BILANZ: Internet Bubble 2.0

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76 BILANZ 13/2011 Invest Internetaktien Fotos: Reuters, Bloomberg. AFP HARRY BÜSSER TEXT Internet Bubble 2.0 Aktien von Internetfirmen gelten als überteuert. Das stimmt aber nicht für alle. Manche Internetaktien können sich für Anleger heute noch lohnen. BILANZ zeigt, wo und wie die aussichtsreichen Investitioenn zu finden sind. Mit dem Öffnen der Büchse der Pandora brach nach der griechischen Mythologie alles Schlechte über die Welt herein. Das einzig Positive, das die Büchse der Menschheit brachte, so die Sage, war die Hoffnung. Mehr als Hoffnung haben auch die Aktionäre der US-Internetfirma Pandora Media nicht. Die Online-Radiostation hat noch kei- nen einzigen Cent Gewinn erwirtschaftet und ging am 14. Juni mit einer Marktbe- wertung von 2,6 Milliarden Dollar an die Börse. Wie viel Hoffnung darin steckt, zeigen die Geschäftszahlen aus dem ers- ten Quartal dieses Jahres: ein Verlust von 1,8 Millionen bei einem Umsatz von 138 Millionen Dollar. Trotz diesen Geschäftszahlen stieg der Wert der Firma für kurze Zeit über vier Milliarden Dollar. In den folgenden Tagen sprach sich an der Börse herum, dass die Bewertung mehr Hoffnung in sich trägt, als die Firma Wachstumspers- pektiven hat. Der Aktienkurs ist inzwi- schen unter den Ausgabepreis gefallen. Es gibt einige Gründe, warum die Aktie noch tiefer fallen dürfte: Pandora hat viel Konkurrenz von anderen Radio- stationen, die auch über Internet gehört werden können. Zudem investieren Fir- PANDORA MEDIA, BÖRSENGANG AM 14.6.2011: Obwohl das Internetradio noch keinen einzigen Cent Gewinn erwirtschaftet hatte, war die Firma nach dem Börsengang für kurze Zeit über vier Milliarden Dollar wert. Die Bewertung der Firma steht eher für Hoffnung als für reale Wachstumsperspektiven.

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Invest Internetaktien

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Internet Bubble 2.0 Aktien von Internetfirmen gelten als überteuert. Das stimmt aber nicht für alle. Manche Internetaktien können sich für Anleger heute noch lohnen. BILANZ zeigt, wo und wie die aussichtsreichen Investitioenn zu finden sind.

Mit dem Öffnen der Büchse der Pandora brach nach der griechischen Mythologie alles Schlechte über die Welt herein. Das einzig Positive, das die Büchse der Menschheit brachte, so die Sage, war die Hoffnung. Mehr als Hoffnung haben auch die Aktionäre der US-Internetfirma Pandora Media nicht.

Die Online-Radiostation hat noch kei-nen einzigen Cent Gewinn erwirtschaftet

und ging am 14. Juni mit einer Marktbe-wertung von 2,6 Milliarden Dollar an die Börse. Wie viel Hoffnung darin steckt, zeigen die Geschäftszahlen aus dem ers-ten Quartal dieses Jahres: ein Verlust von 1,8 Millionen bei einem Umsatz von 138 Millionen Dollar.

Trotz diesen Geschäftszahlen stieg der Wert der Firma für kurze Zeit über vier Milliarden Dollar. In den folgenden

Tagen sprach sich an der Börse herum, dass die Bewertung mehr Hoffnung in sich trägt, als die Firma Wachstumspers-pektiven hat. Der Aktienkurs ist inzwi-schen unter den Ausgabepreis gefallen.

Es gibt einige Gründe, warum die Aktie noch tiefer fallen dürfte: Pandora hat viel Konkurrenz von anderen Radio-stationen, die auch über Internet gehört werden können. Zudem investieren Fir-

Pandora Media, Börsengang aM 14.6.2011:Obwohl das Internetradio noch keinen einzigen Cent Gewinn erwirtschaftet hatte, war die Firma nach dem Börsengang für kurze Zeit über vier Milliarden Dollar wert. Die Bewertung der Firma steht eher für Hoffnung als für reale Wachstumsperspektiven.

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Linkedin, Börsengang aM 19.5.2011:Am ersten Börsentag schoss der Wert der Plattform für geschäftliches Netzwerken kurz über zehn Milliarden Dollar hinaus. Inzwischen hat der Titel deutlich Federn gelassen.

renren, Börsengang aM 4.5.2011:Renren, das chinesische Pendant zu Facebook, ist an der Börse fast drei Milliarden Dollar wert, erwirtschaftet aber (noch) keine Gewinne.

