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Bezirk Berlin-Brandenburg- Sachsen Berlin ist O&K! Der Streik bei der CNH-Baumaschinen GmbH in Berlin-Spandau Streikdokumentation

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BezirkBerlin-Brandenburg-Sachsen

Berlin ist O&K!Der Streik bei der CNH-Baumaschinen GmbHin Berlin-Spandau

Streikdokumentation

BezirkBerlin-Brandenburg-Sachsen

Berlin ist O&K!Der Streik bei der CNH-Baumaschinen GmbHin Berlin-Spandau

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Impressum

Herausgeber:IG Metall Bezirk Berlin-Brandenburg-SachsenAlte Jakobstr. 149, 10969 Berlin

Verantwortlich:Olivier Höbel, Bezirksleiter

Autoren:Karsten MeierReiner Peters-AckermannAlfons Frese

Redaktion:Bernd Kruppa

Grafik und Layout:Karsten MeierReiner Peters-Ackermann

Fotos:Karsten GeisendörferJochen GesterAndreas HesseThomas JänickeKarsten MeierReiner Peters-Ackermann

Druck:Druckhaus Dresden

Berlin, November 2006

Streikrecht erstreiten

Deswegen ist in unserer Zeit, die die Demokratie preist und die Verwirklichung der Menschenrechte fordert,das Verbot des Streiks um den Erhalt unserer Arbeitsplätzeein Skandal, ein Überbleibsel aus feudalen Zeiten.

Jeder Unternehmer kann in aller ÖffentlichkeitArbeitsplätze und damit Existenzen von Menschen und Familien vernichten, wie er will. Das ist legal!

Und der Kampf dagegen soll illegal sein?

Nein, er ist vornehmstes Bürgerrecht!In anderen Ländern in Europa ist es auch so.Aber wir müssen uns das noch erstreiten. Und zwar mit Vorrang!Erst dann haben wir zumindest etwas in der Hand,womit wir uns wehren können.

Constanze Lindemann

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Vorworte

Berthold Huber: Der Belegschaft von CNH gebührt Respekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Olivier Höbel: Ohne Industriearbeitsplätze kann Berlin nicht existieren . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Luis Sergio: Wir brauchen mehr politischen Einfluss auf Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Hintergründe des Streiks

O&K – vom Traditionsunternehmen zum Spielball der Global Player . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Die Arroganz der Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Andreas Märkl: Strategien des Fiat-Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Wie eine Belegschaft getäuscht wird – zum Vorlauf des Streiks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Über das Streikrecht in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Streikorganisation und -verlauf

Der Streik beginnt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Das herrschende Recht soll dem Unrecht zum Sieg verhelfen - ein Vergleich . . . . . . . . . . . . . 18

Wie umgehen mit Streikbrechern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Nichts geht vom Hof – im Kampf um die Bagger gewinnen die Streikenden 3:0 . . . . . . . . . . . 21

Die Streik-Aktionsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Unser Kampf ist international – die Aktionen der Streikenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Streikaktionen in der Öffentlichkeit und um im Streikzelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Jetzt geht’s gegen Fiat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Überregionale und europaweite Aktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Aktionen im Zentrum Berlins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Solidaritätsgrüße von nah und fern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Besuche von Politikern – ohnmächtige Macht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Alfons Frese: Öffentlichkeit und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Ohne Kommunikation läuft kein Streik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Zur Rolle von externen Streikbetreuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Wichtige Erkenntnisse aus 107 Tagen Streikerfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Das Verhandlungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Der Streik wird beendet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Resümee

Über den Verlauf der Gespräche und Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Wie ist der Streik politisch zu bewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Der Kampf um Arbeitsplätze geht weiter! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Dank an alle Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Inhalt

Vorworte

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Wir erleben in Deutschland einen tiefen Ein-schnitt. Zunehmend gewinnen die Kräfte imArbeitgeberlager die Oberhand, die das Modellder sozialen Marktwirtschaft durch einen aus-schließlich am Gewinn, am „Shareholder“ ori-entierten Kapitalismus ablösen wollen. Einigeopfern für ihre Profitmaximierung sogar kom-plette Belegschaften. Diesem Prinzip ist auchder Fiat-Konzern bei der Schließung von CNH inBerlin gefolgt.

Gegen diese Kahlschlag-Politik hat sich dieBelegschaft bei CNH entschlossen zur Wehrgesetzt. Trotz des 107-tägigen Streiks für einen„Sozialtarifvertrag“ konnte die Schließung desCNH-Werkes nicht verhindert werden. Aber dieStrategie der Fiat-Spitze, die Beschäftigten miteinem völlig unzulänglichen Sozialplan abzu-speisen, haben wir erfolgreich durchbrochen.

Die vorliegende Broschüre dokumentiert den Ar-beitskampf bei CNH in Berlin. Es bedarf klugerVorarbeit und einer disziplinierten Belegschaft,um den Streik für einen „Sozialtarifvertrag“erfolgreich durchzuführen. Das ist kein Selbst-läufer.

„Sozialtarifverträge“ sind auch kein Zukunfts-modell. Sie sind ein schwieriger Notwehrakt,der nur in absoluten Ausnahmefällen durchge-führt werden kann. Die Kolleginnen und Kolle-gen bei CNH haben sich dieser Herausforde-rung gestellt.

Der gesamten Belegschaft von CNH gebührtDank und Respekt. Sie hat sich dem knallhar-

ten Erpressungsdruck der Fiat-Spitze nichtgebeugt. Und damit auch ein öffentlichesSignal an Unternehmensvorstände gerichtet,dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmernicht nach Belieben mit sich umspringen las-sen. Jetzt ist vor allem die Bundesregierunggefordert, um mit geeigneten Maßnahmengrenzenloser Unternehmer-Willkür Einhalt zugebieten.

Berthold Huber 2. Vorsitzender der IG Metall

Der Belegschaft von CNH gebührt Respekt

Berthold Huber

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Ohne Industriearbeitsplätze kann Berlin nicht existieren

Die CNH-Baumaschinen GmbH in Spandau – vor-mals Orenstein & Koppel – hat eine 130jährigeTradition. Sie ist mit Kenntnis, Kreativität undEngagement seitens der Belegschaft zu einemLeuchtturm der Region aufgebaut worden undsoll jetzt ohne Not geschlossen werden.

Was wird aus den Arbeitnehmern und Jugend-lichen? Was wird aus Berlin, wenn immer mehrindustrielle Arbeitsplätze vernichtet werden?

Der 107tägige Streik der CNH-Belegschaft warnicht nur ein Kampf um die Existenz der direktbetroffenen Kolleginnen und Kollegen, sondernihr Engagement betraf die Perspektive der gan-zen Region. Dafür bin ich ihnen dankbar undhabe Hochachtung vor ihrer Moral.

Das Beispiel CNH macht deutlich, dass die allei-nige Verfügungsgewalt des Managements überStandortschließungen ein Relikt aus vordemo-kratischen Zeiten ist. Die nicht vorhandene wirt-schaftliche Mitbestimmung und damit Einfluss-nahme der Belegschaft und ihrer Gewerkschaftauf die gravierende Entscheidung einer Stand-ortschließung weist darauf hin, wie schwachdie im Grundgesetz verankerte Sozialpflichtig-keit des Eigentums in der realen Politik undGesetzgebung verankert ist.

In der Forstwirtschaft gilt seit Jahrhunderten dasPrinzip der Nachhaltigkeit. Wer abholzt, mussauch wieder aufforsten. Dieser Gedanke solltefür uns handlungsleitend sein. Das gegenwär-tig herrschende Prinzip, Gewinne zu privatisie-ren, Verluste und Arbeitsplatzabbau dagegender Allgemeinheit aufzubürden, führt in die

soziale Katastrophe und ist für die Gesellschaftnicht tragbar.

Die gegenwärtige Politik setzt dem Raubbauwenig entgegen, macht im Gegenzug immerweitere Steuergeschenke und verkauft öffentli-che Einrichtungen und Dienstleistungen.

Steigende Arbeitslosigkeit, ungesicherte Arbeits-verhältnisse und die Demontage des Sozial-staates sind die Folgen dieser unbegrenztenDeregulierungs- und Privatisierungspolitik.

Es ist das große Verdienst der Belegschaft vonCNH, sich nicht nur die Symphatien der BerlinerBevölkerung erstreikt , sondern auch die Politk,Wissenschaft und andere Institutionen zumNachdenken gebracht zu haben.

Der mutige CNH-Streik hat deutlich gemacht,dass ein Umsteuern nötig ist. Berlin und dieRegion brauchen Industriearbeitsplätze, um aufeiner soliden Grundlage existieren zu können.

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen vonCNH für ihren Einsatz, ihren Mut und ihre Ent-schlossenheit.

Olivier Höbel Leiter des IG Metall-Bezirks

Berlin – Brandenburg – Sachsen

Olivier Höbel

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Nach 7 Monaten Kampf und 15 Wochen Streikhaben wir ein gutes Ergebnis im Sinne der for-mellen Tarifforderungen erzielt und zugleich diebedrückende Tatsache hinnehmen müssen, dass330 Kolleginnen und Kollegen ihren Arbeits-platz verlieren.

Das oberste Ziel, den Erhalt der Arbeitsplätze,konnten wir weitestgehend nicht erreichen, weildie politischen und rechtlichen Voraussetzungendafür fehlen und weil die ökonomische Stärkevon multinationalen Konzernen wie FIAT/CNHein Übergewicht darstellt, das unter den gege-benen kapitalistischen Verhältnissen auch miteinem sehr langen Streik nicht – oder wie beiuns – nur partiell zu überwinden ist.

Unser Streik um einen Sozialtarifvertrag istunter den gegebenen Verhältnissen ein unver-zichtbares „offensives Instrument in der Defen-sive“, weil unsere Defensivposition nur durcheinen Nachweis realer gewerkschaftlicherKampfkraft zu überwinden ist.

Bei CNH haben wir mit der Logik der Moneta-risierung qualitativer Forderungen noch nichtbrechen können. Dieser Bruch zugunsten einersicher risikoreicheren, an qualitativen Zielenorientierten Politik ist notwendig, wenn wirmehr als gute Abfindungsregelungen erreichenwollen. Der Kampf um Arbeitsplätze und Demo-kratie setzt einen stärkeren Schulterschluss mitanderen Kräften des sozialen Widerstands vor-aus und würde diesen gleichzeitig befördern.

Der Streik der CNH-Belegschaft zeigt, dassohne Eingriff in die Entscheidungsfreiheit derUnternehmen, ohne politische Kontrolle vonInvestitions- und Verlagerungsentscheidungender Konzerne Kämpfe um den Erhalt der Arbeits-plätze letzten Endes nicht erfolgreich geführtwerden können. Darauf hingewiesen zu haben,auch dafür gebührt den mutigen Streikendenvon CNH Dank und Anerkennung.

Luis SergioGewerkschaftssekretär der IG Metall-

Verwaltungsstelle Berlin und betrieblicher Leiter des CNH-Streiks

Wir brauchen mehr politischen Einfluss auf Unternehmen

„Unsere Organisationen aber, sie bewähren sich im Kampfe,sie können nur existieren im Kampfe, sie wachsen nur imKampf.“

Rosa Luxemburg (1910) vor der außerordentlichen Mitgliederversammlungder Verwaltungsstelle Hagen des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes

Luis Sergio

374 Namen am Zaun der CNH Baumaschinen GmbH

Hintergründe des Streiks

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O&K – vom Traditionsunternehmen zum Spielball der Global Player

Die CNH Baumaschinen GmbH, vormals O&KOrenstein & Koppel AG, blickt auf eine 130jähri-ge Geschichte zurück (siehe dazu auch dieChronik-Leiste ab Seite 8). Vor dem 1. Weltkriegist es vor allem Arthur Koppel, der neue Pro-duktionsstandorte im europäischen und über-seeischen Ausland gründet. 1913 wird das O&K-Unternehmen ein multinationaler Konzern mitsechs inländischen und fünf europäischen Pro-duktionsstandorten. Auch in den USA wird abden frühen Jahren des 20. Jahrhunderts fabri-ziert. Die Produkte werden über weltweite Han-delsniederlassungen (u. a. auch in Ägypten undChina) vertrieben.

Trotz Kriegsverlusten, Versailler Verträge undWeltwirtschaftskrise expandiert O&K in denJahren der Weimarer Republik wieder. Und hatEnde der dreißiger Jahre 16000 Beschäftigte.

Nach der „Arisierung des Konzerns“ unter demNationalsozialismus wird der Konzern 1940 vonder Hoesch AG übernommen, in dem das Unter-nehmen bis in die 90er Jahre verbleibt.

Bis 1948 werden die verbliebenen O&K-Produk-tionsanlagen in Westdeutschland und Berlinwieder in Gang gebracht und das Unternehmenwächst zu einer erfolgreichen Hoesch-Tochterheran mit einem weitgefächerten Produktpro-gramm und über 10 000 Beschäftigten (1990).Grundlage des Erfolgs sind u. a. die Hydraulik-bagger, mit deren neuer Technologie das Unter-nehmen ab den 60er Jahren eine führende Posi-tion im Baumaschinensektor einnehmen kann.

Die Zeit nach 1990 bringt auch für O&K dieWende. Konzerne werden zu „Global Playern“,d. h. in der „entgrenzten Welt“ stellen sie sichintern neu auf und stärken ihren Finanzsektor.Ab 1992 übernimmt die Krupp AG (später Thys-sen-Krupp) den Hoesch-Konzern. Das O&K-Geschäftsfeld Anlagen und Systeme wird derKrupp-Fördertechnik zugeschlagen, so dassO&K künftig hauptsächlich nur noch in derBaumaschinenbranche tätig ist.

Für Thyssen-Krupp gehört der Baumaschinen-sektor nicht zum „Kerngeschäft“ und es wirdnach einem Käufer für Orenstein & Koppel ge-sucht. Schließlich wird 1998 New Holland zumGroßaktionär von O&K. New Holland gehörtzum Fiat-Konzern, fusioniert ab 1999 mit Caseund firmiert heute unter CNH Global N.V.

Fiat Auto Maserati Ferrari

Alfa Romeo Lancia

CNHGlobal N.V.

Fiat S.p.A.

100% 56% 100%Automobile

Nutzfahrzeuge(LKWs, Maschinen, Personen-beförderungsfahrzeuge, Spezial-und Feuerwehrfahrzeuge)

100%

IvecoMotors

IvecoMagirus Astra Seddon

Atkinson

IvecoInternational DNA

IrisbusIveco

Landmaschinen Baumaschinen

Finanzdienstleistungen

90%

Case New Holland Steyr Case New Holland Kobelco

CNH-Capital

u. a.CNH-BaumaschinenGmbH (O&K)

Komponentenund Systeme Fiat

PowertrainTechnologies

MagnetiMarelli Teksid Comau

100% 100% 84,8% 100%

Andere Geschäftsfelder(Managementsysteme,Presse)

Weitere Beteiligungen(Investmentfonds, Medien)

BusinessSolutions Itedi

Mediobanca R.C.S.Mediagroup

100% 100%

9,8% 1,8%

Die Struktur des Fiat-Konzerns

Vgl.: www.fiatgroup.com

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Die Zugehörigkeit zum Fiat-Konzern, wird demO&K-Unternehmen in Berlin-Spandau zum Ver-hängnis, denn in Folge der Vernachlässigungdes Kleinwagensegments gehen Ende der 90erJahre die Absatzzahlen in der Autosparte zu-rück und der gesamte Konzern gerät in dieKrise. Trotz massivem Stellenabbau können dieKennziffern der prestigeträchtigen AutomarkeFiat nicht verbessert werden. Um die Sanierungdes Konzerns voran zu treiben, benötigte Fiatenorme finanzielle Mittel. Da diese Mittel imKerngeschäft kurzfristig nicht erwirtschaftetwerden können, werden über das Fiat Cash-Management Quersubventionierungen innerhalbdes Konzerns vorgenommen. Gerade die gutverdienenden Konzerntöchter Iveco und CNHscheinen zur Rettung von Fiat Auto herangezo-gen zu werden, indem die liquiden Mittel dieAuto-Verluste decken. Die Folge ist, dass dieKonzerntöchter selbst in wirtschaftliche Schwie-rigkeiten zu geraten drohen, denn die abgezo-genen Finanzmittel fehlen für Investitionen.

Auch für O&K in Berlin-Spandau bedeutet dies,dass erwirtschaftete Gewinne über Jahre abge-führt wurden. Investitionen sind auf ein Mini-mum zurückgeführt worden. Das Abschreibe-volumen liegt in den letzten Jahren immer ober-halb der Investitionen und das Anlagevermögennimmt stetig ab. Die wichtigsten Bestandteileder technischen Ausstattung stammen nochaus dem Aufbau des Werkes Ende der 80erJahre und sind heute größtenteils veraltet.

Ein weiteres Indiz für den enormen Kapitalbe-darf des Fiat-Konzerns ist die Verhandlung über

die Rücknahme der Pensionsrückstellungen desVorbesitzers. Die anschließenden Zahlungenvon Thyssen-Krupp an CNH (140 Mio Euro) flos-sen sofort weiter an den Mutterkonzern Fiat.

Die lokale Geschäftsführung der CNH Bauma-schinen GmbH spricht Ende 2005 schließlichvon der Schließung des Betriebes in Berlin-Spandau. Die Produktionskapazitäten desUnternehmens seien nach den Aussagen deslokalen Mangements nur noch zu einem Drittelausgelastet und der Betrieb sei unwirtschaft-lich. Da der Marktanteil von CNH auf dem Welt-markt zurückgegangen sei, lohne die Produk-tion von Baggern und Gradern in Berlin nichtmehr.

Diese Zahlen sind aber nie belegt worden. CNHkommt auf Weisung Turins ihrer Informations-pflicht gegenüber dem Betriebsrat nicht nachund hält bis heute wesentliches Beleg- undVergleichsmaterial zurück.

