite Selbstaussage
Boehmes verbinden,
die.
ebenfalls voller geheimnisvoller Andeutungen
steckt'',
Es
möchte
dem Herrn vielleicht Wunder nehmen wie daß
ein
Laie
solche
hohe
Dinge
verstünde
/ der sie niemals gelemet noch gelesen hat. Aber i ch sage euch
mein lieber Herr daß
ihr
bishero nur einen Glanz in meinen Schriften
von
solchen
Geheimnissen gesehen
habet
dan
man
kans
nicht
schreiben; ob
ihr
von
GOtt
würdet würdig erkant werden daß euch das Licht in der Selen würde anbrennen /
würdet
ihr
unaussprechliche Worte GOttesvon solchem Erkentniß hören
schmecken
riechen
fühlen
und
sehen Alda ist erst die rechte Theosophische Pfingst Schule
da
die Sele von GOtt gelehret wird Jedoch unsset / daß euch
r n l ~ t t e r n ä c h t i g e n Ländern
eine
Lilie blühet So ihr
dieselbe
mit
dem
Sectirischen Zanke
der
Geiehrten nicht werdet
1 das.,
ur . 76
S. 15/16.
2
Theos
Send Briefe 55. Br. , ur. 8, 13-15, S. 3898/99
75
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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128
ERNST NZ
zerstören
so wird sie zum
großen Haum boy
euch werden.
Werdet ihr
aber
lieber
\voller zanken
als
den
wahren GOtt erkennen
so gebot der St.rahl vorüber
und tr t nur otliche; so müsset. ihr hernach Wasser für den Durst, eurer Selen
bey
fremden
Völkern
holen.
Werdet
ihr
das recht in Acht nehmen /
uxrdcn cucli
meine Schriften großen Anlass
und
Anweisung darzu geben . .
Auch
hier
ist
die
Vermutung nicht
von
der
Hand
zu weisen,
daß
-Iakob
Bochme unter der Lilie, die
den
mitternächtigen Ländern blühet, sich selber
versteht.
Der
Brief
ist an
einen
Freund in
Lübeck gerichtet;
er
versteht also
unter
den
mitternächt lichen Ländern den deutschen Norden. Deutschland
ist
also
das
Land, wo zur Zeit
der
Platzregen des Heiligen Geistes fällt und 0
der
Riegel zu einem neuen Erkennen
aufgetan
wird. Jetzt
blüht
die Lilie,
hier in diesem Land. Daß hier Boehme in der Tat an den deutschen Norden
und an sein Vaterland denkt, geht aus der Tatsache hervor,
daß
er hier
droht:
Wenn sich das Land, das von der
neuen
Offenbarung betroffen wird, dieser
Offenbarung verschließt, wird
der
Geist zu
andern,
fremden
Völkern weiter
ziehen und sich diesen offenbaren.WennDeutschland dannschließlich aus seinem
Schlummer
aufwacht und selbst die neue Botschaft ergreifen will, muß es die
neue Heilserkenntnis bei
fremden
Völkern suchen.
Damit wird eine
letzte
Wendung der Boehmeschen Prophetie sichtbar:
Bochme spricht als Bußprediger, der zunächst zu seinem eigenen Vaterland
gesandt
ist und gerade dieses Land auf die Wirklichkeit des hereinbrechen
den
Gottesreiches
hin
bereiten soll. Er verlangt die Verwirklichung seines Buß
rufes
zunächst von
seinem
Vaterlande,
zu
dem
und
in dessen
Sprache
er
spricht. An
Deutschland
ist seine Botschaft zuvörderst gerichtet.
Seinern
eigenen Vaterlande obliegt vor allem die Pflicht, den Streit der Kirchen
und
Sekten zu
überwinden und
die
neue
Zeit auszutragen, und so
stark ist
bei
ihm
dieses Bewußtsein,
daß
er das kommende Geschick Deutschlands
VOll
seinem Verhalten zu seinem prophetischen Auftrag abhängig weiß. Verwirft
Deutschland seine
Prophetie,
so wird auch der
dadurch
an sein Volk
gerichtete
Heilsauftrag von diesem weggenommen und
anderen
Völkern gegeben werden.
Der genannte 55. Brief ist nicht der einzige, in dem eine solche Anschauung
anklingt. Auch im
Mysterium Magnum ist
sein
Bußruf
in
der
Form ausge
sprochen, daß er zunächst seinem Vaterlande gilt.
Dort
heißt es :
Also
solte Christus alhie in dieser
Welf
nur
als ein
Licht von einern Volk ZUlU
andern wandern zum
Zeugniß
Über alle Völker: Und wird Dir Deutschland itzt
anqezeiqe:
/
der du
bist
lange unter dem Mantel Christi mit einem heidnischen
Herzen gegangen / und hast
dich
der Kindschaft gerühmet abor nur in Bosheit
des
Fleisches gelebet)
so wohl denen
Völkern
von denen du
geboren
bist
mit
dem
Namen
Christi / daß
dein Gericht
vorhanden
ist.
Ebenso
richtet
sich sein
Bußruf
in seinem
50.
Theosophischen
Sendbrief
an sein Vaterland :
1 V]yste· iu n
Maqnum cap.
45 111 . 12 S. 3135.
2 Theos
Send-Briefe
50. Br.,
nr.
9 S. 3891/92.
76
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophot. .Iakob
oehlT O
ü
HUnd vermahne euch als meine Mitringer daß ihr
auch
im Glauben
kämpfet
lind in Gedult wartet auf die Offenbarung unseres
HErrn
JEsu Christi und ja.
vesto stehet dan dieser rauchende
Lösch-Brand
welcher itzt
rauchet)
wird nahe
im Feur verzehret werden;
als
dan werden sich die überbli ebenen
freuen
so
w r
il n offenb r werden
w s ich euch h be sollen schreiben
welches
itzo verlästert
wird
l n
doch
nur
von den Unwissenden; Aber die
Weisen
merkens
und haben
Acht darauf
dan
sie
merken
die
Zeit und sehen
die
Finsterniß
und
auch die Morgen
röhte des Tages.
Auch hier ist also die bittere Zukunft vorausgeahnt, die im 55. Theosophi-
schen
Sendbrief drohend
angedeutet
ist: Boehmes Schriften
selbst werden von
seinem Vaterland verkannt werden, an das sie eigentlich
gerichtet
sind. Fremde
Völker werden sein
.Ewiges Evangelium aufgreifen und verwirklichen;
von
ihnen
muß dann Deutschland
wieder holen, was es selber in
Unkenntnis
des
Geistes
Gottes zunächst
verworfen
hat.
77 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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· TEIL B
Jakob
Boehme als Prophet
in der Auffassung seiner Schüler
und
N
achfahren
Der Grundgedanke
des
prophetischen Selbstbewußtseins
Boehmes, daß seine
Person ein
Werkzeug göttlicher
Offenbarung sei,
daß
in seinen Schriften
ein neues Heilswissen
enthalten
sei und eine
neue
HeiJsepoche eingeleitet werde,
is t n icht
mit seinem
Tod
erloschen,
sondern ist von
seinen Schülern aufgegrif.
fen und weitergebildet worden. Nicht erst die
Verbreitung
seiner Werke
durch
die späteren
Druckausgaben. sondern schon ihre Verbreitung
in
privaten hand
schriftlichen
Kopien,
wie sie
innerhalb
seines Schülerkreises erfolgte, geschah
in dem Bewußtsein, eine einzigartige
neue
Offenbarung zu
vermitteln
und du
durch
die Heilsgeschichte
vorwärtszutreiben. In
der Geschichte
der Druck.
legung
seiner Schriften, in den
Wundererzählungen
über das Schicksal seiner
Manuskripte, die zunächst verloren gingen, aber durch
Gottes
besondere
Hilfe
vor
der
sicheren
Vernichtung
bewahrt blieben, spiegelt sich dieser
G6.
danke
mannigfach
wider.
Eine
genauere Betrachtung des Verhaltens seiner einzelnen Schüler zu diesem
prophetischen Sendungsbewußtsein Bochmes
wird dadurch
ermöglicht,
daß
sie in
kampfesfroher
Hilfsbereitschaft öffentlich
für ihren Meister eintraten und
in besonderen apologetischen Schriften, aber auch in
ihren
sonstigen
Werken
den zahlreichen Angriffen der Orthodoxie gegen
Boehme
entgegenwirkten.
In
dieser
Auseinandersetzung
spielt die
Frage der prophetischen Berufung
Boehmos
eine
hervorragende
Rolle.
Während
die
Orthodoxie gerade
diesen
Punkt
be
stritt
und
ihre Anschauung von der Vollständigkeit
und
Hinlänglichkelt
der
göttlichen Offenbarung in der Heiligen
Schrift
dazu
benützte,
die Möglich
keit
einer
über
die Heilige
Schrift hinausgehenden Weiterführung der
gött
lichen O ffenbarungen zu b es tr ei ten,
treten
die
Boehmeschülcr
mit
größtem
Eifer zur Begründung der Gültigkeit der Erkenntnisse ihres Meisters
dafür
ein.
sein wirkliches,
echtes Prophetencum zu
behaupten und
zu erweisen. D ies ge
schieht bei
den
einzelnen
Getreuen
des Boehmekreises in
einer
so
individuellen
Weise,
daß
es
notwendig
ist , die einzelnen Per sön li chk ei ten
Reines
-Iünger
kreises genauer zu
unterscheiden.
J. Theodor von Tschesch 1595
-1649
Zu den
ältesten
Freunden und
Schülern
gehörte
der
schlesische Adelige
und
Theosoph ohanni Theoäor
on Tschesch
in dessen
Hause Veihnachtell
1622
8
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob Boehme
131
die Disputation
mit Dr. Stari tius
stattfand
und
bei
dem der
andere
nachmalige
getreue Schüler Boehmcs
Herr braham
von
Franckenberq
den
Schuster aus
Görlitz kennenlernte. Tschesch
war
frühzeitig in die Polemik hineingezogen
worden, die
sich
gegen Boehme
und
seinen
Kreis richtete.
Sein
Name
.prangt.
mit
dem Boehmes
und vieler anderer zusammen auf
der
Ketzerliste, die der
eifernde Wittenberger
Theologe
braham
Calov
in
seinem
niiboemius
ZU-
sammengestellt
hatte um
alle Rechtgläubigen vor der Rotte
der
Boehmisten
zu warnen , Zwei
Schriften
sind es,
in denen
Tschesch
vor allem für
seinen
Lehrer eintritt. Die erste lautet:
Zaoiejache A pologia und Christliche Verantwortung auf die
fünf
lästerlichen.
.Htnuptpuncte David Gilberti von Utrecht / insgemein Wider die Person und
Schrit ten des theuren und hocherleuchteten. lJfanns Jacob Boehmens ] von
Görlitz aus der Ober-Lausitz gebÜrUg / sonsteii Teutonici qenani.
Zur
Ehre
Gottes
/
in
holländ. Sprache
fJegeben
/ Durcli
J
OHANN
rrIIEOnORUl\1
VON TSCHESCH. n ietzo
Übersetzt / »on Einem. Liebhubor riiU/licher
Geheimnisse
nno1G76
Die zweite Schrift trägt den Tite l:
.fiJinleitung in den Edlen Lilien-Ziceiq des Grundes und
Erlciintniß
der
Schrillten. des Hocherleuchteten Jacob
Boelcmens
/
ioie
dieselben. 1nijgen gelesen
und
verstanden
ioerden
Geschrieben
Ln
Henricuni Prunnium l ediciuae
Cundidutum: J ehrerii Liebhabern. derselben Schrillten zum Druck belörliert
von
JOlIANN
TliEODORUl\l
VON
T S } ~ S ] {
RTLRS.
In
mstenlam
C/edl ltckl
l y
Christaphel Conradus A nno 1684.
Bereits
in dem Titel Der Hocherleuchtcte.
klingt ocr
Anspruch.
an
daß
Boohmes Lehren auf eine
unmittelbare
göttliche
Erleuchtung
zurückgehen und
daher den
höchsten
Wahrheitsanspruch für
sich
erheben können.
Tschesch
ist jedoch der
Boehmeschen
Prophetie
nicht
blind gefolgt,
sondern
hat sie erst
nach mannigfacher Prüfung geglaubt
und
angenommen. So schreibt
er
in dem
Sendbrief
an H. P.
V.
H. aus
Brcslau vom 3.
Okt
. .1641 ein
Wort
das
auch
in
den
zahlreichen
den
Boehme-Ausgaben beigefügten
Iudicia
gelehrter
Leut
0
iiher J ucob Böhmens
Lehre
immer wieder
angeführt
wird>:
J
eh habe die Gabe
und
Lehre
dieses hocherleuchteten
Mannes
I nach der Gabe I
die
GOtt
verliehen I genau geprüfe t und
sie
ganz Geistlich und wol unterschieden
befunden I
daß
sie
nicht
alleine
wider
keinen
Articul
des Christl ichen Glaubens
anstössig I
sondern selbige
auch sehr fürtrefflich
erkläret.
Und ist
ein Licht
und
Geburt dieser
Zeit
I als noch kaurn [emahls
geöffnet ioordeii
/ so eigentlich I was
GOtt
und
Natur sey.
Aber
wie es eine Gabe GOttes
ist I
so gehöret
die
Gabe GOttes
auch
darzu
I selbige recht
zu erkennen und zu verstehen.
In diesem
Sendbrief treten
bereits die Grundgcdanken seiner Auffassung
von Boehmc hervor wie sie in den beiden
genannten
apologetischen
e r k ~ l ~
1 CALOV
ABRAHAlrI
ntiboehmius 1684.
2 Die Sammlung
wurde von GICHTEL hergestellt.
79
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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3
ERNST NZ
über seinen
Lehrer
enthalten sind.
Zunächst
wird grundsätzlich der
echt
pro-
phetische Charakter Boehmes erwiesen,
indem
seine Prophetie
auf
eine 1111-
mittelbare göttliche Offenbarung zurückgeführt
wird
.
•Jacob Boehme
hat alles
aus
GOtt
dem iunersten und Geistlichstere
lVesent
liebsten
ja aus
dem
lVesen
aller
lVesen
wie
es aus
demselben
sich offenbaret und
erboren
tieD herausqejiihret
dessen
alle Zeugnisse
starcken
und
unbeweglichen
Grund gehabt auch in den k la ren Buchs taben der
heil.
Schrift selber.
Die
Echtheit
seiner Prophetie wird durch ihre
Übereinstimmung
.mit den
Hauptlehren
der Heiligen
Schrift
erwiesen. Dies ist
nicht
so zu
verstehen,
als
ob die Boehmesche Prophetie ihrer sprachlichen
Form
nach
mit
den
Begriffen
der Heiligen Schrift identisch
wäre, sondern
so, daß
sie
die Erkenntnisse
aufschließt ,
bestätigt
und
bekräftigt, die in
der
Schrift in
mannigfacher
Verhülhmg ausgesprochen sind. Er
ist
der Eröffner der Geheimnisse der
Schrift, indem er in die Tiefe
der
Dinge
selber
hinein
blicken
läßt,
von
denen
die Heilige Schrift
zum
Teil
nur
bildhaft
hn Spiegel
berichtet. Es
handelt
sich also nicht UUl
eine andersart ige, neue Offenbarung, sondern um eine Ver.
tiefurig und
weitere
Erschließung
der in
der
Heiligen Schrift vorliegenden
göttlichen
Offenbarung
über den
bisherigen
Stand ihrer Enthüllung hinaus. So
kann
Tschesch
behaupten, daß
diese
Perl und dieser Edle Lilion Zweig so tieff
hochedel
und teue r i st auch
nicht von Menschen sondern vorn tieffe» Ge-ist
der O(jelll)(tru ng
und
IVei8sheit
GOtte8
den A
utori mitqeteilet
worden.
Auf Grund
dieser
inneren
Zusammengehörigkeit
der alten und nenen
Offen-
harung
im Sinn einer Erschließung
und Eröffnung der
alten
durch
die neue
erklärt
Tschesch Boehmes Lehre
3
:
Dann es
is t
keine neue Religion, sondern eigentlich d ie alte
allgemeine Religion
Christi und
der
Propheten
und
Apostel wie selbige in
aottes
Wort zu finden ist.
Diese ist
es
welche der
seel.
J
acob Böhm
für die einzige und
rechte
helt, darinnen
wir
auch
alles
und in keiner andern können und müssen selig werden.
Diese
Offenbarung
hat
einen bestimmten endzeitlichen
Zweck,
und
Tschesch
übernimmt
zu
dessen Bestimmung völlig die
Enrlzeiterwart.ungen
seines
J
ehrers. Die Schriften Boehmes sind
el:n gnadenreiches Liecht welches
Gott
in d-iesen letzten verderbten Zeiten. durch
dieses geringe Instrument
J acob
Böhmen uns dermassen reichlieb anweisen l i i s ~ t
Der eigentliche Sinn dieser Offenbarung
ist
die Aufdeckung des Verfalls des
weltförmigen
Christentums, die Enthüllung
der
endzeitliehen
List
des Satans ,
welches
dem
Sathan
bange
t.hut
daß
man
ihn
nicht mehr
unter
Christi Purpur-
Mantel
dulden wil l ,
weiter die
Einigung der
in
den
Religionsstreitigkeiten
der nachreformatorischen
1
Einleitung
in.
den
Edlen Lilien ·Zweig
,
S. 29.
a
Zwiefache
Apologie . . . , S. 100. 4 das. S. 12.
( 80 )
2 das. S. 7.
i
das.
S. 115.
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob Boehme
133
Zeit entfremdeten christlichen Kirchen
auf der
Grundlage des erneuerten
und
nunmehr gänzlich erschlossenen wahren Evangeliums Christi durchzuführen,
des Evangeliums,
in
dem zugleich die Geheimnisse der Natur und die
der
Heilsgeschichte aufgeschlossen sind. So erscheint hier Boehme als Prophet der
Endzeit, dessen Werk es ist, an der Vereinigung der zerteilten Kirche mitzu
wirken,
auf
daß
Christus
bei seiner
Wiederkunft
eine einige, heilige Gemeinde
von Reichsgenossen vorfinde. Tschesch
schreibt
nach dem Hinweis auf die
Zerteilung der
einen
Kirche Christi durch die Konfessionskirchen :
Dannenhero wir billig
einen
j eden unpar theiyschen wahren Christen
lassen
urtheilen
ob dann Jacob
Böhm
nachdem ihn Ott/ als sein ll erkzeug hierzu
gebrauchen wollen nicht grosse und
gnugsame
Ursachen gehab t habe
uns
von
dieser Vielheit und
denen Menschen
Lehren zu der
einigen
wahren Religion, zu
Gott
Christo
und seinem Wort, zur Wiedergeburt aus Gott in
den
Fortgang und
Nachfolge Christi zuruffen.
Ein
sothaniger eisttreiber
ist nun
unser seel. J
acob
Böhm mit
Christio
denen Propheten und Aposteln wie auch
allen wahren
Christen
und
währe zu
wünschen daß diese Lehre auf gleiche
Art
und Weiße von denen
Lehrern der gegenwärt ig
in
Grund verdorbenen Christenheit
mit ebenmässiger
Treu
und
Eifer getrieben
würde
so solte
gewißlich der Geist dieser Welt der Geist
des
Irrthums,
Zancks Hasses ll lortens
und
aller
untugenden so
grosse
Macht
nicht
bekommen haben.
Seine eigene Aufgabe erblickt Tschesch in
der
Berufung, seiner
Zeit mit
ihrer Zanktheologie diese
Bedeutung
Boehmes zu eröffnen. Deshalb
hört
er
nicht
auf, die Gegner
zu
ermahnen,
sie
möchten
zusehen
ob
nicht
Christus
selbst
unter
der von
Jacob
Boehme so teuer bezeugter Wahrheit
verborgen
seyn möchte
1 2 Deshalb sucht
er
auch von
Boehme den Vorwurf abzuwehren,
er habe sich einen Beruf angemaßt, der ihm nicht zustehe. Gegenüber
dem
Geschrei der Orthodoxie:
Schuster
bleib bei deinem Leisten , weist er
darauf
hin, daß sich
Boebme
aus demselben
göttlichen
Zwang heraus· zu einer Nieder
schrift und Veröffentlichung seiner Offenbarung entschloß, kraft dessen die
berufenen Gottesmänner der alten
und
neuen Kirche ihr schweres Amt an
traten .
,,\Vann nun dieser öttliche uf kommet so gehet
Moses
aus der Wüsten und
l ässe t seine
Schaafe hinter sich. Elisaeus
lässet
das
Joch Ochsen
seines
Vatters
stehen; Petrus Jacobus Johannes und Andreas ih re
Fischerey / schiffe
und
Netze: Matthäus seinen Zoll und ein ieglicher getreuer Arbeiter alles, was er hat
auch
seine eigene
Seele
und
folget
diesem
Ruff
und Beruffer nach. Gestalten dann
auch Pau lus darum alles was ihm
Gewinn
war
für
Dreck und Schaden geacht
(Phil. 3: 7-8). Hätte nun Jacob Boehme
dieses
nicht auch gethan werde er alein
ungetreuer Knecht geurtheilt
und
dies sein so theurbares Pfund von ihm
wieder
genommen
worden
seyn.
Boehme ist
hier
also völlig in die Traditionskette der früheren Propheten, der
Kirche
des
Alten und Nonen
Testaments
eingereiht, in
Weiterführung
seiner
1
das. S. 108 u. 31.
Abh. Geistes- u. soziahv.
KI. Nr. 3
2 das. S. 129.
( 81 )
3
das. S. 201.
10
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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134
ERNST NZ
eigenen Selbstauslegung. wie er sie in seinen
Schriften
ausgesprochen
hatte.
Hier wird deutlich wie die
Weiterführung
des prophetischen
Sendungsbewußt-
seins
~ k o
Boehmes
durch
seine JÜnger
zum Sammelpunkt
einer Gemeinde
bildung wird : zu eine-r Jakob-Boehme-Gemeinde die in ihrem Meister den Weg
bereiter der Endzeit erblickt.
