Bericht zur sozialpolitischen Entwicklung; Report on the sociopolitical development;

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Th. Köhler Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Landesverband Südwest, Heidelberg Bericht zur  sozialpolitischen  Entwicklung “Über der Veränderung liegt stets ein Hauch von Unbegreiflichkeit.“ Mit dieser zurückhaltend-vorsichtigen Grundeinstellung und der Suche nach Er- klärungen steht der Physiker und Philo- soph Carl Friedrich von Weizsäcker nicht alleine. Auch die gesetzliche Unfallversi- cherung ist aktuell wieder von zahlreichen Veränderungen und Anforderungen be- troffen, die von außen und von innen auf sie zukommen. Die Auswahl und Darstel- lung der folgenden Themen soll zum Ver- ständnis, zur Begreifbarkeit, beitragen. Neuorganisationsgesetz Fusionsprozess – Strukturreform der Unfallversicherung Bekanntlich ist der Konzentrationsprozess bei den gewerblichen Berufsgenossen- schaften abgeschlossen; es gibt nur noch 9 Berufsgenossenschaften. Nach intensi- ven politischen Diskussionen stimmte der Bundesrat am 20.09.2013 dem Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelba- ren Unfallkassen (dem sog. BUK-NOG) zu. Damit wurde – kurz vor Ende der lau- fenden Legislaturperiode – der Weg für weitere Fusionen in der gesetzlichen Un- fallversicherung bereitet. Konkret betrof- fen sind davon die Fusionen der Unfall- kasse des Bundes mit der Eisenbahnun- fallkasse sowie der Unfallkasse Post und Telekom mit der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft. Ohne dieses Gesetz hätte der ersten Fusion zwi- schen einem öffentlichen und einem ge- werblichen UV-Träger (Unfallversiche- rungsträger) die Rechtsgrundlage gefehlt. Das ist eine weitere wichtige Etappe in der strukturellen Neuordnung der gesetz- lichen Unfallversicherung. Im öffentlichen Sektor ist das politi- sche Ziel von einer Unfallkasse pro Bun- desland noch nicht überall erreicht. So gibt es beispielsweise in Niedersachsen noch 5 UV-Träger der öffentlichen Hand. Die Fusion im landwirtschaftlichen Bereich erfolgte über gesetzliche Regelun- gen. Seit 01.01.2013 gibt es die Sozialversi- cherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) mit Sitz in Kassel; in ihr gingen alle vorher selbstständigen Or- ganisationen, auch die landwirtschaftli- chen Berufsgenossenschaften, auf. Prävention Das BUK-NOG regelt nicht nur Orga- nisationsfragen. Mit diesem Gesetz wird für die Prävention klargestellt, dass sich die Pflicht des Arbeitgebers, eine Gefähr- dungsbeurteilung durchzuführen, auch auf psychische Belastungen bei der Arbeit bezieht. Der Schutz der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung ist auch ein Ziel der GDA (Gemeinsa- me Deutsche Arbeitsschutzstrategie) von Bund, Ländern und gesetzlicher Unfall- versicherung. Ein weiteres Ziel der GDA ist die Ver- ringerung von arbeitsbedingten Gesund- heitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich. Hierzu passt die Präventionskampagne der Unfallver- sicherung „Denk an mich. Dein Rücken“. Sie wurde im Januar 2013 erfolgreich ge- startet und wird durch intensive Presse- und Medienarbeit begleitet. Die Resonanz ist erfreulich groß. Qualität und Wirtschaftlichkeit Seit 2009 muss die DGUV (Deutsche Ge- setzliche Unfallversicherung) jährlich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales über die Entwicklung der Verwal- tungs- und Verfahrenskosten bei den ge- werblichen Berufsgenossenschaften sowie die Maßnahmen zur Kostenoptimierung berichten. Nach dem letzten Bericht wur- de vom Ministerium ausdrücklich die Er- wartung geäußert, dass die Fusionen pau- schal eine Rendite von 10% bei den Ver- waltungs- und Verfahrenskosten erwirt- schaften. Dem widersprach die Unfallver- sicherung und machte deutlich, dass sich solche pauschalen Ziele angesichts der Unterschiedlichkeit der Berufsgenossen- schaften verbieten. Außerdem ist die Er- stellung des Haushalts des einzelnen Trä- gers ein originäres Recht der Selbstver- waltung, welches mit Verantwortungsbe- wusstsein und Augenmaß ausgeübt wird. Wer die Selbstverwaltung lobt und wich- tig findet, der muss auch ihre Rechte ach- ten. Der 18.05.2013 stellt ein erwähnens- wertes Jubiläum dar; der Tag der Selbst- verwaltung im Jahr 2013 markiert den 60. Jahrestag dieses wichtigen Prinzips in der Sozialversicherung: Vor 60 Jahren Editorial Trauma Berufskrankh 2014 DOI 10.1007/s10039-014-2072-8 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 1 Trauma und Berufskrankheit 2014|

