Bettina Pahn SINGEN ÖFFNET DIE Seele · Vielen Musikliebhabern ist sie vor allem als...

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Vielen Musikliebhabern ist sie vor allem als „Spezialistin“ für die Musik des Barock bekannt. Hier hat sich Sopranistin Bettina Pahn einen Namen gemacht, hier meldet sich die Kritik mit vollmundigen Beurteilungen: Die junge Sängerin sei „ein Versprechen für die Zukunft“, meistere „anspruchsvollste Partien makellos“ und sei den „vertracktesten Kolora- turen gewachsen“. Kein Wunder, dass sie für hochrangige Festivals und Aufführungen verpflichtet wird und bei diversen CD-Produktionen mitwirkt. Bettina Pahn ist mehr als „nur“ eine inte- ressante, neue Stimme. Dass sie sich über die künstlerische Rolle hinaus auch für die psy- chischen, physischen und vor allem die päda- gogischen Aspekte des Singens Gedanken macht, offenbart die vielbeschäftigte Nach- wuchssängerin im Gespräch mit Hans Bäß- ler. Sopranistin Bettina Pahn erzählt, wie sie zum Singen kam, ihre Stimme kennenlernte und was sie über Stimmausbildung denkt SINGEN ÖFFNET DIE Seele PORTRÄT Wie Sie Volkslieder singen, ist faszi- nierend. Sie setzen eine so extrem natürliche Stilistik ein, dass sich der Zuhörer die Frage stellt: Woher kommt das? Hat es mit dem Elternhauss zu tun, mit der Erziehung in der Schule, wo dieses Singen vielleicht gepflegt wurde? Pahn: Da ich von frühester Kindheit an Volkslieder im familiären Bereich gesungen habe, ist es für mich die natürlichste Sache der Welt. Das Singen dieser Lieder hatte in der DDR sowohl im schulischen als auch im privaten Rahmen eine große Tradition. Bei uns zu Hause wurde zu Weihnachten drei- oder vierstimmig gesungen. Im Auto gab es für längere Reisen immer zwei Volksliederbücher, aus denen wir stunden- lang Lieder wählten und sangen. In der Schule wurde zu Beginn fast jeder Stun- de ein Volkslied gemeinsam gesungen. Das bringt Energie und macht munter. Das viele Wiederholen der Volks- lieder im Laufe meiner Kindheit und Jugend, das Lernen der Strophen führte zum Entstehen ganz eigener Bilder und zu der Form, in der ich die Volkslieder heute singe. Ich halte es für wichtig, dass die Volkslieder wieder Einzug in die Hausmusik finden, für die Kinder, Jugendlichen und die Erwachse- nen. Bei den Erwachsenen lösen die Lieder schöne Jugenderinnerungen aus. Kinder und Jugendliche verstehen diese Musik und die Texte, die Fantasie wird angeregt, beim gemeinsamen Singen ergibt sich ein gutes Gemeinschaftsge- fühl und sie lernen darüber ein ganz Wir reißen sie ja quasi aus Ihrer Arbeit heraus, was machen Sie im Moment musikalisch? Bettina Pahn: Gerade ist eine CD mit meinem „Trio Gabriel“ – mit dem Fötisten Moshe Aaron Epstein und dem Organisten Wolfgang Zerer – erschienen. Darauf sind Arien zu hören von Georg Friedrich Händel, aus diversen Kantaten von Johann Sebastian Bach sowie eine Ersteinspielung der Motette Laetatus sum für Sopran und B.c. von Rein- hard Keiser. Zudem stehen im Buxtehude- Jahr 2007 weitere Konzerte und CD-Pro- duktionen mit Ton Koopman mit Kantaten von Dietrich Buxtehude und Bach an, für mich eine ganz besonders spannende Arbeitsperspektive. Im Dezember werde ich in Berlin mit dem Kreuzchor im Konzerthaus auftreten. Das ist schön, denn als Kind wollte ich in der DDR eigentlich Junge sein und in die- sem Chor mitsingen. Und Anfang des nächsten Jahres steht eine CD-Einspielung mit dem Lautenisten Joachim Held und deutschen Volksliedern auf dem Plan. Die Aufnahme von Volksliedern in mein Konzert-Repertoire ist für mich etwas ganz Besonderes in meinem Sängerdasein. Im übrigen hat im Oktober in Rostock mein zweites Semester als Gesangspädago- gin im Bereich Schulmusik an der Hoch- schule für Musik und Theater begonnen. „Ich wollte ein Junge sein und im Kreuz- chor singen": Bettina Pahn. Foto: Rosa Frank 45 MUSIK ORUM

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Vielen Musikliebhabern ist sie vor allem als „Spezialistin“ für die Musikdes Barock bekannt. Hier hat sich Sopranistin Bettina Pahn einen Namengemacht, hier meldet sich die Kritik mit vollmundigen Beurteilungen:Die junge Sängerin sei „ein Versprechen für die Zukunft“, meistere„anspruchsvollste Partien makellos“ und sei den „vertracktesten Kolora-turen gewachsen“. Kein Wunder, dass sie für hochrangige Festivals undAufführungen verpflichtet wird und bei diversen CD-Produktionen mitwirkt.

Bettina Pahn ist mehr als „nur“ eine inte-ressante, neue Stimme. Dass sie sich über diekünstlerische Rolle hinaus auch für die psy-chischen, physischen und vor allem die päda-gogischen Aspekte des Singens Gedankenmacht, offenbart die vielbeschäftigte Nach-wuchssängerin im Gespräch mit Hans Bäß-ler.

Sopranistin Bettina Pahn erzählt, wie sie zum Singen kam, ihre Stimme kennenlernteund was sie über Stimmausbildung denkt

SINGEN ÖFFNET DIE Seele

PORTRÄT

Wie Sie Volkslieder singen, ist faszi-nierend. Sie setzen eine so extrem natürlicheStilistik ein, dass sich der Zuhörer die Fragestellt: Woher kommt das? Hat es mit demElternhauss zu tun, mit der Erziehung in derSchule, wo dieses Singen vielleicht gepflegtwurde?

Pahn: Da ich von frühester Kindheit anVolkslieder im familiären Bereich gesungenhabe, ist es für mich die natürlichste Sacheder Welt. Das Singen dieser Lieder hatte inder DDR sowohl im schulischen als auchim privaten Rahmen eine große Tradition.Bei uns zu Hause wurde zu Weihnachtendrei- oder vierstimmig gesungen. Im Autogab es für längere Reisen immer zweiVolksliederbücher, aus denen wir stunden-lang Lieder wählten und sangen. In derSchule wurde zu Beginn fast jeder Stun-

de ein Volkslied gemeinsam gesungen.Das bringt Energie und macht munter.

Das viele Wiederholen der Volks-lieder im Laufe meiner Kindheit undJugend, das Lernen der Strophenführte zum Entstehen ganz eigenerBilder und zu der Form, in der ich dieVolkslieder heute singe. Ich halte es fürwichtig, dass die Volkslieder wieder

Einzug in die Hausmusik finden, für dieKinder, Jugendlichen und die Erwachse-nen. Bei den Erwachsenen lösen dieLieder schöne Jugenderinnerungen aus.Kinder und Jugendliche verstehen dieseMusik und die Texte, die Fantasie wirdangeregt, beim gemeinsamen Singenergibt sich ein gutes Gemeinschaftsge-fühl und sie lernen darüber ein ganz

Wir reißen sie ja quasi aus IhrerArbeit heraus, was machen Sie im Momentmusikalisch?

Bettina Pahn: Gerade ist eine CD mitmeinem „Trio Gabriel“ – mit dem FötistenMoshe Aaron Epstein und dem OrganistenWolfgang Zerer – erschienen. Darauf sindArien zu hören von Georg Friedrich Händel,aus diversen Kantaten von Johann SebastianBach sowie eine Ersteinspielung der MotetteLaetatus sum für Sopran und B.c. von Rein-hard Keiser. Zudem stehen im Buxtehude-Jahr 2007 weitere Konzerte und CD-Pro-duktionen mit Ton Koopman mit Kantatenvon Dietrich Buxtehude und Bach an, fürmich eine ganz besonders spannendeArbeitsperspektive.

Im Dezember werde ich in Berlin mitdem Kreuzchor im Konzerthaus auftreten.Das ist schön, denn als Kind wollte ich inder DDR eigentlich Junge sein und in die-sem Chor mitsingen. Und Anfang desnächsten Jahres steht eine CD-Einspielungmit dem Lautenisten Joachim Held unddeutschen Volksliedern auf dem Plan.Die Aufnahme von Volksliedern in meinKonzert-Repertoire ist für mich etwas ganzBesonderes in meinem Sängerdasein.

Im übrigen hat im Oktober in Rostockmein zweites Semester als Gesangspädago-gin im Bereich Schulmusik an der Hoch-schule für Musik und Theater begonnen.

„Ich wollte ein Junge sein und im Kreuz-chor singen": Bettina Pahn. Foto: Rosa Frank

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»Begabung kann man nicht anerziehen, aber Kreativität und Mut zur eigenen Stimme lassen sich oft freischaufeln«

freies Singen. Deswegen machen wir jetztdiese CD auch vollkommen anders, als wirheute Volksmusik – etwa im Musikanten-stadl – erleben. Ich singe nur mir einemBegleitinstrument, da-mit das, was dieVolkslieder sagen, direkt wieder in dieHerzen der Zuhörer getragen werdenkann.

Nun sind Sie ja an der HauptkircheSt. Michaelis in Hamburg auch noch alsStimmbildnerin tätig. Wie kriegt man daszeitlich alles unter einen Hut?

Pahn: Indem man entscheidet, welcheDinge wichtig sind. Für mich ist das Unter-richten genauso wichtig wie das Singen imKonzert. Somit stellt sich diese Frage eigent-lich nicht. Ich sehe das Unterrichten alsLernprozess für mich und es bereichertmich.

Gibt es in Ihrer Familie gesangspäda-gogische Vorläufer?

Pahn: Mein Vater ist Phoniater, meineMutter Logopädin und Sprecherzieherin.Mein Vater kümmerte sich besonders umdie Heilung von kranken Stimmen, wäh-rend meine Mutter an den Theatern inSchwerin und Stralsund arbeitete. Sie istseit langem Professorin für Sprecherzie-hung an der Hochschule für Musik undTheater in Rostock.

Sehr früh habe ich zu Hause Bekannt-schaft mit dem Metier Stimme gemacht.Im Hinblick auf das Theater war ich alsMädchen zwar mehr interessiert an denschönen Kleidern, die ich sah, aber wirsprachen oft nach den Vorstellungen überunsere Eindrücke von den gehörten Stim-men in Schauspiel und Oper. Sehr geprägthat mich natürlich auch, dass wir zu Hausesehr früh gesungen haben. Hausmusik undVolkslieder singen waren die schönstenStandbeine meiner Jugend .

Wurden Sie noch in der DDR gesang-lich ausgebildet?

Pahn: Ja, obwohl ich zunächst am Kon-servatorium in Rostock Violoncello spielenlernte und auch mein Musikstudium inBerlin, an der Hochschule für Musik „HannsEisler“, mit dem Cellostudium begann. Nacheinem Jahr Gesangsunterricht bestand ichdie Aufnahmeprüfung für Gesang und be-kam einen Platz in der Klasse von RenateKramer. Aber dann wurde ich schwangerund wusste, dass ich mich nun entscheidenmüsste, da ich zwei Studienfächer undMutterdasein auf einmal nicht schaffenkonnte. So habe ich das Cellospiel, das ichsehr geliebt habe, aufgegeben.

Ungefähr Anfang des Jahres 1989 plan-ten der Vater meines Kindes und ich, dieDDR durch eine Flucht über Ungarn zu ver-lassen, da die Situation immer bedrücken-der und bedrohlicher wurde. Kurz vor derGrenzöffnung sind wir dann mit dem zweiMonate alten Sohn nach Budapest geflo-gen und nicht zurückgekehrt. In Frankfurtam Main habe ich erneut die Gesangsauf-nahmeprüfung gemacht. Ich hatte das Glück,bei Prof. Elsa Cavelti und Prof. Rainer Hoff-man zu studieren. Von großer Bedeutungwar für mich auch der Unterricht „Liedund Oratorium“ bei Prof. Reinhardt , dermich frühzeitig auf meine gute Eignung fürden Barockgesang aufmerksam machte.Am Ende meines Studiums prägten zweiDirigenten meinen weiteren Weg: FriederBernius mit dem Kammerchor Stuttgart,der mich sehr gefördert hat, und der Würz-burger Kirchenmusikdirektor ChristianKabitz, bei dem ich alle wichtigen Oratorienzum ersten Mal sang.

Erlebnisse und Erfahrungen lassen sichnatürlich in einer Stimme wiederfinden.Dadurch kann es leicht zu fehlerhaftemUmgang mit der Stimme kommen. Fürmich bedeutete die Begegnung mit demfunktionalen Stimmtraining durch meinen

Sängerkollegen und Lehrer Alexander Plust,den ich in Wien 2003 anlässlich einermodernen Opernproduktion im Rahmender Wiener Festwochen kennenlernte, eineentscheidende Hilfe. Ich bewunderte damalsschon den sicheren und beweglichen Um-gang Saschas mit seinem Körper, seinemVibrato und dem schönen Stimmklang.Also bat ich ihn, mit mir zu arbeiten. Nachunendlich vielen Stunden und täglichenProben sang ich von Tag zu Tag freier undbesser. Ich musste den Körper enorm vielbewegen und viele Übungen im Sprech-stimmbereich absolvieren. Mein Körper er-holte sich von der Überspannung und meinSingen wurde viel bewusster, der Atemfloss entspannter. Ich begann zu lernen, vordie Klangvorstellung eine bewusste Bewe-gung des Atem- und Stimmapparates zusetzen. Ich konnte mich plötzlich selbersehen.

Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dassviele Sänger und Studenten neben denklanglichen Vorstellungen auch ein Bild vonsich selbst haben. Das bedeutet keinesfalls,dass das der Weg ist, um singen zu lernen,aber für mich „kopfigen“ Typ war es dieMöglichkeit, meine Stimme kennenzulernen.Talent, Ausdauer, Arbeit an Klang und

PORTRÄT

Bettina Pahn studierte Gesang in Berlin, Frankfurt am Main und Basel mit frühzeitiger Speziali-sierung auf Barockmusik. Sie ist Gast bei wichtigen Festivals und Aufführungen von Alter Musik,darunter den „Internationalen Tagen für Alte Musik“ in Stuttgart, den „Händel-Festspielen“ inHalle, beim „Rishon Lezion Festival“ in Israel und „Festa da Musica-Bach“ in Lissabon.

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Diktion und Leistungsfähigkeit sind absolutnotwendig, um Sänger zu werden.

Muss also ein guter Sänger zu sich inDistanz treten, um sich selber singen zu sehen?Muss er erst bestimmte Erfahrungen gemachthaben, um das, was er singt, auch entsprechendauszudrücken? Oder kann man auch ganznaiv Leid und Freude singen, ohne sie jemalsselbst erfahren zu haben?