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men wie Apple, Google und Amazon in eigene Musikangebote. Das alles wird es Pandora schwer machen, ein Wachstum zu erzielen, das die hohe Marktbewer-tung auch nur annähernd rechtfertigt. Spätestens Ende Jahr wird Druck auf den Aktienkurs von Pandora ausgeübt wer-den. Dann läuft die Sperrfrist für elf Pro-zent der Aktienanteile an der Firma ab, die für 180 Tage nach dem Börsengang gilt – solche Sperrfristen gibt es oft für Aktien des Managements und anderer am Börsengang Beteiligter.

Da stellt sich die Frage, warum Anle-ger trotz allem in eine Firma wie Pandora investieren. «Es ist ein ziemlicher Hype im Gange», sagt Reto Hartinger, Präsi-dent von Internet Briefing, dem grössten Interessenverein zum Thema Internet in der Schweiz. Hartinger war schon um die Jahrtausendwende in der Szene tätig, zog mit Partnern zusammen die Internet-plattform Search.ch hoch und verkaufte

sie an die Post. Damals gab es die Dot-com Bubble: Viele Internetfirmen ohne Gewinne gingen mit Milliardenbewer-tungen an die Börse, nur um bald darauf wieder zu verschwinden.

Bubble 2.0, analog zu Web 2.0, wird der Hype jetzt genannt. «Es ist dieses Mal eine partielle Blase, betrifft vor allem die sozialen Netzwerke im Internet», sagt Steffen Wagner, einer der Partner der In-ternetplattform Investiere.ch, die es Pri-vatpersonen ermöglicht, direkt in nicht börsenkotierte Unternehmen zu investie-ren, viele davon Internetfirmen.

Kurse im Tief. Dass die Blase nur partiell ist, veranschaulicht der Index der Aktien-kurse von US-Internetfirmen, der immer noch weit von den Höchstständen im Jahr 2000 entfernt ist (siehe «Weit unter der Dotcom Bubble» unten rechts). Im Vergleich zu damals verharrten die Kurse danach auf relativ tiefen Niveaus.

Dabei gibt es durchaus Argumente für Kurspotenzial. Das Internet hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich weiterentwickelt: Waren im Jahr 2000 nur 100 Millionen Menschen online, so sind es heute Milliarden. Zudem hat sich die Zeitdauer vervielfacht, die Nutzer online verbringen: Waren sie vor zehn Jahren noch vor allem im Büro online, so sind sie es heute fast dauernd: über Computer, Smartphone und Tablet.

Von dieser Entwicklung des Internets profitieren nicht nur die hoch bewerteten sozialen Netzwerke, sondern auch ge-standene Internetfirmen, die eher güns-tig bewertet sind (siehe «Günstig bewer-tete Internetfirmen» auf Seite 78).

Die Bewertungen der sozialen Netz-werke, die bereits an der Börse kotiert sind, muten dagegen teilweise astrono-misch an: Renren, das chinesische Pen-dant zu Facebook, ist an der Börse fast drei Milliarden Dollar wert, erwirt- •

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Invest Internetaktien

anlagemöglichkeiten

Günstig bewertete Internetfirmen Im Unterschied zu den teilweise sehr teuer bewerteten sozialen Netzwerken wie Renren und LinkedIn sind viele andere Internetaktien nicht teuer. Eine Auswahl:

geschäft Börsenhandel über In-ternet. E-Trade ist in über 40 Ländern aktiv.Marktwert Fast 40 Milliarden Dollar. Bewertung Auf Basis des Cashflows ist der Titel der güns-tigste von allen im Bloomberg US Internet Index.

geschäft Reisebüro mit Buchun-gen im Wert von 20 Mil-liarden Dollar pro Jahr. Marktwert 7,6 Milliarden Dollar.Bewertung Einer der günstigsten grossen Internettitel auf Basis von Cashflow und Gewinn.

geschäft Grösste Suchmaschine der Welt. Verdient vor allem an Werbung: 2,4 Milliarden Dollar Ge-winn im ersten Quartal.Marktwert 160 Milliarden Dollar.Bewertung Auf Basis des Gewinns deutlich tiefer bewertet als der Durchschnitt der Internetfirmen.

