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Bericht der Abteilung Münster für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1990 Die Abteilung Münster beklagt den Tod folgender Mitglieder: Dr. Walther Adrian, Gießen Heinrich Brambrink, Coesfeld Oberforstrat a. D. Karl Gerbaulet, Münster Amtsgerichtsrat Dr. Heinrich Hachmann, Münster Verlagsbuchhändler Maxfritz Hüffer, Münster Legationsrat a. D. Dr. Max Horst, Bonn Ingeborg von Klocke, Münster Ramer Klügel, Mönchengladbach Der Abteilung traten bei in Münster: Ingrid von Bruchhausen Gabriele Gottschalk Professor Dr. Wolfgang R. Krabbe Renate Loos Manfred Lorenz Lutz Peppenhorst Ludger Wennemer auswärts: Herbert Brackebusch, Moringen Erika Büsing, Viersen Dr. med. K.-H. Gerbaulet, Osnabrück Margarete Hell, Rheine Klaus Hell, Rheine Günter Henkel, Rheine W. Hoffmann, Gladbeck Werner Kolbe, Hamm Johannes Peters, Borken Wilhelm M. Schneider, Wadersloh-Diestedde Alfred Smieszchala, Warendorf Dr. Paul Mertes, Dortmund Ernst Niesert, Münster Bibliotheksdirektor a. D. Dr. Robert Samulski, Münster Städt. Oberarchivdirektor a. D. Dr. Hermann Schroeter, Essen Hanns Schwarzkopf, Münster Professor Dr. Hans-Ulrich Scupin Franz J osef Graf von Strachwitz, Münster Dr. med. Hildegard Theben, Greven J. A. P. A. Stijnman, Hamm Edmund Tegeder, Werne Ulrich Vollmer, Rosendahl Karl-Heinz Vorwig, Hamm-Norddinker Martina Wittkopp-Beine, Bochum Studenten: Saskia Gaus, Münster Eva-Maria La Rosa, Münster Martin Rehermann, Arnsberg Gudrun Richter, Münster Andreas Schulte, Hamm Susanna Schulz, Münster An die Abteilung Paderborn wurde Frau Astrid Kaim-Bartels, Detmold, überwiesen; von Paderborn kam Herr Dr. Hans-Werner Peine, Dül- men-Buldern, an die Abteilung Mün- ster. Am 31. Dezember 1990 zählte die Abteilung Münster 1 492 Mitglieder, darunter ein Ehrenmitglied, vier Stifter und 17 nichtzahlende Einrichtungen des Land- schaftsverbandes Westfalen-Lippe. Quelle: Westfälische Zeitschrift 141, 1991 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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Bericht der Abteilung Münster für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1990

Die Abteilung Münster beklagt den Tod folgender Mitglieder:

Dr. Walther Adrian, Gießen Heinrich Brambrink, Coesfeld Oberforstrat a. D. Karl Gerbaulet, Münster Amtsgerichtsrat Dr. Heinrich Hachmann, Münster Verlagsbuchhändler Maxfritz Hüffer, Münster Legationsrat a. D. Dr. Max Horst, Bonn Ingeborg von Klocke, Münster Ramer Klügel, Mönchengladbach

Der Abteilung traten bei

in Münster: Ingrid von Bruchhausen Gabriele Gottschalk Professor Dr. Wolfgang R. Krabbe Renate Loos Manfred Lorenz Lutz Peppenhorst Ludger Wennemer

auswärts: Herbert Brackebusch, Moringen Erika Büsing, Viersen Dr. med. K.-H. Gerbaulet, Osnabrück Margarete Hell, Rheine Klaus Hell, Rheine Günter H enkel, Rheine W. Hoffmann, Gladbeck Werner Kolbe, Hamm Johannes Peters, Borken Wilhelm M. Schneider, Wadersloh-Diestedde Alfred Smieszchala, Warendorf

Dr. Paul Mertes, Dortmund Ernst Niesert, Münster Bibliotheksdirektor a. D. Dr. Robert Samulski, Münster Städt. Oberarchivdirektor a. D. Dr. Hermann Schroeter, Essen Hanns Schwarzkopf, Münster Professor Dr. Hans-Ulrich Scupin Franz J osef Graf von Strachwitz, Münster Dr. med. Hildegard Theben, Greven