Pahn: Ich glaube nicht, dass man großesLeid selber erfahren muss, um es singen zukönnen, aber sicher hört man einer Stimmeseelisches Erleben an. Es gibt einige große,steile Karrieren, wie die von Anna Netrebko,die so wunderbar frei singt und die für micheinfach ein großartiges Urvertrauen imSingen verkörpert. Aber ich weiß, dass esSänger gibt, denen seelisch Erlebtes auchmal auf die Stimme schlägt, die damit um-gehen lernen müssen, um professionellarbeiten zu können. Leid und psychischeBelastung – wie auch Glück und Freude,die ja positiv auf Seele und Stimme wirken– beeinflussen uns, so dass der Gesangs-lehrer Möglichkeiten bieten sollte, solcheSpannungen von der Stimme zu lösen.Die Arbeit an stimmtechnischen Funktionen,gerade im unteren Vokaltrakt – Halsbe-reich und Zungenarbeit – bringt über diestarke Konzentration auf die eigene Beweg-lichkeit und das Fühlen der Stimmbewegungund des Atems Ruhe und innere Sicherheitin schwierigen Situationen. Das „Außer-sichsein“ kann abgebaut werden und durchbewusste Stimm- und Körperarbeit schritt-weise ersetzt werden. Besonders im Schul-bereich gibt es viele „kaputte“ Lehrerstimmen,die allein keinen Weg aus dem Dilemmafinden. Es ist schwierig sich vorzustellen,dass diese Menschen 30 Kinder bändigensollen. Sie stehen häufig unter seelischembzw. psychischem Druck, der innerhalbdes Stimmunterrichts mitbehandelt werdenmuss, so dass die Lehrer mit ihrer Stimmewieder sicher arbeiten können.

Im heutigen Gesangsunterricht gibt eseine eigenartige Dynamik. Viele Gesangs-lehrer sagen, dass das Psychische draußenbleiben soll. Oft gibt der Lehrer dem Schü-ler lediglich seine Klangvorstellung weiter.Für mich stellt sich hier die Frage: Solltenicht jeder Gesangslehrer auch etwas vondem Wissen der Logopäden, Atem- undStimmtherapeuten und Stimmphysiologenin den Gesangsunterricht einbringen?Dieses Wissen gehört nämlich zur Grund-ausbildung einer Stimme und ist nicht nurMittel zur Reparatur von Stimmschäden.Ich versuche, meinen Unterricht in diesemSinne zu gestalten.

Es gibt Beobachtungen, dass Stimmennicht mehr so gesund oder so natürlich in derEntwicklung erzogen werden, wie es vielleichtnoch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war.Ohnehin kann man einen Abbruch in derSingetradition beobachten, in weniger als 20Prozent der Haushalte wird überhaupt nochgesungen. Macht es sich bei den Schulmusik-studenten bemerkbar, dass sie oftmals nichtmehr über eine gesunde Stimme verfügen?

Pahn: Ich habe seit einigen Jahren –über die Einzel-Stimmbildung – Erfahrungim Unterrichten von Lehrern. Junge Musik-lehrer unterrichte ich allerdings erst seiteinem Semester. Insofern sind meineErfahrungen begrenzt. Eines kann ich abersagen: Es gehören eine sehr gute Stimm-ausbildung und ein Bewusstsein für dieseNotwendigkeit auf beiden Seiten dazu,zudem innere Stärke. Und: Man muss Kin-der lieben, um diesen anstrengenden Berufgut durchzustehen. Ganz sicher stärkt frü-hes Singen die Stimme. Sie wächst dannmit dem wachsenden Bewusstsein. Ichbemerke häufig, dass besonders Mädchenund Frauen nicht mit ihrer natürlichenStimme sprechen, sondern einen Klangbenutzen, der „lieb“ und „nett“ sein soll.Das ist fatal, da die Stimme Ausdruck derPersönlichkeit sein sollte. Die Stimme wirdnicht ihre natürliche Kraft entfalten.

Pahn: Eine Grundvoraussetzung, um„pädagogisch zu locken“, ist, diesen Berufmit Lust und Neugier zu machen. Begabungkann man nicht anerziehen, aber Kreativitätund Mut zur eigenen Stimme lassen sichoft freischaufeln.

Ich glaube, der Lehrer muss auf dieindividuellen Bedürfnisse der grundver-schiedenen Studenten eingehen. Aber dasgeht nur, wenn er sehr viel über die Funk-tionen, die im Körper stattfinden, weißund wenn er bereit ist, sich damit und mitden seelischen Zuständen seiner Schülerauseinander zu setzen.

Kann man sagen, dass die Stimmeetwas mit Stimmung zu tun hat?

Pahn: Ja, denken wir nur an Redewen-dungen wie „Ich habe die Nase voll“, „Essitzt mir im Nacken“, „Jetzt wird mir gleichder Hals dick“, „Ich habe einen Kloß imHals“. Diese alten Sätze haben ja etwas zubedeuten. Sie bedeuten, dass das negativErlebte auf die Nase, den Resonanzbereich,und den Hals als Sitz der Stimme gehenkann.

Verändert die Gefühlslage den Men-schen?

Pahn: Aber ja, im besten Fall öffnetSingen einfach die Seele.

Wie kann man – pädagogisch betrach-tet – Stimmen locken, die bis zu einem gewis-sen Zeitpunkt noch nicht entdeckt oder gewecktworden sind, beispielsweise bei Menschen, diejetzt 20 oder 21 Jahre alt sind?

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Bühnenpräsenz: Bettina Pahn im Duett mitMatthias Koch in Galuppis La Diavolessa imPotsdamer Hans-Otto-Theater.

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Auch das Cover geht mit der Zeit:Seit 20 Jahren präsentiert die CD-Reihe

„Edition Zeitgenössische Musik“ des Deut-schen Musikrats die aktuelle Komponisten-Szene. Jüngste Ausgaben: Die CDs „Cross-Cut Edition“ und das Jens Joneleit-Porträt.

Eine ebenso bemerkens- wie hörenswerte CD-Reihe feiert Jubiläum:1986 beschloss das Präsidium des Deutschen Musikrats, unter dem

Namen „Edition Zeitgenössische Musik“ (EZM) Komponisten der NeuenMusik akustisch zu porträtieren. Inzwischen sind 61 Tonträger erschienen– und quasi als „Geburtstagsveröffentlichung“ mit Werbecharakter wurdegerade die CD-Compilation „CrossCut Edition“ herausgebracht.

Die Idee zur Edition verknüpft sich engmit der nur wenige Jahre vorher erfundenenCompactDisk. Die CD tat der Musikwelt vonAnfang an gut, insbesondere ihren entlege-nen und seltenen Biotopen. Schließlich er-möglichen die digitalen Silberlinge (klang-)technisch hochwertige, schnelle und mittler-weile recht kostengünstige Produktionen, sieerlauben die Wiedergabe von zeitlich ausge-dehnten Spielstücken, sie gestatten sehr schlich-te bis überaus aufwändige und dennoch guthandhabbare Emballagen inklusive umfang-reicher wie praktikabler Booklets, sie sind leichtzu verschicken, aufzubewahren, zu präsen-tieren.

Kurzum: ein ideales Medium, das geradedem Musikrat entgegenkam, der mit seinerEdition und den personenbezogenen Port-rät-CDs klangästhetische Ideen bekannt(er)machen wollte. Und es kam auch den Kom-ponisten entgegen, die entscheidenden Ein-fluss nehmen konnten auf Konzeption undGestaltung des Tonträgers, auf die Auswahlder Werke und Interpretationen sowie denAutor des Booklets. Wenn dann die CD nochvon einem größeren Label – wie in diesemFall: Wergo – publiziert wird, das auch füreine flächendeckende Distribution sorgt, danndürften keine Wünsche offen bleiben. EineReferenz-CD in eigener Sache und in Eigen-regie des künstlerischen Urhebers war mitder „Edition Zeitgenössische Musik“geboren.Und das, ohne den Komponisten finanziellzu belasten oder ihn am Negativrisiko zu be-teiligen. Die Herstellungskosten trägt der Deut-sche Musikrat.

Angesiedelt ist die Anthologie dort bei den„Förderungsprojekten Zeitgenössische Musik“,die bis zum Sommer 2006 von HanneloreThiemer geleitet wurden. Hier wurden dieKriterien für die Edition entwickelt und ste-tig verfeinert, Produktionspartner gesucht undnahezu immer gefunden. Aufgaben, die nunKerstin Jaunich als Nachfolgerin von Han-nelore Thiemer wahrnimmt. Auch ihr stehtein Projektbeirat als unabhängige Fachjuryzur Seite. Er entscheidet, welcher Kompo-nist künftig mit einer Porträt-CD bedachtwerden soll.

Mitglieder des vom Präsidium des Musik-rats einberufenen Auswahlausschusses, demseit 1986 Wolfgang Rihm vorsteht, sind derzeitdie Komponistinnen Carola Bauckholt undIsabel Mundry (beide sind selbst mit einerCD in der Edition vertreten), die Rundfunk-redakteure Rainer Pöllmann (Deutschland-Radio Kultur), Meret Forster (MDR), FrankKämpfer (Deutschlandfunk) und FriedrichSpangemacher (SR), der Musikwissenschaft-ler Ulrich Mosch (Paul Sacher Stiftung Ba-sel), der Dirigent Peter Rundel sowie die Mu-sikverlegerin Dagmar Sikorski (zugleich Mit-glied im Präsidium des Deutschen Musikrats).

Gewichtige Enzyklopädie

Addiert man zu den vielen teils jetzt schonsehr bekannten Komponistennamen, die aufden bisher erschienenen CDs vertreten sind(siehe Kasten rechts), noch diejenigen der In-terpreten hinzu, so präsentiert sich die „Edi-tion Zeitgenössische Musik“ als gewichtigeEnzyklopädie lebendiger Musikgeschichte inder Bundesrepublik, auch dank der instrukti-

Stefan Fricke zum 20-jährigen Jubiläum der „EditionZeitgenössische Musik“ des Deutschen Musikrats

DER GEGENWARTSch(r)eiben

ven Booklet-Informationen. Abgesehen vonden zahlreichen herausragenden Solisten, diefamose Einspielungen der entsprechenden Stü-cke beigesteuert haben, seien hier stellver-tretend nur einige Ensembles und Orchestergenannt: musikFabrik, Ensemble SurPlus, En-semble Resonanz, Ensemble Modern, Ardit-ti Quartet, ensemble Intégrales, ensemble re-cherche, Neue Vocalsolisten, KlangforumWien, ensemble mosaik, KammerensembleNeue Musik Berlin, Ensemble Avantgarde,Gewandhausorchester Leipzig, Schlagquar-tett Köln, Thürmchen Ensemble, ensemblel‘art pour l‘art, Bayerisches Staatsorchester undvor allem die Klangkörper der ARD.

Lässt sich zu einem Stück, das der Kom-ponist unbedingt auf seiner CD haben will,keine Einspielung in den Klangarchiven fin-den, so ist die „Edition Zeitgenössische Mu-sik“ durchaus bereit, eine angemessene Pro-duktion zu ermöglichen. Das geschieht meistin Kooperation mit einer der hiesigen Rund-funkanstalten. Auch technisch geht die Edi-

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Jens Joneleit

Von Anfang an bei WERGODie „Edition Zeitgenössische Musik“, diein enger Kooperation mit den neuen Mu-sik-Institutionen der ARD realisiert wird,erscheint seit 20 Jahren beim Mainzer La-bel „Wergo“. Der seit den 1960er Jahrenauf die Musik unserer Zeit spezialisierte undrenommierte Schallplattenverlag betreutdie technische Abwicklung – 3000 Exem-plare werden pro Porträt-CD gepresst –und übernimmt den Vertrieb.

Die „CrossCut Edition“ (WER 65992),ein Querschnitt zum 20-jährigen Jubiläumder CD-Reihe, sowie alle übrigen CDs derEdition sind im Fachhandel oder über dasInternet erhältlich:U www.wergo.de

Ein „Who is who“…Seit 1986 sind insgesamt 61 Editions-CDserschienen, die erste 1986 mit Werken vonDetlev Müller-Siemens (*1957), die jüngs-te mit dem 65-minütigen EnsemblestückLe tout, le rien von Jens Joneleit (*1968).Die Liste der Komponistennamen liest sichwie ein „Who is Who“ der deutschen Klang-ästhetik, vornehmlich seit der deutsch-deut-schen Vereinigung:Fredrik Zeller (* 1965), Jörg Widmann (* 1973),Klaus K. Hübler (* 1956), Reinhard Febel (* 1952),Karin Haußmann (* 1962), Babette Koblenz (* 1956),Dietrich Eichmann (* 1966), Enno Poppe (* 1969),Hans-Jürgen von Bose (* 1953), Annette Schlünz(* 1964), Caspar Johannes Walter (* 1964), JörgMainka (* 1962), Jan Müller-Wieland (* 1966),Burkhard Friedrich (* 1962), Moritz Eggert (* 1965),Detlev Glanert (* 1960), Jakob Ullmann (* 1958),Juliane Klein (* 1966), Steffen Schleiermacher(* 1960), Detlef Heusinger (* 1956), Andreas F.Raseghi (* 1964), Jörg Birkenkötter (* 1963),Helmut Oehring (* 1961), Tobias PM Schneid (* 1963),André Werner (* 1960), Ernst August Klötzke (* 1964),Volker Staub (* 1961), Bernfried E. G. Pröve (* 1963),Claus-Steffen Mahnkopf (*1962), Christoph Staude(* 1965), Matthias Pintscher (* 1971), Orm Finnen-dahl (* 1963), Charlotte Seither (* 1965).In Planung sind zur Zeit Porträt-CDs von SebastianClaren (* 1965), Andreas Dohmen (* 1962), MarkusHechtle (* 1967), Carsten Hennig (* 1967), Sven-Ingo Koch (* 1974), Erik Oña (* 1961), Jay Schwartz(* 1965), Thomas Stiegler (* 1966), Sebastian Stier(* 1970) und Hans Thomalla (* 1975).

BewerbungenFür die „Edition Zeitgenössische Musik“können sich in Deutschland geborene Kom-ponisten selbst bewerben. Älter als 40 Jahredürfen sie zum Zeitpunkt der Bewerbungallerdings nicht sein. Näheres dazu siehe:U www.musikrat.de (unter „Projekte >Zeitgenössische Musik“).

tion neue Wege, wenn es das Werk einesKomponisten unbedingt verlangt. Für die 2005publizierte Porträt-CD des in Berlin leben-den Stephan Winkler (* 1967) wurde ein spe-zielles Zusammenspiel von Klang und Be-wegtbild notwendig. Aus editorischen Gründenkonnte man sich aber nicht entschließen, eineaudiovisuelle DVD zu produzieren. Nachreiflicher Überlegung und im regen Austauschmit Wergo entschied man sich für eine DualDisc, auf deren A-Seite die bildlosen Kom-positionen zu hören und auf deren B-Seiteder Film von Jesko Marx zu sehen wie zuhören ist. Ein Novum, das vielleicht Schulemachen wird, das vielleicht Vorreiter für künf-tige kleinere DVD-Produktionen ist. Schließlichist es nur eine Frage der Zeit, wann diesesMedium, das zusätzliche technische Möglich-keiten gewährt, die CD ablösen wird – unddas wohl komplett.

