Beschleunigung - ReadingSample...Hartmut Rosa 1. Auflage 2005. Taschenbuch. 537 S. Paperback ISBN...

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suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1760 Beschleunigung Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne Bearbeitet von Hartmut Rosa 1. Auflage 2005. Taschenbuch. 537 S. Paperback ISBN 978 3 518 29360 7 Format (B x L): 11 x 17,7 cm Gewicht: 325 g Weitere Fachgebiete > Philosophie, Wissenschaftstheorie, Informationswissenschaft > Wissenschaften Interdisziplinär > Zeit: philosophische, technische, soziale Aspekte schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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  • suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1760

    Beschleunigung

    Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne

    Bearbeitet vonHartmut Rosa

    1. Auflage 2005. Taschenbuch. 537 S. PaperbackISBN 978 3 518 29360 7

    Format (B x L): 11 x 17,7 cmGewicht: 325 g

    Weitere Fachgebiete > Philosophie, Wissenschaftstheorie, Informationswissenschaft >Wissenschaften Interdisziplinär > Zeit: philosophische, technische, soziale Aspekte

    schnell und portofrei erhältlich bei

    Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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  • Leseprobe

    Rosa, HartmutBeschleunigung

    Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne

    © Suhrkamp Verlagsuhrkamp taschenbuch wissenschaft 1760

    978-3-518-29360-7

    Suhrkamp Verlag

  • suhrkamp taschenbuchwissenschaft

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  • Das Buch unternimmt erstmals den Versuch, die sich potenzierende Dyna-misierung gesellschaftlicher Verhältnisse, wie sie in der jüngsten politischenund digitalen Beschleunigungswelle etwa unter dem Stichwort ›Globalisie-rung‹ firmiert, systematisch zu erfassen und sie in ihren kulturellen undstrukturellen Ursachen ebenso wie in ihren Auswirkungen auf die indivi-duelle und kollektive Lebensführung zu analysieren. Der Autor entwickeltdabei die These, daß die zunächst befreiende und befähigende Wirkung dermodernen sozialen Beschleunigung, die mit den technischen Geschwindig-keitssteigerungen des Transports, der Kommunikation oder der Produktionzusammenhängt, in der Spätmoderne in ihr Gegenteil umzuschlagendroht. Individuell wie kollektiv verändert sich die Erfahrung von Zeit undGeschichte: An die Stelle einer gerichteten Vorwärtsbewegung tritt dieWahrnehmung einer gleichsam bewegungslosen und in sich erstarrten Stei-gerungsspirale.

    Hartmut Rosa, geboren , ist Professor für allgemeine und theoretischeSoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und ist regelmäßigerGastprofessor am Department of Sociology an der New School Universityin New York.

  • Hartmut RosaBeschleunigung

    Die Veränderungder Zeitstrukturen

    in der Moderne

    Suhrkamp

  • Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

    in der Deutschen Nationalbibliografiehttp://dnb.ddb.de

    suhrkamp taschenbuch wissenschaft Erste Auflage

    © Suhrkamp Verlag Frankfurt am MainAlle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

    des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragungdurch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

    Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

    ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,

    vervielfältigt oder verbreitet werden.Umschlag nach Entwürfen

    von Willy Fleckhaus und Rolf StaudtSatz: Fotosatz Reinhard Amann, Aichstetten

    Druck: Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-BadenPrinted in GermanyISBN ---

  • Inhalt

    Anstelle eines Vorworts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitstrukturen in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwei Zeit-Diagnosen der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorüberlegungen zu einer Theorie der sozialen

    Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Teil :Das kategoriale Grundgerüst einer systematischen Theorie

    der sozialen Beschleunigung

    II. Von der Liebe zur Bewegung zum Gesetz der Beschleunigung: Beobachtungen der Moderne . . . . . . . . . . .

    . Beschleunigung und die Kultur der Moderne . . . . . . . . . . . . Modernisierung, Beschleunigung und Gesellschaftstheorie

    III. Was ist soziale Beschleunigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorüberlegung: Beschleunigung und Steigerung . . . . . . . . . . Drei Dimensionen sozialer Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . Fünf Kategorien der Beharrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Verhältnis von Bewegung und Beharrung in der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Teil :Wirkungsweisen und Erscheinungsformen:

    Eine Phänomenologie der sozialen Beschleunigung

    IV. Technische Beschleunigung und die Revolutionierung des Raum-Zeit-Regimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    V. Rutschende Abhänge: Die Beschleunigung des sozialen Wandels und die Zunahme der Kontingenzen . . . . . . . . . . . .

    VI. Die Beschleunigung des »Tempos des Lebens« und die Paradoxien der Zeiterfahrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

  • . Objektive Parameter: Die Steigerung der Handlungsgeschwindigkeit . . . . . . . . . .