geschäft Infrastruktur für Inter-netfirmen, wie Server und anderes.Marktwert 84,6 Milliarden Dollar.Bewertung Auf Basis von Cashflow und Gewinn ein Schnäppchen (KGV von nur 11).

geschäft Software und Beratung für den Schutz der IT- Infrastruktur (Virenpro-gramme etc.).Marktwert 14,4 Milliarden Dollar.Bewertung Auf Basis des Cashflows gehört der Titel zu den günstigsten US-Inter-netfirmen.

schaftet aber (noch) keine Gewinne. Dabei dürfte das Wachstum dieser Platt-form von der Angst des chinesischen Staatsapparates gebremst werden. Der Staat blockiert ja bereits Facebook völlig. Die Angst vor sozialen Netzwerken ist durchaus begründet, wenn man die Re-volutionen in Nordafrika in Betracht zieht, zu deren Infrastruktur Facebook und andere Sozialnetzwerke zählen.

LinkedIn ist ein weiteres Beispiel für den Börsenhype: Die Plattform für ge-schäftliches Netzwerken erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Gewinn von 15 Millionen bei einem Umsatz von 243 Millionen Dollar. An der Börse ist Linked In 6,5 Milliarden Dollar wert. Am ersten Börsentag im Mai schoss der Wert sogar über zehn Milliarden Dollar hin-aus. Inzwischen hat der Titel Federn ge-lassen, und die Kurs kurve der vergange-nen 30 Tage zeigt fast so steil nach unten wie am ersten Börsentag nach oben.

Was Zukunft kostet. Der volatile Kurs-verlauf von LinkedIn zeigt, dass die Be-wertung sozialer Netzwerke extrem schwierig ist, weil viel Zukunft einge-rechnet wird. LinkedIn hat 100 Millionen Mitglieder. Wenn alle ein Premium-Abo für 240 Dollar pro Jahr kaufen würden, dann wäre die heutige Bewertung lächer-lich günstig. Der Ertrag pro Nutzer wird allerdings kaum je auf 240 Dollar zu lie-gen kommen. Zumindest befinden sich

andere Internetplattformen wie Face-book, Google, Amazon oder eBay weit darunter (siehe «Was ein Nutzer wert ist» auf Seite 77).

«Wenn man heute wüsste, dass sich LinkedIn als Geschäftsnetzwerk global durchsetzt, dann wäre die Aktie trotz-dem ein sicherer Kauf», sagt Marc Bern-egger, der schon mehrere Internetfirmen aufgebaut hat (etwa Usgang.ch und Ami-ando.com). «Allerdings sind schon viele grosse soziale Netzwerke im Internet wie Myspace vom Hype in die Bedeutungslo-sigkeit verschwunden. So könnte es auch LinkedIn ergehen», ergänzt Bernegger,

der auch als Investor bei Jungunterneh-men agiert, etwa als Partner bei Next Ge-neration Finance Invest, einer an der Berner Börse kotierten Beteiligungsge-sellschaft, die in Internetfirmen in der Fi-nanzbranche investiert.

Die Gefahr für LinkedIn zeigt sich im Wachstum der Mitgliederzahl bei Bran-chOut (siehe «Rasantes Wachstum» auf Seite 77). Dabei handelt es sich um eine bei Facebook integrierte Applikation für geschäftliches Netzwerken, also um di-rekte Konkurrenz für LinkedIn.

Im Moment scheint Facebook mit 700 Millionen Mitgliedern alle Konkurrenten mühelos zu übertrumpfen. Das zeigt sich auch bei wichtigen Messgrössen wie der durchschnittlichen Zeitdauer, die ein Nutzer in einem Netzwerk eingeloggt bleibt. Diese Grösse bestimmt auch die möglichen Werbeerträge. Im Vergleich zu Facebook verbringen die Nutzer bei LinkedIn relativ wenig Zeit. «LinkedIn und ihr kleinerer Konkurrent Xing sind deswegen auch schon als Lebenslauf-Friedhöfe bezeichnet worden», sagt Har-tinger. «Beiden Plattformen fehlen die

«Wenn Facebook eine dominante Position auf dem Werbemarkt ein-nehmen kann, dann sehe ich trotz exorbitanter Bewertung Potenzial nach oben», sagt Marc Bernegger, der selber mehrere Internetfirmen aufgebaut hat.

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Applikationen, die Transaktionen, es passiert nichts, deshalb bin ich dort auch nicht immer eingeloggt», erklärt er.