Doch sollte man im Deutschen Musikratnicht so lange warten, bis die „Edition Zeit-genössische Musik“ auch den Werken und

Ideen von Klangkünstlern Raum gibt. Bisherjedenfalls fehlen diese zwischen den Gattun-gen und Genres arbeitenden Akteure völlig,wie übrigens auch die puren Elektroniker unddie Ars Acustica-Kollegen. Zweifellos gehö-ren ihre ästhetischen Manifestationen ebenfallsins Spektrum der zeitgenössischen Musik.

Sich ihnen zu öffnen, würde den Wert deransonsten überaus beispielhaften Edition nochsteigern. Will die Edition nämlich weiterhindie aktuelle Musikgeschichte in Deutschlanddokumentieren und sie durch ihre Publika-tionen weiter mitschreiben, so muss sie sichden erweiterten Musikkonzeptionen stellen.Das wäre wohl die wichtigste Aufgabe für diekommende Zeit bis zum Silberjubiläum infünf Jahren.

Cover-Versionen hat es schonimmer gegeben. Sie gelten

zu Recht als eine der reizvollstenSpielarten der Rock- und Popmu-sik. Ökonomisch betrachtet, ist dasHit-Recycling auf dem deutschenMarkt heute eher eine Seifenblase.

Seit 1996 beherrschen Cover-Versionen und Hit-Recyclingdie deutschen Single-Charts – mit heftigen Folgen für Musik,Musiker und Musikindustrie. Eine Bilanz von Marc Pendzich

Insbesondere in den 50er und 60er Jah-ren war die tonträgerbasierte industrielle Va-riante des musikalischen Archetypus „Bear-beitung“ fester Bestandteil des Popmusik-geschäfts. Es folgten zwischen 1965 und 1987zwei Jahrzehnte relativer Bedeutungslosigkeitvon Chart-Cover-Versionen. Ihren unbestreit-baren Vorteilen zum Trotz gehörten sie vieleJahre lang lediglich „dazu“. Die meisten Pop-musikkarrieren basierten jedoch auf eigenenbzw. erstmals erfolgreich aufgenommenenSongs.

Ganz anders stellt sich die Situation seitMitte der 90er Jahre dar. Gegenwärtig befin-den wir uns im Jahre 10 einer Veröffent-lichungsflut von Cover-Versionen, die einersystematischen Auswertung des gesamten Hit-Backkatalogs der Rock- und Pop-Musikge-schichte gleichkommt. Alles in allem ist inDeutschland seit 1996 durchschnittlich je-der fünfte aktuelle Single-Hit eine Cover-Version. Der Cover-Versionen-Anteil hat sichdamit seit 1985 mehr als verdreifacht. Ne-ben der quantitativen ist auch eine qualitati-ve Verschiebung festzustellen – von Cover-Versionen als „Erst-Hits“ hin zu Secondhand-Hits. Der Variantenreichtum der Cover-Ver-sion ist stark ausgeweitet, z. B. durch die aus-schließliche Verwendung von Refrains, durchGroßsamples à la Madonnas Hung Up sowiedurch die Kreuzung von Werken („Bastards“).Maßgebliches Kriterium für die Bezeichnungeines Stücks als Cover-Version ist heute, dassdas Originalwerk in seinen wesentlichen Zügenin der neuen Produktion erhalten bleibt (unddie Urheberschaft offengelegt wird).

Die Gründe für das heutige, allumfassen-de Hit-Recycling in den internationalen Chartssind vielschichtig und eng miteinander ver-woben: Zeitgeist, Studiotechnik, die eine Ei-gendynamik erzeugenden ersten Erfolge so-wie ein neuartiger kreativer Zugang zu Musiktragen dazu bei.

Der Trend zu mehr Cover-Versionen istinternationaler Art. Allerdings kommt in kei-nem anderen bedeutenden westlichen Mu-sikmarkt dem Hit-Recycling eine derart gro-ße Bedeutung zu. Bei der Analyse des deut-schen Musikmarkts stechen hiesige Konzent-ration „auf den schnellen Hit“ und die audio-visuelle mediale Vermittlung von Musik hervor.

Seit Mitte der 60er Jahre nimmt die Sing-le eine „Trailer-Funktion“ für das eigentlichewertschöpfendende Produkt, das Album, ein.Getragen wird das Medium „Album“ von denMarken der Musikindustrie, den internatio-nalen und nationalen Stars. Als Erfahrung gilt:Stars verkaufen Alben, Sternchen vorwiegendSingles. Mit dem Niedergang des deutschenSchlagers Ende der 70er Jahre verlor die deut-sche Tonträgerindustrie ihr ureigenes „Do-mestic Product“.

Nachfolgend verdeckte der CD-Verkaufs-Boom ab Mitte der 80er Jahre das ungelösteProblem der deutschen Tonträgerfirmen: DasFehlen eines systematischen Künstleraufbauszur Etablierung von Album-verkaufenden Acts.Die Gründung von VIVA markierte 1993einen Schritt in die richtige Richtung, bot dieserdoch eine Medien-Plattform zur Überwindungder „inhaltlichen Lücke“. Das VIVA-Manage-ment drehte jedoch den Spieß um und setz-te mit Techno/Dance auf neue, vom Rund-funk ignorierte Musikstile – und nahm letztlichdie Tonträgerfirmen ins Schlepptau.

Radio als Abspielstationfür die Charts

Die Industrie war und ist dennoch aufMusik-TV angewiesen: Der öffentlich-recht-liche Rundfunk geriet im Zuge der starkenFormatisierung zur zielgruppen-gefiltertenpassiven Abspielstation von Charts, die an-dere bestimmen. Das bedeutet: Würde dieIndustrie mehr Künstleraufbau betreiben,stünde ihr für diese Acts derzeit keine ange-messene Rundfunk-Plattform zur Verfügung.

Techno/Dance bedeutet(e) Single-Produkteohne hohes Studiokosten- und Marketing-

Investment und ohne langwierigen risikan-ten Künstleraufbau. Zur Hit-Optimierungwurde in den 90er Jahren vorrangig auf dieProduktion von Cover-Versionen gesetzt, dadie unbekannten Projekte zur Vermarktungeinen Hook („Aufhänger“) benötigen: „It‘s TheCover – Not The DJ.“

Album-Produktionen waren für derartigeOne-Hit-Wonder-Projekte gar nicht mehrvorgesehen. Ihre Produkte wurden wenigeWochen nach Veröffentlichung per Hit-Com-pilaton wie „Bravo-Hits“ erstverwertet. Die-se Praxis ist eine endemische Erscheinung desdeutschen Musikmarkts. Auf den Punkt ge-bracht, markiert diese Prioritätensetzung denVersuch, den Faktor Mensch/Künstler aus demMusikbusiness als störendes, weil mit Risikenverbundenes Element zu eliminieren.

Beliebte Brennobjekte

Das ging so lange gut, bis die jugendlicheZielgruppe mit Downloads und bespielba-ren CDs gleich mehrere Alternativen hatte,um die Tagesware von der DJ-Stange ohneGriff ins Portemonnaie zu erhalten: Hit-Com-pilations gerieten zu besonders beliebten Brenn-Objekten. Denn der Vorteil einer Hit-Com-pilation ist zugleich ihr Nachteil: Die hoch-aktuelle, teuer erworbene Tagesware von heuteist der Ladenhüter bzw. Staubfänger von mor-gen. Hit-Compilations schaffen keine emo-tionale Fan-Bindung und keine Intensivkäu-fer.

Das ist ein wichtiger Grund, weshalb derdeutsche Musikmarkt so krisenanfällig ist undUmsatzeinbrüche in Rekordhöhe ver-zeich-net. (Zum Vergleich: Der britische Musikmarktbefindet sich in einem Sieben-Jahres-Hoch –

VON DER DJ-STANGE

Tagesware

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trotz ähnlicher technischer Voraussetzungender Konsumenten).

Das Hit-Recycling ist – gekoppelt mit derwirtschaftlichen Krise – letztlich eine giganti-sche Seifenblase: Einerseits gab und gibt esin den Charts mehr Cover-Versionen dennje, andererseits verkauft sich jede einzelneaufgrund der Marktübersättigung weniger. Seitdem Single-Markteinbruch stehen hinter denvermeintlichen Chart-Erfolgen letztlich kei-ne entsprechenden Verkaufszahlen mehr.

Pop-Gegenbewegung

Im Zuge der Krise der Werbe- und Mu-sikbranche geriet auch das vormalige Vor-zeigeprojekt VIVA um 2002 ins Straucheln.Mit dem faktischen Ende des Systems VIVAschwand auch die Dominanz von Dance. Inder Folge ist der Anteil von Cover-Versionen– auf hohem Niveau – leicht gesunken.

Die Mode „deutschsprachiger Pop-Rock“bringt mit Bands wie z. B. Silbermond oderJuli albumtragende Bands hervor. Das ist gutso, jedoch handelt es sich bisher lediglich umeine Gegenbewegung zum Dance – und nichtum Folge relevant veränderter Firmenpoliti-ken.

Tatsächlich sprechen heute mehr denn jeArgumente für systematischen Künstlerauf-bau: Davon ausgehend, dass• Musik von One-Hit-Wonders und Stern-chen tendenziell eher gebrannt und getauschtwird,• der Kunde ein genaues Gespür besitzt, vonwelchen Acts sich der Kauf eines Albumslohnt und von welchen nicht,• kein CD-Kopierschutz je perfekt sein wird,• es immer neue Formen von P2P (Peer-to-

Aus altem Hitmaterial bedient: AuchMadonna greift schon mal auf erfolgreicheMelodien zurück, hat bei Hung Up einSample aus dem Abba-Hit Gimme GimmeGimme inklusive Bassline verwendet.

peer-Connection = Rechner-Rechner-Verbin-dung) geben wird,gibt es laut Leslie Mandoki „nur emotionaleGründe, einen Tonträger käuflich zu erwer-ben“.* Diese sind vorrangig über Fan-Bindungund Identifikation und damit über das Star-Prinzip gegeben. Das gilt umso mehr, weil• die demografisch rückläufige Zielgruppe derJugendlichen als Intensivkäufer missverstan-den wird,• die reiferen Käufer sich nicht mit Tages-ware abspeisen lassen,• die Single inzwischen reines Promotion-Instrument ist und daher letztlich nur seltenAnlass besteht, Singles außerhalb der Bewer-bung von Alben zu veröffentlichen.

Das Musikgeschäft ist, weil es auf der Arbeitmit Menschen, d. h. mit Musikern, Künstlernund Stars aufgebaut ist, ein prinzipiell mittel-fristiges. Heutige Umsatzträger wie R.E.M. oderGrönemeyer – deren Umsätzesämtliche Tagesware und Flopsmitfinanzieren – haben vieleJahre und mehrere Alben zuihrer künstlerischen Entfaltunggebraucht. Ihnen würde heuteunter Umständen keine Chan-ce mehr eingeräumt werden.Derzeit lebt die Tonträgerbran-che vorrangig von den vor 1985aufgebauten Stars. Doch irgend-wann wird Tina Turner nichtwieder aus dem Ruhestand zu-rückkehren. Und dann?

* aus: Lothar Scholz: „Herausforderun-gen des 21. Jahrhunderts“, in: DerMusikmarkt, 19/2002. S. 12.

© V

irgin

Der Autor:Dr. Marc Pendzich ist selbständig als Medien-Consul-tant, Musikgutachter, Lehrbeauftragter und Komponisttätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind Musikwirt-schaft, Bearbeitungspraxis, Medienhistorie und Musik-recht.

Lesetipp:Marc Pendzich: Von der Coverversion zum Hit-Recycling. Historische, ökonomische und rechtlicheAspekte eines zentralen Phänomens der Pop- undRockmusik, 464 S. mit CD-ROM inkl. Register undCover-Datenbank, LIT Verlag, ISBN 3-8258-8118-0

51MUSIK�ORUM

Gegenbewegung: Bands wie Silbermond,die erfolgreiche Alben auf den Marktbringen, sind die Antwort auf den kurz-atmigen Techno/Dance-Markt und sprechenfür systematischen Künstleraufbau.

© Sony BMG

Das Urheberrecht dient dem Schutz der Kreativität in unserer Gesellschaft. Daher sind Musiker und Musikwirtschaft in besonderem

Maße von Neuregelungen im Urheberrecht betroffen. Das gilt ganz vorallem für die anstehende Novellierung des Urheberrechtsgesetzes, demso genannten „Zweiten Korb“.

herstellern keine unverhältnismäßige Verteue-rung ihre Produkte aufzuerlegen.

Wie schwer es der Politik hier gemachtwird, zeigen die von beiden Seiten vorgeleg-ten Zahlen. Die Verwertungsgesellschaftenrechnen mit Einnahmeverlusten von bis zu40 Prozent. BITKOM, der BundesverbandInformationswirtschaft, Telekommunikationund neue Medien, macht die Gegenrechnungauf und rechnet vor, dass allein das Vergü-tungsaufkommen von ZPÜ (Zentralstelle fürprivate Überspielungsrechte) und GEMA umdas Vierfache steigen würde.

Zurück in staatliche Hand

Wenn der Staat ein Vergütungssystem ver-ordnet, dann gibt es gute Gründe dafür, dasser auch die Einzelheiten einschließlich derVergütungssätze regelt. Auch ein Steuerge-setz begnügt sich schließlich nicht damit, dieSteuerpflicht dem Grunde nach festzulegenund im Übrigen auf eine Verhandlungslösungzu vertrauen. Daher ist es zum jetzigen Zeit-punkt auch nicht auszuschließen, dass dieRegelungen über die Vergütungshöhe wiederin staatliche Hand gegeben werden. Der Spreng-stoff in der Fünf-Prozent-Deckelung würdeso jedenfalls erst einmal entschärft.

Neben diesem Punkt wird intensiv, auchim Musikbereich, die Novellierung der Re-gelungen zu den unbekannten Nutzungsar-ten diskutiert. Triebfeder dieser Regelung istdas Interesse der Verwerter und der Verbrau-cher, alte Inhalte mit neuen Technologiennutzen zu können. Die Verwertung wird aberzurzeit erschwert, da der Urheber über die-ses Recht zum Zeitpunkt des Vertragsschlus-ses mit dem Verwerter nicht verfügen kann.

Zukünftig soll dies anders sein. Nach demGesetzentwurf kann der Urheber mit dem

Bei der Pauschalvergütung, die maßgeb-lich für das finanzielle Aufkommen der Ver-wertungsgesellschaften ist, sieht der Gesetz-entwurf einen Systemwechsel vor. Zukünftigsoll die Vergütungspflicht von Geräten undSpeichermedien anhand ihrer tatsächlichenNutzung für Vervielfältigungsvorgänge ermit-telt werden. Dadurch wird ein gerechtererMaßstab erreicht als bei der jetzigen Rege-lung, die auf die Erkennbarkeit zur Vornah-me von Kopien abstellt. In der Vergangen-heit hat diese Bestimmung immer wieder zumStreit zwischen Geräte- und Speichermedien-herstellen und Urhebern geführt, da die Ver-gütungspflicht für neue Geräte oder Speicher-medien häufig abgelehnt wurde. Allein biszum heutigen Tag ist es nicht höchstrichter-lich geklärt, ob Drucker und Computer er-kennbar zum Einsatz für Vervielfältigungeneingesetzt werden. Das schadet einmal denGeräteherstellern, weil sie Rücklagen bildenmüssen. Andererseits sind aber auch die Ur-heber betroffen, denn ihnen wird eventuelleine zustehende Vergütung vorenthalten.

