Bildungsnetzwerk Steiermark, Diplomlehrgang: Jutta Tomintz Abschlußarbeit

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Abschlussarbeit für den Diplomlehrgang Training im Bereich Basisbildung veranstaltet vom Bildungsnetzwerk Steiermark, 13. Mai 2013. Thema: Digital Storytelling in der Basisbildung

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Digital Storytelling in der Basisbildung

von

Jutta Tomintz

Abschlussarbeit für den Diplomlehrgang „Training im Bereich Basisbildung“ veranstaltet vom

Bildungsnetzwerk Steiermark, 13. Mai 2013

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Jede/r hat eine Geschichte

Geschichte des Digital Storytellings: Digital Storytelling hat seinen Ursprung in Amerika. Joe

Lambert hat im Jahre 1994 gemeinsam mit seiner Frau und einer Kollegin das „Center of

Digital Storytelling“ in San Franzisco ins Leben gerufen. Der gemeinnützige Verein „Digital

Story Vienna“, 2009 von Erwin Schmitzberger gegründet, ist die erste Digital Storytelling

Community im deutschsprachigen Raum und stellt laufend Filme online, mit bereits über

3000 Zugriffen. Der Verein arbeitet mittlerweile mit über 15 Partnerorganisationen

zusammen und bietet konstant Schulungen an. Die Kärntner Volkshochschulen sind eine

Partnerorganisation und haben nach einer Schulung im Jahr 2012 die Methode

übernommen. Seitdem arbeiten sie ebenfalls damit, seit 2013 auch in der Basisbildung.

Digital Storytelling bedeutet mit Hilfe von digitalen Medien eine Geschichte aus dem eigenen

Leben zu erzählen. Digital Storys sind biografisch und authentisch und sollten deshalb auch

in der Ich-Form erzählt werden. Die Tradition des Geschichtenerzählens ist so alt wie die

Menschheit selbst. Schon unsere Vorfahren versammelten sich vor tausenden von Jahren

rund um das Lagerfeuer und erzählten sich Geschichten. Sie gaben so ihr Wissen weiter oder

tauschten ihre Erfahrungen untereinander aus. Auch heute noch empfinden wir es als

angenehm, sogar gemütlich, wenn wir zusammen sitzen und uns Geschichten erzählen. Das

Wesentliche an dieser Form der Wissensweitergabe ist, dass nicht nur sachliche

Informationen weitergegeben werden, sondern auch unsere Gefühle, unsere Sicht der Dinge

können wir vermitteln, sie bekommen eine Bedeutung. Wir erschaffen Raum für das

Zuhören. Vielleicht hat der/die ZuhörerIn Ähnliches erlebt, vielleicht aber bestätigt er/sie

dem Erzähler/der Erzählerin auch Einzigartigkeit. In jedem Fall bietet das

Geschichtenerzählen die Möglichkeit des gegenseitigen Verstehens. Manchmal können

sogar Vorurteile abgebaut und Respekt aufgebaut werden. Im digitalen Zeitalter, in dem

Zwischenmenschlichkeit leider immer weiter in den Hintergrund rückt – wer hört wem

wirklich zu? – stellt Digital Storytelling eine durchaus geeignete Form des

Geschichtenerzählens dar. Digitale Geschichten zu erzählen bietet ganz neue

Arbeitsmethoden mit dem Medium Computer/Internet. Aus Medienkonsumenten werden

Medienproduzenten. Digital Storytelling ist kreative Medienarbeit mit der eigenen Biografie.

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Was brauche ich dafür?

1. Eine persönlich erlebte Geschichte

2. Fotos, Filme, Bilder, Erinnerungsstücke, Musik

3. Einen Computer, einfache PC-Programme und evtl. Internet

Bedeutung für die Basisbildung: Was bedeutet dieses Wissen für die Basisbildung?

Digital Storytelling in der Basisbildung ermöglicht den TeilnehmerInnen in einem

geschützten Raum aus ihrem Leben zu erzählen, sich Gehör zu verschaffen. Oft sind in den

Basisbildungskursen Menschen mit einem schwierigen sozialen Hintergrund, oftmals

Menschen verschiedener Nationalitäten und Herkunft. Manche von ihnen haben schlechte

Erfahrungen im schulischen Bereich gemacht, trauen sich nur selten etwas zu. Jeder Mensch

hat eine Geschichte und beim Digital Storytelling geht es darum, diese mit Hilfe digitaler

Werkzeuge zu erstellen und via digitaler Medien zu präsentieren. Dabei spielt es keine große

Rolle, ob der/die TeilnehmerIn die deutsche Sprache gut beherrscht, denn es besteht die

Möglichkeit, die Geschichte mit Untertiteln darzustellen. Die Teilnehmer bekommen in

einem Digital Storytelling-Kurs die Chance, einen Kurzfilm über eine Geschichte aus ihrem

Leben zu produzieren, sie sind sozusagen Drehbuch-AutorIn, HauptdarstellerIn und

FilmproduzentIn in einer Person! Sie erlangen durch Medienarbeit wiederum

Medienkompetenz. Hilfreich ist es, wenn vorher evtl. schon eine Beziehung zum Trainer / zur

Trainerin aufgebaut werden konnte, da dies den TeilnehmerInnen ein wenig die

Hemmungen, die dieses Thema durchaus bei ihnen auslösen kann, nimmt. Durch die Arbeit

mit der eigenen Biografie entsteht für die TeilnehmerInnen nicht selten auch ein Aufarbeiten

der eigenen Lebensgeschichte. Digital Storys berühren eigentlich immer. Umso mehr ist es

hier unbedingt notwendig, dass man aufpasst, keine Traumafässer zu öffnen, da dies nicht in

den Kompetenzbereich eines Trainers / einer Trainerin fällt.

