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Energiethemen begreifen basisEnergie 16 In einem großen Tank schwappen Gülle, Pflanzenreste und nachwachsende Rohstoffe. Mikroorganismen verdauen diesen Cocktail unter Luftabschluss und setzen Biogas frei, das wie Erdgas hauptsächlich aus Methan besteht. Auf dem Bauernhof kann das gereinigte Biogas den Motor eines Blockheizkraftwerks antreiben, das elektrische Energie und Wärme erzeugt oder es wird ins Erdgasnetz eingespeist. Zur Produktion von Biogas kann der Landwirt im Betrieb anfallende Reststoffe wie Gülle, Pflanzenreste und landwirtschaftliche Abfallstoffe nutzen. Zusätzlich kann er in seiner Biogasanlage auch nachwachsende Rohstoffe sowie Abfälle aus der Lebensmittelindustrie zur Energieerzeugung einsetzen. Das, was nach der Vergärung von diesen sogenannten Substraten übrig bleibt, verwendet er als organischen Dünger für Felder und Wiesen. Das Biogas erzeugt im Blockheizkraftwerk (BHKW) gleichzeitig Strom und Wärme. Der Strom aus einer solchen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage wird meist in das Netz für die allgemeine Versorgung eingespeist. Etwa ein Drittel der Wärme fließt in die Biogasherstellung. Der verbleibende Überschuss kann als Nahwärme Gebäude heizen oder landwirtschaftliche Produkte wie Getreide und Kräuter trocknen. Ein kleiner Teil des in Deutschland produzierten Gases wird ins Erdgasnetz eingespeist oder geht verflüssigt an Biogas-Tankstellen. Seit die Biogas-Produktion durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wird, sind viele große Biogasanlagen entstanden. Für die neu errichteten Biogas- fabriken werden großflächig Energiepflanzen angebaut, hauptsächlich Silomais. Die neuen Anlagen produzieren große Mengen an Gas und Gärresten und verändern durch ihren Maishunger die Kulturlandschaft. Das ursprüngliche Konzept der Gülle- und Resteverwertung in kleinen bäuerlichen Anlagen rückt damit in den Hintergrund. Biogas Strom und Wärme vom Acker: Erneuerbare Energie aus der Land- wirtschaft leistet einen Beitrag zur Wärme- und Stromversorgung

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Energiethemen begreifen

basisEnergie 16

In einem großen Tank schwappen Gülle, Pflanzenreste und nachwachsende Rohstoffe. Mikroorganismen verdauen diesen Cocktail unter Luftabschluss und setzen Biogas frei, das wie Erdgas hauptsächlich aus Methan besteht.Auf dem Bauernhof kann das gereinigte Biogas den Motor eines Blockheizkraftwerks antreiben, das elektrische Energie und Wärme erzeugt oder es wird ins Erdgasnetz eingespeist.

Zur Produktion von Biogas kann der Landwirt im Betrieb anfallende Reststoffe wie Gülle, Pflanzenreste und landwirtschaftliche Abfallstoffe nutzen. Zusätzlich kann er in seiner Biogasanlage auch nachwachsende Rohstoffe sowie Abfälle aus der Lebensmittelindustrie zur Energieerzeugung einsetzen. Das, was nach der Vergärung von diesen sogenannten Substraten übrig bleibt, verwendet er als organischen Dünger für Felder und Wiesen. Das Biogas erzeugt im Blockheizkraftwerk (BHKW) gleichzeitig Strom und Wärme. Der Strom aus einer solchen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage wird meist in das Netz für die allgemeine Versorgung eingespeist. Etwa ein Drittel der Wärme fließt in die Biogasherstellung. Der verbleibende Überschuss kann als Nahwärme Gebäude heizen oder landwirtschaftliche Produkte wie Getreide und Kräuter trocknen. Ein kleiner Teil des in Deutschland produzierten Gases wird ins Erdgasnetz eingespeist oder geht verflüssigt an Biogas-Tankstellen.Seit die Biogas-Produktion durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wird, sind viele große Biogasanlagen entstanden. Für die neu errichteten Biogas-fabriken werden großflächig Energiepflanzen angebaut, hauptsächlich Silomais. Die neuen Anlagen produzieren große Mengen an Gas und Gärresten und verändern durch ihren Maishunger die Kulturlandschaft. Das ursprüngliche Konzept der Gülle- und Resteverwertung in kleinen bäuerlichen Anlagen rückt damit in den Hintergrund.