Disput um Vergütungshöhe

Der Gesetzentwurf der Bundesregierungverbindet diesen Systemwechsel mit weite-ren Änderungen im Vergütungsgeflecht, diebei den Verwertungsgesellschaften auf star-ken Widerspruch gestoßen sind. Oft kritisiertwird in diesem Zusammenhang die Begren-zung der Vergütungshöhe auf maximal fünfProzent des Gerätepreises. Diese Regelungwird man im weiteren parlamentarischen Ver-fahren einer kritischen Würdigung unterzie-hen müssen. Maßstab wird dabei sein, demUrheber keinen Einbruch beim Vergütungs-aufkommen zuzumuten und auf der ande-ren Seite den Geräte- und Speichermedien-

WIRTSCHAFT

Sprengstoff in der Novelle des „Zweiten Korbs“. Von Günter Krings

FÜR DAS URHEBERRECHT?

Verwerter vertraglich vereinbaren, dass dasWerk auch auf zukünftigen und bisher un-bekannten Nutzungsarten verwertet werdenkann. Dem Urheber steht diesbezüglich einWiderrufsrecht zu. Dieses Widerrufsrecht be-steht, so lange der Verwerter mit der Nut-zung noch nicht begonnen hat.

Der Bundesrat hat in seiner Gegenäuße-rung dieses Modell kritisiert und statt dessenangeregt, eine Unterrichtungspflicht des Rech-teverwerters einzuführen. Für die Urhebermag dies zunächst verlockend klingen, da derRechteverwerter den ersten Schritt machenmuss. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr,dass eine Verwertung in einer neuen Nut-zungsart unterbleibt, weil die Urheber oderdie Erben nicht ausfindig gemacht werdenkönnen. Dies dann auch zum finanziellenSchaden für die anderen Urheber, die eigentlichauf die Zusatzeinnahmen nicht verzichtenwollen. Die vertragliche Übertragung derVerwertung in unbekannten Nutzungsartenzwingt den Urheber auf jeden Fall nicht dazu,auf eine Vergütung zu verzichten. Auch imFalle einer Widerrufsregelung hat der Urhe-ber einen Anspruch auf eine angemesseneVergütung.

Zwar kann man Verständnis für das An-liegen der ausübenden Künstler haben, dieRegelung über die unbekannten Nutzungs-arten auch auf die Leistungsschutzberechtig-ten auszudehnen. Aber Urheber und aus-übende Künstler sind nicht in jedem Fall gleichzu behandeln. Das geht auch schon aus dembisherigen Urheberrechtsgesetz hervor. Beider Regelung über die unbekannten Nutzungs-arten handelt es sich gerade um eine Schutz-vorschrift für den Urheber, deren zu Grundliegende Wertung nicht so ohne weiteres aufden Leistungsschutzberechtigten zu übertra-gen ist.

Der Autor:Dr. Günter Krings ist Urheberrechtsexperte undBerichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktionfür das geistige Eigentum im Rechtsausschuss desDeutschen Bundestags.

Systemwechsel

MUSIK�ORUM52

Die Spitzenverbände des Musik- undKulturlebens in Deutschland, an ihrer Spitzeder Deutsche Musikrat und der DeutscheKulturrat, haben die Vorschläge in zum Teildeutlichen Stellungnahmen zurückgewiesen.Dies legt drei Fragen nahe: Was schlagen dieGutachter vor? Werden die Vorschläge rea-lisiert? Und wie sind sie zu bewerten?

Das Gutachten schlägt generell eine er-hebliche Reduzierung und – speziell im Kul-turbereich – eine deutliche Verengung derförderungswürdigen gemeinnützigen Zweckeauf die Pflege des sog. kulturellen Erbes vor.Es verlangt die Abschaffung der Steuerbe-günstigung von Zweckbetrieben und die Re-duzierung der Abzugsmöglichkeiten für Kul-tursponsoring. Vor allem sollen die steuerlicheAbzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen ebensowie die so genannte Übungsleiterpauschaleabgeschafft und die Abzugsfähigkeit von Spen-den eingeschränkt werden. Ferner wird dieTrennung des Status der Gemeinnützigkeitvon der Steuerbegünstigung vorgeschlagen.

BMF pro Gutachten?

Erfahrungsgemäß werden zwar Ideen undVorschläge aus der Wissenschaft von der Politikkaum je 1:1 in die Tat umgesetzt; das gilt selbstdann, wenn das gutachtende Gremium alsBeirat eines wichtigen Bundesministeriumsfungiert. Auffällig war aber hier, dass die poli-tische Spitze des Finanzministeriums sich inGestalt der Parlamentarischen Staatssekretä-rin Barbara Hendricks noch am Tage der Ver-öffentlichung des Gutachtens weitgehend mitdessen Ergebnissen identifizierte. Dies legt dieVermutung nahe, dass das Gutachten durchausmit Wissen und Wollen der Spitze des Bun-desministeriums der Finanzen (BMF) ange-

fertigt worden ist und deren Intentionenzumindest mit trägt. Bekanntlich beschäfti-gen sich die Finanzpolitiker aus nahe liegen-den Erwägungen ständig intensiv mit der Frage,wie die steuerliche Bemessungsbasis verbrei-tert und somit die Steuereinnahmen erhöhtwerden können. Dementsprechend war auchBarbara Hen-dricks zu vernehmen, die darüberhinaus feststellte, am Ende müsse eben zwi-schen den fiskalischen Erfordernissen und demSteuerausfall bei unveränderter Fortsetzungder steuerlichen Privilegierung gemeinnützi-ger Zwecke abgewogen werden. Auf welcherSeite der Waage sich die Staatssekretärin imZweifelsfall platzieren wird, dürfte nicht schwerzu erraten sein.

Nach Art der Steuerpraxis

Man scheint daher gut beraten, das Gut-achten nicht ohne weiteres abzutun, sonderndurchaus ernst zu nehmen, zumal es sichzwanglos in die verstärkt restriktive Steuer-Praxis von Bund und Ländern im Kulturbe-reich einreiht. Jüngstes Beispiel ist hier dievom Bundesfinanzministerium verfügte mas-sive Reduzierung der steuerlichen Anerken-nung von Mitgliedsbeiträgen zu Förderverei-nen. Den Verbänden und Spitzenverbändendes Musik- und Kulturlebens ist daher drin-gen anzuraten, sich mit den Vorschlägen undihren Konsequenzen ernsthaft zu beschäfti-gen und auseinanderzusetzen.

Eine Realisierung der Gutachter-Vorschlägewürde insbesondere im Bereich der Laien-musik zu verheerenden Konsequenzen füh-ren. Insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spen-den haben gerade für Chöre und Orchesterim Laienbereich eine herausragende Bedeu-tung. Ohne die Mitgliedsbeiträge von Sängern

und Orchestermusikern sind die zahllosenanspruchsvollen Chor- und Orchester-Kon-zerte, die landauf, landab zum selbstverständ-lichen und unverzichtbaren Bestand derMusikkultur gehören, nicht zu finanzieren.Laienmusiker verdienen nicht nur nichts,sondern bezahlen für ihr Engagement. DerBeirat verkennt daher – zumindest für denBereich der musikalischen Breitenkultur – dieLebenswirklichkeit von mehr als sieben Mil-lionen ehrenamtlich tätiger Menschen. Aufdiese Weise gefährdet er die für Deutsch-land so einzigartige nicht-professionelle Chor-und Orchesterlandschaft.

Wird Ehrenamt belastet?

Im Koalitionsvertrag haben sich die Re-gierungsparteien deutlich für Maßnahmen aus-gesprochen, die eine aktive Bürgergesellschaftdurch die Förderung des ehrenamtlichen En-gagements unterstützen. Das Gutachten desWissenschaftlichen Beirats trägt dieser Ziel-formulierung der Bundesregierung in keinerWeise Rechnung, sondern weist in die ent-gegengesetzte Richtung – eine Richtung, diezu einer deutlichen Verschlechterung der Rah-menbedingungen für ehrenamtlich Tätigeführen würde.

Das Vorhaben der Bundesregierung, dasGemeinnützigkeitsrecht umfassend zu refor-mieren und das Spendenrecht deutlich zuvereinfachen, verdient volle Unterstützung.Der große und bedeutende Bereich der ganzund gar ehrenamtlich getragenen Kultur- undMusikpflege im Laienbereich, der in den ver-gangenen Jahren ohnehin bereits empfindlichefinanzielle Einschnitte hinnehmen musste, darfjedoch durch nachteilige Veränderungen derrechtlichen Rahmenbedingungen nicht wei-ter geschwächt werden, sondern verdient auchweiterhin uneingeschränkte Förderung.

Der Autor:Hans-Willi Hefekäuser ist Präsident der Arbeitsgemein-schaft Deutscher Chorverbände und Mitglied des Präsi-diums des Deutschen Musikrats.

53MUSIK�ORUM

Ende August 2006 hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundes-ministerium der Finanzen ein Gutachten mit dem Titel „Die abgaben-

rechtliche Privilegierung gemeinnütziger Zwecke“ herausgegeben. DasGutachten empfiehlt nicht weniger als eine Total-Revision des Gemein-nützigkeitsrechts und weit reichende Veränderungen der steuerrecht-lichen Behandlung bisher als förderungswürdig anerkannter Zwecke.

Reform des Gemeinnützigkeitsrechts gefährdet die Laienmusik. Von Hans-Willi Hefekäuser

AUF DAS EHRENAMT?Generalangriff

MUSIK�ORUM54

BILDUNG.FORSCHUNG

Die „Jungen Symphoniker“ gehören zur„Musikwerkstatt Jugend“. Dieser Verein, erstvor Jahresfrist in Icking südlich von Münchenvon einigen engagierten Musikpädagogen ge-gründet, hat es sich zur Aufgabe gemacht, be-gabten jungen Musikern schon während ih-rer Schulzeit eine vorberufliche Ausbildungzu geben – nicht als Konkurrenz, sondern alsErgänzung des Individualunterrichts an denörtlichen Musikschulen. Damit soll die spä-tere Entscheidung für (oder gegen) den Musi-kerberuf erleichtert, ein realistischer Blick aufdie eigenen Möglichkeiten und auf die Erfor-dernisse vermittelt werden; wobei das Spezi-fische des Orchesterspiels im Gegensatz zurvielfach auf das Solospiel konzentrierten Hoch-schulausbildung betont wird.

Meist spielt das Nachwuchs-Ensemble ingrößerer Besetzung. Fast alle Orchestermit-glieder sind noch Schüler, darunter viele Ju-gend-musiziert-Preisträger und etliche Jung-studenten der Münchener Hochschule. Aberauch reguläre Studenten im Alter bis zu 25Jahren haben den Weg in dieses außerge-wöhnliche Orchester gefunden. Fünf große,viel beachtete Konzerte haben die „JungenSymphoniker“ seit der Gründung des Orches-ters im Frühjahr 2005 allein in der Münche-ner Allerheiligen-Hofkirche gegeben. Beetho-vens Eroica und die 7. Sinfonie, Dvoráks Achte,die Symphonie classique von Prokofjew – keineleichten Aufgaben, die Dirigent Folko Jung-nitsch seinen Schützlingen stellte, aber auchkeine Überforderung, wie Publikum und Presse

Eine frappierende Syntheseaus Jugend und Reife“ –

der Kritiker war beeindruckt vomKammerorchester der „JungenSymphoniker“. Kinder und Jugend-liche im Alter zwischen zehn und17 Jahren hatten unter der Leitungvon Philipp Amelung und mit Hed-wig Bilgram am Cembalo Bachs5. Brandenburgisches Konzertaufgeführt.

»Herzhaft profan…Die „Jungen Symphoniker“machen in München mitanspruchsvoller musikalischerLinie von sich reden

55MUSIK�ORUM

bemerken konnten. „Zu voller Reife heran-wachsender Klangkörper“ oder „Herzhaft pro-fan und doch wie ein Wunder“ lauteten Schlag-zeilen in der Süddeutschen Zeitung. Wobeimit „Wunder“ die professionelle Qualität derAufführung gemeint war, die das Niveau etab-lierter Orchester erreicht habe.

„Werkstatt“ sei ein guter Begriff für denTrägerverein des Ensembles, erläutert FolkoJungnitsch (35) den Ansatz. Den ausgebilde-ten Geiger und Orchesterleiter, der sich haupt-beruflich bereits als Dirigent – unter ande-rem als Assistent von Marcello Viotti – einenNamen gemacht hat, fasziniert die Idee, dassMeister und Lehrling wie in einer WerkstattHand in Hand arbeiten, dass die jungen Leu-te von Anfang an selbst etwas Vollgültigestun, wobei ihnen erfahrene Musiker zur Sei-te stehen und sie ernst nehmen.

Transparenz und Disziplin

Er selbst hat als Student vergleichbare guteErfahrungen im Bundesjugendorchester ge-macht und fand in dem Konzept der Musik-werkstatt eigene Ideen wieder, als man ihnim Frühjahr 2005 als musikalischen Leiterfür die „Jungen Symphoniker“ gewann unddas erste Konzert mit Mozart und Haydn(Abschiedssinfonie) sogleich hohe Anerkennungeinbrachte: „Der Start hätte besser nicht seinkönnen“, befand ein Zeitungskritiker. Seit-dem steht Jungnitsch für eine anspruchsvol-le musikalische Linie, wobei er – um derTransparenz und Disziplin willen – Schwer-punkte auf das Repertoire der Klassik undder klassischen Moderne, weniger auf großeromantische Orchesterwerke legt.

Drei Proben- und Konzertphasen jährlichschließen auch Auslandsreisen ein: Kürzlichgaben die „Jungen Symphoniker“ ein Kon-zert in Verona. Das Orchester ist dabei abernur die Spitze einer Gesamtkonzeption in-tensiver Förderung. Vorgeschaltet sind die„Sinfonietta Isartal“ und das „Kinderorches-ter Isartal“; vorgesehen sind zudem Meister-kurse, Kammermusik und Gastdirigate vonSpezialisten, z. B. für Barockmusik. Die Fä-den laufen zusammen bei Franz Deutsch, demMotor und Chef-Organisator der Initiative.

