Beobachtungszeitraum: Winter 2016/2017 Weckruf aus der Wildnis · sein. Am 11.4.2017 erfolgt dann...
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Beobachtungszeitraum: Winter 2016/2017
Weckruf aus der Wildnis - Und wieder ein Sabbatical für Borkenkäfer?
Gestern war internationaler Tag des Glücks, zudem Frühlingsanfang, heute schon haben Sie wieder Pech,
denn da kommt er angeflattert, ganz unverhofft, der Newsletter
mit erhobener Fühlerkeule bzw. Zeigefinger! Und morgen
kommt die Käferplage. Oder übermorgen.
Und wieder ist er ein bisschen wilder geworden, der
Nationalpark. Wildes Rodelgeschrei, wilde Wegdiskussionen,
wildes Juristendeutsch, das sich ans Nationalparkgesetz
klammert wie’s Erdkrötenmännle ans Weible. Und hier und da
durfte auch ein Baum fallen, professoral umgezogen oder
tatsächlich durch Schnee und Sturm und
Altersschwäche natürlich in die
Horizontale gegangen.
Und dieses Wilde mag der Buchdrucker,
das kleine braun-schwarze Mädchen/
Kerlchen, das uns wieder durchs Jahr 2017 begleiten soll.
Wissenschaftliche Wege in die Welt des Winzigen soll der
Newsletter verständlich machen, bisweilen mit einem
Augenzwinkern. Ok, akzeptiert, aber Alliterationen sind allenfalls
ausnahmsweise anzuwenden.
Erinnert sich die eine oder der andere noch an den Newsletter
Borkenkäfer-Newsletter Nordschwarzwald 10.08.2016
Borkenkäfer-Newsletter Nordschwarzwald 21.03.2017
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Erdkrötendame Foto RJ 3‘2017
der letzten Septembertage 2016? „Buchdrucker und Kupferstecher überwintern in allen
Entwicklungsstadien (Larven, Puppen, Käfer) in der Rinde befallener Bäume. Erwachsene Käfer ziehen sich
manchmal auch zur Überwinterung in die Bodenstreu zurück. Allerdings ist nicht hinreichend geklärt, wie
hoch dieser Anteil an Bodenüberwinterern ist und welche Faktoren dies fördern. Eier und junge
Larvenstadien reagieren empfindlich auf Temperaturen ab etwa –10 °C über mehrere Tage hinweg.
Dagegen können ältere Larven, Puppen und Käfer auch lange Kälteperioden ohne große Verluste
überstehen. Fertig ausgebildete Käfer sind sehr robust und können Wintertemperaturen bis unter –30° C
ertragen. Eier, Larven und Puppen, die sogenannten weißen Stadien, sind viel empfindlicher und
überwintern in der Regel nur in liegenden Stämmen unter einer isolierenden Schneedecke erfolgreich.“
Deshalb tendieren die Käfer dazu, im Herbst nicht mehr zu brüten, sodass vor allem fertig ausgebildete
(Jung-)Käferinnen überwintern.
„Normalerweise“ beendet der Buchdrucker seinen Schwärmflug, sobald die Tageslichtlänge unter 14
Stunden sinkt. Aufgrund der ungewöhnlich hohen Temperaturen im September 2016 von über 25 °C wurde
dieses Verhalten angepasst. Dementsprechend kam es regional noch zu Schwärm- und Befallsaktivität
durch einen Teil der zweiten Generation und damit mancherorts zur Anlage einer dritten Generation, nicht
aber überall.
Alles neu macht der Mai, äh März: Neu an Bord ist das neue Maskottchen TIPPS. Wo es auftaucht, gibt es
extreme Kurzinformation zur aktuellen Borkenkäfersituation, im Fokus steht weiterhin der Buchdrucker.
Wer twittert, nutze #TIPPS_Ips und wird fündig.
#TIPPS_Ips
So, der Winter ist weitgehend rum, zu berichten ist Folgendes aus dem Tonbachtal: Dort haben wir
exemplarisch Brutbeobachtungsbäume im November 2016 und im März 2017 geöffnet, die endgültigen
Auswertungen werden im Newsletter vom 5. April 2017 folgen. Aber wie war das Winterwetter dort?
