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5 Bienensex und Brautjungfern Der Sex der Honigbiene ist ein Bereich ihrer Privatsphäre, über die wir noch immer mehr spekulieren als wissen.

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Der Sex der Honigbiene ist ein Bereich

ihrer Privatsphäre, über die wir noch

immer mehr spekulieren als wissen.

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einsichtigkeit“ umgibt den Paarungsaktder Bienen mit etwas Geheimnisvollem.Den Orten, an denen die Paarungen statt-finden, den Drohnensammelplätzen, haf-tet Mystisches an. Jahr für Jahr sammelnsich die neuen Drohnen, die etwa eineWoche nach dem Schlüpfen geschlechtsreifwerden, an den gleichen alten Plätzen,brausen dort in großen Massen auffallendhörbar und sichtbar dicht gedrängt in rela-tiv engen Areal durch die Luft und wartenauf das Eintreffen der Jungköniginnen.

Aber wie findet eine Königin, in einerGegend, in der sie vorher nie gewesen ist,auf Anhieb den örtlichen Drohnensammel-platz? Wieso konkurrieren die Drohnen in-nerhalb einer Kolonie und schon gar zwi-schen den Bienenkolonien nicht aggressivum den Paarungserfolg bei den Königin-nen? Und wieso sollten die Arbeitsbienenvon diesen aufregenden Vorgängen rundum den Sex der Bienen kalt gelassen wer-den? Macht es wirklich Sinn, dass sich einVolk wenige neue Königinnen heranziehtund diesen Fortpflanzungstrumpf dann al-leine der gefährlichen und unbekanntenWelt da draußen überlässt?

Fragen über Fragen, auf die sich Ant-worten nur sehr zögernd und schemenhaftabzeichnen.

Es gibt durchaus klare Fixpunkte indiesem Paarungsnebel: Drohnensammel-plätze werden in vielen Regionen dieserWelt beobachtet. Solche Bereiche könnensich über Flächen mit einem Durchmesservon 30 bis zu 200 Metern erstrecken. Essind offenbar optische Eigenheiten in derLandschaft, von denen Drohnen angezo-gen werden. Dabei kann es sich um expo-nierte Bäume oder um andere Auffällig-keiten in einer Horizontsilhouette handeln,seien es dunkle Objekte vor hellem Himmel

oder helle Lücken in dunkler Front. AuchWasserläufen, ober- oder unterirdisch,wird Leitlinienfunktion zugesprochen.

Aber man findet ebenso Regionen, in de-nen sich das Paarungsgeschäft der Honig-bienen vollkommen unauffällig vollzieht,in denen noch nie Drohnensammelplätzebeobachtet worden sind. Das weckt denVerdacht, dass es sich bei den Drohnen-sammelplätzen um ein Phänomen handelt,das seine Ursache in einem Aggrega-tionsverhalten der Drohnen hat, falls diegeländemäßigen Voraussetzungen dafürerfüllt sind. Finden sich geeignete „Kristal-lisationskerne“, wie die genannten optischauffallenden Landmarken, ergeben sichstabile Drohnensammelplätze, ansonstengeht es auch ohne.

Aber selbst in Regionen, in denen esDrohnensammelplätze gibt, lässt sich be-obachten, dass diese fliegenden massivenDrohnenkonzentrationen nicht ortsstabilsind, sondern großräumig relativ raschüber einer Landschaft wandern können.Drohnenansammlungen sind zu sehen,lösen sich auf, bilden sich kurze Zeit späterwoanders, lösen sich wieder auf und tau-chen danach an einer dritten Stelle auf. DieLandschaft erscheint wie mit einem dich-ten Drohnennetz überzogen, das sich hinund wieder stellenweise zu engen Knotenzusammenzieht.

Und die Drohnen sind nach dem Verlas-sen des Nestes nicht ständig in der Luft,wie es einer alten Vorstellung entspricht.Man findet Drohnen sitzend in der Vegeta-tion im Bodenbewuchs oder auf Blätternund Ästen von Bäumen (Abb. 5.1). Unddas nicht nur zu Zeiten der so genanntenDrohnenschlacht, wenn die Männchen zuEnde der Paarungszeit der Bienen aus denVölkern geworfen werden (Abb. 5.2).

Die Paarungsflüge 115

Sex hat den Zweck, die Vielfalt an Eigen-schaften in einer Population hoch zu hal-ten. Das Zusammenführen von Ei- undSamenzellen, auf die das Erbgut einesWeibchens oder eines Männchens zu-nächst neu aufgeteilt wurde, ist dabei dieMethode der Wahl, um zu Neukombina-tionen in einer unauslotbaren Vielfalt zugelangen. Die Honigbienen machen dakeine Ausnahme, und doch bieten sie auchhier Ungewöhnliches.

Weibliche Individuen erzeugen wenigeGameten, die jedoch groß und reich anNährstoffen und somit wertvoll sind. So istbiologisch „weiblich“ definiert. Männchendagegen produzieren winzige Samenzellen,die auf „Erbgut mit Antriebsmotor“ re-duziert sind und deshalb in unglaublichenMengen gebildet werden können. Rein „ga-metentechnisch“ genügen wenige Männ-chen in einer Population, um viele Weib-chen zu begatten.

