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Universit ¨ at Heidelberg Physikalisches Praktikum f ¨ ur Molekulare Biotechnologie - Block 1 Inhalt Vorbemerkung ........................... 2 Vorbereitung ............................ 2 Durchf ¨ uhrung der Versuche .................... 3 Messgenauigkeit und Fehlerabsch ¨ atzung ............. 4 .................................... 11 Einf ¨ uhrungsversuch ........................ 11 41 Temperaturmessung ........................ 19 42 Spezifische W ¨ armekapazit ¨ at fester K ¨ orper ............ 25 26 Schallgeschwindigkeit ....................... 29 212 Z ¨ ahigkeit von Fl ¨ ussigkeiten .................... 35 250 Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivit ¨ at ........ 41 251 Statistik und radioaktiver Zerfall ................. 45

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Universitat HeidelbergPhysikalisches Praktikum fur Molekulare

Biotechnologie - Block 1

Inhalt

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Durchfuhrung der Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Messgenauigkeit und Fehlerabschatzung . . . . . . . . . . . . . 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 Einfuhrungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1141 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1942 Spezifische Warmekapazitat fester Korper . . . . . . . . . . . . 2526 Schallgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29212 Zahigkeit von Flussigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35250 Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat . . . . . . . . 41251 Statistik und radioaktiver Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Praktikumsvorbereitung

I Vorwort zur aktuellen Ausgabe

Die Versuche und Versuchsanleitungen des Physikalischen Anfangerpraktikumsder Universitat Heidelberg werden zur Zeit grundlegend uberarbeitet. Die jet-zige Version der Praktikumsanleitung entspricht inhaltlich zum großten Teilnoch der alten Version. Lediglich die Formatierung und Strukturierung wurdegeandert. Jede Versuchsbeschreibung ist nun klar und ubersichtlich gegliedert.Zusatzlich wurden zu jedem Versuch Bilder des Versuchsaufbaus eingefugt, dieIhnen die Versuchsvorbereitung erleichtern sollen. Da es oft vorkommen kann,dass Sie von einem Englisch sprechenden Assistent betreut werden, wurde dieAnleitung durch ein Fachworterbuch, das die wichtigsten Vokabeln zu den ein-zelnen Versuchen enthalt, erganzt. Dies soll Ihnen die Konversation mit demAssistenten bei der Vorbesprechung erleichtern.Leider ist es bei einer Neuauflage nicht zu vermeiden, dass sich dabei auchFehler einschleichen. Ich bitte dies zu entschuldigen und mich eventuell daraufhinzuweisen. Ich hoffe, dass das Anfangerpraktikum in Zukunft noch mehrzu einem spannenden und vor allem lehrreichen Bestandteil der naturwissen-schaftlichen Studiengange in Heidelberg wird.

Heidelberg im Januar 2007

Jens Wagner

II Vorbemerkung

Dieses Praktikum verfolgt hauptsachlich drei Ziele:

1. Sie lernen den Umgang mit physikalischen Messgeraten und Messappara-turen.

2. Kenntnisse, die Sie bereits erworben haben (oder noch erwerben werden)sollen durch die Uberprufung im Experiment gesichert werden.

3. Das Fuhren eines Protokolls.

Zu diesem Zweck enthalt das Praktikum Versuche mit uberschaubarer Theo-rie und einfachen Messapparaturen, deren Funktionsweise leicht einzusehen ist.Naturlich ist damit nicht die Messgenauigkeit aufwendiger Apparaturen, wie

sie in der Forschung verwendet werden, erreichbar. Das Ziel des Praktikumssind weniger prazise Ergebnisse, sondern Sie sollen lernen, die Einflusse, die dieMessgenauigkeit begrenzen, zu erkennen und einzuschatzen. Aus diesem Grundsollen bei der Auswertung die Ergebnisse stets mit einer Fehlerabschatzung an-gegeben werden.Lesen Sie bei der Versuchsvorbereitung die Versuchsanleitung genau durch unduberlegen Sie, was bei der Versuchsdurchfuhrung und Auswertung gemachtwerden soll, welche Messwerte Sie brauchen, usw. Nur so konnen Sie zugigmessen und vermeiden unnotige Mehrarbeit durch Fehler beim Auswerten.Gestalten Sie die Auswertung ubersichtlich und kennzeichnen Sie alle Anga-ben so, dass man sofort erkennen kann, worum es sich handelt (z.B.:

”aus der

Zeichnung abgelesen:“,”Literaturwert:“,

”Mittelwert der Messreihe:“). End-

ergebnisse werden stets zusammen mit ihrem Fehler angegeben und besonderskenntlich gemacht, z.B. durch doppeltes Unterstreichen. Es ist unsinnig, denFehler mit mehr als zwei Stellen anzugeben; das Ergebnis soll bis auf maximalzwei ungenaue Stellen angegeben werden (s.u.).Bei graphischen Darstellungen von Messwerten ist folgendes zu beachten:

• Die graphische Darstellung erfolgt grundsatzlich auf Millimeterpapier bzw.Logarithmenpapier.

• Richtige Große wahlen. Nutzen Sie wenn moglich den vollen Bereich desmm-Papiers bzw. Logarithmenpapier.

• Bei jeder Achse Messgroße und Maßeinheit angeben (Bsp.: T in ◦C, T [◦C],T/◦C).

• Um sich das Eintragen der Messpunkte zu erleichtern, empfiehlt es sicheine sinnvolle Achseneinteilung zu wahlen (z.B. 1 ◦C=0,5 cm oder 1 cmoder 2 cm zu wahlen und nicht 1 ◦C=0,4 cm oder 2,5 cm)

• Verbinden Sie beim Zeichnen von Kurven nicht einfach die Punkte mit-einander (

”Malen nach Zahlen“), sondern versuchen Sie die Streuung der

Messwerte auszugleichen.