Jedoch – auch wenn die o. g. Auslastungszah-len laut Betriebsrat auf die veraltete technischeAusstattung und Nadelöhre in Produktionsab-läufen (z. B. Schweißarbeitsplätze) zurückzu-führen sind – Fakt ist, dass der Betrieb in Berlin-Spandau hätte mehr produzieren können, wenndie Produktnachfrage höher gewesen wäre. ImGegensatz zur lokalen Unternehmensleitungsieht die betriebliche Interessensvertretungden Grund nicht in einer Krise im Baumaschi-nengeschäft, denn dieses läuft gegenwärtigeher gut. Die Ursache für den Absatzeinbruchwird eher dem Missmanagement der CNH-Unter-

Chronik der CNH Baumaschinen GmbHvormals Orenstein & Koppel AG1. April 1876Benno Orenstein und Arthur Koppel gründen ein Unter-nehmen für leichtes Feldbahnmaterial „zum Zwecke dereines Hütten- und Bergwerksproduktengeschäfts“ die Oren-stein & Koppel OHG in Berlin Schlachtensee (Zehlendorf ).

Das O&K-Feldbahnsystem revolutioniert die Transporttech-nik des primitiven und witterungsabhängigen Pferdetrans-

ports mit hölzernen Karren durch den Einsatz leichter Metall-gleise, auf denen hölzerne später metallene Kippkarrenfahren können. Diese Feldbahnen finden in Hütten, Berg-werken,Baustellen und im Zuckerrübentransport Verwen-dung – auch die preußische Militärverwaltung zeigt Inter-esse an dieser mobil einsetzbaren Transporttechnik.

1895Die beiden Firmengründer trennen sich. Benno Orensteinführt das bisherige unter gleichem Namen weiter, ArthurKoppel macht sich mit einer eigenen Firma selbständig.Benno Orentein Arthur Koppel

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nehmensleitung selbst zugeschrieben. Das giltinsbesondere bezogen auf die kontraprodukti-ven Weichenstellungen in der Preis- Vertriebs-und Markenpolitik.

• Die Preis-, Vertriebs- und Markenpolitik desCNH-Konzerns beruht auf einem System in-terner Verrechnungspreise. Hier werden vomVertrieb die am Markt erzielbaren Preise ein-geschätzt. Auf dieser Basis werden – unterAnrechnung aller Vertriebsaufwendungen –die internen Verrechnungspreise zwischenden Werken und dem Vertrieb für das Folge-jahr bestimmt. Aber auch die Steuerab-teilung hat ein gewichtiges Wort bei der Be-stimmung der Verrechnungspreise mitzure-den. Sie hat Interesse daran, dass etwaigeGewinne in den Ländern anfallen, die denniedrigsten Steuersatz erheben. Aber auchhier sind belegbare Nachweise nicht zu er-bringen, da CNH entsprechendes Informations-material vorenthält. Die Tatsache jedoch,dass das O&K-Unternehmen in Berlin-Span-dau im direkten Geschäft mit Endkundendeutlich bessere Gewinnmargen erzielenkonnte, scheint die Vermutung von gesteu-erten Verrechnungspreisen im CNH-Konzernzu bestätigen.

• Noch schwerwiegender war die Entschei-dung von CNH in der Vertriebspolitik dasNetz von eigenen (O&K-)Niederlassungenaufzugeben und statt dessen den Vertriebvon Händlern vornehmen zu lassen. Wobeiman insbesondere in Deutschland auf soge-nannte B-Händler zurückgreifen musste, dadie bekannten Händleradressen seit langemmit anderen Marken verbunden sind.

• In der Markenpolitik entschied sich CNH imJahr 2005 seinen Auftritt weltweit auf dieMarken Case und New Holland zu konzen-trieren. Der weit über die Grenzen Deutsch-lands bekannte Name Orenstein & Koppelfiel weg und die neuen Markennamen kön-nen bei weitem nicht die vorherige Akzep-tanz von O&K-Produkten erreichen. Verbun-den mit dem neuen Vertrieb über Händlermuss diese Politk zwangsläufig zu Irritatio-

nen am Markt und zu einem Absatz-einbruch der O&K-Produkte führen.

Abbildung unten: Der Grader 154 A im O&K-Design der jüngeren Gene-ration. Diese Maschine wirdvon der sogenannten Nivo-matic 6-Technologie unter-stützt. Digitale Komponen-ten werden durch Ultra-schall- oder Lasersensorengesteuert und regeln dieautomatische Höhen- undQuerneigung des Plan-Schars. Diese technisch auf-wendigen und daher teurenGrader werden – aufgrundder speziellen Bodenbe-schaffenheit – vor allem inEuropa vertrieben. Die Vor-

teile einer weltweitenCNH-Vermarktung kom-men somit bei dessen

Vermarktungnicht zumtragen.

Die rasch wachsende und inzwischen schon internationaltätige Orenstein & Koppel OHG wird in eine Aktiengesell-schaft überführt.

1900In Berlin-Spandau wird die Waggon- und Weichenbau-anstalt gegründet.

1908Arthur Koppel stirbt. Die bisher getrennten Firmen fusionierenunter dem Dach der Orenstein & Koppel – Arthur Koppel AG.

1912Das Unternehmen besteht aus 12 Werken weltweit, hat 95Niederlassungen und über 14 000 Beschäftigte. Es domi-niert noch die Produktion von Feldbahnmaterial. Es werdenaber auch Motoren, Lokomotiven, Personen- und Güter-waggons, Bohrmaschinen, Schiffe und – in Berlin-Spandauund Lübeck – Eimer- und Löffelbagger gebaut.

1918Das Unternehmen erleidet durch die Folgen des 1. Welt-krieges hohe materielle Verluste.

1920Die Unternehmensbezeichnung ist wieder Orenstein & Koppel AG.

1925Durch Wegfall der Exportmärkte und Vorgaben des Ver-sailler Vertrages wird die Produktion von Lokomotiven imWerk Nordhausen für drei Monate eingestellt.

1926Benno Orenstein stirbt im Alter von 75 Jahren.

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Zusammenfassend kann festgehalten werden,

• dass in den Standort Berlin-Spandau überlange Jahre nicht investiert wurde und derBetrieb somit seiner industriellen Basisberaubt wurde.

• dass der Fiat-Konzern seinen Tochtergesell-schaften nicht die Chance lässt, ihr erwirt-schaftetes Kapital zu reinvestieren und damitihre Zukunft zu sichern.

• dass der CNH-Konzern durch die internePreispolitik seine Werke zwangsläufig in dieVerlustzone treibt.

• dass der CNH-Konzern mit einer praxisfer-nen Vertriebs- und Markenpolitik hoheMarktanteile verspielt hat.

Die Unwirtschaftlichkeit der CNH BaumaschinenGmbH ist somit eher hausgemacht bzw. derWillkür und Unfähigkeit von Konzernstrategengeschuldet. Die meisten der vergangenen Ver-säumnisse und Fehlentscheidungen sind heutenicht mehr rücknehmbar und es bedürfte eini-

ger Anstrengungen um dem Spandauer Unter-nehmen wieder Perspektiven zu geben.

Die Voraussetzungen wären trotz allem Miss-mangement immer noch gut. Vor Ort ist allesNotwendige vorhanden. Die Gebäude sind rela-tiv neu. Es wird mit einer großen Fertigungs-tiefe und hoch qualifizierten Belegschaft produ-ziert, konstruiert und verwaltet. Die Produktevon O&K besitzen nach wie vor einen guten Ruf.

Nötig jedoch wären Investitionen in die techni-sche Ausstattung des Betriebes und die Heraus-lösung von Verwaltung, Vertrieb und Marketingaus dem Konzernverbund. Die Konstruktion amOrt könnte weiterhin auch als Dienstleister fürden CNH-Konzern tätig sein. Die Absatzzahlenauf dem Baumaschinenmarkt sind gestiegen,es fehlt nur an einer neuen Vertriebsoffensive,um die O&K-Altkunden – vor allem im europäi-schen Raum – und neue Käufer dazuzugewin-nen und die Auslastung in Spandau zu steigern.

Diese Forderungen blieben unerfüllt. Nach 107Tagen Streik ist das Vertrauensverhältnis zwi-schen lokaler Unternehmensleitung und strei-kender Belegschaft zerrüttet. Noch entschei-dender jedoch ist die Haltung und das Verhal-ten der Turiner Fiat-Konzernzentrale. Diese fuhrhinsichtlich der gesetzlichen Informations-pflicht weiterhin eine Blockadepolitik, um ent-gegen aller früheren Versprechen ihre Strate-gien durchzusetzen und die Produktion zu verla-gern – sei es nach Italien oder China. Die Schlie-ßung des Berliner Traditionsbetriebes in Span-dau war eine beschlossene Sache.

Herstellung des ersten Universalbaggers Typ 4

1930Trotz Weltwirtschaftskrise expandiert das Unternehmenweiter und übernimmt die Dessauer Waggonfabrik AG unddie Gothaer Waggonfabrik AG.

1940Im Zuge der sogenannten „Arisierung“ wird die Orenstein &Koppel AG“ unter treuhänderische Verwaltung gestellt.Erneute Namensänderung in Maschinenbau- und Bahn-bedarfs AG (MBA).

1941Die Hoesch AG übernimmt das Unternehmen.

1945Das Dortmunder Werk ist fast völlig zerstört, das Werk inBerlin-Spandau vollständig demontiert. 80% der inländi-schen Produktionsstätten und alle ausländische Besitzun-gen sind verloren.

ab 1948Nach Aufräumungsarbeiten läuft die Produktion in den

Die CNH/O&K-Belegschaft vor dem Verwaltungsgebäude des Werkes in Berlin-Spandau

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Die Arroganz der Macht

Demokratie endet am Werkstor! Diese Erkennt-nis ist angesichts der Macht- und Eigentums-verhältnisse in einer kapitalistischen Wirt-schaftsordnung nicht neu. Im Falle des Fiat-Konzerns stößt man jedoch auf hierarchischeEntscheidungsstrukturen, die noch autoritärersind als beispielsweise im Vergleich zu deut-schen oder angelsächsischen Unternehmen.

Alle wichtigen Entscheidungen im weit verzweig-ten Konzern von Fiat S.p.A. gehen von der Turi-ner Machtzentrale aus. In keiner Phase der Aus-einandersetzung im CNH/O&K-Streik konntendie CNH-Verhandlungsführer entscheiden. Siehatten eher die Funktion von Unterhändlern. Dieeigentliche Entscheidungskompetenz lag in derTuriner Konzernzentrale. Nach „Gesprächen“mit der IG Metall und der betrieblichen Interes-sensvertretung mussten die CNH-Verhandlerzur Konzernleitung nach Turin fliegen, um Posi-tionen abzusprechen. Diese hielt sich bedeckt,schwieg sich über lange Zeit aus und versuchtedie Streikenden zu zermürben. So gingen vieleWochen ins Land, in denen die Beschäftigtenüber ihr weiteres Schicksal und das ihrer Fami-lien im Unklaren gelassen wurden. Eine Hänge-partie.

Während der Fiat-Konzern die Verhandlungenverschleppte, provozierte das lokale Manage-ment – so insbesondere Dr. Schröder – mitDrohbriefen, Gerichtsprozessen und Polizei-aktionen. Diese Maßnahmen führten zu einerwachsenden Wut in der O&K-Belegschaft undstärkte zusätzlich deren Engagement und Durch-haltewillen im Streik.

westdeutschen Werken und Berlin-Spandau wieder an.

1949Fusion mit der „Lübecker Maschinenbau AG. Das Unter-nehmen heißt nun Orenstein-Koppel und Lübecker Maschi-nenfabrik AG. Der schon bald wieder in O&K Orenstein &Koppel AG geändert wird.

1953Der erste O&K-Grader kommt auf den Markt.

1955Das Unternehmen übernimmt die Motoren- und Schlepper-fabrik Normag Zorge GmbH. Das Unternehmen ist erfolg-reich in der Produktion v. a. von Motoren, Kompressoren,Rolltreppen und -steigen, Lokomotiven, Waggons, Busse,Ackerschlepper, Straßenwalzen sowie Schaufel- und Seil-bagger.

1961Der erste vollhydraulisch gesteuerte Bagger (RH 5) wirdgebaut. O&K arbeitet zügig an der neuen Technolgie und

setzt neue Maßstäbe. Die Hydraulikbagger sind die Baggerder Zukunft und bedeuten das Ende der Ära der Seilbagger.

Präsident

Wer entscheidet im Fiat- und CNH-Konzern

Vgl.: www.fiatgroup.com, www.cnh.com

Luca Cordero di Montezemoloseit 2004 auch italienischer

Arbeitgeber-Präsident, gleichzeitigChef von Ferrari

Vize-präsident

John ElkannUrurenkel des FirmengründersGiovanni Agnelli, gleichzeitig

Chef von Itedi

General-direktor

Sergio Marchionnegleichzeitig Chef von:

Fiat Auto HoldingsMaserati

IvecoFiat Powertrain Technologies

Magneti MorelliTeksidComau

Business Solutions

Fiat S.p.A.

Strategisches Komitee

Vorsitzender Roland BergerBerater, Förderer z. B. der„Initiative Neue Soziale

Marktwirtschaft”

(Vorstands-vorsitzender)

Pasquale PistorioEhrenvors. STMicroelectronics,

Lobbyarbeit z. B. über den„European Round Table”

Vorstands-vorsitzender

Sergio Marchionne

CNH Global N.V.

General-direktor

Harald Boyanovskymachte seine Karriere bei Case

New Holland-Baumaschinen(ca. 25% des CNH-Umsatzes

Franco Fenogliovorher Vize-Chef

von Iveco Verkaufund Marketing

Präsident(Vorstands-vorsitzender)

CNH-Baumaschinen GmbHin Berlin Spandau

Dr. Gerd Schrödervorher CNH-Kaputt-Sanierer

in Neustadt bei Dresden

Werksleiter

Dr. Dieter Brammertz

Geschäfts-führer

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Der FIAT-Konzern steckt schon seit vielen Jah-ren in einer Finanzkrise, aufgrund der Schwie-rigkeiten der FIAT-Automobilsparte. Man hatmehrere Sanierungspläne in den letzten fünfbis sechs Jahren umgesetzt und – um den FIAT-Konzern am Leben zu erhalten – seit 1982 mehrals 700 Geschäftbereiche verkauft oder ge-schlossen und sich vom größten europäischenUnternehmen zu einem Junk-Bond-Unterneh-men* entwickelt. Seit 1993 sind über 100 oooArbeitsplätze in Europa abgebaut worden, da-von allein in Italien 70 bis 80 Tausend. Vonjedem dieser Arbeitsplätze hängen sieben wei-tere ab. Hunderttausende Menschen in Italiensind daher arbeitslos geworden. Der innenpoli-tische Druck zwingt den FIAT-Konzern und diePolitik in Italien dazu, Standortschließungen imAusland zu forcieren.

Die Gewinne gehen in der Bilanz von FIAT aufund werden verwandt, um die FIAT-Automobil-sparte zu sanieren, das wird auch an der Börseso kommuniziert.

Das Hauptproblem liegt im FIAT-Management,denn dort werden seit Jahrzehnten Gelder inMilliardenhöhe verbrannt. Zum Beispiel wurdenin der größten italienischen Fabrik von FIAT-Auto, Miafiori bei Turin 1997 ca. 507ooo Fahr-zeuge produziert. Im Jahre 2003 waren es noch 197ooo. Jedes Jahr gingen also 10 bis 20 %Volumen und auch Arbeitsplätze verloren. DasFIAT-Management hat nicht reagiert. Auch hatder Konzern sich nie europäisch ausgerichtet.Die FIAT-Auto-Zulassungen sind so rückläufig,weil die Konkurrenz jetzt in Italien ohne Straf-

zölle ihre Produkte anbieten kann. Der Markt-anteil von FIAT-Produkten ist daher von 67%auf 27% gesunken.

Eine weitere Fehlentscheidung des Manage-ments war, dass sie entschieden haben, daseigene O&K-Vertriebsnetz in Deutschland auf-zugeben. Der Absatz ging zurück.

Das italienische Management hat kein Vertrau-en zu den Managern vor Ort. Alle Entscheidun-gen werden in Turin getroffen, das gilt weltweit.Alles ist fremd gesteuert.

Der Einfluss der Arbeitnehmerseite auf unter-nehmerische Entscheidungen ist bekanntlichgering. Auch wenn wir als Arbeitnehmerbank imAufsichtsrat geschlossen gegen etwaige Vor-haben stimmen, der Aufsichtsratsvorsitzendehat die zweite Stimme und kann sich damitdurchsetzen. Wenn die Montanmitbestimmunggelten würde und man sich einigen müsste,hätten auch die Arbeitnehmer-Vorschläge eineChance. Jetzt ist es so, dass wir im AufsichtsratInformationen abholen aber nur wenig beein-flussen können.

Druck auf international agierende Konzernekann nur international ausgeübt werden. Wirbrauchen eine europäische Handlungsorientie-rung, die gewährt, dass Belegschaften nichtgegeneinander ausgespielt werden können. DieLobby der Automobilindustrie in Brüssel ist sehrmächtig. Der Europäische Metallgewerkschafts-bund (EMB) muss daher seinen Einfluss auf dieeuropäische Politik verstärken.

Strategien des Fiat-Konzerns nach einem Interview mit Andreas Märkl, dem GBR-Vorsitzenden von Iveco

1967Der neue RH 6 kommt auf den Markt.

1968Seit Ende des 2. Weltkrieges wurden 10 ooo Baggergebaut.

1970O&K übernimmt die Gabelstapler-Fertigung der Rothe ErdeSchmiedag AG.

1971Der RH 60 wird im Dortmunder Werk entwickelt und gebaut.

1973Der 20 000ste Bagger wird gebaut.

1979Der RH 300 kommt auf den Markt.

1985O&K übernimmt Faun und dessen Produktion.

1988O&K übernimmt den Anlagenbauer PHB Weserhütte AG(PHW). O&K hat damit die größte Fertigungstiefe seinerGeschichte erreicht. Im Mittelpunkt der Verbundfertigungsteht das Hattinger Werk, das die übrigen Werke mitZahnrädern, Getrieben, Achsen und Hydraulik beliefert.