Biogas Strom und Wärme vom Acker: Erneuerbare Energie aus der Land-wirtschaft leistet einen Beitrag zur Wärme- und Stromversorgung

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Erneuerbare Energie aus Biogasanlagen

Biogasanlagen sind eine fast weltweit einsetzbare Energietechnik. In Deutschland wurden die ersten Bio-gasanlagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Kläran-lagen errichtet. Die ersten landwirtschaftlichen Versuchs-anlagen folgten nach 1945. Von diesen konnten sich nur zwei über die bald folgende Phase billigen Erdöls retten. Nach der Ölpreiskrise 1973/74 wuchs das Interesse an Biogas wieder und die Zahl der Anlagen stieg bis 2003 auf ca. 1.900 an. Nach Inkrafttreten des EEG im Jahr 2000 und durch die Novellierungen (im Jahr 2004, 2009 und 2011) ging es mit der Biogasbranche steil bergauf: Die Zahl der Anlagen hat sich von gut 2.000 auf über 7.500 im Jahr 2012 mehr als verdreifacht. In diesem Zeitraum versiebenfachte sich die installierte Leistung von knapp über 400 MW auf über 3.300 MW. Zusammen erzeugen die Anlagen etwa 18 Mio. MWh pro Jahr; diese Energie reicht aus, um mehr als 5 Mio. Haushalte mit Strom zu versorgen.

Biogasanlagen sollen in Zukunft helfen, Angebotsschwan-kungen der regenerativen Energien auszugleichen und zuverlässig Wärme liefern. Dafür müssen zusätzliche Speicherkapazitäten aufgebaut und die Anlagen in Ver-sorgungsnetze eingebunden werden. Dann kann Bio-erdgas dort, wo auch die Wärme gebraucht wird, mit optimalem Wirkungsgrad zur Erzeugung von Strom und Wärme eingesetzt werden.

Aufbau einer Biogasanlage

Eine Biogasanlage besteht im Wesentlichen aus Vorgrube und ggf. Feststoffeinbringung, Faulbehälter (Fermenter), Gastank, Gärrückstandslager und Blockheizkraftwerk (BHKW) (Abb. 2). Der Fermenter muss gas- und wasser-dicht sowie lichtundurchlässig sein.

In der Vorgrube werden Gülle und Kosubstrate zwischen-gelagert, verdünnt oder gemischt. Mehrmals täglich wird frisches Material in den auf Körpertemperatur beheizten Faulbehälter gepumpt. Dort vermischt eine Rührvorrich-tung Substrat und Bakterien. Das Rühren sorgt für eine optimale Nährstoffversorgung und verhindert, dass die festen Bestandteile eine „Schwimmdecke“ bilden, die den Prozessablauf stört.

Das erzeugte Gas wird in der Kuppel des Fermenters oder in einem separaten Folienspeicher aufgefangen, ent-feuchtet, gereinigt und entschwefelt; über den Zwischen-speicher strömt es zum BHKW oder ins Erdgasnetz. Der Gärrückstand wird gelagert, bis er als wertvoller Dünger auf dem Acker ausgebracht wird.

Neben einer solchen „Nassvergärung mit quasi kontinuier-licher Beschickung“ gibt es „Nassvergärung mit diskonti-nuierlicher Beschickung“, bei der mindestens zwei Fer-menter abwechselnd befüllt werden.

Als Trockenfermentation werden Verfahren bezeichnet, bei denen das zu vergärende Material weder pump- noch fließfähig und stichfest ist. Die diskontinuierliche Fest-stoffvergärung in Boxenfermentern ist ein selten einge-setztes Verfahren, bei dem die Bakterien in einem feuchten Milieu auch Substrate mit weniger als 85 % Wassergehalt

9.000

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2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

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Anlagenzahl Prognose Anlagenzahl

installierte elektrische Leistung

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(MW

)

1. Novelle EEG(Aug. 2004)

2. Novelle EEG(Jan. 2009)

3. Novelle EEG(Jan. 2012)

3.711

4.984

5.905

7.772

2.680

Nahwärme

BlockheizkraftwerkWohnhaus

Stromnetz

Erdgasnetz

Güllebehälter

Wärme

Energiepflanzen

Fermenter mit Gasspeicher Nachgärer und Gärrestlager

Landwirtschaftliche Verwertung

Biomethan

Gasmotor Generator

Strom

Biog

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subs

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Gär

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stän

de

Gülle oder Mist

Stall

Nachwachsende Rohstoffe und Reststoffe

Abb. 1 Anzahl der Biogasanlagen und installierte elektrische Leistung in DeutschlandQuelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR)

