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§6 Die Stellvertretung 122

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§ 6Die Stellvertretung

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Parteibezeichnung als essentiale negotii

• Jede Willenserklärung muss die essentialia negotii enthalten

• Die Bezeichnung der von der Willenserklärung betroffenen Person (= Partei des Rechtsgeschäfts) gehört zu diesen essentialia 

• Beispiel: Essentialia negotii für den Abschluss eines Kaufvertrags:

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‐ Parteien des Rechtsgeschäfts: Käufer undVerkäufer

‐ Kaufsache

‐ Kaufpreis

Subjektiver TB der Willenserklärung

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Parteibezeichnung als essentiale negotii

• Wer Partei des Rechtsgeschäfts werden soll, ergibt sich entweder ausdrücklich: 

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Parteibezeichnung als essentiale negotii

• oder es ergibt sich durch schlüssiges Verhalten (konkludent): 

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Objektiver Empfänger, §§ 133,157 BGB

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Parteibezeichnung als essentiale negotii

Schlussfolgerung: 

• Wenn eine Person etwas tut, das ein objektiver Empfänger als eineWillenserklärung interpretiert, dann geht der objektive Empfängeraußerdem davon aus, dass die in der Willenserklärungbezeichneten Rechtsfolgen auch diese Person treffen sollen.

• Diese Grundregel findet sich im Gesetz in § 164 Abs. 2 BGB.

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Parteibezeichnung als essentiale negotii

• Das lässt sich für den Vertrag folgendermaßen schematisieren:

• Aber: Es muss nicht immer so sein, dass die Person, die dieWillenserklärung formuliert, auch von ihren Rechtsfolgen betroffenist.

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Person, die das Angebot unmittelbar selbst formuliert

Person, die die Annahme unmittelbar 

selbst formuliert

Vertrag

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Parteibezeichnung als essentiale negotii

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An wen richte ich hier mein Angebot?

‐ An Herrn/Frau Saturn?

‐ Wohl kaum. Händler ist dieSaturn‐Online GmbH, d.h.eine juristische Person, diezwar Verträge schließen,aber nicht unmittelbarselbst handeln kann.

→ Juristische Personenbrauchen jemanden, derdie Willenserklärung für sieformuliert oderentgegennimmt

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Parteibezeichnung als essentiale negotii

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Der dreijährige Karlo leidet an einerBlinddarmentzündung. Der Blinddarm mussoperativ entfernt werden, weil er sonstdurchzubrechen droht.

‐ Der ärztliche Heileingriff ist nurrechtmäßig, wenn der Patient einwilligt.

‐ Karlo kann diese Einwilligung wegen § 104Nr. 1 BGB unmittelbar selbst nicht geben.

→ Geschäftsunfähige brauchen jemanden,der Willenserklärungen für sie formuliertund entgegennimmt.

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Parteibezeichnung als essentiale negotii

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Richte ich mein Angebot zumAbschluss an die Person, die an derKasse sitzt?

‐ Wohl kaum. Denn die Person ander Kasse kann die Waren nichtohne Weiteres übereignen.

‐ Der obj. Empfänger weiß, dass ichnur mit dem Inhaber desGeschäfts einen Vertrag schließenwill.

‐ Herr Dornseifer kann nicht alle inseinem Unternehmen anfallendenWillenserklärungen selbstformulieren.

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Grundstruktur der Stellvertretung

• Das Zivilrecht erkennt das Bedürfnis von Personen an, dass ggf. andere Personen „für sie“ Willenserklärungen abgeben und entgegennehmen. 

• Es regelt diese Fälle in der Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB: 

‐ Anwendbarkeit der §§ 164 ff. BGB und Zulässigkeit der Stellvertretung 

‐ Eigene Willenserklärung des Handelnden 

‐ Im Namen des Vertretenen 

‐ Mit Vertretungsmacht 

→ Die Willenserklärung des Handelnden wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen

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Grundstruktur der Stellvertretung 

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Vertreter Geschäftspartner„GP“

Vertretener„Geschäftsherr“

„GH“

Vertragspartei:

GH§ 433 BGB

Vertragspartei:

GH§ 433 BGB

Kaufvertrag gem. § 433 BGB

ErteilungVertretungs‐macht

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Eigene Willenserklärung des Vertreters