1989Neubau des Werkes in der Staakener Straße in Berlin-Spandau.

Streik-Wegweiser am TE-Tor(Personaleingang)

* Junk-Bond-Unternehmen

Junk Bonds: Eine Bezeich-nung aus dem Amerikani-schen. Dabei geht es umhochriskante Wertpapiere.Unternehmen, die sie aus-geben, erfüllen meist nichtdie bei Anleihen sonst übli-che Zahlungsfähigkeit bzw.-willigkeit. Junk-Bonds wer-den daher im Deutschenauch als „Müll-“ oder„Schrottanleihen“ bezeich-net werden.

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Wie eine Belegschaft getäuscht wird – zum Vorlauf des Streiks

Schon der Vorlauf des Streiks bei CNH in Berlin-Spandau ist ein Lehrstück des Umgangs vonKonzernen der globalisierten Weltwirtschaft mitden Belegschaften ihrer Unternehmenstöchter.

Als der New Holland-Konzern 1998 das O&K-Werk in Spandau übernimmt werden großspuri-ge Versprechen gemacht. Man wolle die Arbeits-plätze erhalten, den Standort sogar ausbauen,indem Baumaschinen-Produkte aus Italien undFrankreich nach Berlin verlagert würden. SchonEnde der 80er Jahre förderte der Berliner Senatden Standort mit 30 Millionen Euro, mit derAussicht auf Schaffung weiterer Arbeitsplätzeschob er nochmals Subventionen im Gesamt-wert von rund 40 Millionen Euro nach.

Doch schon in den Jahren 2001 bis 2003 wer-den dreihundert Arbeitsplätze abgebaut. DieBelegschaft fürchtet um die Zukunft ihrer Exis-tenz und so schreibt der Betriebsrat im Frühjahr2005 zwei Briefe an die Unternehmensleitung,in denen diese ersucht wird die Standortgarantieüber Ende Dezember 2005 fortzuschreiben. DieGeschäftsführung reagiert nicht, obwohl dieBelegschaft sich kompromissbereit zeigt.

In Zusammenarbeit mit dem Gesamtbetriebsratgelingt es, den Sozialplan bis Ende 2008 zu ver-längern – dabei achtet der Betriebsrat in derFormulierung der Präambel darauf, dass derSozialplan im Falle einer Werksschließungseine Gültigkeit verliert. Mit diesem Verhand-lungserfolg sieht die Belegschaft wieder hoff-nungsvoller in die Zukunft.

Umso härter trifft die Beschäftigten dann imNovember 2005 die mündliche Ankündigungder Unternehmensleitung, dass die Produktionder CNH Baumaschinen GmbH in Berlin-Span-dau im Sommer 2006 geschlossen und verla-gert werden soll. Der größte Teil der Belegschaftist kampfbereit und will die Produktion sofortstilllegen. Einige treten in den „inneren Streik“.Ein kleinerer Teil ist gegen einen Arbeitskampfund hofft auf den Erhalt ihres Arbeitsplatzes,denn der Vertrieb, die Konstruktion und dietechnische Erprobung sollen vorerst erhaltenbleiben. Diese Spaltung setzt sich auch im spä-teren Streik fort.

Die Wut bei den Kolleginnen und Kollegen inder Produktion ist so groß, dass ein Teil einesofortige Betriebsbesetzung fordert, sich damitaber zunächst nicht durchsetzen kann. Stattdessen finden im Dezember und Januar Demon-strationen und Aktionen statt. So werden aneinem Tag Mitte Dezember die Tore für fünfStunden blockiert. Die Belegschaft erscheintjeden Tag abteilungsweise zu „Informationsge-sprächen“ im Betriebsratsbüro. Es wird Dienstnach Vorschrift gemacht.

Nach der schriftlichen Ankündigung der Schlie-ßung im Januar 2006 bleibt als einzige Hoffnungim Kampf um die Arbeitsplätze die Möglichkeitdes Streiks. Der Arbeitskampf könnte so teuerfür den Konzern werden, dass er – wie im Bei-spiel des Berliner Bosch-Siemens-Hausgeräte-werks (BSH) vom Sommer 2005 – die angekün-digte Schließung zurücknimmt und die Verla-gerung der Produktion vorerst aussetzt.

1990Umzug und Produktionsaufnahme am neuen Standort.

1992Die Hoesch AG gehört inzwischen zur Krupp AG. Der O&K-Bereich Anlagen und Systeme wird mit der Krupp-Förder-technik verschmolzen. Das Hauptgeschäftsfeld von O&Kkonzentriert sich zukünftig auf die Baumaschinen-Sparte.

1997Der größte O&K-Bagger (RH 400) mit 800 Tonnen

Betriebsgewicht wird gebaut. Mittlerweile sind mehr als60 000 Bagger, 29 000 Radlader sowie 28 000 Gradergebaut worden.

1998Nach Verhandlungen mit dem ThyssenKrupp-Konzern wirdder amerikanische New Holland Konzern Hauptaktionärvon O&K.

2001 – 2003Abbau von ca. 300 Arbeitsplätzen im Werk Berlin-Spandau.

2004Umwandlung der O&K Aktiengesellschaft in eine GmbH.

2005Umfirmung von O&K in die CNH Baumaschinen GmbH. ImNovember wird die Schließung des Werkes in Berlin-Spandau angekündigt.

2006Am 28. Januar organisiert die Belegschaftdas 130-jährige Jubiläum von O&K.

Chronik des Arbeitskampfes bei der CNH Baumaschinen GmbH

April/Mai 2005Zwei Schreiben des Betriebsrates an die CNH-Geschäfts-führung mit der Aufforderung die Standortgarantie überden 31.12.2005 hinaus zu verlängern

September 2005Verlängerung des Sozialplans bis zum 31.12.2008

22.11.2005CNH-Geschäftsführer kündigt dem Betriebsrat den Plander Werksschließung zum 30.06.2006 an

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Streiks sind Ausdruck des fundamentalen Inter-essengegensatzes zwischen Kapital und Arbeit.Die Unternehmer verfügen über die Produktions-mittel und damit über Einkommen, Arbeitsplätzeund die Macht über die Entscheidung Was undWie produziert wird. Die Arbeitnehmer dagegenverfügen über nichts anderes als ihre Arbeits-kraft. Diese müssen sie verkaufen, um (über)-leben zu können. Sie sind daher existentiell aufbezahlte Arbeit angewiesen.

In diesem strukturell sehr ungleichen Macht-verhältnis zwischen Unternehmern und Arbeit-nehmern können letztere ihre Interessen nachArbeit, Lohn und menschenwürdigen Arbeits-bedingungen nicht individuell durchsetzen.Arbeitnehmer sind auf gemeinsames Handelnangewiesen und gründeten deshalb Gewerk-schaften als Organisationsform, die ihre kollek-tiven Interessen durchzusetzen hilft. In der Wei-marer Republik wurde das Versammlungs- undStreikrecht auch verfassungsrechtlich verankert.Heute ist die Rechtsgrundlage für das Arbeits-kampfrecht Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes.

Seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts habendeutsche Arbeitsgerichte das Geschehen inArbeitskämpfen mehr und mehr verrechtlicht.Im Gegensatz zu vielen anderen europäischenLändern ist das Arbeitskampf- und insbesonderedas Streikrecht sehr weitgehend durch dieRechtsprechung eingeschränkt.

Ende der 70er Jahre gewann die Kapitallobbyzunehmend an Einfluss. So erkannte das Bun-desarbeitsgericht zwar 1980 endlich die verfas-sungsrechtliche Fundierung des Streikrechts an,um jedoch gleichzeitig das Mittel der Aussper-

rung im Arbeitskampf für Unternehmer weitge-hend zu legalisieren. 1985 wurde der §116 AFG(heute 146 SGB III) zu Lasten von Gewerkschaf-ten geändert, indem kalt ausgesperrte Arbeit-nehmer vom Arbeitsamt kein Kurzarbeitergeldmehr erhalten. Gewerkschaften werden so ge-zwungen, bei Arbeitskämpfen mögliche Fern-wirkungen auf die Produktion anderer Betriebezu vermeiden. Diese Rechtspraxis wurde bisheute nicht zurückgenommen.

Das Streikrecht wurde eher eingemauert alsuntermauert und unterliegt laut Bundesarbeits-gericht folgenden Kriterien (nach Däubler 1998):

• Ein Streik ist nur legal, wenn es um tariflichregelbare Ziele geht. (Das Grundgesetzspricht dagegen umfassender von Arbeits-und Wirtschaftsbedingungen.)

• Der Streik um andere als tarifliche Inhalteeinschließlich des politischen (Demonstra-tions-)Streiks und des Sympathiestreiks giltals rechtswidrig.

• Streiks müssen von einer Gewerkschaftgetragen sein – spontane oder „wilde“Streiks sind verboten.

• Streiks zur Verbesserung laufender Tarif-verträge verstoßen gegen die Friedenspflicht.

• Der Streik darf nur als letztes Mittel zurDurchsetzung der Forderungen eingesetztwerden („ultima-ratio-Prinzip“), nachdemalle Verständigungsmöglichkeiten ausge-schöpft sind.

• Streiks müssen das Gebot der Verhältnis-mäßigkeit und der fairen Kampfführungbefolgen.

Über das Streikrecht in Deutschland

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Streikposten, deren wichtige Aufgabe es ist,Streikbruch zu verhindern, sind in ihrem Han-deln stark eingeschränkt. Nach Auffassung desBundesarbeitsgerichts dürfen sie Streikbrechernnur mit Mitteln des gütlichen Zuredens und desAppells an die Solidarität entgegentreten. Men-schenketten oder das Blockieren der Tore mit-tels Gegenstände sind rechtswidrig und stelleneinen Eingriff in den eingerichteten und ausge-übten Gewerbsbetrieb dar. Der Arbeitgeber kannvon Streikenden wie streikführender Gewerk-schaft Unterlassung verlangen. Die Gewerkschaftist sogar verpflichtet für den ordnungsgemäßenVerlauf des Arbeitskampfes zu sorgen und dieSchädigung des betroffenen Unternehmens zuvermeiden. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach,muss sie für entstandene Schäden haften.

Ein Arbeitskampf mit dem Ziel, Arbeitsplätze zuerhalten, ist rechtswidrig. Die Rechtssprechungin Deutschland lässt für einen Streik nur wenig

Spielraum. Nur mit der Aufstellung von tarif-fähigen Forderungen (Sozialtarifvertrag) ist einRahmen gegeben, in dem die IG Metall handelnkann. Im Falle von CNH werden vor Streibeginnfolgende Kernforderungen erhoben:

• Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen für24 Monate unter Fortzahlung des Engelts.

• CNH trägt die Kosten dieser Maßnahmen.

• Abfindungen in Höhe von drei Monatseinkom-men pro Beschäftigungsjahr zahlbar bruttofür netto zuzüglich eines Grundbetrags sowieeines Erhöhungsbetrages für Unterhaltsver-pflichtungen und Schwerbehinderung.

• CNH trägt für Auszubildende die Kosten fürdie Beendigung der Ausbildung in einemanderen Betrieb und die Kosten für die ein-jährige Beschäftigung nach der Ausbildung,ersatzweise zahlt CNH eine entsprechendeAbfindung.

23.11.2005Der Betriebsrat informiert die Belegschaft über geplanteSchließung des Berliner CNH-Werkes.

01.12 2005Autokorso zum Rathaus Spandau.Demonstration der Beschäftigten von Samsung, CNH undJVC für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze vor dem RotenRathaus

Dezember 2005Jeden Tag finden abteilungsweise Besprechungen imBetriebsratsüro statt.Parallel finden Verhandlungen über Interessensausgleichmit CNH-Geschäftsführung statt

Eine Gruppe von streikenden Kollegen vor dem Bühnenbild am Haupttor

Streikorganisation und -verlauf

17.12.2005Demonstration der CNH-Belegschaft mit Samsung undJVC vom Dom im Lustgarten zur Kreuzung Unter denLinden/Ecke Friedrichstraße und zurück Abschlusskundgebung vor dem Dom

Januar 2006Mitglieder- und VL-Versammlungen nach Arbeitsende inder Kantine – Diskussion über Strategie (Streik oderBesetzung)

13.01.2006CNH-Belegschaft blockiert die Werkstore

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Morgens um 6:00 Uhr geht nichts mehr vor denToren der CNH-Baumaschinen GmbH. Das Ergeb-nis der Urabstimmung spiegelt mit einer Wahl-beteiligung von 96 Prozent und einer Zustim-mung von 92 Prozent die Kampfbereitschaft derCNH-Belegschaft wider. Fast 400 Kolleginnenund Kollegen sind im Ausstand. Fleißige Händehaben nachts alle Zufahrten des Betriebes mitBaggern blockiert, vor dem Hauteingang istschon eine große Bühne aufgebaut, auch dasStreikzelt steht und in bitterer Kälte sorgenFeuertonnen für ein bisschen Wärme. Die CNH-Belegschaft weiß, es geht um ihre Existenz undsie ist auf einen harten und langen Kampf ein-gestellt. “Wir sind bereit, auch längere Zeit zustreiken, um dem phantasielosen Plattmachenzu begegnen und Arbeitsplätze zu erhalten!”,formuliert Luis Sergio das eigentliche Ziel in die-sem Arbeitskampf.

Trotz IG Metall-Westen und -Fahnen fällt dererste Blick auf große Banner von O&K, die einVertrauensmann seinerzeit gerettet und nun

wieder aus seinem Keller geräumt hat. „ImHerzen sind und bleiben wir O&Kler“, sagt einKollege und spricht damit den meisten derStreikenden aus der Seele. Die Belegschaft iststolz auf die Traditionsmarke. Viele haben denguten Ruf und die Produktqualität von O&K mitihrer Arbeit, Kreativität und ihrem Engagementüber Jahrzehnte mit geprägt. Schon früh istdeshalb das Motto des Streiks „Wir sind O&K“oder auch „Berlin ist O&K“ (Plakat, Seite 37).

Mit einigen Anlaufschwierigkeiten gelingt esder betrieblichen Streikorganisation, bestehendaus dem Streikleiter Luis Sergio und dem Ver-trauenskörper, schnell die mannigfaltigen Anfor-derungen an die Organisation in den Griff zubekommen. Ein großes Werksgelände mit dreiToren und Bahnanschluss muss bewacht, derSchichtplan für die Streikposten erstellt unddie tägliche Registrierung durchgeführt werden.Holz für die Streiktonnen muss herangeschafftsowie warme Getränke und Essen für die Kolle-ginnen und Kollegen bereit gestellt werden.

Der Streik beginnt

Streikende KollegInnen der CNH-Baumaschinen GmbH am 1. Streiktag vor dem Haupttor des Werkes

Schon am 2. Streiktag wird mittags die erste,der von nun an regelmäßig stattfindendenStreikversammlungen durchgeführt. Der Wirt-schaftssenator von Berlin Harald Wolf hat sichangesagt und bringt in seiner Rede vor derVersammlung seinen Unmut zum Ausdruck:„Der CNH-Konzern ist mit uns nach einer Salami-Taktik verfahren, in dem er immer wieder Wirt-schaftsförderung und Zugeständnisse vom Se-nat eingefordert hat, aber nichts für den Erhaltdes Standorts in Berlin getan hat.“ Hintergrundist, dass CNH seinerzeit den Erhalt von Arbeits-plätzen bis zum Jahr 2008 garantiert hat unddie Regierung von Berlin daraufhin den CNH-Standort in Spandau mit rund 70 Millionen Euroförderte (siehe Kasten in der rechten Spalte).Dieser Vertrag wird jetzt von CNH gebrochen.Wolf sichert den Streikenden die Unterstützungdes Berliner Senats zu: „Wir werden nicht zu-lassen, dass der Konzern sich ungeschoren ausdem Staub macht. Die Förderung werden wiruns zurückholen.“ Diese Aussage ist für dieStreikenden sehr wichtig, da die Rückforderun-gen des Senats den Druck auf den CNH-Konzerndurch steigende Kosten zusätzlich erhöhen.

Indessen versucht der Werksleiter Dr. Schröderin den mit Ketten und Vorhängeschlössern gesi-cherten Betrieb zu gelangen. Mit einem Bolzen-schneider versucht er sich an einem NebentorZugang zum Werksgelände zu verschaffen. Abersein Ansinnen scheitert an seinem handwerk-lichen Unvermögen und er muss unverrichteterDinge wieder von dannen ziehen. Dieses Torheißt von nun an nur noch das „Schröder-Tor“und symbolisiert die Tatsache, dass ohne dasWissen und Können der Kollegen das Manage-ment nichts bewerkstelligen kann.

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20.01.2006Mehrstündige Demonstration während der Arbeitszeit

23.01.2006Die Geschäftsführung der CNH Baumaschinen GmbH unter-richtet den Betriebsrat erstmals schriftlich von der beab-sichtigten Schließung der Fertigung in Berlin (Schließungs-absicht jetzt offiziell!) Gleichzeitig droht die Geschäfts-führung der CNH-Belegschaft mit außerordentlichenKündigungen und Strafanzeigen, wenn sie sich weiterhinan „rechtswidrigen Maßnahmen“ des Betriebsrats oderder IG Metall beteiligen

28.01.2006Das Werk Orenstein & Koppel in Berlin-Spandau wird 130Jahre alt.Familienfeier der Belegschaft in der Spandauer Altstadt(Markt)

Aufruf vom 21. Februar 2006 mit den Erstunterzeichnern

Die 70 Mio. Euro Rückforderungen des Senats von Berlin setzen sichzusammen aus

• 13 Mio. Euro Kredite bzw. Zuschüsse• 27 Mio. Euro Produktionsbindung des Erbbaupachtvertrags bis

2038• 30 Mio. Euro Erschließungskosten des Grundstücks

Nach einer Woche Blockade des Werkes ziehtdie Firmenleitung vor das Arbeitsgericht. Ihnengeht es vor allem um Geräte auf dem Hof. Diesesind zum Teil verkauft und müssen ausgeliefertwerden.