J. A. P. A. Stijnman, Hamm Edmund Tegeder, Werne Ulrich Vollmer, Rosendahl Karl-Heinz Vorwig, Hamm-Norddinker Martina Wittkopp-Beine, Bochum

Studenten: Saskia Gaus, Münster Eva-Maria La Rosa, Münster Martin Rehermann, Arnsberg Gudrun Richter, Münster Andreas Schulte, Hamm Susanna Schulz, Münster

An die Abteilung Paderborn wurde Frau Astrid Kaim-Bartels, Detmold, überwiesen; von Paderborn kam Herr Dr. Hans-Werner Peine, Dül­men-Buldern, an die Abteilung Mün­ster.

Am 31. Dezember 1990 zählte die Abteilung Münster 1 492 Mitglieder, darunter ein Ehrenmitglied, vier Stifter und 17 nichtzahlende Einrichtungen des Land­schaftsverbandes Westfalen-Lippe.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 141, 1991 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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Im Berichtsjahr fanden folgende Vorträge statt:

2. Januar 1990

Bericht der Abteilung Münster

Dr. Karl Ditt, Münster: "Heimat und Reich". Die westfälische Heimatbewegung 1918-1945. 6. Februar 1990 Prof. Dr. Heinrich Schoppmeyer, Witten: Die Ausformung der Landstände in Westfalen . 6. März 1990 Dr. Manfred Schneider, Münster: Ecclesia Mimigernafordensis . Erste Ergebnisse der jüngsten Grabungen im und am St.-Paulus-Dom zu Münster. 9. Oktober 1990 Dr. Manfred Wolf, Münster : Die Frühzeit des Bistums Münster aus der Sicht der Patrozinien. 6. November 1990 Prof. Dr. Klaus Schreiner, Bielefeld: Konnte Maria lesen? Marienverehrung, Lesekultur und Frauenbildung in bildungs- und sozial geschichtlichen Zusam­menhängen des Mittelalters. 4. Dezember 1990 Eva-Maria Höper, Münster: Ambrosius von Oelde (t 1705), "Primarius Provin­ciae Architectus". Ein Kapuzinerbaumeister im Dienst der Fürstbischöfe von Münster und Paderborn.

In Zusammenarbeit mit dem Kreis Unna veranstaltete der Verein auf Haus Opherdicke vier Vortragsabende, und zwar am :

20 . März 1990 Dr. Hans-Joachim Behr : Georg Freiherr Vincke (1811-1875). Ein Parlamentarier aus Westfalen. 24. April 1990 Dr. Johann-Sebastian Kühlborn : Zum Stand der Forschungen in den Militärla­gern an der Lippe. 22. Mai 1990 Dr. Karl Ditt: "Heimat und Reich" . Die westfälische Heimatbewegung 1918 bis 1945. 12. Juni 1990 Prof. Dr. Heinrich Schoppmeyer: Die Ausformung der Landstände in Westfalen.

Die Hauptversammlung, in Verbindung mit einer ganztägigen Exkursion durch das Osnabrücker Land, fand am 5. Mai 1990 in Bad Essen statt. Unter sachkundi­ger Führung durch die Herren Dr. Hans-Joachim Behr und Dr. Edgar F. Warnecke wurden Schloß und Kloster Iburg, Schloß Gesmold, Schloß Hünne­feld, Haus Ostenwalde, die Schelenburg und Haus Kappeln besichtigt.

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In diesem Jahr fanden zwei Sommerfahrten statt. Sie führten am 4.15. und 25 .126 . August 1990 durch Ostwestfalen, Nordhessen und den Weserraum. Unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Paul Leidinger wurden in Marsberg die altsächsische Feste Eresburg, die Kirche St. Peter und Paul und die Stadt­kirche St. Nikolai besichtigt. Die Fahrt führte weiter über Arolsen (barocke Gründungsstadt 1719, Residenz der Fürsten von Waldeck und Pyrmont [bis 1918J und Hauptstadt des Freistaates Waldeck [1919-1928]) und Fritzlar (Domführung, Domschatz, Dommuseum) sowie Büraberg (Burgberg und ehern. Bistumsgründung durch Bonifatius 742-746, Brigidenkirche) nach Kas­sel. Am zweiten Tag ging die Fahrt von Hannoversch Münden über Lippoldsberg (Besichtigung der romanischen Kirche) nach Bad Karlshafen (Stadtrundgang). Die Weiterfahrt erfolgte über Helmarshausen (Besichtigung der Ruine Kru­kenberg) zur Ruine Iburg (sächsisch-karolingische Burganlage).