Um
diesen Beweis es
handle
sich bei Boehme
um
echte
Prophetie,
auch
wirklich durchführen zu können muß Tschesch den Orthodoxen gegenüber
theologisch
begründen,
daß die prophetische Offenbarung in
der
Geschichte
nicht wie die Orthodoxie lehrt, mit der Niederschrift der Heiligen Schrift
erschöpft ist
sondern
daß der Geist immer in der Kirche lebendig is t
und daß
zu allen Zeiten die lebendige außerordentliche Geistwirkung in der Kirche
neben der
ordentlichen Geistwirkung einhergeht. Er wirft der Orthodoxie vor
daß sie Gott. gewissermaßen auf sein Heiliges
Buch
festlegen wolle
und nicht
mehr
dulde
daß
er
darüber
hinaus
noch
etwas
hinzufüge.
Dieser Begrenzung
der Allmacht des göttlichen Geistes gegenüber stellt er den Grundsatz auf :
Die Offenbarung
geht
weiter
Und indem GOtt noch heutiges Tages Propheten zu uns senden wolte und
diesen theuren M
ann
auch als einen Propheten gesandt hätte wer sollte ihrn solches
wehren mögen und
wer solt e
zu ihm
sagen dörffen
warum
thust das? oder
hat
er
nicht
Macht
mit
den
seinigen
zu
thun
und zu ordiniren was er wil ?
Solte dann
das so ungereimt
seyn
daß er
seine Gaben einem armen Schuster gebe und die
Hochgelehrten die sich
selbst
für weiß
achten
und alles zum vordersten
zu
haben
vermeynen
h in te r de r Thür
stehen
lassen?
oder
solte
der
Arm
des
HErrn
ver-
kürtzet seyn daß der das so
er
vom Anfange gethan hat auch
nun
gegen das
Ende und den Abend da es
doch
vermöge der Propheceyungen
lliechte
werden
solte J nicht solte
thun
können?
Der
seel.
Jacob
Böhm hat
sich
niemaln
vor
einen
Propheten
ausgegeben allein der Geist der Wahrheit u rkändnis der in den
Propheten gewest
is t
derselbe
is t
auch
in
ihm
gle ich wie
in
allen wahren und
gläubigen
Christen
jedoch
mit unterscheid
gewest.
Es is t also eine neue Geist-Auffassung hier am Werke. Die Offenbarung ist
für sie
nichts
Einmaliges Statisches geschichtlich Abgeschlossenes Definitives
sondern in der Heilsgeschichte vollzieht sich eine fortschreitende Selbster
schließung
Gottes
in Form
immer
höherer Offenbarungen
und
in
Form
einer
immer umfassenderen Enthüllung des wahren Wesens aller Dinge Zwischen den
einzelnen Stufen dieser Offenbarung besteht ein innerer Zusammenhang: die
jeweils neue Erschließung ist nichts Fremdes gegenüber der alten, sondern ist
aus der alten heraus entfaltet und stellt historisch gesehen eine Vertiefung und
Verdeutlichung des Früheren
dar.
Das Spätere ist gegenüber dem
Früheren
nicht ein inhaltlich Anderes sondern dasselbe in einem helleren Lichte. Der
entscheidende
Schritt über
die kirchliche
Anschauung
von
der Prophetie hinaus
besteht darin, daß hier die Offenbarung Boehmes als die denkbar höchste
letzte umfassendste und vollständigste erscheint zu welcher der wahre ehrist-
1 das.
S. 71.
82
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob
Boehme
135
liehe Gnostiker vordringen kann. Boehme
bringt
die
Form der
Geist-Erkenntnis,
welche die
unmittelbare
Überleitung zu der Weisheit des Gottesreiches dar
stellt d. h. zu der Erkenntnis
der
seligen Geister. In seinem Evangelium be
ginnt das ewige Evangelium des Gottesreiches aufzuleuchten. Erst durch diesen
letzten Gedanken bekommt seine
Prophetie
die einzigartige Überhöhung gegen
über
der früheren Prophetie, indem seine Verkündigung als die in
der
Geschichte
nicht mehr
überbietbare
geistliche Einsicht der Endzeit erscheint.
Die besondere Auslegung, die Tschesch in diesem Zusammenhang Boehme
zukommen läßt, ist bezeichnend für den schlesischen Theosophen, dessen Geist
sich von den Lehren des Paracelsus, der Kabbala, der alchymistischen Er-
grÜndung
der
Geheimnisse
der
Natur
nährt.
Ihm erscheint die Boehmesche
Offenbarung nicht nur als der endzeitliehe Abschluß
der
theologischen Heils
erkenntnis, der
Einblick
in den
Ablauf
der Zeiten und
der
Auseinander
setzung zwischen Gottesreich und Satansreich,
der
sich
auf
dem Grund der
Geschichte abspielt, sondern sie erscheint ihm in einem viel stärkeren Maße als
Abschluß
der
naturphilosophischen
Entwicklung
der Menschheit. Was bisher
in einer
zum
Teil geheimen
Tradition
in
der
Arkanwissenschaft
der Pythagoräer,
des Zoroaster, des Hermes Trismegistos, der Kabbala verborgen lag,
das
wird
nun durch Boehme in der
letzten
Zeit der Menschheit ans Licht gebracht: die
wahre
und
universale Philosophie, die
mit
der wahren Gotteserkenntnis und
Naturerkenntnis identisch is t und die eine Aufschließung aller verborgenen
Erkenntnisse
bringt. Für ihn
ist Boehme in einem viel stärkeren Maße der
philosophus
teutonicus .
Seine Verkündigung
ist
ein
Schlüssel zu aller
Philosophia, sonders auffzuschlicssen die Philosophiam
Zoroastri Hermetis
Pythagorae
und
Platonis
als die Edelste und beste unter den allen . In dieser
universalen Philosophie fließen das Licht der Vernunft
und
das Licht der
Offenbarung zusammen.
In ihr
findet die natürliche Erkenntnis der Dinge, wie
sie in jedem Menschen vorgebildet ist, aber durch den Abfall des Menschen von
Gott
entstellt ist,
ihre
Erfüllung. Die Philosophie Boehmes is t also nichts
anderes als die . Philosophie
Adams ,
die Erkenntnis des wahren Zusammen
hanges aller Dinge
der Natur,
wie sie der Urmensch
vor
der
Empörung
gegen
Gott und
vor
der Verwirrung seiner
Vernunft
durch den Satan besaß. Deshalb
ist sie nicht nur universal hinsichtlich ihres Gegenstandes, indem sie den
wahren
Einblick in
das
Wesen aller Dinge bringt, sondern
auch
universal hinsichtlich
ihrer geschichtlichen Gültigkeit, weil diese Philosophie die letzte universale
ist
und
.in
ihr
alle Systeme des Wissens ihre Aufhebung und ihre Erfüllung finden.
Damit klingt schon der Grundgedanke
der
nachmaligen Geschichtsbetrachtung
des deutschen Idealismus durch: am Ende der Geschichte steht die Selbst
bewußtwerdung des Weltgeistes in der Eröffnung
der
universalen und wahren
Zentralwissenschaft . So schreibt Tschesch
von der
Verkündigung seines
Lehrers- :
1 Lilien Ztoeiq S. 48.
2 das. S. 11 u. 40.
83 )
10*
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136
ERNST
BENZ
Es
ist in Jacob Boehmens Schriften das qrosse Universal-Erkäntnüs des grossen
Beqreiffs GOttes
in
allen und. durch Alles
und
ist keine ErkäntnÜ8 dessen Grund
nicht darin gefunden wird. Und ist
dieses Erkäntnüs
und Licht
wegen seines
richtigen
demonstrirlichen Grundes
Universal
licht
und
weiten
Begriffs
das
e n i g ~ in
welche alle
Völcker
Türcken
Heyden
und Juden
auch
alle
Secten
und
Ketzer
wie
subtil
sie auch
seyn
mögen
mit Licht
und
vernünfftiger
weise
können überzeuget werden. In welchem dann
wenns verklehret
und
die
Zeit
erbohren seyn
wird
die Universal-Bekehrung aller Völcker es geschehe nun auff
diese
oder andere
Weise
doch in diesem Grunde
und
ein Licht eines
solchen
Erkäntnüs
zu seiner Zeit
erfolgen
wird.
So erscheint von
hier
aus Boehme in doppeltem Sinne als Abschluß
der
Geschichte der Offenbarung, sowohl auf dem Gebiet der Selbstauslegung des
Evangeliums in den Propheten und Aposteln, als auf
dem
Gebiet der Ent
wicklung der Philosophie. Historisch gesehen
heißt
das
für
Tschesch: in
Boehme
vollendet sich so,vohl die Entwicklungslinie
der
Gotteserkenntnis, die
sich
an
Luther
anknüpft
wie die Entwicklungslinie
der Naturerkenntnis
die
sich an Theophrastus Paracelsus anschließt. So mag hier als Abschluß der
prophetischen Auslegung Boehmes bei Tschesch die ausführlichste Beschrei-
bung
der
Heilsbedeutung
Boehmes folgen, wie sie im Zusammenhang in dem
Lilienzweig von I sehesch dargelegt wird}:
Lieber
Freund
dergleichen IVeite
und
TieDe der Erkändnus
und
Eröffnung der
Natur durch alles und gegründet in dem rechten Grund is t noch nicht offenbohret
worden
als
in
dieses einfeltigen
Mannes
Gabe
und
Schriften.
So
ist
auch
die
Zeit
noch nicht da gewesen aber es gehört noch ein höheres und
mehreres
darzu
nemlich die gemein Theologie des Evangelii
nach
dem lautem einfeltigen Sinn
wie es
vor
hundert Jahren
von
Luthero und
ausser
den Secten im
lautern Grund
Christi
nach Gottes
Wort
verstanden
worden Ob
sie
nun
wal
unter
einer
grossen
Decke lieget
wenig
erkant
viel weniger
Recht
zum
Reiche
Gottes
und Erkänd
niss desselbigen angewendet
wird
so hat sie doch den Schlüssel
darzu
wer
ihn
unter so grossem Missbrauch
nur finden könte
oder
wolte.
Es ist aber dieser liebe einfältige Mann der da nicht
studieret
von Gott dazu
erwecket
und
erleuchtet worden
den Grund
der Universal-Natur
eigentlich
und
wol
auss Gott
und
auff
Gott
gegründet
auch
zu Got t und der neuen
Geburt
gerichtet
keuscher und recht
christlicher
Weise sambt den Grund
der
wahren und
guten
Magie
herfür zubringen und
die
Falsche
in
ihrem Grund
zu
entdecken
wie solches
gantz
klärlich
in
allen Seinen Schriften zu
finden allda er einen weit besseren und
richtigeren
Grund
führet als der I heophrastus auch solches zu einem bessern
und
andern
Ziel richtet nämlich
auff
Gott von
dem
es hergeflossen
und
dahin es
wiedereinfliessen muss.
Nachdem nun der allgemeine Abfall der Kirche vorn Evangelium beschrieben
ist,
heißt
es weiter ) :
Diesem (Abfall) nun
zuvorzukommen
und solches
übel abzuwenden
hat
Gott
der Theologia vor
hundert
Jahren
erwecket
den
theuren Mann Lutherum
der
1 das. S. 11 u. 14. 2 das. 8.16-19.
84
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet Jakob
Boehme
137
uns
widerumb
zu
Gottes
\Vort und
der Heil.
Schrift
und in
derselben zu Christo
und
seinem.
Evangelio
gerufen und
uns das
grosse Geheimnus von
Christo
und
den Glauben an ihn
so reichlich gezeiget und aufgeschlossen
welches
ist ein
Aufschliessung des andern
Principii wie es
Jacob
Behm nennet
lohne welches
kein
wahres
und Seliges Erkennen ist
darinnen uns der wahre Grund / und das wahre
einige Mittel der wahren
Theologiae gezeiget
wird . Jetzt
aber zu dieser unserer
Zeit
da sich die Falsch
genannte
Philosophia
des
Edlen
Grundes des Evangelii
und unsers Glaubens bemächtiget
und
die
Vernunft
vermeinet mit ihrer Weissheit
und Künsten am höchsten gestiegen
zu
seyn
dass sie nicht
wol höher
hetten
kommen können Gott aber
und
seines Reichs in
uns
als des wahren Grundes aller
wahren Philosophiae und Weissheit fast gar vergessen worden
so hat Gott diesen
unsern lieben Jacob Boehmen einen
Einfältigen ungelehrten
Handwerksmann
/ der
da kaum schreiben können
erwecket
und ihn mit
einer 8
dlen
Gabe des Universal-
rkändnus
Gottes
und
der
Natur
begabet
und ihm
erzeiget
den Grund aller Dinge
wie
alls aus
Gott
herkommen
in
Gott bestehe und seinen ewigen
Urstand
doch
ahn
Anfang
in
sich
selbst
von
Ewigkeit
in
alle
Ewigkeit.
habe
aus
dessen
ewiger
Natur und Wesen
die
gantze Natur und Offenbarung Gottes so wol ins innere
als
eussere
herkommet
/ erbohren sey /
und
sich noch
erböhre
/ wie die zeitliche
atur
ans der Ewigen
die
Eussere aus der
Irinern
das
Sichtbare
aus dem
Unsichtbaren
das Sinnliche aus dem
Geistlichen
das
Untere
aus dem Oberen das Licht auß
der
Finsternuß
die
Zeit
aus der
Ewigkeit die Vielhei t
aus der
Ein igke it in ihrer
Analogia und Gleichhei t orbohren sey und solches alles auß
Gott
in
Gott
und
zu
Gott.
11.
Abraham von Franckenberg
1593-1652)
\Vas für
Theodor von T schesch
gilt, das ist in einem noch erhöhten Maße
für
den anderen Getreuen seiner ersten Schülergeneration zutreffend, den großen
Pansophen,
Kabbalisten
und Rosenkreuzer
Abraham von Franckenberq.
Auch
dieser delikate und
überschwengliche
Geist sah seinen Lehrer Boehme im
strahlendsten
und
allerreinsten Lichte.
Er hat ihm
das schönste
und
einzig
dauernde Grabmal gesetzt in seinem Gründlichen
und
wahrhaften
Bericht
von dom Leben und Abscheid des in GOtt seligruhenden Jacob Boehmens ,
der
vielen
der späteren
Druckausgaben
der
Boehme-Schriften beigegeben
wurde, In diesem Bericht erscheint Boehme gleich in den ersten Worten
als
der
von Gott
hochbegnadete Zeuge
und
Deutscher
Wundermann .
Die Dar
stellung seines Lebens is t ganz von
dem
Gedanken einer besonderen göttlichen
Auserwähltheit Bochmes beherrscht. Sie
ist
nicht
mehr
Biographie, sondern
Heiligen-Leben, nicht mehr Boehme-Geschichte, sondern
Boehme-Mythus,
Schon seine Namengebung wird als Hinweis
auf
seine zukünftige
Tätigkeit
verstanden. Jacob wird das kleine Kind genannt-
als
ein künftiger Untertreter
der
Esauitischen
Geburt . Das
Erlebnis des
Knaben auf
der
Landes-Krone,
wo der junge Boehme einen verborgenen Eingang ins Innere des Berges findet,
1
Historischer Bericht von dem Leben
und
Schriften des Deutschen
Wunder Mannes
und
Hocherleuchten Theo Philosophi Jacob Böhmens
Num. 1, 1 S. 3.
2 das.
Num. 1, 2 S. 3.
85
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138
EnNST NZ
wird
als
eine orbedeutung
auf
seinen geistlichen Eingang in die verborgene
Schatz-Kammer der
Göttlichen
und
Natürlichen
Weisheit und
Geheimnissen':
ausgelegt. Seine geistliche Entwicklung selbst wird
nicht
als Bruch mit einer
sündigen Jugend,
sondern
als
innerer
Aufstieg eines von Anfang an
begnadeten
Menschen, eines geisterfüllten- Übermenschen
verstanden.
Sie wird so dar
gestellt,
daß
Boehme, der
von
Jugend
auf
der
Gottesfurcht
in aller
Demuth
und Einfalt
ergeben gewesen , durch eine Reihe von
Erleuchtungen
bis zu der
höchsten Erkenntnis des Wesens aller Dinge geführt wird. Es ist von Anfang
an ein besonderes Gnaden schicksal, durch welches Boehme in die Schule des
Geistes
Gottes
genommen wird.
Franckenberg bemüht sich unverdrossen nachzuweisen, daß es dieselbe
Schule war ,
in welcher die H.
Patriarchen
Könige
/ Propheten
Apostel
und
Männer
GOttes
jederzeit gestudiret
und
dannenhero
das
Geheimniß des Reichs
und
Gerichtes
GOttes und Christi nachmahlen (wie auch Christus
die
ewige Weisheit
des Vaters selber) durch allerhand
Gleichnisse
und Figuren
geoffenbart haben. Die Analogie zu
den
Geistmännern
der alten
Kirche sieht
Franckenberg bestätigt durch eine Art Verkündigungsgeschichte, in der ein
geheimnisvoller Fremder den Knaben mit seinem Namen anruft und ihm seine
zukünftige Heils-Bestimmung verheißt
mit
den Worten :
Jacob Du bist kle in und
du
wirst gross
und
gar
ein
ander
Mensch
und Mann
werden
daß
sich
die
Welt,
Über
dir verwundern
wird
Die Deutung des Lebens Boehmes auf Grund seiner Auffassung als eines
gottberufenen
Propheten führt dazu, seinen
ganzen
Lebenslauf und gerade den
Abschnitt
vor seinem öffentlichen Auftreten
ins
Wunderbare zu erheben
und
zum typischen Prophetenleben umzugestalten.
Nach all dem ist es nicht mehr verwunderlich, wenn die spätere Verfolgung
Boehmes
durch
die orthodoxe Geistlichkeit ganz im Licht des
Kampfes
zwischen
dem Fürsten der Finsternis
und
dem FÜrsten des Lichtes dargestellt wird .
Worau s zu
sehen
wie
der
Fürst
der
Finsterniß
/
als
ein abgesagter
Erbfeind
des
wahren
Göttl ichen Lichts /
durch
das nunmehr je
länger
je klärer sich offen
bahrende
Geheimniß
der
Bosheit
in
seinen
Glidern
und
Werkzeugen sich
wider
alles
was GOtt
Gut
/ oder Gottes heisset ja
wider
und über Christum ganz
1
das. Num. 1, 4 S. 4.
2
Neben
den
Attributen hocherleuchtet und ,,\Vunderlnann hat
Abr.
v. Fr.
auch
den
Begriff
übermenschlich
auf
Jacob
Boehme angewandt, u.
davon
des.
Nosce te psu
1676
p.
9. Davon
auch obbemeldter
seeliger Jacob
Boehm an
seinen
übermenschlichen Schriften
unwidersprechlich
bezeuget ,
s.
ERNST
BENZ,
Der christliche Übermensch
in:
Konkre te Vernunf t, Fes tschri ft für
E.
Rothacker.
Bann
1958, S. 190.
3
tu« erichtNum.
1, 7 S. 5.
4 das. Num. 1,
8 S. 5/6.
5 das. Num, 1,
9 S. 6.
6 das. Num. 1, 14 S. 9.
86
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Der Prophet Jakob Boehme
139
freventlich vergessen
und
boshaftig doch blinderweise setzet / und n icht ruhet
bis er sein
Mühtlein
gekühlet
und
den Unschuldigen
gefället.,
Auf die Darstellung seiner Werke folgt dann eine weitere mythische Deu-
tung.
Franckenberg erzählt
im Anschluß an seine
Begründung
der
echten
Inspiriertheit Boehmes die Geschichte von einem
fremden
Sophisten , der,
wie weiland Sirnon
Magus
dem
Apostel
Petrus,
Boehme vorschlug, er möge
ihm
solchen besonderen Geist
auch
geben / oder um Geld hinterlassen
worauf
ihn
Bochme
zunächst
abweist,
dann aber, da
der
Fremde immer mehr
in ihn dringt, schließlich
1
im Geist ergrimmet ihn bey der rechten Hand gefasset stark angesehen und
gehalten in willens ihm den F luch in seine verkehrte Sele zu wünschen.
Im Anschluß daran wird erzählt, daß Boehme
auch
die Gabe
der Prophetie
im gewöhnlichen Sinne besaß, kraft derer er
auf
wiederholtos
Drängen
schließ-
lich einem
Edelmann
seine schreckliche
Zukunft
voraussagtet,
,velchos
denn
auch alles wahrhaftig erfolget ist .
Auch sein Tod trägt ganz
den
Charakter
des Wunderbaren
und
Außergewöhn-
lichen, indem nämlich Bochme vor seinem Abscheiden eine Überirdische Er-
quickung durch eine himmlische Musik empfindet ,
derogleichen
Euthanasia
cum
Athanasia
oder
seligen Anblick
und
Vorschmack
bey den alten frommen und einfältigen Christen
wol
viel gemeiner und bekanter
als bey unsern heutigen
nur
aufs
äussere
Gesperre
und
Geplerre verleiteten Welt-
Phantasten
gowesen
wie die
Exempel der
Heiligen
und
Seligen in
GOtt
ihrem
heiligen Sabbath und
Zebaoth Entschlaffenen anderwärts zu satter
Genüge
be-
weisen.
Den Ausklang dieses Prophetenlebens bildet eine ,,\Varnung an die Lästerer ,
in der
im
Anschluß
an
die
Selbstdeutung
Boehmes noch einmal die Mahnung
ausgesprochen wird, man solle sich
nicht
an der
Einfalt
Boehmes stoßen, da
es ja die gewöhnliche
Art
Gottes sei,
der Welt
wider den
Strich
zu handeln ,
Sintemal es
Gott
nach seinem weisen Raht und gnädigen
Willen
also
gefallen
nicht
was hoch
/
was
mächtig
was edel
was
weise
was reich
was
etwas etc .
sondern was
niedrig
was schwach / was unedel/was töhricht was arm und nichts
vor der Telt ist zu erwehlen auf
daß er
zu Schanden mache was hoch
und
gewaltig
ist.
Denn
den
Hofärtigen widerstrebet
GOtt
und stöst die Gewaltigen von
dem
Stul :
Aber
den
Armen erhöhet
er
aus dem Koht
und. den
Demütigen
gibt Er
solche
und andere Gnade;
Wie
hie von die Menge der
Geistlichen
und Welt.liehen
Exempel lind Historien zu voller
Genüge
bezeuget
nemlich daß GOtt die Person
nicht ansihet sondern aus
allerley Volke
Geschlecht Sprachen Ständen; wer
Ihn fürchtet und recht tuht
der
ist Ihme
angenehme;
also daß es ihme leicht ist
ans einem Hirten wie
Amos,
einen Propheten oder wie
David
einen König :
I tem,
ans einem
Zöllner
wie
Matthäus
einen
Evangelisten
aus einem
ungelehrten
Idioten
1
das.
