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Beschleunigerphysik I Steder/Wenskat Lehrerfortbildung Teilchenphysik 25.-28.10.2016, Hamburg

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Beschleunigerphysik I

Steder/Wenskat Lehrerfortbildung Teilchenphysik 25.-28.10.2016, Hamburg

Steder/Wenskat | Beschleunigerphysik für Lehrer | 25.10.2016 | Seite 2

Definition Wikipedia

>  Ein Teilchenbeschleuniger ist ein Gerät, in dem elektrisch geladene Teilchen (z. B. Elementarteilchen, Atomkerne, ionisierte Atome oder Moleküle) durch elektrische Felder auf große Geschwindigkeiten beschleunigt werden. Im Innenraum des Beschleunigers muss Vakuum herrschen. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten und Funktionsweisen der verschiedenen Teilchenbeschleunigertypen beschreibt die Beschleunigerphysik.

>  Je nach Teilchenart und Beschleunigertyp können die beschleunigten Teilchen annähernd Lichtgeschwindigkeit erreichen. Ihre Bewegungsenergie (kinetische Energie) beträgt dann ein Vielfaches ihrer eigenen Ruheenergie. In diesen Fällen beschreibt die Spezielle Relativitätstheorie die Teilchenbewegung.

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Weshalb Beschleuniger?

>  Hochenergie-Physik: §  Strukturanalysen

Auflösungsvermögen Δx ∼ λ/2

de Broglie: λ = (2πħ)/p

=> höhere Impulse für kleinere Strukturen

§  Erzeugung neuer, schwerer Teilchen

E = mc2

=> hohe Energie für schwere Teilchen

>  Physik mit Photonen

>  Kernphysik

>  Medizin

>  Industrie

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Relativistische Nomenklatur

>  Teilchengeschwindigkeiten nahe Lichtgeschwindigkeit

mit

und

E = 1

1− v2

c2

mc2 = γmc2

γ =11−β 2

β =v2

c2

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Lorentzkraft

>  Beschleunigung und Ablenkung geladener Teilchen

>  Energieänderung nur durch elektrische Felder, da Magnetfeld senkrecht zu Teilchenbahn und v || ds

>  Magnetfeld nur zur Ablenkung/Strahlführung

)( BvEqF ×+=

ΔE = F!"ds"

s2

s1∫ = q E!"ds"

s2

s1∫ = qU

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Beschleunigung im elektrischen Potential

>  Elektron im Plattenkondensator §  U = 10 kV, d = 1m, q = e0

=> ΔE = 10 keV

>  Definition eV: §  Teilchen mit Ladung e0, das Spannungsdifferenz von 1V durchläuft, gewinnt 1eV

§  1 eV = 1,602 x10-19 J

[1]

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Was wird beschleunigt?

>  Elektronen

>  Protonen

>  Ionen

>  LHC, ILC

sind/werden

die Höchst-

leister

[2]

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Kurze Geschichte der Beschleunigerphysik

>  Gleichspannungsbeschleunigung §  Cockroft–Walton

§  Van-de-Graff

>  Elektrisches Feld durch zeitliche Magnetfeldänderung §  Betatron

>  Resonante Beschleunigung mit hochfrequenten (HF) elektromagnetischen Wellen §  Linearbeschleuniger

§  Zyklotron und Synchrotron

>  Plasma- und Wakefieldbeschleunigung §  Folgt in Teil 2 der Vorlesung

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Prinzip Gleichspannungs-Beschleuniger

>  Nicht mehr schülertaugliches Beispiel: Braunsche Röhre

>  Stromfluss begrenzt maximal aufbaubare Spannungsdifferenz §  ohmscher Anteil: Isolatoren nie perfekt -> linearer Anstieg

§  Ionen im Restgas: Sättigung schnell erreicht

§  Koronabildung: Gasverstärkung an Elektroden -> exponentieller Anstieg des Stroms

[1]

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Gleichspannungsbeschleuniger

>  Cockroft und Walton Anfang der 1930er: §  Kaskadengenerator erreicht 750 keV Protonen

§  1932 erstmals Kernreaktion mit Beschleuniger nachgewiesen 7Li + p -> 4He + 4He Nobelpreis (1951)

>  Van-de-Graff-Generator §  Mechanischer Transport von Ladung über Band/Kette

§  Erreicht 1932 1,5 MV in kernphysikalischen Untersuchungen

§  Höhere Spannungen in Drucktanks mit SF6 (durchschlagsfestes Gas)

>  Beide noch heute als Vorbeschleuniger genutzt

[3]

[1]

[4]