Vorstands- und Beiratssitzungen wurden in diesem Jahr am 19. März und am 30. Oktober abgehalten.

Folgende Veröffentlichungen sind im Berichtsjahr erschienen: Band 67/ 1989 der Zeitschrift "Westfalen" und Band 140/1990 der "Westfälischen Zeitschrift" .

Wegen der Leihgaben des Vereins (Urkunden, Manuskripte und Vereinsregistra­tur) im Nordrhein-Westfälischen Staatsarchiv Münster wurde inzwischen ein Depositalvertrag abgeschlossen . Die Bemühungen, einen entsprechenden Vertrag auch mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe über das im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster als Leihgabe befindli­che Vereins eigentum zu schließen und damit einen seit Jahrzehnten andauernden vertragslosen Zustand zu beenden, haben leider bisher noch zu keinem Erfolg geführt.

Hans-Joachim Behr Peter Veddeler

KurzJassungen von Vorträgen

1. Prof Dr. H. Schoppmeyer: Die Ausformung der Landstände in Westfalen

Der Vortrag geht der Frage nach, ob die Landstände in den großen Territorien Westfalens ihre Existenz ihrem Egoismus und der Schwäche des Landesherrn verdankten. Damit verbindet sich eine zweite Frage, nämlich die, ob denn die Interessen von Landesherrschaft und Ständen so entgegengesetzt gewesen seien,

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wie man dies später, vor allem in der Geschichtsschreibung des 19. und auch des 20. Jahrhunderts lange allgemein angenommen hat.

Die westfälischen Groß territorien des späten Mittelalters, also die Bistümer Münster, Minden, Paderborn und das Erzbistum Köln in seinen westfälischen Ländern sowie die Grafschaft Mark, haben alle zum Teil recht aktive Land­stände schon im 13 . und 14. Jahrhundert gekannt. In den vier geistlichen Territorien ergab sich das klassische Drei-Stände-System von Geistlichkeit, Adel und Städten, während in der Grafschaft Mark nur Landesadel und Städte ständisch vertreten waren. Zwar waren die Entstehungsbedingungen ständi­scher Mitwirkung an territorialer Politik in den einzelnen Territorien unter­schiedlich, aber jenseits der Unterschiedlichkeiten lassen sich doch beachtliche Gemeinsamkeiten ausmachen. Sie ermöglichen andere Antworten auf die Frage nach den Entstehungsursachen der Landstände in Westfalen, als man lange Zeit glaubte.

2. Dr. Man/red Schneider: Ecclesia Mimigernafordensis. Erste Ergebnisse der jüngsten Grabungen

im und am St.-Paulus-Dom zu Münster

Der vom gotischen Kreuzgang umschlossene Domherrenfriedhof am St.-Pau­lus-Dom in Münster war Ort einer im Oktober 1989 nach drei Jahren erfolg­reich abgeschlossenen Grabung des Westfälischen Museums für Archäologie. Durch die immer weiter fortschreitende Belegung von Gräbern der Domkapi­tulare war eine langsame Zerstörung eines der wichtigsten bekannten Boden­denkmale der Stadt zu befürchten.

Wenige Schriftquellen ließen hier einen in die Anfangszeit des Bistums zu­rückreichenden Kirchenbau vermuten, der ab dem frühen 12. Jahrhundert als "vetus ecclesia sancti Pauli" oder "Alter Dom" einem Kapitel von zwölf Kano­nikern als Stiftskirche diente. Die Baugeschichte dieser Kirche konnte in der Grabung fast vollständig geklärt werden : Über einer wohl im 3. Jahrhundert verlassenen und von Bewuchs überdeckten Siedlung der römischen Kaiserzeit lagerte sich innerhalb der sächsischen Siedlung Mimigernaford auf einem Frei­gelände eine humose, oberflächennahe Kulturschicht an. In diese Schicht wur­den gegen Ende des 8. Jahrhunderts christliche Baumsargbestattungen einge­tieft, die zu dem Friedhof einer wohl im Bereich des heutigen Domes liegenden Kirche gehört haben müssen. Funde wie Gürtelschnallen, ein Messer, beson­ders aber die Beigabe zweier prägefrischer Silberpfennige Karls d. Großen der Zeit zwichen 792-814 in einem Grab stützen die Datierung. Das münzdatierte Grab lag zusammen mit weiteren Gräbern abseits einer sonst eingehaltenen Begrenzungsflucht des Friedhofes im Westen vor den Spuren eines in die alte Oberfläche nur leicht eingetieften Gebäudes, von dem der östliche Raumab-