Abb. 2 Schematische Darstellung einer landwirtschaftlichen Biogasanlage. Quelle: FNR Biogasbroschüre 2012

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zu Biogas vergären, zum Beispiel Mais- und Grassilage, Getreideganzpflanzen (ganze Pflanzen mit Halm und Ähre, GPS), Kartoffeln, Ernterückstände, biogene Abfälle oder Festmist. Güllezusatz ist dabei nicht zwingend erforder-lich.

Was reinkommt, damit Gas rauskommt

Bei der Verwertung biologischer Reststoffe eignen sich für die Kompostierung eher „trockene“, langfaserige Abfälle und solche mit hohem Holzanteil, für die Biogas-produktion flüssige mit 5 – 15 % organischer Trocken-masse. Als Basissubstrate werden insbesondere Schwei-ne- und Rindergülle eingesetzt, auch Rinderfestmist und Geflügelmist werden vergoren. Dazu kommen hauptsäch-lich nachwachsende Rohstoffe. Danach folgen Ernterück-stände, Rasenschnitt, Fette, Speiseabfälle, Bioabfall und Abfälle aus der Lebensmittelindustrie. Die erzielba-ren Gaserträge werden vom Energiegehalt der Substrate bestimmt (Abb. 3).

Energiemais bringt die höchsten Flächenerträge und er-möglicht unter den aktuellen Marktbedingungen höhere Erlöse als Milch- und Getreideproduktion. Er dominiert den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen (Abb. 4) und verdrängt andere Anbaufrüchte. Grünland wird um-gebrochen, Fruchtfolgen werden enger, es drohen Boden-Erosion und Humusabbau.

Inzwischen landen 800.000 ha Silomais, ein Viertel der deutschen Erzeugung, in der Gärkammer statt im Tier-magen. Experten erwarten, dass durch die Nachfrage der Bioenergie-Produzenten die Preise für Getreide und Nahrungsmittel steigen.

Wie organische Substanz zu Gas wird

Biogas entsteht, wenn Bakterien biologische Materia-lien unter Luftabschluss zersetzen, z. B. in Sümpfen und Mooren oder im Verdauungstrakt von Wiederkäuern. Das erzeugte Gasgemisch (Abb. 5) besteht haupt säch-lich aus Methan (50 – 75 %) und Kohlendioxid (25 – 45 %). Es ist geruchlos, brennbar und kann zur Energieerzeu-gung eingesetzt werden. Je besser die Mikroorganismen „gefüttert“ werden, und je energiereicher das Substrat ist, desto mehr Gas geben sie.

Die methanbildenden Bakterienstämme benötigen eine licht- und sauerstofffreie (anaerobe) Umgebung, eine gleichmäßige Temperatur und einen schwach alkali-schen pH-Wert (7,5). Sie werden entsprechend ihrer „Lieblingstemperaturbereiche“ unterschieden in: psych-rophile (unter 20 °C), mesophile (25 – 35 °C) und thermo-phile (über 45 °C). Die meisten Anlagen in Deutschland arbeiten im mesophilen Bereich.

Im Fermenter werden die organischen Substrate in vier nebeneinander ablaufenden Prozessen abgebaut (Abb. 7): Aerobe Bakterien verbrauchen den im Substrat enthaltenen Sauerstoff. Fakultativ anaerobe Bakterien spalten hochmolekulare organische Substanzen wie Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate in niedermolekulare Verbindungen wie Einfachzucker, Fett- und Amino-säuren. Auf der zweiten Stufe wandeln säurebildende

Abb. 5 Chemische Zusammensetzung von Biogas Quelle: FNR

Rindergülle

Substrat Methangehalt in %

Biogasertrag (Nm3/t FM)

SchweinegülleKartoffelschlempe

RübenpressschnitzelRindermistFutterrübe

ZuckerhirseBiertreber

SonnenblumensilageSudangras

ZuckerrübeGeflügelmistApfeltrester

GrünroggensilageGrünschnitt

GrassilageGetreide-GPS

Maissilage

56 %

0 50 100 200

61 %53 %72 %55 %56 %54 %59 %57 %55 %55 %64 %68 %53 %60 %54 %55 %53 %

Maissilage 76 %

Getreidekorn 4 %

Getreide-Ganzpflanzensilage 7 %

Grassilage 11 %

Zuckerrübe 1 %

Sonstiges 1 %

Abb. 3 Durchschnittliche Biogaserträge verschiedener Substrate von Gülle bis Maissilage [m3 Biogas/t Frischmasse (FM) Substrat]Quelle: FNR