    . Subjektive Parameter: Zeitdruck und die Erfahrung der rasenden Zeit . . . . . . . . .

    . Temporalstrukturen und Selbstverhältnisse. . . . . . . . . . . . .

    Teil : Ursachen

    VII. Soziale Beschleunigung als selbstantreibender Prozess: Der Akzelerationszirkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    VIII. Beschleunigung und Wachstum: Externe Triebkräfte sozialer Beschleunigung. . . . . . . . . . . . . .

    . Zeit ist Geld: Der ökonomische Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verheißung der Beschleunigung:

    Der kulturelle Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Temporalisierung von Komplexität:

    Der sozialstrukturelle Motor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    IX. Macht, Krieg und Geschwindigkeit – Staat und Militär als institutionelle Schlüssel-Akzeleratoren. . . . . . . . . . . . . . . .

    Teil : Konsequenzen

    X. Beschleunigung, Globalisierung, Postmoderne . . . . . . . .

    XI. Situative Identität: Von Driftern und Spielern . . . . . . . . . Die Dynamisierung des Selbst in der Neuzeit . . . . . . . . . . . . Von der substanziellen Identität a priori zur stabilen

    Identität a posteriori: Die Verzeitlichung des Lebens . . . . . . Von der zeitstabilen zur situativen Identität:

    Die Verzeitlichung der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    XII. Situative Politik: Paradoxe Zeithorizonte zwischen Desynchronisation und Desintegration . . . . . . . . . . . . . . . . .

    . Zeit in der Politik – Politik in der Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verzeitlichung der Geschichte in der Moderne . . . . . . . . Paradoxe Zeithorizonte: Die Entzeitlichung

    der Geschichte in der Spätmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

  • XIII. Beschleunigung und Erstarrung: Versuch einer Neubestimmung der Moderne . . . . . . . . . . . . .

    XIV. Schlusswort: Rasender Stillstand? Das Ende der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sach- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

  • Anstelle eines Vorworts

    Wollte Langmut aus Kairos früher, vor der Erfindung der Technik, sei-nem Freund Kurzweil in Chronos, das ebenfalls im Reich Utempus lag(es war die Zeit, da man es mit der Unterscheidung griechischer undlateinischer Morpheme nicht mehr so genau nahm), eine Nachrichtzukommen lassen, so musste er den Weg dorthin mühsam zu Fuß zu-rücklegen, wofür er sechs Stunden benötigte, oder mit dem Esel, der fürdieselbe Strecke immerhin noch dreieinhalb Stunden brauchte. In bei-den Fällen kam er dadurch gehörig in Zeitnot, weil er nicht vor demMittagessen wieder zurück sein konnte oder, wenn er erst danach los-ging, gar in Chronos übernachten musste, was ihm nicht nur Streit mitseiner Frau, sondern auch den Verlust eines Arbeitstages einbrachte.Jetzt aber griff Langmut lächelnd zum Telefon, übermittelte Kurzweildie Nachricht und plauderte mit ihm ein wenig über das Wetter, ehe ergemütlich und gemächlich noch ein Pfeifchen schmauchte, die Katzefütterte, eine halbe Stunde arbeitete und dann mit seiner Frau zusam-men das Mittagessen kochte – meist benutzten sie dafür die Mikro-welle.

    Ach ja, auch mit der Arbeit war es nicht mehr so wie früher. Vor derEinführung der Technik hatte er den ganzen Tag über an den Bücherngearbeitet, die er als Stadtkopist zu vervielfältigen hatte. War das Buchdick, hatte er am Abend dennoch manchmal noch nicht einmal einesabgeschrieben. Heute dagegen schaltete er in aller Ruhe morgens denKopierer ein, trank dann eine Tasse Kaffee, bis das Gerät betriebsbereitwar, und kopierte die Vorlage , Mal, je nachdem, wie groß der Be-darf an Abschriften in Kairos gerade war, wofür er nicht länger alsMinuten brauchte. Danach ging er zum Schwimmen an den Strand.Nachmittags arbeitete Langmut inzwischen gar nicht mehr.

    Endlich hatte er Zeit, im Garten zu sitzen, mit seiner Frau zu plau-dern, zu musizieren oder zu philosophieren oder die kopierten Bücherzu lesen, wenn sie interessant waren. Es war herrlich, sich ganz ohneZeit- und Terminnot seines Lebens erfreuen zu können. Wollte er vonseiner Frau, seiner Katze oder dem Sonnenuntergang am Meer ein Bildhaben, damit die Urenkel einst ihrer gedenken mochten, holte er ge-mächlich seine Digitalkamera aus dem Wohnzimmer und drückte aufden Knipser – herrlich detailgetreu erschien das fertige Bild nach weni-gen Augenblicken aus dem Drucker, er brauchte nicht mehr erst seinen

  • Freund, den Maler Aeternus zu beauftragen, der früher stundenlangden Pinsel geführt und nie Zeit gehabt hatte, währenddessen Langmutdie Katze mit allerlei Schmeicheleien und manchmal auch mit Gewalthatte festhalten müssen. Aber Langmut verspürte jetzt nur noch seltenden Wunsch, etwas im Bild festzuhalten, um es später zu genießen oderes der Nachwelt zu überliefern.