• Befinden sich mehrere Kurven in einem Diagramm, so sind die einzelnenKurven und Messwerte zu kennzeichnen (Legende hinzufugen).

• Jede Zeichnung, Tabelle und Diagramm muss mit einer Text-Uberschriftversehen werden.

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 1.1 Stand 01/2007

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Praktikumsvorbereitung

III Vorbereitung

Um das Praktikum effizient durchzufuhren, ist eine grundliche Vorbereitungnotwendig. Es ist nicht in Ihrem Interesse die Versuche

”starr“ nach Anleitung

abzuarbeiten, ohne zu verstehen was Sie uberhaupt praktizieren. Die erfolgrei-che Teilnahme am Praktikum setzt voraus, dass Sie ein entsprechendes Kennt-nisniveau der mit den Versuchen verknupften Physik besitzen. Ob diese Kennt-nisse aus Ihrem Fundus oder aus Ihrer Vorbereitung stammen, ist naturlichbelanglos. Informieren Sie sich vor Beginn der Versuchsdurchfuhrung, uber dieStichpunkte, die bei den jeweiligen Versuchen unter dem Kapitel

”Vorberei-

tung“ aufgelistet sind. Dabei reicht das alleinige Studium der Praktikumsan-leitung keinesfalls aus. Die Praktikumsanleitung ist kein Lehrbuch! Zujedem Versuch sind daher zusatzlich Literaturempfehlungen angegeben. Bei denmeisten Versuchen ist es vollkommen ausreichend, wenn Sie sich mit Hilfe derStandardwerke (Walcher, Gerthsen, Bergmann-Schafer, etc.) auf die Versuchevorbereiten.Um Ihnen die Vorbereitung zu erleichtern, sind neben den Stichpunkten zusatz-lich noch Fragen in der Praktikumsanleitung aufgelistet.Eine Versuchsdurchfuhrung ohne ausreichende Vorbereitung ist klarerweise oh-ne Lerneffekt und nicht sinnvoll. Die Praktikantin oder der Praktikant muss indiesem Fall damit rechnen, nach Hause geschickt zu werden und den Versuchzu einem spateren Zeitpunkt zu wiederholen.Die folgenden Punkte fassen das Basiswissen zusammen, uber das Sie bei denVersuchen verfugen sollten:

1. Mathematische Voraussetzungen - elementare Funktionen: Polynome, tri-gonometrische Funktionen, Logarithmus- und Exponential-Funktion - ele-mentares Differenzieren und Integrieren - gewohnliche Differentialgleichun-gen: Schwingungsgleichung/Kraftgesetz, Gleichung des naturlichen Wachs-tums.

2. Statistik und Fehler - Mittelwert, Standardabweichung, statistische undsystematische Fehler, Fehler des Mittelwertes, Fehlerfortpflanzung, Gauß-verteilung.

3. Die 7 Basiseinheiten des SI-Systems : m, kg, s, A, K, mol, Cd.

4. Mechanik - Newtonschen Gesetze; Krafteparallelogramm - Erhaltungssatzefur Translation und Rotation (Energie, Impuls, Drehimpuls) - Drehmo-ment, Tragheitsmoment u. Steinerscher Satz - Hooksches Gesetz, Elasti-

sche Konstanten - Resonanzkurve - Fur Studierende mit Hauptfach Phy-sik: Differentialgleichung des gedampften harmonischen Oszillators undtypische Losungen - Schallgeschwindigkeit, longitudinale und transversaleSchwingungen.

5. Elektrizitatslehre - Elementarladung und Ladungserhaltung; Faraday-Konstante, Avogadrokonstante, Stoffmenge - Ohmsches Gesetz, Kirch-hoffsche Regeln, spezifischer Widerstand - Messbereichserweiterung vonMessinstrumenten - Kondensator, Kapazitat. Fur Studierende mit Haupt-fach Physik: Herleitung Kondensatorentladung, Bewegung einer Ladungim elektrischen Feld.

6. Optik - Reflexions- und Brechungsgesetz - Abbildung mit Linsen (geo-metrische Bildkonstruktion, Linsengleichung, Abbildungsmaßstab) - kon-tinuierliche und Linienspektren (qualitatives Verstandnis) - Auflosungs-vermogen optischer Instrumente.

7. Warmelehre - Warme, Zustandsgroßen (Temperatur, innere Energie,...),Zustandsgleichung des idealen Gases - 1. und 2. Hauptsatz, Warmebilanz,spezifische Warme, Phasendiagramm, Dampfdruck - Fur Studierende mitHauptfach Physik: Van-der-Waals-Gleichung realer Gase, Verlauf der Iso-thermen im p(V )-Diagramm, Gesetz von Dulong-Petit, Freiheitsgrade undGleichverteilungssatz, Clausius-Clapeyron Gleichung.

Die Kenntnis dieses Basiswissens erspart naturlich nicht das sorgfaltige Durch-arbeiten der Anleitung und die Vorbereitung der anderen Kapitel im Skript.Insbesondere sollten Sie sich bei der Vorbereitung auch schon uber die Versuchs-durchfuhrung, die Messmethoden und uber die Auswertung Gedanken machen.Machen Sie sich bewusst, was und wie Sie messen werden und schatzen Sie ab,welchen Einfluss die Fehler der Einzelmessungen auf den Gesamtfehler haben(Bsp.: eine quadratische Große geht mit doppeltem Gewicht ein, als eine linea-re).