Bei den Honigbienen finden wir dasexakt umgekehrte Zahlenverhältnis vor.Auf die zehn Jungköniginnen, die eineKolonie im Extremfall entlassen kann,kommen zwischen 5 000 und 20 000 Droh-nen in einem Bienenvolk.

Ohne an dieser Stelle der Frage nach-zugehen, was die Gründe für diesesextreme Ungleichgewicht sein könnten(das Problem wird im letzten Kapitel nocheinmal aufgenommen), wagen wir einetheoretische Aussage: Hätten wir gleichviele Weibchen wie Männchen, würdealleine das dazu führen, dass die Männ-chen um die Weibchen konkurrieren, da ja bereits wenige Männchen eine für alleWeibchen ausreichende Samenmenge her-stellen, die meisten Männchen somit über-flüssig sind. Erkennbare Konkurrenzunter Männchen äußert sich in Balz oder

in Kämpfen zwischen den Samenerzeu-gern.

Bei den Honigbienen kommen grob ge-rechnet eintausend Männchen auf ein ein-ziges Weibchen. Die Konkurrenz unter denMännchen sollte riesengroß sein. Tatsäch-lich geht es aber merkwürdigerweise fried-lich zu.

Bei der Zusammenstellung der Faktenzur Frage, „wie es die Bienen tun“, zeigensich Erklärungsansätze für ungewöhnlicheDetails beim Bienensex, aber auch Lückenin unserem Kenntnisstand und neue An-sätze für diesen Teil der Bienenbiologie.

Von den Millionen Töchtern, die eineKönigin im Laufe ihres Lebens erzeugt,kommen nur einige Dutzend dazu, sich zupaaren. Es sind ausschließlich die Jungkö-niginnen, die sich auf den Hochzeitsflugbegeben. In der Regel genügt für die Bie-nenhochzeit ein einziges Verlassen desNestes, es können aber auch mehrere Aus-flüge kurz hintereinander durchgeführtwerden. Für die Drohnen sieht es kaumbesser aus, für die deutliche Mehrheit derDrohnen sogar deutlich schlechter. ImSommer bringt ein Bienenvolk ein paartausend Drohnen hervor. Von Ihnen kom-men aber nur ein paar Dutzend, wennüberhaupt, zur Paarung – und bezahlenden Paarungsakt zudem noch auf derStelle mit ihrem Leben.

Die Paarungsflüge

Rund um den Paarungsakt der Honigbie-nen ranken sich nach wie vor vieleGeschichten und Vermutungen. Genährtwerden diese Vermutungen durch denUmstand, dass sich die Bienen beim Sexnicht leicht beobachten lassen. Diese „Un-

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5.1 Ihr Körperbau macht Drohnen zu höchsteffektiven Flugmaschinen. Trotzdem fliegen sienach Verlassen des Nestes nicht pausenlos. Manfindet Drohnen auch in der Vegetation sitzend.

5.2 Gegen Ende der Paarungs-zeit werden die Drohnen über-flüssig. Alle verbleibenden Droh-nen bekommen kein Futter mehr,werden aus dem Nest geworfenund sterben.

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dien weiß. Die Drohnen nähern sich einerjungfräulichen Königin gegen den Wind,angelockt von der Königinnensubstanzaus den Mandibeldrüsen. Das ist die glei-che Substanz, die im Nest die Funktionerfüllt, die Entwicklung der Ovarien vonArbeiterinnen zu unterdrücken.

Haben die Drohnen eine fliegende Jung-königin erst einmal ins Auge gefasst, verfol-gen sie, optisch geleitet, ihr Ziel wie an ei-nem Faden gezogen in raschem Flug. Sieergreifen die Königin mit ihren Beinen undkoppeln mechanisch ihr Begattungsorganan die Königin an. Dann stülpen sie aktivden Endophallus zu etwa 50 Prozent aus

und hängen anschließend gelähmt an derKönigin. Die eigentliche Vollausstülpungdes Endophallus (siehe Abb. 5.4) und dieÜbertragung des Spermas bewerkstelligtdie Königin, nachdem der Drohn schongelähmt ist, durch Kontraktionen ihrerHinterleibsmuskulatur. Nicht selten explo-dieren die Drohnen nach dem Zusammen-koppeln der Geschlechtsorgane mit einemunter Umständen hörbaren Knall noch inder Luft. Dieses Aufplatzen des Hinterleibsführt dann zum sofortigen Tod des Drohn –ein Fall von Lustselbstmordattentätern.

Sehr attraktiv für die folgenden Droh-nen ist das so genannte Begattungszei-

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Wonach suchen und worauf warten dieDrohnen außerhalb des Volkes im Flugwie im Sitzen? Natürlich auf junge Köni-ginnen.