Abb. 4 Mais bringt den höchsten Ertrag pro Hektar und stellte im Jahr 2010 drei Viertel der in Biogasanlagen eingesetzten Pflanzen-Masse. Quelle: FNR

3BINE-basisEnergie 16

bitte Original senden Bestandteil Formel Volumen %

Methan CH4 50 – 75

Kohlendioxid CO2 25 – 45

Stickstoff N2 0 – 5

Schwefelwasserstoffe H2 S < 1

Sauerstoff O2 0 – 2

Wasserstoff H2 0 – 1

Wasserdampf H2O 10

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Bakterien die Gülle in organische Säuren, Alkohole, Kohlendioxid und Wasserstoff um. Als Nächstes greifen essigsäurebildende (acetogene) Bakterien ein und produzieren Acetate, Kohlendioxid und Wasserstoff. Schließlich erzeugen methanogene Bakterien Methan, Kohlendioxid und Wasser.

Gärprozess und Gasproduktion können leicht durch zu große Substratmengen, Hemmstoffe oder Chemikalien gestört werden. Ebenso durch Desinfektionsmittel, An-tibiotika, Lösungsmittel, Herbizide, Schwermetalle so-wie Spurenelemente. Substrate mit sehr hohem Nähr-stoffgehalt wie Geflügelkot müssen mit stickstoffarmen Substraten vermischt werden, da zu viel Ammonium-Stickstoff die Gärung hemmt.

Gasaufbereitung und Energienutzung

Das Rohgas wird entfeuchtet und entschwefelt. Das ga-rantiert einen möglichst hohen Heizwert und vermeidet Korrosion an Armaturen und Motoraggregaten. Zur Ent-schweflung wird eine kleine Menge Luft in den anae-roben Biogasprozess eingeleitet. Schwefelbakterien können dann bis zu 95 % des Schwefelwasserstoffs in Wasser und elementaren Schwefel umwandeln. Das Biogas verlässt den Fermenter mit etwa 35 °C und 100 % wasserdampfgesättigt. Bei der Abkühlung auf 10 °C kondensieren pro m³ etwa 30 g Wasser und viele Spu-rengase werden entfernt.

Abhängig vom Methangehalt, der zwischen 50 und 75 % liegt, erzeugt ein BHKW aus einem m³ Biogas 1,5 – 3 kWh

el

plus Wärmeenergie, also etwa 5,0 – 7,0 kWhgesamt

.

In den meisten BHKW werden umgerüstete Dieselmotoren zum Antrieb des Stromgenerators verwendet, die tole-rant gegen wechselnde Gaszusammensetzungen sind. In Pilotanlagen treibt Biogas Gasturbinen an. Länger-fristig kann sehr hoch gereinigtes Bioerdgas auch in Brennstoffzellen eingesetzt werden.

In bald 100 Anlagen wird aufbereitetes Biomethan ins Erdgasnetz eingespeist. 2009 wurden bereits etwa 200 Mio. Normkubikmeter erreicht. Ziel der Bundes-regierung ist es, sechs Mrd. Normkubikmeter pro Jahr bis 2020 zu erreichen.

Gemeinschaftsbiogasanlage Steinfurt

Die Großanlage im Münsterland produziert Strom und be-heizt über ein Nahwärmenetz die Kreisverwaltung und öffentliche Gebäude (Schulen, Freibad, Sporthallen, Altenheim). Sie wird von 46 Landwirten betrieben, die sie mit Mais, anderen nachwachsenden Rohstoffen und Gülle beliefern. Für den Betrieb sind große Mengen an Gärsubstrat nötig; täglich werden 30 t Mais, jeweils 5 – 15 t Schweine- und Rindergülle sowie 10 t Hafer oder Ganz-pflanzensilage eingebracht. Mit dem Biogas werden zwei BHKW betrieben, eines an der Biogasanlage und das andere am Kreishaus. Es wird über eine Biogaslei-tung von 3,6 km Länge versorgt. Zusammen kommen die beiden BHKW auf eine Leistung von ca. 880 kW

el

und 890 kWth

. Die Landwirte nutzen die Gärreste der An-lage als Wirtschaftsdünger.