IV Durchfuhrung der Versuche

Sehen Sie sich die Apparatur grundlich an und machen Sie sich mit der Funk-tion aller Einzelteile vertraut. Spielen Sie die Messprozedur nach Moglichkeitzunachst qualitativ durch. Wenn Sie eine elektrische Schaltung herzustellenhaben, kontrollieren Sie zunachst selbst sorgfaltig, ob Sie keine Schaltfehler

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gemacht haben. Vor Anlegen der Spannung muss die Schaltung vomAssistenten abgenommen werden. Das Protokoll wird auch wahrendder Messungen luckenlos gefuhrt, d.h. man soll keine großen Zwischenraumefur spatere Eintragungen lassen. Lassen Sie sich Zeit zum Fuhren einesordentlichen Protokolls.

Ein Protokoll ist eine dokumentarische Darstellung des gesamten Versuchsab-laufs: Versuchsaufbau, Versuchsdurchfuhrung, Erfassung und Auswertung vonMessdaten, Diskussion der Ergebnisse. Die Qualitat der bei einem Prakti-kumsversuch erzielten Ergebnisse hangt nicht nur vom Messverfahren und derGenauigkeit der Messgerate ab, sondern auch vom exakten experimentellenArbeiten und der korrekten Protokollfuhrung. Im Einzelnen soll das Protokollenthalten:

1. Uberschrift und Versuchsnummer.

2. Einleitung: Formulierung der theoretischen Grundlagen, sowie physikali-scher Begriffe und Gesetze, die zum Verstandnis des Versuchs erforderlichsind.

3. Das Protokoll muss so ausgelegt sein, dass Formeln, die fur den Versuchbenotigt werden, und zwar zunachst in der Form, in der man sie als allge-mein bekannt voraussetzen kann, dann die fur den Versuch notigen Um-formungen. Damit man den Einfluss der Fehler der gemessenen Großenauf das Versuchsergebnis leichter ubersehen kann, ist es zweckmaßig, dieFormeln auf die FormVersuchsergebnis = Funktion der direkt gemessenen Großenzu bringen. Alle Abkurzungen, die in den Formeln vorkommen, mussenerklart sein, evtl. mit Hilfe der Skizze der Apparatur. Diesen Teil des Pro-tokolls schreiben Sie am besten schon zu Hause bei der Vorbereitung.

4. Skizze und Beschreibung der Versuchsanordnung (schematisch, Schaltplanbei elektrischen Schaltungen).

5. Knappe aber vollstandige Angaben uber das Messverfahren, soweit diesnicht vollig selbstverstandlich ist. Das Protokoll muss selbsterklarend sein!

6. Prasentieren Sie Ihre Messergebnisse in Form von Tabellen und Diagram-men, die klar und ausreichend beschriftet sein mussen. Kommentieren Siediese mit einigen einleitenden Satzen.

7. Fuhren Sie nach Moglichkeit eine vorlaufige Auswertung unmittelbar nachder Messung durch.

8. Bei der Auswertung mussen alle Zwischenrechnungen im Protokollheft aus-gefuhrt werden. Vergleichen Sie, soweit vorhanden, Ihre Messergebnissemit Literaturwerten. Bei der Fehlerabschatzung berucksichtigen Sie nurdie Faktoren, die Sie quantitativ kennen, also im allgemeinen die zufalli-gen Fehler und die mutmaßliche Genauigkeit der Eichung der Instrumente.Es genugt vollstandig, sich auf die Faktoren zu beschranken, diedie Messgenauigkeit hauptsachlich begrenzen. Wenn Sie glauben,dass bei dem Versuch systematische Fehler auftreten, die Sie nicht quanti-tativ erfassen konnen, machen Sie hieruber eine kurze Bemerkung. AchtenSie darauf, dass Sie alle zur Auswertung notigen Angaben aufgeschriebenhaben (z.B. Barometerstand, Zimmertemperatur, etc.).

9. Zusammenfassung und kritische Diskussion. Fassen Sie am Schluss derAuswertung den gesamten Versuch mit einigen kurzen Satzen zusammen.Gehen Sie dabei auf die physikalische Fragestellung ein, das Messprinzip,die Messergebnisse und Fehler. Setzen Sie sich kritisch mit dem Versuchauseinander. Gibt es Moglichkeiten den Versuchsaufbau oder das Mess-prinzip zu verbessern? Gibt es Moglichkeiten die Fehler zu minimieren?

V Messgenauigkeit und Fehlerabschatzung

Jede Messung kann nur mit einer begrenzten Genauigkeit durchgefuhrt werden.Zwei unabhangige Messungen werden daher unterschiedliche Ergebnisse liefern.Damit das Resultat einer Messung aussagekraftig ist, reicht es nicht aus nur denZahlenwert des Messergebnisses anzugeben, sondern es muss auch eine Aussageuber die Messgenauigkeit gemacht werden. Dies geschieht z.B durch die Angabeeines Intervalls [x − ∆x, x + ∆x] bzw.

x ± ∆x, (1)

innerhalb dessen der”wahre Wert“ mit einer bestimmten, anzugebenen Wahr-

scheinlichkeit liegt.

Beispiel:Die Bestimmung der Erdbeschleunigung mit einem Fadenpendel ergab folgen-des Resultat:

g = (9, 81 ± 0, 03) m/s2. (2)

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Die erste Zahlenangabe entspricht der besten Schatzung des”wahren Wertes“.