    Wollte er, wenn es draußen an den Abenden einmal kühl wurde, esdrinnen trotzdem behaglich warm haben, musste er nicht etwa in denWald gehen und Holz sammeln, um es dann später mühsam zu ent-zünden und dennoch nur für eine begrenzte Zeit sich der Wärme er-freuen zu können. Er drehte einfach die Heizung auf, welche mit denWindrädern am Meer verbunden war, und buchstäblich im Handum-drehen wurde es warm im Wohnzimmer wie an einem milden Som-mernachmittag. Langmut war glücklich, und er fühlte sich reich – erhatte Zeit gewonnen, nahezu unerschöpflich viel Zeit, und das Seltsamewar, dass er auch nicht mehr, wie früher immer wieder einmal, vondem unbehaglichen Gefühl der Langeweile heimgesucht wurde. Erhatte, wie die Menschen früher gesagt hätten, endlich Muße gefunden.Der Überfluss der Zeit, der unermessliche Zeitwohlstand hatte aus ihmeinen neuen Menschen gemacht – und aus Utempus eine andere Gesell-schaft.

    So – oder so ähnlich – könnten wir uns eine Welt vorstellen, in welcher ein bis weit ins . Jahrhundert hinein geträumterTraum der technischen Verheißung Wirklichkeit geworden ist;eine Welt, die sich aller Zwänge der Zeitknappheit und der Hektikentledigt, die sich gegenüber der Zeit emanzipiert und dieselbevon einem knappen in ein im Überfluss vorhandenes Gut trans-formiert hat.

    Dass die moderne technologische und ökonomische Effizienzeine ebensolche ›utempische‹ Gesellschaft produzieren werde, isteine Überzeugung, an der die Advokaten des ökonomisch-tech-nischen Fortschritts kaum jemals zweifelten und die sich beispiels-weise noch bei Ludwig Erhard findet.1 »We had always expectedone of the beneficent results of economic affluence [hervorgebrachtdurch technischen Fortschritt, H. R.] to be a tranquil and har-monious manner of a life, a life in Arcadia«, bemerkt der schwedi-sche Ökonom Staffan B. Linder daher treffend,2 und der englische Vgl. etwa Erhard . Linder , S. .

  • Philosoph Bertrand Russell vertritt in seinem verfassten ›Lobder Faulheit‹ die Auffassung, ebenjene arkadisch-utempische Ge-sellschaft sei im Prinzip bereits verwirklicht; lediglich ein un-vernünftiges (›protestantisches‹) Arbeitsethos sowie eine Fehlallo-kation der Arbeit verhinderten ihre volle Realisierung.3 Selbst noch warnte das amerikanische Life-Magazine vor einem bevor-stehenden massiven Zeitüberfluss in der modernen Gesellschaft,der gravierende psychologische Probleme aufwerfe: »AmericansNow Face a Glut of Leisure – The Task Ahead: How to Take LifeEasy« lautete die Schlagzeile der Ausgabe vom . Februar des Jah-res.4

    Unsere heutige Gesellschaft gleicht der ›utempischen‹ Stadt Kai-ros in vielerlei Hinsicht – und doch ist sie auch wiederum radikalverschieden von ihr. Aber warum? »Das Tempo des Lebens hat zu-genommen« und mit ihm Stress, Hektik und Zeitnot, so hört manallerorten klagen – obwohl wir, ganz wie in Kairos, auf nahezu allenGebieten des sozialen Lebens mithilfe der Technik enorme Zeitge-winne durch Beschleunigung verzeichnen können. Wir haben keineZeit, obwohl wir sie im Überfluss gewinnen. Dieses ungeheure Para-doxon der modernen Welt zu erklären, seiner geheimen Logik aufdie Spur zu kommen soll das Ziel dieses Buches sein.