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Th. KöhlerDeutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Landesverband Südwest, Heidelberg

Bericht zur sozialpolitischen Entwicklung

“Über der Veränderung liegt stets ein Hauch von Unbegreiflichkeit.“

Mit dieser zurückhaltend-vorsichtigen Grundeinstellung und der Suche nach Er-klärungen steht der Physiker und Philo-soph Carl Friedrich von Weizsäcker nicht alleine. Auch die gesetzliche Unfallversi-cherung ist aktuell wieder von zahlreichen Veränderungen und Anforderungen be-troffen, die von außen und von innen auf sie zukommen. Die Auswahl und Darstel-lung der folgenden Themen soll zum Ver-ständnis, zur Begreifbarkeit, beitragen.

Neuorganisationsgesetz

Fusionsprozess – Strukturreform der Unfallversicherung

Bekanntlich ist der Konzentrationsprozess bei den gewerblichen Berufsgenossen-schaften abgeschlossen; es gibt nur noch 9 Berufsgenossenschaften. Nach intensi-ven politischen Diskussionen stimmte der Bundesrat am 20.09.2013 dem Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelba-ren Unfallkassen (dem sog. BUK-NOG) zu. Damit wurde – kurz vor Ende der lau-fenden Legislaturperiode – der Weg für weitere Fusionen in der gesetzlichen Un-fallversicherung bereitet. Konkret betrof-fen sind davon die Fusionen der Unfall-kasse des Bundes mit der Eisenbahnun-fallkasse sowie der Unfallkasse Post und Telekom mit der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft. Ohne dieses Gesetz hätte der ersten Fusion zwi-

schen einem öffentlichen und einem ge-werblichen UV-Träger (Unfallversiche-rungsträger) die Rechtsgrundlage gefehlt. Das ist eine weitere wichtige Etappe in der strukturellen Neuordnung der gesetz-lichen Unfallversicherung.

Im öffentlichen Sektor ist das politi-sche Ziel von einer Unfallkasse pro Bun-desland noch nicht überall erreicht. So gibt es beispielsweise in Niedersachsen noch 5 UV-Träger der öffentlichen Hand.

Die Fusion im landwirtschaftlichen Bereich erfolgte über gesetzliche Regelun-gen. Seit 01.01.2013 gibt es die Sozialversi-cherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) mit Sitz in Kassel; in ihr gingen alle vorher selbstständigen Or-ganisationen, auch die landwirtschaftli-chen Berufsgenossenschaften, auf.

Prävention

Das BUK-NOG regelt nicht nur Orga-nisationsfragen. Mit diesem Gesetz wird für die Prävention klargestellt, dass sich die Pflicht des Arbeitgebers, eine Gefähr-dungsbeurteilung durchzuführen, auch auf psychische Belastungen bei der Arbeit bezieht. Der Schutz der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung ist auch ein Ziel der GDA (Gemeinsa-me Deutsche Arbeitsschutzstrategie) von Bund, Ländern und gesetzlicher Unfall-versicherung.

Ein weiteres Ziel der GDA ist die Ver-ringerung von arbeitsbedingten Gesund-heitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich. Hierzu passt

die Präventionskampagne der Unfallver-sicherung „Denk an mich. Dein Rücken“. Sie wurde im Januar 2013 erfolgreich ge-startet und wird durch intensive Presse- und Medienarbeit begleitet. Die Resonanz ist erfreulich groß.