Das Arbeitsgericht folgt dem herrschendenRecht und zwingt die Streikenden die betriebli-chen Zufahrten freizugeben. Die gerichtlichenAuflagen in Kürze:

• Alle Sperrvorrichtungen (Schlösser, Zwingenetc.) müssen entfernt werden. Eine Dritt-firma wird auf Kosten der IG Metall beauf-tragt, die Schlösser zu entfernen – die Ver-treter der Belegschaft haben sich geweigertHand anzulegen.

• Es muss eine 5,5 Meter breite Gasse als Zu-und Abfahrt vom Werksgelände am Haupttor(3 Meter an anderen Toren) gewährleistet

werden – alle ‚Arbeitswilligen’ sowie Kun-den, Zulieferer oder sonstige Dritte müssenhindernisfreien Zugang zum Werksgeländehaben.

• (...)

• Alle Auflagen müssen bis Sonntag 12.00 Uhrerfüllt werden. Bei Zuwiderhandlung drohtder IG Metall ein Strafgeld in Höhe von50.000,– Euro.

Die IG Metall muss dem Vergleich zustimmen,um ein Urteil – verbunden mit hohen Schadens-ersatzforderungen – abzuwenden. So gelingt esder Firmenleitung mit Hilfe des Gerichts, sichZugang zum Werk zu verschaffen. Auch ist derVergleich die Grundlage für Drohbriefe, die dieUnternehmensleitung im weiteren Verlauf desStreiks immer wieder individuell an die Privat-adressen der KollegInnen verschickt.

20.02.2006 Letzte StreikvorbereitungenStreikzeitung Nr. 1 (Streikaufruf )

21.02.2006 • 1. StreiktagDer Streik beginnt. Ab 6:00 Uhr werden die Werkstoreblockiert

22.02.2006 • 2. StreiktagStreikversammlung mit Harald Wolf PDS Senator fürWirtschaftStreikzeitung Nr. 2

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Das herrschende Recht soll dem Unrecht zum Sieg verhelfen – ein Vergleich

Mit dem Zollstock werden die Durchfahrtsbreiten abgemessen und entsprechende Gassen gebildet. KollegInnen zeigen derUnternehmensleitung, was sie von der Aktion halten.

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23.02.2006 • 3. StreiktagDemonstration in die Spandauer AltstadtStreikzeitung Nr. 3

24.02.2006 • 4. Streiktag 25.02.2006 • 5. StreiktagStreikfest im StreikzeltStreikzeitung Nr. 4

26.02.2006 • 6. Streiktag

Obwohl die Zufahrten als Gassen jetzt frei sind,blockieren die vor den Werkstoren abgestelltenBagger weiterhin den Zugang zum Betriebsge-lände. Doch gelingt es keinem aus den Reihender Streikbrecher, sie in Gang geschweige dennvon der Stelle zu bringen. Eine Woche nach dengerichtlich erzwungenen Toröffnungen holt sichdie Werksleitung wieder Hilfe von außen. DieFirma Rohwedder, ein Vertriebs- und Serviceun-ternehmen für CNH-Baumaschinen, wird beauf-tragt, die Geräte von den Toren auf den innerenGerätehof zu bewegen. Kollegen von Rohwed-der gelingt es, einige Bagger zu entfernen.Damit begehen sie Streikbruch, denn die Bag-ger und Grader sind wichtigstes ökonomischesDruckmittel im Streik und die Werksleitung istdem Ziel, die Geräte vom Hof zu bekommen,einen kleinen Schritt näher gerückt.

Die streikende Belegschaft von CNH ist wütend,lässt sich aber nicht entmutigen, sondern fährtspontan in einem Autokorso nach Berlin Tempel-

hof vor die Tore der Firma Rohwedder. »Erstbringen wir euch bei, unsere Geräte zu bedie-nen und dann fallt ihr uns in den Rücken, in-dem ihr sie während unseres Streiks umsetzt«,ruft ein CNH-Kollege ins Mikro. Streikleiter LuisSergio appellierte ebenfalls an die Belegschaftvon Rohwedder: »Keine Kollegin und kein Kolle-ge ist in einem Streik verpflichtet, zu arbeiten.Das gilt auch für Drittbetriebe. Sagt NEIN zumStreikbruch!«

Während der Aktion fährt ein LKW vor demWerkstor von Rohwedder vor. Auf seiner Lade-fläche steht ein Container mit der Aufschrift:»IG Metall-KollegInnen heizen den großen Kon-zernen ein!«. Es sind KollegInnen von Daimler-Chrysler aus Marienfelde, die praktische Soli-darität leisten. In ihrem Container sind 30 m3

Holz geladen. Es soll die Tonnen vor den Werks-toren befeueren, damit die CNH-Streikpostennicht frieren müssen.

Wie umgehen mit Streikbrechern?

Die Streikenden von CNH vor dem Tor der Rohwedder GmbH:„Streikbruch ist eine Sauerei!“

27.02.2006 • 7. StreiktagKreative Aktionen im StreikzeltDGB Aktionsforum

28.02.2006 • 8. StreiktagKundgebung mit den Kollegen von AEG Nürnberg“Monatliche Betriebsrätetreffen” der IG MetallVerwaltungsstelle bei CNHGründung des Bürgerkomitees SpandauStreikzeitung Nr. 5

01.03.2006 • 9. StreiktagFlugblätter werden in ICE und BVG verteiltDelegation von SiemensStreikzeitung Nr. 6

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Viele der Angestellten brechen den Streik undlassen den Betrieb in Konstruktion und Verwal-tung improvisiert weiterlaufen. Obwohl es Ein-zelne unter ihnen gibt, die in der IG Metall or-ganisiert sind und dem Streik Sympathie entge-gen bringen, ist der Druck seitens der Unter-nehmensleitung und der anderen Kollegen sogroß, dass es den Streikenden kaum gelingt,Breschen in die Streikbrecherfront zu schlagen.Es sind 18 Gewerkschaftsmitglieder, die den

Streik – von Beginn an oder nach einiger Zeit –brechen. Vier Streikbrecher sind zwischenzeit-lich aus der IG Metall ausgetreten, gegen dieanderen läuft ein Ausschlussverfahren. Auf deranderen Seite beteiligen sich auch zahlreicheunorganisierte Kollegen aktiv am Streik.

Täglich bereiten die Streikenden den Streik-brechern und der Werksleitung – quasi alsinszenierter Spießrutenlauf – ein neues Begrü-ßungszeremoniell vor. Fotowände mit Porträtsder Streikbrecher an den Toren halten ihneneinen Spiegel vor und machen ihr unsolidari-sches Verhalten öffentlich.

Auch wenn die Unternehmensleitung versucht,Keile in die Streikfront zu treiben, bleibt der Ab-transport von Baggern und Gradern ihr eigent-liches Ziel. Die Vorbereitungen dazu beginnenin der fünften Streikwoche.

Die Streikbrecher werden fotografiert und öffentlich an den Pranger gestellt

Ein Clohaus als Wegweiser Sprießrutengasse für Streikbrecher

„Nebel des Grauens“

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Im Frühjahr 2005 wurde im CNH-Werk in Span-dau noch kurzgearbeitet, danach normal undab Juni sogar mit Überstunden produziert. DieFolge ist, dass viele Bagger und Grader fertigzur Auslieferung auf dem Hof stehen, von deneneinige zu Beginn des Streiks sogar schon ver-kauft und bezahlt sind. So können die streiken-den Kolleginnen und Kollegen zunächst wenigDruck über Produktionsausfälle herstellen –das größte Streikpfand sind die fertigen Baggerund Grader auf dem Werkshof. Daher gilt es,den Abtransport der Geräte zu verhindern.

Im März gerät die örtliche CNH-Unternehmens-leitung zunehmend unter Druck – die Käuferund Händler brauchen die fertigen Geräte. Am29. März (37. Streiktag) taucht morgens einTieflader in der Staakener Straße auf. Er sollGeräte vom Werksgelände holen. Aber die Strei-kenden zeigen ihre Entschlossenheit und Kampf-kraft und der LKW kommt auch mit Polizei undviel Aufregung nicht aufs Werksgelände. Trotzder provozierenden Vorgehensweise der Werks-leitung bleiben die KollegInnen besonnen – diePolizei greift nicht ein.

Am Abend des nächsten Tages startet die Unter-nehmensleitung erneut einen Versuch des Ab-transports. Aber die Telefonkette funktioniert.Binnen kurzem stehen 300 Kolleginnen undKollegen laut pfeifend und johlend am Haupttorbereit, um den Tieflader am Einfahren zu hin-dern. Sie bilden ein Spalier vor dem Haupttor,so dass der Tieflader trotz der eingehaltenen5,5 Meter-Gasse nicht einfahren kann. Der Wen-dekreis ist zu groß. Drei mal fährt der Tiefladeram Haupttor vorbei, während Kollegen auf sei-ner Ladefläche die O&K-Fahne schwenken.

Schließlich gibt der Fahrer des Tiefladers auf –das Sicherheitsrisiko ist zu groß. Er fährt unver-richteter Dinge wieder von dannen.

Auch ein späterer dritter Versuch des Abtrans-ports scheitert an der Wachsamkeit und Ent-schlossenheit der KollegInnen. Während desStreiks verlässt kein Gerät den CNH-Werkshof.

02.03.2006 • 10. StreiktagBesuch von Petra Pau MdB PDSDelegation von BSHGBesuch von Helmut Markov MdEP PDSStreikzeitung Nr. 7

03.03.2006 • 11. StreiktagBesuch von Dr. Friedbert Pflüger CDUStreikzeitung Nr. 8

04.03.2006 • 12. StreiktagBesuch von Irakli Petriashvili, GregorianischerGewerkschaftsdachverband GTUCKompass-Wokshop im Streikzelt

05.03.2006 • 13. StreiktagDie Werkleitung lässt die Ketten von den Werkstoren ent-fernenStreikzeitung Nr. 9

Nichts geht vom Hof – im Kampf um die Bagger gewinnen die Streikenden 3:0

Rund um die Uhr werden die Tore im Schichtdienst bewacht. Über eine Telefonkette können dieanderen Kolleginnen und Kollegen rasch informiert und zur Unterstützung herbeigerufen werden.

Der Tieflader vor dem Haupttor. Zwei Streikende stehen hinten mit O&K-Fahne auf der Ladeflächeund werden von den KollegInnen bejubelt.

06.03.2006 • 14. StreiktagDemonstration der SPD vor den Werkstoren auf derStaakener Strasse. Mit dabei: Swen Schulz MdB SPD

07.03.2006 • 15. StreiktagDie Werkleitung versucht die Tore zu öffnenStreikzeitung Nr. 10

08.03.2006 • 16. StreiktagBesuch von Jürgen Peters IGMStreikzeitung Nr. 11

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Die Kreativ-Aktionsgruppe im Streik

Es ist immer eine Herausforderung mit zuneh-mender Streikdauer eine positive Stimmung zuhalten und in der Öffentlichkeit präsent zu sein.

Gleich zu Streikbeginn wird eine Kreativ- Ak-tionsgruppe gegründet. Sie ist mit der örtlichenStreikleitung verbunden und bietet Raum fürKollegInnen, ihre unterschiedlichen Talente ein-zubringen. Zu Beginn bekommen die Kernak-teure auch eine Einführung in Methoden desProjektmanagements und in Kreativtechniken.

Die Aktionsgruppe sammelt dann permanentIdeen für tägliche Aktionen am Streiktor und inder regionalen Öffentlichkeit. Wem etwas –auch gern Verrücktes – einfällt, wendet sich andie Aktionsgruppe. In der Aktionsgruppe wirddann täglich überlegt, wie die gesammeltenIdeen verwirklicht werden können.

Selbstredend werden notwendige Grenzen res-pektiert und Risiken einkalkuliert. Die konkretePlanung und Vorbereitung ausgewählter Aktions-ideen erfolgt täglich. Größere Events benötigeneinen mehrtägigen Vorlauf. Die Erfahrungenund die Infrastruktur der beteiligten Gewerk-

schaft/Verwaltungsstelle werden genutzt undin die Planung und Umsetzung einbezogen.

Bei CNH brauchen wir drei Streikwochen, bissich die Gruppe etabliert hat. Die Wenigen, diesich zu Anfang trauen, werden von vielen ihrerKollegeinnen und Kollegen mit guten Ideenüberhäuft, die natürlich sofort umgesetzt wer-den sollen. Doch die Ideengeber sind seltenbereit, selbst aktiv zu werden. Auch wenn damanchmal etwas Frust aufkommt, werden vielekleine und einige große Aktionen verwirklicht.

Wichtiges Aktionsfeld ist die tägliche Begrü-ßung der Streikbrecher und der Geschäftsfüh-rung am Morgen. Die Aktionen: Es gibt eineSchautafel mit den „Helden der Arbeit“, auf dersich die Streikbrecher wiederfinden, dieGeschäftsleitung wird vom Tod persönlich im„Nebel des Grauens“ begrüßt, Masken mit denPorträts der Unternehmensleitung und derglei-chen mehr. Vor dem Haupttor finden sich roll-bare Pallisaden (gallisches Dorf ).

Vor dem Reichstag wird mit 1,2 km Länge dasgrößte politische Transparent in der BerlinerGeschichte entrollt. Wichtig: die Aktionen sindprovokant aber angemessen. Bei den Aktionenin Spandau, in Berlin-City, in Paris und Turinachten die Akteure darauf, nicht grob fahrlässiggegen Gesetze zu verstoßen, aber an die Gren-zen zu gehen.

Fazit:Gelungene Aktionen stärken das Selbstbewusst-sein und machen Spaß. Lange Streiks werdendurch kreative Aktionen kurzweilig. Humor isteine starke Waffe im Arbeitskampf.Das Streikorchester probt für den 1. Mai

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Unser Kampf ist international – die Aktionen der Streikenden

09.03.2006 • 17. StreiktagDie Werkleitung schafft es, zum erste Mal seitStreikbeginn, das Haupttor zu öffnen.Besuch des IBF Boxweltmeisters Arthur AbrahamStreikzeitung Nr. 12

10.03.2006 • 18. Streiktagca. 30 Kollegen besuchen die italienische Halle auf derITBFraktionssitzung der SPD Spandau im StreikzeltStreikzeitung Nr. 13

11.03.2006 • 19. StreiktagStreikfest im Zelt mit der Band Muckefuck

12.03.2006 • 20. StreiktagBesuch von Martin Passauer von der evangelischenLandeskirche

FALKENSEE

HENNINGS-DORF

HOHEN-NEUENDORF

VELTEN

NEUEN-HAGEN

TELTOWBABELS-BERG

BERNAU

Spandau Hasel-Horst

Siemens-stadt

StaakenTiergarten

Charlottenburg

Wilmers-dorf

Schöne-

beck

Kreuzberg

Neukölln

TempelhofDahlem

GrunewaldGatow

Zehlendorf Steglitz

Lichter-felde

Lankwitz

Mariendorf Britz

Treptow

Marien-felde

Lichten-rade

BuckowRudow

Johannes-thal

Friedrichs-felde

Lichten-bergFriedrichs-

Hain

Mitte

Prenzlauer-Berg

Wedding

FrohnauHermsdorf

Waidmanns-lustHeiligen-

see

Konrads-höhe Wittenau Nierder-

schönhausen

BuchholzKarow

Blanken-burg

Reinicken-dorf Pankow

WeissenseeMarzahnHohen-

schönhausen Hellers-dorf

Köpenick

Biesdorf

Kauls-dorf

Mahls-dorf

Friedrichs-hagen Rahnsdorf

GrünauAltGlienicke

Schmöckwitz

Adlers-hof

Nikolas-see

Gross-glienicke

Diverse Flugblattaktionen23.02.2006Demonstration in dieSpandauer Altstadt18.03.2006Bürgerfest amSpandauer Markt15.04.2006Soli-Fest in derSpandauer Altstadt

10.03.2006Besuch deritalienische Halleauf der ITB

13.03.2006Autokorso zurFirma Rohwedder

27.03.2006Kartonaktion am Alex03.06.2006Demonstration gegenSozialabbau

29.03.2006Autokorso zum Warnstreik beiDaimler Chrysler

05.04.2006Autokorso zu FIATOllenhauer Str.

10.04.2006Flugblattaktionvor dem BerlinerEnsemble

11.04.2006Transparentaktionvor dem Reichstag

01.05.20061. Mai Demonstration11.05.2006Demonstration vor demBrandenburger Tor

10.05.2006Mahnwache gegen dieKapitalprivatisierung derDeutschen Bahn

11.05.2006Demonstration und Kundgebung vor denHauptstadtstudios der ARD und ZDF

17.05.2006Info-Stand am

Rathaus Wedding

Am betrieblichenStandort:06.03.2006Demonstration21.03.2006Aktion am Haupttor: DasSchweigen der Lämmer22.03.2006Aktion am Haupttor: 99Luftballons23.03.2006Aktion am Haupttor: Der Nebeldes Grauens24.03.2006Aktion am Haupttor:Streikbrecher werden mitLuftschlangen geschmückt27.03.2006Aktion am Haupttor:Sektempfang28.03.2006Aktion am Haupttor:Die Streikbrecher werden mitMissachtung gestraft31.03.2006Warnstreik CNH, BMW,Fias/Gesco u. a. mit Demo zurSpandauer Altstadt15.04.2006Osterfeuer vor dem Tor26.04.2006Aktion am Haupttor:Der Balaton ist auch in Spandau18.05.2006Kindertag

Berlin

04.05.2006Transparent-aktion amGroßen Stern

01.04.2006Infostand in derWilmersdorfer Straße

01.04.2006InfostandSchönhauserAllee

01.04.2006Infostand vorKarstadt inTegel

4. – 7.05.2006Teilnahme einesO&K-Delgiertenam EuropäischenSozialforumin Athen

30.04. – 2.05.2006O&K-Delgationin Turin

25.04.2006O&K-Delgationbesucht INTERMAT-Messe in Paris

07.04.2006O&K-Delgationbesucht die AMI-Automesse inLeipzig

Europa

29.03.2006O&K-Delgationbesucht das Euro-päische Parlament

Aktionsorte während des Streiks

Viele internationale Gäste z. B. aus der Ukraine und Cuba besuchten den Streik

13.03.2006 • 21. StreiktagBesuch des BRs von Fa. OtisAutokorso zu Fa. RohwedderSoli-Aktionen der Tempelhofer BetriebeStreikzeitung Nr. 14

14.03.2006 • 22. StreiktagBR-Sitzung der Berliner S-Bahn im StreikzeltBesuch von Dieter Scholz DGBBesuch von Hubertus Heil SPD MdBBesuch von Lothar Bisky LinksparteiVertrauensleute Sitzung von BMW im StreikzeltGriechischer AbendStreikzeitung Nr. 15

15.03.2006 • 23. StreiktagBR-Sitzung vom Siemens Messgerätewerk im StreikzeltBesuch aus der IGM Stadtteilgruppe SpandauBesuch von Oskar Lafontaine MdB LinksparteiDeutsch-türkisches GewerkschaftsseminarOrtsfrauenausschuss der IGMStreikzeitung Nr. 16

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Eine der zentralen Fragen im Streik ist, wie wirauf unsere Sache aufmerksam machen können.Wie informieren wir die Öffentlichkeit über un-sere Situation und unsere Ziele? Und wie brin-gen wir sie dazu, uns zu unterstützen?