    Dafür, so die leitende These der Arbeit, ist es erforderlich, die Lo-gik der Beschleunigung zu entschlüsseln. Eine nahe liegende Vermu-tung im Kontext der Eingangsgeschichte ist es zunächst, dass Lang-muts gewonnene Zeit dadurch wieder verloren geht, dass ja derKopierer, der Fotoapparat und die Heizung, mit deren Hilfe er soviel Zeit spart, selbst erst hergestellt bzw. verdient werden müssen.Geht man davon aus, dass auch in Kairos arbeitsteilig produziertwird, muss Langmut nach ›Erfindung‹ der Technik entsprechendmehr Bücher vervielfältigen als zuvor (was wiederum voraussetzt,dass auch der Bedarf an Büchern in Utempus entsprechend gestie-gen ist). Auf diese Weise könnte sich der Zeithaushalt entgegen denVerheißungen der Technik in ein Nullsummenspiel (oder gar in einNegativsummenspiel) verwandelt haben: Die Bewohner von Utem-pus bräuchten ebenso viel oder gar noch mehr Zeit, um die Zeit-spargeräte zu produzieren und sich leisten zu können, als siedadurch gewinnen. Das erinnert an jene inzwischen in vielerlei Russell . Zitiert nach Putnam , S. XIII.

  • Varianten und an vielen Orten erzählte Geschichte vom armenFischer und dem erfolgreichen Unternehmer.5

    In einer abgeschiedenen ländlichen Gegend Südeuropas sitzt einFischer am flachen Meeresstrand und angelt mit einer alten, herkömm-lichen Angelrute. Ein reicher Unternehmer, der sich einen einsamenUrlaub am Meer gönnt, kommt auf einem Spaziergang vorbei, beob-achtet den Fischer eine Weile, schüttelt den Kopf und spricht ihn an.Warum er hier angle, fragt er ihn. Draußen, auf den felsigen Klippenkönne er seine Ausbeute doch gewiss verdoppeln. Der Fischer blickt ihnverwundert an. »Wozu?«, fragt er verständnislos. Na, die zusätzlichenFische könne er doch am Markt in der nächsten Stadt verkaufen undsich von den Einnahmen eine neue Fiberglasangel und den hoch effek-tiven Spezialköder leisten. Damit ließe sich seine Tagesmenge an gefan-genem Fisch mühelos noch einmal verdoppeln. »Und dann?«, fragt derFischer, weiterhin verständnislos. Dann, entgegnet der ungeduldig wer-dende Unternehmer, könne er sich bald ein Boot kaufen, hinausfahrenins tiefe Wasser und das Zehnfache an Fischen fangen, sodass er in kur-zer Zeit reich genug sein werde, sich einen modernen Hochseetrawler zuleisten! Der Unternehmer strahlt, begeistert von seiner Vision. »Ja«, sagtder Fischer, »und was tue ich dann?« Dann, schwärmt der Unterneh-mer, werde er bald den Fischfang an der ganzen Küste beherrschen,dann könne er eine ganze Fischfangflotte für sich arbeiten lassen.»Aha«, entgegnet der Fischer, »und was tue ich, wenn sie für micharbeiten?« Na, dann könne er sich den ganzen Tag lang an den flachenStrand setzen, die Sonne genießen und angeln. »Ja«, sagt der Fischer,»das tue ich jetzt auch schon.«

    Natürlich ist diese Geschichte ziemlich naiv. Sie suggeriert, dassder höchst unwahrscheinliche Endpunkt der mühsamen Entwick-lungsgeschichte, die der Unternehmer dem Fischer schmackhaftmachen will, identisch mit der Ausgangssituation ist; dass der Fi-scher also letztlich, selbst wenn er Erfolg haben sollte, gar nichts ge-winnt. Der Unternehmer scheint daher ein eindeutiges Opfer desvon Russell beklagten ›protestantischen Arbeitsethos‹ zu sein: Ar-beit wird ihm zum reinen Selbstzweck, der Weg vom Ausgangszu-stand zum Endergebnis gleicht einem Nullsummenspiel – im güns-tigsten Fall. Aber natürlich ist die Geschichte in Wirklichkeit nichtzirkulär: Anfangs- und Endpunkt sind nur scheinbar identisch, in Am bekanntesten ist wohl Heinrich Bölls () Version in der Anekdote zur Sen-

    kung der Arbeitsmoral.

  • Wahrheit aber höchst verschieden. Der Fischer muss angeln, weil ersich dadurch seinen Lebensunterhalt verdient und weil er keine Al-ternativen hat; der reiche Unternehmer dagegen kann angeln, erkann aber auch tausenderlei andere Dinge tun. Die Erweiterung desMöglichkeitshorizontes ist somit ein wesentliches Element der ›Ver-heißung der Beschleunigung‹. Dadurch verändert sich aber unterder Hand auch die Natur des Angelns am Strand. Der Unternehmerist sich bewusst, dass er zur gleichen Zeit auch vieles andere tunkönnte, das er durch das Angeln verpasst: Die Bootstour, die Eröff-nung des Golfplatzes, die Fahrt zur nächsten Sehenswürdigkeit …Wird der Unternehmer dadurch in seiner Anglermuße gestört, sokommt er uns eben darin zwar sehr bekannt vor, aber um nichts we-niger töricht: Es ist die Angst, etwas zu verpassen, die ihn daran hin-dert, auf eine Weise »in der Welt zu sein«, in der es der (idealisierte)Fischer ist.