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Vertreter Geschäftspartner„GP“

Vertretener„Geschäftsherr“

„GH“

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Eigene Willenserklärung des Vertreters

Fall 26: „Eichbaum will de Vadder hawe!“

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Vater Volkmar schickt seinen 12‐jährigen Sohn Sigurd zumKiosk des Kurt, um sechs Flaschen Eichbaum‐Export fürihn zu kaufen. Sigurd betritt das Kiosk und sagt: „MeinVater schickt mich. Ich soll sechs Flaschen Eichbaum‐Export für ihn kaufen.“Gibt Sigurd eine eigene Willenserklärung ab?

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Eigene Willenserklärung des Stellvertreters

• Was ist der Zweck dieses Tatbestandsmerkmals? Abgrenzung des Stellvertreters vom (Erklärungs)boten

• Was sind die Unterschiede zwischen den beiden? ‐ Der Bote überbringt lediglich eine fertig formulierte Willenserklärung eines 

anderen als dessen Transportmittel ‐ Der Stellvertreter formuliert die Willenserklärung erstmals und selbständig

• Woran erkenne ich den Unterschied? Entscheidend ist die Wahrnehmung des objektiven Empfängers gem. §§ 133, 157 BGB

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Im Namen des Vertretenen 

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Vertreter Geschäftspartner„GP“

Vertretener„Geschäftsherr“

„GH“

Vertragspartei:

GH§ 433 BGB

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Im Namen des Vertretenen 

• Der Vertreter muss offenlegen, dass nicht er selbst Partei desRechtsgeschäfts sein soll, sondern ein anderer (sog.„Offenkundigkeitsprinzip“)

• Was ist der Sinn dieses Offenkundigkeitsprinzips?‐ Der Geschäftspartner soll wissen, mit wem er Verträge schließt‐ Deshalb: Missachtet der Vertreter das Offenkundigkeitsprinzip, treffen ihn selbst

die rechtlichen Konsequenzen aus der Willenserklärung (§ 164 II BGB)

• Wie handelt der Stellvertreter in fremdem Namen?‐ Er stellt klar, dass nicht er selbst Partei des Rechtsgeschäfts werden soll, sondern

ein anderer‐ Er benennt diesen anderen konkret mit Namen o.ä.

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Im Namen des Vertretenen

Fall 27: Offenes Geschäft für den, den es angeht

Kunstsammlerin Katrin will beim Galeristen Guido eine Skulptur desberühmten spanischen Bildhauers Carvajal erwerben. Sie legt aber wertdarauf, dass nicht unmittelbar selbst in Erscheinung zu treten. Deshalbbittet sie ihre Vertraute Veronika, den Guido aufzusuchen und dieSkulptur dort diskret zu erwerben. Veronika erscheint bei Guido underklärt: „Ich möchte die Skulptur von Carvajal im Namen einer drittenPerson, die ungenannt bleiben möchte, für 250.000 Euro kaufen.“Guido willigt ein.

Wer ist Guidos Vertragspartner? 

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Im Namen des Vertretenen 

Fall 28: Verdecktes Geschäft für den, den es angeht

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Die Industrielle Inge schickt ihren Butler Boris zuHaushaltswaren „Kustermann“, damit er dort für sie einSet „Kai Shun“‐Messer zum Preis von insgesamt 5.000Euro erwerbe. Das Geld gibt sie ihm in bar. Dergewissenhaft Boris führt den Auftrag aus, lässt sich dieMesser aushändigen und zahlt den Kaufpreis sofort. Aufdem Weg zurück zu Inge fängt ihn der GerichtsvollzieherGunnar ab und will die Messer beschlagnahmen, da Borisdem Kredithai Hubert noch einen Betrag von 5.000 Euroschuldet.Wer ist Eigentümer der Messer?