Num.
1, 22 S. 13. 2 das.
Num,
1, 23 S. 15.
3
das.
Num. 1, 31 S. 18/19.
4
das.
Num. 1, 41 u. 42 S. 21/22 und 47 S. 23.
87
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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140
ERNST
BENZ
und Fischern wie Petrus und Andreas Jacobus
und
Johannes waren / erleuchtete
Apostel
oder aus einem Verfolger und
Handwerker
wie
Saulus einen
Paulum,
und
u ~ r w h l t n
Rüstzeug:
Dergleichen aus einem armen lahmen Schuster / wie
unter Juliano Apostata
einen
Vorbäter und Wundertähter zu erwecken; und
in
Summa
aus
dem
Nichts
ein
Etwas ja alles zu machen was Er selber wil
Gelobet sey
der HErr
der allerhöchste
der
diesen
erniedrigt
und
jenen erhöhet
uni
gibt seinen Geist
w n
un
wem er wil
/
aufdaß sich vor
Ihm
kein Fleisch
rühme.
Abschließend folgt ein Weheruf Über Deutschland ,
unser
zerstöhrtes und
so geist- als leiblich
verwüstetes Vaterland Hochdeutscher Nation ,
das sich
gegenüber dieser Prophetie so undankbar verhalten
und
seinen
Kronpro-
pheten von
sich gestoßen hat, und
der
Hinweis auf die zukünftige glorreiche
Eröffnung der verborgenen Weisheit
der
Schriften Jal{ob Boehmes
und
der
endzeitliehen
Enthüllung
seiner geheimen '\\Tissenschaft,
denn
aus
Babel ,
der
zerteilten, fleischlichen
weltförmigcn,
entarteten
Christenheit
ist
keine
Erleuchtung
zu erwarten: eine solche
kommt
nur von dem, in dem der echte
Geist Gottes
und
die echte Weisheit Christi lebendig ist.
Die Auffassung, die Abraham
von Franckenberg
in seiner Lebensbeschrei
bung
Boehmes
ausgesprochen
hat,
beherrscht auch seine übrigen Schriften.
Es
erübrigt
sich, hier sämtliche Aussagen zusammenzutragen, in denen er sich
über
seinen hochwerten Lehrer äußert ,
Die genannte Auslegung
Boehmes
ist in den späteren Boehmc-Biographien,
die
aus
dem
älteren
Schülerkreis Boehmes hervorgingen, noch weitergeführt
und durch zahlreiche Züge bereichert worden, Am auffälligsten ist wohl die
Zusammenstellung einer Reihe von Geschichten, in denen sich bekundet, wie
die Verfolgung des
Propheten
von Gott als Sünde wider den Heiligen Geist
beurteilt wird und die
furchtbare
Bestrafung des Verfolgers
nach
sich zieht.
In
der 5. Nummer
der
Beiträge zum Leben
un
den Schriften Boehmes in der
Gichtelschen Gesamtausgabe sind mehrere historische Merkwürdigkeiten zu
des Autoris J B. Lebens-Lauf gehörig zusammengetragen.
Unter
diesen
Merkwürdigkeiten erscheint
auch
ein
Abschnitt
mit
ExeInpeIn
göttlicher
Gerichte Über die Verfolger . Darin wird im Stil des altkirchlichen Themas:
De mortibus persecutorum berichtet, wie
der Hauptverfolger
Boehmes, der
Görlitzer Primarius
Gregor Richter
habe drei Monate vor Boohme diese
Welt verlassen müssen , wie dessen Sohn die Schuld, die sein
Vater
durch
Verfolgung Boehmes auf sich geladen hatte, nach einer Zerschellung seines
Herzens wieder gut zu machen versuchte und ein Register der Materien aller
Schriften Boehmes publizierte. Weiter wird eine Geschichte erzählt , wie ein
eifernder Geistlicher,
der
auf
der
Kanzel
gegen
Jakob
Boehme
wütete,
bey
das.
Num.
1,49
S. 24.
2 Sie schildern alle Boehme
als
hocherleuchtet und
Bringer
einer
neuen
Offen-
barung. 3 Hist Bericht
Num.
5, 9 S. 57.
( 88 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet Jakob
Boehme
141
gesundten Tagen / wider seinen gehabten
humeur
urplötzlich erschrecket /
und
noch seIbigen
Abend von
dem strengen
Richter
dermassen ergriffen worden /
daß er vierzehn Tage lang die Augen nicht dürfen
zutuhn
/ fals er nicht von
innen die förchterlichsten Höllen Gestalten
und
eine Entsetzung
mit
Sehreyen /
Gelffen
und
Furcht wollen inne werden , bis er schließlich nach Erkenntnis
seiner Schuld seinen Geist aufgab. Als
dritte
Geschichte folgt die
Erzählung
von
einer
schwer angefochtenen noch lebenden
Person
/ die ihres verstorbenen
Vaters gleichen Misgriff und offentliehen Gegensatz wider unseren Zeugen
GOttes und seines Christi
Jacob Bochmen / empfindlich
tragen
mus. Auch
das merkwürdige Schicksal
der
Handschriften Boehmes und ihre wunderbare
Wiederauffindung muß dazu dienen, den außerordentlichen Charakter von
Person und Werk Boehmes zu unterstreichen.
111. Quirinus
Kuhlmann
(1659-81)
Trotz
dieses eifrigen
Kampfes
für Boehme wird
Abraham von Franckenberg
noch an enthusiastischem Eintreten für die Lehre und die Person Jakob
Boehmes von einem anderen Boehme-Jünger übertroffen,
und
zwar von der
eigenartigsten und
extremsten
Gestalt aus dem Kreis der älteren Boehme-
Schule, von Quirinus Kuhlmann aus Breslau, dem seine Zeitgenossen den
Beinamen Fanaticus gaben und den seine Endzeitverkündigung und seine
Predigt vom
Anbruch
des Reiches der universalen
Erneuerung
des Wissens
und
des Lebens
an
alle großen Höfe seiner Zeit
und
in alle
Zentren
des euro-
päischen Lebens, nach London, Amsterdam, Paris, Marseille, ja sogar nach
Moskau führtet.
Quirinus
Kuhlmann
wurde in
Jakob
Boehmes Schriften durch den Kreis der
Amsterdamer Propheten eingeweiht, dessen Häupter Rothe Breckling Gifftheil
und
andere ,Fanatici , Schwärmer
und
Spiritualisten
der
zweiten
Hälfte
des
17.
Jahrhunderts
waren. Dies geschah zu einer Zeit, in der sich
Kuhhnann
bereits von der orthodoxen Schultheologie der protestantischen Universitäten
1 Neuere Forschungen
über
Quirinus
Kuhlmann:
BEARE, ROBERT L Q. K Ein
biblioqrophischer Versuch in: La
Nouvelle Clio 6, 1954, S. 164-182;
BOCK,
CLAUS
VICTOR Quirinus Kuhlmann
als Dichter
in: Basler Studien zur deutschen Sprache
und Literatur, Heft 18, Bern
1957;
ERK,HEINRICH
Offenbarung
und
heilige Sprache
im Kühlpsalter Q. K
s Diss.
Göttingen 1955; ESCHRIClI KÄTHE, Studien zur geist.
liehen.
Lyr ik Quirin Kuhlmanns Diss. Greifswald
1929;
FLECHSIG , ROLF , Q K
und
sein Kühlpsalter
Diss. Bonn 1952,
Maschinenschrift;
HELLER SEBASTIAN, K
Gedenkrede
zum
300iährigen Geburtstag in:
Castrum Peregrini
Heft
2, S. 5-36,
Amsterdam
1951;
MÜSSLE,
HANS,
Quirinu8 Kuhlmanm;
Trinität
als
Existenz
Diss,
München 1954;
PEUCKERT VILL-ERICH Q K
Schlesische Lebensbilder
hgg.
von
der
Historischen
Kommision für
Schlesien,
Bd.
3, Breslau 1928, S.
139-144; TSCHI-
ZE VSKIJ; DMITRIJ ,
Böhme
in Rußland
in:
Evangelium
und
Osten 9, 1935 S. 175-183
und S. 200-205; ders.:
Zwei
Ketzer in
Moskau
Kyrios,
Vierteljahrsschr. Kirchen
und Geistesgesch. Osteuropas
6, 1942/43
S.
29-46.
89 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 90/121
142 ERNST NZ
Leipzig und
Jena
abgekehrt hatte und eine
Erschließung
der Wahrheit der
christlichen Offenbarung jenseits der dogmatischen
Lehrstreitigkeiten
der
Kon
fessionen und Schulgruppen suchte. Das Studium Boehmes, auf den er
erst
in Holland durch die genannten Schwärmer gewiesen wurde - die
Nach
wirkurigen der ältesten Boehme-Gemeinde .Beyerland Franckenberg Tschescli}
aus
der
ja
auch
die
älteste
Druckausgabe
von
Boehmes
Schriften hervorging,
waren
dort
noch lebendig bildete für ihn die lang ersehnte Offenbarung des
V c s e ~ s
aller Wesen ; aus Boehmes Schriften lernte er den heilsgeschichtlichen
Charakter seiner eigenen
Zeit und
die Aufgabe, die er selbst in ihr zu erfüllen
hatte, kennen; auf Boehmes Schriften gehen die
wichtigsten
Impulse seines
Erwählungs- und Sendungsbewußtseins
zurück. Er selbst berichtet über diese
Begegnung
mit
Boehmes Schriften folgendermaßen :
In Holland
las ich Jacob
Böhmens wunderschriften,
ob
denen
er
bei
den
Aus
..
l ändern den
tittel
des
Teutschen
Weltweisen
verdient .
Diese
Schriften erwecken
in ihm die Erkenntnis, daß Boehme tatsächlich Einblick in die Geheimnisse der
le tz ten Zeit
gehabt
hat. Er
findet in seinen
Schriften
dio Bestätigung und Be
kräftigung seiner eigenen
Ahnungen.
Darum
bestürzte
mich
der hocherleuchtete
Böhme sehr
gewaltsam
wi
ich ihn
vor
etlichen Monathen überkam zumahl
weil
ich
solchen
zu vor ni
gesehen
oder
auch
von ke inem eintzigen Gelehrten mit
denen ich noch umgangen
des
li
ben Mannes erwehrtet
gehöret
Ich vernahm
von
unsere teutschlandes neuen Himmelsschiiler meine eigengründe di
mir
der
Aller
höchste wunderbar
gezeiget
l der vilmehr feste Beweisthümer derselben
dadurch
ich
gedachte zur
Gottesehr
und Menschenlehre
nach
dargestellten
irrthümern
alle Wissenschaften mit viI tausend erfindurigen zu bereichern und in
einer
bisher
unerhörten Lehrart darinnen
das
große
Weltcentrum
verborgen
den
Unterschied
zwischen wahren und
falschen Christlichen
und heidnischen
\ViSS L
zu eröffnen.
Indem
Kuhlmann
seine eigene Zeit als
die längst
verheißene
Endzeit
der
Welt- und
Heilsgeschichte versteht, erscheint ihm Boehme als der eigentliche
Prophet dieser Zeit, als der Elias, der dem Kommen Christi vorangeht. Daher
ist auch die erste
Frucht seiner
Bemühung um die
Enthül lung und
Auf
schließung der Boehmeschen Prophetie eine von ihm veranstaltete Sammlung
sämtlicher Verheißungen,
auf
die er bei
der
Lektüre der
Boehmeschen
Schriften
aufmerksam wurde. In der
von
ihm veröffentlichten Amsterdarner Boehme
Ausgabe hat er hundertundfünfzig Weissagungen Boehmes zusarumengostellt :
Jakob Böhmens OL. lVeissagungen
und
Offenbarungen der Güldenen Lilien
und
Rosenzeit / oder / der Glorwürdigsten Jesus-Monarchi / von Quirino
K
uhlm nn
aus den Böhmischen Schriften zusammengezogen
und in
diese
1 Die folgenden
Zitate entstammen
dem einzigen in Deutschland erhal tenen
Exemplar
des
Neubege-isterten
Bö/une
Leiden
1674,
aus
der Bibliothek August
Hermann Franckes, nunmehr
Bibliothek des
Hall. Waisenhauses, Hal le /Saale ,
dessen 15. Kapitel Jacob
öhmens
cl Weissagungen
und
Offenbarungen als
gesonderte Schrift Amsterdam
und
Frankfurt 1675 und 1698 erschien. Exemplare
der Leidener Ausgabe des Neubegeisterten
öhme von
Leiden
1674
finden sich
sonst
nur noch
in den Universitätsbibliotheken von Amsterdam, Basel
und Lausanne.
90 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet
Jakob Boehme
143
Ordnung gebracht
/ auch umb
besser Unterrichtunq
uiilleti in
X Capittel
unterschieden Lugd atav nno
MDGLXXIV
Diese Sammlung bringt eine übersichtliche Ordnung in die Boehmschen
Endzeiterwartungen, und zwar in folgender Einteilung:
Das I. Capittel. Es
ist
eine gantz andere Zeit
vorhanden
vor
welche und
von
welcher
als
die
Erstlinge
auch
die
Böhmische
Schriften
geschrieben.
Das Capittel.
Der
siebende Engel hat geposaunet: Das
siebende
Siegel wir
eröffnet
und
der Signat-
Stern ist
erschienen
und
scheinet noch.
Das Capitte l. Die a lle rletz te Zeit
wird
bald
anbrechen und eröffnen sich
alle Verborgenheiten
weil
die Wiederbringung
aller
Dinge herzu nahet .
Das IV. Capit tel. Alle Weltliche werden fallen sobald es
in
Mitternacht
taget:
das
Pabstthum /
Türckenthum nebenst
allen Secten
und Religionen
erlangen als-
dann ihre
gewisse
Endschaft.
Das
V. Capittel. Henoch
soll
wieder erscheinen mit Noah Il\ioses Elias und
wird
Elias Feuerzeichen
der Welt zum
Zeichen gegeben.
Das
VI.
Capittel.
Die
Zerbrechung
der
grossen Stadt
abel derverwirrten
Christenheit
stehet
für
der Thür;
alle
Secten sollen bald entsectet
werden.
Das VII. Capittel. Es
wird
in kurtzen der Antichrist
sammt
der Thiere der
Huren und falschen Propheten
von
einem
Jünglinge werden
entdecket und
erstecket.
Das VIII. Capittel. Ein grosser König und Beherrscher des Erdkreises wird ein
wenig
Über
den Mit tag
des
6. Tages
gebohren:
Grosse Helden
sind tun ihn Pro
pheten
weissagen von
ihm
und
sein
Glantz gehet
vom
Aufgang biß zum Nieder ..
gang.
Das
IX. Capit tel. Die
Juden
Türcken und
Heyden
Bekehrung
ist
stracks zu
erwarten:
ein Hirte wird die Völcker in
eine Heerde
versamlen
Das
X.
Capittel.
Das
Geheimniß
des
Jesus Monarchi oder
Reiches
GOttes wird
werden vollendet
um
Sieben
und
Zehen
Uhr
und
wird seyn darnach
eine
HÜtte
GOttes bey
den Menschen.
Kuhlmann
stellt in dieser Schrift die prophetischen Stellen der Werke seines
Meistcrs zu einem
Kanon
zusammen, der für ihn den Schlüssel für die Erkennt
nis und die Heilsaufgabon seiner eigenen Zeit bildet.
Der
Sammlung von
Bochmes
Prophetie
schickt er eine
Einleitung
voraus, in
der
er
auf
ihre heiIs-
geschichtliche Bedeutung
und
ihre nahe Erfüllung hinweist.
Diese Einleitung
beginnt mit
einem
kühnen
Angriff auf die geistlichen
Führer
Deutschlands, die die Verkündigung Boehmes unbeachtet ließen und die heils-
geschichtliche
Stunde Deutschlands
verkannten.
Vor allem wendet sie sich
gegen die protestantische Orthodoxie, die
über ihren
eigenen Schulstreitig-
keiten den großen
Propheten
der Zeit, Boehme, übersehen hat.
So
etwas
in
des hocherleuchteten
Jacob
Böhmens Schriften
bishero gantz
mi
ßverstanden oder
verborgen
so
sind
es
dessen
Weissagungen
und
Offenbahrungen
gewesen
in denen
doch
di
allerschönste Harmonie mit dem überaus
prächtigen
Jesusreiche sich
befinden. Denn
seine
Lilien
/
und
Rosen-
Zeit
ist
nichts anders
als di fünfft Monarehi
und
was noch mehr
ist hat GOtt einen unqelahrten
Mann
bloß dessenwegen erkieset
daß
er die Gelährten von dieser
Zeit
überzeuge DeineWorte
hochglückseeliger Böhme werden nunmehr allzuwahr erfunden
und so
muß
dich
91
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 92/121
144 ERNST NZ
Teutschland
es wolle oder wolle nicht
wol vor seinen Propheten als TVeisen
erkennen. Es sind noch nicht
vollkommen funffzig
Jahr
verflossen von
seiner
seeligen
Paradiesreise
so schauet
man
allbereit di herzunahende
Vollendung deiner
edlen
Lilien von welcher du so prächtig schriebest so mächtig jauchzetest.
Besonders gegen den Görlitzer Ketzermacher.
Gregor Richter
wendet sich
seine
Anklage:
Siehe 0 Görlitz was dein gottloser Gregor Richter
gerichtet
nun
die
Böhmi
schen
Weissagungen
der gantzen Wel t zu einem
unpartheischen Urtheil
übergeben
werden Wir
auskernen
aber dijenigen unter ihre
anständigsten Titeln und konnten
wir nicht die Ordnung
welche
der Heil . Gei st im
dictiren
mit ihm gehalten in
deren
Vortragung
halten
die wir doch geha lten und behalten sondern Behalten.
Der
zukünfftige
König
aller
Könige und
Herr aller Herren
Jesus
Christus
flasse
jedem noch blinden Leser die Verstandes-Augen aufgehen
und
mache sie tüchtig
zu
seinen geheiligten Dienstknechten
damit
sie
erkennen dass
si
sind
zu
dem
grossen
Abendmahl
mit
gerufen
von
dem
sie
mit
ewiger
Gefahr
sich
absondern
werden.
Boehme ist
hier
also wirklich als Prophet, d. h. als
von Gott
in der Vollmacht
des Heiligen Geistes an die deutsche
Nation
gesandter Verkünder neuer gött-
licher Offenbarungen
verstanden,
so sehr,
daß
Kuhlmann allen denen, die den
Bußruf und die
Verheißung
Boehmes
überhören,
das Gericht des in seinem
Gesandten
verletzten
und mißachteten
Gottes
verkündet, das über Deutschland
kommen wird,
Dies
Blatt
sei
Zeuge
zwischen
mir und dir
0
Europe
und
dessen Edelgesteine
Teutschland.
Ich
bringe wider
als
ein getreues
Landeskind
was du bisher mit
deiner
ewigen
Schande verschmähet
um deine
Schande
von
dir zu
nehmen.
Wirstu
den liebesseeligsten
Böhme
gleichfalls deinem Sohne folgen wohl
dir:
du
wirst
dich großen
Seegens
theilhafftig machen. Wo du aber diso Weissagungen
nun
ver-
schmähest
da
sich das Gerichte all bereit in dir
und ausser
dir
öffnet
Wehe
Wehe
Wehe
dir:
du wirs t
mit Jammern und
Heulen von
des
Gewaltsamen Gottes Zorn-
Feuer
verzehret
werden. Wolan :
thue was dir
gefällt.
Daraufhin folgen die zehn Kapitel der Verheißungen Boehmes, die als eine
Aufforderung
Gottes zur
inneren Bereitung
der
Gläubigen
auf
die
kommenden
Endzeitereignisse verstanden werden. Zum Schluß
wird der
Gedanke des An-
fangs nochmals in seiner
bedrohlichsten Form und
in seiner unmittelbaren
Bezogenheit
auf
Deutschland ausgesprochen. Boehme erscheint von neuom als
der Iuonprophet Deutschlands und hat eine bestimmte
Sendung
gerade an
sein
Vaterland.
Also
endigen
sich
di
hundert
und fünffzig IVeissagungen und Offenbarungen
welche autJ ntrieb seines
IV
underqeietee der hocherleuchtete Böh1ne
als das aller
stärkeste
eugnis
von der Jesue-Monarchi überlassen
und
erscheinet
aus
dem
jenigen
Sonnenhell
warum
dem
Allerhöchsten belibet mit einem
so
einfältigen
Manne der
Hochschulen Thorheit und Untergang anzukündigen. Ich
erfreue
mich auch nun
mehr Über meine wiwohl
eilfertigst
geschehene Zusammentragung
im Ausgang
sattsam befindend
wie eine
Weissagung der andern
ein so
klares
Licht aufstecke
in den allerdunkelsten
Oertem
und das heilige J erusalem gewaltsam bestätige.
92 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet Jakob Boehme
145
0 Teutschland I Teutschland / mercke es wohl I was dein Kronprophet Böhme
geweissaget bedecke es
wohl/was dir
hi mit offenbaret Es gehet dein zeitliches und
ewiges Heil an
I du magst
dich dawider
auflehnen I
wi
dirs belibet / es stehet auch
gantz deutlich
unter
dunkelen Zeichen di
Zeit angedeutet des
Babels-Gerichts I und
wird zum allerletzten mit solcher Krafft gerufen
I
um alle Entschuldigung dir zu
entreissen I dergleichen
noch nie geschehen.
Sihe
Böhmens
Schriften zeugen wider
dich.
Innerhalb
der
Boehmeschen Prophetie
ist
also
nach Kuhlmanns
Meinung
Deutschland eine besondere Heilsmission in der endzeitliehen Enthüllung der
göttlichen Offenbarung zugewiesen. Dabei wird der Gedanke ausgesprochen
der für Kuhlmann später selbst
zum
Anlaß der Unruhe seines ganzen Lebens
ge vorden ist: wenn
Deutschland
diesen Kronpropheten trotz aller Gerichts
drohungen hartnäckig verwirft so
ist
ihm Kuhlmann, die Pflicht auferlegt
die Boehmsche Prophetie wenigstens in
anderen
Ländern zu verkündigen von
denen
dann das
um seine eigene Sendung sich betrügende Deutschland die
Heilsbotschaft Boehmes zurückholen muß.