    Aber seine Verpassensangst hat nicht nur hedonistische Wurzeln,sie hat auch gute unternehmerische Gründe.

    Während er am Strand angelt, entwickelt die Konkurrenz neue, bes-sere Schiffe, erwirbt erweiterte Angelrechte, macht ihm sein Monopolan der Küste streitig – und ist so immer schon dabei, seinen Ruhesitz amAngelstrand zu untergraben. Zugleich ändern sich die Tarife der Kran-kenversicherung, der Telefongesellschaft und der Stromversorgung seinesUnternehmens sowie seines Privathaushalts, und die Anlagebedingun-gen, unter denen er seinen Reichtum verwaltet, sind ebenfalls im Fluss.Vielleicht sollte er sich besser um sie kümmern, anstatt zeitvergessen zuangeln – sonst wird er womöglich morgen nicht mehr angeln können.Auch braucht er dringend neue Kleider, denn was er trägt, ist vor zweiJahren aus der Mode gekommen, und seine Sonnenbrille entsprichtnicht den neuesten Strahlenschutznormen, sie ist ungesund. SeineFreunde ziehen ständig um – vielleicht sollte er besser nach Hausefahren und sie anrufen, bevor er ihre Spur ganz verloren hat. Jetzt imUrlaub hätte er ja endlich einmal Zeit dafür. Und seine Frau kommt inletzter Zeit abends immer später nach Hause – womöglich hat sie vor,ihn zu verlassen. Nein, er sollte nicht am Strand sitzen und angeln,während sich die Welt um ihn herum rasant verändert (verdammt, seinComputer ist inzwischen so alt, dass er die neueste Software gar nichtmehr laden kann, mit deren Hilfe er die Adressen verwalten möchte. Esist zu mühsam geworden, die Anschriften-, Telefon-, Handy-, Fax-und E-Mail-Änderungen dauernd per Hand zu verzeichnen. Das

  • Adressbuch ist durch das Überschreiben unlesbar geworden und zer-fleddert).

    Während der Unternehmer also am Strand sitzt und in Muße an-geln möchte, hat er das Gefühl, sich auf einem oder genauer noch:mehreren rutschenden Abhängen zu befinden oder auf nach untenfahrenden Rolltreppen – er sollte besser das Rennen aufnehmen, umseine Position zu halten, um auf dem Laufenden zu bleiben. Es istalso nicht nur die ›Verheißung der Beschleunigung‹, die ihn antreibt,das Tempo seines Lebens zu erhöhen, sondern es ist auch die hoheDynamik seiner technischen, sozialen und kulturellen Umwelt, diein wachsendem Maße komplex und kontingent geworden ist undihn damit zu dieser Steigerung zwingt. Daran zeigt sich, dass auchdie zweite Antwort auf die Fischer-Parabel noch naiv ist: Der reicheUnternehmer kann nicht einfach so angeln, wie der arme Fischer estun musste: Er kann zwar bewusst eine »Auszeit« nehmen und sichein paar Tage, selten Wochen, am Strand (ohne Handy- und E-Mail-Verbindung, ohne TV) »gönnen«, aber er zahlt für seinen Aufent-halt in der »Entschleunigungsoase«, in der ihm das, was der Fischeraus Armut tat, als unerhörter Luxus erscheint, einen Preis: Die Weltwird sich verändert haben, wenn er zurückkommt, er muss dannaufholen – oder einen Rückstand hinnehmen. Und dieses Bewusst-sein macht deutlich, dass sich nicht nur die soziale Welt zwischenAusgangs- und Endpunkt der Geschichte verändert hat, sondernauch die Persönlichkeit des angelnden Unternehmers selbst. Er istam Ende der Entwicklung auf eine andere Weise »in der Zeit« als anihrem Ausgangspunkt. Er hat eine andere Vorstellung vom Verhält-nis von Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit: die Zukunftsweltdes Unternehmers ist radikal verschieden von seiner Vergangenheit,während der Fischer (ähnlich wie Langmut in der ersten Geschichte)aus der Erfahrung der Vergangenheit weiß, womit er in der Zukunftzu rechnen hat. Erwartungshorizont und Erfahrungsraum sind fürihn weitgehend deckungsgleich, für den Unternehmer aber maxi-mal verschieden. Er hat ein anderes Gefühl für das Verstreichen derZeit und eine andere Vorstellung vom Wert der Zeit.