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Im Namen des Vertretenen 

Fall 29: Handeln unter fremdem Namen 

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Charlotte handelt mit exklusiven Classic Cars.Der verarmte Hobbyrennfahrer Rudi will bei ihreine 1961er Chevrolet Corvette C1 erwerben.Das Fahrzeug soll jedoch 110.000 Euro kosten,was Rudi sich nie und nimmer leisten kann.Also gibt Rudi sich als der wohlhabende GrafArco aus und erklärt das Fahrzeug kaufen undgleich mitnehmen zu wollen. Den Kaufpreiswerde er in einigen Tagen überweisen.Charlotte solle sich deswegen keine Sorgenmachen. Schließlich sei er Graf Arco, habeeinen guten Namen und viel Geld.Mit wem kommt der Vertrag zustande, wennCharlotte sich darauf einlässt?

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Vertretung mit Vertretungsmacht

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Vertreter Geschäftspartner„GP“

Vertretener„Geschäftsherr“

„GH“

Vertragspartei:

GH§ 433 BGB

ErteilungVertretungs‐macht

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Gem. § 164 I BGB wirkt die Willenserklärung des Stellvertreters nurdann für und gegen den Vertretenen, wenn der Stellvertreter auchdie Befugnis hatte, diese Willenserklärung für den Vertretenenabzugeben

• Diese Befugnis bezeichnet man als „Vertretungsmacht“ 

• Man unterscheidet drei Arten von Vertretungsmacht ‐ Gesetzliche Vertretungsmacht (z.B. § 1629 I 1 BGB) 

‐ Organschaftliche Vertretungsmacht (z.B. § 26 BGB, § 35 I GmbHG)

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Vertretung mit Vertretungsmacht

Fall 30: Erteilung und Umfang der Vollmacht Installateur Röhrich bittet seinen GesellenEkkehard, rasch zum Großhändler Georgzu fahren, um dort ein „Ideal‐Standard“‐Waschbecken zu besorgen. Um sicher zugehen, dass auch alles klappen wird, ruftRöhrich bei Georg an und sagt: „Pass auf.Gleich kommt mein Geselle Ekkehard, umein Ideal‐Standard‐Waschbecken für michzu besorgen. Das geht in Ordnung. Schickemir dann einfach die Rechnung.“Wird Ekkehard mit Vertretungsmachthandeln?

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Vertretung mit Vertretungsmacht

Die Innenvollmacht gem. § 167 I Alt. 1 BGB

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Vertreter

Vertretener

Vertragspartner

„Ich erteile Dir Vollmacht für [folgt nähere Bestimmung]

WE nach § 167 I Alt. 1

Zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter besteht neben derVollmachterteilung wenigstens regelmäßig ein sog. „Innenverhältnis“, dasein Arbeitsvertrag, ein Auftrag o.ä. sein kann. Dieses Innenverhältnis hatweder mit der Erteilung noch mit dem Umfang der Vollmacht etwas zutun, wohl aber mit dem Fortbestand (§ 168 BGB)

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Vertretung mit Vertretungsmacht

Die Außenvollmacht gem. § 167 I Alt. 1 BGB

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Vertreter

Vertretener

Vertragspartner

Grundsätzlich kann der Vertretene selbst überden Umfang der Vollmacht entscheiden:

‐ Einzelvollmacht für nur ein konkretesGeschäft

‐ Generalvollmacht für eine bestimmte Artvon Geschäften

‐ Generalvollmachten mit gesetzlichdefiniertem Umfang derVertretungsmacht, insb. § 48 HGB

‐ Einzelvollmacht und Gesamtvollmacht

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Vertretung mit Vertretungsmacht

Fall 31: Vertretungsmacht und §§ 170 bis 173 BGBMeister Röhrich hat gegenüber Georg erklärt,dass Ekkehard immer und jederzeitbevollmächtigt sei, für ihn Installationsbedarfzu erwerben. Als Ekkehard sich hierbeiwiederholt als unzuverlässig erweist, kommt eszum Streit zwischen ihm und Röhrich. Röhrichsagt: „Und mit den Einkäufen bei Georg istjetzt Schluss. Das mache ich in Zukunft wiederausschließlich selber.“ Am nächsten Tag suchEkkehard den Georg, der von dem Streit nichtsweiß, auf und erwirbt dort im Namen desRöhrichs auf Rechnung 20 Schnüffelstücke unddiverse Werkzeuge.Darf Röhrich die Bezahlung verweigern?