Abb. 7 Mikroorganismen verdauen Gülle und Biomasse und erzeugen Biogas: Im Fermenter laufen die Prozesse der Biogasbildung über vier Stufen nebeneinander.Quelle: nach FNR

Abb. 6 Silomais-Ernte. Anschließend wird der gehäckselte Mais in einem Fahrsilo konserviert und von dort aus nach und nach in die Biogasanlage eingebracht. Quelle: Roman Gridin/Claas, via Wikimedia Commons

Biogas

u.a. Methan (CH4), Kohlendioxid (CO2)

Kurzkettige organische Säuren (z. B. Propionsäure), Alkohole

Substrate

Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate (langkettige Polymere)

u.a. Essigsäure (CH3COOH), Kohlendioxid (CO2 ), Wasserstoff (H2)

Fettsäuren, Aminosäuren, Zucker (kurzkettige Monomere und Dimere)

1. Stufe: Verflüssigung – hydrolytische Bakterien

2. Stufe: Versäuerung – fakultativ anaerobe Bakterien

3. Stufe: Acetogenese – essigsäurebildende Bakterien

4. Stufe: Methanbildung – methanogene Bakterien

Abb. 3 Durchschnittliche Biogaserträge verschiedener Substrate von Gülle bis Maissilage [m3 Biogas/t Frischmasse (FM) Substrat]Quelle: FNR

Abb. 4 Mais bringt den höchsten Ertrag pro Hektar und stellte im Jahr 2010 drei Viertel der in Biogasanlagen eingesetzten Pflanzen-Masse. Quelle: FNR

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Biogas auf dem Biohof

Zu den Pionieren der Biogasbewegung gehören Biobau-ern. Mit dem Ziel, in möglichst geschlossenen Betriebs-kreisläufen zu wirtschaften, entwickelten und bauten sie in Eigeninitiative kleine Hofbiogasanlagen, in denen Dung und Pflanzenreste vergoren werden. Ein regionaler Schwer-punkt der Bio-Biogaserzeugung befindet sich in Süd-deutschland: Fast 70 % aller Anlagen liegen in Baden-Württemberg und Bayern. Knapp zweieinhalb Prozent aller Biogasanlagen arbeiten auf ökologisch wirtschaften-den Betrieben. Im Schnitt sind Bio- Höfe und Anlagen eher kleiner, größere Gemeinschaftsanlagen wegen der Entfer-nung zu anderen Öko-Betrieben weniger interessant. Bio-Biogas kommt eher aus Gülle und Ernteresten bezie-hungsweise bei viehlos wirtschaftenden Betrieben aus Grünbrache oder Kleegras. Zusätzlich können Zwischen-früchte, Erntereste und Nebenprodukte eingesetzt werden.

Das Land nachhaltig bewirtschaften

Welche Anforderungen muss die Biogasproduktion er-füllen, wenn sie den Kriterien der Nachhaltigkeit genü-gen soll? Sie sollte bevorzugt Nebenprodukte und Rest-stoffe sowie Landschaftspflegematerial nutzen und sich in eine nachhaltige Landbewirtschaftung einfügen, die primär Nahrungsmittel erzeugt, Boden-, Natur- und Ar-tenschutz berücksichtigt und nachwachsende Rohstoffe in vielseitige Fruchtfolgen einbindet. Das ermöglicht es, ein breites Spektrum an Pflanzen zur Substrat-Erzeugung einzusetzen. So liegt die Ertragskraft von Grünland nur um 20 % unter der von Mais.

Bei der Biogas-Produktion bleibt ein sogenannter Gärrest zurück. Als hochwertige Dünger können Gärreste mine-ralische Düngemittel ersetzen. Wichtig ist, dass sie bei der Ausbringung möglichst direkt in die Ackerkrume eingearbeitet werden, da sonst durch die Ausgasung von Ammoniak Umweltbelastungen und Nährstoffverluste drohen. Bei der Vergärung von 1 ha Silomais fallen etwa 35 – 40 m3 Gärreste an, die pflanzenbaulich sinnvoll so-wie umweltschonend zu verwenden sind. Die Äcker im Umfeld der Anlage verkraften nur so viel an Nährstoffen, wie die Pflanzen aufnehmen und verwerten können. Insbesondere in intensiv bewirtschafteten vieh-starken Regionen wird das dort bereits sehr hohe Nähr-stoffangebot durch Biogasanlagen weiter gesteigert. Die-se regionalen Nährstoff-Überschüsse müssen in weniger ausgelastete Regionen exportiert werden. Das macht es erforderlich, überschüssige Gärreste energieaufwendig zu trocknen und zu transportieren.