Die zweite Zahl ist die Messgenauigkeit, die man haufig auch den”Fehler“ des

Messergebnisses nennt. Das Wort”Fehler“ darf nicht falsch interpretiert wer-

den. Diese Angabe gibt nicht etwa den Betrag an, um den das Messergeb-nis falsch ist, sondern stellt ein Unsicherheitsbereich dar, in dem der

”wahre

Wert“ mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegt. Wie groß diese Wahr-scheinlichkeit ist, werden wir an spaterer Stelle diskutieren. Das Resultat derMessung ist dann wie folgt zu interpretieren:

Als beste Schatzung fur die Erdbeschleunigung wurde ein Wert von9, 81 m/s

2bestimmt. Der wahre Wert liegt mit einer bestimmten Wahr-

scheinlichkeit im Intervall 9,78 m/s2

... 9,84 m/s2.

Beachten Sie, dass es bei der Angabe des Messergebnisses und der Mess-unsicherheit keinen Sinn macht beliebig viele Nachkommastellen anzugeben(Taschenrechnerergebnis). Die Angabe

g = (9, 8114587 ± 0, 0298682) m/s2

(3)

ist sinnlos. Die Messgenauigkeit soll auf eine oder hochstens zwei signifikanteStellen gerundet werden und die letzte signifikante Stelle des Messergebnissessoll der selben Großenordnung entsprechen wie die Messgenauigkeit:

g = (9, 81 ± 0, 03) m/s2. (4)

V.1 Systematische und Statistische Fehler

Bei einer Messung konnen zwei Arten von Fehlern auftreten: SystematischeFehler und statistische (zufallige) Fehler. Systematische Fehler fuhren dazu,dass das Messergebnis einseitig vom wahren Wert abweicht. Eine Wiederholungder Messung zeigt immer die gleiche Abweichung. Der Messwert ist entwederimmer großer oder immer kleiner als der

”wahre Wert“. Im Gegensatz dazu

schwanken bei zugrundeliegenden statistischen Fehlern, die Messwerte zufallig.Mal sind sie großer, das andere mal kleiner als der

”wahre Wert“.

Systematische Fehler

Systematische Fehler werden zunachst durch die begrenzte Genauigkeit derEichung der Instrumente verursacht. Bei Maßstaben und Skaleneinteilungen ist

die absolute Genauigkeit in der Regel etwas besser als die Ablesegenauigkeit.An vielen Analogmessinstrumenten ist zusatzlich noch eine Genauigkeitsklasseangegeben. Diese gibt den relativen Fehler des Messbereichsendwertes an. Wirdz.B. mit einem Voltmeter der Klasse 1,5 innerhalb eines Messbereiches von200 V eine Messung durchgefuhrt, so betragt der Fehler 1,5% von 200 V, d.h.3 V. Bei digitalen Instrumenten wird der Fehler in der Regel durch zwei Großenangegeben. Einen prozentualen Fehler, der sich entweder auf dem Messwert(Angabe v.M. = vom Messwert) oder auf den Messbereich (Angabe v.E. =

vom Endwert) bezieht, sowie eine Fehlerangabe in der Form: ±x Digits. Dieletztere Angabe bedeutet, dass der Messwert um ±x Einheiten der hinterstenStelle der Anzeige schwanken kann.

Beispiel: Mit einem digitalen Voltmeter mit der Genauigkeitsangabe

±1, 5% v.M.,±3 Digits

wird ein Spannung von 12,00 V gemessen. Der absolute Fehler berechnet sichaus 1,5% vom Messwert sowie drei Einheiten der letzten Stelle: 1,5% von12,00 V und 3 × 10 mV = 180 mV + 30 mV = 210 mV.

Desweiteren konnen systematische Fehler auch durch Umwelteinflusse wie Tem-peraturdriften, Einkopplung elektrischer Felder (z.B. Netzbrummen) etc. oderaber auch durch grundsatzliche Mangel des Messverfahrens verursacht wer-den. Z.B. muss bei der Messung an einer hochohmigen Spannungsquelle derInnenwiderstand des Voltmeters berucksichtigt werden (wichtig in Versuch 41Temperaturmessung). Geschieht dies nicht, treten systematische Abweichungenauf.

Fur die Abschatzung von systematischen Fehlern lassen sich keine allgemeinenRegeln aufstellen. Es kommt im Einzelfall auf den Scharfsinn und die physika-lischen Kenntnisse des Experimentators an. Allerdings konnen systematischeFehler auch noch nach einer Messung berucksichtigt werden. Sind die Ursachenbekannt, kann das Messergebnis entsprechend korrigiert werden.

Statistische Fehler

Statistische Fehler entstehen durch zufallige Prozesse wahrend des Messprozes-ses. Ursachen hierfur sind z.B. das Rauschen eines Sensors oder thermodyna-mische Prozesse. Auch der Experimentator selbst kann eine statistische Fehler-quelle darstellen, da dieser stets die Messwerte aufnehmen, ablesen und inter-pretieren muss. All dies kann statistischen Schwankungen unterliegen. Z.B. wird

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Nr. x [V] Nr. x [V] Nr. x [V] Nr. x [V]

1 5,070 6 5,039 11 5,053 16 5,038

2 5,073 7 5,043 12 5,054 17 5,058

3 5,031 8 5,034 13 5,078 18 5,040

4 5,024 9 5,034 14 5,071 19 5,071

5 5,034 10 5,079 15 5,050 20 5,051

Tabelle 1: Ergebnisse einer 20-maligen Spannungsmessung.

man bei einer mehrmaligen Zeitmesung mit einer Stoppuhr aufgrund schwan-kender Reaktionszeiten verschiedene Ergebnisse erhalten.Statistische Fehler haben die Eigenschaft, dass die Messergebnisse zufallig umden