Was
wollen
wir dir I 0 Teutschland I solche
tieffen
erklaren I
da wir
noch nicht
wissen I wi
du
gegenwärtiges
einfältige
wirst annehmen? Wisse I dass
wir
alles
das jenige I durch di unaussprechliche
Jesusgenade
I vor
der
gantzen Welt Augen
weisen können zur
Jesus-verherrlichung
I
was dein hocherleuchteter Prophet
vor
geweissaget An dir ist
Teutschland I di Offenbarung gelegen:
Wirstu
mi t unnötigem
Zancken I Streiten I
Lästern
I Verleumden I
meine
von GOtt empfangene Gabe
wollen
verdunckeIn
I gehet
diser Weissheitsstrahl vo r d ir vo rüber
I weil
du keinen
friedsameren Menschen
in
dir
erzeuget
hast
I
und
wende
ich
mich
zu stockfremden
Völckem I von denen du es alsdann hohlen
wirst
müssen.
Als
Kuhlmann
mit seinem Boehme-Evangelium dann tatsächlich von
den
Führern der deutschen Theologie
und
von
den protestantischen Fürsten, an
die er herantrat, abgewiesen wurde und er es erleben
mußte,
daß Deutschland
seinen ,Kronpropheten' verstieß machte er sich auf das Endzeitevangelium
von der Lilienzeit
und
der Jesusmonarchie anderen Ländern' zu verkündigen
zuerst den Engländern dann den Franzosen
dann
den Türken schließlich den
Russen denen er als
erster
deutscher Slavophile die
Botschaft
predigte sie
hätten die Mission die Universalkirehe der
letzten
Zeit und das Friedensreich
in
Europa
aufzurichten.
Diese bisher besprochene Schrift ist selbst nur ein Teil einer viel umfassen
deren Schrift die von Kuhlmann als Ewiges Evangelium der letzten Zeit
entworfen war. Was er nämlich in
der
Veröffentlichung der 150 Weissagungen
Boehmes in einigen wenigen Einleitungssätzen ausgeführt hatte, das stellt er
in seinem Hauptwerk in
Form
eines umfangreichen Buches dar: den Beweis
nämlich daß Boehme der Kronprophet seines Jahrhunderts sei und daß sich
nunmehr alle seine Verheißungen durch
ihn,
Quirinus
Kuhlmann,
erfüllen
werden. Dieses Hauptwerk Kuhlmanns trägt
den
erstaunlichen und auf
regenden Titel:
Der neubegeisterte Böhme
/
begreif end hundert fun zig Weissagungen
mit
der
Fün ten
Monarchi
/
oder dem
JESUS REIOHE
des Holländischen
93
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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146
ERNST BENZ
fropheten
oan Rothens übereinstimmend
/ und
mehr als
1
Theologische Fragen
/
allen Theologen und Gelährten zur
eamiuiortumq
vor-
geleget
wiewol nicht eine eintzige ihnen zu beantworten
/
wo sie heutige
Schulmanier sonder GOttes Geist folgen arinn zugleich der lang ver-
borgene LUtherische Antichrist abgebildet wird
Zum
allgemeinen besten der
höchstverwirreten Christenheit
in
einem freundlich
sanfften
und
eifrig feurigem
Liebes Geiste ausgefertigt an des Luiherthums
Kön ·ge /
Churfürsten
/ Printzen
und Herren / wie auch allen Hoh Schulen und Kirchen Gemeindem Europens
Leiden
1674
Die
Einleitung bildet
eine
Widmung
an einen
Rostocker
Universitätsprofessor
den
Theologen
Johannes
Müller Die
Schrift wendet
sich also
an
die pro-
testantische Orthodoxie
und
ist
zugleich
als verbindliche
Geste gegenüber
der
orthodoxen
Reformpartei gedacht;
diese
Partei
wird
ermahnt
die
Prophetie
Jakob Boehmes
nicht längerhin über dem Gelehrtenzank
zu vernachlässigen
sondern
seine
Verheißungen und
Mahnungen
zu beherzigen
um
so
mehr
als
sie die
Reformvorschläge
der lutherischen Orthodoxie
selbst aufgreifen und
weiterbilden
Anschließend folgt in
zwölf Kapiteln
eine
ausführliche
Apologie Jakob
Boehmes
und
eine
Verteidigung
seiner
Rechtgläubigkeit ZUlU
Teil in
der
Form
daß eine
innere Übereinstimmung
zwischen
den Reformvorschlägen Boehmes
und Iohannes Müllers
besteht.
Hauptsächlich
die
ersten fünf Kapitel
be-
schäftigen sich
mit
diesem Nachweis
der Übereinstimmung
Boehmes und
der
Reformgruppe
der Orthodoxie. Im
sechsten
Kapitel behandelt dann Kuhl-
mann
die
Frage:
\Vas
von Böhmen
und seiner
Erleuchtung
zu halten fund wi Böhme
zu
seiner
Erleuchtung kommen
f
vor Dresden
im Examen
vor acht vornemen
hinberuffenen
Theologen
und Gelührten wolbestanden gelebet und gestorben und
zukünfftige
sachen warhafftig
geweissagt.
Nach
dieser
Darlegung
der Erleuchtung Boehmes wird
im
siebenten Kapitel
ausführlich
davon gehandelt Böhnle habe
GOtt von GOtt
erkennet
/
aus
GOttes
Geist geschriben /
und
was er selber
von
seinem Schreiben
bekennet .
In den
folgenden
Abschnitten
werden die
Hauptpunkte der
Verkündigung
Boehmes apologetisch
behandelt.
Das
8 Capitel. Böhme
hat
eine rechtschaffene Gotteslehre und haben Päbstler
Lutheraner
Reformirten
keinen wahren
Verstand
vom Heiligen
Abendmahl
wi
erweiset.
Das 9
Capitel. Wi
Böhme
den
wahren Antichrist anzeiget und woraus di
Christenheit verderbe daß si zu einem Babel
und
behausung
aller Teufel
worden.
Das
10
Capitel.
Böhmens
wahrheit
in allen
Puncten
erwisen
die
gefärliehe
Zeit
angedeutet
/ und wi der Autor in aller
Wissenschaft
Philologi f Philosoph i
Theologi J Iurisscientz Il\Iedicin lautere Falschheit
angetroffen.
Nach
einergenauen
Abgrenzung derLehrenBoehmes
gegenüber
den
Anschau-
ungen der
führenden zeitgenössischen Gelehrten
heißt
es
dann
im 12
Kapitel:
94
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet Jakob
Boehme
147
Wi der
Autor
di wahre Weissheit in der heiligen Schrifft Natur und Menschen
gefunden aller Falschheiten Ursachen gesehen
mit
Böhmens Gründen gäntzlich
eh
er
Böhmen
geschauet
/ eingestimmet
und
sich verwundert
daß
Böhme ver
worfen
von
den
verblendeten
Teutschen
da er doch wi
Arnd
gleiches
Christen
thum treibet. Di
Ursachen der
Verwerfung
entdecket.
Hierauf
erfolgt eine neue
Wendung
der
Gedankenführung:
die
Wahrheit der
Prophetie Boehmes
wird
nämlich dadurch erwiesen
daß
ihre Übereinstimmung
mit den Verkündigungen neuer Propheten des
Johann
Rothe
und
des
Johann
Cornelius Hasevens zweier Zeitgenossen
Kuhlmanns und
Mitglieder der Spiri
tualen-Gemeinde Amsterdams aufgezeichnet wird. So überzeugt ist also Kuhl
mann
von
der Lebendigkeit und
Gegenwärtigkeit des prophetischen Geistes
daß er die Wahrheit des einen Propheten durch die Wahrheit des a nde re n
bestätigt
und
bekräftigt sieht. Dies geschieht in dem 13.
und
14. Kapitel.
Anschließend werden die 150 Weissagungen Boehmes abgedruckt und zwar
in
der
Anordnung
und
Reihenfolge die
Kuhlmann
schon in
der
Sonder
veröffentlichung dieser Weissagungen in seiner Boehme-Ausgabe vorgenommen
hatte. Hernach wird eine genaue Übereinstimmung der Verheißungen des Pro
pheten
J ohann Rothe
mit
den
Offenbarungen Boehmes bewiesen und zwar
in
der
Art daß die Verheißungen Rothes
unter
den gleichen Gesichtspunkten
und in der gleichen Anordnung wie die Prophetien Boehmes zusammengestellt
werden.
Damit
geht
Kuhlmann
zu dem wichtigsten Punkt seiner Verkündigung über:
in Boehmes Weissagungen
hat
sich die Heilsgeschichte
und
die Selbstenthül
lung und Weiterbildung der göttlichen Offenbarung in
der
Geschichte über alle
früheren Stufen der Offenbarung auch über die
Erkenntnisse der
Reformation
Luthers
hinaus entwickelt. Geschichtlich gesehen
ist
im Protestantismus
durch
Ablehnung der Boehmeschen Offenbarung ein Stillstand und ein Verfall des
Christentums eingetreten. Dies beschreibt Kuhlmann im 17. und 18. Kapitel.
Das
letztere trägt die Überschrift:
Im
Lutherthum ist
nicht
das
Ewige
Evangelium.
Di
Lutheraner
sind der
Apostel-Lehre
zuwider.
Ermahnung
an \Vittenberg Leipzig Jehna und deren
höchste
Professoren /
Abraham Caloven Adam
Schertzern
J ohann Musaeen.
Oberweisung dass Boehme der Engel m t dem Ewigen Evangelium un nicht
Luther
wi
si es ausgeleget
Die theologischen Fakultäten müssen sich so meint
Kuhlmann
darüber
klar sein daß trotz des Sieges der Orthodoxie
auf
den Universitäten die Wahr
heit der Lutheraner
nachdem
einmal die höhere von Boehme geoffenbarte
Wahrheit
durchgebrochen ist
nicht
mehr als die letzte ausgegeben werden
kann. Die Heilsgeschichte und die fortschreitende Selbstenthüllung der gött
lichen Offenbarung
macht auch
vor der
Reformation
nicht
Halt.
Boehmes
Leben stellt eine höhere Stufe der
Wahrheit
dar als
Luthers
Leben.
Daher
folgt in den n äch sten
Kapiteln
die eigentliche Auseinandersetzung
mit
der
lutherischen Orthodoxie
und mit den
Lehrstreitigkeiten der Konfessionen die
nunmehr dadurch
unwichtig geworden
und
aufgehoben sind daß das höhere
95
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 96/121
148
ERNST
BENZ
geistigere .Ewige Evangelium ,
das
Boehme
verkündigte, hervorgetreten
ist.
Dies ist das Thema des
neunzehnten
Kapitels.
,;\\,Tas di Lutheraner sind und
welcher
Unterschid
zwischen
dem
Pabstthum
Ihnen und
den Reformirten
nach der Johannis-Offenbarung. Wi es mit Luther
eigentlich beschaffen und
wi weit
sein beruff
aus GOtt /
und
wi weit er
ein
Antichrist
ist.
Was
eigentlich
das
Ewige Evangelium
/
und
das Unterscheid
unter
demselben
das di Hlg. Aposteln und Böhme
gelehret.
Um
die Tatsache,
daß
die Orthodoxie nicht
mehr
die höchste
und
letzte
Stufe der Heilserkenntnis darstellt, augenfällig zu erweisen, stellt
Kuhlmann
eine Liste von theosophischen
Fragen
auf, auf die die Orthodoxie auf Grund
ihrer
beschränkten
Haltung keine Antwort weiß, worauf aber in den Boehmc-
sehen Schriften eine Auskunft gegeben ist. So lautet
das
zwanzigste Kapitel:
Tausend
Theosophische Fragen aus 10
Capiteln
des 1. Buches Moses den
Theologen zur
beantwortung
vorgelegt / eh ihnen zugelassen wird über den Böhme
ihr
Urtheil
zu
fällen
um
zu sehen
ob si
das
Ewige
Grund-Evangelium
haben
oder
nicht.
Ähnlich
lautet
das nächste Kapitel:
Aus den tausend
theosophischen
Fragen mehr als 1000000000000 neue
theo
sophische
Fragen nach der
grossen
zergliederungs-zusammenfüllungs-
oder
wissens-
kunst aller
beantwortung vorgestellet.
Nach diesem an unzähligen Einzelbeispielen durchgeführten Beweis des Vor-
rangs der Boehmeschen Verkündigung vor
der Lehre
der Orthodoxie beginnt
Kuhlmann
sein eigenes prophetisches
Auftreten
und
seine geistige
Vollmacht
zu begründen, auf
Grund
deren er sich
mit
seinen Mahnungen an die theo
logischen Fakultäten wendet.
Er gibt
im 22.
Kapitel Antwort
auf die Fragen:
Aus was
vor Kräff ten der Autor geschriben / wi er im Eliasgeiste alle Professoren
hasse und
ihnen
zu bedenken g ibet
mit
zweien
Exempeln
wi die Engelwelt in
dem
Menschen sich offenbare
und
di
Engel
sich mit Menschen vergesellschaften.
Den Schluß bildet eine neue
Ermahnung
an die deutschen Universitäten,
sie
möchten
Boehme, wollten sie
das
göttliche Strafgericht vermeiden,
nicht
weiter
verachten,
und
eine
Aufforderung
an
den Rostocker
Theologen
Johannes
Müller, er möge sein Reformprogramm von nun an im Sinne
Jakob
Boehmes
weiterführen 23.
Kapitel),
Soweit der Inhalt
und
Aufbau dieser eigentümlichen Schrift Kuhlmanns,
die Boehme den Rang des Propheten
und
Evangelisten
der Endzeit erhebt.
In
den
einzelnen Kapiteln selbst ist diese heilsgeschichtliche Auslegung der
Gestalt
und
Lehre
Jakob
Boehmes weiter in einer Weise ausgeführt, die ganz
konsequent sich an die prophetische Selbstdeutung Jakob Boehmes anschließt.
Durchweg hat
dabei Kuhlmann
die
Deutung
der
Gestalt
Boehmes mit
der
missionarischen Selbstauslegung seiner eigenen
Person verknüpft.
Er
geht dabei
von seiner eigenen
Berufung
aus. Der Zerfall der Reformation, die Zerteilung
der
Kirche
in die verschiedenen Konfessionen, die Zerreißung des
Evangeliums
durch die widerspruchsvollen theologischen Auslegungen, das sind die Haupt
zeichen, die ihm in seiner
Zeit entgegentre ten, Aus Boehme hat
er gelernt,
96 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet
Jakob Boehme
14
daß
dies die Zeichen
der End-Zeit
sind, die dem Kommen der letzten Ereig
nisse vorangehen.
Wie wunderba r der HERR HERR mich ruffet ist mit
Worten
nicht
auszu
sprechen weil di Zeit
nunmehr
vorhanden dass
der
wahre Antichrist
mit
samt
der
Hure
falschen Prophet
und
dem Thire muss auf einmal entdekket
und
erstrekket
werden.
Das
Gericht
Über
Babyion ist nach der
J
ohannesoffenbarung
gekommen /
und hohe Zei t
von ihr auszugehen wo
man mit
ihr nicht untergehen
wil,
Di
Welt
hat sich
bisher
selber
betrogen /
und idwede Sec te
sich
des Ewigen
Evangeliums gerühmet dessen si doch ermangelt wi
aus
ihren vilfältigen ungewissen
Meinungen klar und offenbar.
Hier
setzt
nun auf Grund dieser Erkenntnis der Endzeitsituation der eigenen
Zeit eine ausführliche Kritik
der
einzelnen Konfessionen ein.
Das Pabstthum
di
Mutter
aller
Greuel
überschwemmte den
Erdboden mit
Antichristlichen
Gaukeleien
als wi
mit
einer Wasserfluth
von disem
wiwol
das
Luther-
und Calvininusthum
sich abgeschiden
hat
es
sich doch von
Päbstischen
Greueln wenig
abgeschiden nur dass der Nahme
und
di Art unterschiden. Aus
disen Secten
sind
unzählbare andere Secten entsprungen dass Sonn und Mond
nemlich
Kirchen
und Policeien
sind gantz verdunkelt
und
vil Sterne von dem
Christenthnmshimmel gefallen.
In
solcher Verwirrung posaunte
der
sibende Engel
und geschahe dass sein Posaunenschall nicht gehöret
ward.
Dieser siebente
Engel
der Apokalypse is t schon auf
Erden
erschienen. Er,
Quirinus Kuhlmann, hat nunmehr die Aufgabe, seine Zeit darauf hinzuweisen,
daß der verheißene Engel mit dem E\vigen Evangelium als geschichtliche
Person bereits
aufgetreten
ist,
und
zwar
in
Gestalt
Jakob Boehmes
in dessen
Schriften
das
verheißene E\\ige
Evangelium
schon vorliegt.
Der ers te Engel mit
dem
Ewigen Evangelium erschin aus dem ewigen Un
grunde seine Krafft führend nach der Johannesoffenbarung. C.
14,
6. Er ward
aber wegen der
grausamen Finsternis
welche das Christenthum verfinstert
fast
gantz ni erkennet zumahl weil dem
Luther
vor
ihm
fälschlich dise Stimme zu
geeignet ward Der zweite
folgte
nach und hat bei zweiundzwanzig Jahren
geposaunet
das
instehende Gericht verkündigend. Er posaunet noch stärker als
er
jemahls gethan
und wird
von
sehr
wenigen angenommen
/ wiwol das Gerichte
nach seiner Weissagung über
Holland
sich schon eröffnet gemeint ist der Prophet
oh nn Rothe Nun ist
der
dritte
im anzuge vor
dessen
Licht der
Erdboden
wird erleuchtet
welcher das Eliasschwerd
mit sich führet
und
den endlichen
Babelfall
verursachet.
Dieser
dritte
Engel ist
niemand
anders als Quirinus Kuhlmann selbst
der
nunmehr den vollen Sinn des von Boehme verkündeten Ewigen Evangeliums
eröffnet.
Ich
lege ihnen den
Lutherischen
Hochschulen) vor Jacob
Böhmen
der
wahrhaftig
das Evangelium
ausgeposaunet
unmittelbar von seinem. GOtt erleuchtet
welchen Teutschland mit ihren Hohschulen
nicht
sonder
unerträglicher Bosheit
verworffen wiwol Holland
England
Frankreich
in
ihrer Landssprache den
Teutsohen
Böhmen besitzen den
Teutschland
ermangelt.
Ich lege ihnen
nicht allein
den hocherleuchteten Mann vor
sondern
ich steh in Krafft des Allerhöchsten vor
ihnen weil
mir das Ewige
Evangelium nach unverdinter Gnaden eher worden als
Abh. Geistes- u. sozlalw. KI. Nr. 3
97 ) 11
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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150
ERNST NZ
mir
di Böhmesehen Schrifften
in
di
Hände
kommen / und ich aus dessen Weis
sagnngen gantz wunderlich bestätigt werde.
D ~ Ewige vangelium / das vergebens bisher gesuchet ward vom einfältigen
Jacob öhme gefunden
das er ni
gesuchet
/ doch in s ich einen Thatchristen
unter
den Wortchristen
gesuchet. Gleich
um die
Zeit /
als vor zweien Jahrhundert
Johann
Huss
vor
einem Jahrhundert
Murtin wther
hervorgebrochen
brach
Jacob öhme
hervor
und
posaunete mit gewaltsamer Stimme
dergleichen noch
ni gehöret
so
lange der Weltkreis gestanden. Tausend Jahre hat te albereit der
Orientalische
Antichrist erreichet tausend
Jahre vom dritte n Bonifacius
ver-
strichen als
unser Engel mit seinem Ewigen
vangelium durch den Himmel flog
ankündigend allen Völkern
und
Zungen den
grossen
Babelfall di -Iuden- und
Türkenbekehrung.
Er
zeigte
was noch
ni
gezeiget
das innere Evangelium aus dem
ewigen Urigrunde
er
studierte dasselbe aus der Himmelsschule wo es
allein
zuerstudiren und erlaubte als
der
Kronprophet
di Erstlinge der
sibenden Zeit
welche
doch di Weissheit aller
Patriarchen
Propheten
Aposteln überstigen weil
das Lamm das
sibende
Sigel
noch
ni eröffnet.
Das prophetische Sendungsbewußtsein Kuhlmanns kommt auch in dem
hymnischen
Stil
zum Ausdruck der überall dort durchbricht, wo er aufBoehme
und sein Evangelium zu sprechen kommt. Die alttestamentliche Sprache der
Fluchworte und Segenssprüche eines Jesaja und Jeremia findet bei
Kuhlmann
eine eigentümliche barocke Neu- und Weiterbildung. Zur Verdeutlichung
dieses Stiles mögen
hier
einige besonders bezeichnende und eindrucksvolle
Stücke seiner enthusiastischen Verherrlichung Boehmes folgen.
Es
gehet euch ein
einiges
und
dreifächtiges
Licht
auf
das
euer Länder
Kirchen
Rathäuser und
Häuser vermag zu umstrahlen
l
Ich bringe euch wider di
allerhellste Sonne der ewigen Weisheitssonne welche euer Finsternisse mit
wahrem
Erkäntnisschein
von Gott unmittelbar
und
mittelbar
empfangen kan
übersonnen
und eure Gefängnisse zerbrechen.
Eure
Schulen
und
Hohschulen
eure Kirchen
und
Rathäuser sind
zu
Mördergruben worden und
den
Gottesgerichte überant-
wortet
nun
das
dreifächtige
Babel vom
Göttlichen
Zornblitze
überblitzet. Hebet
eure Häupter auf Sehet Eure Erlösung
nahet
sich Der Antichristenthumswinter
hat meist
ausgewintert
Ohristenthumsfrühling befrühlingt sich schon Wer Ohren
hat
zu
hören
der
höre
Ich
posaune fort
und
wil
posaunen in
krafft
meines
Gottes dass gantz Europe
sol erzittern
Ich werfe ein Feuer von nun an im
N
ahmen
des
Herrn
Zebaoth
unter eure Hohschulen
dass ihnen
wo si es mit
christlicher
Sanfftmut
sonder
Personenansehung
unterforschen
das allerklährest
Licht in allen
Fakultäten
sol werden wo si
aber
aus ihrem Babel der Verwirrung
und
hoffart
noch mehr Stroh Holtz
Pech herzutragen
wird
es ihnen zu einem
verzährenden Eliasfeuer dass
die
Verkauffer
mit
den Kauffern in
ihren Weiss
heitskaufhäusern sol verzehren ihre Doctorkramereien
und
Magistermachungen
verschlingen
ja
gäntzlich im Eiferfeuer des eifrigzornigen Gottes auffressen.