Mit der Größe der Anlagen wuchsen in den letzten Jahren auch die Investitionskosten. Sie betragen etwa 4.000 €/kW für kleinere Anlagen, für größere etwa 2.500 €/kW. Bei größeren Anlagen arbeiten oft mehrere Betriebe zusam-men: einer betreibt die Biogasanlage, andere liefern Mais und Gülle als Gärsubstrat, andere nutzen die Abwärme.

Viele Faktoren haben Einfluss darauf, wie wirtschaftlich eine Biogasanlage arbeitet: Hier spielen Anlagenkosten, Einspeisevergütungen sowie Preis und Zusammensetzung des Substrats eine zentrale Rolle.

BINE-basisEnergie 165

2.600.000

1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013

2.400.000

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1.200.000

1.000.000

800.000

600.000

400.000

1.800.000

Faserpflanzen 0,5

2.395.000 ha

Anba

uflä

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in H

ekta

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Arznei- und Färbepflanzen 13,0

Pflanzen zur Zuckergewinnung 9,0

Pflanzen zur Stärkegewinnung 121,5

Ölpflanzen 136,5

Pflanzen für Festbrennstoffe

* vorläufige Schätzung

11,0

Zucker und Stärke für Bioethanol 200,0

Raps für Biodiesel/Pflanzenöl 746,5

1.600.000Industriepflanzen Σ 280,5

2013* (in 1.000 Hektar)

Energiepflanzen Σ 2.114,5

Pflanzen für Biogas 1.157,0

Abb. 8 Die Gemeinschaftsbiogasanlage in Steinfurt mit Kraft-Wärme-Kopplung wird von 46 Landwirten gemeinsam betrieben. Sie produziert Strom und versorgt die Gebäude der Kreisverwaltung mit Wärme. Quelle: Bioenergie Steinfurt GmbH & Co. KG

Abb. 9 Entwicklung des Anbaus nachwachsender Rohstoffe in Deutschland, der Hauptanteil dieser Flächen ist mit Energiepflanzen bebaut. Quelle: FNR

Abb. 10 Der Gärrest, der nach der Biogasproduktion übrig bleibt, ist ein wertvoller Dünger. Das Substrat wird geruchs- und emissionsarm direkt in den Boden eingearbeitet. Quelle: Zunhammer Gülletechnik

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BINE Projektinfo 01/2010

Kontakt · InfoFragen zu diesem Projekt info? Wir helfen Ihnen weiter:

0228 92379-44BINE Informationsdienst Energieforschung für die PraxisEin Service von FIZ Karlsruhe GmbH

Kaiserstraße 185-197 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0 Fax 0228 92379-29 [email protected] www.bine.info

6 BINE-basisEnergie 16

Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Forschung Am effizientesten und rentabelsten arbeiten Biogas-KWK-Anlagen, die Abnehmer für die Wärme haben, die bei der Verstromung des Gases im BHKW anfällt. Auf dem Land müssen viele Betreiber erst noch Kunden für die erzeugte Wärme finden, egal ob in ein Nahwärme-system eingespeist wird, Großabnehmer versorgt oder wärmeintensive Betriebe wie Gewächshäuser oder Aquakulturen angeschlossen werden. Wärmeenergie kann auch Absorptionskälteanlagen für Kühlhäuser oder lebensmittelverarbeitende Betriebe antreiben. Bei größerem Abstand zu Wärmeverbrauchern lohnt es sich, Gas ins Netz einzuspeisen und ein BHKW am Ort des Bedarfs zu betreiben.Fehler oder Probleme beim Betrieb der Anlage bzw. bei der Substratlagerung, instabile Prozesse und daraus folgende ungenügende Gasausbeute oder -qualität können den wirtschaftlichen Betrieb der Anlage gefährden.Mit dem Boom der Biogaserzeugung hat auch das Interesse zugenommen, die Gas-ausbeute und das Anlagendesign zu verbessern. Ein Verbundvorhaben erforscht, wie die Methanproduktion gesteigert werden kann, speziell wenn energiereiche, zellulosehaltige Substrate wie Mais- oder Grassilage eingesetzt werden. Anlagen und Verfahren müssen noch weiter entwickelt werden, auch damit der Pflanzenaufwuchs von ertragsärmeren Wiesen oder Landschaftspflegeflächen effektiv verwertet werden kann. Mit Unterstützung von Bundes- und Länderprogrammen wurde neben den technischen Grundlagen auch die Markteinführung der Biogastechnik untersucht. Für die Verwendung in Brennstoffzellen ist ein sehr reines Methangas erforderlich, Forscher arbeiten an Trennverfahren zur Aufbereitung von Biogas (z. B. mit Vakuum oder keramischen Mole-kularsieben).