Qualität und Wirtschaftlichkeit

Seit 2009 muss die DGUV (Deutsche Ge-setzliche Unfallversicherung) jährlich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales über die Entwicklung der Verwal-tungs- und Verfahrenskosten bei den ge-werblichen Berufsgenossenschaften sowie die Maßnahmen zur Kostenoptimierung berichten. Nach dem letzten Bericht wur-de vom Ministerium ausdrücklich die Er-wartung geäußert, dass die Fusionen pau-schal eine Rendite von 10% bei den Ver-waltungs- und Verfahrenskosten erwirt-schaften. Dem widersprach die Unfallver-sicherung und machte deutlich, dass sich solche pauschalen Ziele angesichts der Unterschiedlichkeit der Berufsgenossen-schaften verbieten. Außerdem ist die Er-stellung des Haushalts des einzelnen Trä-gers ein originäres Recht der Selbstver-waltung, welches mit Verantwortungsbe-wusstsein und Augenmaß ausgeübt wird. Wer die Selbstverwaltung lobt und wich-tig findet, der muss auch ihre Rechte ach-ten.

Der 18.05.2013 stellt ein erwähnens-wertes Jubiläum dar; der Tag der Selbst-verwaltung im Jahr 2013 markiert den 60. Jahrestag dieses wichtigen Prinzips in der Sozialversicherung: Vor 60 Jahren

Editorial

Trauma Berufskrankh 2014 DOI 10.1007/s10039-014-2072-8© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

1Trauma und Berufskrankheit 2014  | 

Editorial

konnten Beitragszahler in Sozialwahlen erstmals darüber abstimmen, wer ihre In-teressen in den Parlamenten der Sozial-versicherungsträger vertreten soll. Dank dieser Selbstverwaltung sind Berufsge-nossenschaften und Unfallkassen keine anonymen Behörden. Die Vertreter der Arbeitgeber und Versicherten prägen in entscheidender Weise unsere Arbeit. Sie bringen die Erfahrungen und Bedürfnis-se von Millionen Beschäftigten, Arbeitge-bern und Schülern in die Arbeit der ge-setzlichen Unfallversicherung ein. Damit setzen sie Maßstäbe für unsere Arbeit in Prävention und Rehabilitation.

Eine Fusionsrendite kann nicht nur an einer Kostenreduktion gemessen wer-den; sie muss auch Qualitätsgewinne an-gemessen berücksichtigen. Wichtig ist eine vernünftige Relation zwischen Wirt-schaftlichkeit und Qualität. Beides muss in einem angemessenen Verhältnis ste-hen. So ist z. B. bei der Neuausrichtung der Heilverfahren der erwartete Quali-tätsschub Maßstab unseres Handelns. Die Unfallversicherung wird aber noch stär-ker als bisher transparent machen müs-sen, welche Kosten hinter ihren Dienst-leistungen stehen und welche Wirkun-gen diese Dienstleistungen entfalten. Da-mit wird deutlich, dass die Unfallversiche-rung den Einsatz betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente forcieren muss.

Benchmarkingprojekt Fallsteuerung

Benchmarking ist schon heute fester Be-standteil der Steuerung bei den UV-Trä-gern – intern und auch trägerübergrei-fend. Für die Gemeinschaft aller Träger ist es ein Gewinn; so können sie die besten Problemlösungen finden und gute Erfah-rungen von anderen übernehmen. Zudem schafft die gemeinsame Arbeit ein wert-volles Erfahrungsnetzwerk, auch über einzelne Projekte hinaus. Exemplarisch sei hier über das bisher größte Bench- markingprojekt in der Unfallversicherung „Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Fallsteuerung“ berichtet. An diesem Pro-jekt nahmen alle Berufsgenossenschaf-ten und 14 Unfallkassen teil. Die unter-schiedlichen Verfahrensweisen der Trä-ger wurden untersucht in ihren Auswir-kungen auf:

Fdie Qualität,Fdie Bearbeitungszeiten,Fdie Verwaltungskosten und Fdie Leistungsausgaben.