Ich
bringe öhmens Schriffteti
Grossmächtige
Könige
und sämtlich
übrige
nach Standes würden Herrlichkeit
und
Hohheit geehrte Mitglieder des gesamten
Lutherthums
vor euch zum Zeugnis der Wahrheit
ausposaunend
dass
eure
Königreiche und Fürstenthümer
nebenst
allen
Herrlichkeiten
nun sich
enden weil
der Stein sondern Hände
herahgerissen
Jesus Christus nach
Daniels
\Veis
sagung
das Monarchienbild
an
seine
Füsse
achläget und alles zermalmet. Alle
98
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet
Jakob Boehme
151
Religionssecten
haben ihren
Schluss Di Völkerzerstreuung ist aus.
Das
Marterreich
wird
in ein Freudenreich
verwechselt.
So
ruffe
ich
heutigestages über euch zu
Zeugen
Himmel
und Erden
dass ich
euch
frei zu
dem
Ewigen
Evangelium
ruffe
dass
ihr das
Antichristenevangelium
aus
euren
Grentzen sol t
ausrotten und euch
zu
dem Prachteinzuge
des
ankom-
menden
Monarchen bereiten.
Ich
verkündige euch
die
Offenbarung der allerhöchsten
Geheimnisse
wo
ihr
eurer
Teufelthum
di
Heidnischpäbstliche Lutherische
Theologi
Philosophi
Philologi verlasst.
lles
von dem Böhme geweissaget
sol
eure Erd umscheinen und ihr di lebendigen lVasserströme ewiger Weissheit kosten
zur Herrlichkeit des dreie inigen Got tes.
Ich
lege euch heute für
mit diser Schrifft
den
Segen und
den
Fluch
wi Moses der treue
Knecht des Allerhöchsten. Den
Segen so ihr gehorchet den
Geboten des Herrn
eures Gottes di er
euch
durch
Böhmen und Rothen geboten. Den
Fluch aber
so ih r n icht gehorchet und zur
Rechten oder
Linken
im
Antichristenthume verbleibet. Nehmet
von
einem Jüng-
linge
Grossmächtige
Könige Printzen
und Mitglider
des Luthertums
was
euch
belibet
Segen
oder
Fluch und
thut
was
euch behaget.
0
wolte
GOtt
dass
euer
keiner verloren
ginge
und ihr alle
des
heiligen Erdparadisleben
von
J esus so
teuer
erworben theilhaftig würdet.
Ein
auffälliger Punkt
tritt
in der Verkündigung
Kuhlmanns immer
wieder
hervor, der
noch
eine besondere Beachtung
verdient:
die Stellung Deutsch-
lands
in der Geschichte der
Endzeit. Durch
Boehme
ist
der
Fortschritt
der
Offenbarung
und
die Weiterführung der heilsgeschichtlichen Entwicklung in
die Hände Deutschlands gelegt worden. Mit diesem Gedanken nimmt Kuhl
mann
einen eigenartigen Zug der Boehmeschen Selbstauslegung wieder auf.
Auch Boehme fühlte sich ja berufen, seine Weisheit zunächst einmal dem
deutschen Volke zu
verkündigen;
er
erkannte aber bald
als sein tragisches
Schicksal, daß er von
dem
Land, für
das
er
gesandt
war, verstoßen und
ver
achtet
würde. Der bereits genannte Satz des 50. Sendschreibens: Was mein
Vaterland wegwirft,
das
werden fremde Völker
mit Freuden aufheben ,
ver-
rät eine klare Erkenntnis dieses ihm vorgezeichneten Weges. Kuhlmann
nimmt
nun
diesen Ruf an Deutschland wieder auf.
Er
weist
darauf
hin, daß sich
inzwischen die Boehmesche Lehre in ganz Europa bis nach
Rußland
hinein ver-
breitet hat,
und
beschwört
seine Landsleute,
ihren
Propheten nicht
bis
zuletzt
zu verkennen,
sondern
ihn wieder zu sich zurückzuholen.
vVeiter
wunderte ich mich
dass Böhme ein
Teutscher
seinen
eigen
teutschen
unbekand
und konte m ich nicht sattsam entrüsten über di unaussprechliche
blindheit
teutscher
Hohschulen welche
auch
hiran zuerblikken. Was si suchen
und
nimmer
finden
hat ihnen
Gott in e inem laien
geschenket
und
haben si
das
Gottesgeschenke
mit ihren
ewigen
Spotte fremden nationen
überlassen.
Was ist
aber ursach Böhme
dringet
in seiner Gotteslehre mit allen
frommen
lehrern auf
di
Widergeburt und
rechtschaffene Glaubensfrüchte
welches
den teutschen
unchristen
nebenst
ihren mundpredigern
wenig
mag
gefallen
sonder mus
Böhme
verworfen J
falschlieh
gerichtet
boshafftig
verdammet teuflisch verketzert werden.
Dises
ist auch di
rechte
eigenfarbe der Gottesmänner und Gottesdienstbothen.
0
Teutschland Teutschland / was thust
du 0 ihr
hohschulen wi schikket
ihr
euch den Herren
Jesus
in seiner ersten Zukunft
zu
empfahen? Ehe
ihr
solche
glaubet zermartet ihr di
Weissagungen
der Propheten und
Aposteln
könnet aber
99 ) 11*
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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152
ERNST BENZ
selber untereinander
darüber nicht
einig werden Ihr verwerfet d i Propheten welche
auf efehl des Herren unter euch aufstehen
und wisset
nicht
zu
unterscheiden
ob
si
ans
Gott oder dem Teufel
sind
gebohren.
Wehe
dir Teutschland
mit
deinen
Hoh
schulen \Tehe
Wehe
Der Herr
hat euch versammelt /
ihr aber
euch zerstreuet.
Böhme nun
weil er unerkand
blib
war
von
Gott
hinweggenommen
wenig
Monathe nach
disen Dresdischen
Examen
/
seine Schrifften aber aus Teutschland
/
da
si
nicht einst gedrukket
worden
in
Holland versendet
/
dass
sie
aber
fremden
Völkern zutheil worden.
ViI
nahmen
si fröhlich
auf Holland
Engelland
Frank
..
reich lehrten
der
Teutschen Böhmen [u ihre Landessprachen , Wiwol
derer
wahre
Verstand ni
bekand
/
und
nur
der
Wunderbare
Gott
si in vi l
Länder
verbreitet /
dass aus disem Senfkörnchen zu seiner Zeit der qrosse aumerwachse weil alsdann
dises Zeugnis
n icht mehr auszutilgen. Es geschihet auch
also.
öhme trittet neu-
begeistert wider auf
Alles was itzt vorgehet und vorgehen wird davon hat der hocherleuchtete
Böhme zu
seiner Zeit schon
geweissaget.
Darum
sihe
/
ich
wil
dich
0
Teutschland
aus
deinem
tieffen
Blindheitsschlaffe
aufmuntern zu
der
angehenden Hohzeit des Lammes Ich erhebe meine Stimme
wider
dich unerschrokken
in
der Krafft und Macht Gottes
um
vorzutragen
was
der
'Sibende
Engel posaunet. Sihe
mein Teutschland
ich bringe dir wider di
Weissagung welche du unwissend verstossen hast und übergebe
si zu
hoher auf
merkurig
einem deiner gewissenhaftesten Lehrer
in einem
Libesgeiste nichts
anders suchende als dein hochgedreutes
Unglück
von
dir
abzuwenden.
, ,0
ihr
Lutherischtheologische Hohschulfakultäten
warum
schlafet
ihr? nun
wil ich euch
aufwekken ich bringe den Hocherleuchteten öhme mit dem Ewigen
Evangelium vor euch
Oh
ihr
Teutschlandshohschülen
als
di
hochbedrängteste
Zeit
nach seiner Weissagung vorhanden. Bespigelt euch dar innen und erspigelt
euren
Untergang
wo
ihr
itzt aus
Babel
das ist / aus eu ren Gotteslästerlichen
Hohschtllen Religionsverwirrungen und Glaubensverwirrungen
in di
sanfft
müttige
J
esuslibe
auszugehen säumet.
Es
erübrigt
sich, die
Ideen
der
Kritik Kuhlmanns an
dem zeitgenössischen
Luthertum,
an den
Fakultäten
Deutschlands, an
der
Religions-
und
Kirchen
politik der deutschen Fürsten. hier im einzelnen darzustellen. Entscheidend ist
die Erkenntnis,
daß
die Verkündigung
Kuhlmanns
selbst aus der Verheißung
Boehmes hervorgewachsen ist.
Für
ihn
mündet
die Heilsgeschichte in die
Wiederentdeckung und die Neubegeisterung , Boehmes, d. h. in die Ent
hüllung der bisher verborgen gebliebenen Tatsache, daß in Jakob Boehme
Deutschland und Europa der letzte
Prophet,
der Bringer des Ewigen
Evan
geliums geschenkt wurde. So erscheint Boehme an der eindrucksvollsten Stelle
seiner Schrift als
der
Endpunkt derheilsgeschichtlichen
Entwicklung
schlechthin;
und seine Neubegeisterung wird auf diesem
Höhepunkt
seiner Schrift als ein
Ereignis beschrieben,
das
den geheimen
Brennpunkt der
endzeitliehen Ereignisse
der Weltgeschichte bildet. Die Worte, in
denen
Kuhlmann
diesen kosmischen
Augenblick schildert, mögen daher den Abschluß dieser
Betrachtung
bilden:
1 Über
die fremdsprachlichen
Boehme-Ausgaben
s.
'VEHNER BUDDEKE
Die
Jakob
Boehme-Ausgaben,
ein beschreibendes
Verzeichnis, zweiterTeil:
Die
Übersetzungen,
Göttingen
1957.
( 100 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 101/121
Der Prophet Jakob
Boehme
153
Wann trittet aber Böhme neubegeistert hervor
In
solcher Zeit darinnen di
Welt
sich selber
begräbet
und
mit ihrem grabe zu grabe gehet. Aller Orten in Europen
Asien
Africen und Americen
ist
Krig und Krigsgeschrei ja aus noch
verborgenen
\Velttheilen
wird
bald eine
unglaubbare
Zeitung erschallen.
Wer
mag
aussprechen
di Trübsal
Jmit
der
alle Länder angehäuffet? Komme her
0 Europa
lasse
dich
doch ein
wenig
bespigeln /
mit
was fü r
Glükkes
Lorbern dein Haupt angelorbert
Holland war der Mittelpunkt
daraus
dis
Krigswetter dich
umwogen
es
bleibet auch der Mit te lpunct
wo der Zorn
Gottes sich
zuerst
abkühlet
dessen
tägliche
Vorboten
in Holland
täglich vorhanden noch ni verstanden
worden.
Frankreichs Lilge / so
herrlich
si
anfänglich belilget schin
so
stark ward
si
von
dem Nardenruch
entlilget
/
und entlilget sich durch gerechte Gottes
Rache immer
mehr
und mehr
dass um deren
Lilgenkelch
di eigeneMünzüberschrifft anzumerken:
Holland
gewonnen oder Frankreich verlohren
oder kein
König gebohren.
Engelland
hat
sich
zwar
aus der Krigesnoth
ausgewikkelt
doch nicht
aus
dem
göttlichen Gerichte
in
welches es
tief
eingewikkelt.
Ach
Was vor
gefährliche
Wunden empfängest
du
werthes
Teutschland
Wi
haben
dich deine
eigenen
Söhne zugericht?
Was
für Zorndonnerkeile des Göttlichen
Eifers entzünden sich noch
in dir? Wann
du
kennetest oder
erkennetest
dein
Unglükk
du
würdest dich mit Ninive
in
Sakk und Aschen legen um
mit
wahrer
Busse villeicht
solches
abzuwenden.
Spanien
brennet
voller
Krigesflammen
und
werden
solche
durch so viI ver
gossenes Blutt
nicht
ausgelöschet nur
entflammt.
Dennemark und Schweden dräuen
,
mit
so viI
geworbenen Kriegsvölkern -
verhofft ihrer Nachbahren Fusstapfen
folgen.
Pohlen
ist ein
erbärmliches
Weh-Land
worden
voller
Furcht
dazu schauend
wi
Asien
wider si im Zuge.
Gleiches Schrekken wi Pohlen wil Italien anstekken
weil
ein
sehr mislicher
Anschlag vor
ihren
Augen schwebet.
Moscaü
schwinget seine Kriges-
und Sigesfahne
hurtig.
Der Türke
hat
versamlet
nebenst den Tartarn eino
ungewöhnliche
Macht
darmit
er
schon
zwischen
dem
Dniester
und Donau berei t stehet
um
zu
bemächti
gen nebenst Pohlen
das grösseste Theil der
Christenheit.
Der Perser rüstet ein grosses Krigesheer wider
den TÜrken
und dräuet Babyion
zu
umlägern
nun
di
stoltz
aufgebaute Christen
babyIon strakks
fallen sol.
Ein reich
in
sien lehnet sich gegen das ander und
beginnet almählich
der
Krigesdonner gantz Asien
zu
überdonnern.
jrica
verschwestert sich
mit
beiden Schwestern auch
in
blutigen
Streiten
und
verwüstet noch mehr ihre dürren Wüsten. Muly Ismael gehet mit aller
Macht
zu
Felde wider
einen
andern der s ich einen Führer von einem
grossen
Heere
weiset.
Sollte mericens Purpur unbepurpnrt
bleiben
von den Blutflekken
mit
denen
Europe ih r Königsgewand überpurpurt? Ach nein. Aus
der
alten Welt zihet der
unchristlichen Christen Greulichkeit in di Neue
Welt
dass zu ihren
abscheulichen
Blutgirigkeiten
si
nur
Schauplatzes genug
habe
um ein
desto
weiteres
Grabmal
dem fallenden Unchristenthum
aufzubauen.
Di
Elemente
wollen
bei disen allgemeinen Krigestrauerspilen
mit
agiren
und
vermengen ihre Vermischungen
so
erschrekklich dass gleichsam aus dem
Winter
ein
Sommer
aus
dem
Sommer
ein Winter gemacht wird
r bedenten
grosse Enderungen vilfache
Wunderwerke theils
in
Lufft
theils
101 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 102/121
154
ERNST
NZ
im
Wasser I
theils auf
Erden
vorlauffende. Doch bezeugen alle Elemente eine selt-
same ~ i c h s v e r w n d l u n g I wenn si nach dem Worte Göttlichgelährter
l\länner
I
auf bestimmten
Tag und Zei t das vorgesagte auswürkken. Was nun bishers einmal
vorgegangen I
ist
alle Stunden zusammen zu
erwarten
I un trittet mitten n disem
Grimmsturme I
nach
seinen Weissagungen I
gegen Mitternacht
aus der Matr ix dises
Krigswetters I Holland I der längst entgeisterte Böhme begeistert an das Taglicht I
von
dessen
einhertretung sich erst
di
unaussprechlichste Trübseligkeit wird an-
fa.ngen. Alle
Völker I Länder I Städte I welche
di
allerheiligste
JESUS·Monarchi
verneinen
I
müssen sich selber
zerscheitern I ihre Rathschläger werden ihre eigenen
Todtschläger I und verleitet si lang
zur
Widerstrebung der Teufel I bis
er
mit
ihnen den
Abgrund eingeleitet.
IV.
Die
Spiritualisten
Quirinus Kuhlmann wollte die Schriften Boehmes zur ökumenischen Grund-
lage der
Versöhnung
aller Kirchen, aller Wissenschaften, aller
Sekten
und
Weltanschauungen machen: deshalb
hat
er sie auch Überall, wo er auf seinem
abenteuerlichen Wanderleben hinkam
verbreitet;
so
geht
auch die älteste
Verbreitung Boehmischer Lehren in Rußland
auf
ihn zurück.
Gegenüber einer zielbewußten Verkündigung des
Propheten treten
die übri-
gen Verteidiger seiner Inspiriertheit weit in den Hintergrund. Trotzdem ist es
notwendig, sich
mit
ihnen zu beschäftigen, denn durch sie wurde die Lehre und
das Werk Boehmes bis in die Zeiten des Pietismus, des deutschen Idealismus
und der deutschen Erweckungsbewegung hineingetragen.
Die
Verkündiger seiner Lehre
und
Verheißung waren die deutschen Separa-
tisten, Fanatiker
und Schwärmer,
die in
Holland
eine
Zufluchtsstätte
vor ihren
orthodoxen Ketzerrichtern in
Deutschland
fanden
und
nunmehr auf litera-
rischem Wege auf die religiöse Entwicklung ihres Vaterlandes einzuwirken
versuchten,
das ihre
leibliche Gegenwart
nicht
ertragen wollte. Zu diesen
Schwärmern gehören
Leute
wie ichtel der Herausgeber der Gesamtausgabe
der
Boehmeschen Werke,
und recklinq
aber
auch andere
Schwärmer und
Propheten
wie Gifftheil und David Joris All diese
Leute
führen die Deutung
1 Urteil über Jacob Boehme bei DAVIDJORIS, in Hiels Schriften additamenta
zu
Arnolds Kirchen
un
Ketzer Historie der Ausgabe
von 1741, S.
1139:
Das dritte iudicium von Jacob
Böhmen.
Dieser ist der eintz ige Scr ibent
welchem
Gott den grund von der natur
derer
geistlichen
und leiblichen
Dinge
entdecket
hat und welcher
den
ursprung der wahren
principien
erkannt hat
in
der
Philosophie
sowohl
in der
metaphysique und pneumatique al s
in der physique
Wenn
dieser
tieffsinnige und
geheimnisvolle
Autor aus dem grund der natur
und den beschaffcnheiten sowohl
göttlicher
als natürlicher dinge redet
kau er
nicht
wahrhafftig
und
lebendig verstanden werden
I
wenn
GOTT
nicht
außerordent-
lich
lmd übernatürlich
unsere
kräffte
und
sinnen
r üh re t und aufweckt sowohl die
göttlichen als
natürlichen
die
wir entweder verloh ren oder
eingeschläffert
haben
durch den fall
Adams
Die gaben dieses autoris
sind
so
gar
sonderbahr
daß man
andere dergleichenoriginalscribenten vergebens suchet
die
von eben diesem cha-
rakter seyn. c,
102
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 103/121
Der
Prophet
Jakob Boehmo
155
Boehmes als einen
Endzeitpropheten
weiter, da
ihr
Lebensgefühl durch die
selbe
Endzeiterwartung
bestimmt i st, die auch bei Boehme hervortritt, wäh
rend
seine Auffassung als
Enthüller der
wahren
Pansophie mehr
in
den
rosen
kreuzerischen, kabbalistischen
und
alchymistischen Kreisen vorherrscht, .
1.
-Io
ha.nn
Georg
Gichtel
(16: lS-1710)
Am wenigsten ist über Gichtel zu sagen, denn seine Verdienste um
das
Schrifttum
Boehmes
sind bekannt .
Gichtel hat die große Gesamtausgabe
Boehmes veranstaltet und seinem
Werk
all die
Iudicia
gelehrter Männer
beigefügt, welche die prophetische
Begabung
des
Autors
behaupteten>.
Er
hat
aber
auch die Lehre Boehmes von der himmlischen Sophia, von dem andro
gynen Urmenschen, von der Erlösung als der
inneren
Verehelichung mit der
Jungfrau Sophia
in seine eigenen Schriften
übernommen.
Seine theosophischen
Sendbriefe
sind weithin
eine wörtliche Wiedergabe
oder
eine beinahe
wört
liehe Umschreibung Boehmescher Gedanken. Er hat dabei aber die Über
lieferung seines Meisters
in
eigentümlicher Weise verengt, indem er sie in eine
schroff asketische Lebensphilosophie umgedeutet hat: der Verkehr mit der
himmlischen
Sophia
schließt seiner
Anschauung
nach jede Beschäftigung
mit
einer irdischen Eva aus. Diese Einstellung auf den
inneren
Verkehr
mit der
himmlischen
Sophia führt
bei Gichtel zu einer
Reihe von
selbstgefälligen
und
koketten
Eitelkeiten und Schrullen, die
ihn trotz der
formalen Wiederholung
der Lehren
seines Meisters persönlich weit
von
seinem Vorbild
abrücken.
Gichtel
selbst
und vor allem
seine Schule, die sich nach
ihrer
Hochblüte in
letzten
1 Vgl.
etwa
die Schrift:
I heo Philosophia
Theoretico Practica
oder
Der wahre
Grund Göttlicher
und
Natürlicher
Erkänntniß
Dadurch beyde
Tincturen
Die
himmlische und irdische können e rhalten werden ,
zugleich
Ein Grund aller
Particularien
und
Fundament der wahren Medicin
Alles zum
Lobe GOttes
und dem Nutz des Nechsten
publiciret von
Sincero Renato
In Verlegung des
Autoris zu finden in Breßlau Bey Esa iä
Fellgiebels
seI.
Erben
1714, S. 143:
,, Vollt
ihr
diese
Philosophie
umständlicher
in
Buchstaben
sehen
und
fas se n, so
leset des hochberühmten Mannes Jacob Böhmens seine Schrifften und stosset
euch nicht
an
die
Einfalt
des
geringen
Mannes so
nur
ein Schuster / und
auf
keiner
hohen
Schule gewesen. Ich
versichere
euch
bey GOtt aus meiner Erfahrung
daß
kein Mensch
noch
solchen
hohen tieffen
und wahrhafftigen
Grund
dargeleget
auf welchen man fußen könnte als dieser von
GOTT
erleuchtete Schuster. Nur
muß
e r in E infa lt
gelesen
werden
mit
einem auffrichtigen Hertzen gegen GOTT
sonst
versteht man ihn n icht;
Es
wird ein jeder bey diesem
Manne so aus
GOttes
Geiste
geschrieben so
wohl
den
himmlischen als
den irrdisehen
Lapidem
und
Tinctur
finden
so
man
anders von
GOTT
zur
äußern Tinctur
beruffen
doch
gewiß
die
himmlische
Liebes-Tinctur,
denn davon lehre t er gar
tieff
und gewaltig.
Ü ~ Jac.
Böhmes
Schriften
S.