Jungfräuliche Königinnen verlassen ihrVolk im Alter von etwa einer Woche ein-oder mehrmals für eine Zeitspanne von inder Regel wenigen Minuten, aber durchausauch bis zu einer Stunde und kehren nacherfolgter Paarung zur Kolonie zurück.Eine Königin kann die Kolonie für meh-rere Paarungsflüge verlassen und betreibtdas Spiel in jedem Fall solange, bis ihreSamenvorratsblase randvoll mit Spermienist. Ein einzelner Drohn kann bis zu elfMillionen Spermien liefern. Am Ende desHochzeitsfluges nimmt die Königin vonder gesamten, von allen Drohnen in sieinjizierten Spermienmenge mit maximalsechs Millionen Samenzellen nur etwazehn Prozent dauerhaft in ihrer Samenvor-ratstasche zurück in ihr Volk. In dieser vol-len Samenvorratstasche halten sich dieSpermien über das gesamte mehrjährigeLeben der Königin frisch – eine natürlicheSamenbank, aus der bis zu 200 000 Eierpro Jahr befruchtet werden.

Drohnen verlassen im gleichen Zeitfens-ter, später Vormittag bis Mitte des Nach-mittags, das Volk. Während eine Jungköni-gin, sofern es auf Anhieb klappt, nur eineneinzigen Ausflug wagen muss, verlassen dieDrohnen das Volk tagtäglich, gleichgültigob junge Königinnen unterwegs sind odernicht. Sie gehen so auf Nummer sicher.Dieser tägliche Drohnenausflug, meistohne Paarungserfolg durchgeführt, ist einAusdruck der erheblichen Konkurrenzunter den Drohnen der Bienenkolonieneiner Region. Das Risiko, eine Königinaußerhalb des Nestes zu verpassen, istschwerwiegend und wird durch eine hohe

Ausflugrate klein gehalten. Der tägliche, inden meisten Fällen ergebnislose Massen-auszug der Drohnen, spielt sich bei jedemVolk über einige Wochen hinweg ab. Eingigantischer Aufwand, aber der möglicheGewinn in Form der Vaterschaft für tau-sende Bienen ist hoch.

Dieser gigantische Aufwand an Droh-nenmasse und Flugaktivität ist möglicher-weise eng gekoppelt mit der zwischen denDrohnen fehlenden Aggression. Bei solitärlebenden Tieren ist die subtilste Form derKonkurrenz unter den Männchen um denZugang zu den weiblichen Keimzellen dieSpermienkonkurrenz. Dabei findet einVerdrängungswettbewerb unter den Sper-mien im weiblichen Geschlechtsapparatstatt. Ein verbreitetes Erfolgsrezept ist esdabei, alleine durch die Masse der Sper-mien, die ein Männchen einbringt, dieKonkurrenz kurz zu halten.

Für den Superorganismus Bienenstaathaben die Drohnen die Funktion von flie-genden Spermien. Diese Spermienbomber,in rauen Massen zu den Paarungsplätzengeschickt, haben den gleichen Effekt wiedie Konkurrenz unter den Spermien: Ver-drängung der Konkurrenz durch Masse.

Königinnen nutzen außerhalb der Kolo-nie Lockduftstoffe, denen geschlechtsreifeDrohnen nicht widerstehen können. Abereben nur außerhalb der Kolonie. Im ge-schlossenen Nest zeigen sich die Ge-schlechter gegenseitig die kalte Schulter,obwohl sie dort wochenlang auf Tuchfüh-lung leben (Abb. 5.3). Das Resultat diesesplatonischen Zustandes ist Inzuchtver-meidung.

Eine Königin wird auf ihren wenigenPaarungsflügen, in manchen Fällen demeinzigen ihres Lebens, von mehreren Droh-nen begattet, wie man aus genetischen Stu-

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5.3 Im Innern des Nestes leben jungfräuliche Königin und Drohnen uninteressiert nebeneinader her.

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der fehlenden Aggression unter den Droh-nen zusammen. Eine Antwort darauf wirdin Kapitel 9 versucht.

Man findet gar nicht selten auf demBoden liegend faustgroße Klumpen ausDrohnen, aus dessen Innern sich eine Bie-nenkönigin freilegen lässt. Rein „flugtech-nisch“ betrachtet sollte es nicht verwun-dern, dass ein Gespann aus Königin, dieselbst schon im Vergleich zu Arbeitsbieneneine langsame Fliegerin ist, und demanhängenden Drohn nicht mehr besondersflugfähig ist und zu Boden geht. WeitereDrohnen werden dann von der Hoffnungangelockt, auch noch zum Zuge zu kom-men. Bei allen näheren und weiteren Ver-wandten der Honigbienen, für die zuver-lässige Beschreibungen der Paarungsaktesvorliegen, so bei Hummeln, Wespen,Ameisen, findet die Kopulation am Bodenstatt (Abb. 5.6).

Es bleiben Fragen zu Details, aber auch zum Grundsätzlichen der Paarungbei den Honigbienen, zu deren Antwortenwir nur langsam Zugang gewinnen. Soll

man tatsächlich davon ausgehen, dass die Mehrheit der Volksgenossinnen, dieArbeitsbienen, dem Geschehen gleichgül-tig gegenüberstehen?