Vom 4.4.2017 sollten die Fallen wieder scharf sein. Pheroprax bestellt? Fallengestelle und Fallen selbst in Ordnung? Defekte Schubladen und Trichter können einzeln bestellt und ausgetauscht werden. Liegen Informationen über Schneebruch und Würfe vom Winter 2016/17 vor? Dann diese Bereiche zuerst kontrollieren. Merke: Borkenkäfermonitoring kennt keinen Sabbat. Und ist keine Harmonieveranstaltung. Sondern ist ein Ringen um Mehrheiten früh erkannter befallener Fichten.
Abb. 1: Fensterl auf Ipsisch: Biologe Hannes Kampf (l.) und Förster Daniel Rosenitsch (r.) bei der Arbeit.
Fenster auf und Blick frei auf Rammelkammer, Eiablage, Larven und Co. (Foto D. Zapf 11‘2016)
Abb. 2: Niederschlagsumme, mittlere, minimale und maximale Temperatur an der Wetterstation der FVA Tonbachtal-Mitte
Zur Orientierung in der obigen Abbildung: In der KW 35 liegt der 1. September. Ein warmer September mit
Spitzenwerten von über 30 °C (KW 37) und Durchschnittswerten von 12 bis 18 °C prägte den Spätherbst
und führte dazu, dass sich „weiße Phasen“ nahezu durchweg zu Jungkäfern entwickeln konnten (Abb. 2).
Der November war nass, der Dezember trocken, und so richtig kalt wurde es eigentlich erst zum
Jahreswechsel; seit Februar liegen die Durchschnittswerte schon wieder im positiven Bereich.
Winterlicher Lebensraum der Käfer aber ist der Baum, daher haben wir zwischen Borke und Holz die
Temperaturen gemessen (Abb. 3). Demnach wäre bis zum 6.11.2016 käferliche Aktivität möglich gewesen,
ebenso Ende November und an ganz vielen Tagen im Dezember. Im Januar fielen die Temperaturen in der
Rinde auf bis zu minus 10 °C, seit Mitte Februar werden auf der Sonnenseite unter der Rinde Spitzenwerte
bis über 20 °C gemessen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Isolierung durch eine Schneedecke auf den
liegenden Stämmen (Abb. 8). Ein Teil der Stämme wird bei starkem Frost geschützt, ein anderer bei
Sonneneinstrahlung stärker erwärmt. So ergeben sich bedeutende Temperaturunterschiede im selben
Brutbaum.
Damit wir die Realität von Überwinterungsstätten des Buchdruckers noch besser abbilden können, haben
wir auch die Temperaturen in der Rinde stehender Fichten gemessen (Abb. 4). Sonnen- und Schattenseite
unterscheiden sich hier weniger deutlich, auch hat der Wind sicherlich größeren Einfluss als auf liegende
Bäume. Die Temperaturen liegen deutlich unter denen im liegenden Fangbaum, am Hl. Dreikönigstag
wurden hier bis zu minus 17 °C gemessen. Temperaturen, die nach Literaturangaben von den Käfern aber
weitgehend unbeschadet ertragen werden.
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2016 2017
[mm
]
[°C
]
Niederschlagsumme Temp. MW °C
Temp. Max. °C Temp. Min. °C
Abb. 3: Temperaturen zwischen Borke und Holz im liegenden Brutbeobachtungsbaum (Tonbachtal Mitte). Ein Fühler auf der Sonnenseite (rot), einer auf der Schattenseite (blau)
Abb. 4: Temperaturen zwischen Borke und Holz in stehender Fichte(Tonbachtal oben). Ein Fühler auf der Sonnenseite (rot), einer auf der Schattenseite (blau)
Im November 2016 wurden zwei m2 Rinde vom Brutbeobachtungsbaum „Tonbachtal oben“ ins Labor
getragen. Die Rindenstücke wurden Schicht für Schicht untersucht, da der Buchdrucker in dickerer Borke
durchaus mehrere Ebenen nutzt, um Konkurrenz fressender Larven zu vermeiden. Unter den ca 1500
gefundenen Buchdrucker-Stadien wurden fast 200 Adultkäfer und um die 1300 Jungkäfer differenziert, es
wurden weder Larven noch Puppen gefunden (Abb. 6). Es fanden sich nur wenige tote bzw. sehr wenige
parasitierte Käfer (Abb. 10). So boten sich vor Beginn der winterlichen Kälte gute Überlebensmöglichkeiten
für die Buchdrucker im Tonbachtal (im Nordschwarzwald/ im Schwarzwald), da alle Tiere in der
kälteresistenteren Form als Käfer vorlagen. Am 14.3.2017 haben wir diese Zählung mit weiteren zwei m2
Rinde wiederholt (Abb. 9).