Wichtig sind natürlich Medien, wie Zeitungen,Radio und Fernsehen. Doch reicht das aus – zumal das Medieninteresse am Streik eineskleinen Betriebes am Stadtrand der HauptstadtBerlin schwer zu wecken ist?

Wenn es um das nähere Umfeld des Streiksgeht, bleiben Flugblätter ein wichtiges Mittel,um Informationen in die Öffentlichkeit zu tra-gen. Jedoch gibt es das bekannte Problem desFluchtverhaltens bei der Flugblatt-Verteilung.PassantInnen wechseln gern die Straßenseite,bevor sie sich ein Flugblatt geben lassen. Alsomüssen andere Formen der Öffentlichkeitsarbeitgefunden werden.

Wichtig ist es, eine ungewohnte Sprach- undDarstellungsform zu finden, die die Wahrneh-mungsgewohnheiten von Menschen durchbrichtund neugierig macht. So schafft z. B. eine sim-ple Veränderung der Präsentationsform vonInformationstafeln eine erhöhte Wahrnehmungs-bereitschaft: Hängt man diese nicht wie üblichauf sondern legt sie auf den Boden, ist die Dar-bietung konkurrenzlos, fördert die Gruppen-bildung und Diskussion. Medienprofis wissendas und haben Methoden entwickelt, die wir imArbeitskampf gut nutzen können. So beschrei-ten auch die Streikenden von CNH neue Wegeder Öffentlichkeitsarbeit, stellen z. B. Text-würfel mit Aussagen von Kindern und pfiffigeBodenzeitungen her. Feste werden geplant unddurchgeführt.

Streikaktionen in der Öffentlichkeit und im Streikzelt

Würfelaktion am Spandauer Markt

Bodenzeitung in Wilmersdorf

Würfelaktion auf dem Alexanderplatz

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Die ungewöhnlichen Formen der Öffentlichkeits-aktionen sind sehr erfolgreich. So wecken z. B.die Bodenzeitungen die Neugier und animierenzur Diskussion. Große Würfel mit ungewöhnli-chen Texten erfordern eine hohe Lesekonzen-tration und die Informationen prägen sich nach-haltiger ins Gedächtnis ein.

Auch die zwei Bürgerfeste in der SpandauerFußgängerzone regen die Besucher – bewirktdurch eine ausgewogene Mischung von Infor-mation und Unterhaltung – zu Gesprächen zumThema ‘CNH und Arbeitsplätze in Berlin’ an.

Ein Höhepunkt der Bürgerfeste im Streikzelt istdas Kinderfest für die umliegenden Kindergär-ten und Grundschulen. Dieses Fest ist der ge-lebte Ausdruck dafür, dass es den Beschäftigtenvon CNH nicht allein um den Erhalt ihrer Arbeits-pätze geht, sondern sie auch die Zukunft vonKindern und Jugendlichen im Blick haben.

16.03.2006 • 24. StreiktagBR Sitzung von Otis im StreikzeltJugend I Seminar im StreikzeltBesuch des BRs der Fa. MahleStreikzeitung Nr. 17

17.03.2006 • 25. StreiktagBesuch von Klaus Wowereit SPD RegierenderBürgermeister von BerlinBesuch des BRs der Fa. SchleicherBesuch aus der Verwaltungsstelle IGM Leer/PapenbergStreikzeitung Nr. 18

18.03.2006 • 26. StreiktagBürgerfest am Spandauer MarktStreikzeitung Nr. 19

19.03.2006 • 27. StreiktagCNH Kollegen nehmen Teil an dem Lauf der Sympathieund an dem Lauf durch den Tiergartentunnel

Das Kinderfest lädt Kinder mit Ständen und Stationen zu Bewegung und Spiel ein

Im Streikzelt zeichnen und malen Kinder ihre Sichtweise vom Streik

Mit Musik und Information – Bürgerfest in der Spandauer Fussgängerzone

Immer dabei: Der Bürgermeister von Spandau

20.03.2006 • 28. StreiktagBesuch von Lothar Bisky Linkspartei an der FeuertonneStreikzeitung Nr. 20

21.03.2006 • 29. StreiktagAktion am Haupttor: Das Schweigen der LämmerEine ver.di-Delegation besucht die StreikversammlungIGM Delegiertenversammlung mit ca. 150 Personen

22.03.2006 • 30. StreiktagAktion am Haupttor: 99 LuftballonsBR-Sitzung der Fa. EADS im StreikzeltDie IG BAU Brandenburg versorgt uns mit Holz für dieFeuertonnenStreikzeitung Nr. 21

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Am Mittwoch-Morgen, den 5. April 2006, fährtein Autokorso mit 50 Fahrzeugen von Spandaunach Reinickendorf. Eine Delegation von 120KollegInnen der streikenden CNH-Belegschafthält eine Kundgebung vor der Fiat-Filiale in derOllenhauer Straße ab.

Luis Sergio, der betriebliche Streikleiter der IGMetall Berlin, erklärt: »Die FIAT-Filialen in Ber-lin und anderswo werden solange in die Streik-auseinandersetzung einbezogen, bis eineakzeptable Verhandlungslösung für die Be-schäftigten erreicht ist«. Christian Fromm, derBetriebsratsvorsitzende von CNH in Spandaubetont, dass sich die Proteste nicht gegen dieBeschäftigten von FIAT richten. »Unsere Aktio-nen zielen auf den Markennamen FIAT und aufdie Konzernzentrale in Turin«.

Soweit der Bericht aus der Streikzeitung. AlleAktionen, die sich gegen FIAT richten, st0ßenauf Verständnis in der Öffentlichkeit. Selbst derGeschäftsführer der FIAT-Niederlassung istnicht empört oder fühlt sich gar bedroht. Ermacht Fotos von der Aktion und sendet sie indie Konzernzentrale, um den Protest der CNHlerzu unterstützen.

Auch die Aktion einen Schrott-PKW öffentlichzur Zerstörung freizugeben, stößt bei allen aufHeiterkeit. Die Form des Protestes – auch wennauf den ersten Blick etwas destruktiv – schafftAufmerksamkeit und Interesse. So kommt manin die BILD und auch in die BZ auf Seite 4,unter die Sparte Weltnachrichten. Schließlichgeht es in keinem Fall gegen die Kollegen beiFIAT, sondern immer gegen den Konzern undseine Politik.

Der Filialleiter im verständnisvollem Gespräch mit den CNHlern

Protest von streikenden CNHlern vor der FIAT-Filiale in der Ollenhauerstraße

Jetzt geht’s gegen Fiat !

Aus Protest gegen die Poltik des FIAT-Konzerns wird ein „UNO“ zur Zerstörung freigegeben

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Überregionale und europaweite AktionenLeipzig - Brüssel - Paris - Turin - Athen

Das haben die Kolleginnen und Kollegen vonCNH schnell gelernt – man muss den Konfliktinternationalisieren, wenn man auf sich auf-merksam machen und etwas bewirken will.

In diesem Sinne machen sich Streikende auchauf weite Wege. Sie fahren nach Leipzig zurAutomobilmesse AMI, nach Paris zur Bauma-schinenmesse INTERMAT, nach Brüssel zumEuropäisches Parlament, nach Turin zur Demon-stration am 1. Mai mit anschließendem Treffenmit italienischen Gewerkschaftern und nachAthen zum Europäischen Sozialforum. Ziel die-ser aufwendigen Reisen ist es, nicht nur auf dieSituation der CNH-Belegschaft in Berlin-Span-dau aufmerksam zu machen, sondern auch aufden Umstand, dass heutige Auseinanderset-zungen um Arbeitsplätze und den Erhalt vonStandorten keine nationale Angelegenheitenallein mehr sind. In einer globalisierten Wirt-schaft können es sich Beschäftigte und Gewerk-schaften nicht mehr leisten, nur ihr Land oderihren Standort im Blick zu haben.

Das Beispiel des FIAT-Konzerns ist dabei nureines von vielen. Alle großen Konzerne habenheute Produktionsstandorte in den unterschied-lichsten Ländern. Ihre Hoffnungen dabei sind,dass sie jeweilige Vorteile örtlicher Gegebenhei-ten ausnutzen und die Beschäftigten gegenein-ander ausspielen können. Mit ihren Besuchenauf internationalen Messen und Veranstaltun-gen durchkreuzt die CNH-Belegschaft diesesBestreben und erhält positive Rückmeldung. Sotreffen sie selbst in Turin auf Solidarität, denndie italienische KollegInnen wissen, dass sichihre Situation bei FIAT durch die Schließung vonCNH in Berlin-Spandau nicht verbessern wird.

23.03.2006 • 31. StreiktagAktion am Haupttor: Der Nebel des GrauensLesung mit Rolf BeckerStreikzeitung Nr. 22

24.03.2006 • 32. StreiktagAktion am Haupttor: Streikbrecher werden mit Luftschlan-gen geschmückt. Besuch einer Delegation von IVECO ausUlm mit ca. 100 Kollegen. Besuch von Giovanni Pollice DCKandidat im italienischen Mitte-Links-Bündnis Unione.Besuch von Wolfgang Thierse MdB SPD. Streikversammlung mit Berthold Huber IGM. IGM Auftaktveranstaltung zu den TarifverhandlungenStreikzeitung Nr. 23

25.03.2006 • 33. StreiktagStreikzeitung Nr. 24

26.03.2006 • 34. Streiktag

Die Streikenden erfahren am 1. Mai in Turin viel Beachtung und Zustimmung

Eine Streik-Delegation vor dem FIAT-Stand auf der AMI-Automesse in Leipzig

Die CNHler vor dem Stand von New Holland auf der Baumaschinenmesse INTERMAT in Paris

27.03.2006 • 35. StreiktagAktion am Haupttor: SektempfangKartonaktion am AlexBesuch von Erwin Vitt IGMBesuch des BRs von ATFVKL Ausschuß

28.03.2006 • 36. StreiktagAktion am Haupttor: Die Streikbrecher werden mitMissachtung gestraftBetriebsrätetreffen im Streikzelt, ca. 50 KollegenStreikzeitung Nr. 25

29.03.2006 • 37. StreiktagAbtransport von Geräten wird abgewehrtStreikende sind zu Gast im Europäischen ParlamentWarnstreik bei Osram SpandauAutokorso zum Warnstreik bei Daimler ChryslerBesuch des BRs von Motorola Besuch der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen(AfA) des SPD-Kreises Charlottenburg-WilmersdorfStreikzeitung Nr. 26

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Aktionen im Zentrum BerlinsDie streikende CNH-Belegschaft setzt neueMaßstäbe. Ein 1,2 km langes Riesentransparentumrahmt den Platz der Republik. Am Dienstag-Nachmittag entrollen die Kolleginnen und Kol-legen von CNH zwölf Stoffbahnen von jeweils100 Metern Länge um den Platz der Republik.Nach und nach werden sie von angereisten Kol-legen aus Berlin und Brandenburg abgelöst.Viele übernehmen jeweils »ihren« Sektor desTransparents. Die Stoffbahnen tragen nämlichdie Namen der 60 größten Metall- und Elektro-betriebe der Hauptstadt. Die Kolleginnen undKollegen lassen sich die Last ihrer Existenznicht nehmen und halten den Abschnitt mitihrem Betriebsnamen. Einige haben Fahnenund selbstgemachte Schilder mitgebracht.Trillerpfeifen schrillen und ein Orchester mitselbstgemachten Tröten intoniert ein Blas-konzert.

So steht es in der Streikzeitung am darauffol-genden Tag. Berichte im Vorfeld machten diebeispiellose Disziplin deutlich, mit der tagelangan diesem Ereignis gearbeitet wurde. In drei

Schichten und über mehrere Tage hinwegwurde das Streikzelt in eine Produktions-werkstatt für dieses Transparent umfunktio-niert. Mit Buchstabenschablonen und Sprüh-pistole stellen Mitglieder der Aktionsgruppedas Transparent Meter um Meter in Eigenarbeither. Eine großartige Leistung und ein tollesErgebnis.

Die Sympathien der Berliner Behörden mit demArbeitskampf bei CNH werden dadurch deut-lich, dass diese Aktion überhaupt zugelassenwird. Das Gelände vor dem Reichstag ist nor-malerweise Bannmeile – also für politischeAktionen jeder Art gesperrt. An diesem Tag gibtes eine große Ausnahme. Das macht deutlich,wie wichtig dieser Arbeitskampf für Berlin undseine Zukunft als Industriestandort einge-schätzt wird.

Ohne die große Solidarität aus den anderenBerliner Betrieben war diese Aktion ebenfallsnicht machbar. Da gibt es – auch wenn Stahl-arbeiter zur Zeit nicht um ihre Existenz fürchtenmüssen– viel Unterstützung aus Betrieben wieEKO-Stahl in Eisenhüttenstadt.

Ein eindrucksvolles Panorama vor dem Reichstag. Der Platz vor dem Parlament wird zur Bühne für den Kampf um Industriearbeitsplätze in der Hauptstadt

Jeder Buchstabe wird inHandarbeit gesprüht

Viele Hände waren schonbei der Produktion nötigbis die 1,2 Kilometergeschafft waren

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30.03.2006 • 38. StreiktagBesuch von Peter Struck MdB SPD Vorsitzender der SPD-Fraktion im BundestagAbtransport von Geräten wird abgewehrtStreikzeitung Nr. 27

31.03.2006 • 39. StreiktagBesuch der DGB Jugend Berlin-BrandenburgWarnstreik CNH, BMW, Fias/Gesco u. a. mit Demo zurSpandauer AltstadtBesuch des BRs von Otis Mitte Bodenzeitungen in Berliner FußgängerzonenStreikzeitung Nr. 28

01.04.2006 • 40. StreiktagInfostände bei den Schönhauser Allee Arcaden, TegelKarstadt und in der Fußgängerzone Wilmersdorfer Str.Streikfest zum 40. Streiktag im StreikzeltStreikzeitung Nr. 29

02.04.2006 • 41. StreiktagHalbmarathon/Bauakademie

Die Streikenden von CNH machen auch vor dem Eingang zum Reichstag nicht Halt.

03.04.2006 • 42. StreiktagJAV-Versammlung CNH, Osram, Siemens PGBesuch des BRs von BMWBesuch des BRs von Siemens DWBesuch einer Delegation von VW Braunschweig

04.04.2006 • 43. StreiktagStreikzeitung Nr. 30

05.04.2006 • 44. StreiktagBesuch des BRs von DeTeWeAutokorso zu FIAT Ollenhauer Str.Besuch des BRs von Osram

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Geplantes Chaos am Großen Stern

Am Nachmittag des 4. Mai (73. Streiktag) ent-rollen 150 KollegInnen von CNH und anderenBerliner Betrieben Transparente rund um denGroßen Stern. In fünf Gruppen werden die Zu-fahrtsstraßen dieses zentralen Berliner Verkehrs-knotenpunktes für zehn Minuten abgesperrt.Der Verkehr kommt zum Erliegen und staut sichüber Stunden in ganz Berlin-Mitte. Die Autofah-rer reagieren sehr unterschiedlich. Einige Be-troffene zeigen agressive Reaktionen. DieMehrzahl jedoch ergibt sich in ihr Schicksal.Viele bekunden ihre Solidarität mit den strei-kenden Kolleginnen und Kollegen von CNH undihren Zielen.

Ein Verkehrsknotenpunkt wird zum Demonstrationsort der Kolleginnen und Kollegen von CNH. Ein Feierabendstau neuer Art

Planungsskizze

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Vor den Hauptstadtstudios und amBrandenburger Tor

Am 80. Streiktag besuchen die Streikenden vonCNH die Studios der öffentlich rechtlichen Sen-der in Berlin, um diese zur Berichterstattungnach Spandau einzuladen. Anschließend ginges weiter zum Brandenburger Tor. Mit dieser

Aktion wird den Medien deut-lich gemacht, was die Streiken-den von ihrer Auswahl der Nach-richten halten. Es erzeugt Wut,wenn eine Baum pflanzendeKanzlerin wichtiger ist als der verzweifelte Kampf von Kolle-gInnen um ihre Existenz.