Die Arbeitsbienen als

Brautjungfern

Die Paarungs-„Luftnummer“ ist für dieJungkönigin und damit für die gesamteKolonie, deren fliegende weibliche Game-ten die Königin ja darstellt, extrem riskant.Bienen werden im Flug von nicht wenigenRäubern angegriffen. Dabei muss mannicht einmal an Spezialisten wie den „Bie-nenwolf“ denken, eine Wespenart, derenWeibchen einzelne Bienen fangen und alsProviant für ihre Larven in Erdröhrchenstecken. Zahlreiche Vögel fangen Honig-bienen und lernen, gefahrlos mit dem Gift-stachel der Bienen umzugehen. Soll alsodiese einzige Jungkönigin, dieses dünneFädchen, das die Kolonie mit ihrer Zu-kunft verbindet, dieses Resultat der gemein-

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chen, der als Endophallus bezeichnete Teilder männlichen Geschlechtsorgane, derzunächst in der Königin stecken bleibt.Das Begattungszeichen besteht aus demSchleim der Mucusdrüsen, den Chitin-spangen des Endophallus und dem oran-gefarbenen und klebrigen (UV-reflektie-renden) Belag, der Cornua (Abb. 5.4).

Das fest steckende Begattungszeichen(Abb. 5.5) ist nicht etwa ein Keuschheits-gürtel, der den nachfolgenden Drohnenden Zugang in die Königin versperren soll,sondern das Gegenteil ist richtig. Sein

Duft und seine optischen Eigenschaften –er reflektiert das Sonnenlicht besondersgut im ultravioletten Bereich – in dem derSehsinn der Drohnen sehr empfindlich ist,locken weitere Drohnen an. Sie entfernenden Verschluss, so muss man vermuten,nur um ihn gleich wieder durch das eigeneSiegel zu ersetzen.

Ist es nicht merkwürdig, dass erfolgrei-che Drohnen ein Zeichen hinterlassen, umihren Nachfolgern den Weg zur Kopula-tion zu weisen? Welchen Vorteil sollten siedavon haben? Immerhin passt dies gut mit

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5.4 Ein Drohn hat sein riesenhaftes Begat-tungsorgan ausgestülpt. Die Blase am Ende derStruktur enthält in einer klaren Flüssigkeit dieSpermien und eine voluminöse, weiße schlei-mige Substanz. Die beiden nach unten gerich-teten Haken verankern den Drohn beim Paa-rungsakt in der Königin.

5.5 Der Endophallus bleibt nacherfolgter Paarung zunächst in derGeschlechtsöffnung der Königin ste-cken und wird als „Begattungszeichen“vom Paarungsflug zum Nest zurück-gebracht.

5.6 Andere staatenbildende Hautflügler wie Wespen oder Hummeln paaren sich nicht im Flug, sondernimmer am Boden.

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samen Anstrengung aller Bienen einerKolonie, vollkommen allein in der gefahr-vollen Welt außerhalb der Kolonie unter-wegs sein?

Eigentlich schwer vorstellbar. Die Bie-nenkolonien haben für jede denkbareProblematik optimale Lösungen hervorge-bracht und sollen ausgerechnet für dieseSchlüsselsituation im Leben des Superor-ganismus keinen Weg gefunden haben,ihre Zukunft besser abzusichern?

Etwas Licht in diese rätselhafte Situa-tion bringt ein Phänomen, das den Imkernals „Vorspielflüge“ schon seit langem be-kannt ist. In einer bestimmten Jahresperi-ode, tageszeitlich just immer dann, wennDrohnen und Jungköniginnen zu erwartensind, lassen sich vor den Eingängen zu Bie-nenstöcken regelrechte Wolken auf- undabfliegender Bienen beobachten (Abb. 5.7).

Diese Vorspielflüge werden im Allge-meinen als Orientierungsflüge von Jung-bienen gedeutet. Es gibt aber eine anderedurch Beobachtungen und einfache Versu-che gut begründete Auffassung, die demBegriff „Vorspielflug“ eine ganz neue undviel zutreffendere Bedeutung gibt und ihnin Verbindung mit dem Bienensex bringt. • Markiert man Jungbienen beim Schlüp-

fen und beobachtet dann, zu welcherTageszeit sie auf ihren ersten Ausfluggehen, verlassen sie über den gesamtenFlugaktivitätsverlauf des Volkes zwi-schen Sonnenauf- und Untergang dieKolonie, unternehmen ihren ersten Ori-

entierungsflug und kehren wieder in dieKolonie zurück. Man findet keine Häu-fung der Orientierungsflüge von Jung-bienen zur Zeit der Vorspielflüge.

• Fängt man komplette Vorspielschwär-me und bestimmt deren bienenmäßigeZusammensetzung, tauchen zwar Jung-bienen auf, da sie ja zu jeder Tageszeitauftreten, aber nur in der kleinen An-zahl, die auch außerhalb der Vorspiel-zeiten zu finden ist. Der größte Teil dervorspielenden Bienen sind alte Flugbie-nen, dabei nicht wenige sehr alte Bienenmit Flügeldefekten oder abgewetztemBorstenbesatz. Manche dieser Bienenkommen direkt „von der Arbeit“, wieman an den Pollenhöschen mancherVorspielerin oder am vollen Nektar-kropf, der sich an eingefangenen Bienensanft ausdrücken lässt, erkennen kann.

• Bildet man Bienenvölker ausschließlichaus alten Flugbienen, finden täglich zurpassenden Tageszeit vollkommen nor-male Vorspielflüge statt. Diese altenFlugbienen benötigen keine Orientie-rungsflüge mehr.