168: Es sind diese Schrifften
ihrer Würde
wegen
mit keinem Golde
ja
mit der gantzen Welt
nicht
zu
bezahlen: nach der heiligen
Bibel das erste
Buch
wohl
werth
daß
sie
angeschaffet werden.
e
2
Auch SPENER
gehört zu Boehmes Verehrern.
103 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 104/121
156 ERNST BENZ
Resten in einzelnen separatistischen Gemeinden -
die
Engelsbrüder -
zum
Teil noch bis in
das letzte Jahrhundert
erhalten
hat, ist aber für
die Weiter
bildung der prophetischen Auslegung von Boehmes Person
und
Werk insofern
wichtig geworden, als gerade die Gichtelschule die Boehmeschen Schriften
auf dieselbe Stufe wie die Schriften des neuen Testamentes gestellt hat. Das
E\vige
Evangelium Boehmes
hat
hier wirklich kanonisches Ansehen erhalten.
Es erübrigt sich, dies bei
den
Gichtelianern im Einzelnen
naohzuweisen
:
Gichteis Schriften sind voll von unmittelbaren Gleichsetzungen von Worten
Boehmes
und Worten der
Heiligen Schrift, wenngleich die persönliche Eitel
keit gerade Gichtel oft genug dazu verführt hat, sich infolge seiner verschiedent
liehen Erscheinungen
der
himmlischen Sophia über seinen Meister zu erheben.
Es mag genügen, auf ein verhältnismäßig spätes Zeugnis hinzuweisen, aus dem
hervorgeht, daß
noch
im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts in
den
Kreisen
der Gichtelianer der Nachweis des prophetischen Charakters von Boehmes
Schriften ein ganz aktuelles
Problem war und daß
sich noch in dieser Zeit die
Orthodoxie
über
eine solche Anmaßung aufregen
mußte. In den
Unschuldi-
gen Nachrichten
von
1720 ist der Brief eines Gichtelianers
J
acob Michelmann
abgedruckt, der das
Datum Berlin 27. Okt. 1716
trägt und der
von
unter
schiedenen Personen und Principiis der neuen Engels-Brüder Nachricht giebet .
In diesem Brief
berichtet
Michelmann ausführlich von einem Verhör,
das
die
zuständige Kirchenbehörde mit ihm und anderen Gichtelianern angestellt
hatte. Dort heißt es im Bericht des Verhörs :
Ob man
die
Heil.
Schrifft
vor
GOttes
Wort
haltet?
R.:
Ja.
Ob
man
Boehrnens,
GichteIs und Uberfelds von denen ihnen
hier
Sucher
viel
gesagt) Schrifften der Bibel gleich halte?
Hier,
lieber Bruder,
weil
man ausdrücklich
und
offt gefraget worden,
konnte man nicht umhin,
ihnen
k la ren Wein einzu
schencken, auff
daß man das Gewissen rein
behielte, und zeigte
ihnen,
daß wir im
N. Bunde eigentlich
nicht
selten Bücher haben,
weil
er
solche
Verheissung
hat , daß
Sie alle von GOtt solte
belehret
seyn, und
daß
er sein
Gesetz in
unser
Hertz
schreiben
wolle
etc. Weil
aber der
Verfall
so groß und der
Heiligen
so
wenig,
c1anckete
man GOtt,
daß
noch
göttI. Schrifften
von
Christi
Person und den
Aposteln
vorhanden wären etc, Ob zwar dieselben nicht
gewolt, daß
daraus ein Gesetz-Buch
vor den neuen Bund und
ein
Götze solte
gemacht
werden,
den
man den alleinigen
Canonem heissen
müste,
und
sonst keine andere Bücher
der Heiligen; da
doch
jederzeit e in oder der andere gewesen, so in jedem Seculo von
GOtt sonderlich
erweckt , die Oeconomiam derselben Zeit verkläret hätte; daß wenn
man
solchen
gefolget, niemahls
ein
solcher Verfall würde
seyn
offenbahr, oder doch wieder
gehoben
worden
und solcher göttI . Männer Schrifft
-oder
Wort davon lieber
Br.
J. Boehm sagt,
daß
jedem
Jahrhundert
wenigstens einer
sey
von
GOtt
erwecket
worden, der die
Wunder
des Lichts in dem Seculo
offenbahren
sollen etc.)
wäre
gleichsam
der
Prophet und Bibel
vor die
Zeit proprie;
also
auch Boehm, Gichtel,
Überfeld
vor
die
ietzigen
Seeula, als von Ott ausgerüstete Lichter der lVelt müssen
nun gehöret
und
nicht
verworffen werden, daß man deren Wort
gleich
der Bibel zu
1 Unschuldige Nachrichten Ig 1720, s. Bey
trag
c. IX, S. 832 ff
104 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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DOl Prophet Jakob Boehme
157
aestimiren hätte;
weil auch
nirgend
stünde, der
Canon
der Biblischen
Schrifften
sey
geschlossen,
daß nichts
mehr
könne
hinzugethan werden etc. Ob besagte
Männer ein Commentarius
der
Bibel seyn
käuten?
Respn. Ja, Und weil man die
Bibel
mit ihnen im tieffen
Respect als
GOttes
Wort
erkennete, wüste
man keine
accuratere
Commentarios
nach Got tes Sinn
als
sie.
In
diesen Worten wird die grundsätzliche Anschauung von Geist
und
Ge-
schichte deutlich, welche diese frommen
Separatisten
von
der
offiziellen Kirche
unterscheidet. Für sie ist die Geschichte eine fortgesetzte Selbsterschließung
der Offenbarung Gottes. Mit dem Ablauf der Weltgeschichte
macht
die Er
kenntnis
Gottes immer weitere Fortschritte. Die Zeiten, die dem Ende näher
sind, wissen mehr und haben eine umfassendere Erkenntnis von Gott als die
früheren.
Der
Heilige Geist selbst ist
nicht
ein statisches Prinzip, das sich
auf eine einmalige, endgültig abgeschlossene Offenbarung begrenzt, sondern
ist
eine lebendige Geschichtsmacht, die sich immer wieder in neuen Anstößen
verwirklicht.
In
jedem
Jahrhundert.
treten
neue
Propheten
auf, die
ihrer
Zeit
die ihr zustehende und in der Abwicklung der Heilsgeschichte ihr zugeordnete
Gotteserkenntnis verkündigen.
Jede
Zeit
hat
also ihre eigene Bibel. Es
geht
nicht an, alle Zeiten an eine einzige normative Heilige Schrift, an einen einzigen
Kanon zu binden, denn damit behinderte man die weitere Selbsterschließung
der göttlichen Offenbarung in
den
nachfolgenden Zeiten. Insofern besitzt nach
dieser Geschichtsbetrachtung die Bibel den Charakter einer Heiligen
Schrift
im Sinne eines Kanons lediglich
für
die Zeit der alten Kirche und
für
die ersten
christlichen
Jahrhunderte.
FÜr ihre eigene Zeit
wird
die Aufgabe
der
Heiligen
Schrift
und Bibel erfüllt durch die letzte große Offenbarung des Heiligen
Geistes in Jakob Boehme und
den
anderen
Propheten
des 17.
Jahrhunderts,
in denen Gott
nun
gerade zu dieser Zeit in ihren
Worten
und in ihrer Sprache
und gemäß der ihr eigenen Auffassungsgabe
und
Denkungsart gesprochen hat ..
: .
Er
ied r ch Breckling
1
629
711
)
Das Besondere
an
dieser Auffassung ist
daß
Boehme
hier
nicht mehr allein
steht,
sondern eine Reihe
anderer Propheten
beigeordnet
erhält,
die gleich
ihm
als Bringer
der
besonderen, ihrer Zeit zugeordneten Offenbarung gelten.
Damit
is t
eine Verallgemeinerung
der
Auffassung vom Wesen
der
Prophetie
angedeutet, die sich
auch
sonst. bei den
späteren
Angehörigen des Boehme
kreises
bemerkbar
macht. Diese Einstellung wird
am
deutlichsten bei einem
besonders
ungestümen
Mitglied des Kreises
der
separatistischen Emigranten
in Holland, bei Breckling. Breckling hat das eigentümliche Geschichtsbild
ausgearbeitet,
das
dann von Gottfried Arnold aufgenommen und in einer groß-
artigen
Weise wissenschaftlich
ausgebaut
worden ist . Sein Grundgedanke ist,
daß
überall
nur dort
in
der
Geschichte die
wahre
Kirche
Christi zu finden ist,
wo Verfolgung einer Minorität von Frommen durch die weltförmige, pharisä
ische, mächtige
Kirche
stattfindet. Die wahren Heiligen, die echten Kreuz-
1 Diese Auffassung
findet sich
auch
noch bei
O F Oetinger s, u. S. 113.
( IO[) )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 106/121
158 R ~ T
NZ
träger und Christusmänner sind die, die von der Kirche um ihrer ohristliehen
Frömmigkeit
und
Lebenshaltung willen in pharisäischem Haß verfolgt werden.
Sielsind die echten Zeugen der
Wahrheit,
die das
wahre
Evangelium nicht
nur
verkündigen, sondern an sich selbst verwirklichen und
in ihrem
Leben dar-
stellen und die
dafür von
der Kirche verfolgt werden. In vielen Flugschriften
und Traktaten
Breoklings
kehrt
gerade Boehme
immer
wieder als Anschau-
ungsbeispiel und Typus des allgemeinen Schicksals des Wahrheitszeugen
und
Propheten wieder,
der
wegen seiner Lehre und ,vegen seines evangelischen
Lebens
von den
beamteten Trägern
der
christlichen Verkündigung verfolgt,
verlästert und verketzert wird. Es is t selbstverständlich, daß in diesem Zu-
sammenhang
immer wieder besonders hervorgehoben wird, daß diese Zeugen
die Niedrigen, Verachtoten, die Kleinen dieser Welt sind und daß hier gerade
der Hinweis auf den niedrigen sozialen
Stand Jakob
Boehmes,
auf
den Gegen-
satz
zwischen
dem
Schuhmacher und
den
gelehrten, prächtigen, reichen
Pro-
fessoren,
Pröbsten
und
Primarii, die seine Gegner bilden, eine große Rolle
spielt. So
ist
es meistens dieselbe Melodie, die Breckling in seinen Schrif ten
spielt: Boehme
ist
einer der vielen Zeugen der Wahrheit, der echten wieder-
geborenen Christen und
Geistmänner,
die
von der
falschen, antichristliehen
Weltkirche verfolgt und verketzert werden
und
an denen sich das Leidens-
Schicksal Christi vollendet. Dies is t vor allem der Grundton seiner Schrift:
Anticalovius
in
der
er die Angriffe des
Wittenberger
Theologen Abraham
Calov
auf Jakob
Boehme zurückweist. Es mögen
hier nur
einige Worte Breck-
lings folgen, welche die geringen Variationen dieses Grundmotives enthalten ,
Was ich von den übrigen Juden, Türcken, Heyden
und
ihren unmündigen
Kindern und derer aller zustand im leben und sterben hal te , das
finde ich
in keinen
büchern besser
ausgedruckt
und beschrieben als in der heiligen Schrifft und
auch
in Jacob Boehmens sel,
schrifften,
sondernlieh in der fürtrefflichen vorrede über
die ,Auroram , wer nur augen
und weißheit
von
Gott
hat,
solches
recht einzusehen,
wie alles im grunde für
Gott
lieget
und beschaffen
ist. Was auch der seI.
Jacob
Böhtn
von den heutigen nndankbaren christen und ihren
seeten,
von den Papisten,
Lutherische,
Reformirte und denen art ickeln
die
unter ihnen streitig seyn,
sehr
gründlich
nach der wahrheit
geschrieben
hat,
kan
ein
jeder
selbst
bey
ihm nach-
lesen,
nachdem Gott
uns ein
qrosses
icht
aller verborgenen Weißheit und wa hrheit in
ihm angezündet und zum gemeinen dienst auf den leuchter gestellt hat Welche solches
nun
nicht
dankbar als von Gott erkennen,
vornehmen
und den guten
samen
aus
seiner Spreu
auslesen wollen,
die
mögen
ihre
eigene
blindheit behal ten und alles,
w
sie in Jacob öhm selig und
andern
böß
und
verkehret zu
seyn
erachten,
das
mögen solche undanckbare
verächter
für ihr theil behalten und darüber
zancken,
disputiren,
predigen, schreiben,
streiten
und
peroriren, biß sie
endlich
müde
werden, die
schlüssel und
thür zu Loths hausse
unter
ihnen
zu finden und Christi
Geist
licht
und gnade eben
so
wenig
unter
sich
erkennen mögen
als die
alten
Pharisäer, da
er
gleich
mitten
unter ihnen getretten und noch alle tage
in
und bey
uns
ist,
bis an
der
Welt ende
1
BRECKLING,
letzter abschied
und ausgang
G. A.
XXXIII
cap. 9 S.
926f.
106 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 107/121
Der Prophet Jakob Boehme
U
Und da wir sammt Jacob
öhm
und andere zeugen der
wahrheit
die heutige
falsche lehrer
und kirchen-diener
darüber bestraffen,
da
stossen sie uns noch
dazu
mit Gottes
wort,
licht
und
wahrheit
von sich aus,
sondern uns
von sich
ab, t reiben
uns von unserem
amt und
dienste weg, wie Saul den
David und schelten
uns
dernach für
separatisten,
Quaecker und Quietis ten und verfolgen uns
mit
worten
und wercken, so
weit
sio können oder stimmen auch mit den verfolgern überein,
so
daß
wir kein
theil noch
loos
mit
unter
ihnen
haben noch
finden
mögen.
Wollet ihr
Jacob
öhmen uns
und andere zeugen der Wahrheit von euch und
der
ewigen
seligkeif ausschliessen ? Ihr sollet wieder
ausgeschlossen
werden Wer
machet sie so stolz, den Jacob öhmen und uns so
vermessen zu verurtheilen und
verdammen al s
der
Satan?
Wann Jacob
öhm
ich
oder
ein
ander thörichter
oreutz-diener von Gottes wegen sio
anreden,
oder
ihnen
Gottes wort und
zeugniß
von
ihnen schreiben
und bekannt machen müssen, da sind die fort zu pferde,
denken und sagen:
Was
hat uns dieser zu schreiben? Was sols
uns
dieser einreden,
oder straffen? oder
unterweisen,
was recht
und gut
ist? Was ist das anders al s
lauter geistlicher Hoffart und Pharisäischer stoltz, frechheit und vermessenheit
Ihr
heuchler und übertünchte todtengrüber,
wer
hat euch so
stoltz gemachet?
Worinn
seid ihr besser,
als ich,
Jacob
öhm
und
andere, die
chr is to ohne
zurück
sehen nach
der
welt und ihren beförderungen bis in den
todt
unter seiner creutz
fahne zu
dienen
und folgen
suchen?
sollen wir euch denn zu gefallen mit unserm
pfunde und gaben nicht wuchern? oder
sol
der teuffel allein
macht in
der welt und
ihren priestern zu reden haben und christus in
seinen
creutzgliedern für euch
schweigen
und verstummen ? 2
Und da wir Jacob öhmund andere Zeugen der Wahrheit die heutige falsche
Lehrer
und Kirchen
darüber bestraffen
da stossen sie
uns
noch dazu mit GOttes
Wort Liecht und Wahrhe it von sich
auß sondern uns von
sich
ab treiben uns von
unserm
Ampt
und
Dienst weg
wie
Saul den David
und
schelten
uns
hernach für-
Separatisten
Quaecker und Quietisten
und verfolgen
uns
mit
Worten
und
Wereken
so
weit
sie
können und stimmen auch mit den
Verfolgern
überein
so
daß wir kein theil
noch
lohn
unter
ihnen haben noch
f inden mögen. Diese
heutigen
Pharisäer s ind noch schlimmer
als die alten, die
noch
Land und
Leute herumb
reisseten einen Judengenossen zu
machen das
ihr nicht thut und
der
Propheten
Gräber baueten da ihr Jacob oehm und andere Zeugen der Wahrheit biß
den
Abgrund
der
Höllen
verdammet
was
soll
Gott denn
endlich
mit
solchen falschen
Lehrern
und
verstockten Phariseern
thun 3
Gott h at
seine
weißen Propheten und Schrifftgelehrten zu euch in
euer Jeru
salern gesandt welche ich mit grossem Fleiß müh und reissen gesuchet
biß
mir
Gott
derer
etliche
hat
finden oder
ihre
Schrifften
hat zu
kommen lassen
unter
welchen
ich
auch den
seel.
acob oehmen
Gifftheilen und
andere
in
meinem
,Friderico
Resurgente'
angezogene Zeugen der Wahrheit mit
rechne
weil
ihr
aber
solche
nicht
achten noch erkennen noch hören
und
annehmen
wollet
sondern
ebenso undanckbahr
als
das alte
J erusalem von euch außstosse t und
verfolget
so
wenden wir uns
mit
den
Aposteln
Christi zu
den
übrigen Juden
Heiden und
das.
S.
923;
vgl. Anm.
das. S. 928, S. 931.
3
BRECKLING,
Paulus Redivivus Amsterdam
bey
Wed.
Christoffel
Cunradus 1688,
S. 2 und 3.
107
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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]60
ERNST NZ
Türcken
daß ihnen
der
unaussprechlicher
Reichthumb
der
Güte langmuth und
gedult
Gottes offenbahret
werden möge. l Ihr
kennet
weder
Christus
noch
Gottes \Vort Kirche Reich und creutzdiener
unter
euch nach dem
Geist
der
neuen Creatur und habt solche
längst
verworffen und von Lutheri zeiten an von
euch außgestossen
und
eben
so verkehrt
als die Pharisäer und Papisten in
Christo
und Luthero
urtheilet
hasset
und
verfolget in uns Jacob Boehmen und
allen
Zeugen
der wahrheit
unter
euch
2
Die Grundvoraussetzung ist dabei überall, daß in diesen Zeugen
der
Wahr
heit tatsächlich
der Heilige Geist wirksam ist,
und daß auch
die
Erkenntnisse
und Offenbarungen dieser Zeugen echten prophetischen Charakter haben. Nur
is t hier Boehme nicht mehr als einzigartige, endzeitliehe Heilsfigur von fast
messianischem Charakter
verstanden,
sondern
auf
eine
Stufe
mit einer Anzahl
von Zeugen der Wahrhei t gestellt, denen sich Breckling selber zurechnet
und in denen er
in
heilsgeschichtlicher Gleichzeitigkeit denselben Geist Gottes
arn Werke sieht.
Der
Gedanke,
daß
die Verkündigung Boehmes sich
zunächst
an Deutschland
richtet, ist dabei noch so lebendig, daß er hier geradezu zur
Begründung der Heiden-Mission führt:
nachdem
die deutsche evangelische
Kirche ihren eigentlichen
Propheten,
Boehme, mitsamt den anderen Prophe
ten verworfen hat, gibt es Breckling auf,
von
dieser Kirche.
noch
eine innere
Erneuerung zu erwarten und wendet sich in Deutschland verzweifelnd zu
denen, die
noch nicht durch
ein falsches Christentum für das ursprüngliche
Evangelium
verdorben sind und
die noch unbefangen die echte
Botschaft
von
Christus in sich
aufnehmen
können.
Diese
Einreihung Boehmes
unter die Zeugen
der Wahrheit
weist
bereits
hinüber
zu dem großen Geschichtsschreiber
der
Propheten, Schwärmer, Mysti
ker
und
Separatisten des 17.
Jahrhunderts,
zu Gottfried Arnold.
3. Gottfried
Ar
no l d
1666-1
714)
Gottfried Arnold
hat
sich für Jakob Boehme in seiner Kirchen u Ketzer-
g s hi ht
im Wesentlichen im Sinne Brecklings eingesetzt und dadurch viel
zur
weiteren
Verbreitung der Hochschätzung
Boehmes beigetragen. Seine
Darstellung des
Lebens Boehmes schließt sich eng an den
Bericht Abrahams
von
Franckenberg an
und fügt diesem noch einige andere Äußerungen von
Anhängern Boehmes hinzu, die seine Sendung durch den Hl. Geist verteidigen.
Er beschreibt auch Boehmes innere Entwicklung ganz wie Frarickenberg und
periodisiert sie
nach
den drei Erleuchtungen, die ihn in die wahre
Erkenntnis
des Wesens al ler Dinge einführen.
Weiter
versucht er durch Abdruck ver
schiedener
Dokumente
die Schriftgemäßheit
seiner
Verkündigung
zu erweisen
und die Beschuldigung
der
Häresie, die von orthodoxer Seite gegen Boehme
1
das.
S. 7. 2 das. S. 8.
3
Unpartheyische Kirchen
u
Ketzer Historie Frankfurt
a, M. 1729.
(
~
)
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der
Prophet
Jakob Boehme
vorgetragen wurde, zu entkräften.
In
diesem
Zusammenhang
greift auch
Arnold
auf
die zahlreichen
Iudicia
zurück, welche schon
in
der Einleitung
der verschiedenen Druckausgaben Boehmes erschienen
und
in welchen Boehme
beschrieben wird als ein von
Gott
aufgestecktes Licht, welches dieser
letzten
Welt gegeben
worden .
Die ausführliche
Betrachtung und
Würdigung
der
Boehmeschen
Schriften
durch Gottfried
Arnold
stellt eine regelrechte Apologie dar. Er
verteidigt den
originalen Inspirationscharakter dieser Schrif ten, widerlegt ausführlich alle
Einwände
der
Gegner, die Boehme beschuldigen,
er
habe seine Gedanken von
anderen abgeschrieben. Er druckt deshalb
auch
die richtigsten Stellen aus
Boehmes Schriften ab, in
denen
Boehme selbst von dem Offenbarungscharak
ter
seiner Lehre spricht
und
in denen er die Unansehnlichkeit seiner Person
und seiner eigenen Wissenschaft durch den
Hinweis
auf den göttlichen Auftrag
entschuldigt. Bei der
Darstellung
der Hauptlehren Boehmes tritt Arnold als
Parteigänger
Boehmes auf, und
zwar
gerade in den
Lehren,
die VOll
der
Kirche
besonders angegriffen wurden: seiner Anschauung
vom
Urmenschen, seiner
Weisheits-Lehre, seiner
Anschauung
vom Teufel. Ja
Arnold
bemüht sich nach
zuweisen, daß gerade diese
Lehrpunkte
dem Kern der Heiligen Schrift ent
sprechen. So ist durch Gottfried Arnold das Ansehen der
Person
Boehrnes
in
ihrer besonderen Betrachtung als eines von Gott erwählten
Propheten sehr
gefördert worden, wie umgekehrt, Arnold selbst die Gegner Boehmes dadurch
zu den Seinigen genlacht hat.