”wahren Wert“ schwanken. Falls es moglich ist eine Messung mehrmals zu

wiederholen, konnen solche Fehler mit Mitteln der Statistik aus der Streuungder Messwerte ermittelt werden.Tabelle 1 zeigt ein Beispiel, bei dem eine elektrische Spannung x 20-mal ge-messen wurde. Die Messwerte sind in Abbildung 1 eingetragen.Gesucht ist ein Wert der die beste Schatzung des wahren Wertes darstellt. MitHilfe statistischer Uberlegungen lasst sich zeigen, dass dieser Bestwert demarithmetischen Mittelwert entspricht:

x =1

N

N∑

i=1

xi. (6)

Dieser Wert ist in Abbildung 1 als waagrechte Linie eingezeichnet.Neben der besten Schatzung des

”wahren Werts“ (Mittelwert) mussen wir

zusatzlich noch eine Aussage uber die Genauigkeit der Messung machen. Dazuwiederholen wir die Messung nicht nur 20-mal sondern viele Male mehr. InAbbildung 2 sind z.B. 3500 Einzelmessungen aufgetragen. Hier ist noch deut-licher zu erkennen, dass die Messwerte symmetrisch um einen mittleren Wertstreuen. Die meisten Messwerte liegen in der Nahe des Mittelwertes. Aber esgibt auch einzelne

”Ausreißer“, die weiter weg vom Mittelwert liegen. Um dies

zu quantifizieren empfiehlt sich eine andere grafische Darstellung der Messwer-te in Form eines Histogramms. Dabei wird gezahlt, wieviele Einzelmessungeninnerhalb eines bestimmten Intervalls aufgetreten sind und die entsprechendeHaufigkeit in Form eines Saulendiagramms dargestellt. Solch ein Histogramm

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

4,96

4,98

5,00

5,02

5,04

5,06

5,08

5,10

5,12

5,14EinzelmessungMittelwert

Messung

Spannung x

[V

]

Abbildung 1: Darstellung von 20 unabhangigen Messungen einer elektrischenSpannung x. Die waagrechte Linie entspricht dem Mittelwert.

ist in Abbildung 3 dargestellt. Fur sehr viele Messungen, streng genommen furunendlich viele, nahert sich das Histogramm einer bekannten Verteilung, dieals Normal- bzw. Gaußverteilung bezeichnet wird und durch

P (x) =1√2π σ

exp

(

− (µ − x)2

2σ2

)

(7)

dargestellt wird. Die Gaußverteilung beschreibt eine Wahrscheinlichkeitsdichte,d.h.

∫ b

a

P (x) dx (8)

gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Wert xi gemessen wird, der im Intervall

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0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500

4,96

4,98

5,00

5,02

5,04

5,06

5,08

5,10

5,12

5,14

5,16

Messung

Spannung x

[V

]

Abbildung 2: Darstellung von 3500 Messungen.

a ≤ xi ≤ b liegt. Durch den Vorfaktor 1/√

2π σ ist die Verteilung normiert, d.h.

∫ ∞

−∞

P (x) dx = 1. (9)

Dies ist sofort einsichtig, da mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit irgendein Wertgemessen wird.Eine Gaußverteilung besitzt zwei Parameter. Die Lage des Maximums der Ver-teilung wird durch die Große µ bestimmt und entspricht dem wahrscheinlich-sten Wert. Die Breite der Verteilung ist durch die Große σ (Abbildung 3)gegeben.Falls die Messwerte tatsachlich gaußverteilt sind - und das ist sehr haufig derFall - konnen wir annehmen, dass wir das Messergebnis einer großen Anzahl vonEinzelmessungen, ebenfalls durch die Parameter µ und σ beschreiben konnen.

4,98 5,00 5,02 5,04 5,06 5,08 5,10 5,12

0

50

100

150

200

250

300

350 MessungGaußverteilung

Häufig

keit

Spannung x [V]

s

m

Abbildung 3: Histogramm von 3500 Einzelmessungen. Die durchgezogeneLinie zeigt die dazugehorige Gaußverteilung mit den Parametern µ und σ.Die Gaußverteilung ist hier nicht auf Eins normiert, sondern auf die Flachedes Histogramms.

Wie sich zeigen lasst, konvergiert der arithmetische Mittelwert x fur eine großeAnzahl von Einzelmessungen, gegen den wahrscheinlichsten Wert µ

limN→∞

x = limN→∞

1

N

N∑

i=1

xi = µ. (10)

Der Mittelwert stellt somit, wie wir bereits zuvor erwahnt haben, die besteSchatzung des

”wahren Werts“ dar.

Die Breite der Gaußverteilung wird durch σ bestimmt. Je großer σ, desto brei-ter ist die Verteilung und umso großer ist die Streuung der Messwerte um den

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wahrscheinlichsten Wert µ. Wir konnen daher σ als ein Maß fur die Messge-nauigkeit interpretieren.Fur eine große Anzahl von Einzelmessungen lasst sich zeigen, dass die Reihe(Wurzel aus der mittleren quadratischen Abweichung vom Mittelwert)

S′

E =

1

N

N∑

i=1

(x − xi)2, (11)

gegen σ konvergiert:

limN→∞

S′

E = σ. (12)

S′E wird als Standardbweichung einer Messreihe bezeichnet. Allerdings ist

hier Vorsicht geboten. S′E ist nur dann ein guter Schatzwert fur die Streuung der

Messwerte, wenn viele Einzelmessungen durchgefuhrt werden. Bei nur wenigenMessungen wird die Streuung um den Mittelwert uberschatzt. Eine genauereUberlegung zeigt, dass es besser ist als Maß fur die Streuung die Große

SE =

1

N − 1

N∑

i=1

(x − xi)2, (13)

zu verwenden. SE wird auch als der mittlere Fehler einer Einzelmessungbezeichnet.Wird eine Messung viele male wiederholt und als beste Schatzung des