• Kreiert man Völker, die man überWochen ohne Königin hält und denenman regelmäßig Jungbienen in genauder Menge zusetzt, dass ihre Anzahl derGeburtenrate bei Vorhandensein einerKönigin entspricht, treten keine Vor-spielflüge auf.

• Wird ein weiselloses Volk, das keine Vor-spielflüge durchführt, mit einer Königinergänzt, lassen sich vom ersten Tag anwieder Vorspielflüge beobachten.

• Vorspielflüge treten nur in der Jahreszeitdes Drohnenfluges auf, also in einerPeriode, in der auch die Jungköniginnenihre Völker zum Hochzeitsflug verlas-sen. Früher oder später im Jahr produ-

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5.7 Während der Paarungszeit treten vor denVölkern um die Mittagszeit die so genanntenVorspielwolken auf, während gleichzeitig dieSammelaktivität des Volkes stark zurückgeht.

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ziert das Volk viele neue Arbeitsbienen.Im Frühjahr explodiert das Volk sogarregelrecht vor frischen Arbeitsbienen,die ihre Orientierungsflüge abhaltenmüssen, aber dabei keine Vorspielwol-ken bilden.

• Während des Auftretens der Vorspiel-wolken geht die Sammelaktivität desBienenvolkes vorübergehend erkennbarzurück.

Die Meinung, Vorspielflüge seien die Ori-entierungsflüge von Jungbienen, ist nichthaltbar. Wozu also dann die Vorspielflüge,wenn sie keine Orientierungsflüge der

Jungbienen sind und nur bei Vorhanden-sein einer Königin auftreten?

Ein geduldiger Beobachter kann denZeitpunkt erwischen, an dem eine Jungkö-nigin auf Hochzeitsflug geht. Die jungfräu-liche Königin verlässt mit einer Gruppevon bis zu 20 Arbeiterinnen zu Fuß dasNest bis vor die „Haustür“, worauf dieseGruppe sofort losfliegt (Abb. 5.8).

Dabei fällt auf, dass mit der abfliegen-den Königin und ihrem Begleittrupp auchdie Masse der vorspielenden Bienen imFeld verschwindet, um zeitgleich mit derKönigin aus dem Feld wieder vor demStock aufzutauchen (Abb. 5.9).

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5.8 Eine jungfräuliche Königin verlässt, begleitet von einer Gruppe Arbeiterinnen, den Stock, um kurzdarauf zu ihrem amourösen Abenteuer auszufliegen.

5.9 Auf der Rückkehr zu ihrem Stock wird die Königin (links), wiebeim Wegflug, von einer GruppeArbeiterinnen begleitet.

5.10 Die frisch begattete Königin ist gelandet und betritt mit ihrenBegleiterinnen das Nest, das sie erst wieder zur Schwarmsaison infolgenden Jahr verlässt.

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5.12 Eine Arbeiterin entfernt das Begattungs-zeichen vor dem Stock ausder Geschlechtsöffnung der Königin.

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Sofort nach derLandung kehrt dieKönigin, und mit ihrgemeinsam in engerTuchfühlung wiede-rum eine Gruppevon Arbeiterinnen,in das sichere Nestzurück. Auch vieleBienen der mit derRückkehr der Kö-nigin neu entstande-nen Vorspielwolkebetreten sofort denStock (Abb. 5.10),und der „Vorspiel-spuk“ verzieht sichrasch.

Findet kein Aus-flug einer Königinstatt, löst sich dieVorspielwolke nach längstens einer halbenStunde wieder auf, um an folgenden Tag

das gleiche Schau-spiel zu bieten.

Oft trägt die Kö-nigin nach ihrerRückkehr von ei-nem erfolgreichenPaarungsflug in ih-rer Geschlechtsöff-nung als Begat-tungszeichen nochden Endophallusdes Drohns, der sich im letzten Be-gattungsakt geop-fert hat (Abb. 5.11).Dieses Begattungs-zeichen entfernenBienen aus der Ge-leitgruppe entwedernoch vor dem Be-treten des Stockes

(Abb. 5.12) oder sofort danach im Nest(Abb. 5.13).

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5.11 Von ihrem Hochzeitsflug kann die Königin denEndophallus des Drohns zurückbringen, der sie alsletzter begatten konnte.

5.13 Ist die Königin sehrrasch im Innern desNestes verschwunden,wird ihr dort und nicht im Freien das Begattungs-zeichen entfernt.

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die Königinnen dagegen von den kleinenMinivölkern aus, geht etwa jede dritteKönigin auf dem Hochzeitsflug verloren.Ein solcher 30-prozentiger Verlust, würdeer unter natürlichen Umständen auftreten,wäre angesichts der wenigen Königinnendie in einer Saison einem Bienenvolk ent-stammen, eine Katastrophe.