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schluß erfaßt wurde. Hierbei kann es sich um den eingezogenen Rechteckab­schluß einer Kleinstkapelle gehandelt haben.

Nach Aufgabe einer Planungsphase errichtete man in der Flucht dieses Gebäu­des eine steinerne Saalkirche, die im Westen und Süden Gräber überbaute. Während im Osten die Ansätze einer halbrunden, eingezogenen Apsis gefunden wurden, sprangen die Langhausmauern im Westen blockartig vor. Der Bau hatte mit einer Länge von 22,50 m bei einer Breite von 7,70 m (Innen) recht bescheidene Ausmaße. Aufgrund des überbauten, datierten Grabes liegt seine Errichtung frühestens in den ersten Jahren nach 800. Es handelt sich also nicht um die erste, um 793 errichtete Kirche des Missionsklosters Liudgers, ebensowenig dürfte es die Kathedrale des 805 institutionalisierten Bistums Münster gewesen sein. Diese ist an der Stelle der ersten Klosterkirche St. Paulus im Langhausbereich des heutigen Domes zu vermuten.

Grabungen vor dem Bau der neuen Domorgel im südlichen Ostquerhaus des Domes legen eine Neuinterpretation älterer Nachkriegsuntersuchungen nahe: Der Vorgängerbau des spätromanisch-frühgotischen Domes war demnach eine dreischiffige Basilika ohne Ostquerhaus, der im Westen ein ausladendes Querhaus mit Westchor vorgelagert war. Dieses Gebäude überlagert bereits einen älteren Friedhof und ist demnach nicht die Kirche des ersten Klosters. Der jetzt rekon­struierbare Bau wäre vom Grundrißtyp gut als Kathedralbau des 9. Jahrhunderts denkbar, ohne daß dies gegenwärtig aufgrund der geringen Ausschnitte abschlie­ßend bewiesen werden kann.

Die ergrabene Kirche auf dem Domherrenfriedhof kann die nach U mwidmung der ersten Missions- und Klosterkirche zur Kathedrale neu erforderlich gewor­dene Konventskirche des bestehenden St.-Paulus-Klosters gewesen sein, das demnach unter dem Einfluß des stark monastisch geprägten ersten Bischofes nicht unmittelbar zum Domstift der Kathedrale wurde. Diese Entwicklung setzte wohl erst nach Liudgers Tod 809 ein, so daß die Saalkirche langsam an Funktionen verlor.

Der alte Apsidensaal blieb unverändert bis zum frühen 12. Jahrhundert beste­hen, als nach der Stiftsgründung durch Bischof Burchard der Bau durch einen Rechteckchor, Annexe im Norden und Süden sowie eine massive Einwölbung verändert wurde. Im Westen war die Kirche seit dem 11. Jahrhundert in den Komplex des in Resten erfaßten Bischofspalastes eingebunden.

Nach Abbruch des gesamten Gebäudekomplexes und Errichtung des Kreuz­ganges 1377 bis 1395 diente der Platz zur Bestattung der Domgeistlichkeit, deren ca. 400 Gräber die mittelalterlichen Befunde überlagerten. Die Gebeine wurden sorgsam dokumentiert und geborgen und lassen nach ihrer anthropologischen Bearbeitung nähere Aussagen über die Lebensumstände dieser sozial definierten Bevölkerungsschicht erwarten.

Die noch nicht abschließend ausgewerteten Untersuchungen auf dem Domher­renfriedhof verschafften einen Einblick in die komplexen Entwicklungsphasen

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und Bauvorgänge eines Missionszentrums und Bischofssitzes im von den Karolin­gern besiegten Sachsen, wobei eine noch ausstehende Erforschung der frühen Baugeschichte der Kathedralkirche mit der Aufdeckung des Gründungsbaues Liudgers die Beantwortung noch offener Fragen erhoffen läßt.