    Handelt es sich bei unserem Protagonisten um einen Unterneh-mer herkömmlicher Gestalt (und sein unternehmerisches Kalküllässt darauf schließen), dann wird er sich in höchstem Maße im Zeit-stress befinden. Er wird versuchen, die Kontrolle über sein Lebenund sein Unternehmen (und die für ihn relevanten sozialen Verän-

  • derungen) zu behalten und zukünftige Entwicklungen sorgfältig zuplanen. Je dynamischer jedoch seine Umwelt wird, je komplexerund kontingenter ihre Ereignisketten und Möglichkeitshorizontesich gestalten, umso uneinlösbarer wird dieses Vorhaben. Daherwird sich unser Unternehmer womöglich ein weiteres Mal verwan-deln: Er wird seinen Kontroll- und Steuerungsanspruch aufgebenund zum »Spieler« werden, der sich von den Ereignissen treibenlässt. Wenn die Konkurrenz meine Schiffe übermorgen wertlos gemachthaben sollte, eröffne ich eben ein Casino oder ich schreibe ein Buch,wandere aus nach Indien, um meinen Guru zu suchen, oder ich be-ginne ein Studium. Wer weiß. Das muss ich nicht heute entscheiden,das mache ich davon abhängig, wie ich mich übermorgen fühle undwelche Chancen sich mir dann bieten. Die Welt ist voller unerwarteterChancen und Möglichkeiten.

    Damit gleicht er in manchem wieder dem Fischer, der ja auchnicht versuchte, die Zukunft planmäßig und langfristig zu verän-dern. Vielleicht gewinnt er sogar wieder ein Moment von Muße zu-rück. Aber die Umwelt des Spielers bleibt hoch dynamisch – Erwar-tungs- und Erfahrungshorizont bleiben getrennt. Deshalb ist der(spätmoderne) Spieler auf eine andere Weise in der Zeit und in derWelt als sowohl der (vormoderne) Fischer als auch der (klassisch-moderne) Unternehmer.

    Die Art und Weise unseres In-der-Welt-Seins, so möchte ich inder nun folgenden Untersuchung zeigen, hängt in hohem Maßevon den Zeitstrukturen der Gesellschaft ab, in der wir leben. DieFrage danach, wie wir leben möchten, ist gleichbedeutend mit derFrage, wie wir unsere Zeit verbringen wollen, aber die Qualitäten»unserer« Zeit, ihre Horizonte und Strukturen, ihr Tempo und ihreRhythmen, stehen nicht oder nur zu einem geringen Maße in unse-rer Verfügung. Zeitstrukturen sind kollektiver Natur, gesellschaft-lichen Charakters; sie treten den handelnden Individuen stets insolider Faktizität entgegen. Die Temporalstrukturen der Moderne,so wird sich ergeben, stehen vor allem im Zeichen der Beschleuni-gung. Die Beschleunigung von Prozessen und Ereignissen ist einGrundprinzip der modernen Gesellschaft. Wie die beiden erzähltenGeschichten deutlich machen, sind die Ursachen und Wirkungswei-sen dieses Prinzips jedoch außerordentlich vielfältig und komplexund bisweilen paradox. Die Protagonisten sehen sich tatsächlichnicht einer, sondern drei verschiedenen Arten von Beschleunigung

  • gegenüber: Sie haben es zum Ersten mit technischer Beschleunigungzu tun, die sich, wie die Geschichte von Kairos illustriert, abstrakt-logisch betrachtet entschleunigend auf das Tempo des Lebens auswir-ken sollte. Tatsächlich stellt aber die Beschleunigung des Lebenstemposeine zweite, angesichts der technischen Beschleunigung paradoxeForm sozialer Akzeleration dar, die, wie die angestellten Überlegun-gen zum Dilemma des Unternehmers zeigen, möglicherweise miteiner dritten, analytisch unabhängigen Erscheinungsweise sozialerBeschleunigung zusammenhängt: mit der Beschleunigung der sozia-len und kulturellen Veränderungsraten. Das komplexe Zusammen-wirken dieser Beschleunigungsformen, so möchte ich darlegen, istdafür verantwortlich, dass an die Stelle des erträumten utempischenZeitwohlstands in der sozialen Realität westlicher Gesellschaftenein gravierender und sich verschärfender Zeitnotstand getreten ist;eine Zeitkrise, welche die herkömmlichen Formen und Möglichkei-ten individueller wie politischer Gestaltungsfähigkeit in Frage stelltund zu der verbreiteten Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Kri-senzeit geführt hat, in der sich paradoxerweise das Gefühl ausbreitet,hinter der permanenten dynamischen Umgestaltung sozialer, mate-rialer und kultureller Strukturen in der »Beschleunigungsgesell-schaft« verberge sich in Wahrheit ein tief greifender strukturellerund kultureller Stillstand, eine fundamentale Erstarrung der Ge-schichte, in der sich nichts Wesentliches mehr ändere, wie schnellauch immer sich die Oberflächen wandelten. Neue, den veränder-ten Zeitstrukturen angepasste Identitätsmuster und soziopolitischeArrangements sind dabei durchaus denkbar – sie erfordern aber, sodie These dieser Untersuchung, die Preisgabe der tiefsten ethischenund politischen Überzeugungen der Moderne, die Preisgabe des(dann gescheiterten) ›Projekts der Moderne‹.