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Betatron

>  Teilchenstrom entspricht Sekundärspule in Transformator

>  Beschleunigung durch Induktion entlang einer stabilen Kreisbahn

>  1. funktionierendes Betatron 1940: Elektronen auf 2,3 MeV, §  1942: 20 MeV

§  1950 Weltrekord: 300 MeV

>  Vorteile §  Einfach, robust, kostengünstig

§  Keine Abhängigkeit von relativistischen Effekten => e--Beschleunigung

§  Fokussierung und Synchronisation durch Magnetgeometrie

>  Nachteil §  Starke Schwingungen der Teilchen um Sollbahn

>  Durchleuchtung von Werkstoffen, Strahlentherapie §  Immer mehr von kompakten Linearbeschleunigern ersetzt

[3]

[1]

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Linearbeschleuniger

>  Isings Vorschlag 1924: zeitlich variierende Felder zwischen Driftröhren

>  Wideroë 1928: Demonstration des Prinzips §  Driftröhrenpotentiale zur Beschleunigung in den Spalten

§  Umpolung (HF) während Teilchen in Röhren

§  Zunehmende Geschwindigkeit => Röhren werden länger

§  Teilchen surft Welle mit Phase Ψs

§  ΔEkin = eU0sinΨs

§  Länge der Driftröhre Li:

§  Vor 1940er und Klystron: HF begrenzt auf wenige MHz ⇒  Sehr lange Beschleuniger für

relativistische Teilchen

iHF

iHFi TL v21v

21

ν==Δ

[4]

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Alvarez Struktur

>  Wideroë Beschleuniger: §  Niedrige Frequenzen è unhandliche Driftrohrlängen

§  Hohe Frequenzen è hohe HF Verluste

>  Lösung: Alvarez Struktur §  Abschirmung dient als Resonator für eingekoppelte HF (Cavity-Prinzip)

§  Verhindert Abstrahlverluste

§  Bis v =0,5 c und 10 MV/m

[5]

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Zyklotron

>  Prinzip §  Teilchen ⊥ B-Feld

§  Lorentzkraft ⊥ Bahn

=> Kreisbahn

§  Gleichgewicht

=>

§  Mit folgt als Zyklotronfrequenz

unabhängig von Teilchen-Energie und –Geschwindigkeit

(gilt für schwere Teilchen bei niedriger Energie)

§  Zunehmende Energie und Geschwindigkeit => größerer Radius

Fz = mv2

r,FL = qvB

R = mv!

qB"!

ω =vR

ω =qmB!"

[1]

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Historische Zyklotrons

>  1929 Entwicklung einfach realisierbarer Zyklotrons durch Lawrence

>  1932 1,25 MeV Zyklotron, D = 10 cm

>  1939 20 MeV Proton-Zyklotron, D = 30 cm

>  Relativistische Effekte limitieren maximale Energie §  Synchro- und Isochron-Zyklotrons (variable Energie bzw, variables Magnetfeld)

>  Heutige Kreisbeschleuniger nach Synchrotronprinzip gebaut

[6] [6]

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Synchrotron

>  Betatrons (e-) und Zyklotrons (p): begrenzte Energie §  Größe begrenzt: Materialaufwand proportional zu 3. Potenz von Rmax

§  Magnetfeldstärke begrenzt: normalleitend ~ 2 T, supraleitend ~ 10 T

>  Lösung: Synchrotron mit konstantem Bahnradius §  Magnetfeld wird synchron zur Energie erhöht

§  Aus FL = FZ und der Bedingung des konstanen Radius folgt

§  => Magnetfeldanstieg ~ βγ

§  Frequenz der HF muss ganzzahliges Vielfaches h der Umlaufbahn sein

§  => Magnetfeldanstieg ~ γ

>  => β ≈ 1 (e--synchrotron), für p/Ionen muss HF zeitlich variert werden

1r=qBmv

=qBp=

qBm0γβc

ωHF = hqBm0γ

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Synchrotron II

>  1944: Synchrotron mit schwacher Fokussierung (R = const., B(t))

>  1950: Synchrotron mit starker Fokussierung (FODO) §  Abwechselnd fokussierende und de-fokussierende Linsen im Abstand d mit fF = - fD

§  è Gesamtfokussierung

>  Vorbeschleuniger nötig: §  niedriges Feld => Elektromagnete durch Hysterese des Eisenkerns zu ungenau

>  Die beschleunigten Teilchen stehen nur bei Extraktion zur Verfügung §  Synchrotrons liefern gepulste Strahlen

§  Zyklus: Injektion, Magnetfeld ramping, Ejektion, Abklingen der Felder

§  LHC/CERN ~ 30 min, DELTA/Dortmund ~ 6,5 s, BESSY/Berlin ~ 0,1 s

>  Speicherringe nächster logischer Schritt

1F=1fF+1fD−

dfF fD

=df 2 F = f 2

d> 0!

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Noch wach?