3. Prof Dr. Klaus Schreiner: Konnte Maria lesen? Marienverehrung, Lesekultur und Frauenbildung

in bildungs- und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen des Mittelalters

In Gesellschaften des Vorderen Orients hatte ein Mädchen wie Maria, das mit dem Makel sozialer Niedrigkeit behaftet war, kaum eine Chance, lesen und schreiben zu lernen. Mit einem Zimmermann verlobt und verehelicht zu sein, gebot körperliche Arbeit und ließ nicht zu, sich in Bücher zu vertiefen. Maria, mit den Augen des Mittelalters betrachtet, war indes der Inbegriff einer bücherhungrigen, lesefreudigen und wissenschaftlich gebildeten Frau. Als Nachfahrin König Davids wurde sie dem hohen Adel zugerechnet.

Literarische und bildliche Erscheinungsformen dieses Perspektiven wandels sollen - soweit er sich in der Wahrnehmungs-, Auslegungs- und Darstellungsge­schichte der Verkündigung an Maria widerspiegelt - an Hand mittelalterlicher Texte und Bilder nachgezeichnet werden. Zur Sprache und zur Anschauung gebracht werden nicht Grundsatzfragen kirchlicher Dogmatik, sondern gesell­schaftliche Verflechtungen, kulturelle Interessen und religiöse Motive, die aus Maria, einer ursprünglich illiteraten Magd, eine gebildete und adlige Frau mach­ten. Das Maß an Lesekultur und Bildungsstreben, das die Verfasser und Verfasse­rinnen mittelalterlicher "Marienleben" Maria zutrauten, gibt deshalb zugleich Auskunft über Inhalte und Ziele mittelalterlicher Frauenbildung. Als Symbolge­stalt, die Frauen zum Lesen anspornte, rechtfertigte sie den Erkenntnis- und Bildungswillen geistig aufgeschlossener Frauen, die gehalten waren, sich gegen die Verfechter eines patriarchalischen Bildungsbegriffs zu behaupten.

4. Dr. Eva-Maria Höper: Ambrosius von Oelde (t 1705), "Primarius Provinciae Architectus".

Ein Kapuzinerbaumeister im Dienst der Fürstbischöfe von Münster und Paderborn

Der Kapuzinerbruder und Architekt Ambrosius von Oelde (t 1705), ein bisher fast unbekannter Baumeister, war maßgeblich an der Entwicklung der Frühba­rockarchitektur in Westfalen beteiligt. Er war fast 40 Jahre als "Hausarchitekt" der Landesherren, der Fürstbischöfe Ferdinand von Fürstenberg, Hermann Werner von Wolff-Metternich und Friedrich Christian von Plettenberg, an über 40 Bauprojekten in den Fürstbistümern Münster und Paderborn tätig. Sein Wirken

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fällt in eine Zeit, in der die Baukunst Westfalens nach den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges einen Anschluß an das gesamteuropäische Bauwesen finden mußte. Seine baumeisterlichen Tätigkeiten führten ihn von Hildesheim im Norden bis zum rheinischen Euskirchen im Süden und von Ahaus im Westen bis an die Weser im Osten.

Die stilistisch sehr variantenreichen Architekturen des Ambrosius fanden Anregungen aus den Hauptzentren europäischer Baukunst. Italienische und französische Baustrukturen der Spätrenaissance und des Frühbarock prägen seine Profanbauten in ihren Grundrissen und der Wandgestaltung, zeitgenössische Architekturvorlagen flämischer und deutscher Herkunft kennzeichnen seine Dekorationen.

Ambrosius von Oelde muß das Verdienst bescheinigt werden, das uneinheitli­che, durch die Kriegsfolgen sehr traditionsverhaftete Bauwesen in Westfalen an überregional herrschende Architekturvorstellungen angeglichen und damit einen spezifischen westfälischen Frühbarock definiert zu haben. Er ist somit, gleichbe­rechtigt neben der Architektenfamilie Pictorius, der Baumeister, der das Funda­ment für die Baukunst des bedeutendsten und letzten Barockarchitekten Westfa­lens, Johann Conrad Schlaun, gelegt hat.

Eine Monographie über den Architekten von Eva-Maria Höper ist gerade im Laumann-Verlag, Dülmen, erschienen.

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