Fast dauernd eingeloggt ist Hartinger dagegen bei Facebook, der Plattform, die im vergangenen Jahr rund zwei Milliar-den Umsatz und einen Gewinn von einer halben Milliarde Dollar erwirtschaftet haben soll. Der Wert dieser Geschäfts-zahlen an der Börse ist umstritten.

Obwohl Facebook noch an keiner Börse kotiert ist, können die Aktien auf verschiedenen Handelsplattformen für privat gehaltene Firmen gekauft werden. Bei Sharespost.com kostet eine Face-book-Aktie derzeit rund 34 Dollar, was einen Marktwert von 80 Milliarden im-pliziert. Die Aktien sind damit wieder deutlich günstiger als noch im Januar, als Facebook bei Sharespost sogar mit 155 Milliarden Dollar bewertet wurde.

Gerüchteweise soll Facebook im ers-ten Quartal des nächsten Jahres zu

einem Marktwert von 100 Milliarden Dollar an die Börse gebracht werden. Das halten die meisten Auguren für sehr teuer. Allerdings haben die auch schon im Jahr 2008 «sehr teuer» gerufen: Nur auf 15 Milliarden Dollar wurde der Wert von Facebook damals berechnet, und Microsoft kaufte sich zu diesen Konditio-nen einen Anteil von 1,5 Prozent am Netzwerk. Die «Sehr-teuer-Rufer» wur-den im Nachhinein Lügen gestraft. Pas-siert jetzt bei 100 Milliarden das Gleiche?

«Wenn das Wachstum von Facebook die nächsten zwei bis drei Jahre anhält, dann ist die heutige Bewertung nicht teuer», sagt Bernegger. Er vergleicht den Börsengang von Facebook mit dem von Google. Die Suchmaschine ging im Jahr 2004 an die Börse mit einem Marktwert von 27 Milliarden Dollar, was damals eine Mehrheit als viel zu teuer einstufte. Heute ist Google 160 Milliarden Dollar

wert und erwirtschaftet 2,4 Milliarden Dollar Gewinn, pro Quartal! Aufgrund des schnellen Gewinnwachstums liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von Google heute deutlich unter 20.

Beim Börsengang im Jahr 2004 lag das KGV von Google allerdings noch bei 1350 – auf Basis eines Gewinns von nur 20 Millionen Dollar im Jahr 2003. Im Ver-gleich zum Börsengang von Google wäre der 100-Milliarden-Börsengang von Face book geradezu günstig bewertet, mit einem KGV von nur 200.

Alles für den Sieger. «Wenn Facebook eine dominante Rolle im Werbemarkt einnehmen kann, dann sehe ich trotz der exorbitanten Bewertung Potenzial nach oben», sagt Bernegger. Das Geschäft im Internet funktioniert international eben nach dem Motto «The winner takes it all». Google hat sich als Suchmaschine durch-gesetzt, und Facebook dürfte sich als so-ziales Netzwerk durchsetzen. Darum ist auch für Hartinger eine Marktbewertung von 100 Milliarden für Facebook nicht überrissen, sondern eine Wette für Risi-kobewusste. «Das Potenzial ist noch rie-sig. Alleine durch ein professionelleres Werbemanagement-Tool könnte Face-book die Einnahmen drastisch steigern», sagt Hartinger. Bis anhin seien die Mög-lichkeiten erbärmlich, die Facebook den Werbekunden biete, ergänzt er.

Wer sich als Privatinvestor schon vor dem Börsengang an Facebook beteiligen will, muss tief in die Taschen greifen. Derzeit kostet die Mindestmenge, die bei Sharespost.com zum Verkauf steht, fast 100 000 Dollar.

Man kann sich aber auch indirekt an Facebook beteiligen: über Microsoft, die einen Anteil von 1,5 Prozent am sozi-alen Netzwerk besitzt, und über die süd-afrikanische Firma Naspers (ISIN: ZAE000015889), die indirekt eine Beteili-gung von rund 2,4 Prozent an Facebook hält. Im Vergleich zu Facebook sind Mi-crosoft und Naspers günstig bewertet: Naspers mit einem KGV von unter 20 und Microsoft sogar unter 10. So lässt sich günstig eine kleine Beteiligung an Face-book aufbauen. Alles eine Frage der Ver-packung. Übrigens auch bei der Büchse der Pandora. Sie war in Wirklichkeit gar keine Büchse, sondern ein irdener Vor-ratskrug (griechisch: pithos) für Wein, Öl oder Getreide. Das Wort «Büchse» ist ein Übersetzungsfehler.

100 Milliarden Dollar für Facebook sind wohl kein überrissener Preis.

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