In einem Prozessbenchmarking wurden Abläufe verglichen, Unterschiede identi-fiziert und letztlich konkrete Handlungs-empfehlungen zur Optimierung der Pro-zesse abgeleitet. Einbezogen wurde die ge-samte Bandbreite der Rehabilitation von der Bearbeitung leichter Unfälle bis hin zur intensiven Heilverfahrenssteuerung bei schwer Unfallverletzten. Daten wur-den durch System- und Aktenauswertun-gen erhoben. In der qualifizierten Heil-verfahrenssteuerung wurden anhand von Beispieldiagnosen vertiefende Analysen durchgeführt.

Das Projekt belegte deutlich, dass die Rehabilitation der gesetzlichen Unfall-versicherung sehr erfolgreich ist. Bei den untersuchten Diagnosen mit erheblichen Verletzungen lag die Wiedereingliede-rungsquote in die gleiche oder eine ähn-liche berufliche Tätigkeit bei beachtli-chen 97%. Das Projekt zeigte auch, dass es notwendig ist, Unfallverletzte indivi-duell und möglichst frühzeitig zu betreu-en – am besten schon in der Akutpha-se. Intensive Steuerung bedeutet für die Unfallversicherungsträger den persönli-chen Kontakt vor Ort mit den Versicher-ten und eine konkrete Arbeitsplatzorien-tierung der Rehabilitation. Ein erwartetes, aber jetzt auch bewiesenes Ergebnis des Projekts ist, dass ein höherer Steuerungs-grad bei schweren Verletzungen tenden-ziell die Arbeitsunfähigkeit verkürzt und auch zu geringeren MdE-Folgen (MdE: Minderung der Erwerbsfähigkeit) führt. Das kann beispielhaft für die Diagnose Unterschenkelfraktur belegt werden: Die Fälle, die intensiv gesteuert werden, wei-sen eine deutlich niedrigere Dauer der Arbeitsunfähigkeit auf als die Fälle, die mit geringerer Intensität gesteuert wer-den. Der Unterschied beträgt im Durch-schnitt 80 Tage. Auch für andere Beispiel-diagnosen konnte ein positiver Zusam-menhang zwischen Steuerungsgrad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden.

Im Fazit führt eine intensive Steue-rung des Heilverfahrens zu besseren Re-habilitationsergebnissen, was an kürzerer

Arbeitsunfähigkeitsdauer, besseren Aus-heilungsergebnissen und damit niedrige-rer MdE und letztendlich auch geringe-ren Ausgaben evident wird. Dies steht fol-gendem Aufwand gegenüber: Im Schnitt werden pro Reha-Managementfall 40 bis 50 Bearbeitungsstunden erbracht. Das entspricht etwa 1500 € pro Fall. Setzt man demgegenüber pro vermiedenem Arbeits-unfähigkeitstag einen Wert von 90 € an, errechnen sich für 80 Arbeitsunfähig-keitstage 7200 €, was den finanziellen Vorteil deutlich belegt. Außerdem werden aus Sicht des Versicherten die Krankheits- und damit die Leidensphase kürzer, und der Arbeitgeber profitiert von einer frühe-ren Rückkehr seines unfallverletzten Mit-arbeiters an den Arbeitsplatz – und dies bei geringeren Kosten beim Unfallversi-cherungsträger und damit einer Beitrags-ersparnis.

Eine konsequente, an den individuel-len Bedürfnissen ausgerichtete intensi-ve Betreuung von Versicherten erfordert engagierte und qualifizierte Mitarbei-ter. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass Personalkosten für qualifizierte Mitarbei-ter die Leistungskosten positiv beeinflus-sen, also nicht zwangsläufig sozusagen schlechte Kosten sind – ein wichtiges Ar-gument in der politischen Diskussion.

Reha-Management

Die oben angeführten Ergebnisse bestärk-ten die Berufsgenossenschaften und Un-fallkassen darin, Unfallverletzte durch Re-ha-Manager intensiv zu unterstützen. Zur Identifizierung der intensiv betreuungs-bedürftigen Fälle dienen eine prognosti-zierte Arbeitsunfähigkeitsdauer von mehr als 112 Tagen und/oder das Vorliegen von Komplikationen und relevante Kontext-faktoren. Solche Kontextfaktoren sind beispielsweise besondere Arbeitsplatzbe-dingungen, die familiäre Situation, Mig-rationshintergrund oder auch psychische Auffälligkeiten.