Abb. 6: Buchdrucker-Stadien von zwei Quadratmetern Rindenfenster vom Brutbaum vom 23.11.2016
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Abb. 5: Wenn schon der Buchdrucker im Winter nicht bohrt, dann zumindest der Forstwirt (hier Thomas Wießler; Foto D. Zapf 10‘2016).
Abb. 7: Kein Weg zu weit: Winterliche Schlittenfahrt mit Ersatzbatterie und Werkeug zur Wartung der Wetterstation (Foto D. Zapf 1‘2017).
Abb. 8: Ein Teil der liegenden Brutbeobachtungsbäume ist von einer isolierenden Schneedecke geschützt, ein anderer Teil liegt frei. So enstehen deutliche Temperaturunterschiede im selben Baum (Foto D. Zapf 1‘2017)
Abb. 9: Buchdrucker-Stadien von zwei Quadratmetern Rindenfenster vom Brutbaum am 14.03.2017
Ach so, wir zählen noch, Auflösung folgt am 5. April 2017. Wobei lediglich eine Aussage über den Schwund
gemacht werden kann; eine Weiterentwicklung des Buchdruckers war nicht möglich, da nur Jung- und
Altkäfer gefunden wurden.
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Abb. 10: Parasitierter Jungkäfer,
23.11.2016, (Foto L. Dämpfle)
Sabbatical für Borkenkäfer? – Besser Taten als Warten
Es beginnt mit Erzählungen von der Schöpfung der Welt und endet mit dem Aufenthalt der Söhne Jakobs in
Ägypten. Ja was denn, in der Winterpause einen Missionar im wilden Park getroffen? Gemeint ist das Erste
Buch Mose, besser als Genesis bekannt, ist ja auch das erste Buch des christlichen Alten Testaments. Da ist
nämlich der Sabbat definiert, im Judentum der siebte Wochentag, ein Ruhetag, an dem man die Füße
hochzulegen hat. Das machen Beamte ja jeden Tag, so die landläufige Meinung. Der Sabbat beginnt am
Abend und dauert von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag.
„Auch die Natur braucht ihren Sabbat.“ sagte mal seinerzeit einer der jetzigen Nationalparkleiter.
Nach drei Jahren der Buchdrucker-Latenz im Bereich des Nationalparks Schwarzwald geht’s grad so weiter
…? Kann sein. Kann aber auch nicht sein. Die zwei trocken-warmen Sommer 2015 und 2016 haben jeweils
in der zweiten Jahreshälfte die Buchdruckerentwicklung nach spätem und verunglücktem Start noch
einmal gefördert. Bis vor wenigen Wochen beherrschten Schlagzeilen von niedrigsten Grundwasserständen
seit Jahren die Wettermeldungen. Dann folgten Niederschläge als Schnee und Regen, auch bezüglich der
Wasserversorgung hat sich die Situation ein wenig beruhigt. Es gibt keine Meldungen über Schneebrüche
oder Windwüfe in größerem Ausmaß aus der Region – daher gibt es kein primär besiedelbares Material in
ungewöhnlich großer Menge. Wenn Sie jetzt noch diese wenigen Eisbrüche und Windwürfe rasch
aufarbeiten, dann wird den im April schwärmenden Parentalkäfern von Beginn nur wenig besiedelbares
Material zur Verfügung stehen. Jetzt ist es auch Zeit, letzte Käferbäume zu suchen bzw. zu finden. Dann
umschneiden, rücken und abfahren. So sollte der Frühstart im April ein Stück weit harmloser sein, weil
bereits ein Teil der Population abgeschöpft wurde.