Worin könnte die Ursache für diesenUnterschied bestehen? Möglicherweise inder Größe von Flugbegleiterinnengruppen?Jungköniginnengeleitflüge durch Sammel-bienen würden sehr viel Sinn machen.Königinnen kennen die Umgebung desStockes überhaupt nicht oder von wenigenOrientierungsflügen her nur schlecht.Erfahrene Sammelbienen haben die Geo-graphie ihres Habitats im Kopf und könn-ten Leitdienste leisten, so vor allem für denRückflug zum Stock, der aus Sicherheits-gründen rasch und zielstrebig erfolgensollte. Jungköniginnen sind die wertvolls-ten Produkte, die ein Bienenvolk hervor-bringen kann und auf die es sorgfältigaufpassen sollte. Eine kleine Kohlmeise,angelockt von einem königlichen fliegen-den Fleck gegen den hellen Himmel,brächte den Jahresfortpflanzungserfolgeines ganzen Volkes – erkauft durchenorme Investitionen der gesamten Kolo-nie – in große Gefahr. Gruppenflüge bötenalso nicht nur Orientierungshilfen, son-dern durch den „Heringsschwarmeffekt“auch noch Schutz. Und dieser Schutzef-fekt ist umso höher, je größer die Anzahlder Arbeiterinnen ist, die den Paarungs-luftraum bevölkern. Ein möglicher Grup-penschutzeffekt für ausfliegende Jungkö-niginnen lässt sich tatsächlich beobachten.Perfekt im Falle großer Kolonien, wo alleKöniginnen vom Paarungsflug heimkeh-ren, drastisch reduziert bei kleinen Kolo-

nien, wo von drei ausgeflogenen Königin-nen nur zwei heimkehren.

Man könnte sogar noch weiter gehenund den Arbeiterinnen eine noch aktivereRolle beim Fortpflanzungsgeschäft unter-stellen. Werden Jungköniginnen von einemExperimentator im Freiland auf einemBlatt ausgesetzt und fliegen nicht sogleichweg, sondern bleiben sitzen, so lassen sichfolgende Ereignisse beobachten und fil-men: Nach wenigen Minuten ist die Köni-gin selbst in mehreren hundert MeternEntfernung vom nächsten Bienenstocksofort von einer kleinen Gruppe Arbeits-bienen umringt. Folgen dann später Droh-nen, um die Königin, die sich mit geöff-neter Stachelkammer empfängnisbereitzeigt, zu begatten, werden einzelne Droh-nen von den Arbeitsbienen hoch aggres-siv angegangen, von der Königin vertrie-ben und sogar im Fluchtflug verfolgt. Sol-che Verfolgungsflüge „Arbeitsbiene jagtDrohne“ sehen genau so aus wie die Flug-formation „Drohn jagt Königin“ und sindin der Luft nicht leicht als solche zu identi-fizieren, es sei denn, man hat ihre Entwick-lung lückenlos verfolgt.

Auch hier ist noch vollkommen unklar,welcher Zweck von den Arbeitsbienen ver-folgt wird und ob dieses Verhalten eher dieAusnahme oder die schwer beobachtbareRegel darstellt. Eine die Königin hautnahbegleitende Gruppe von Arbeiterinnenhätte die Möglichkeit, bestimmten Droh-nen die Kopulation zu gestatten, anderenaber nicht.

Es eröffnen sich viele sehr spannendeFragen für künftige Forschungsprojekte.

Nach dem Paarungsgeschäft verlässteine Königin das Nest ein Jahr später nurnoch zum Umzug in ein neues Heim, wennsich ihre Kolonie eine neue Königin zuge-

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Was genau sich im Feld abspielt undwelche Rolle die Arbeiterinnen dabei über-nehmen, entzieht sich noch unserer Kennt-nis. Aber es lässt sich eine Vorstellungentwickeln, die auf vielen Einzelbeobach-tungen und Auswertungen umfangreicherAufzeichnungen beruht.

Der Imker, wenn er keine künstlicheBesamung der Königinnen durchführt,kennt zwei Formen der Bienenbegattung:Bei der Standbegattung überlässt derImker das Paarungsgeschäft Jungkönigin-nen und Drohnen auf der Grundlage voll

entwickelter Kolonien. Oder er bringt dieJungköniginnen mit jeweils einem Mini-volk von wenigen hundert Arbeitsbienenzusammen, gemeinsam untergebracht ineinem kleinen Begattungskästchen (Abb.5.14), an eine so genannte Belegstelle, aufder dann zusätzlich große Völker mit sehrvielen Drohnen aufgebaut werden.

Verwunderlich ist, dass bei Standbegat-tung höchst selten Königinnenverlusteauftreten und so gut wie jede Königin vonihrem Hochzeitsflug besamt und wohlbe-halten in den Stock zurückkehrt. Fliegen

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5.14 Imker organisieren die Begattung frei fliegender Jungköniginnen auf so genannten Belegstellen,auf denen Minivölker mit Jungköniginnen und wenigen hundert Arbeiterinnen sowie starke Drohnen-völker räumlich konzentriert aufgestellt werden.

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Ist das halbe Volk als so genannterVorschwarm oder Primärschwarm mit der alten Königin entschwunden, dauert es etwa eine Woche, bis die erste von meist mehreren Jungköniginnen schlüpft(Abb. 5.15).

Begegnen sich Jungköniginnen im Nest,kommt es zu einem tödlichen Zweikampf.Eine der Kontrahentinnen bleibt dabei aufder Strecke (Abb. 5.16). Das Heranziehenvon Jungköniginnen, die sich dann gegen-seitig töten, erscheint nicht sonderlichnützlich. Daher werden solche Kämpfemeist vermieden. Das geschieht in denmeisten Fällen dadurch, dass die erstgebo-rene Jungkönigin rasch mit einem weiterenTeil des Volkes als Nachschwarm das Nestverlässt. Es kann vorkommen, dass sich

wenig später geborene Königinnen einemsolchen Nachschwarm anschließen, wasden tödlichen Zweikampf aber nur aneinen anderen Ort verlagert.