Im Zentrum des Reha-Managements stehen die individuelle, persönliche Bera-tung und Begleitung der Versicherten; sie setzen so früh wie möglich ein und beru-hen auf einer partnerschaftlichen Einbin-dung aller Beteiligten.

Das Reha-Management dient dazu, al-le notwendigen Maßnahmen schon vor

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Beginn der medizinischen Rehabilitation zu koordinieren. Frühzeitige Planung er-möglicht eine nahtlose Vernetzung von Maßnahmen, also von der Akutbehand-lung über die medizinische Rehabilitation bis hin zur beruflichen und sozialen Wie-dereingliederung. Deshalb sieht die Un-fallversicherung in der Erstellung eines in-dividuellen Reha-Plans, der von allen Be-teiligten unterschrieben wird, ein wichti-ges Instrument zur dauerhaften berufli-chen und sozialen Wiedereingliederung.

Das Reha-Management entwickel-te sich in den letzten Jahren gut. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal der gesetz-lichen Unfallversicherung und ein Aus-hängeschild erster Güte. Reha-Manage-ment wird auch in den Unfallversiche-rungssystemen der Schweiz und Öster-reichs betrieben. Die DGUV, die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Österreichs) und die SUVA (Schweizeri-sche Unfallversicherungsanstalt) initiier-ten ein gemeinsames Grundsatzpapier. Damit werden das gemeinsame Verständ-nis von Reha-Management dokumen-tiert und der Anspruch an eine effektive und betriebsnahe Fallsteuerung formu-liert. Das Papier unterstreicht, dass sich das Reha-Management für die Versicher-ten und unter dem Gesichtspunkt der Ef-fizienz lohnt. Die Broschüre wird mehr-sprachig (in Deutsch, Englisch, Franzö-sisch und Italienisch) herausgegeben und stellt im In- und Ausland das im deutsch-sprachigen Raum praktizierte Reha-Ma-nagement als gutes und nachahmenswer-tes Beispiel dar.

Psychotherapeuten-Verfahren

Seit der UMed (Unfallmedizinische Ta-gung) des Landesverbands Südwest der DGUV im Jahr 2011 wurde von der DGUV – neben den Aktivitäten zur Neu-ordnung der Heilverfahren – ein weiteres besonders praxisrelevantes Verfahren be-gonnen: Zum 01.07.2012 trat das neue Psy-chotherapeuten-Verfahren (PT-Verfah-ren) der gesetzlichen Unfallversicherung in Kraft. Es löst das bisherige Modellver-fahren ab, das schon mehrfach Thema bei den UMed war. Die guten Erfahrungen mit diesem Modellverfahren führten jetzt zu einem bundeseinheitlichen Verfahren – unter Einbindung praktischer Erfahrun-

gen der UV-Träger, insbesondere aus dem Reha-Management, sowie weiterer ärztli-cher und psychologischer Kompetenz. Ziel ist es, Menschen, die durch einen schweren Arbeitsunfall oder eine Berufs-krankheit an psychischen Störungen lei-den, adäquat und rechtzeitig zu versor-gen, damit die Beschwerden nicht chro-nifizieren.

Die Therapeuten im Netzwerk der Un-fallversicherung müssen die Behandlung innerhalb 1 Woche übernehmen. Beibe-halten wurde die schnelle Intervention, indem die Unfallversicherungsträger bis zu 5 probatorische Sitzungen unkompli-ziert bewilligen. Damit gibt es eine Ba-

sis für eine gute Struktur- und Prozess-qualität auf der Seite der Leistungserbrin-ger. Der komplementäre Baustein auf Sei-ten der UV-Träger ist das Reha-Manage-ment, um auch bei psychischen Störun-gen für die betroffenen Versicherten eine erfolgreiche Rehabilitation erreichen zu können.