Abb. 11: Es geht auf Ostern zu: ja, das gibt es noch, ein Käferloch im Nationalpark, 10.3.2017 (Foto RJ 3´2017).
Zwar fliegen im Raum Südschwarzwald und in der Rheinebene schon Borkenkäfer, aber natürlich nicht der
Buchdrucker. Seit Anfang März haben wir Nutzholzborkenkäfer in den Fallen, seit einer Woche auch eine
Reihe von typischen Kiefernborkenkäfern. Das sind alles bekannte Frühschwärmer, alles bewegt sich im
normalen Rahmen. Mit dem Schwärmflug des Buchdruckers ist üblicherweise vor Mitte April nicht zu
rechnen.
BEHALTEN SIE IHREN WALD IM BLICK
o Gefährdete Nadelholzbestände über das ganze Jahr laufend auf Befall und bruttaugliches Material
kontrollieren.
o Besonders Bereiche mit Vorjahresbefall einbeziehen.
o Von April bis September (Flugzeit) grundsätzlich in einem 14-tägigen Intervall kontrollieren.
o Bei Massenvermehrungen und/oder außergewöhnlich trocken-warmer Witterung wöchentliche
Kontrollen unbedingt erforderlich.
o Von Oktober bis März (außerhalb Flugzeit) ist ein Turnus von einem Monat in der Regel
ausreichend.
o Im Herbst Bestände unbedingt noch kontrollieren bevor an befallenen Bäumen die Rinde abfällt
und der Schneefall einsetzt.
o Während des Winters Kontrollen nur unterbrechen, wenn die Bestände nicht mehr zugänglich sind.
o Im Frühjahr sofort mit dem Einsetzen der Schneeschmelze wieder kontrollieren, vor allem
käferbefallene Bäume und durch Schneebruch und Sturm entstandenes bruttaugliches Material
o Nach Sturmschäden oder Schneebruch sind die Kontrollen zu intensivieren, weil grundsätzlich die
Gefahr einer Massenvermehrung droht.
Für Fallenbetreuerinnen und -betreuer
Am 4.4.2017 bitte die Fallen wieder aufhängen, Schubladen und Trichter sollten zuvor gereinigt worden
sein. Am 11.4.2017 erfolgt dann die erste Fallenleerung, folgend immer wieder dienstags bis zum
26.9.2017. Für die Übermittlung der Fangzahlen (kleine Mengen bitte auszählen, große auslitern) nutzen
Sie bitte die ODK-App. Details dazu werden sicherlich beim Termin am 31.3.2017 im Nationalpark durch die
kompetenten Kolleginnen und Kollegen vom LGL erläutert. Wir erweitern den Fallengürtel im
Pufferstreifen um 8 auf 40 Fallen. Im Tonbachtal fahren wir das Standardprogramm, das wir aber durch
den Einsatz neuer Fallensysteme erweitern. Auch aus dem Bereich Zwickgabel erhalten wir Information aus
rund 80 Fallen, die wir im Rahmen des Programms Wissensdialog Nordschwarzwald dort verteilt haben. Im
Newsletter wird es wieder Hinweise geben, wann ein Wechsel des Dispensors nötig ist. Achten Sie aber
bitte selbst bei jeder Fallenleerung auf den Füllstand der Pheroprax-Ampulle, indem Sie diese gegen das
Sonnenlicht halten. Gerade bei Fallen im Freistand wurde schon oft beobachtet, dass sie in sommerlichen
Hitzeperioden schon nach 4 Wochen leer sein kann. Auf weiterhin gute Zusammenarbeit beim Borkenkäfermonitoring!
Quidquid agis, prudenter agas et respice
FINEM.
verantwortlich für diesen Newsletter:
Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg
Abteilung Waldschutz, Wonnhaldestraße 4, D-79100 Freiburg i. Br.