    Das Verfassen einer Habilitationsschrift und dann eines Buchma-nuskriptes ist in vielfacher Weise ebenfalls ein Kampf mit der Zeitund gegen die Uhr. Dass ich ihn in, wie ich hoffe, akzeptabler Weisebeenden konnte, verdanke ich einer großen Zahl von Freunden,Ratgebern, Diskussionspartnern und Begleitern, die mich über dieJahre hinweg in mannigfacher Weise unterstützt und erheblich zuden Stärken des Buches beigetragen haben – für die verbleibendenSchwächen zeichne ich natürlich alleine verantwortlich. Nennenmöchte ich zuerst und zunächst Hans-Joachim Giegel, Klaus Dicke

  • und Axel Honneth, die als Gutachter, aber auch weit darüber hi-naus als Diskussionspartner und Kritiker aus drei unterschiedlichendisziplinären Perspektiven großen Anteil an der Schärfung meinerArgumentation hatten und mich auf dem Arbeitsweg immer wiederermutigten und vor Irrtümern bewahrten. Das gilt auch für Her-fried Münkler, der mir insbesondere in der Frühphase bei der Kon-turierung meines Projekts unschätzbare Unterstützung gewährteund in seinem Forschungskolloquium ein wertvolles Diskussions-forum bereitstellte. Dafür gebührt ihm mein besonderer Dank.

    Wertvolle Hinweise und Anregungen habe ich von zu vielen Kol-legen und Kolleginnen erhalten, als dass ich sie alle nennen könnte.In besonderer Weise verpflichtet bin ich aber der Graduate Facultyder New School University in New York, an der ich aufgrund einesFeodor-Lynen-Forschungsstipendiums, das mir die Alexander vonHumboldt-Stiftung großzügigerweise verliehen hat, von Septem-ber bis August (von weltpolitischen Ereignissen abgese-hen) ungestört arbeiten konnte. Andrew Arato, Richard Bernsteinund Nancy Fraser gebührt mein besonderer Dank. William Scheu-erman war mir aufgrund der thematischen Nähe unserer Arbeitenein außerordentlich wichtiger Gesprächspartner – und ein guterFreund. Das Gleiche gilt für Manfred Garhammer. Von Hanns-Georg Brose, Barbara Adam und Martin Kohli habe ich wichtigeprofessionelle Hilfe erhalten. Danken möchte ich weiterhin meinenJenaer Kollegen Michael Beetz, Michael Behr, Robin Celikates,Klaus-M. Kodalle, Jörn Lamla, Lutz Niethammer, Mike Sandbothe,Rainer Treptow und insbesondere Ralph Schrader und AndreaKottmann. Ein unverzichtbarer Ratgeber bei allen professionellenEntscheidungen war mir André Kaiser. Neben der Humboldt-Stif-tung möchte ich auch der Körber-Stiftung für ihre Unterstützungmeiner Arbeit und die hervorragende Zusammenarbeit danken.

    Stefan Amann, Jörn Arnecke, Elisabeth Herrmann, James Ingram,Christian Kraus, Carola Lasch, Paulus Liening, Stephan Zimmer-mann und Frieder Weis haben mich in freundschaftlichen Gesprä-chen zu entscheidenden Gedanken inspiriert – manche Einsichtkam mir auch während der endlosen Sonntage mit den Jungs desTC Grafenhausen auf Gegners Tennisplätzen und in der intensivenDiskussion mit den engagierten Teilnehmern der Deutschen Schü-lerAkademien in Braunschweig von bis . Heiko Steinigerhat sich als studentische Hilfskraft mit unermüdlichem Einsatz um

  • die Literaturbeschaffung verdient gemacht. Frau Ursula May hatdas gesamte Manuskript mit beeindruckender Genauigkeit und Ur-teilsschärfe Korrektur gelesen – dasselbe gilt auch für Bernd Stieglervom Suhrkamp Verlag; beiden bin ich sehr zu Dank verpflichtet.

    Widmen möchte ich das Buch meinen Geschwistern Armin undChristine.