Ein weiterer Mechanismus, der dasgegenseitige Töten der wertvollen Jungkö-niginnen verhindern hilft, besteht in einervibratorischen Kommunikation, in die dieerstgeborene Königin und die noch unge-borenen Königinnen eintreten. Diese Un-terhaltung ist derart auffallend, dass sievon einem menschlichen Beobachter akus-tisch sogar noch aus einiger Distanz vomStock wahrgenommen werden kann. Dieerstgeborenen Jungköniginnen „tüten“nach dem Schlüpfen aus ihrer Zelle. Aufdieses Signal hin verharren die umstehen-den Arbeiterinnen in Ruhe und unterbre-

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legt hat. Die Spermien, die sie beim Paa-rungsflug aufgenommen hat, bleiben jah-relang frisch, eine Samenbank ohne Tief-kühlschrank.

Ist der Vorrat aufgebraucht, kann dieKönigin nur noch unbefruchtete Eierlegen, aus denen nur noch Drohnen her-vorgehen. Diese Königin beendet nun ihreRolle im ewigen Leben der Kolonie.

Ganztier-Gameten

Aber noch einmal zurück zum Anfang, zurErzeugung von Geschlechtstieren durchdie Kolonie: Die ersten sichtbaren Zeichendafür, dass eine Bienenkolonie damitbeginnt, sich „Ganztier-Gameten“ zu zie-

hen, lassen sich aus der Wabenarchitekturablesen. Königinnen werden in so genann-ten Weiselwiegen aufgezogen, die in gerin-ger Anzahl meist am Rande der Wabenangelegt werden. Die Larven, die in diesenköniglichen Unterkünften schlüpfen, un-terscheiden sich zunächst in nichts vondenjenigen, die sich zur künftigen arbei-tenden Bevölkerung entwickeln. Der spe-zielle Futtersaft, den die Larven in denWeiselwiegen bekommen, lässt sie dann zuKöniginnen heranreifen. Weniger ver-wöhnt wird die alte Königin. Sie wirdzunehmend spärlicher mit Futtersaft ver-sorgt und muss sich schließlich zum Teilvon Honig ernähren. Diese Schlankheits-kur macht sie wieder flugfähig. Nur sokann sie am Schwarmauszug teilnehmen.

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5.15 Eine neue Königin erblickt das Licht der Welt. Tatsächlich spielt sich der Schlupfvorgang, wie allesim Bienenvolk, in der Regel in vollkommener Dunkelheit ab.

5.16 Begegnen sich Jungköniginnen im Nest, kommt es zu einem tödlichen Zweikampf, bei dem vomGiftstachel rücksichtslos Gebrauch gemacht wird.

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tet. Stößt sie auf eine Zelle mit kleinemDurchmesser, legt sie ein befruchtetes Ei,aus dem dann ein weibliches Wesen wird.Stößt sie auf eine Zelle in Maxiformat, legtsie ein unbefruchtetes Ei und hat somit dieWeiche zu einem künftigen Drohn gestellt.Die Maschinerie im Geschlechtsapparatder Biene, die einige wenige Spermien zueiner Eizelle durchlässt oder diesen Zu-gang verhindert, muss extrem zuverlässigregelbar sein. Es ist also nicht die Königin,die bestimmt, welches Geschlecht entsteht,sondern die Festlegung dafür geht vomVolk aus. Die Königin ist lediglich Ausfüh-rungsorgan.

Eine hohe Messlatte – das

Ausmustern von Königinnen

Das Volk stellt auch fest, wann eine Köni-gin besser ausgewechselt werden sollte. Inder Regel ist es eine alte Königin, dieersetzt werden soll. Das macht Sinn, dennder Spermienvorrat, aufgenommen aufden Hochzeitsflügen, ist irgendwann auf-gebraucht. Eine alte Königin produziertauch nur noch geringe Mengen Königin-nenpheromon, dessen Konzentration imNest die Anwesenheit einer legeaktivenMajestät anzeigt. Es sind in erster Linie dieHofstaatbienen, die eine Königin häufigbelecken und so von deren Körperoberflä-che den Königinnenduft aufnehmen (Abb.5.18). Durch ständigen Futteraustauschwird dieser Duft dann unter allen Arbeits-bienen im Nest verteilt und so die Bot-schaft über Anwesenheit und Zustand derKönigin weitergegeben.

Sinkt im Nest die Konzentration desköniglichen Parfüms unter einen bestimm-

ten Wert, wird eine Ersatzkönigin herange-zogen.