Konzerte, bei denen die besten der jun-gen Spieler solistisch auftreten, sind ebensoProgramm wie regelmäßiges „Coaching“ durcherfahrene Orchestermusiker – zuletzt aus denReihen des Symphonieorchesters des Bayer-

…UND DOCH WIE EIN WUNDER!«

ischen Rundfunks – und die Zusammenar-beit mit renommierten Solisten. Das Konzept„Meister und Schüler im Dialog“ wird soüberzeugend umgesetzt, dass die Musikwerk-statt nicht nur nach einem Jahr des Beste-hens bereits mit dem „Tassilo“-Kulturpreis derSüddeutschen Zeitung geehrt wurde, sondernauch international bekannte Künstler auf sichaufmerksam gemacht hat. So ging PianistAlfredo Perl nach einem der letzten Konzer-te spontan auf die „Jungen Symphoniker“ zuund regte an, im nächsten Jahr Brahms’ 1.Klavierkonzert zu spielen. Gitti Pirner, die imvorigen Sommer Beethovens 1. Klavierkon-zert aufführte, schrieb den jungen Leutenanerkennende Worte ins Stammbuch: „DasOrchester hat eine große Arbeitsdisziplin, dieunter der psychologisch sehr klugen Anlei-tung des Dirigenten auch über lange Zeitenhinweg anhält… Besonders beglückt die Freu-de der jungen Menschen an der Musik, wo-durch sie sich selber zu hohen Leistungenbefähigen und das Publikum mitreißen.“

Diese Freude entsteht auf der Basis einesganzheitlichen Konzepts, wie es Gerd MichaelHerbig, der Vorsitzende des Vereins, vertritt:„Musik fördert in besonderem Maße dieEntwicklung des Menschen. Ziel ist, das indi-viduelle technische und musikalische Vermö-gen um die intellektuelle, emotionale undauch spirituelle Dimension zu bereichern, diein jeder großen Musik gegenwärtig ist. Erst indieser Verbindung kann die Freude an der

Konzerttermine derJungen Symphoniker2. Dezember: Ulm, Kornhaus3. Dezember: München, Große Aula der

LMU (Festkonzert zur 50-Jahr-Feier desUngarnaufstandes)

3. März 2007: Ulm, Kornhaus5. März 2007: München, Herkulessaal

Kontakt:Musikwerkstatt Jugend e.V., Franz DeutschSpatzenloh 10 · 82057 IckingTel. und Fax 08178–90018Mail: [email protected]

Musik entstehen, die Musik weder der kal-ten technischen Perfektion, noch einem Tri-but an das Nichtkönnen der „Fun-Gesellschaft“ausliefert.“

Musik als Chance zur Neuorientierung „imAbraum zerbrochener Weltbilder und über-holter Rezepte, angesichts einer unterbroche-nen Rezeption und Tradierung des kulturel-len Erbes“ – die gesellschaftliche Dimensionist das eigentlich Spannende an der Zielset-zung der Musikwerkstatt. Dieser Ansatz über-zeugte auch den international gefragten Aus-nahme-Geiger Gilles Apap, der im nächstenKonzert der „Jungen Symphoniker“ Bartóks2. Violinkonzert spielen wird.

„Zu voller Reifeheranwachsender

Klangkörper“:In der Münchener

Allerheiligen-Hofkirche gaben die

Jungen Symphonikerviel beachtete

Konzerte.Fotos: Kolb

BILDUNG.FORSCHUNG

Musik fällt aus. Musikunterricht in Not! Reformen sind notwendig.Wie kann geholfen werden? In Berlin wurde Ende August in Koopera-tion des Arbeitskreises Schulmusik (AfS) und des Conbrio-Verlags mitdem Landesmusikrat Berlin unter der Moderation der stellvertretendenVorsitzenden des Bundesverbands, Birgit Jank, die Publikation Bildungs-offensive Musikunterricht – das Grundsatzpapier der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Diskussion (KAS) – vorgestellt und kontrovers diskutiert.

Gegenstand des Papiers ist die vermeintliche Neuorientierung desMusikunterrichts aus Sicht der KAS. Repräsentanten der Musikpädagogikund der Kultur- und Bildungspolitik unterzogen im Rahmen der Buch-vorstellung – wie bereits sämtliche Autoren des Buchs zuvor – das CDU-nahe Papier einer durchweg scharfen Kritik. Die Studie der Konrad-Ade-nauer-Stiftung wirft mehr Fragen auf, als dass es über Motive und Zieleinformiert. So wird behauptet, dass die Aufgabe derSchule zuallererst in der Formung der Persönlich-keit liege. Mit Hilfe jener kulturellen Werte, die sichin der Geschichte der Musik finden lassen, soll diesgeschehen. Ein geschlossener Kanon großer undmeist populärer klassischer Werke wurde dafür auf-gestellt (S. 26/30). Er soll die Basis für den Musikun-terricht in verschiedenen Schulformen sein. Gefor-dert werden inhaltlich verbindliche Lehrpläne: „Geradeeine aufgrund ungeheurer Medien- vielfalt omniprä-sente Musik erschwert freilich Schülern und Lehrerneine Orientierung ungemein.“ (S. 25) „Den Unter-schied zwischen akustischer Umweltverschmutzung(Handy, Telefonwarteschleifen, Dauerberieselung)und der ‚Originalität’ großer Werke der Musikge-schichte erkennen und bewerten zu können, ist Bil-dungsziel.“ (S. 26.). Hier spätestens zeigte sich, dasses der KAS-Studie paradoxerweise selbst an Orien-tierung in Praxis und Theorie fehlt.

Grundsätzliche Kritik an diesem Papier entzün-det sich zudem an den proklamierten Inhalten, dieals Richtschnur bildungspolitischer Meinungsbildungentwickelt wurden. So wurde das Papier der KASschon hochrangigen Politikern übergeben, der AfSmusste schnell handeln. Es galt und gilt, weiteren Schaden zu vermei-den. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat sich mit der Auswahl des Auto-renteams, das „in erster Linie aus politischen Zusammenhängen oderVerbänden stammend (aus Ministerien, dem Lehrerverband, dem deut-schen Elternverein [so Frauke Heß] S. 45)“, als wenig kompetent erwie-sen. Wenn die Zementierung eines einseitig national geprägten Begriffsvon Musik propagiert wird und die Chance vertan wird, die Bandbreitedes gegenwärtigen Musiklebens im Unterricht zu spiegeln, wird mannur wenige Schüler erreichen. Werteberieselung statt Motivation zur mu-sischen Bildung ist das Motto. Aktuell sollte ein Begriff von Musik, wiedieser im Musikleben des 19. Jahrhunderts verbreitet war, nicht auf dieGegenwart übertragen werden. Der Vorwurf eines krassen Historismuswurde auch in der Diskussion laut, weil so zentrale Fragen der Rezepti-on völlig ausgespart werden.

Frauke Heß, die Bundesvorsitzende der Gesellschaft für Musikpäda-gogik, kommt zu dem Schluss: „Die Werkliste entstammt nicht einemmusikästhetisch oder – theoretischen Normenkatalog, wie es der Textzunächst vorgaukelt, sondern hier wird auf das zurückgegriffen, was ‚gut

ankommt‘ in und außerhalb der Schule. Die zuvor formulierte Forderungnach einem ausgeprägten Qualitätsbewusstsein hinsichtlich der Kompo-nisten (vgl. S. 20) wird so nicht eingelöst.“ (S. 52) Hans Jünger und Doro-thee Barth forschen in ihrer Auseinandersetzung im Buch nach Motiven,die zu einem an abendländischen Kunstwerken orientierten Musikunter-richt führen können. Christian Rolle fragt nach, was eine derartige Verbind-lichkeit überhaupt leisten kann. Jürgen Vogt stellt vorbereitende Über-legungen zu einem Kerncurriculum Musik an. Christopher Wallbaum in-terpretiert den im KAS-Papier vorliegenden Musikbegriff. Hermann J.Kaiser schließlich ordnet bildungspolitische Positionen des KAS-Papiersin komplexere Zusammenhänge ein, fordert eine klarere inhaltliche Aus-einandersetzung und verweist hierbei auf aktuelle Grundverständnissezur musikalischen Bildung.

Nachträglich mussten also von ausgewiesenen Mu-sikpädagogen und Wissenschaftlern jene Leitlinienin Erinnerung gerufen werden, die vom Arbeitskreisfür Schulmusik über Jahre etabliert wurden. So lie-gen die Verdienste des AfS u. a. in der Durchset-zung populärer Musik als Unterrichtsgegenstand, derBeförderung des Musizierens im Klassenverband sowieder Förderung interkulturellen Lernens.

In der Diskussion im Konzerthaus Berlin machteHermann J. Kaiser nochmals deutlich, dass mit demKAS -Papier der Geist eines Musikunterrichts vor 1968(dem Erscheinen des Buches von Michael Alt „Di-daktik der Musik“) verbreitet würde, der von einemnicht mehr nachvollziehbarem Konservatismus ge-prägt sei. Schul-, Bildungs- und gesellschaftspoliti-sche Perspektiven würden durch den vorgeschlage-nen Kanon zum gefährlichen Instrument, das dieproklamierten Ziele verfehlt. Max Fuchs verwies darauf,dass gerade die Moderne immer wieder unter Be-weis gestellt habe, dass Modelle der Sinnstiftung„von oben“ ihre kulturpädagogischen Ziele regel-mäßig verfehlen. Theo Geißler machte deutlich, dassmusikalische Kompetenz sich in verschiedenen Per-spektiven der Rezeption von Musik offenbare. Wür-

den z. B. zeitgenössische Entwicklungen vorsätzlich durch bestehendeRichtlinien ausgeschlossen, so fände das Gegenteil einer musikalischenBildung statt. Eingeübte Ignoranz sei die Folge. So praktiziert, baueMusikunterricht Barrieren auf.

Der Wert musikalischer Bildung geht jedoch weit über das Erlernenmusikalischer Werke und deren Geschichte hinaus. Die Bedeutung desMusikunterrichts für sämtliche Schulformen ist unbestritten und wird derzeitvor dem Hintergrund internationaler Bildungsrankings diskutiert. Quali-tät musikwissenschaftlicher Diskurse und die Fortbildung der Musikleh-rer sind weitere wichtige Themen.

Musik in der Schule darf nicht zum fragwürdigen Schauplatz partei-politischer Interessen instrumentalisiert werden. Es ist den Autoren die-ses Buchs für ihre offene Kritik am Papier der Konrad-Adenauer-Stiftungzu danken. Der Stiftung selbst kann nur empfohlen werden, auf die zahl-reichen schwerwiegenden Punkte der Kritik zu reagieren und schnellstenseine gründlich überarbeitete Fassung vorzulegen. Dass sich die Stiftungdieser Diskussion Ende August im Konzerthaus gestellt hat, kann alsgutes Zeichen in die richtige Richtung gesehen werden.

Musikwissenschaftler Christoph Metzger fasst die Kritik am KAS-Papier zusammen:

PROKLAMIERTE ZIELE verfehlt

MUSIK�ORUM56

Hermann J. Kaiser, Dorothee Barth, Frauke Heß,Hans Jünger, Christian Rolle, Jürgen Vogt, Chris-topher Wallbaum: Bildungsoffensive Musikunter-richt? Das Grundsatzpapier der Konrad-Ade-nauer-Stiftung in der Diskussion. ConBrio 2006;153 Seiten, 14 Euro, ISBN-103-932581-80-6.

In einer feierlichen Verleihung am 27. Sep-tember wurde im Rahmen der 26. Bundes-schulmusikwoche in Würzburg der INVENTIO2006 überreicht. Mit dem Preis wurden zumdritten Mal herausragende, innovative musik-pädagogische Projekte ausgezeichnet, die fürdie musikalische Bildung von Menschen allerAltersstufen zukunftsweisend sind.

Auch in diesem Jahr hatte die Jury keineleichte Aufgabe: Aus 60 Bewerbungen muss-ten die Preisträger ermittelt werden. „JedesProjekt ist auf seine Art und Weise einzigar-tig und die Vielfalt der eingereichten Bewer-bungen ist ungeahnt kreativ und tiefgehend.Darüber freuen wir uns und hoffen, dass dieprämierten Projekte Vorbildfunktion für vie-le weitere Initiativen haben werden“, so Ju-ryvorsitzender und Vizepräsident des Deut-schen Musikrats, Hans Bäßler.

Der INVENTIO wurde in diesem Jahr infünf Kategorien ausgeschrieben, wobei dieJury vier Projekte in drei Kategorien auszeich-nete und Urkunden und Preisgelder in Höhevon insgesamt 9000 Euro vergab. Zum ers-ten Mal wurde in diesem Jahr auch ein Preisfür den besonderen Einsatz von Politikern fürdas Thema der musikalischen Breitenbildungvergeben. „Die Zukunft der musikalischenBildung liegt nicht nur in innovativen Projek-ten, das Thema benötigt verstärkt auch poli-tische Unterstützung“, sagte hierzu Asmus J.

Förderpreis für Musikpädagogik vergeben

Hintz, Vorstandsmitglied der Stiftung „100Jahre YAMAHA“. Der Politikpreis ging andie Ministerin für Bildung, Frauen und Ju-gend in Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen, dieden Preis persönlich in Empfang nahm.

Freude auch bei den übrigen Preisträgernim Theatersaal der Hochschule für Musik inWürzburg:

˜ Der INVENTIO 2006 in der Katego-rie „Förderung der Kooperation von Musik-schule und allgemein bildender Schule so-wie anderer Institutionen und Einrichtungen“ging an die Grund- und Musik-HauptschuleRuhstorf a. d. Rott. In Kooperation mit Part-nerschulen aus Passau, Oberösterreich undSüdtirol und mit Ernennung zur 1. Bayeri-schen Musik-Hauptschule durch das Bayeri-sche Kultusministerium ist dort das große Zielnäher gerückt, Schülern langfristig die täg-liche Musikstunde zu ermöglichen.

˜ Die Fachhochschule Münster erhielt fürihr Projekt „Musik mit alten Menschen: Be-rufsbegleitende Qualifizierung zum Musik-geragogen“ einen Preis in der Kategorie „In-novative musikpädagogische Ausbildung“. DieWeiterbildung umfasst alle musikpädagogi-schen Bemühungen und Interventionen imBereich der Altenarbeit.

˜ Dem Projekt „FELIX – Kleine Kindersingen gern“ des Deutschen Chorverbandswurde in der Kategorie „Innovative musik-

pädagogische Projekte von Orchestern, pri-vaten oder öffentlichen Institutionen undVereinen“ ein INVENTIO verliehen. BremensBürgermeister a. D. Henning Scherf war inseiner Funktion als Präsident des Chorver-bands persönlich gekommen, um den Preisentgegenzunehmen. Der FELIX wird als Güte-siegel an Kindergärten überreicht, die sichbesonders für die musikalische Entwicklungvon Drei- bis Sechsjährigen einsetzen.

˜ In der gleichen Kategorie wurde auchdas Musikzentrum Hannover für das Projekt„Musik in Hainholz“ ausgezeichnet. Das Pro-jekt musikalisiert einen ganzen Stadtteil. Dabeistehen die Bedürfnisse der Bewohner imVordergrund. (Das MUSIKFORUM berich-tete darüber in seiner Ausgabe 1/2006).

Ziel des seit 2004 jährlich gemeinsam vonder Stiftung „100 Jahre YAMAHA“ und demDeutschen Musikrat (DMR) ausgeschriebe-nen Förderpreises ist es, auf die Bedeutungmusikalischer Breitenbildung für die Entwick-lung sozialer und kognitiver Kompetenzenaufmerksam zu machen und musikpädago-gische Innovationen zu unterstützen.