  • I. Einleitung

    »Was die Gesellschaftstheorie aus Eigenemleisten kann, gleicht der fokussierendenKraft eines Brennglases. Erst wenn die So-zialwissenschaften keinen Gedanken mehrentfachten, wäre die Zeit der Gesellschafts-theorie abgelaufen.«

    Jürgen Habermas (, Bd. , S. )

    . Zeitstrukturen in der Gesellschaft

    Die Überzeugung, dass alle Ereignisse, Objekte und Zustände inder sozialen Welt dynamischer oder prozessualer Natur sind undZeit daher eine Schlüsselkategorie für jede angemessene Analysedarstellt, ist inzwischen nahezu zu einem Gemeinplatz in den So-zialwissenschaften geworden. Allein, es hat den Anschein, als obebenjene Wissenschaften mit dieser Erkenntnis bisher nicht allzuviel anzufangen wüssten. Immer wieder wird erstaunt konstatiert,dass sich nahezu alle sozialen Phänomene ›temporal rekonstruieren‹,das heißt unter zeitbezogenen Gesichtspunkten neu beschreibenlassen – von Herrschaftstechniken über Klassenunterschiede, inter-kulturelle Probleme, sozioökonomische Entwicklungsrückstände,Geschlechterverhältnisse, Wohlfahrtsregime bis hin zu Kranken-haus-, Gefängnis- und Drogenerfahrungen.1 Diese Feststellungbleibt jedoch in aller Regel eigentümlich konsequenzlos. Aus derzeitsoziologischen Neubeschreibung ergibt sich zumeist kein theo-rie- oder praxisrelevanter Erkenntnisgewinn für die untersuchtenProblembereiche, und die getrennt erhobenen Befunde scheinen

    Zu den Herrschaftstechniken vgl. Levine , S. ff.; Lauer , Virilio und Bourdieu ; Überblicke zu den Klassenunterschieden bieten Lauer und Bergmann , S. ff.; zu Zeit und Multikulturalismus siehe Levine und Marschall . Lauer , S. ff., diskutiert den Zusammenhang vonZeitstrukturen und Entwicklung; für die Geschlechterverhältnisse vgl.Hufton/Kravaritou , Shaw oder Tronto . Garhammer analy-siert den Zusammenhang von Zeitmustern und Wohlfahrtsregimen. Für die letz-ten drei Themen vgl. Zerubavel , Brown und Flaherty , S. ff. und ff. respektive.

  • sich auch kaum zu einer systematischen Zeitsoziologie verbinden zulassen.

    So ist es wenig überraschend, dass bis in die späten Achtzigerjahredes letzten Jahrhunderts hinein zeitsoziologische Abhandlungenstets von Neuem mit der geradezu stereotypen Feststellung begin-nen, dass erstens Zeit eine Fundamentalkategorie der sozialen Wirk-lichkeit sei, dass es aber zweitens bis zum Erscheinen der jeweiligenArbeit keine nennenswerte Zeitsoziologie gebe, was der Autor oderdie Autorin daher zu ändern gedenke.2 Dabei wiesen Robert Lauerund Werner Bergmann bereits Anfang der Achtzigerjahre in ver-dienstvollen und ausführlichen Literaturüberblicken nach, dass esschon damals entgegen dieser hartnäckig sich haltenden Überzeu-gung geradezu Berge an zeitsoziologischen Untersuchungen gab.3Gleichwohl lautet auch ihr Verdikt, dass es an einer sorgfältigen undtheoretisch wie empirisch gehaltvollen sozialwissenschaftlichenAnalyse der Zeit nach wie vor mangele.

    Das Hauptproblem der soziologischen Zeitanalyse besteht da-bei nach Bergmann darin, dass es ihr an einer fundierten und sys-tematischen Anbindung an die soziologische Theoriebildungfehle. In der Regel lägen sozialwissenschaftlichen Zeitstudienvorwissenschaftliche und willkürlich gewählte, meist lose an phi-losophische oder anthropologische oder auch alltägliche Begriffeangelehnte Zeitkonzepte zugrunde. Infolgedessen bestehe die zeit-soziologische Literatur aus einer Vielzahl unverbundener, nicht-kumulativer und aufgrund des mangelnden Anschlusses an gesell-schaftstheoretische Ansätze geradezu ›solipsistischer‹ Studien.4 Andiesem Zustand hat sich bis heute nicht viel geändert. Zwar begin-nen zeitgenössische Abhandlungen kaum mehr mit der Behaup-tung, es gäbe bis zum Erscheinen ebendieses Werkes praktischkeine Zeitsoziologie, sondern stattdessen zumeist mit einem oftchronologischen oder nach Subdisziplinen geordneten Überblicküber die wichtigsten, unverbundenen, zeitsoziologischen und -philosophischen Untersuchungen, die dann für unverbundenund unbefriedigend erklärt werden, doch folgt dem nur allzu ofteine weitere ›solipsistische‹ Abhandlung, meist mit selektiven An-

    Stellvertrend für viele etwa Zerubavel , S. IX ff. Lauer , Bergmann ; vgl. ferner Adam , S. , und Nowotny ,

    S. . Bergmann , S. ; vgl. Adam , S. f.