”wahren

Wertes“ der Mittelwert x angegeben, so ist dieser naturlich genauer als derMesswert einer Einzelmessung und zwar um den Faktor 1/

√N :

SM =

1

N(N − 1)

N∑

i=1

(x − xi)2. (14)

SM wird auch als mittlerer Fehler des Mittelwerts oder einfach als Stan-dardfehler bezeichnet.Mit Hilfe von Gleichung (8) lasst sich berechnen, mit welcher Wahrscheinlich-keit ein Messwert xi im Bereich von ±σ um den wahrscheinlichsten Wert µschwankt:

∫ µ+σ

µ−σ

P (x) dx = 68, 3 %. (15)

Intervall ±σ ±2σ ±3σ

Wahrscheinlichkeit 68,3% 95,5% 99,7%

Tabelle 2: Wahrscheinlichkeiten fur unterschiedliche Werte von σ.

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung ein Wert im Bereich [µ−σ, µ+σ]auftritt betragt 68,3 %. Analog lassen sich auch die Wahrscheinlichkeiten furden 2σ bzw. 3σ-Bereich bestimmen.Fur das Endergebnis einer Messung gibt man in der Regel den 1σ-Fehler SE

bzw. SM an. Wird ein großerer Fehlerbereich angegeben (z.B. 3σ-Fehler) istdies gesondert zu vermerken.

Beispiel:

Fur die in Tabelle 1 angegebenen Messdaten errechnen sich die Ergebnisse wiefolgt:

Mittelwert: x =1

20

20∑

i=1

xi =5, 070 V + ... + 5, 051 V

20= 5, 051 V. (16)

Fehler einer Einzelmessung: SE =

1

19

20∑

i=1

(x − xi)2 = 0, 0173 V. (17)

Fehler des Mittelwerts: SM =

1

20 · 19

20∑

i=1

(x − xi)2 = 0, 0039 V. (18)

Das Endergebnis wird in der Form

x ± SM bzw. x ± ∆x (19)

angegeben. Anstatt SM schreibt man auch haufig fur den Fehler einfach ∆x.In unserem Beispiel erhalten wir

x = (5, 051 ± 0, 004) V. (20)

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V.2 Fehlerfortpflanzung

Bei vielen Praktikumsversuchen reicht es nicht aus nur eine physikalisch Großezu messen und dessen Fehler abzuschatzen. In der Regel sollen aus dem Mess-ergebnis weitere Großen und dessen Genauigkeiten bestimmt werden.

Beispiel:

Es soll die Verlustleistung P eines ohmschen Widerstands R, an dem die Span-nung U anliegt, bestimmt werden. Dazu wird der Widerstand R und die Span-nung U gemessen und gemaß

P =U2

R(21)

die Verlustleistung berechnet. Da sowohl R als auch U nur mit einer bestimmtenGenauigkeit bestimmt wurden, besitzt auch die daraus abgeleitete Große P eineendliche Genauigkeit.Die Bestimmung dieser Genauigkeit geschieht mit Hilfe der Differentialrech-nung.Wenn die direkt gemessenen Großen x und y um kleine Betrage dx und dygeandert werden, verandert sich der Wert einer Funktion f = f(x, y) um

df =∂f

∂xdx +

∂f

∂ydy (vollstandiges Differential) (22)

Hier bedeutet ∂f/∂x die partielle Differentation der Funktion f nach x, d.h.die Ableitung von f nach x, wobei die Variable y als Konstante behandelt wird.

Wenn wir in dieser Gleichung die Differentiale dx und dy durch die Feh-ler ∆x und ∆y der direkt gemessenen Großen ersetzen wollen, mussenwir berucksichtigen, dass sich die Fehler im Mittel teilweise kompensierenwerden, wenn sie voneinander unabhangig sind. Daher berechnet man denmittleren Fehler ∆f durch

”quadratische Addition“ nach dem Gaußschen

Fehlerfortpflanzungsgesetz:

∆f =

(

∂f

∂x∆x

)2

+

(

∂f

∂y∆y

)2

(23)

Hier und im Folgenden wird unter ∆x bei zufalligen Fehlern, der mittlere Feh-ler SM nach Gleichung (14), bei systematischen Fehlern die oben diskutiertenUberlegungen verstanden.

Fur das oben angefuhrte Beispiel (21) berechnet sich der Fehler wie folgt:

P = P (U,R) (24)

∆P =

(

∂P

∂U∆U

)2

+

(

∂P

∂R∆R

)2

(25)

=

(

2U

R∆U

)2

+

(

−U2

R2∆R

)2

(26)

Die funktionale Abhangigkeit der zu ermittelnden Große von den direkt gemes-senen hat haufig eine einfache Form. Es lohnt sich, die folgenden Formeln zumerken, die aus der allgemeinen Gleichung (23) folgen:

f = ax ∆f =a∆x (27)

f =x + y ∆f =√

(∆x)2 + (∆y)2 (28)

f =xy, f = x/y∆f

f=

(

∆x

x

)2

+

(

∆y

y

)2

(29)

f =x±b ∆f

f=|b|∆x

x, b = const. (30)

Merken Sie sich:

1.”Der absolute Fehler einer Summe oder Differenz zweier Großen ist gleich

der quadratischen Summe der absoluten Fehler der Summanden“.

2.”Der relative Fehler des Produkts oder des Quotienten zweier Großen ist

gleich der quadratischen Summe der einzelnen relativen Fehler“.