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Eigene Willenserklärung des Ekkehard im Namen des Röhrich

• Mit Vertretungsmacht? ‐ Ursprünglich: § 167 I 1 Alt. 2 BGB‐ Aber: Erloschen gem. § 168 S. 2 BGB

• Problem: Woher soll Georg das wissen? ‐ Lösung: Die Rechtsscheinvollmachten gem. §§ 170 bis 173 BGB‐ Hier: § 170 BGB‐ Die Rolle des § 173 BGB

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Vertretung mit Vertretungsmacht

Fall 32: DuldungsvollmachtVeit will am Abend seinen Freund Gustav, derein Sportgeschäft betreibt, abholen, um mitihm zum Stammtisch zu gehen. Als Gustav miteinem anderen Kunden beschäftigt ist,erscheint Katja und legt ein Paar Brooks PureCadence auf die Kassentheke. Der ungeduldigeVeit will keine wertvolle Stammtischzeitvergeuden, tut so, als arbeite er für Gustav undkassiert Katja ab. Gustav bemerkt dies zwar,unternimmt aber nichts, weil er keinen Streitim Laden will. Später stellt er fest, dass Veit derKatja einen großzügigen Rabatt gewährt hat,weil Katja so charmant danach fragte. Gustavwill die von Veit getätigten Geschäfte nichtgelten lassen.Ist Katja Eigentümerin der Schuhe geworden? 

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Ursprünglich war Gustav Eigentümer der Schuhe (§ 1006 I BGB)

• Denkbar: Eigentumserwerb der Katja von Veit gem. § 929 S. 1 BGB‐ Erfordert Einigung zwischen Katja und Veit gem. §§ 145, 147 BGB mit Inhalt 

§ 929 S. 1 BGB

‐ Hier (‐), da Veit gem. §§ 133, 157 BGB nicht im eigenen Namen handelte, sondern im Namen des Gustav (sog. „unternehmensbezogenes Geschäft“)

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Denkbar: Eigentumserwerb der Katja von Gustav gem. § 929 S. 1 BGB‐ Erfordert Einigung zwischen Katja und Gustav gem. §§ 145, 147 BGB mit 

Inhalt § 929 S. 1 BGB

‐ Problem: Katja und Gustav haben unmittelbar selbst keine Willenserklärungen ausgetauscht, sondern nur Katja und Veit

‐ Aber: Diese Willenserklärungen wirken gem. § 164 I BGB unmittelbar für und gegen Gustav, wenn Veit ihn wirksam vertreten hat. 

• Eigene Willenserklärung des Veit im Namen des Gustav: (+)

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Mit Vertretungsmacht? ‐ Ausdrücklich erklärt gem. § 167 S. 1 Alt. 1 BGB?

‐ Typisierte handelsrechtliche Vollmacht gem. § 56 HGB?

‐ Stillschweigende Außenvollmacht gem. § 167 S. 1 Alt. 2 BGB durch Schweigen? 

‐ Rechtsscheinvollmacht gem. §§ 170 bis 173 BGB? → Problem: Katja wird nicht Eigentümerin

→ Wie aber soll sie wissen, dass Veit nicht für Gustav handeln darf? 

→ Und warum ist Gustav nicht eingeschritten und hat alles geschehen lassen?

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Grundsätze über die Duldungsvollmacht: Objektiver Rechtsscheintatbestand: Der Vertretene weiß, dass ein anderer imRechtsverkehr als sein Stellvertreter auftritt und unternimmt nichts dagegen,obwohl er die Möglichkeit zum Einschreiten gehabt hätte.

Zurechenbarkeit: Geschäftsunfähigen und Minderjährigen z.B. ist einRechtsschein nie zurechenbar.

Vertrauen und guter Glaube: Der Vertragspartner muss darauf vertrauen undvertrauen dürfen, dass der Vertretene deshalb nicht einschreitet, weil er demVertreter Vertretungsmacht erteilt hat.

Rechtsfolge: Der Vertretene muss sich so behandeln lassen, als hätte er demVertreter Vertretungsmacht erteilt.