Ausblick auf die Gesetzgebung

In der Zeit einer geschäftsführenden Übergangsregierung und während lau-fender Koalitionsverhandlungen lässt sich nicht beurteilen, ob in der nächsten Legislaturperiode weitere Reformen auch

Zusammenfassung · Abstract

Trauma Berufskrankh 2014 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s10039-014-2072-8© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Th. Köhler

Bericht zur sozialpolitischen Entwicklung

ZusammenfassungFusionsprozesse. Das Gesetz zur Neuorga-nisation der bundesunmittelbaren Unfallkas-sen (BUK-NOG) schuf die rechtliche Grundla-ge für weitere Fusionen im öffentlichen Sek-tor der gesetzlichen Unfallversicherung. In der landwirtschaftlichen Sozialversicherung ist der Fusionsprozess jetzt abgeschlossen. Fusionsrendite/Kosten und Qualität. Die von Seiten der Politik von der Unfallversiche-rung erwartete Fusionsrendite muss Kosten- und Qualitätsaspekte berücksichtigen. Der Nutzen einer intensiven Heilverfahrenssteue-rung ist durch das bisher größte Benchmar-kingprojekt in der gesetzlichen Unfallversi-cherung belegt. Reha-Management (Rehabi-litationsmanagement) als individuelle Bera-tung und Begleitung der Versicherten ist in-

zwischen ein gut etabliertes Alleinstellungs-merkmal der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland, aber auch in Österreich und in der Schweiz. Mit dem Psychotherapeu-ten-Verfahren soll der Chronifizierung psy-chischer Störungen nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit adäquat und früh-zeitig entgegengewirkt werden. Ausblick. Für die neue Legislaturperiode zeichnen sich für die gesetzliche Unfallver-sicherung keine konkreten Gesetzesvorha-ben ab.

SchlüsselwörterNeuorganisationsgesetz · Fusionsrendite · Benchmarking · Reha-Management · Psychotherapeuten-Verfahren

Report on the sociopolitical development

AbstractMergers. The law on the reorganization of the direct federal accident insurers (BUK-NOG) provides the legal basis for further mergers within the statutory accident insur-ance sector. The merger process in the agri-cultural social insurance is now finished. Merger returns/costs and quality. The merger returns of accident insurers expected by politics must include aspects of costs and quality. The benefits of an intensive control of the healing process have been confirmed by the largest benchmarking project in statu-tory accident insurance. Rehabilitation man-agement by means of an individualized con-sulting and accompanying of insured per-

sons is now a well-established unique char-acteristic of the statutory insurance in Ger-many, Austria and Switzerland. The chronifi-cation of mental disorders after an occupa-tional accident or disease can be adequately and timely counteracted by the psychothera-pist procedure.Perspective. No concrete changes are con-templated by the statutory accident insur-ance for the new legislative period.

KeywordsReorganization law · Merger returns · Benchmarking · Rehabilitation · Psychotherapy

3Trauma und Berufskrankheit 2014  | 

Editorial

für die Unfallversicherung anstehen. Bei der sich abzeichnenden Koalition scheint keine neue Privatisierungsdiskussion auf die gesetzliche Unfallversicherung zuzu-kommen.

Das Thema Wegeunfall wird von Arbeitgeberseite gelegentlich unter dem Blickwinkel der Unternehmerhaftpflicht in Frage gestellt. Für eine Herausnahme aus dem Versicherungsportfolio dürfte es aber auch jetzt an einer politischen Mehr-heit fehlen.

Ob die im letzten Anlauf vor weni-gen Jahren gescheiterte Reform des Leis-tungsrechts –zu nennen ist hier die Ren-tenthematik – zeitnah wiederaufgegriffen werden wird, ist nicht abzusehen. Denk-bar ist, dass die Beweisprobleme im Be-rufskrankheitenverfahren und damit ver-bundene Reformvorstellungen die Politik und damit auch die Unfallversicherungs-träger erneut beschäftigen werden. Inte-ressant wird auch sein, ob und in welcher Form das in letzter Minute im Bundesrat gescheiterte Präventionsgesetz doch noch realisiert wird und inwieweit die Unfall-versicherung davon betroffen ist.

Korrespondenzadresse

Th. KöhlerDeutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Landesverband Südwest,69004 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  Th. Köhler gibt an, dass kein Inte-ressenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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