Neben Bäßler und Hintz gehörten DMR-Generalsekretär Christian Höppner, der Vor-sitzende der Konferenz der Landesmusikrä-te, Ernst Folz, und Andreas Lehmann, Vor-standsmitglied des Arbeitskreises musikpäda-gogische Forschung, zur Jury.

Einsatz für musikalische Breitenbildung:Ministerin Doris Ahnen erhielt von Asmus J.Hintz und Hans Bäßler (rechts) den Politikpreis.

PRÄMIERTINVENTIOINNOVATIVE PROJEKTE

Christian Höppner gratulierte Prof. HansHermann Wickel (rechts) von der Fachhoch-schule Münster zur Auszeichnung.Bild links: Die Gewinner des INVENTIO 2006.

57MUSIK�ORUM

„Wenn man die Schule ändern möchte, dannsollte man sich nicht zu früh darauf festlegen,wie diese eigentlich aussehen soll.“ DiesenRat gibt Heide Görtz, unterhält man sich mitihr über musikalische Bildung in Deutschlandund die Notwendigkeit der Entfaltung derKreativität.

Seit 2003 ist Heide Görtz stellvertreten-de Leiterin des neugegründeten Kurt-Singer-Instituts für Musikergesundheit an der Uni-versität der Künste Berlin. Mit ihr sprachChristian Höppner.

ˇ Wir leben in einer widersprüchlichen Zeit.Musik ist einerseits die beliebteste Freizeit-beschäftigung von Kindern und Jugendlichen,andererseits in der Schule das unbeliebtesteFach. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Görtz: Ich glaube, dass die musische Er-ziehung in der Schule sehr wichtig ist. Abersie darf sich nicht darauf beschränken, musi-kalische Fakten zu lehren, es muss auch ak-tiv Musik gemacht werden. Musik sollte dazudienen, dass Kinder sich selbst und ihre Po-tenztiale kennenlernen und dadurch in dieLage versetzt werden, sich als Person zu ent-wickeln. Eigentlich eine große Chance, diewir zu häufig verspielen.

ˇ Bedeutet das, dass die derzeitigen Lehr-pläne die Entfaltung und Kreativität der Kin-der eher behindern als befördern?

Es geht wohl nicht so sehr um Lehrpläne,mehr um die Rolle, die Musik in der Gesell-schaft und in unserer individuellen Entwick-lung spielt. Ich denke, dass wir in dieser Hin-sicht heute entscheidende Hinweise von denHirnforschern bekommen, die genauer sagenkönnen, wie etwas auf uns wirkt, und die inder Lage sind, emotionale Veränderungen imGehirn sichtbar zu machen. Da kann man mitForschern wie Manfred Spitzer, Gerald Hütheroder Gerhard Roth interessante Gesprächeführen. Gerade Spitzer und Hüther haben sichin die Debatte um die Erneuerung der Schu-le eingemischt. Ich erhoffe mir von dieserSeite wirklich große Veränderungen.

ˇ Das würde doch bedeuten, dass es inder Ausbildung von Kindern und Jugendlichennicht nur eine Trendwende, sondern eine Re-volution geben muss, weil der emotionaleZugang vernachlässigt wird…

Das empfinde ich auch so. Die Schulmü-digkeit der Kinder kennen wir doch nicht

erst seit heute. Dass sie schulmüde sind, kommtdaher, dass sie das Gefühl haben, nicht per-sönlich betroffen zu sein. Ihre altersgemäßenBedürfnisse und Fähigkeiten werden zu we-nig berücksichtigt. Das Lernen in der Schuleist so einseitig auf Wissensansammlung aus-gerichtet, dass es für viele Kinder schwierigist, sich zu interessieren. Kinder brauchen dasMiteinander-Handeln, Situationen, in denensie sich verändert erleben können. Sie brau-chen gemeinsame emotionale Erlebnisse, nichtnur Konkurrenz. Das kann die Schule bishernicht ausreichend leisten.

ˇ Kann uns denn die Hirnforschung neueAspekte vermitteln, die wir bisher nicht ah-nen? Oder würde es nicht einfach reichen,den gesunden Menschenverstand zu nutzenund zu sagen: Mit einem so einseitigen Aus-bildungssystem kommen wir nicht zu einemganzheitlichen Menschenbild in der Erziehung?

Ich denke, dass Hirnforscher manchmalDinge sagen, die jeder vernünftige Pädagogebereits zu wissen meint. Zum Beispiel sagensie: Nur wenn Lernen mir wirklich Freudebereitet, lerne ich auch gut. Viele Leute wis-sen das, aber sie unterrichten nicht danach.Wenn Lernen Freude bereiten soll, dann mussauch der Lernprozess ein anderer sein. Na-türlich hat es schon immer Ansätze von fort-schrittlichen Pädagogen gegeben. Aber dieMasse der Lehrer bestimmt dann doch immerwieder den alten Trott. Gehirnforscher sindin der Lage, uns zu zeigen, an welcher Stelleim Gehirn die Freude am Lernen sitzt undwo die Angst vor dem Versagen. Sie könnensichtbar machen, unter welchen Bedingun-gen Lerninhalte im Gehirn und damit imGedächtnis am besten gefestigt werden.

ˇ Es gibt ja eine unglaubliche Diskrepanzzwischen dem, was die Politik landauf, land-ab propagiert, nämlich die Förderung der kre-ativen Kompetenzen, und dem, was tatsäch-lich realisiert wird. Haben Sie da ein Patent-rezept, wie wir dies umdrehen können?

Ein Patentrezept habe ich natürlich auchnicht. Ich glaube aber, dass die Musikerzie-hung, die bisher ganz privat stattfindet – undMusikschulen sind in diesem Sinne auch eherprivat –, mehr mit der Musikerziehung in denSchulen verbunden werden sollte. Die Staa-ten jenseits des Eisernen Vorhangs waren dafortschrittlicher als wir, weil sie beides unter

dem Dach der Schule verbunden haben. Mu-sikschulen müssen Eingang in die Schulenfinden und mit dazu beitragen, dass es eintätiges Musikleben gibt – nicht nur eine Wis-sensvermittlung im Fach Musik.

ˇ Ist die Ganztagschule in diesem Sinneeine Chance oder eher ein Hindernis, weil siedie Kinder zeitlich ganz anders bindet als bisherund dadurch weniger Zeit für außerschulischeAktivitäten zur Verfügung steht?

Für diese Entwicklung wäre es eher einVorteil. Das hängt natürlich immer von derUmgebung, vom Schulleiter und den Gege-benheiten in der Schule ab. Da müssen ein-fach mehr Möglichkeiten bereit gestellt wer-den. Die Kinder haben ja dort die Chance,gemeinsam Musik zu machen, wie etwa ineinem Chor oder Orchester.

ˇ Wie verbindet sich Ihre Professur mitdem Thema der Musikermedizin bzw. Musi-kergesundheit?

Das hat sich eigentlich aus der Praxis er-geben. Wir haben ja in der Methodik eineSupervisions-Situation, in der ein Student ei-nen Schüler mit in den Unterricht bringt, ichdem Unterricht beiwohne und wir hinterherdarüber sprechen. Da wird es im Laufe derJahre immer deutlicher, dass vielen KindernFähigkeiten fehlen, die eigentlich Vorausset-zung sein müssten, um ein Instrument zulernen. Dies ist ein Problem, auf das wir unseinstellen müssen, weil daraus später richti-ge Spielstörungen entstehen können. Damitmeine Studenten lernen, mit solchen Proble-men umzugehen, versuche ich, ihren Blickdafür zu schärfen, und wir entwickeln spezi-elle Übungen für diese Kinder.

Das ist genau das, was ich an unserem In-stitut tue: auf der einen Seite, eine Form vonBeratung und Behandlung von Spielstörun-gen zu geben; andererseits aber auch, Prä-vention während des Studiums zu lehren, ihnendie Augen dafür zu öffnen, wo Probleme lie-

Heide Görtz studierte an der Musikhochschule Hamburg,arbeitete dort und an der Musikhochschule Köln als Do-zentin; seit 1990 ist sie Professorin für Klavier und Klavier-Methodik an der Universität der Künste Berlin. Seit Stu-dienzeiten beschäftigt sie sich mit der Entwicklung einereigenen Methode zur Behandlung von Spielstörungen.Von 1999 bis 2005 war sie im Vorstand der DeutschenGesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin.

BILDUNG.FORSCHUNG

Heide Görtz über musikalische Bildung und Musikergesundheit

MUSIKSCHULEN MÜSSEN

Eingang IN DIE SCHULEN FINDEN

MUSIK�ORUM58

Im Juli nahm Bundespräsident Horst Köhlerden 2. Berliner Appell des Deutschen Musik-rats entgegen und setzte damit ein Zeichenfür eine breite gesellschaftliche Wahrnehmungder in dem Papier gemachten Vorschläge füreine bessere Verständigung der Kulturen.

Der Appell, der sich sowohl an die Politikwie an die Zivilgesellschaft richtet, fordert dieStärkung der kulturellen Identität und des in-terkulturellen Dialogs u. a. in den Bereichen

gen, in welcher Weise sie auf sich achten müs-sen, damit ihnen Schmerzen oder gar Ope-rationen erspart bleiben.

Mehr üben, wenn man etwas nicht gut ge-nug spielen kann, ist unter Umständen sehrschädlich. Es ist sehr wichtig, seine Grenzenzu spüren und sich dann zu fragen, warumman diese Grenzen eigentlich hat. Ich bin derMeinung, dass Kinder wie Erwachsene nor-malerweise das erreichen können, was siewollen. Gelingt dies nicht, muss man die Grün-de sorgfältig erforschen.

ˇ Behindert das derzeitige System von För-dermöglichkeiten die Entfaltung von Kindernund Jugendlichen?

Grundsätzlich glaube ich, dass das Förde-rungssystem nicht das Problem ist. Eher istes die Wahrnehmung dieser ganzen musika-lischen Situation seitens unserer Gesellschaft,der Lehrer, der Eltern und der Kulturverant-wortlichen. Wir fördern die überragenden Leis-tungen Einzelner, aber nicht die Musikaus-übung aller Kinder. Musik wird meist nur kon-sumiert, aber nicht erlebt. Dass ehrgeizige Elternund Lehrer kleine Stars produzieren, hilftunserer Musikkultur nicht.

ˇ Welche Änderungen würden Sie als Kul-tusministerin durchsetzen? Was wären diewichtigsten Umsetzungsmaßnahmen?

Ich würde auf jeden Fall die Verbindungzwischen Schule und Musikschule fördern –und das auf beiden Seiten. Die Musikschu-len müssen mehr Gruppenangebote machen,mit Chor, Band, Musical etc., die Schulenmüssen bestimmte Dinge bereitstellen wiegeeignete Instrumente, Räume etc. Zudemwürde ich Schulen unterstützen, die versu-chen, mit bestimmten Projekten einen eige-nen individuellen Weg zu gehen, wie ich eskürzlich in einem Film über eine Kreuzber-ger Schule gesehen habe. Dort versucht man,Kindern Unterricht durch Fachleute aus demKunsthandwerk und Design zu geben, wo-durch sie ganz andere Fähigkeiten ausbildenkönnen. Ein guter Ansatz.

Im Moment versucht die Politik, in denBereich der Vorschulerziehung hineinzukom-men. Ich glaube, es ist wichtig, die Vorschul-kinder aus dem „Verwahrungskindergarten“herauszuholen, ihre musischen Fähigkeiten früh-zeitig und kindgemäß zu fördern. Heute ler-nen die wenigsten Kinder zu singen und sichzur Musik zu bewegen, unerlässliche Voraus-setzungen für den Instrumentalunterricht.Letztlich würde ich die Werkstatt „Schule-Lernen-Hirnforschung“ fördern. Ich denke,dort liegt viel Erkenntnispotenzial.

Und grundsätzlich: Wer Schule ändern will,muss offen für Entwicklungen sein. Hier gehtes um einen längeren Prozess, auch seitensder Politik.

DOKUMENTATION

Zeichen für gesellschaftliche Wahrnehmung: Bundespräsident Horst Köhler nahm von Musik-ratspräsident Martin Maria Krüger (rechts) und Generalsekretär Christian Höppner (2. v. l.) denAppell entgegen. Mit dabei der Lautenist Joachim Held und Popmusiker Tobias Künzel (2. v. r.).

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2. Berliner Appell des Deutschen Musikrats

der musikalischen Bildung, der Laienmusikund der Auswärtigen Kulturpolitik. Ausgangs-punkt ist die Diagnose eines „gravierenden“Defizits im Bereich der kulturellen Bildungund infolgedessen auch im Dialog der Kul-turen. Zu den Erstunterzeichnern des Appellsgehören 200 Persönlichkeiten aus Politik, Kul-tur und Wirtschaft (siehe Liste auf den nächstenSeiten !).

Hier Stellungnahmen von Unterzeichnern:

„In unseren Kindernpflanzen wir nicht uns sel-ber fort, sondern unserenWillen zum Weiterleben.Für ein Weiterleben inWürde ist es unabdingbar,in den Kindern so früh wie

möglich den Keim für ein Leben als kulturellesWesen mit einer individuellen Herkunft zupflanzen und ihnen immer wieder emotionaleKraft und offene Entwicklungsmöglichkeitenzu geben. Musik spielt dabei eine zentraleRolle, denn sie lässt uns die die eigene Seelespüren und verbündet uns so von klein aufmit den Seelen unserer Mitmenschen, auchzwischen unterschiedlichen Kulturkreisen.“Rolf Zuckowski, Komponist und Musiker

„Der interkulturelle Dialoghat im Bereich der Musikseit jeher einen Heimplatz.Er darf dort als erfolgreichvollzogen gelten. Wennbei den Salzburger Fest-spielen Angehörige von60 Nationen an den Auf-

führungen mitwirken, so wird diese Interkultu-ralität als etwas Selbstverständliches vorgelebt,das der Politik zum Vorbild gereichen mag.“Peter Ruzicka, Komponist, Dirigent undIntendant der Salzburger Festspiele

KULTURELLE IDENTITÄTUND DIALOG

„Die Pädagogik als Einübung ins Kennen-lernen-Können des Anderen … wird eines derwichtigsten Instrumente für das friedliche Zu-sammenleben in den modernen Gesellschaftenwerden. Der Musikrat hat einen Katalog vonThesen aufgestellt, die für das Gebiet der Musikund der musikalischen Erziehung, das aller-dings ein exemplarisches ist, die Grundbedürf-

nisse nach einer solchen Pädagogik formulieren.Ich unterstütze diese 12 Thesen ausdrücklich.“Prof. Dr. Joachim Sartorius, Intendant derBerliner Festspiele

59MUSIK�ORUM

stärken

Breite Unterstützung fürden 2. Berliner AppellÜber 200 Persönlichkeiten aus Politik, Kulturund Wirtschaft unterstützen mit ihrer Unter-schrift unter den 2. Berliner Appell die For-derungen des Deutschen Musikrats nach Stär-kung der kulturellen Identität und des inter-kulturellen Dialogs. Hier die gesamte Liste derErstunterzeichner:Dr. Walter Scheel (Bundespräsident a. D.,), Dr. Richard vonWeizsäcker (Bundespräsident a. D.), Prof. Dr. Richard Jako-by (Ehrenpräsident des Deutschen Musikrats), Martin MariaKrüger (Präsident des Deutschen Musikrats), Prof. Dr. HansBäßler (Vizepräsident des Deutschen Musikrats), Prof. UdoDahmen (Vizepräsident des Deutschen Musikrats), ChristianHöppner (Generalsekretär des Deutschen Musikrats) sowiedie Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Musikrats:Prof. Dr. Detlef Altenburg (Präsident der Gesellschaft fürMusikforschung), Prof. Kapt. Ernst Folz (Vorsitzender derKonferenz der Landesmusikräte), Prof. Dieter Gorny (Execu-tive Vice President MTV Networks). Prof. Reinhart von Gut-zeit (Direktor des Bruckner-Konservatoriums Linz), Hans-WilliHefekäuser (Präsident der Arbeitsgemeinschaft DeutscherChorverbände), Erik Hörenberg (Geschäftsführer der Bun-desvereinigung deutscher Orchesterverbände), HartmutKarmeier (Präsident der Deutschen Orchestervereinigung),Prof. Dr. Karl-Jürgen Kemmelmeyer (Präsident des Landes-musikrats Niedersachsen), Dr. Uli Kostenbader (Dozent ander Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar), Prof. Dr.Eckart Lange (Präsident des Landesmusikrats Thüringen),Dr. Ulrike Liedtke (Geschäftsführerin und Künstlerische Lei-terin der Musikakademie Rheinsberg), Prof. Dr. Christoph-Hellmut Mahling (Präsident des Landesmusikrats Rheinland-Pfalz), Wilhelm Mixa (Akademischer Direktor an der Universi-tät Passau), Stefan Piendl (Managing Director EMI Classics),Wolfhagen Sobirey (Präsident des Landesmusikrats Ham-burg), Dagmar Sikorski-Großmann (Präsidentin des Deut-schen Musikverleger-Verbands e.V.).