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Vertretung mit Vertretungsmacht

Fall 33: AnscheinsvollmachtLaura betreibt einen Lululemon Athletica Store auf der Königsallee in Düsseldorf. Ihr Angestellter Toni, der mit dem Einkauf ansonsten nichts zu tun hat, bestellt auf ihrem Briefbogen bei der Lieferantin Marta gern zusätzliche Ware für seinen privaten Gebrauch. Laura fällt dies eine ganze Weile nicht auf, weil sie die Rechnungen der Marta stets ohne größere Überprüfung einfach begleicht. Als sie eines Tages jedoch genauer hinsieht, fällt ihr auf, dass Toni in ihrem Namen für sich selbst Kleidung im Wert von 900 Euro bestellt hat. Hat Marte gegen Laura einen Anspruch auf Zahlung von 900 Euro? 

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Grundsätze über die Anscheinsvollmacht: Objektiver Rechtsscheintatbestand: Der Vertretene weiß nicht, dass ein anderer imRechtsverkehr als sein Stellvertreter auftritt. Er hätte es aber erkennen und dagegeneinschreiten können, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hätte.

Zurechenbarkeit: Geschäftsunfähigen und Minderjährigen z.B. ist ein Rechtsschein niezurechenbar.

Vertrauen und guter Glaube: Der Vertragspartner muss darauf vertrauen undvertrauen dürfen, dass der Vertretene deshalb nicht einschreitet, weil er demVertreter Vertretungsmacht erteilt hat.

Rechtsfolge: Der Vertretene muss sich so behandeln lassen, als hätte er dem VertreterVertretungsmacht erteilt.

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Vertretung mit Vertretungsmacht

Fall 34: In‐Sich‐Geschäft Tante Tina hat ihren Neffen Norbert mit derWahrnehmung ihrer Vermögensangelegenheitenbeauftragt und ihm auch eine entsprechendeGeneralvollmacht erteilt, die sich insbesondereauch auf Grundstücksgeschäfte erstreckt. Norberthat seinerseits ein wenig ertragreiches Grundstückin Wetter an der Ruhr erworben. Das Grundstückhat einen Wert von 50.000 Euro. Er will es nun für100.000 Euro an Tina veräußern und vereinbart zudiesem Zweck einen Notartermin. Der Tina erzählter nichts von seinen Plänen. Er will bei dem Notarselbst auf der Verkäufer‐ und als TinasStellvertreter auf der Käuferseite auftreten.Wird der Notar den Kaufvertrag beurkunden?

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Hintergrund: Formbedürftige Geschäfte‐ Notarielle Beurkundung gem. BeurkG, z.B. § 311b BGB‐ Schriftform gem. § 126 BGB, z.B. § 766 BGB‐ Elektronische Form, § 126b BGB‐ Rechtsfolge bei Missachtung: § 125 BGB

• Was macht der Notar bei der Beurkundung? ‐ Bevor der Notar beurkundet, überprüft er allerhand, z.B. die 

ordnungsgemäße Bevollmächtigung‐ Der Notar wird den Kaufvertrag also beurkunden, wenn Norbert von Tina 

bevollmächtigt ist, das Grundstücksgeschäft in ihrem Namen vorzunehmen. 

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Vertretung mit Vertretungsmacht 

• An sich: Generalvollmacht auch über Grundstücksgeschäfte 

• Aber: Allgemeine Beschränkung des § 181 BGB („Verbot des Selbstkontrahierens“) ‐ Ein verbotenes Selbstkontrahieren („In‐sich‐Geschäft“) liegt vor, wenn der 

Stellvertreter auf beiden Seiten des Geschäfts tätig wird, einmal als Partei und einmal als Stellvertreter der anderen Partei 

‐ Solche Geschäfte bergen die Gefahr, dass der Stellvertreter seine eigenen Interessen über diejenigen des Vertretenen stellt 