Vorbereitungsarbeit: Die TeilnehmerInnen sollten ein paar wenige Computerkenntnisse

besitzen, da es die Arbeit im Allgemeinen erleichtert. Sie sollten mit der Maus umgehen,

Programme öffnen und Ordner anlegen können. Letzteres ist kein „Muss“, entlastet die

Trainerarbeit aber ein wenig. Die Kurse dürfen nicht zu groß gehalten sein, optimal sind 5

Pers. pro TrainerIn, 30 Unterrichtseinheiten sind ideal, wobei 10x3 Unterrichtseinheiten,

aber auch 2 Wochenendseminare gut geeignet sind. Die Unterlagen sollten in einfacher

Form zusammengestellt und gemeinsam besprochen werden. Für die Unterlagenerstellung

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eignen sich Sreenshots zur Erklärung der Programme besonders gut, da sie für die meisten

TeilnehmerInnen leichter verständlich sind. Viele Leute können sich unter Digital Storytelling

nichts Konkretes vorstellen, daher ist es sinnvoll zu Beginn ein oder zwei Filme zu zeigen.

Falls die TeilnehmerInnen eigene Laptops zur Verfügung haben, können sie auf diesen

arbeiten. Wird an öffentlichen PCs gearbeitet, ist es wichtig einen mit Passwort versehenen

Ordner, bzw. ein eigenes Laufwerk für diesen Kurs benutzen zu können, da die Dateien, die

im Kurs erstellt werden, sehr persönliches Material enthalten.

Wie wird eine Geschichte zur Digital Story?

Der Storycircle

Nachdem der Trainer / die Trainerin ein paar Inputs zum Thema Digital Storytelling gegeben

hat, wird der „Storycircle“ aufgebaut. Hier kann man es sich richtig gemütlich machen,

vielleicht bringt jede/r etwas zu essen oder trinken mit und man setzt sich, evtl. in einem

Kreis zusammen und überlegt, welche Geschichte man erzählen möchte. Die Themen

können frei sein, es dürfen aber auch welche vorgegeben werden. Beispiele für Themen

können sein: Umzug, Abschied, neue Freunde, neue Möglichkeiten, Veränderungen,

Verlassen, Liebe, meine Lerngeschichte, neue Wege, walking in my shoes, usw. Jede/r

kommt an die Reihe, die anderen hören zu. Wertungen sollen unterlassen werden, dagegen

ist ermunternder Zuspruch erwünscht. Was ist das Wesentliche an der Geschichte? Wo gibt

es eine Veränderung? Gibt es eine Veränderung? Warum ist mir die Geschichte wichtig? Die

TeilnehmerInnen sollen sich überlegen, welche Fotos, Bilder oder Erinnerungsstücke zu ihrer

Geschichte passen und diese mitbringen.

Ordner anlegen, Text schreiben und aufnehmen:

Jede/r TeilnehmerIn legt einen Ordner mit dem Namen des Filmes an. In diesem Ordner

werden vier Unterordner erstellt: Text – Fotos – Ton – Film. Die TeilnehmerInnen schreiben

ihre Geschichte zunächst einmal auf. Normalerweise sollte eine Digital Story auf die

Rückseite einer Postkarte passen. Da die BasisbildungsteilnehmerInnen aber oftmals sehr

groß schreiben, ist es hier sinnvoll, auf ein liniertes DIN A4 Papier zu schreiben, nach

Möglichkeit nicht mehr als 300 Wörter, denn die Geschichten sollten nicht länger als 2-5

Minuten sein. Der überarbeitete Text wird in Word eingegeben und im Ordner Text

gespeichert. Anschließend können die TeilnehmerInnen die Texte in Ruhe lesen und wenn

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sie sich sicher fühlen, werden die Texte mit einem Audio-Aufnahmegerät aufgenommen. Ein

Extraraum ist hierfür notwendig, damit jede/r ungestört sprechen kann. Die gesprochene

Textdatei wird im Ordner Ton gespeichert.

Fotos auswählen, Bilder und Erinnerungsstücke fotografieren:

Manche TeilnehmerInnen haben ihre Fotos auf der Digitalkamera. Erzählen sie aber eine

Geschichte aus ihrem Leben, die weiter zurückliegt, dann haben sie vielleicht ältere Fotos

hierzu, die erst abfotografiert werden müssen. Auch Erinnerungsstücke, die in ihrer

Geschichte eine Rolle spielen, werden ebenfalls abfotografiert oder eingescannt und

digitalisiert. Auch können eigene Bilder gemalt oder neue Fotos aufgenommen werden.