Prof. Theo Adam, (Kammersänger), Prof. Gerd Albrecht(Dirigent, Initiator des Klingenden Museums), Prof. Dr. med.Eckart Altenmüller, (Präsident der Deutschen Gesellschaftfür Musikphysiologie und Musiker Medizin), Prof. Rolf-DieterArens (Rektor der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Wei-mar), Prof. Dr. Marianne Assenmacher (Präsidentin der Hoch-schule Vechta), Dr. Lore Auerbach (Mitglied des Landtagsa. D.), Juliane Banse-Poppen (Sängerin), Dr. Alenka Barber-Kersovan (Geschäftsführerin Arbeitskreis Studium PopulärerMusik e.V.), Rolf Beck (Intendant des Schleswig-HolsteinMusik Festivals), Gerhard Becker (Präsident des Landesmu-sikrats Hessen), Prof. Dr. Jürgen Becker (Sprecher des Vor-stands der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- undmechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), Prof. WernerBeidinger (Vorsitzender der Orff-Schulwerk-GesellschaftDeutschland), Dr. Martin Bente (Präsident VG Musikedition),Prof. Dr. Theodor Berchen (Präsident des Deutschen Akade-mischen Austauschdienstes e.V.) , Dr. habil. WolfgangBergsdorf (Präsident der Universität Erfurt), Grietje Bettin,MdB (Mitglied des Bundestagsausschusses für Kultur undMedien für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), HelmutBieler-Wendt (Vorsitzender des Instituts für Neue Musik undMusikerziehung, Darmstadt), Prof. Dr. Rudolf Brandl (Profes-sor für Musikethnologie an der Universität Göttingen),Christine Braun (Präsidentin des Landesmusikrats Schles-wig-Holstein), Hans-Jürgen Brackmann (Generalsekretär derStiftung der Deutschen Wirtschaft), Prof. Dr. EdmundBrandt (Präsident der Technischen Universität Clausthal),Alfred Brendel (Pianist und Schriftsteller), Prof. Dr. Wolf-gang Bretschneider (Präsident des Allgemeinen Cäcilien-verbandes für Deutschland ), Frank Bsirske (Bundesvorsit-zender der Vereinten Dienstleistungsgesellschaft ver.di),Rainer Bürck (Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft fürElektroakustische Musik), Ernst Burgbacher, MdB (Parla-mentarischer Geschäftsführer der FDP- Bundestagsfraktion,

Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Chor- undOrchesterverbände), Jens Cording (Präsident der Gesell-schaft für Neue Musik e.V.), Barbara Dennerlein (Musikerin),Dipl.-Ing. Geerd Dettmers (Vorsitzender der Arp SchnittgerGesellschaft), Prof. Dr. Patrick Dinslage (Vorsitzender derRektorenkonferenz der Musikhochschulen in der BRD, Vize-präsident der Universität der Künste Berlin), Prof. ThomasDuis (Rektor der Hochschule für Musik Saar), Peter Duss-mann (Vorsitzender des Aufsichtsrats der Dussmann AG &Co. KgaA), Prof. Dr. Andreas Eckhardt (Direktor desBeethoven-Hauses Bonn), Prof. Dr. Karl Heinrich Ehrenforth(Ehrenvorsitzender des Verbandes Deutscher Schulmusiker),Siegmund Ehrmann, MdB (stellv. Vorsitzender des Bundes-tagsausschusses für Kultur und Medien für die SPD-Frak-tion), Dr. Martin Elste (Vorsitzender des Preises der Deut-schen Schallplattenkritik e.V.), Dr. Reinmar Emans (Sprecherder Fachgruppe Freie Forschungsinstitute in der Gesell-schaft für Musikforschung), Herbert Fandel (FIFA-Schieds-richter und Leiter der Kreismusikschule Bitburg-Prüm), Prof.Dr. h.c. Brigitte Fassbaender (Intendantin des Tiroler Lan-destheaters Innsbruck), Peter Fischer (Präsident von Ein-tracht Frankfurt), Prof. Dr. Dietrich Fischer-Dieskau (Sänger),Prof. Dr. Drs. H.c. Ludwig Finscher (Ordinarius für Musik-wissenschaften), Prof. Dr. Jürgen Flimm (Intendant der RuhrTriennale und der Salzburger Festspiele), KMD LotharFriedrich (Kirchenmusikdirektor; Präsident des Verbandesevangelischer Kirchenchöre Deutschlands e.V.), Dr. MichelFriedman (Rechtsanwalt und Moderator), Götz-Werner vonFromberg (Vorstandsvorsitzender Hannover 96 e.V.), Bern-hard Fromkorth (Präsident des Landesmusikrats Saar),Dr. Stephan Frucht (Geschäftsführer des Kulturkreises derDeutschen Wirtschaft im BDI e.V.), Klaus Fuchs (Geschäfts-führer des VFL Wolfsburg), Prof. Dr. Max Fuchs (Vorsitzen-der des Deutschen Kulturrates, Vorsitzender der Bundes-vereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.),Dr. Heiner Geißler (Bundesminister a.D.), Theo Geissler(Inhaber und Geschäftsführer der ConBrio Verlagsgesell-schaft Herausgeber und Chefredakteur der neuen musik-zeitung), Dr. Tilo Gerlach (Geschäftsführer der Gesellschaftzur Verwertung von Leistungsschutzrechten), Dr. Hans-Herwig Geyer (Vorsitzender der Jeunesses MusicalesDeutschland), Prof. Dr. Stefan Gies (Rektor der Hochschulefür Musik „Carl Maria von Weber“, Dresden), Prof. WolfgangGönnenwein (Staatsrat a. D., Präsident des LandesmusikratsBaden-Württemberg), Katrin Göring-Eckardt (Vizepräsiden-tin des Deutschen Bundestages, Kulturpolitische Sprecherinder Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), Prof. ChristhardGössling (Rektor der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“Berlin), Dr. Martin Greve (Musikwissenschaftler), Lissy Grö-ner, MdEP (Kulturpolitische Sprecherin der SPD im Euro-päischen Parlament), Monika Griefahn, MdB (Kultur- undMedienpolitische Sprecherin der SPD, Mitglied des Aus-schusses für Kultur und Medien für die SPD Fraktion), Prof.Dr. Peter Gülke (Dirigent und Musikwissenschaftler), BarbaraHaack (Verlagsleiterin ConBrio Verlag), Michael Haentjes(Gründer und Vorstandschef der Hamburger Edel Music AG,Präsident der Deutschen Phono-Verbände), Prof. Dr. FranzHäuser (Rektor der Universität Leipzig), Hans Hee (Präsidentdes Deutschen Textdichter-Verbandes), Susanne Hein (Präsi-dentin der Internationalen Vereinigung der Musikbibliothe-ken, Musikarchive und Musikdokumentationszentren (IVMB)– Gruppe Bundesrepublik Deutschland e.V.), Prof. Dr.Roman Heiligenthal (Präsident der Universität Koblenz-Landau), Joachim Held (Lautenist), Prof. Rolf Hempel (Präsi-dent des Deutschen Ton- künstlerverbandes), Barbara Hen-dricks (Sängerin), Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herr-mann (Präsident der technischen Universität München),Prof. Dr. Frauke Heß (Bundesvorsitzende der Gesellschaftfür Musikpädagogik e.V.), Wilfried Hiller (Präsident desBayerischen Musikrats), Prof. Asmus J. Hintz (Vorstandsmit-glied der „Stiftung 100 Jahre Yamaha“ e.V.), Walter Hirche(Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission), RuthHieronymi, MdEP (Mitglied des Ausschusses für Kultur undBildung des Europäischen Parlaments für die CDU), PeterJames (1. Vorsitzender des Verbands unabhängiger Ton-trägerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzentene.V.), Prof. Siegfried Jerusalem (Rektor der Hochschule fürMusik Nürnberg-Augsburg), Dr. Lukrezia Jochimsen, MdB

(Kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Mitglieddes Bundestagsausschusses für Kultur und Medien für dieFraktion Die Linke), Kathy Kaaf (Präsidentin der GEDOK –Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen undKunstförderer), Prof. Dr. Mauricio Kagel (Komponist undDozent), Prof. Hans-Jürgen Kaiser (Vorsitzender der Konfe-renz der Leiterinnen und Leiter katholischer kirchenmusikali-scher Ausbildungsstätten Deutschland), Prof. Karl Karst(Programmleiter WDR3), Konrad Körner (Rektor der Hoch-schule für Musik und Theater „Felix Mendelsohn Bar-tholdy“Leipzig), Prof. Hermann Kokenge (Rektor der TechnischenUniversität Dresden), Dr. Wolfram Knauer (Direktor desJazzinstituts Darmstadt), Dr. Niels Knolle (1. Vorsitzenderdes Arbeitskreises Musikpädagogische Forschung e. V.),Arthur Knopp (Präsident des Gesamtverbandes DeutscherMusikfachgeschäfte), Prof. Wilfried Krätzschmar (Präsidentdes Sächsischen Musikrats e.V.), Gidon Kremer (Geiger undDirigent), Prof. Dr.-Ing. Edwin Kreuzer (Präsident der Tech-nischen Universität Hamburg-Harburg), Dr. Wilhelm Krull(Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung), Tobias Künzel(Musiker), KMD Prof. Wolfgang Kupke (Präsident des Lan-desmusikrats Sachsen-Anhalt), Dr. Otto Graf Lambsdorff(Bundesminister a. D., Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung Potsdam), Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann(Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Dr. LotharTheodor Lemper (Vorsitzender des Kulturausschusses derStadt Köln, Präsident der Otto-Benecke-Stiftung Bonn),Univ.-Prof. Dr. Dieter Lenzen (Präsident der Freien Universi-tät Berlin), Prof. Dr. Silke Leopold (Prorektorin für Lehre undDirektorin des Musikwissenschaftlichen Seminars der Uni-versität Heidelberg), Prof. Dr. Werner Lohmann (Präsidentdes Landesmusikrats Nordrhein-Westfalen e.V.), HelgeLorenz (Präsident des Bundesverbandes Deutscher Lieb-haberorchester e.V.), Dr. Dr. h.c. Jürgen Lüthje (Präsidentder Universität Hamburg), Holger Maack (Vorstand derDeutschen Rockmusik Stiftung), Heinz Mader (Vizepräsidentdes Zithermusik-Bundes e.V.), Prof. Dr. Christoph Mark-schies (Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin), Prof.Dr. Siegfried Mauser (Rektor der Hochschule für Musik undTheater München), Monika Mayr (1. Vorsitzende Bildungs-werk Rhythmik e.V.), Prof. Rudolf Meister (Staatliche Hoch-schule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim), Prof.Sabine Meyer (Klarinettistin und Hochschulprofessorin),Prof. Wolfgang Meyer (Rektor der Hochschule für MusikKarlsruhe), Liz Mohn (stellv. Vorsitzende der BertelsmannStiftung), Gerhard Meinl (1. Vorsitzender des Bundesver-bandes der deutschen Musikinstrumenten-Hersteller),Suzette Yvonne Moissl, (Präsidentin der Deutschen JazzFöderation), Prof. Dr. Jürgen Morlok (Vorsitzender desKuratoriums der Friedrich-Naumann Stiftung Potsdam),Prof. Dr. Franz Müller-Heuser (Sänger), Eske Nannen(Geschäftsführerin Stiftung Henri und Eske Nannen), Prof.Dr. Miriam Nastasi (Rektorin der Hochschule für MusikFreiburg), Gerd Natschinski (Präsident der DramatikerUnion e.V. Schriftsteller und Komponisten von Bühne, Filmund Medien), Prof. med. Dr. phil. Eckhard Nagel (Vorsitzen-der des Kuratoriums der Hanns-Lilje-Stiftung), WolfgangNeskovic, MdB (Mitglied des Bundestagsausschusses fürKultur und Medien für die Fraktion Die Linke), Ernst UllrichNeumann (Präsident des Landesmusikrats Brandenburg),Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin (Staatsminister für Kultur undMedien a. D.), Christoph Nielbock (Vorsitzender der Arbeits-gemeinschaft Deutscher Musikakademien und Konservato-rien), Prof. Dr. Thomas Olk (Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), Hans-Joachim Otto,MdB (Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kulturund Medien), Cem Özdemir, MdEP (Mitglied des europäi-schen Parlaments für die Partei Die Grünen), Jo Plée (Präsi-dent der Vereinigung Deutscher Musikbearbeiter), ErnstPfister (Präsident des Harmoniker-Verbandes e.V. Trossin-gen), Prof. Dr. Martin Pfeffer (Rektor der Folkwang Hoch-schule Essen), Isabel Pfeiffer-Pönsgen (Generalsekretärinder Kulturstiftung der Länder), Christoph Poppen (Dirigent),Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep (Präsident der Universität Kas-sel), Christa Prets (Mitglied des Europäischen Parlaments),Prof. Thomas Quasthoff (Sänger und Hochschulprofessor),Dr. Peter Rantmann (Rektor der Hochschule der KünsteBremen), Prof. Dr. Hermann Rauhe (Ehrenpräsident der

MUSIK�ORUM60

DOKUMENTATION

Im Spannungsfeld von medialerReizüberflutung, kommerziell

begründeter Monotonie undausfallendem Musikunterrichtgewinnt die möglichst früheVermittlung musikalischer Vielfaltund des Umgangs mit Musikzunehmend an Bedeutung.