Neuere
Zeugen einer prophetischen Auffassung Jakob Boehmes
In die neuere Geistesgeschichte ist die Auffassung Boehmes als eines echten
Propheten auf einem
doppelten
Weg hineingetragen
worden,
Der
eine
Weg
führt über die
radikalen
Spiritualisten
und
Separatisten, die sich - aus Ver
zweifhmg über die
Entartung
des
Evangeliums
in den einzelnen Konfessionen
von dem weltförmigen, öffentlichen Kirchenturn überhaupt freimachten
und
nur
noch
in freien und persönlichen Gemeinschaften das Wesentliche
des
Evangeliums verwirklichen
wollten,
Schon
früher wurden die Gichtelianer
genannt, bei denen Boehme als der Engel des ,Ewigen Evangeliums immer
Ansehen und
Gültigkeit
blieb. Neben ihnen ist der wichtigste
Vorkämpfer
der
Boehmeschen Prophetie
Johann Konrad ippel
(1673-1734), der als Arzt und
freier
Evangelist
in einem abenteuerlichen Schicksal die europäischen
Länder
bis
nach
Rußland
und Schweden durchzog
und der
auf die
Entwicklung
der
deut
schen Frömmigkeit rmd
auf
die Ausbildung eines kirchenfreien spirituali
stischen
Christentums
in
Deutschland durch
seine zahlreichen
Schriften
den
größten Einfluß ausgeübt hat. ippel der ebenfalls als endzeitlicher Warner
auftrat, hat genau wie Kuhlmann noch einmal die Verheißungen Boehmes ge
sammelt und nach ihren Hauptgesichtspunkten
systematisch geordnet;
er hat
versucht, seinen Zeitgenossen den Endzeitcharakter ihrer eigenen Geschichts-
109
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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162
ERNST NZ
epoche klar zu machen und sie zu zwingen, Buße zu tun
und
eine
Erneuerung
des evangelischen Lebens zu versuchen.
Dieser Bußruf an seine Zeit hat
ippel in
seiner
Schrift
vorgelegt, die
den
Titel trägt:
instimmige
Zeugnisse von denen Letzten
Plagen /
durch besondere Gott-
erleuchtete
und
geheiligte Gefäße
und
Werkzeuge geflossen
/
denen voran-
gesetzt ein l urtz r Inhalt und Anpreisung der Poiretischen Schrillten
um
diese Leuchte zum Abendschein auch denen infältigen gemein zu machen
durch Übersetzung in das Teutsche
In dieser Schrift heißt es von Jakob Boehme :
Obw·bhl seine vortreffliche Schrifften mehr verlästert und verketzert worden,
seine
göttliche Weißheit auch
gemeiniglich
von denen falschen
Orthodoxen
spott
weise die Schuster-Theologie genennet wird, so ist doch ohne allen Zweiffel, daß
seine aus dem heiligen Geist entsprungene lVeißheit
das heutige
Schul-Gewäsch
der
falsch-berühmten
Kunst
unendlich weit übertrifft:
ja so viel höher als der
Himmel
über der
Erden
ist so viel höher vortrefflicher
und
heiliger ist seine in seinen
theologischen,
theosophischen
und philosophischen Schrifften enthaltene göttliche
Weißhei als
aller
Schul-Plunder seiner Spötter
und
Verächter
und a13
alle
mons
trose
Fratzen der
Cartesianischen Wolffianischen Welt-Weißheit.
Hier dient also bereits, wie später bei
Oetinger Schelling und Hegel
die
Boehmesche Philosophie als Gegengift gegen den Rationalismus
der
Carte
sianischen
und
Wolffischen Aufklärung; Es folgt
dann
eine
Zusammenstellung
von Boehmeschen Prophezeiungen von der kommenden Lilienzeit , der Zer
störung
Babels, von
dem
Gericht, .vom
kommenden
Antichrist, vom Heno
chianisehen Leben.
Diese Verheißungen sind für die Gläubigen der spiritualistischen Kreise,
die sich von der
Kirche
absonderten
und
als freie
Konventikel
ihr eigenes
Frömmigkeitsleben führten bis in das 18.
und
19.
Jahrhundert
hinein maß
gebend geblieben. Sie haben eine
neue
Bedeutung
im Zusammenhang
mit
den
Vorwehen
der französischen Revolution erhalten
und
reichen bis
in
die
Anfänge
der
Erweckungsbewegung hinein.
Im Jahr
1779
ist
in Berlin
und
Leipzig bei Christian Ulrich Ringmacher eine
Schrift
erschienen,
welche
den
Titel trägt:
Die
letzte
Posaune an
alle Völker oder Prophezeyungen der gottseligen
und
hocherleuchteten Theosophie Jacob Boehmens
von
dem naheseyenden
Untergang
des
Antichrists
und Babels von Offenbarung der Lilienzeit, von der Tinctur der
Weisen, von des
Bräutigams
Zukunft und dem ganz nahen Jüngsten Gericht nebst
andern Geheimnissen
mehr
aus dessen sämtlichen Schriften
sorgfältig
heraus
gezogen von einem
kleinen
Zweiglein am Perlen-Baume und
ietzo
denen Liebhabern
der
Weisheit
zu
einem angenehmen Geruche
dargestellet.
In dieser Schrift sind die wichtigsten Prophezeiungen Boehmes alphabetisch
zusammengestellt. Merkwürdigerweise trifft hier die alphabetische Reihen
1 Geistliche Fama Stück
XIV
1734
§
17 S. 65ff.
110 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet Jakob
Boehme
163
folge
der
Gesichtspunkte ungefähr ihre innere Zuordnung zueinander. Die
alten Themata
nach
denen schon Quirinus Kuhlmann diese Prophezeiungen
ausgewählt hat schimmern auch in der letzten Veröffentlichung dieser Art
noch deutlich durch.
A. Vom
Untergange
des Antichrists.
Vom Untergange
des
Unrörnischen
Antichrists.
Wie der neue unrömische Antichrist durch die
Lilien wird
vertrieben
werden
ehe
er reif wird.
Von
Ausgange der
Kinder
Gottes aus Babel.
Von des Autoris seiner eigenen
Gabe
und dessen
Schriften.
Von der Rosen die aus
des
Autoris Ente
in
der Lilienzeit hervorbrechen wird.
Wie seine Schriften zur
Lilienzeit
sollen offenbar
werden.
Wie
seine Schriften welche sein
Vaterland
wegwirft von fremden Völkern
sollen
aufgehoben
werden.
Von seinem
Senfkorn
welches zu einem Baum werden wird.
B.
Vom
Untergange Babels
wie
und wenn solches
geschehen
wird.
Von der Beute Austheilung den Kindern der Geheimnis bekannt.
Von des Bräutigams
Zukunft.
C.
Von
Christi
letztem Regenten.
Von
dessen
letzten Offenbahrung.
Von seiner
Zukunft.
Wie.über
den Schaden J osephs
der verderbten
Christenheit geeifert
werden
soll
D.
Von
Deutschlands
bisherigem
Gerichte.
Von
der Verkündigung des 30 jährigen deutschen Krieges.
E.
Von Eliae
Ankunft im
Geiste.
Von
der Erlösung
des Treibers.
Von
der
weissen
Erndte.
G. Verkündigung des
ganz
nahen jüngsten Gerichts.
Gericht über Babylori.
H. Vom Henochianischen Leben.
Von
der siebenden Zei t a ls des Henochs im
Geiste.
Vom Erzhirten
der die
Schafe
selbst
weiden wird.
Von der Huren und des
Thieres
Untergang.
I.
Von
der
instehenden
Juden
Türcken und Heiden
Bekehrung
Von
der
Jungfrauen Sohn
der
wieder
kommen
wird.
Wann die Jungfrau soll
gesehen
werden.
L. Von der Zukunft gewaltiger erleuchteter
Lehrer
in Hebron.
Vom
Gerichte
über
die
falschen
Lehrer.
Vom aufgehenden Lichte.
Von der
Lilien und des
Lilienzweiges Wachsthum.
Wie den Mitternächtigen
Ländern die Lilie
blühen
wird.
Von der Lilienzeit und was vorhergehen werde.
Von der
Offenbahrung
der Tinktur zur
Lilienzeit.
Wie
nach der
Lilienzeit
das Ende
kommen
werde.
M.
Von der Erfül lung der göttlichen Magiae.
P. Wan das
Perlein
werde erfunden werden.
Von der
siebenten
Posaunen Schall
R. Von der letzten grossen Reformation.
111
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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164 ERNST BENZ
VOffilReich Christi,
welches aufkommen
und
blühen
wird, zum Zeugnis allen
Völkern.
Vom herannahenden Untergange
des
Weltlichen Regiments.
Verkündigung
von
Greg.
Richters nahem Ende
der
auch
wenig
Monate darauf
starb .
Von
dem
gegenwärtigen Seculo.
Wie
zur
Zeit
des
siebenten
Siegels
Babel
untergehen
soll.
Wie alsdann die Augen sollen
eröfnet werden.
I .
Vom
Bau des Tempels Ezechielis und
neuen
Jerusalem.
U. Vom Finden des Universals für Seele und Leib, eine kurze Summa des Philo-
sophischen
Werks,
\V. Von den
Wundem
aller Principlen, die da sollen offenbar
werden.
Z. Von
den
letzten
Zeiten.
Von
der
Zeit des
Suchens
und Findens.
Vom
Ende
der sechsten
und Zions
Zeit.
Von
Zions
Offenbarung.
VI.
Die kirchliche
Bewertung der Prophetie Boehmes
Die evangelische Kirche
hat
Boehme trotz seiner inneren Verwandtschaft
mit Luther nie als Propheten anerkannt. Dem stand das protestantische Schrift
Prinzip und
die orthodoxe Lehre vom Heiligen Geist entgegen. Die Offenbarung
is t für die strenge orthodoxe Betrachtungsweise mit
der
Niederschrift
der
Heiligen Schrift ein für alle mal abgeschlossen: die Schrift in
ihrer
kanonischen
Form ist
die
für
alle Zeiten hinreichende und sich selber vollständig erklärende
göttliche Offenbarung. Die Kirche hat keine
weitere
Offenbarung
über
die
einmal gegebene
und
endgültig abgeschlossene
übernatürliche
Offenbarung
Gottes hinaus zu erwarten, Der Heilige Geist selbst äußert sich in der Kirche
nicht in Form einer Weiterführung der göttlichen Offenbarung durch neue
Prophetie über die Heilige S chr ift hinaus, so nde rn ausschließlich in der Aus
legung der Heiligen Schrift. So konnten die gestrengen Orthodoxen jeden
Anspruch einer Weiterführung
der
Offenbarung nur als Ketzerei verstehen und
mußten ihn von vornherein abweisen. Nur dort findet sich ein Verständnis
für
Boehmes Schriften und Lehren, wo innerhalb
der Kirche
selbst eine gewisse
Auflockerung dieses starren Schrift- und Geistprinzips stattgefunden
hat und
wo eine freie Auffassung von der Möglichkeit außergewöhnlicher Geistwirkungen
in der Geschichte vorliegt, und zwar in einigen Strömungen des Pietismus
und
in deren
Weiterführung
in der deutschen Erweckungsbewegung.
Auch
dort
ist
aber
ein wirkliches
Eingehen
auf Boehme und vor allem ein wirkliches Auf
greifen seiner prophetischen Selbstdeutung
außerordentlich
selten.
Nur an zwei Stellen
läßt
sich - von
Speners
sehr vorsichtigem Votum über
Boehme abgesehen - ein solches Verständnis Boehmes
auf
kirchlichem
Boden
nachweisen, bei
F. C. Oetinger
dem Führer des schwäbischen, theosophisch
orientierten Pietismus, und
bei
Heinrich J ltng-Stilling dem Haupt der Er..
weokungsbewegung um die Jahrhundertwende
und
im ersten Viertel des
19. Jahrhunderts.
] 12 )
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Der Prophet
...T
akob
Boehrnc
1.
C. F.
Oetinger 1702-1782)
1(j )
F. Oetinger unterscheidet sich von der älteren.
Form
des schwäbischen
Pietismus, wie sie
in
Johann
lbrecht
Bengel
und
in dessen Berechnung der
apokalyptischen Zeiten ihren reinsten Ausdruck fand, dadurch, daß sich in
ihm
die naturphilosophische
und
naturwissenschaftliche
Schau
mit
Seiner An
sehauung vom Ablauf der' Heilsgeschichte und der Endzeit verbindet. Er
Übernimmt die Bengelsehe Geschichtsberechnung,
übernimmt von
ihm auch
den Glauben an
das
nahe.
bevorstehende
Ende derWelt, sieht aber den Gesamt
verlauf der Heilsgeschichte doch in einem viel stärkeren Maße als Bengel in
Form einer
fortschreitenden
Selbsterschließung und Selbstoffenbarung Gottes.
Der Fortschri tt in der Heilsgeschichte bewirkt zugleich eine Vertiefung der
Erkenntnis, indem die Heilsgeschichte sich immer deutlicher selbst auslegt.
Die Angehörigen
der
letzten. Zeit, ' die im Glauben
an
Christus die
Geschiohts
entwieklung
betrachten,
wissen also mehr als die Apostel, weil diese
dem
Ende
noch ferner standen und den Gesamtverlauf der Heilsgeschichte gewisser
maßen wie einen
massiven
Gebirgsblock in einem einzigen Umriß vor sich
sahen,
während
die
Menschen der
späteren
Heilsepochen schon eine Reihe
von
Vorbergen überstiegen haben und auf der letzten Höhe angelangt, die gesamte
Heilsgeschichte hinter sich der Vielheit ihrer Höhen
und
Täler überschauen
und auch das
nahe
Ende viel deutlicher und klarer umrissen sehen.
In
Verbindung
mit
diesem Geschichtsbild
wagt
Oetinger
auch
das
starre
kirchliche Dogma von der Offenbarung dynamischer auszulegen. Für Oetinger
ist
die außerordentliche Offenbarung nicht mit der Niederschrift
der
Heiligen
Schrift
abgeschlossen, sondern diese
geht
immer neben den ordentlichen Geist
wirkungen in
der
Kirche einher, die an die Predigt und die Sakraments
Verwaltung der Kirche gebunden sind. Wohl ist
der
Heilige Geist ein gc
hundenes Geschichtsprinzip,
aber
er
ist
nicht
nur
auf die kirchlichen Normen
beschränkt,
sondern wirkt als die Hand Gottes in der Geschichte, der immer
wieder, wenn ein Zerfall des Evangeliums
und
des evangelischen
Lebens
ein
getreten
ist,
große
FÜhrer
und
Propheten
erweckt und
der
große
unerwartete
Wundertaten
vollbringt,
um das
Werk
Gottes
wieder
instand
zu setzen
und
die Kirche auf ihrem
Weg
durch die Geschichte bis zu dem Anbruch der
gÜldenen Zeit weiterzuführen, in
der
in der erlösten Menschheit. das
wahre
Wissen
und
die
wahre
Erkenntnis aller Dinge durchbrechen und die richtige
Ordnung
der Verhältnisse hergestellt wird.
Die Verwandtschaft und innere Verbundenheit seiner
Endzeiterwartung
mit
der Boehmeschen Verheißung, nicht weniger die gemeinsame Auffassung
VOll
der
Heilsgeschichte als
der
Stätte
der
fortschreitenden
Selbstenthüllung
Gottes,
is t
also'
der
t iefste Grund, weshalb Oetinger allein imstande war, Boehmo zu
verstehen
und
auch seinen prophetische Selbstauslegung als
berechtigt
und
geschichtlich wohlbegründet anzuerkennen. Oetinger hat Boehme nicht nur
wiederentdeckt und viele seiner Lehren und Anschauungen in
der
Theologie
Abh. Gelstes- u. sozlalw. KI. xr. 3
( 13 )
8
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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166
] ~ ~ S T Z
und Naturphilosophie
wieder zu Ehren gebracht ,
sondern
hat auch die
Deu
tung wiederaufgenommen. die Kuhlmann seinem verehrten Lehrer gegeben
hat, seine Auslegung als Engel mit dem Ewigen
Evangelium.
Ermöglicht wurde
ihm
diese Auslegung
durch
die Bengelsehe Berechnung
der
Endzeit.
Bengel hatte in seiner
Erklärten Offenbarung
nachgewiesen, daß
die heilsgeschichtIichen Ereignisse, die im
14.
Kapitel der
Apokalypse
be-
schrieben sind und die hauptsächlich in dem Auftreten der
drei
Engel bestehen,
im 17. und im Anfang des 18. Jahrhunderts sich erfüllen müssen , Die drei
Engel selbst werden
dabei
als endzeitliche
Führer, Prediger und
Propheten
der Kirche
verstanden,
die die Christenheit vor allem in Deutschland
durch
ihre Bußpredigt erwecken, die Greuel und die Bosheit des Antichrist aufdecken
und die Zeit auf das kommende Gericht
und
die Aufrichtung der
wahren
Kirche
Christi vorbereiten sollen. Oetinger
hat
diese Berechnung übernommen und
weist in seinem Buch
Die güldene Zeit darauf
hin, daß, ,im 17.
Jahrhundert
die
Zeit der drei Engel
und
des Ewigen Evangeliums ist 3. Das
bedeutet
für ihn:
seiner Geschichtsauffassung nach
liegt
die
Verkündigung
des
Ewigen
Evan
geliums bereits Über ein
Jahrhundert
zurück.
Sie
besteht in der Offenbarung
des
innersten Grundes der Natur
und
in der
Verkündigung
des
wahren evan
gelischen Lebens, in dem das Leben der Erkenntnis des Glaubens innerlich und
äußerlich
entspricht.
Wann und
durch wen diese Offenbarung im 17. Jahr
hundert stattfand,
wird im
Gespräch von dem Hohepriesterthum Christi
so be-
schrieberr :
~ G o t t hat
endlich die
Zeit kommen lassen,
dass
der Engel mit
dem
Ewiqe» Evan-
gelium
u das
Jahr
1600 entweder
an Jacob Boehrne
oder an
Johann
Arndt oder
collective beiden zugleich
erschien.
Oetinger wagt sich hier
nicht
zu entscheiden. Entweder Boehme oder
Johann
Arnd oder beide zusammen sind die Erfüllung dessen was in der Apokalypse
mit dem
Kommen
des Engels
mit
dem Ewigen Evangelium prophezeit
ist.
Boehme ist hier also auf jeden Fall als eine heilsgeschichtlicheFigur von höchster
Bedeutung für
die
Endzeit
aufgefaßt, durch die eine
letzte
Erschließung des
Evangeliums
erfolgt ist.
Daß
Oetingcr hier in
der
Tat an
eine Offenbarung
1 so
schon
in
seiner Schrift: Sioedenborqs und anderer Irrdisehe und
Himmlische
Philosophie
Frankfurt-Leipzig 1765 (vgl. dazu ERNST BENZ,
Swedenborg in
Deutschland Frankfurt a.M.
1948 S. 15ff.), dann vor allem
in den
Schriften: Inbegriff
der Grundweisheit oder kurzer
Auszug
aus den Schriften des teutschen Philosophen
in einem
verständlicheren
Zusammenhang,
Frankf. und Leipz,
1774,
abgedr,
in
Sämtl . Schriften hgg. von HM NN Bd. 1 S.
3 70-396
mit
einem
Anhang:
,,\\Tie
man J. Böhm
mit
Vorsicht
l esen sol l ,
un
Versuch
einer Auflösung der 177
Fragen
aus
Jakob
Böhrn,
1777,
mit
einer
Predigt am Feie rtag Mat thäi : Daß
noch heut zu Tag die mancher le i Gaben des Geistes sollen erkannt werden
(Sämtl, Schriften, Pred.
Bd. 5 S. 414-423).
2
BENGEL, Erklärte Offenbarung
Johannis
cap. 14, 6, S. 774, Stuttgart 1834.
3
OETINGER, F.
C.,
Die güldene Zeit
Sämmtl.
Schriften
s. Abh. Bd. 6 S. 80.
Gespräch
vom
Hohepriestertum Ohristi daselbst S.
146.
( 114 )
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Der Prophet Jakob
Boehme
167
denkt
die über
den
vorhergehenden Stand der geistlichen
Erkenntnis
der
christlichen
Kirche hinausführt geht aus
einem Wort hervor,
das
er in seiner
Abhandlung
von dem
Zusammenhang
der Glaubenslehren mit den
letzten
Dingen
sagt :
,Dic Zeit der Unwissenheit ist vorbei; wir leben jetzt im Periodus des euiiqen
Evangeliums
Der fängt von Arnd
an.
Jetzt
gelten die
alten
Ausflüchte nimmermehr.
V
ir
sollten billig
des Satans
Kunstgriffe die
Lehre
vom
Reiche
Christi
zu
ver
dunkeln besser
einsehen.
Das heißt doch
offenbar:
nachdem
die
Erschließung
des eigentlichen
und
tiefsten Sinnes des
Evangeliums
erfolgt ist, gilt der frühere, entschuldigende
Hinweis auf die
beschränkte
menschliche Einsicht
in
die Geheimnisse der
Heilsgeschichte nicht mehr : das Ewige
Evangelium
ist
verkündigt
die Ab-
griinde der
Bosheit
des
Antichrists sind aufgetan das Wesen
des Reiches
Christi
ist
eröffnet,
das neue höhere
Wissen
ist kundgemacht. Dem entspricht
daß
Oetinger
Boehme auch
sonst
in
dem
vorhin genannten
Gespräch von dem
Hohepriesterthum Christi als
2
den Propheten unserer
Zeit bezeichnet, was
wiederum bedeutet daß er ganz real seine eigene
Zeit
als
Erfüllung
der
Boehmeschen
Endzeitverheißungen versteht.