06.04.2006 • 45. StreiktagStreikzeitung Nr. 31

07.04.2006 • 46. StreiktagEine CNH Delegation besucht die Automesse in LeipzigBesuch von ca. 45 Kollegen aus der IGM Vst. DresdenBesuch des BR’s von Bombardier Bautzen und GörlitzBesuch von VL PierburgDie SPD Bundestagsfraktion lädt ein in den ReichstagBesuch des BRs von Fa. HettichBesuch des BRs von Fa. KroneStreikzeitung Nr. 32

08.04.2006 • 47. StreiktagTürkischer KulturabendStreikzeitung Nr. 33

09-04.2006 • 48. Streiktag

Das Brandenburgertor fest in der Hand der Streikenden. Die Augenklappen der Kollegen oben wurden den Berichterstattern von ARD und ZDF überrreicht

10.04.2006 • 49. StreiktagBesuch des BRs von Alcatel SELBesuch von Obelisk dem Kabarett aus PotsdamBesuch von Martin Burkhardt MdB SPDBesuch der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen(AfA) des SPD-Kreises SpandauFlugblattaktion vor dem Berliner Ensemble

11.04.2006 • 50. StreiktagBesuch des BRs von VisoluxAbfahrt zum Reichstag mit drei BussenTransparentaktion vor dem ReichstagStreikzeitung Nr. 34

12.04.2006 • 51. StreiktagBesuch von Gregor Gysi MdB LinksparteiBesuch des DGB Spandau

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Der Streik wird begleitet von unzähligen Solida-ritätsschreiben und -besuchen aus dem ganzenBundesgebiet. Die Anschreiben füllen einendicken Ordner und es gibt Streikwochen, in de-nen täglich mehrere Delegationen von Betriebs-belegschaften, IG Metall-Verwaltungsstellenund aus den DGB-Einzelgewerkschaften zu Be-such ins Streikzelt kommen. Sie überreichenSpenden und selbstgemachte Transparenteoder bringen auch mal Kuchen mit.

Die große Anteilnahme und Solidarität tut denstreikenden CNH-KollegInnen gut. Auch wenndas bundesweite Presseecho zu wünschen übriglässt, funktioniert doch die innergewerkschaft-liche Öffentlichkeitsarbeit. Der CNH-Streik wirdbundesweit wahrgenommen und die Betroffen-

heit und Anteilnahme ist groß. Solidarität stärktden Rücken und schafft Vertrauen darin, für einegerechte Sache zu kämpfen. Emotionale Höhe-punkte des Streiks sind die Teilnahme von CNH-KollegInnen an der 1. Mai-Kundgebung in Turinund der Bühnenauftritt einer Streikdelegationwährend des DGB-Bundeskongresses in Berlin.

Allerorts werden die Daumenschrauben festergezogen. Es muss länger und härter für wenigerGeld gearbeitet werden. Es wird mit Verlage-rung und Arbeitsplatzabbau gedroht und er-presst. So wurde der Streik bei CNH sowohl zueinem überregionalen Symbol gegen die inhu-manen Machenschaften großer internationalerKonzerne als auch gegen die verfehlte Indus-trie- und Arbeitsmarktpolitik der Regierungen –

Solidaritätsgrüße von nah und fern

Infowand im Streikzelt mit Solidaritätsschreiben, Presseartikeln und Kinderzeichnungen

Dieter Scholz, DGB-Bezirks-vorsitzender Berlin-Branden-burg und wichtiger Unter-stützer des Streiks, über-

reicht eine Spende desDGB-Bundeskongresses in

Höhe von 5.000,- Euro

CNH-KollegInnen auf der Bühne des DGB-Bundeskongresses

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sei es im Berliner Senat, im Bundestag oder ananderen Orten.

Die Perspektiven sehen vielerorts düster aus.Seitdem das neoliberale Gedankengut Ende der70er Jahre des letzten Jahrhunderts immermehr an Einfluss gewinnt, hat der Ausverkaufvon Arbeitsplätzen, Arbeitnehmerrechten undöffentlicher Daseinsvorsorge K0njunktur. InKampfsituationen werden diese Zusammen-hänge offengelegt. Ein Streik hat somit einenhohen Bildungswert. So nutzen denn auch Ver-trauensleute und Betriebsräte das Streikzelt alsOrt für Bildungsveranstaltungen. Hier findenregionale Betriebsrätetagungen zum Arbeits-und Streikrecht statt, Sitzungen und Klausurenwerden abgehalten. Immer gibt es reges Inte-resse daran, mehr über die praktischen Streik-erfahrungen bei CNH zu erfahren.

Auch die Besuche von FunktionärInnen aus denBezirksbüros und Vorstandsetagen von IG Metallund DGB sind ein wichtiges Signal an die Strei-kenden, dass ihr Streik wahrgenommen, gewert-schätzt und unterstützt wird. Die Analyse ge-

sellschaftlicher Zusammenhänge gibt Orientie-rung und die Apelle an Manager und Politikerwerden zustimmend zur Kenntnis genommen.

Besondere Begeisterung kommt auf, wennKünstler zu einer Solidaritätslesung im Streik-zelt auftreten. Kunst kann den KollegInnen sehrwohl etwas sagen, wenn sie in Form und Inhaltetwas mit ihrem Alltag zu tun hat – oder wieBertolt Brecht sagt: Wie soll Kunst die Menschenbewegen, wenn sie sich selbst nicht von ihnenbewegen lässt. Allen voran ist der Schauspielerund ver.di-Kollege Rolf Becker ein Künstler, dernach diesem Prinzip lebt und arbeitet. Die aus-gewählten Texte, die er anlässlich seiner Besu-che im Streikzelt vorliest, geben den KollegInnenKraft und Mut, ihren berechtigten Kampf weiterfortzuführen.

In jedem Streik muss es gelingen, Menschenaus Kultur, Kirchen, Verbänden, Sport undVereinen zu gewinnen. Nur so erzeugen wirgesellschaftliche Akzeptanz für unsere Anliegenund Forderungen.

13.04.2006 • 52. StreiktagBesuch von kubanischen GewerkschafterinnenBesuch von Gesine Lötzsch MdB Linkspartei

14.04.2006 • 53. Streiktag 15.04.2006 • 54. StreiktagSoli-Fest in der Spandauer AltstadtOsterfeuer vor dem TorStreikzeitung Nr. 35

16.04.2006 • 55. Streiktag

CNH-KollegInnen mit Schauspielern des Berliner Ensembles

Rolf BeckerSchauspieler

Arthur AbrahamBoxweltmeister

Martin BuchholzKabarettist

Zu Besuch im Streikzelt:

Martin-Michael PassauerGeneralsuperintendent ev.Kirche Berlin Brandenburg

Aus dem Prominentenaufruf zur Unterstützung des Streiks

... Wir solidarisieren uns mit den

Streikenden in Spandau. Wir tun dies

auch in Sorge um die Lebensquali-

täten dieser Stadt:

Berlin muss Industriestandort blei-

ben. Nicht zuletzt seines Rufes als

Kulturmetropole wegen. ...

17.04.2006 • 56. StreiktagStreikzeitung Nr. 36

18.04.2006 • 57. StreiktagWahl des CNH Betriebsrates

19.04.2006 • 58. StreiktagBesuch des BRs von Möbel HübnerBesuch des BRs von Siemens SDStreikzeitung Nr. 37

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Mit ihrem Streik schaffen es die KollegInnen vonCNH, dass PolitikerInnen unterschiedlicher poli-tischer Richtungen Stellung beziehen. In Berlinstehen zudem im September die Wahlen zumAbgeordnetenhaus an – die Politprominenz gibtsich im Streikzelt die Klinke in die Hand.

Die Auseinandersetzung um den Erhalt vonIndustriestandorten zeigt deutlich, dass sichKapital und Management nicht um Apelle ausder Politik scheren. Ihnen geht es nur noch umdie Realisierung von Profiten in möglichst kur-zen Zeitspannen. Langfristige Strategien – ver-bunden mit ausgereiften Produktlinien sowieInvestitionen in qualifiziertes Personal und tech-nologische Ausstattung – werden von Mana-gern immer seltener verfolgt. Statt dessen wirddas unternehmerische Risiko immer stärker aufBelegschaften und die Volkwirtschaften insge-samt verlagert. Die abhängig Beschäftigten sol-len auf Lohn und der Staat auf Steuern verzich-ten, um dann zusehen zu müssen, wie die her-untergewirtschafteten Unternehmen dann dochverlagert oder ganz geschlossen werden.

Heute ist offensichtlich, dass die von fast allenParteien seit Jahrzehnten verfolgte Politik desNeoliberalismus gescheitert ist. Je mehr Frei-heiten man dem Kapital lässt, um so mehr regu-läre Arbeitsplätze werden in den entwickeltenIndustriestaaten abgebaut. Privatisierung, De-regulierung und Steuergeschenke führen in dievolkswirtschaftliche Sackgasse.

Die Politik muss den gegenwärtigen Entwick-lungen jedoch nicht tatenlos zusehen. Sie kanndurch staatliche Einflussnahme Unternehmenin die gesellschaftliche Pflicht nehmen.

Voraussetzung dafür ist, dass sie Flagge zeigtund offensiv die Sicherung von Industriestand-orten betreibt, indem sie die volkswirtschaftlichunsinnigen Verlagerungs- und Ausverkaufs-praktiken von Unternehmen unterbindet. Siemuss hierzu Grenzen überschreiten.

Politiker können sich im Streikfall auch konkretfür die Interessen der Belegschaft einsetzen. Sobesucht der Regierende Bürgermeister Berlins,Klaus Wowereit, die Streikenden mehrere Maleim Streikzelt, bekundet seine Solidarität undleistet konkrete Hilfe – z. B. als es um die Holz-versorgung für die Streiktonnen ging.

Hervorzuheben ist auch die Rolle des Wirt-schaftssenators Harald Wolf. Seine Beharrlich-keit bei der Rückforderung der Fördergelderübte zusätzlichen Druck aus und half der Beleg-schaft dem FIAT-Management Zugeständnisseabzuringen.

Die Polizei hält sich bei den Versuchen des Ab-transports von Geräten seitens der CNH-Unter-nehmensleitung zurück. Die Verantwortlichenhaben kein Interesse daran, den Streik eskalie-ren zu lassen. Auch das macht den Streikendendeutlich, dass der Senat hinter ihnen steht.

Besonders erwähnt werden müssen die Span-dauer PolitikerInnen – allen voran BurgundeGrosse und Swen Schulz von der SPD. Sie sindfast täglich, selbst in schwierigen Situationen,im Streikzelt präsent und unterstreichen damit,wem gegenüber sie Verantwortung tragen undauf welcher Seite sie stehen. Das ist (leider)nicht selbstverständlich und deshalb gilt ihnenein besonderer Dank.

Besuche von Politikern – ohnmächtige Macht?

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Prominte politische Unterstützung aus allen demokrati-schen Parteien

20.04.2006 • 59. StreiktagBesuch des BRs von Hasse & WredeBesuch des BRs vom KaDeWeBesuch des BRs von Visteon

21.04.2006 • 60. StreiktagWarnstreik bei BMW in SpandauGrips Theater ‘Eine linke Geschichte’

22.04.2006 • 61. Streiktag

23.04.2006 • 62. Streiktag

24.04.2006 • 63. StreiktagBesuch des BRs und VKs von Siemens PGBesuch des BRs BorsigBesuch des Vorsitzenden der DKP Heinz StehrStreikzeitung Nr. 38

25.04.2006 • 64. StreiktagMessebesuch der IINTERMAT 2006 in Paris -Sitzung des Siemens KBRs im StreikzeltBesuch des KBRs von FIATBesuch des BRs von BMWStreikzeitung Nr. 39

26.04.2006 • 65. StreiktagAktion am Haupttor: Der Balaton ist auch in SpandauGründung des Solidaritätskreises CNHStreikzeitung Nr. 40

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Der Streik der CNH-Beschäftigten spielte sichauf einem fruchtbaren Resonanzboden ab. Dieregionalen Medien berichteten über die Ausein-andersetzung mit einer zumindest unterschwel-ligen Sympathie für das Anliegen der Arbeitneh-mer. Und was vermutlich noch wichtiger ist: DieBerichterstattung brach trotz des langen Zeit-raums nicht ab. Das ist ungewöhnlich, denn essind ja nicht zuletzt auch die Hauptstadtmedien,die mit zunehmender Geschwindigkeit einesder berühmten Schweine nach dem anderendurchs Dorf treiben, also nicht sehr nachhaltigeinem Thema Aufmerksamkeit und Platz wid-men. Bei CNH war das anders.

Nach Samsung und JVC hätte die Öffentlichkeitzwar verdrießlich aber schließlich fatalistischauch das Ende von CNH hinnehmen können. Dochdas Gegenteil war der Fall. Dafür gibt es Gründe.Erstens das Unbehagen über Globabilisierungs-folgen und Managementfehler; ein großer deut-scher Konzern verkauft seine Tochter an einenanderen Konzern, der einen der größten Bau-und Landmaschinenhersteller der Welt zusam-menbastelt, dabei eine bewährte Marke (O&K)eliminiert und Standorte schließt. Zweitens dieBestätigung eines Klischees: Mit viel Millionen-hilfe des Steuerzahlers hat man ein schönesWerk in günstiger Lage gebaut, doch wenn derWind rauer wird, zählen die sich daraus erge-benden Verpflichtungen nichts mehr. Kohle kas-siert und dann nix wie weg. Das erbost vieleMenschen und ruft, drittens, die Politiker aufdie Bühne. Parteiübergreifend reichten sie sichdas Megaphone weiter. Das ist zwar auch Tritt-brettfahrerei, hielt aber den Streik über die langeStrecke auch für die Medien interessant. Schließ-lich bewährte sich die Inszenierung des Arbeits-kampfes im öffentlichen Raum. Die IG Metallhatte gute Erfahrungen mit dem Kampf um

Arbeitsplätze im Nürnberger AEG-Werk undtransferierte Aktionsformen nach Spandau. Mitvielfältigen, pfiffigen Instrumenten trommeltendie Betroffenen für ihr Anliegen, schafften sichdamit Öffentlichkeit und legten die Grundlagefür eine kontinuierliche Berichterstattung.

Es ist wohl so, dass CNH als trauriger Höhe-punkt in einer Kette von Werkschließungen dasBewusstsein in der Stadt für die Bedeutung derIndustrie geschärft hat. In der Bevölkerung, inden Medien, in der Politik. Es ist paradox, aberdas Ende von CNH hat dazu beigetragen, dassauch in den Medien, die gerne über die Dienst-leistungsmetropole schwadronierten, zuneh-mend die Industrie als Basis einer gesundenWirtschaftsstruktur verstanden wird. So gese-hen haben die CNH-Beschäftigten, die monate-lang gestreikt und am Ende doch ihren Arbeits-platz verloren, einen Kampf für die Zukunft derBerliner Industrie insgesamt gekämpft.

Die IG Metall hat wie zuvor in Nürnberg auch inSpandau viel Geld für den Konflikt bereitge-stellt. Das ist gut angelegt, denn mit dieser Artvon Auseinandersetzung um traditionsreicheBetriebe, die Globalisierungslogiken zum Opferfallen, kann die Gewerkschaft Einschaltquotemachen. So wie die Medien Jahr um Jahr grum-meln über die „Tarifrituale“, über die für vieleuninteressante Debatten über Öffnungsklau-seln und qualitative Tarifpolitik, so unmittelbarreal und damit interessant ist die Stilllegungeines Werks, der Kampf um den Arbeitsplatz fürkonkrete Menschen. Komplizierte Ökonomiewird auf der Alltagsebene verstanden. Gewis-sermaßen könnte man von einer Verbetrieb-lichung der Ökonomie in der Öffentlichkeitsprechen. Das ist nicht zum Schaden für dieArbeitnehmer.

Öffentlichkeit und Medien von Alfons Frese, Journalist beim ‘Tagesspiegel’

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27.04.2006 • 66. StreiktagBesuch des Haupt-Personalrates der BVGStreikzeitung Nr. 41

28.04.2006 • 67. StreiktagPodiumsdiskusion mit der Arbeitsgemeinschaft fürArbeitnehmerfragen (AfA) des SPD-Kreises Spandau

29.04.2006 • 68. Streiktag

30.04.2006 • 69. StreiktagGesprächsgottesdienst in der Luther-Gemeinde SpandauArbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) desSPD-Kreises Spandau tanzt im Streikzelt in den Mai

Das zentrale Plakat zumCNH-Streik. Es wurde anLitfaßsäulen und Bushalte-stellen in ganz Berlin pla-katiert.

Die hier abgebildetenPostkarten – mit jeweiligenInformationstexten auf derRückseite – dienten alsInformationsmedien beiMessen, Demos undStraßenaktionen.

01.05.2006 • 70. StreiktagDemonstration in Berlin und TurinStreikzeitung Nr. 42

02.05.2006 • 71. StreiktagGespräche in Turin mit den italienischen MetallGewerkschaftenBesuch des BRs von AlcatelBesuch von Gerd Buddin, Linkspartei, und Übergabe einer Spende.Streikzeitung Nr. 43

03.05.2006 • 72. StreiktagBesuch des BRs von AlstromSitzung des CNH Soli-KomiteesIndustriepolitische Konferenz beim RegierendenBürgermeister von BerlinStreikzeitung Nr. 44

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Im Streik ist die kontinuierliche Abstimmung inder betrieblichen Streikleitungsgruppe unterein-ander aber insbesondere mit der streikendenBelegschaft die Grundlage eines erfolgreichenArbeitskampfes. Ohne ständige Informations-flüsse können Gerüchte entstehen, Einzelmei-nungen, Ängste und Misstrauen überhand ge-winnen und die Streikfront in Gefahr bringen.Gerade im CNH-Streik, wo zudem die Unterneh-mensleitung mit fortwährenden Drohungengegen und Bestechungen von Einzelnen arbei-tete, war es wichtig, ein „Ohr an der Basis“ zuhaben und auf allen Gesprächsebenen präsentzu sein. So sind tägliche Streikversammlungenund die Streikzeitungen gut, um die Beleg-schaft zu informieren und ihr Mut zu machen.Der eigentliche Austausch findet jedoch in Schicht-versammlungen und in kleinen Gesprächsrundenan den Feuertonnen statt. Je emotionaler einStreik wird, umso wichtiger sind die Gesprächemit den KollegInnen an den Toren. Vor allem inden langen und kalten Nachtschichten ist eswichtig, dass die Mitglieder der betrieblichenStreikleitung in Kontakt zu den KollegInnen ste-hen und mit ihnen Gespräche führen.