• Ausnahmen vom Verbot des Selbstkontrahierens

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Vertretung mit VertretungsmachtFall 35: Missbrauch der Vertretungsmacht Kunsthändlerin Katharina ist stolze Eigentümerin der Skulptur „Der ewige Frühling“ von Auguste Rodin. Das Kunstwerk hat einen Wert von etwa 18 Mio. Euro. Der zwielichtige Rohstoffmilliardär Oleg ist bereits seit einiger Zeit an der Skulptur interessiert. Katharina würde es aber lieber an jemand anderen verkaufen. Zum einen, weil Olegs Preisvorstellungen nicht zu der von ihr erwarteten Marge passen. Zum anderen, weil Oleg in ihren Augen keinen Sinn für die schönen Künste hat. In Katharinas Kunsthaus arbeitet die Kunsthistorikerin Petrissa, der Katharina Prokura gem. §§ 48 ff. HGB erteilt hat. In ihrem Arbeitsvertrag steht, dass sie ohne das vorher einzuholende Einverständnis der Katharina keine Geschäfte über Kunstwerke im Wert von mehr als 250.000 Euro tätigen darf. Oleg, der von diesen Beschränkungen nichts weiß, wendet sich daher an Petrissa. Sie solle ihm den Rodin überlassen. Es solle ihr Schaden nicht sein. Sie einigen sich auf einen Kaufpreis von 10 Mio. Euro. Petrissa erhält zusätzlich ein Handgeld i.H.v. 1 Mio. Euro. Ist Oleg Eigentümer des ewigen Frühlings geworden? 

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Ursprünglich war Katharina Eigentümerin der Skulptur (§ 1006 I BGB)

• Denkbar: Eigentumserwerb des Oleg von Petrissa gem. § 929 S. 1 BGB‐ Erfordert Einigung zwischen Katja und Veit gem. §§ 145, 147 BGB mit Inhalt 

§ 929 S. 1 BGB

‐ Hier (‐), da Petrissa gem. §§ 133, 157 BGB nicht im eigenen Namen handelte, sondern im Namen der Katharina (sog. „unternehmensbezogenes Geschäft“)

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Denkbar: Eigentumserwerb des Oleg von Katharina gem. § 929 S. 1 BGB

• Handelte Petrissa mit Vertretungsmacht? 

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Katharina

Petrissa Oleg

Prokura gem. §§ 48 ff.HGB:‐ Umfang gem. § 49

HGB‐ Beschränkung nicht

möglich gem. § 50 IHGB

§ 433 BGB:10 Mio. €

§ 433 BGB:10 Mio. €

§ 929 BGB § 929 BGB

Petrissa hat in ihrem Arbeitsvertrag stehen, dass sie keine Geschäfte imVolumen von mehr als 250.000 € tätigen darf. Diese Verabredung mit Katharinabetrifft aber nur das Innenverhältnis und ist für den Umfang derVertretungsmacht egal. Das Innenverhältnis regelt, was der Vertreter imVerhältnis zum Vertretenen tun darf. Die Vollmachterteilung regelt, was imVerhältnis zu Dritten tun kann.

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Grundregel: 

‐ Für die Wirksamkeit der Stellvertretung kommt es nur darauf, ob dasVertretergeschäft vom Umfang der erteilten Vertretungsmacht erteilt war.

‐ Pflichtenverstöße im Innenverhältnis sind unbeachtlich und begründenlediglich eine Schadensersatzpflicht des Vertreters gegenüber demVertretenen.

‐ Ursache: Der Geschäftspartner kann die Verabredungen im Innenverhältnisnicht kennen. Wenn er mit einem Prokuristen, Geschäftsführer, Vorstand,etc. Geschäfte macht, muss er sich auf die gesetzlich beschriebeneVertretungsmacht verlassen können.

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Vertretung mit Vertretungsmacht

• Ausnahme: Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht

Erster Missbrauchsfall („Kollusion“): Hier verabreden sich der Vertreter und derVertragspartner dazu, unter Ausnutzung der Vertretungsmacht demVertretenen Schaden zuzufügen. Solches Verhalten widerspricht demAnstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Sowohl das dingliche alsauch das schuldrechtliche Geschäft sind hier gem. § 138 BGB unwirksam.

Zweiter Missbrauchsfall („offensichtlicher Rechtsbruch“): Hier liegt keineVerabredung der Beteiligten zu Lasten des Vertretenen vor. Auch weiß derVertragspartner nicht zwingend von dem Pflichtenverstoß des Vertreters. DerVerstoß ist aber so offensichtlich, dass er sich dem Vertragspartner geradezuaufdrängen muss. In diesem Fall darf er sich gegenüber dem Vertretenen gem.§ 242 BGB nicht auf die Wirksamkeit des Geschäfts berufen.

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