Fur eine Fehlerabschatzung kann man statt den Gleichungen (28) und (29)auch die einfacheren Formeln ∆f = ∆x + ∆y bzw. ∆f/f = ∆x/x + ∆y/yverwenden.Bevor man mit der Messung beginnt, sollte man sich mit Hilfe der Gleichun-gen (27) bis (30) uberlegen, durch welche Fehler die Genauigkeit der Messunghauptsachlich begrenzt wird. Man kann dann versuchen, die empfindlich in dasResultat eingehenden Fehler klein zu halten.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Praktikumsvorbereitung

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 11 Einfuhrungsversuch

Versuch 11

Einfuhrungsversuch

Abbildung 1: Versuchsaufbau.

I Vorbemerkung

Ziel der Einfuhrungsveranstaltung ist es Sie mit grundlegenden Techniken desExperimentierens und der Auswertung der Messdaten vertraut zu machen. Die-se Grundkenntnisse sind fur eine erfolgreiche Durchfuhrung des Praktikumsnotwendig.Bei diesem Versuch werden Sie Messungen am Federpendel durchfuhren.Zunachst wird die Federkonstante gemessen. Das Ergebnis dieser Messungwird verwendet um in einer zweiten Messung die Erdbeschleunigung zubestimmen. Sie werden in diesem Versuchsteil den statistischen Fehler bei derBestimmung der Schwingungsdauer des Federpendels kennen lernen. Es sollauch gezeigt werden, dass zwei scheinbar identische Methoden zur Bestimmungder Schwingungsdauer unterschiedliche Messgenauigkeiten besitzen. Um ausden Messdaten die Federkonstante und die Erdbeschleunigung zu extrahierenist es notwendig die Ergebnisse graphisch darzustellen. Aus den Diagrammendie erstellt werden, kann man die zu bestimmenden Großen einschließlich desMessfehlers ablesen.

Ziel des Versuches:

Zunachst wird die Federkonstante eines Federpendels gemessen. Danach wirdunter Berucksichtigung dieses Ergebnisses die Erdbeschleunigung ermittelt.

Lernziele:

• Bestimmung des Messfehlers bei einer Zeitmessung.

• Vergleich von zwei unterschiedlichen Messmethoden.

• Graphische Darstellung von Messwerten.

• Ablesen von Messgroßen und -fehlern aus der graphischen Darstellung.

Messmethode:

Die Differentialgleichung fur ein Federpendel lautet:

mx = −Dx (1)

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 11 Einfuhrungsversuch

Wenn man das Federpendel zur Zeit t = 0 um x0 auslenkt und loslasst, solautet die Losung

x(t) = x0 cos(ωt) (2)

mit

ω =

D

m. (3)

Die Periodendauer T ist mit ω uber

ω =2π

T(4)

verknupft. Somit ergibt sich fur die Periodendauer:

T = 2π

m

D(5)

Misst man die Periodendauer T als Funktion der Masse m so kann man hierausdie Federkonstante D bestimmen. Wird das Federpendel mit einer Masse mbelastet, so gilt:

mg = Dx (6)

Da der Wert der Federkonstante D aus der vorhergehenden Messung bereitsbekannt ist, kann man hieraus den Wert der Erdbeschleunigung bestimmen.

Durchfuhrung des Versuchs:

Belasten Sie zunachst das Federpendel mit einer Masse von 200g. Messen Siedann je 10 mal 3 Pendelschwingungen um die Schwingungsdauer des Pendelszu bestimmen. Starten und stoppen sie dabei die Messungen beim Maximal-ausschlag des Pendels. In einer zweiten Messung von 10 mal 3 Pendelschwin-gungen soll die Schwingungsdauer bestimmt werden, indem die Messung beimNulldurchgang des Pendels gestartet und gestoppt wird. Bestimmen Sie furbeide Messreihen die mittlere Schwingungsdauer und den mittleren Fehler desMittelwertes1. Verwenden Sie fur die folgenden Messungen die genauere der bei-den Methoden. Messen Sie nun die Schwingungsdauer als Funktion der Masse.

1Fur eine Messreihe mit n Messungen x1, x2, ..., xn und dem Mittelwert x ist der mittlere

Fehler der Einzelmessung (auch Standardabweichung) durch σx =

n

i=1(xi−x)2

n−1definiert.

Der mittlere Fehler des Mittelwertes ist durch σx = σx√

n=

n

i=1(xi−x)2

n(n−1)gegeben.

Beschweren Sie hierzu das Federpendel mit Massen zwischen 50 g und 250 gin Schritten von 50 g. Fur jede Masse werden dreimal drei Pendelschwingun-gen ausgemessen. Diese Messreihe wird dazu benutzt die Federkonstante desPendels zu bestimmen.

Fur die Messung der Erdbeschleunigung wird die Auslenkung des Feder-pendels als Funktion der Masse bestimmt. Das Federpendel wird hierzumit den Massen 0g, 50g, 100g, 150g, 200g und 250g beschwert und die Aus-lenkung wird abgelesen. Notieren Sie die Ablesegenauigkeit fur die Auslenkung!

Hinweise zur Auswertung:

Tragen Sie zunachst die Ergebnisse der Vergleichsmessungen der Schwingungs-dauer in ein Histogramm ein. Die Abbildung zeigt beispielhaft ein Histogrammfur eine Messreihe. Berechnen Sie fur beide Methoden den Mittelwert und denmittleren Fehler des Mittelwertes. Welche Methode ist genauer? Was ist derGrund?