IN DEUTSCHLAND

Mehr Musikvermittlung

Kongress in Wildbad Kreuth formuliert Forderungskatalog

Die Bandbreite, die sich aus dem kultu-rellen Erbe und der Vielfalt zeitgenössischerAusdrucksformen ergibt, kann sehr individuelleZugangsmöglichkeiten zur Musik eröffnen.Es steht in der Verantwortung aller politischenEntscheidungsträger, der Medien und der Mu-sikschaffenden, möglichst differenzierte Zu-gänge zur Musik im Sinn einer humanen Ge-sellschaft zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund haben die Teil-nehmer des Kongresses „Musikvermittlung“,veranstaltet vom Deutschen Musikrat, demBayerischen Rundfunk und der Hanns-Sei-del-Stiftung, vom 2. bis 5. Mai in WildbadKreuth folgende Forderungen formuliert:

1. Schulen, Hochschulen, MusikschulenEs bedarf der Verankerung und Bereitstel-

lung der Kapazitäten für ein verbessertesmusisches Ausbildungsangebot für Erziehe-rinnen und Erzieher in Kindergärten.

Es bedarf verbesserter Rahmenbedingun-gen und einer Aufwertung von Musik in der

Schule. Die Hochschulen müssen einen Per-spektivwechsel vollziehen durch stärkerenPraxisbezug in allen Bereichen der Musik-ausbildung und Öffnung für neue Entwick-lungen und Berufsbilder.

Es bedarf einer Verbesserung der finanzi-ellen und organisatorischen Rahmenbedin-gungen für die außerschulischen Institutio-nen (z. B. Musikschulen und Musikvereine),damit diese sich neuen Aufgabenfeldern (in-terkulturelle Lernfelder, Musizierpraxen, Me-dienumgang) öffnen können.

2. Weitere InstitutionenEs bedarf einer Vereinfachung der öffent-

lichen und privaten Förderstrukturen für freieMusikinitiativen. Voraussetzung dafür ist einneues Verständnis von Partnerschaft derBeteiligten.

3. OrchesterMusikvermittlung ist eine Pflichtaufgabe

für Orchester und Musiktheater. Sie ist keinErsatz für Musikerziehung in der Schule, son-dern Unterricht an einem anderen Ort (z. B.Konzertbesuche, Opernbesuche und Work-shops).

Die Verantwortlichen in den Orchesternund den Musiktheatern sowie den Schulenund Bildungs- und Kulturbehörden müssendas Bewusstsein für die Notwendigkeit undden Wert von professioneller Musikvermitt-lung stärken und fördern. !

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Hochschule für Musik Hamburg), Prof. Dr. Peter Raue(Rechtsanwalt), Gustav Adolf Rabus (Direktor der Bayeri-schen Musikakademie Marktoberdorf, Sprecher des Arbeits-kreises der Musikbildungsstätten), Prof. Aribert Reimann(Komponist und Ehrenmitglied des Deutschen Musikrats),Prof. Dr. rer.nat Burkhard Rauhut (Rektor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen), Dr. WinfriedRichter (1. Vorsitzender des Verbands Deutscher Musikschulen),Dr. Jörg Riedlbauer (Präsident der Deutschen Mozartgesell-schaft), Prof. Dr. Nikolaus Risch (Rektor der Universität Pader-born), Prof. Dr. Christian Rolle (Vorsitzender der Bundes-fachgruppe Musikpädagogik), Prof. Dr. Claus Rollinger(Präsident der Universität Osnabrück), Prof. Dr. Jürgen Rode(Rektor der Universität Potsdam), Prof. Inge-Susann Römhild(Rektorin der Musikhochschule Lübeck), Michael Roth, MdB(Mitglied des Ausschusses für Kultur und Medien), Prof. Dr.Wolfgang Rüdiger (Sprecher der Arbeitsgemeinschaft derLeitenden musikpädagogischer Studiengänge), Prof. Dr. Dr.h. c. Helmut Ruppert (Präsident der Universität Bayreuth),Michael Russ (Präsident des Verbands der deutschen Kon-zertdirektionen), Peter Ruzicka (Komponist und Dirigent,Intendant der Salzburger Festspiele), Prof. Dr. JoachimSartorius (Intendant der Berliner Festspiele), Prof. Dr. rer.nat. habil. Peter Scharff (Rektor der Technischen UniversitätIlmenau), Dr. Henning Scherf (Bürgermeister und Präsidentdes Senats der Freien und Hansestadt Bremen a. D., Präsi-dent des Deutschen Chorverbands), Michael Schindhelm(Generaldirektor der Stiftung Oper in Berlin), RenateSchmidt, MdB (Bundesministerin a. D.), Prof. Dr. GesineSchwan (Universitätspräsidentin der Europa-UniversitätViadrina Frankfurt/Oder), Hans-Hermann Schwick (Präsidentvon Arminia Bielefeld), Ole Seelenmeyer (Sprecher desDeutschen Rock&Pop Musikverbands e.V.), Prof. WolfgangSeifen (stellv. Vorsitzender der Konferenz der Leiterinnenund Leiter der Ausbildungsstätten für katholische Kirchen-musik in Deutschland), Michael Sommer (Vorsitzender desDeutschen Gewerkschaftsbundes), Prof. Dr. Hans W.Sikorski (Ehrenpräsident des Deutschen Musikverleger-Verbandes), Prof. Klaus Staeck (Präsident Akademie derKünste), Hans-Dieter Starzinger (Präsident des VerbandsDeutscher KonzertChöre e.V.), Helmut Steger (Generalsek-retär des Arbeitskreises Musik in der Jugend), Jörg Tauss,MdB (Mitglied des Ausschusses für Kultur und Medien),Prof. Dr. Jürgen Terhag (Bundesvorsitzender des Arbeits-kreises für Schulmusik und allg. Musikpädagogik e.V.),Dr. Wolfgang Thierse, MdB (Vizepräsident des DeutschenBundestags), Siegfried Thilemann (Bundesinnungsmeisterdes Bundesinnungsverbandes für das Musikinstrumenten-handwerk), Prof. Manfred Trojahn (Präsident des DeutschenKomponisten Verbandes), Prof. Dr. Georg Unland (Rektorder Technischen Universität Bergakademie Freiberg), Prof.Martin Christian Vogel (Rektor der Hochschule für MusikDetmold), Michael Walter (Vorstand der Oscar und VeraRitter-Stiftung), Christoph Waitz (Kultur und Medienpoliti-scher Sprecher der FDP), Dieter Wasilke (1. Vorsitzenderder PROFOLK – Verband für Lied, Folk und Weltmusik inDeutschland e.V.), Thomas Wendorf (Präsident des Landes-musikrats Mecklenburg-Vorpommern), Dr. Verena Wiede-mann (ARD-Generalsekretärin), Prof. Dr. Ruprecht Wimmer(Präsident der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt),Prof. Dr. Matthias Winiger (Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Jürgen Wittekind (Vorsitzender der Oscarund Vera Ritter-Stiftung), Evelin Wittich (GeschäftsführendesVorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner, (Präsident der TechnischenUniversität Darmstadt), Klaus Wowereit (Regierender Bür-germeister von Berlin), Dr. Monika Wulf-Mathies (EU-Kom-missarin a. D., Vorsitzende des Kuratoriums der Beethoven-Stiftung für Kunst und Kultur der Bundesstadt Bonn), Chris-tian Wulff (Niedersächsischer Ministerpräsident), Dr. h.c.mult. Hans Zehetmair (Staatsminister a. D., Vorsitzender derHanns-Seidel-Stiftung München), Wolfgang Ziesmann (Prä-sident des Deutschen Bundesverbandes der Spielmanns-,Fanfaren-, Hörner- und Musikzüge e.V.), Olaf Zimmermann(Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates e.V., Heraus-geber von „Politik und Kultur“), Peter Zombik (Geschäfts-führer der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutz-rechten), Rolf Zuckowski (Musiker und Komponist).

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MUSIK�ORUM62

4. MedienAlle Anbieter von Radio- und Fernseh-

programmen – und nicht nur die öffentlich-rechtlichen – werden aufgefordert, die Pro-grammangebote im Bereich der Musikver-mittlung, hauptsächlich für Kinder und Ju-gendliche, zu erweitern und spezielle Sende-plätze sowie geeignete Sendeformen dafüranzubieten. Die Kultur- und Informationspro-gramme müssen sich künftig verstärkt auchals Informations- und Kommunikationsplatt-form für das Musikleben in Deutschlandverstehen.

Im Zuge der neuen technischen Entwick-lungen und der zunehmenden Verbreitungvon Internet-Programmangeboten ist eine Fle-xibilisierung des Urheberrechts notwendig,um die Chancen von musikpädagogisch aufbe-reiteten Beiträgen im Internet zu erhöhen.

Grundsätzliches zum Thema„Musikvermittlung“

Möglichkeiten kultureller, insbesonderemusikalischer Erfahrungen hängen zu häufigvon momentanen Zufällen ab und werdenoft unkoordiniert angeboten, ohne dass dieZielrichtung und die Ortsbestimmung in ei-nem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhangerkennbar sind. Hier sind Politik, Wirtschaft,und Zivilgesellschaft gemeinsam gefordert,neue Zusammenhänge zu entwickeln.

Denn die Aufgabe einer postindustriellenGesellschaft besteht nicht nur in der Schaf-fung ihrer materiellen Reproduktion, sondernauch im Entwickeln unterschiedlicher For-men der Selbstfindung und Selbstbestimmungihrer Mitglieder. Wesentlichstes Medium fürdiese Selbstfindung und Selbstbestimmungist das der Kultur, die sich in unterschiedli-chen Praxen artikuliert.

Sie werden nicht nur im Rahmen familiä-rer Lebenszusammenhänge gestiftet undgepflegt, sondern im zunehmenden Maße übergesellschaftlich organisierte und verantwor-tete Institutionen. Aus der Idee des Staats alsein geordnetes Gemeinwesen erwächst die-sem die Verpflichtung, Räume zu definierenund zu sichern, innerhalb derer die Zivilge-sellschaft ihre kulturellen Praxen realisiert.

Insofern umfasst der Begriff Musikvermitt-lung nicht nur ein einzelnes Segment (wiez. B. die Musikpädagogik), sondern steht fürdas Gesamt all jener Praxen, in denen Musikge-schaffen, präsentiert und aufgenommenwird. Darum bezieht sich Musikvermittlungkei-neswegs nur auf durch Tradition Über-kommenes und Gesichertes, sondern ebensoauch auf das Neue, das Ungesicherte, das auf-grund seiner Aktualität noch Labile.

Adressaten einer gesellschaftlich verant-worteten Musikvermittlung entsprechen dergesellschaftlichen Breite und Vielfalt; das heißt,dass es weder eine Alterspräferenz der Ver-mittlung von Musik (z. B. nur für Kinder undJugendliche), noch einen Ausschluss bestimm-ter Genres geben kann.

Für die Politik folgt daraus, dass als Rah-menbedingung eine größtmögliche Chancen-gleichheit garantiert werden muss. Diesebezieht sich auf die unterschiedlichen Grup-pierungen und auf spezifische Strategien.

Formen der Vermittlung von Musik orien-tieren sich an kontinuierlichen Strategien (z. B.Unterricht in der Schule) ebenso wie an ein-zelnen punktuellen Impulsen, die ihrerseitsin ein Gesamtkonzept münden müssen. DiesesGesamtkonzept ist geleitet von der Idee größt-möglicher Nachhaltigkeit.

Zu beachten ist zudem, dass die Formender Vermittlung von Musik grundsätzlich vonden jeweiligen Rezipienten und ihren bishe-rigen musikalischen Erfahrungen abhängen.

Trugen in früheren Zeiten im Wesentli-chen die Familie und der Staat die Verant-wortung für Vermittlung von Musik, so ha-ben sich gerade in den vergangenen Jahrenweitere ausgesprochen effizient arbeitendeTräger für diese Aufgabe engagiert: Orches-ter, Chöre, Musikvereine, Medien, Stiftun-gen, freie Träger u. a. m.

Leitende Vorstellungen für die Musikver-mittlung hängen stets von den Selbstdefini-tionen der jeweilig Verantwortlichen ab:

ˇ Für die Politik ist dies die Idee einesgeordneten Gemeinwesens,

ˇ für die Wirtschaft Erhalt und Mehrungdes privaten und gemeinschaftlichen Nutzens,

ˇ für andere gesellschaftliche Gruppen undInstitutionen eine Orientierung an ihren ei-genen geschichtlich-sozialen-ästhetischen Be-dingungen.

Sie alle eint die gemeinsame ethische Selbst-verpflichtung, die darauf zielt, dass sich dasGrundrecht auf den Selbstentwurf des musi-zierenden Menschen erst noch entwickelnmuss und ständiger Überarbeitung und Re-flexion bedarf. Dieses Grundrecht ermöglichtgelungenes Leben in einem demokratischenGemeinwesen. Die Verantwortung der Poli-tik, der Medien, der Wirtschaft und der Zivil-gesellschaft zielt dementsprechend auf Rah-menbedingungen, innerhalb derer sich derEinzelne musikalisch entdecken und entwi-ckeln kann.

Wildbad Kreuth, 5. Mai 2006

ECHO

˜ Leserbrief

Das MUSIKFORUM 03/2006ging dem Verhältnis von Kircheund Musik auf den Grund.

Kirchenmusik in kritischer Situation.Jürgen Essl, Organist, Komponist und Pro-fessor für Orgel an der Hochschule für Mu-sik und Darstellende Kunst Stuttgart, nimmtStellung.

Es ist notwendig, das Bewusstsein für diebreite Arbeit in der Kirchenmusik zu schär-fen und ich freue mich sehr darüber, dassdas MUSIKFORUM einen so gewichtigenAkzent gesetzt hat. Meist bleibt es in derÖffentlichkeit zu diesem Themenbereich beijenen Heften, die ohnehin nur Insider lesen.Natürlich ist das Thema nicht in einem einzi-gen Magazin darstellbar, eine Auswahl ist daherimmer eine schwere Entscheidung. Ich mei-ne aber, dass wesentliche Fragen des Berufs-bildes in der aktuellen Situation gut darge-stellt sind.

Was m. E. fehlt, ist eine Darstellung derkritischen Situation mancher Hochschulen(Schließung der Gregorius-Hochschule Aa-

chen, Sparzwänge der kirchlichen Hochschu-len, Ausbluten mancher Kirchenmusik-Insti-tute an staatlichen Hochschulen). Der vonGunter Kennel festgestellte Rückgang anKirchenmusik-Studierenden hat an den Hoch-schulen bereits deutliche Spuren hinterlas-sen.

An der Stuttgarter Musikhochschule wirdderzeit über einen großen Kongress zumThema Kirchenmusik nachgedacht, nicht aufFunktionärsebene, sondern unter Beteiligungvon Komponisten, kirchlich Verantwortlichen,Popmusikern etc. Das MUSIKFORUM regtdie Diskussion darüber sicher weiter an.

ZwischenGlaube und

Event:Das MUSIK-

FORUMreflektierte

das Spektrumder Kirchen-

musik.