Es
erübrigt
sich darauf hinzu-
weisen, daß Oetinger diesen Gedanken von dem Fortschreiten der Offenbarung
in der Heilsgeschichte nicht allein auf Jakob
Boehme
anwendet : er
benutzt
ihn
ebenso, um die Wahrheit der Offenbarungen Swedenborgs
und
seines
Lehrers Bengel zu verteidigen
So
steht
also die
Wiederentdeckung
Boehmes, die sich in
fast
allen
Schriften
Ootingers durch immer
neues
Zurückgreifen auf seine
Schriften
und Gedanken
auswirkt und
die
für
die
Bekämpfung
des Wolfsehen
Rationalismus für
Oetinger die
größte Bedeutung
hat im
Zusammenhang einer
solchen
dynami
sehen Auffassung vom Wesen der Offenbarung, die ihrerseits wiederum bc-
gründet ist
in
einer vertieften Anschauung
vom Vollzug
der
Heilsgeschichte als
einer dauernden Selbsterschließung Gottes, die sich in immer
neuen
Stößen
und Durchbrüchen
des
Heiligen
Geistes
und
in
immer
neuen
geschichtlichen
Erweckungen von Propheten und
Gottesmannern
und
in
einer immer neuen
Ergänzung und Verlebendigung der ordentlichen Geistgaben der
Kirche
durch
außerordentliche
Geisteswirkungen vollzieht.
2. Heinrich
Jung-Sti l l ing
l 740 -1817
Der
Ausklang dieser
Gedanken deren praktische Auswirkung innerhalb
des
offiziellen
Kirchentums wiederum an dem
kirchlichen
Schriftprinzip
scheiterte,
findet sich
dann
bei
Jung-Stilling
in
dem
der endzeitliehe, prophetische Geist
zum
letztenmal in der Geschichte des neueren
Protestantisrnua
aufflackert.
Jung.Stilling
lebt
und denkt
im
Grunde
in derselben Geschichtsanschauung
1
bhandlung
V n
usannnenhanq
der letzten Dinqe daselbst
S. 270.
2 Gespräch vorn Hohepriestertum Christi
daselbst S. 165.
( 115 )
8*
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 116/121
168
~ S T NZ
wie Bengel und Octinger.
Er
lebt
in dem Bewußtsein:
'(1.8 11Ul
ihn herum
goschieht,
ist Endzeitgeschichte. Der
Sieg des
französischen
Rationalismus
uncl Matcrialismus, seine atheistische
Wendung
in der
französischenRevolution,
dns
Auftreten einer kämpferischen antikirchÜchen Front, die die Lehre, die
Überlieferung und die
sichtbare
Organisation der christlichen
Kirche
gleicher
maßen
ausrotten
will,
die
Erlahmung
des
Sündenbewußtseins.
das
Erlöschen
des
Gottesglaubens und
der
christlichen
Sitte,
das Verblassen der Christus
frömmigkeit,
die
Verweltlichung
der Wissenschaften, die rationalistische Zer
setzung
der
christlichen Theologie im Lager der Kirche selbst - all dies erschien
ihm als sicheres Zeichen dafür, daß nunmehr die letzte Zeit mit der denkbar
heftigsten Verfolgung
der
Christenheit eingesetzt habe und daß die Zeit des
Endkampfes, der Sichtung der wahren Gemeinde
und
schließlich die Zeit der
endlichen Wiederkehr Christi nicht allzu ferne sei.
In
seiner
Sieqesqeschicht«
der christlichen Religion
hat er ein Universalgemälde des Verlaufs der Welt
geschichte gegeben, das in dieser
apokalyptischen
Auslegung
der
eigenen Zeit
läufte
mündet.
In'
diesem Zusammenhang
erscheinen
ihm in ganz ähnlicher Weise wie
Octingcr die seiner Zeit vorhergehenden Jahrhunderte im Licht des Schon
Anbruchs
der Endzeit. Mit einigen
anderen
religiösen
Führern zusammen
tritt
hier
Bochme
zum
letztenmal in der
modernen
protestantischen
Gcschichts
schreiburig als heilsgeschichtliche Figur, als gottgesandter
Prophet
und
Erfüllor
endzeitlicher Verheißungen
am
Beginn der letzten Weltepoche auf. Auch für
Jung-StllIing
zieht
sich
die
Deutung der
näheren
Vergangenheit,
der
eigenen
Zeitgeschichte
auf
die Auslegung der drei Engel des] 4. Kapitels der Apokalypse
zusammen.
So wird in
der Siegesgeschichte der
erste
Engel, der das
Ewige
Evangelium
bringt,
und durch die
Mitte
des Himmels fliegt, auf Martin Luther
gedeutet. .
Ein Engel
fliegt mitten
durch
den
Himmel,
damit
er
auf
der
ganzen
Breite
der
Erden gesehen werden könne; oder
will
man
die
christliche Religionsverfassung
darunter verstehen, so ist Teutschland in
der Mitte
dieses
Himmels; hier
flog
also
dieser
Reformationsengel, unter welchem man ohne Anstand
den
seeligen
Doktor
Luther
verstehen
kann.
Denn
dieser grosse
Mann
war nicht allein der
Urheber-der
Religionsverbesserung, sondern er war es auch im eigentlichen
Sinn,
der das ewige
Evangelium hatte und
verkündigte.
Der zweite Engel aber, der
da ruft:
Sie
ist
gefallen Sie is t gefallen Babilon
die Große mit dem Wein ihrer Hurerei hat sie alle Nationen getränkt wird
in einer Weise ausgelegt, die Jung-Stilling
nur mit
innerem Zögern
vorträgt .
Ich
werde freilich
bei
diesem
meinem
Fingerzeig vielen Widerspruch finden,
allein das darf
ich nicht
achten,
ich muß
der Wahrheit treu
seyn:
Der
verachtete,
verkannte und für einen Erzschwärmer erklärte
Jakob
o hm ist
dieser
Engel;
keiner vor und
keiner
nach ihm
hat
so laut
den
Fall des
geistlichen
Babilons
bezeugt
und so
laut
von der
Lilienzeit
(wie er
sich
ausdrückt)
geweissagt. Hätto
1 J U N O S T I L L IN G Siegesgeschichte der Ohristl Reliqion
Nürnberg 1799 S . 536.
2 das. S.
419.
11
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet
Jakob
Boehme
169
dieser
hocherleuchtete
u n seine Sprache mehr in seiner Gewalt. gehabt, um
seine
erhabenen Begriffe deutlich vortragen zu können, so würden seine Schriften gemein
nütziger
gewesen seyn, und
durch Missverstand nicht
so viel
geschadet haben;
dieß
thut
aber
nichts zur Sache; es giebtviele, die sie
mit
großem Nutzen lesen
und
wird
eine Zei t kommen, wo e r theue r und werth geachtet werden wird. Seine Philosophie
l ö nt die reine unbefangene Vernunjt
ganz mit
dem ewigen vaugelio aus
und
er
folgt,
als
der andere Engel
mit
Recht
auf
Luthern,
Alle
Kapitel
seiner Schriften
rufen:
Babel
ist
gefallen
ihre
Hurerei ist offenbar, die Zei t der Lilie ist vorhanden.
Der dri tte Engel wird
dann
entsprechend auf den Führer
der
nachboehmi
sehen Religionsentwicklung.
auf
August Hermasut Francke
ausgelegt .
-Boehme erscheint hier also schon nicht mehr als der Engel mit dem E,vigCll
Evangelium: er hat seine Rolle an Luther abgetreten
und damit
eine
Mann
der
Kirche Platz
gemacht.
Ebeilso
ist das
Ewige Evangelium selbst
nicht
mehr
als eine Vertiefung und Weiterführung der Offenbarung verstanden, sondern
als die Bibel,
das
Heilige Buch der Kirche. Damit is t diese ganze
Gestalt der
Apokalypse völlig ins Orthodoxe zurückübersetzt. Boehme erscheint hier ledig
lich als der Verkünder des kommenden Falles Babels, d. h.
der
verweltlichten
Kirche, Auch diese Anerkennung
is t
aber nicht
mehr
rein ausgesprochen,
sondern
mit
einem Tadel der dunklen Ausdrucksweise Boehmes verknüpft.
\Vä.hrend die ersten Boehme-Schüler noch ganz : in dem
Bewußtsein
lebten,
eben
darin liege ja das Wunderbare
der
Boehmeschen Schriften, daß hier in
einer. ganz neuen Sprache von den Wahrheiten der göttlichen Offenbarung
gesprochen wird,
und daß nur
der
Geistbegabte sie
ganz
verstehen könne,
ist
hier seine
neue
sprachliche Ausdrucksweise
der
Gegenstand ei ne r Rüge.
o
wird gerade durch
das
unerwartete Aufgreifen
der Person
und Lehre Boelunes
durch
Jung -Stilling, den Erneuerer einer kirchlichen Frömmigkeit, der Unter
schied dieser
Einschätzung
gegenüber
der
ursprünglichen Auffassung seiner
prophetischen
Geisteshaltung
bei seinen Schülern besonders auffällig.
Wenn schon in
der
Siegesgeschichte die Anerkennung seiner prophetischeil
Sendung
wieder
eingeschränkt
wird, so zeigt
der Nachtrag zur Siegesgeschicltlc
einen völligen Verzicht
auf
die Einbeziehung Boehmes in die Heilsgeschichte
der
letzten Jahrhunderte. Es läßt sich nicht mehr feststellen, ob diese .Ent
thronung Boehmes auf eine Kritik am .Iung-Stillingschen Geschichtsbild von
Seiten
bestimmter
kirchlicher Theologen zurückgeht, ob der Widerspruch, auf
den
sich Jung-Stilling ja
gefaßt
macht, doch zu
stark
war, UIß seine ungewöhn
.liehe Meinung von Boehme noch weiter gegen das Urteil der Kirche auf
recht zu erhalten. Man kann
nicht
ohne
Grund
vermuten,
daß
gerade
der
Umstand,
daß
sich in dieser Zeit noch die Separatisten und Spiritualisten
und
die NachzügJer
der
Rosenkreuzer und
Alchimisten auf Boehme beriefen,
ihn
veranlaßte,
gerade im
Hinblick auf
sie,
deren
Gefährlichkeit
für
die
Kirche
er so oft betont, die heilsgeschichtliche Hervorhebung
der
Person Boehmes
' ,..
das, S. 419.
117 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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170
ERNST
NZ
in seiner Siegesgcschichte wieder fallen zu lassen. In den]
erwähnten
Nuch-
trau schreibt er nämlich :
Ich
habe in der Siegesgeschichte den
bekannten
Jakob
Boehm für
diesen Engel
erklärt : aber bey reiferem Nachdenken, und mehreren Licht in diese
Sache,
finde
ich doch diese Accomodation
nicht
vollständig genug: Denn so
mächtig
auch Böhm
-
vorzüglich
in
Geheim
-
gewürkt
hat
und
jetzt
noch
in
Russland,
Schweden,
Dännernark, Deutschland, Holland,
England
und besonders in
Frankreich
fort
würkt, kann ich
ihn
doch um deswillen
nicht mehr
für diesen
Engel
halten, weil
.(loch
bey
allen
seinen
Ankündigungen
des
nahen
Falls
der
grosen Babel ,
dieso
Ankündigungen nicht Haupt- sondern Nebenzweck seiner Schriften sind; er lehrt
Theosophie
-
das
ist:
die Philosophie des Himmels
und
des Geisterreichs, und
verbindet sie
ganz
orthodox mit unserm ächtevangelischen
Lehrbegrif : dies
ist
das
Thema
aller
seiner
Schriften; deren
Würkung auch
jenem
Zweck
entspricht , aber
die Gemüther nicht ganz
besonders und vorzüglich auf
den Fall
Babels
aufmerksam
macht,
welches
durchaus
geschehen
müste , wenn
er der
zweyte Engel
oder
sein
Repräsentant
wäre.
So wird also
Boehme
schließlich doch noch von seinem hciJsgeschichtlichcn
Amt
als Verkünder des Falles
der
Babel-Kirche abgesetzt und sein geschicht
licher Platz
mit
einem im Sinne Jung.Stillings zuverlässigeren, weniger ange
fochtenen und
umstrittenen
Kirchenmann besetzt. Nachdem
Jung
Stilling
seinen kirchlichen Bedenken erlegen ist,
wird Boehme
aus der Reihe der
heilsgeschichtlichen FÜhrer
der
nachreformatorischen
Jahrhunderte
endgültig
ausgeschieden. Die große
Wiederentdeckung
Jakob
Boehmes
in dieser
Epoche
ging
nicht
von der kirchlichen Theologie, sondern von den
Häuptern der
Philosophie des deutschen Idealismus, von Schelling, Franz von
Baader und
Hegel aus, in deren Religionsphilosophie wie auch Anthropologie und Ge
schichtsphilosophie sowohl die
Ideen
wie
auch
zahlreiche von ihm
neu
geprägte
philosophische Begriffe in
einer
schöpferischen
Weiterentwicklung
wieder
kehren .
Naclüraq zur Sieqesqeschiclue,
Nürnberg
1805 S. 130.
2 s, ERNST BENZ, SchelUngs theologische Geisteeohnen, Akademie der Wissenschaften
und der Literatur ,
Mainz, Abh.
d. Geistes- lind
Sozialwissensch. Klasse, Jg.
1955,
Nr. Wiesbaden 1955; ders.: -
Schelling, Werden und
Wirken
seines
Denkens
Rhein-Verlag, Zürich..Stuttgart 1955,
120
S.; - ders. auch:
Studia
Philosophica,
.Jahrbuch der
Schweizerischen
Philosophischen
Gesellschaff
Bd.
XIV,
Basel 1954
(Verhandlungen der Schelling-Tagung in Bad Ragaz 1954 S. 179-201; - ders.:
Theologie und
Wandlung
des Menschen bei F. W.
SchelUng,
in: Eranos-Tahrbuch
XXIII ,
Rhein-Verlag Zürich
1955, S.
305-365;
-
dera.:
Der
Mensch
und
die
Sympathie
aller Dinge am
Ende
der Zeiten nach Jacob Boehme und seiner Schule) in:
Eranos-Jahrbuch 1955, Bd. XXI T, Zürich-Stubtgarf 1956, S. 133-198; - ders.:
Oonference su» F. W. Schelling d l occasion. du centenaire
sa mort 20. aoüt 1954, in:
Congresso Internacional da
F ilosofia
voL I
Säo Paulo 1956
p. 35-48; -
dera.:
dam
De
lWythu8 vom
Urmenschen, Münehen-Plunegg
1955.
( 118 )
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
http://slidepdf.com/reader/full/benz-der-prophet-jakob-boehme 119/121
N
amen- und
Sachregister
Adam-Spekulation
8
Philosophie
R3
Amerika
101
Antichrist 03, 91, 94, 98,
110, 11J
Apostel 27, 32, 54, 88
Arndt, Johann
95, 114, 115
Arnold,
Gottfried lOll, 108
f ,
Astrologen 41, 49, 51
Auferstehung
7
Bander. Franz von 118
13abe171, 72, 91ff. , 94,98,100, 110,
117,118
Baum, heiliger 74
Behälter Gottes 28
Bengel, J
ohann
Albrecht
113,
i u,
11()
Beruf 50, 51
Berufung
17, 47
Beschaulichkeit,
göttliche 70
Beyer-land 90
Bild
Gottesbild)
29, 63
13lick
12, 16, 30,
~ 44,
4fi,
47,
7 I, 73
B ~ i e c k l i n g 89, 102, 105
f.
Buch, der
edlen
Bildnis
27
einziges 26
inneres 25, 27
Lebens- 20
aller
Wesen
27
Bücher,
vier 26
Cnlov,
Abraham
79, 95,
IOn
Christus in
uns
24, 25, 27
Deutschland 33. 76, 88. 90, 93,
i
99, 100, 111, 116
Diktat
des Geistes 22
Dippel, Johann
Konrad
1091 .
Eckhart., Meister 24
Einfalt,
Einfältigkeit
des
Autors 13ff.,
31ff., 39, 51, 60, 62,.65,. 84, 85, 92:
Endern. Carl von. 54
Endzeit 68, 70
Engelsbrüder
104
Erleuchtung erleuchtet;
s, a, hoch
erleuchtet) 48, 97, 103
Ewiges Evangelium 70, 77, 95, 96, 97,
98,99,100,104,115,117
-
Engel mit dem
95, ] 14
Fludd, Robert
44
Francke, August Hermann 117
Franckenberg,
Abraham
von
31,43,44,
79, 85f., 90
Freudenreich, himmlisches
75
Gaben Gottes,
des
m.
Geistes) 24, 35,
54, 61, 79
Geheimnisse
47,
58, 64
Kinder der 60
Geist.
36, 38,
41, 50
- Christi 36
I ~ l i a s 96
Gottes
54,
ur,
62
der
Mutter
35
neuer 62
- der
r ahrheit
und Erkenntni s 82
- der
Wunder
62
Gericht Gottes 23,
OS
Cichtel 102, 103f.
Gifftheil 89, 102, 107
Grund
der
Ewigkeit.) :
des
Himmels)
- (aller Dinge) 85
- allerWesen)
41
- der Universal-Natur 84
Haseven,
-Ioharm Cornelius
9fi
Hegel 110, 118
Heiliger
Geist 7 t 8, 14, 15, 21, 23, 92
- Feuer des 75
Hermas 6
Hermes Trismegistos 83 .
Herz Christi 39, Gottes 67
( 119 )
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172 R ~ T BENZ
Hocherleuchtet 79. 86, 92, 97, 117
Hochgelehrt 82
Hölle
107
HUBS, .Iohann 9H
.•Ich 38, 39
Ichheit
37 02
Jerusalem, das himmlische 74
Joris,
David 102 .
Jungfrau (Sophia] 28, 29, 35, 103
.T
ung-Stilling,
Heinrich
112
115 f.
j(abbala
83
Klügling, Meister
13, 58
Klüglinge,
Parteiische
14
Kober, Tobias
55
Kuhlmann, Quirinus 44, Snf.
K unst.,
gelehrte
3;)
historische 21
Laie 33, 64, 7:>
Laienstand 31
Leib, Leiblichkeit Gottes
28,
3G
Licht.,
Freuden-
42, 48
göttliches
43, 63, t» 7H
das hohe 65
Tür des
s. a.
Pforte)
74
Lilienzeit Lilie
32, 71, 75, 00, 0 L
110, 111, 116, 117
l indner, Caspar 39, GO
Luther 9, 18, 31, 33, 40 84, 95, on ß7,
98, 108, 116
Luthertum
99
llahlzeichen
fi5
lrremorial 16, 35, 53, 57, 61, G3, 05, ßß
Mensch,
der äußere
;1.
G2, ja
Hol
der innere 62
der neue 41
Michelmann, J
acob 104
Mitternächtige Länder 75, 7G, 111
Moller,
Martin
12, 40
Monarchie, J
esus- 32, 71, 90, 91, 92
MÜller, Johannes 94
Musaeus,
Johann 95
Mutter-Schoß 37
Mysterium
24, 39, 57, 61, 62, 70
Natur
29, 41, 43, 44, Ra
Eröffnung
der 84
Geist
der 31
Gottheit in der
GU
--kÜndiger
68
Licht der :5 ;3 57
Mysterium der
57
Universal- 84
Niedrigkeit 14, 46
Nigromantia 68
Odem Gottes 53
Oetinger, C. F. 110, 112, 113f., IIß
Offenbarerin
Gottes
28, 29
Offenbarung
Gottes 48, 60, 72, 80
Orthodoxie, lutherische
13.J
10
T apst 32, 33
Papsttum
97
Paracelaus
83
Perle 54, 60, 72, 73, SO, 111
Pforte (Porten; s. R.
Tor,
TÜr 53, ~
d. Erkenntnis 49. nn
Eröffnung d. 40,
d.
Gottheit
19
d. Himmels 4H,
f.
d.
Lichts
50
d. Tiefe
29, 41 , H3
d. Z O ~ n s 41
Zuschließen d.
45
Plato 83
Platzregen 45, 57, 5S, 59, 61, 62, 6.5
Priester 7, 8
Prophet
5, 6,
54,
82
Ausscheidung d e ~ 8
{ ron-
88, 92, 93, 98
Prophetie
des Alten
und
Neuen
I esta-
ments 6, 15
freie 8
- unserer Zeit 82, 115
Pythagoräer 83
Quäker
107
Raimund von Sabunde 25
Reformation 9, 73, 111
Richter,
Gregor (Primarius). 10, 24; 52,
88, 92, 112
120
7/23/2019 Benz Der Prophet Jakob Boehme
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Der Prophet
Jakob
Boehme
173
Ringmacher, Christian
Ulrich
110
Rothe,
Johann
89, 94, 95, 97
Ruf, göttlicher 81
Ruhm (Begierde) 13, 14, 15, 38, 51, 69
Eigen- 20
Satan
s. a.
Teufel)
55, 63, 80, 107
Schau 39, 42, 44
Schauen (auf magische Art) 65
Schelling
110, 118
Schertzer, Adam 95
Schickung Gottes 63, 70
Schlangen-Ens 63
Schreiben 17, 31, 35, 49, 56, 57, 63, 69
Schule (dieser Welt) 22, 36, 54, 61, 98
himmlische
20, 29, 57, 59
hohe
35, 45, 64, 99,
100
--,
Theosophische Pfingst-
75
Senfkorn 55, 61
Seuse
24
Sommerfeld, Abraham
von 61
Sophist 42
Spiegel (Gottes) 28, 80
Starit ius, Dr.
79
Talent
21, 55, 70
Tatchristen 98
Tauler 24
Teufel
s a Satan) 23, 28, 33, 34, 46, 47,
48, 49, 50, 53, 55, 61, 62, 63, 66, 67,
68, 94, 100, 102
Trieb
des
Heiligen Geistes 15, 34, 48, 51,
52,66
Tschesch, Theodor von 7Sf., 90
Tür
s. Pforte
Gnaden- 70
Übermensch
30, 86
Ungelehrt s.
a. einfältig)
32, 63
Universal-Bekehrung 84
--Erkenntnis 84, 85
-
fü r
Seele
und
Leib 112
Verbot 18
Verfolgung 55, 62, 64
Vernunft 37, 51, 54, 60, 61, 62, 63, 64,
117
äußere 22
Versehensein (in Christus) 21
Verstand 27,37,60
Vision
39, 40
Vorsehung 64
Veib
36
\Veisheit
Gottes
35, 36, 53, 80, 106
-
des
Heiligen
Geistes
110
Werk, mein 53
Werkzeug, 36, 37, SI
Wesen aller esen 36, 73. 80
Wiederkunft
Christi
7
,,\\ ir 38, 39
Wissenschaft 22, 38, 68, 94