Auch wenn das Gespräch das wichtigste Mediumdes Informationsflusses ist, sind auch andereMittel hilfreich. Die Telefonkette ist in Notfällenunverzichtbar. Neben den Sprechfunkgerätenmuss von Anfang an ein Telefon-, Fax- und E-Mail-anschluss im Büro der Streikleitung sowie eineeigene Streik-Homepage eingerichtet sein, umKontakt mit der Außenwelt zu haben. Die Info-wand im Zelt sowie der Streikkalender im Inter-net zeigen – neben der Streikzeitung – die wich-tigen Termine, Orte und Ankündigungen auf.

Dem Gremium der betrieblichen Streikleitungmuss die Funktion der Gruppe, wie auch dereinzelnen Mitglieder klar umrissen sein. Siesind die „Kapitäne“ des Streiks. Sie müssen denKurs halten und anstehende Arbeiten nicht alleselbst erledigen, sondern in die Belegschaftdelegieren bzw. Arbeitsgruppen einrichten unddiese verantwortlich leiten. Das Solidaritäts-prinzip heißt nicht, das alles gemeinsam getanwerden muss, sondern gerade im Kampf kommtes auf Disziplin und Eigenverantwortung an.Dazu gehört es,• in Konfliktsituationen dem Frust und der Wut

von KollegInnen standzuhalten, geduldig zu-zuhören und einen klaren Kopf zu behalten,

• den Mut zu finden, sich in der Streikver-sammlung vor das Mikro zu stellen,

• eine gemeinsame Sprachregelung einzuhal-ten und gemeinsam eingenommene Positio-nen – auch entgegen einer persönlich abwei-chenden Meinung – zu vertreten,

• die projektierten Arbeitsaufträge zu überwa-chen und zu kontrollieren.

Auch im Streik bei CNH bedurfte es einiger Zeitbis jede und jeder in seine Rolle hineinwuchsund sich ein schlagkräftiges Team herausbildete.

Ohne Kommunikation läuft kein Streik

Die Streiktonne ist Symbol des Streiks – hier finden auch die meisten Gespräche statt

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Zur Rolle von externen Streikbetreuern

Es ist im Arbeitskampf sinnvoll, externe Betreuerhinzu zu ziehen. Sie unterstützen die Verwal-tungsstelle und Bezirksleitung und haben inerster Linie die Aufgabe, die kontinuierlicheund streiknahe Öffentlichkeitsarbeit – insbe-sondere über das Medium der Streikzeitung –sicherzustellen. Sie sind auch verantwortlichfür die Herstellung von Aktionsmaterialien wieFlugblätter, Plakate, Postkarten etc.

Das Medium Streikzeitung hat einmal die Auf-gabe, die Streikenden selbst über Diskussionenund Aktionen zu informieren. Auch wenn täg-liche Streikversammlungen stattfinden, sinddoch immer nur zwei von drei Schichten derStreikposten anwesend. In der Streikzeitungsteht Schwarz auf Weiß, was am Vortag passiertist oder in nächster Zeit in Planung ist. Zumanderen informiert die Streikzeitung die größereÖffentlichkeit. So wird sie im Internet gelesenund trägt so zur Schaffung einer überregiona-len Solidarität bei.

Die Streikzeitung steht unter ständiger Beob-achtung des Streik-Gegners, der Medien undder Politik. Deshalb ist es unerlässlich, dass

externe Berater mit dem Pressever-antwotlichen der IG Metall und indiesem Fall der IGM-Bezirksleitungein Team bilden. Denn jede Streik-zeitung hat eine psychologische,politische und juristische Wirkung.

Externe Streikbetreuer sind nichtneutral, wie es Journalisten für sich in Anspruchnehmen, sondern stehen als Gewerkschafterparteilich hinter den Streikenden und ihrenZielen im Arbeitskampf. Sie müssen aber überKompetenzen im Bereich Text- und Bildjourna-lismus verfügen.

Das Beispiel CNH-Streik zeigt, dass KollegInnenviel gutes Foto- und Videomaterial erstellen, dasSchreiben von Texten und die Gestaltung vonDruckvorlagen aller Art hätte aber so nichtgeleistet werden können.

Eine dritte Funktion von externen Streikbetreu-ern ist die Prozessberatung der betrieblichenStreikleitungsgruppe. So sollten sie in Abstim-mungs- und Planungsphasen moderieren undin Stresssituationen mediieren können.

04.05.2006 • 73. StreiktagTransparentaktion am Großen SternGespräch mit Franz Müntefering SPDStreikzeitung Nr. 45

05.05.2006 • 74. StreiktagESF in AthenBesuch des BRs von SchindlerBesuch des BRs von der Landesbank Berlin

06.05.2006 • 75. StreiktagLandesparteitag der Linkspartei PDSStreikzeitung Nr. 46

07.05.2006 • 76. StreiktagWahlauftakt der CDU Spandau in der Villa Schützenhof

Auslage der Streikzeitungen im Streikzelt – über den gesamten Streik-Zeitraum gesehen erschienen 58 Ausgaben

Texte, Bilder,Layout, Aktions-

betreuung

Parteilichkeit(gewerkschaftsorientiert)

externeStreikbetreuer

Prozessberatung,Mediation

08.05.2006 • 77. StreiktagKarl-Georg Wellmann MDB, CDU, spricht in derStreikversammlung

09.05.2006 • 78. StreiktagAGA ZwickauBesuch des BRs von Siemens Schaltwerk

10.05.2006 • 79. StreiktagMahnwache der Gewerkschaft Transnet gegen dieKapitalprivatisierung der Deutschen Bahn am SchiffbauerDamm 117Besuch des BRs vom Autohaus BerlinRegelmäßige Sitzung des Solidaritätskomitees

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Die Grundvoraussetzung für die erfolgreicheDurchführung eines Streiks ist Offenheit undTransparenz innerhalb der streikenden Beleg-schaft und zwischen den KollegInnen und derStreikleitung. Nichts ist schlimmer, als wenndie Belegschaft das Gefühl hat, unzureichendinformiert zu sein. Die tägliche Streikversamm-lung sowie eine regelmäßig erscheinendeStreikzeitung sorgen dafür, dass alle wichtigenFragen angesprochen und Informationen zeit-nah übermittelt werden.

Wichtig ist auch die Präsenz der Streikleitungund dies nicht nur während der „Normalschicht“.In persönlichen Gesprächen im Streikzelt, anden Streiktoren (vor allem in den langen Näch-ten) und im Büro der Streikleitung können vieleDinge besprochen werden. Abstimmungen inder Belegschaft über Sachverhalte, Vorgängeund Hintergründe brauchen als wichtigste Grund-lage das persönliche Gespräch. Nur hier könnenÄngste ausgeräumt und Gerüchte richtiggestelltwerden.

Die Streikleitung trifft sich ebenfalls täglich.Hier werden alle Informationen zusammenge-tragen, ausgewertet und Aktionen diskutiert,geplant und beschlossen. Auch Meinungsver-schiedenheiten werden hier ausgetragen. DasTreffen sollte vor der Streikversammlung statt-finden, damit alle mit dem gleichen Wissens-stand in die Streikversammlung gehen undauch hier mit einer Stimme reden. Nichts verun-sichert mehr, als wenn Konflikte in der Leitungöffentlich ausgetragen werden.

Die Bedeutung der Versorgung mit Verpflegungund Getränken ist nicht zu unterschätzen. Wäh-

rend des CNH-Streiks waren allein drei Kolle-gInnen für die tägliche Vorbereitung eines war-men Essens zuständig, dass dann zum Ein-kaufspreis der Zutaten an die Belegschaft aus-gegeben wurde. Auch warme und kalte Geträn-ke wurden im Streikzelt bereit gestellt.

Das Einbeziehen der BürgerInnen ist enormwichtig. Je nach örtlicher Lage des Betriebesmüssen die Nachbarschaft, Kitas und Schuleninformiert und motiviert werden, den Streik zuunterstützen. Viele Einzelhändler im Stadtteilsind spontan bereit, ihre Kunden mit Spendenund anderen Dingen den Arbeitskampf zuunterstützen.

Regionale Medien nehmen Konflikte dankbarauf. In der Hauptstadt mit ihrem Medienzirkusist es schwieriger, einen lokalen Konflikt dauer-haft präsent zu halten. Im CNH-Streik ist es mitvielen spektakulären Aktionen gelungen, einkontinuierliches Medienecho über den langenZeitraum eines 107tägigen Streiks zu erzielen.

Voraussetzung für die Presse- und Öffentlich-keitsarbeit ist deren gute Organisation. Diesemuss in strenger Verantwortlichkeit und Regel-mäßigkeit durchgeführt werden. Deshalb mussein Presseverteiler aufgebaut werden, über denregelmäßig der neueste Stand verbreitet wird.

Das Medium Internet ist heute selbstverständli-ches Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Be-sondere Bedeutung kam deshalb der bezirkli-che Hompage (www.igmetall-bbs.de) zu. Hierwaren – auch für die Vertreter der Presse – diejeweils aktuellsten Informationen und Presse-erklärungen zu finden.

Wichtige Erkenntnisse aus 107 Tagen Streikerfahrung

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11.05.2006 • 80. StreiktagDemonstration und Kundgebung vor denHauptstadtstudios der ARD und ZDFBR-Sitzung von York im StreikzeltDemonstration vor dem Brandenburger TorBesuch des BRs von GilletteGabriele Schermer, SPD, zur Privatisierung derWasserversorgung (Film: ‘Wasser unterm Hammer’)Streikzeitung Nr. 47

12.05.2006 • 81. Streiktag 13.05.2006 • 82. StreiktagIn der Streikversammlung werden die Eckpunkte des vorläufigen Verhandlungsergbnisses vorgestellt.Streikzeitung Nr. 48

14.05.2006 • 83. StreiktagSPD-BundesparteitagStreikzeitung Nr. 49

Bei besonderen Ereignissen sollte umgehendeine Pressekonferenz einberufen werden. Einguter Zeitraum für einen Pressetermin ist derspäte Vormittag bzw. frühe Nachmittag. Dannhaben die Journalisten noch genügend Zeit,einen Beitrag für die Ausgabe am nächsten Tagzu schreiben.

Öffentlichkeitsarbeit hat aber auch eine wichti-ge Bedeutung nach innen. Streiktage sind langund oft ereignislos. Es braucht daher immerwieder Aktivitäten, in die alle Streikenden ein-bezogen werden. Es schlummern bei den mei-sten viele verborgene Talente, die im Arbeits-alltag nie abgerufen werden, aber zur Unter-stützung des Streiks hervorragend geeignetsind. Neben technischen Helfergruppen am Ort,ist es ratsam möglichst zügig eine Aktions-gruppe zu gründen, die ihre kreativen Fähig-keiten in die Vorbereitung von Aktionen imUmfeld des Streiks einbringt. Sie sollte voneinem Mitglied des Streikleitung betreut bzw.dort mit einem Sprecher vertreten sein.

Der Streik ist nicht nur Sache der Beschäftig-ten. Hinter ihnen stehen Familien, Frauen undKinder. Daher sollten die Familienangehörigenmit einbezogen werden. Hilfreich sind organi-sierte Nachmittage und Abende, wo man zu-sammenkommt und Familienangehörige einenEindruck vom Streikgeschehen bekommen.

Ein gutes Verhältnis zu den Ordnungskräften istwichtig und möglich. Auch wenn die Polizei inAuseinandersetzungen von der Unternehmens-leitung gerufen wird und uns dann als ‘Ord-ungshüter’ gegenüber steht, sind viele Kolle-gInnen darunter, die inhaltlich auf unserer Seite

stehen. Im Rahmen der Gesetzeslage und desAuftrags der Polizei müssen sie manchmal auchgegen ihre eigene Überzeugung handeln. DieStreikorganisatorInnen sollten in jedem Fallauch die gewerkschaftlichen Kontakte nutzen.

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15.05.2006 • 84. Streiktag 16.05.2006 • 85. StreiktagBesuch von Rubén Linares, Mitglied der Nationalleitungdes venezolanischen Gewerkschaftsbundes UNT

17.05.2006 • 86. StreiktagInfo-Stand am Rathaus WeddingRegelmäßige Sitzung des SolidaritätskomiteesStreikzeitung Nr. 50

Das VerhandlungsergebnisZusammenfassung der wesentlichen Punkte der Vereinbarung vom 1. Juni 2006

Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wird biszum 20.06.2006 ein Interessenausgleich undein Sozialplan verabschiedet:

• Der Schließungstermin der Produktion wirdvom 31. Juli auf den 30. November 2006 ver-schoben. Von der vereinbarten Betriebsände-rung sind die Arbeitsplätze von 333 Arbeit-nehmerInnen betroffen.

• Die Produktion von Gradern wird mit minde-stens 22 Arbeitnehmern bis mindestens zum31. Dezember 2008 bestehen bleiben.

• Die abgeschlossenen Altersteilzeitverträgewerden vertragsgemäß durchgeführt undsind von den Kündigungen ausgenommen.

• Die Auszubildenden werden ihre Ausbildungbei CNH oder einem anderen Unternehmenzu den gleichen Bedingungen beenden.

• Der Interessenausgleich berücksichtigt dieSozialauswahl und insbesondere den Kündi-gungsschutz einzelner Arbeitnehmer.

• Für die 333 von möglichen KündigungenBetroffenen werden von CNH 29 MillionenEuro für den Sozialplan bereit gestellt. DasGesamtvolumen reduziert sich, wenn weni-ger als 333 Beschäftigte entlassen werden.

• Die Abfindung beträgt 1,4 Bruttoeinkommen(Basis 2005) pro Beschäftigungsjahr für biszu 59-Jährige. Ältere KollegInnen erhalten fürjeden Monat bis zum 63. Lebensjahr 1.700Euro plus 20.ooo Euro Abfindung.

• Die Betriebspartner verhandeln und verein-baren in welchem Umfang Abfindungen ausdem Sozialplan gekürzt werden dürfen, wennnicht monatlich bestimmte Stückzahlen von

Baumaschinen bis Ende November 2006 pro-duziert werden. Das Betriebsrisiko liegt beiCNH. Im Streitfall entscheidet die Einigungs-stelle.

• Es wird eine Beschäftigungsgesellschaft mitmehreren betriebsorganisatorischen Einhei-ten eingerichtet. Zur ihrer Finanzierung dienenMittel aus dem Sozialplan bzw. den Brutto-monatsgehältern der Beschäftigten.

• ArbeitnehmerInnen, die vorzeitig aus dem Be-schäftigungsverhältnis ausscheiden, erhalteneine Prämie. Die restlichen, ansonsten für die-se ArbeitnehmerInnen aufzuwendenden Be-träge, verbleiben in der Beschäftigungsgesell-schaft. Verbleibende Beträge werden auf dieArbeitnehmer verteilt.

• Der Urlaubsanspruch wird gemäß den tarifli-chen und gesetzlichen Regelungen gewährt.

• Die betriebliche Sonderzahlung (Weihnachts-geld) wird allen von der Betriebsänderungbetroffenen ArbeitnehmerInnen gemäß Tarif-vertrag ausgezahlt, auch wenn diese vor dem1. Dezember 2006 ausscheiden.

• Zur Schaffung von Arbeitsplätzen am Produk-tionsstandort der CNH in Berlin wird durchCNH auf Vorschlag von IG Metall und Betriebs-rat für sechs Monate eine international tätigeUnternehmensberatung beauftragt, poten-tielle Investoren zu finden. CNH will in einemgemeinsamen Ausschuss Vorschläge zurAnschlussnutzung begleiten.

• CNH verzichtet auf Schadensersatzansprüchegegenüber der IG Metall, der Streikleitung,dem Betriebsrat und den streikenden Arbeit-nehmern.

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18.05.2006 • 87. StreiktagKinderfestEinladung zur Sitzung im AbgeordnetenhausDie italienische Konzernleitung hat demVerhandlungsergebnis telefonisch zugestimmt

19.05.2006 • 88. Streiktag 20.05.2006 • 89. StreiktagIG Metall DelegiertenversammlungStreikzeitung Nr. 51

21.05.2006 • 90. Streiktag

Ein klares Votum der Belegschaft stimmt demVerhandlungsergebnis zu und beendet denStreik. Die Wahlbeteiligung lag bei 100 Prozent.Von den 301 Wahlberechtigten stimmten 215für und 86 gegen das Verhandlungsergebnis.Damit haben 71,43% mit Ja gestimmt. DerStreik endete nach 107 Streiktagen mit einemFest und einer gemeinsamen Demonstrationvor der Wiederaufnahme der Arbeit.

Der Streik wird beendet

Die Urabstimmung wird ausgezählt

Das Abstimmungsergebnis wird bekanntgegeben

Dogan nach 107 Tagen wieder ohne Vollbart

Das Ende des Streiks wird gebührend gefeiert

22.05.2006 • 91. StreiktagKabarett im Rathaus: Gerald WolfStreikzeitung Nr. 52

23.05.2006 • 92. StreiktagCNH-Delegation auf dem DGB-BundeskongressGespräch mit Georg Wilhelm Adamowitsch,Staatssekretär Bundesministerium für Wirtschaft undArbeitStreikzeitung (Sonderausgabe) zum DGB-Bundeskon-gress

24.05.2006 • 93. StreiktagRegelmäßige Sitzung des Solidaritätskomitees

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ResümeeÜber den Verlauf der Gespräche und Verhandlungen

Bis es überhaupt zu ernsthaften Verhandlungenmit dem Management von CNH kam, gingenviele Streiktage ins Land. Dies war stark in derablehnenden Haltung des CNH-Managementsbegründet. Der alte Sozialplan vom September2005 wurde von ihnen immer wieder als schonbestehende Regelung ins Spiel gebracht unddessen Umsetzung eingefordert.

Das Management von CNH hat sehr lange dar-auf gesetzt, den Streik um einen Sozialplan miteinem Verfahren über die Einigungsstelle zukontern.

Die Vorschläge zur Fortführung der Produktionin eigener Regie der Belegschaft oder mit Gewin-nung von Investoren wurde seitens der Unter-nehmensleitung nicht nachhaltig unterstützt.