Anschließend importiert man die Fotos von der Kamera in den Ordner Fotos.

Erstellen des Filmprojektes:

Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit am Film. Das Programm Movie Maker von Windows

eignet sich hierfür recht gut. Falls es nicht auf dem PC installiert ist, kann man es sich

kostenlos aus dem Internet herunterladen. Jetzt wird ein so genanntes „Storyboard“ erstellt,

d.h. man importiert zunächst einmal die Fotos aus dem Ordner Fotos in Movie Maker und

setzt das Bild, mit dem man den Film beginnen möchte, an die erste Stelle. Dann spielt man

die Tondatei ein und ordnet dem Text die jeweiligen Bilder zu. Im Movie Maker hat man die

Möglichkeit, mit Hilfe der Videotools die Verweildauer der Fotos zu verlängern, sie zu

kopieren, mit Text, bzw. Untertiteln zu unterlegen, Animationen hinzuzufügen usw. Man

kann seiner Kreativität freien Lauf lassen. Hier ist der Trainer / die Trainerin gefragt, denn

er/sie wird sicher Hilfe leisten müssen und es ist gut, wenn er/sie sich vorher schon ein

wenig mit dem Programm auseinandergesetzt hat. Um sich gegenseitig nicht zu stören,

arbeiten die TeilnehmerInnen mit Kopfhörern. Wer möchte, kann seinen Film noch mit

Hintergrundmusik untermalen. Hier sei noch einmal auf die Urheberrechte für Bild und Ton

hingewiesen. Es gibt mittlerweile gute, freie Musikportale, von denen man sich Musik gratis

herunterladen kann, (siehe auch de.crativecommons.org). Die heruntergeladene Musik wird

dem Ordner Ton zugefügt.

Um den gesprochenen Text mit der ausgesuchten Musik zu mischen, benötigt man ein

Tonspurprogramm, z.B. Audacity, das ebenfalls gratis aus dem Internet heruntergeladen

werden kann und evtl. noch einen mp3-Umwandler. Die gemixte Datei spielt man wiederum

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in Movie Maker ein und ersetzt damit die gesprochene Tondatei. Jetzt ist der Film auch

schon fertig und muss nur noch als Film unter dem Filmtitel im Ordner Film abgespeichert

werden. Wer möchte, kann seinen Film z.B. auf www.youtube.com veröffentlichen. Für die

Veröffentlichung ist es wichtig, dass der Trainer/ die Trainerin sich die Erlaubnis von den

TeilnehmerInnen schriftlich einholt.

Zum Schluss des Kurses macht es Freude, sich wieder in gemütlichem Kreis, evtl. mit

Freunden und Familie die Filme gemeinsam anzuschauen. Wer seinen Film nicht zeigen

möchte, muss das aber nicht.

Fazit: Digital storytelling ist ein kreatives Instrument der Medienpädagogik, um die

TeilnehmerInnen der Basisbildung selbst Geschichten – ihre Geschichten – erzählen zu

lassen. Oft bewirken ihre Geschichten für sie einen heilenden Prozess, immer aber

bekommen sie Lob und Anerkennung für ihr Werk. Durch die intensive Medienarbeit

erhalten sie wiederum Medienkompetenz und das stärkt das Selbstbewusstsein enorm. Für

manche ist es sogar das erste Mal, dass sich jemand ihre Geschichte anhört, ihnen zuhört.

Viele können sich durch ihre Geschichte selbst erklären, was für das Verständnis

untereinander positiv beiträgt.

Am Ende steht immer Freude: Freude des Trainers / der Trainerin, dass eine Vielfalt an

gelungenen Geschichten entstanden ist, aber vor allem die Freude der TeilnehmerInnen

über ihr Werk, das sie sogar, wenn sie es wollen, im World Wide Web mit anderen teilen

können.

Digital Storytelling bietet eine künstlerische und überzeugende Ergänzung zum Lese-

Schreib- und Rechenunterricht in der Basisbildung, EDV-Unterricht einmal anders. Die

TeilnehmerInnen können bereits Gelerntes einsetzen. Für den Trainer / die Trainerin

bedeutet dies ebenfalls eine intensive Auseinandersetzung mit den Themen Computer,

Software und Internet. Eine gute Einschulung versteht sich von selbst.

Mit Digital Storytelling geht die Basisbildung einen weiteren Schritt in Richtung

Selbstbewusstsein und Wertschätzung.

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Checkliste TrainerIn:

PC mit Internetzugang, Audio-, Video- und Bildbearbeitungssoftware

Kopfhörer

Digitalkamera oder Handy

Audio-Aufnahmegeräte (Diktiergerät oder Handy)

Evtl. ein Scanner

Ein ruhiger Extra-Raum

Evtl. lizenzfreie Musik (kann aber auch aus dem Internet heruntergeladen werden)

Einfach aufbereitete Kursunterlagen

Links zu Digital Storys:

www.youtube.com/digitalstoryvhs

www.youtube.com/digitalstoryvienna

www.digitalstory.at

www.storycenter.org