>  Überblick Kreisbeschleuniger §  Graue Fläche werden von Magnetfeld ausgefüllt

§  a) Betatron

§  b) Zyklotron

§  c) Mikrotron (?!? doch eingeschlafen? – Nein! Wurde nicht erwähnt. Eine Art Zyklotron für e-)

§  d) Synchrotron

[3]

Steder/Wenskat | Beschleunigerphysik für Lehrer | 25.10.2016 | Seite 19

Speicherringe

>  Speicherung von Teilchenstrahlen über Stunden oder wenige Tage §  Entdeckung neuer Teilchen, Strukturuntersuchungen (LEP, HERA, Tevatron, LHC)

§  Erzeugung von Synchrotronstrahlung (DORIS, PETRA)

§  Dämpfungsringe (ILC)

>  Befüllung §  Synchrotron selbst als Speicher

§  Vorbeschleuniger nötig

>  Bedingung §  Sehr gutes Vakuum

§  Kleine Emittanz

§  Entkopplung/Korrektur äußerer Einflüsse

>  Beschleunigung §  Bei jedem Umlauf: Verlustausgleich

§  Phasenfokussierung (bunching)

[1]

Steder/Wenskat | Beschleunigerphysik für Lehrer | 25.10.2016 | Seite 20

Luminosität und Wirkungsquerschnitt

>  Wechselwirkungsrate im Interaktionspunkt

>  Luminosität

§  N1, N2: Teilchenraten

§  f: Kollisionsfrequenz

§  Effektive Fläche

§  σx,σy halbe Strahlausdehnung in x- und y-Richtung

>  Wirkungsquerschnitt: Maß für die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion im Interaktionspunkt §  Einheit: barn = 10-24cm2 (barn englisch: Scheunentor)

§  Typische Größen: Beispiel Top Produktion 1pb = 10-18 barn

dNdt

= Lσ P

L = N1N2 fAeff

Aeff = 4πσ xσ y

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Herzstück Cavity

>  Gedankenexperiment §  a) Plattenkondensator

§  b) E ~ Besselfunktion

§  c) metallische Wände an Nullstellen è Cavity

>  TESLA Cavity entwickelt am DESY

§  Hohlraumresonator: stehende Welle durch Resonanz

§  Geometrie bestimmt die Frequenz f = 1,3 GHz

§  Material bestimmt die Güte: Niob bei 1,8 K Q0 = 5 x 1010

§  Theoretisches Limit der Beschleunigung hier Eacc ≈50 MV/m

[3]

Steder/Wenskat | Beschleunigerphysik für Lehrer | 25.10.2016 | Seite 22

Kalte Beschleunigung

>  SRF Cavities

>  S: supraleitendes Material è geringer elektrischer Widerstand è hohe Güte

>  RF: Radio Frequenz è stehende Welle in Resonator èBeschleunigung geladener Teilchen

>  Güte: Maß für Energiespeicherungskapazität schwingender Systeme §  §  G:Geometrie-Faktor, Rs: Oberfl ̈ächenwiderstand, U: gespeicherte Energie, ω= 2πf: Frequenz, Pdiss: dissipierte Leistung

>  Vorteile von SRF Technologie §  Hoher duty cycle oder gar cw Betrieb möglich

§  Große Apertur bei hoher Beschleunigung und geringen Verlusten (kaum wake fields)

§  Fast komplette RF Leistung geht in Beschleunigung, da wenig Pdiss in SL Oberfläche

Q0 =GRs=UωPdiss

Steder/Wenskat | Beschleunigerphysik für Lehrer | 25.10.2016 | Seite 23

Kurze Zusammenfassung

>  Eine kleine Geschichte der Beschleunigerphysik

>  State of the Art Design “Speicherring”

>  Beschleunigung: Prinzip & Umsetzung

Morgen

>  Klystron, Quellen & Magnete

>  Teilchenbahnen

>  Synchrotronstrahlung

>  Elektronen vs. Protonen

>  Blick in die Zukunft

Steder/Wenskat | Beschleunigerphysik für Lehrer | 25.10.2016 | Seite 24

Abbildungen

>  [1] PD W. Wagner – Universität Karlsruhe WS 2008/2009 §  http://www-ekp.physik.uni-karlsruhe.de/~jwagner/WS0809/Vorlesung/

Beschleuniger01_Einfuehrung.pdf

>  [2] PD A. Geiser – Universität Hamburg SS 2009 §  http://www.desy.de/~geiser/Lehre/SS09/experimente09.pdf

>  [3] Prof. S.Khan – TU Dortmund WS 2012/2013 §  http://www.delta.tu-dortmund.de/cms/Medienpool/Khan_Bilder/

Beschleuniger_WS2012/Beschleuniger-Skript-2012.pdf

>  [4] Wikipedia

>  [5] GSI Darmstadt

>  [6] Prof. O. Biebel – LMU München WS 2003/2004 §  http://homepages.physik.uni-muenchen.de/~Otmar.Biebel/beschleuniger/