Erst nach dem 80sten Streiktag kam Bewegungin die Verhandlungen, nachdem dem Manage-ment klar gemacht werden konnte, dass es mitder Forderung nach einem Sozialtarifvertrag umnichts anderes gehen würde, als vergleichbareKonditionen für die Belegschaft von CNH Berlinauszuhandeln, wie sie in Italien durchaus üb-lich sind. Bei Betriebsschließungen in Italienwerden nämlich 1,3 bis 1,7 Monatsgehälter proBeschäftigungsjahr an die Beschäftigten ausge-zahlt. Das liegt weit über dem, was in Deutsch-land bei Sozialplänen üblich ist.

Auch wurde vorgeschlagen, die Möglichkeiteneiner Weiterführung der Produktion durch Ge-winnung eines neuen Investors zu klären, wennder Sozialtarifvertrag abgeschlossen sei. Diesezeitliche Entzerrung der Verhandlungsgegen-stände traf auf die Zustimmung des Manage-ments. Ein entsprechender Passus wurde in die

Vereinbarung eingearbeitet. Damit war dannein Stand erreicht, der nur noch mit den Konzern-spitzen in Turin und Chicago abgestimmt wer-den musste, was auch nach einigen zeitlichbedingten Verzögerungen gelang.

Schließlich musste eine letzte Klippe umschifftwerden. Das Management hatte aufmerksamdie Entwicklung bei der AEG in Nürnberg ver-folgt. Nach der dort getroffenen Vereinbarung,die einen vergleichbaren Sozialtarifvertrag zumErgebnis hatte, aber auch die Schließung desUnternehmens beinhaltete, war der Kranken-stand der Belegschaft sprunghaft in die Höhegeschnellt. Die Folge: Ein entsprechender Rück-gang der Produktion. Um einer vergleichbarenEntwicklung bei CNH vorzubeugen, bestand dasCNH-Management auf einer Regelung, die diesausschließen sollte. Wir mussten eine Vereinba-rung akzeptieren, die das Risiko für das Unter-nehmen minimiert, aber für die Belegschaft den-noch tragbar war. Endgültig beigelegt wurde derKonflikt um "Abfindungen versus Stückzahlen"erst mit dem Spruch der Einigungsstelle vom12.09.2006.

Schließlich lässt sich sagen, dass der Verhand-lungsweg zwar ein langer, aber schließlich er-folgreicher gewesen ist. Wichtig für diesem Er-folg war das gute Zusammenspiel zwischen derIG Metall-Bezirksleitung, der VerwaltungsstelleBerlin, Streikleitung und der betrieblichen Ver-handlungskommission. Eine wichtige Voraus-setzung war das Vertrauen der streikenden Be-legschaft. Grundlage dieses Vertrauens war dieTransparenz über die jeweiligen Verhandlungs-stände gegenüber der Streikversammlung sowiedie Tatsache, dass jede Verhandlungsoption mitder Belegschaft abgestimmt wurde.

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25.05.2006 • 94. Streiktag 26.05.2006 • 95. StreiktagStreikzeitung Nr. 53

27.05.2006 • 96. Streiktag

28.05.2006 • 97. Streiktag

Der Streik der Belegschaft der CNH Baumaschi-nen GmbH ist der bisher längste in der BerlinerMetallindustrie seit 70 Jahren. Deshalb forderteer von den Beteiligten ein hohes Maß an Enga-gement, Disziplin und Geduld. Der harte Winterhat den Streik über lange Zeit zusätzlich er-schwert. Die Belegschaft ist in dieser Zeit zu-sammengewachsen. Dazu hat insbesondere diekonsequente Beteiligung der Belegschaft durchden betrieblichen Streikleiter und den ihnunterstützenden Vertrauenskörper beigetragen.Es ist wahrscheinlich der größte Erfolg desStreiks, dass die Kolleginnen und Kollegennach 107 Tagen Arbeitskampf mit erhobenemHaupt die Arbeit wieder aufnehmen konnten.Sie haben trotz ungleicher Kampfmittel nichtklein beigegeben, sondern ihren Stolz und ihreWürde verteidigt – und sich teuer verkauft. Derjetzt gültige Sozialplan liegt materiell um das2,5fache höher als der angebotene. Der geplan-te Schließungstermin konnte um fünf Monateverschoben werden. Der Streik ist also in Hin-sicht des offiziellen Streikziels ein voller Erfolg.Dazu gehört auch, dass – durch Erfüllung vonAltersteilzeitverträgen sowie die Weiterbeschäf-tigung von 22 KollegInnen in der Grader-Ferti-gung – im Herbst 41 Beschäftigte weniger ent-lassen werden sollen, als von der Unterneh-mensleitung ursprünglich beabsichtigt. DieAuszubildenden können ihre Ausbildung beiCNH oder einem anderen Unternehmen zu dengleichen Bedingungen beenden.

Diese Ergebnisse zeigen, dass sich der Kampflohnt. Und das alles Gerede in den Medien vonder Unzeitgemäßheit von Streiks neoliberalesIdeologiegetrommel bleibt. Eher das Gegenteilscheint der Fall. Nie war die Stimmung der Strei-kenden allein von Opferhaltung, Mutlosigkeit

und Resignation geprägt. Vielmehr war Wut,Kampfgeist und die politische Einsicht spürbar,dass die Machtverhältnisse und das Wirtschafts-system zutiefst kontraproduktiv und ungerechtsind. In Zeiten, in denen große Konzerne riesigeGewinne einfahren und ein kleiner Teil der Be-völkerung in schwelgerischem Luxus lebt, wer-den gleichzeitig die Löhne immer weiter ge-drückt, Produktionen in Billiglohnländer verla-gert, hochqualifzierte Fachkräfte in angestamm-ten Industriestandorten entlassen und großeTeile der Bevölkerung in die Armut getrieben.Kolleginnen und Kollegen registrieren das undlassen sich von dem Sachzwang-Gerede vonManagern und Politikern nicht mehr so schnell indie Irre führen. Die Belegschaft und die IG Metallhaben mit dem Streik in die politische Auseinan-dersetzung eingegriffen. Die Gewerkschaftenwurden als gesellschaftlicher Faktor aktiv undsichtbar. Das ist Voraussetzung, um das Kräfte-verhältnis in unserer kapitalistischen Wirt-schaftsordnung zugunsten der abhängigBeschäftigten zu verändern und verlorenen Ein-fluss zurückzugewinnen. Gerade in Berlin undUmland erwarb sich die CNH-Belegschaft mitihren kreativen und witzigen sowie mutigen undschlagkräftigen Aktionen Sympathie und Unter-stützung. Das blieb nicht ohne Wirkung auf diekulturelle Szene, die regionalen Medien und diepolitischen Parteien.

Wie ist der Streik politisch zu bewerten?

Solidaritätsplakat von KollegInnen aus der IGM Verwaltungsstelle Chemnitz

29.05.2006 • 98. StreiktagBesuch von Ingrid Sehrbruck, 2. Vorsitzende des DGB

30.05.2006 • 99. Streiktag 31.05.2006 • 100. StreiktagBesuch von Klaus Wowereit SPD, regierender Bürger-meister von Berlin, Besuch des BRs von SemperluxBesuch von Harald Wolf Linkspartei PDS, Senator fürWirtschaft und Arbeit, Besuch von Hubertus Heil SPD,Generalsekretär der SPD, Besuch von Dieter Scholz DGB,Vorsitzender des DGB Bezirks Berlin-BrandenburgRegelmäßige Sitzung des SolidaritätskomiteesStreikzeitung Nr. 54

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Bedrückend ist die Tatsache, dass die Schließungdes Werkes und der Verlust von 333 Arbeits-plätzen nicht verhindert werden konnte. DieFrage, ob ein Streik um einen Ergänzungstarif-vertrag das richtige Mittel zum Erhalt von Ar-beitsplätzen ist, bleibt auch nach dem Streik inSpandau offen. Allein der kurzfristige Kosten-druck wird Manager und Anleger nicht vonihren Profitstrategien abhalten. Dazu bedarf espolitischer Maßnahmen der Politik in Deutsch-land und Brüssel, um Konzerne in die sozialePflicht zu nehmen. Auch die kapitalfreundlicheRechtslage in Arbeitskämpfen muss revidiertwerden. Unter jetzigen Gegebenheiten bleibtdiese Form der Auseinandersetzung aber einwichtiges Mittel im Kampf um die Existenz derabhängig Beschäftigten.

Kritisch anzumerken ist, dass die frühe Beru-fung auf eine Investorenlösung zu Irritationenbeim FIAT-Management und zu falschen Hoff-nungen in der Belegschaft geführt hat. Darausist zu lernen, dass die Veröffentlichung von un-ausgereiften Strategien sich eher negativ aufden Streikverlauf auswirkt.

Der Streik zeigt: Die Betroffenen und die Ge-werkschaften müssen aktiv werden, damit dasThema „Erhalt industrieller Arbeitsplätze“ aufder Tagesordnung bleibt. Schon die 80er Jahrewaren geprägt von der Diskussion um dieDienstleistungsgesellschaft in „nachindustriel-len“ Zeiten. Als Berlin in den 90ern Hauptstadtwurde, machte man sich große Hoffnungen,dass nun verstärkt Arbeitsplätze im Dienstleis-tungssektor entstehen würden. Obwohl dieseVoraussagen nicht eingetreten sind, wurde wei-ter von der Rettung durch die Dienstleistungs-

gesellschaft geredet. Seit Anfang 1990 gingenüber 300 000 Industriearbeitsplätze verloren,aber man wollte die Alarmzeichen nicht sehen.Einige Berliner Bezirke verzeichnen heute eineArbeitslosenquote von 25% und mehr. Dazugehört auch der traditionelle IndustriestandortSpandau. Der CNH-Streik wurde zum Symboldes Widerstandes gegen den industriellenKahlschlag in Berlin. Er rückte die Bedeutungdes produzierenden Gewerbes in den Mittel-punkt der regionalen Politik. Auf Initiative desDGB-Landesbezirks ist ein sogenannter „Indus-triepolitischer Dialog“ für Berlin auf den Weggebracht worden. Erstmalig wird der neuge-wählte Berliner Senat in 2007 eine Industrie-politische Konferenz unter Beteiligung von Ent-scheidungsträgern aus Politik und Wirtschafteinberufen – mit der Aufgabe, in Berlin mehrArbeit- und Ausbildungsplätze zu schaffen.

Der Kampf der Belegschaft des kleinen Span-dauer Betriebes war international. Als Teil einesglobal agierenden Unternehmens hat sich auchdie Perspektive des Kampfes für die streiken-den KollegInnen rasch über die regionalenGrenzen hin ausgeweitet. Ein Streik ist auchBildung. So wissen heute alle Streikbeteiligtenmehr über politische Zusammenhänge in Zeitendes globalisierten Kapitals. Diesen Einsichtenfolgten Taten. Im Streik zeigte sich, wie schwie-rig es ist, internationale Gewerkschaftskontakteaufzubauen. Doch gelang es, Delegationennach Paris und Italien zu organisieren. Geradedie Teilnahme an der 1. Mai-Demontration inTurin war sehr erfolgreich. So haben die Kolle-gInnen dort große Anteilnahme und Solidaritäterfahren und es war für sie ein emotionalerHöhepunkt des Streiks.

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01.06.2006 • 101. StreiktagDGB Aktionstreffen im DGB HausBesuch des BR’s von Daimler Chrysler NiederlassungStreikzeitung Nr. 55

02.06.2006 • 102. StreiktagAußerordentliche Streikversammlung. Das Verhandlungs-ergebnis wird vorgestellt Treffen der ‘Ehemaligen’ im Brauhaus Spandau.Streikzeitung Nr. 56

03.06.2006 • 103. StreiktagDemonstration gegen Sozialabbau

04.06.2006 • 104. Streiktag

Arno Hager, 1. Bevollmächtigbter IG Metall Berlin:

Der Kampf um die Arbeitsplätze gehtweiter!

Um eine Fortführung der Produktion bei CNHBerlin zu gewährleisten, muss ein verlässlicherInvestor gefunden werden. Hierfür ist eine engeZusammenarbeit zwischen Unternehmen, Poli-tik (Senat von Berlin), IG Metall und Beleg-schaft erforderlich.

Der FIAT-Konzern muss die vom Senat erhalte-nen Subventionen in diesen Prozess einbrin-gen. Das ist bei einigen Positionen auch recht-lich abgesichert. Nur mit diesen Mitteln wird esmöglich sein, einen Investor von einer lohnen-den Anschlussproduktion zu überzeugen. Auchsollte FIAT anerkennen und honorieren, dassdie Belegschaft trotz einer harten Auseinander-setzung, die diese 107 Tage Streik waren, wie-der motiviert und zuverlässig die Produktionfortführt. Dies ist angesichts der vielen Provo-kationen und Angriffe durch das lokale Mana-gement sicher nicht selbstverständlich.

Für die Belegschaft ist entscheidend, dass sieihre Qualitäten auch weiterhin unter Beweisstellt. Das hohe Qualifikationsniveau, die Qua-lität der Produkte und auch die Motivation,Arbeitsplätze am Standort zu halten und neuezu schaffen, sollten ausreichen, um potentielleInvestoren zu überzeugen.

Der Senat Berlins ist ebenfalls gefordert, dieBedingungen für einen Investor so optimal wiemöglich zu gestalten und gleichzeitig Garantieneinzufordern, die die Arbeitsplätze langfristigsichern. Das ist vor dem Hintergrund eineshohen Verlustes an Industriearbeitsplätzen inden letzten Jahren Pflicht. Die Bedingungen, diemit dem subventionierten Neubau der Fabrik inSpandau Ende der 80er Jahre geschaffen wur-

den, sindgut. Dochwerdenweitereunter-stützen-de Maß-nahmennötigsein, umneue Inves-titionen nachBerlin zu holen.Entscheidend ist,dass der Senat seineForderung nach Rück-zahlung der Investitionen gegen-über CNH weiterhin aufrechterhält und nötigen-falls auch juristisch durchsetzt.

Der IG Metall kommt in diesem Prozess dieAufgabe zu, den Prozess positiv zu begleitenund die Auswahl eines Investors zu unterstüt-zen. Dies ist über die Auswahl des Unterneh-mensberaters und die Kenntnis der industriel-len Landschaft sicher gestellt. In diesem Pro-zess ist es wichtig, nur verlässliche Kandidatenins Spiel zu bringen. Eine Politik, die mit derBrechstange nach einer Lösung sucht, hilft nicht.Die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit als Ver-handlungspartner muss stets gegeben sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieChancen für einen Neuanfang gegeben sind.Wenn die beteiligten Gruppen weiter an einemStrang ziehen, könnte eine beträchtliche Zahlan Arbeitsplätzen und damit die Existenz zahl-reicher Familien in Spandau gesichert werden.

05.06.2006 • 105. StreiktagFilmbericht im OKB über die Fahrt nach Turin

06.06.2006 • 106. StreiktagUrabstimmungBesuch des BR’s von SBSAbschlussfest für die Streikenden, deren Familie,Bekannte, Anwohner und Sympatisanten im und amStreikzelt. Für Kinderhüpfburg, Live Musik, Essen undGetränke ist gesorgtStreikzeitung Nr. 57

07.06.2006 • 107. StreiktagUrabstimmungDas Verhandlungsergebnis wurde in der Urabstimmungvon 71,4% der Kollegen und Kolleginnen angenommen.Das Streikziel ist erreicht aber der Arbeitskampf um Würdeund Arbeitsplätze in Spandau geht weiter.Besuch des BRs von EAW RelaistechnikEnde des StreiksStreikzeitung Nr. 58

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Wir danken allen KollegInnen, die an dieserBroschüre mitgearbeitet haben. Insbesonderedem betrieblichen Streikkommitee, NorbertAhlers, Dogan Akbaba, Christian Fromm, ThomasJaenicke, Thomas Jahn, Andreas Kleiber, YvonneKoch, Stefan Liebal, Lutz Lippmann, Peter Lohse,Thorsten Poppe, Boris Rehm, Kurt-GüntherSchörnich, Lutz Stieler, Katrin Thile, YuekselVatandas und Renauld Wolf, sei an dieser Stelleausdrücklich gedankt. Sie haben über 107 Tageden “Laden am Laufen“ gehalten. Nach demStreik haben sie gemeinsam mit uns an zweiWochenenden die Konzeption für diese Bro-schüre erarbeitet. Dank gebührt Luis Sergio,dem betrieblichen Streikleiter, der mit seinerunendlichen Geduld und großem Engagement maßgeblich für den Erfolg des Streiks und dem

Zustandekommen dieser Dokumentation beige-tragen hat. Bernward Budde vom IG Metall-Bil-dungszentrum Pichelssee sei gedankt. Er hatsich nicht beirren lassen und die Streik-Aktions-gruppe gegründet und in jeder freien Minutevor Ort mitgearbeitet. Jochen Gester und AndreasHesse Dank für ihre redaktionelle Unterstützung.Für die Hilfe im Hintergrund gebührt Dank:Bernd Kruppa, der schon während des Streikswichtige Kontakte herstellte, organisatorischeWege glättete und maßgeblich für die regionaleund überregionale Öffentlichkeitsarbeit sorgte.Petra Jentzsch und Peter Friedrich standen unsin allen technischen und logistischen Fragenhilfreich zur Seite.

Karsten MeierReiner Peters-Ackermann

Dank an alle Beteiligten

Am 100. Streiktag: Die betriebliche Streikleitungsgruppe vor dem Großplakatwand am Haupttor

Die beiliegende CD enthält den CHN-Streikfilm im WMP-Format sowie PDFsder CNH-Ausstellung und aller während des Streiks veröffentlichten Streik-zeitungen, Flugblätter, Postkarten und Plakate.

Eine DVD mit der Filmdokumenation zum CNH-Streik zum Preis von 4,50 Europlus Porto ist zu beziehen über:

Syrius GmbHMartinstrasse 48-50, 40223 DüsseldorfTel.: 0211 9388490Fax: 0211 93884999E-Mail: [email protected]

Eine Weiternutzung dieser Broschüre und der digitalen Daten ist – insbeson-dere für Bildungszwecke – ausdrücklich erwünscht.

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