ImpressumISSN1438-3802

Herausgeber FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur GmbH Hermann-von-Helmholtz-Platz 1 76344 Eggenstein-Leopoldshafen

AutorenGerhard Hirn, Uwe Milles

TitelbildMT Energie GmbH

StandJanuar 2014

UrheberrechtEine Verwendung des Textes dieser Publikation ist nur mit Zustimmung der BINE-Redaktion gestattet. Sprechen Sie uns an.

Literatur>> Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Bonn (Hrsg.):

Leitfaden Nachhaltige Biomasseherstellung. Jan. 2010. 84 S.>> Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) e.V., Dortmund;

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) e.V., Gülzow (Hrsg.): Faustzahlen Biogas. 2013. 360 S., 3. Ausgabe, ISBN 978-3-941583-85-6

>> Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) e.V., Gülzow (Hrsg.): Biogas. 2013. 44 S., 9., überarb. Aufl.

>> Energieagentur NRW, Wuppertal (Hrsg.): Biogas: Strom und Wärme aus Gülle. Basisinformation Biogas. [ohne Jahr] 12 S.

>> EnergieAgentur.NRW, Wuppertal (Hrsg): Biogasanlage Steinfurt-Hollich. Gastransport und Wärme für das Kreishaus. Okt. 2007. 4 S.

>> Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Berlin (Hrsg.): Biogas und Umwelt. Ein Überblick. Ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (Bearb.). Juni 2008. 28 S.

>> Eder, B.; Krieg, A.: Biogas-Praxis. Grundlagen, Planung, Anlagenbau, Beispiele, Wirtschaftlichkeit. Staufen: Ökobuch Verl., 2012. 254 S., 5. überarb. Aufl., ISBN 978-3-936896-60-2, 36,00 Euro

>> Abwärme zu Strom veredeln. BINE-Projektinfo 13/2011

Links>> Fachverband Biogas | www.biogas.org >> Informationen zu Biogasanlagen, u.a. Kurzfilme prämierter Biogasanlagen | www.biogasportal.info>> Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe | www.nachwachsenderohstoffe.de >> Bioenergie Steinfurt | www.bioenergie-steinfurt.de >> Deutsches Biomasse-Forschungszentrum | www.dbfz.de

Mehr vom BINE Informationsdienst>> BINE Informationsdienst berichtet aus Projekten der Energieforschung in seinen Broschürenreihen und

dem Newsletter. BINE-Projektinfos und BINE-Themeninfos erhalten Sie im kostenlosen Abonnement unter www.bine.info/abo

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Faserpflanzen 0,5

2.395.000 ha

Anba

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Arznei- und Färbepflanzen 13,0

Pflanzen zur Zuckergewinnung 9,0

Pflanzen zur Stärkegewinnung 121,5

Ölpflanzen 136,5

Pflanzen für Festbrennstoffe

* vorläufige Schätzung

11,0

Zucker und Stärke für Bioethanol 200,0

Raps für Biodiesel/Pflanzenöl 746,5

1.600.000Industriepflanzen Σ 280,5

2013* (in 1.000 Hektar)

Energiepflanzen Σ 2.114,5

Pflanzen für Biogas 1.157,0

Abb. 8 Die Gemeinschaftsbiogasanlage in Steinfurt mit Kraft-Wärme-Kopplung wird von 46 Landwirten gemeinsam betrieben. Sie produziert Strom und versorgt die Gebäude der Kreisverwaltung mit Wärme. Quelle: Bioenergie Steinfurt GmbH & Co. KG

Abb. 10 Der Gärrest, der nach der Biogasproduktion übrig bleibt, ist ein wertvoller Dünger. Das Substrat wird geruchs- und emissionsarm direkt in den Boden eingearbeitet. Quelle: Zunhammer Gülletechnik