Aber nicht nur eine derartige, für dasVolk fatale Extremsituation ruft denErsetze-die-Königin-Mechanismus des Bie-nenvolkes auf den Plan. Auch äußerlicheHandicaps, die einem menschlichen Beob-achter eher belanglos erscheinen, habendiese Wirkung. Fehlt einer Königin einBein (Abb. 5.19), so kann sie trotz diesesVerlustes ungehindert weiter für Nach-wuchs sorgen. Aber offenbar ist dieMesslatte für eine perfekte Königin hochangesetzt. Schon bei derart geringenNormabweichungen wird eine neue Köni-gin nachgezogen, mit vorhersehbaremAusgang für die fünfbeinige Queen. Beiderartigen „stillen Umweiselungen“ kannes aber auch vorkommen, dass die alteKönigin nach erfolgtem Hochzeitsflug derneuen Königin noch eine ganze Zeit in dergleichen Kolonie lebt und Eier legt, ohnebelästigt zu werden.

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5.17 Gedeckelte Brutnestregion mit flach verdeckelten Arbeiterinnenzellen (rechts) und kugeliggeschlossenen Drohnenzellen (links). Kleinere Arbeiterinnenzellen und größere Drohnenzellen manipu-lieren das Verhalten der Königin. In kleine Zellen legt sie besamte, in große Zellen unbesamte Eier ab.

chen damit auch eine eventuell bereitsbegonnene Hilfeleistung zur Befreiung dernächstschlüpfenden Königinnen aus ihrenZellen. Gelegentlich kommt als Antwortauf das „Tüten“ ein „Quaken“ von dennoch in den Weiselwiegen befindlichenKöniginnen. Einer Deutung dieses auffal-lenden Wechselgesanges zufolge verzögertdie schlupfbereite Königin ihren Austrittaus der Weiselwiege, um einem Kampf ausdem Weg zu gehen. Der Superorganismushätte somit einen weiteren Mechanismuszur Verfügung, der verhindert, dass sichdie wertvollen Jungköniginnen gegenseitigumbringen.

Das Auftreten von Drohnen in einerBienenkolonie wird architektonisch ange-

kündigt. Die Ereigniskette klingt phantas-tisch: Arbeitsbienen bauen Zellen in zweiklar getrennten Größenklassen. Sollenkeine Drohnen erzeugt werden, die jaaußerhalb der Fortpflanzungsperiode nurunnütze Fresser wären und der Koloniequasi auf der Tasche lägen, besitzen alleZellen einen Durchmesser von 5,2–5,4Millimetern. Werden Drohnen gebraucht,kommen am Rande des Nestes ein paartausend Zellen hinzu, die einen Durchmes-ser von 6,2–6,4 Millimetern aufweisen undimmerhin etwa zehn Prozent des gesamtenZellbestandes eines Volkes ausmachenkönnen (Abb. 5.17).

Der Durchmesser der Zellen wird vonder Königin mit ihren Vorderbeinen ertas-

5.18 (folgende Doppelseite links) Arbeiterin-nen des Hofstaates belecken die Königin und neh-men so ihr Pheromon auf. Durch die Trophallaxis,die Fütterkontakte zwischen allen Bienen, wirddas königliche Parfüm dann im Volk verteilt.

5.19 (folgende Doppelseite rechts) Diese fünf-beinige Königin hat die Erfolgskriterien ihres Vol-kes nicht mehr erfüllt und die Arbeiterinnen zueinem „stillen Umweiselungsversuch“ veranlasst.Sie haben sich eine neue Königin herangezogen.

Page 12: Bienensex und - uni- · PDF fileeinsichtigkeit“ umgibt den Paarungsakt der Bienen mit etwas Geheimnisvollem. Den Orten, an denen die Paarungen statt-finden, den Drohnensammelplätzen,

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Die Weiselzellen zur Schaffung derErsatzköniginnen sind leicht erkennbar.Anders als die Weiselwiegen zur regulärenJungköniginnenzucht hängen sie auchnicht am Wabenrand, sondern stehenmitten auf einer Wabe. Durch einfachesVerlängern einer regulären Wabenzelleentstehen diese Nachbeschaffungszellen(Abb. 5.20).

Dieses Ersatzsystem funktioniert auchdann, wenn eine Königin plötzlich ver-stirbt. Allerdings nur, wenn das Volk zudiesem Zeitpunkt kleine Larven besitzt.Dann hat eine einzige aller 1,5 bis 3 Tage

alten Larven eines Volkes dank Spezialfüt-terung eine majestätische Karriere vorsich. Deren Zelle wird hektisch verlängertund zu einer kleinen Weiselwiege ausge-baut. In einer solchen Notsituation reichtoft die Zeit nicht aus, Wachsdrüsen zuaktivieren und frisches Wabenwachs her-zustellen. Diese Notfallzellen werden dannaus altem zusammengekratzten Waben-wachs errichtet. Ist zum Zeitpunkt desTodes der Königin keine geeignete Brut imVolk vorhanden, bedeutet dies das Endeder Kolonie. Soweit lassen es die Bienen inaller Regel aber nicht kommen.

Die junge Ersatzkönigin geht bald aufihren Hochzeitsflug und wird mit demneuen Erbgut, das sie dabei für die Koloniemitbekommt, über die neu entstehendenBienen eine kontinuierliche Veränderungim Genbestand und damit der Eigenschaf-ten der Kolonie bewirken.

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5.20 Muss nach dem plötzlichen Tod einerKönigin sehr rasch Ersatz herangezogen werden,werden Notfall-Weiselwiegen auch aus altemWachs zusammengekratzt.