10,0 10,1 10,2 10,3 10,4 10,5 10,60

1

2

3

4

5

6

7

8

SM(T)

Mittelwert T

Binbreite:0,05s

Anza

hld

erE

inträge

T[s]

Mittelwert T

sT

Abbildung 2: Histogramm der Messreihe.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 11 Einfuhrungsversuch

Messung T [s] T [s] σT [s] σT [s]

1 10,11

10,285 0,094 0,03

2 10,23

3 10,34

4 10,28

5 10,26

6 10,24

7 10,28

8 10,46

9 10,27

10 10,38

Um die Federkonstante aus der Messung der Schwingungsdauer als Funktionder Masse zu bestimmen wird eine graphische Methode verwendet. Hierzu wirdGleichung (5) geschrieben als

T 2 =4π2

D· m (7)

Dies lasst sich als Geradengleichung

y = ax + b (8)

interpretieren wenn man

x = m

y = T 2

a = 4π2

D

b = 0

(9)

setzt. Daher wird im Diagramm das Quadrat der gemessenen Schwingungsdau-er T gegen die Masse m aufgetragen. Der Wert von T 2 und von m sind fehler-behaftet und es mussen Fehlerbalken in das Diagramm eingezeichnet werden.Der Fehler wird nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz aus den mittleren Fehlernder Mittelwerte der Schwingungsdauern bestimmt. Der statistische Fehler derMasse eines Gewichtstucks liegt bei 5%. Als nachstes wird die Steigung aus

dem Diagramm bestimmt in dem eine Gerade so in das Diagramm gelegt wird,dass die Gerade die Messwerte moglichst gut beschreibt. Die Steigung dieserGeraden kann nun aus dem Diagramm nach

a =∆T 2

∆m(10)

abgelesen werden. Um den Fehler von a zu erhalten werden in das Diagrammzusatzlich Fehlergeraden eingezeichnet. Die Fehlergeraden werden so gelegt,dass sie noch gerade die Messungen unter Berucksichtigung des Messfehlersbeschreiben konnten. Die Differenz der Steigungen der optimierten Geradenund der Fehlergeraden wird als Fehler der Steigung σa verwendet. Nach Glei-chung (9) kann nun die Federkonstante und mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungs-gesetz der Messfehler der Federkonstanten berechnet werden.

Nach Gleichung (7) sollte man erwarten, dass die Gerade durch den Koordina-tenursprung geht. Dies ist aber nicht der Fall. Uberlegen Sie sich die Ursachehierfur. Aus dem selben Grund ist es ubrigens auch nicht moglich die Feder-konstante fur einzelne Messungen direkt aus Gleichung (5) zu bestimmen. Diegraphische Bestimmung der Federkonstante ist in diesem Fall unerlasslich! Umdie Erdbeschleunigung zu bestimmen wird nun in einem zweiten Diagramm dieAuslenkung des Federpendels gegen die Masse aufgetragen. Aus der Steigungder Geraden kann die Erdbeschleunigung bestimmt werden, da Gleichung (6)wieder als Geradengleichung der Form

x =g

Dm (11)

dargestellt werden kann. Die Steigung

a =∆x

∆m(12)

und ihr experimenteller Fehler konnen nun nach dem oben beschriebenen Ver-fahren aus dem Diagramm abgelesen werden. Die Erdbeschleunigung wird nach

g = D · a (13)

berechnet. Um den Fehler der Erdbeschleunigung zu bestimmen muss die Feh-lerfortpflanzung angewendet werden, da sowohl der Wert von D als auch derWert von a fehlerbehaftet sind.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 11 Einfuhrungsversuch

II Messprotokoll

Vergleich der Methoden zur Bestimmung der Schwingungsdauer:

Nr.Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σ

T[s]

1 3

2 3

3 3

4 3

5 3

6 3

7 3

8 3

9 3

10 3

Messung der Schwingungsdauer. Start/Stop bei Maximalauslenkung.

Nr.Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σ

T[s]

1 3

2 3

3 3

4 3

5 3

6 3

7 3

8 3

9 3

10 3

Messung der Schwingungsdauer. Start/Stop bei Nulldurchgang

Ablesegenauigkeit der Stoppuhr: ...................

Messung der Federkonstante:

m

[g]Nr.

Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σ

T[s]

50

1 3

2 3

3 3

100

1 3

2 3

3 3

150

1 3

2 3

3 3

200

1 3

2 3

3 3

250

1 3

2 3

3 3

Messung der Schwingungsdauer als Funktion der Masse. Start/Stop bei

..............................

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Messung der Erdbeschleunigung:

∆m [g] Auslenkung x [mm] Ablesefehler ∆x [mm]

Messung der Auslenkung als Funktion der Masse

III Beispiele fur die Darstellung von Messer-

gebnissen

Abschließend werden noch ein paar Beispiele dafur gegeben, wie Messdatengraphisch dargestellt werden sollen. Es werden auch einige Beispiele fur typischeFehlerquellen beim Zeichnen von Diagrammen gezeigt.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

x[m

m]

m[g]

Abbildung 3: Richtige Darstellung von Messwerten.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 11 Einfuhrungsversuch

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

Abbildung 4: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Achsenbeschriftun-gen fehlen.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

x[m

m]

m[g]

Abbildung 5: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Fehlerbalken fehlen.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 11 Einfuhrungsversuch

0 20 40 60 80 100

0

5

10

15

20

25

x[m

m]

m[g]

Abbildung 6: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Messpunkte sinddurch eine (unphysikalische) Zick-Zack-Linie verbunden.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

Fehler-gerade

Ausgleichs-gerade

Dx=

21,5

mm

Dm=78g

Dx=

20m

m

Dm=80g

x[m

m]

m[g]

Abbildung 7: Richtiges Anpassung einer Ausgleichsgerade und Ermittlung derGeradensteigung.

Die Steigung der Ausgleichsgeraden ergibt sich zu

aAusgleich =∆x

∆m=

20mm

80g= 0, 25

mm

g

die der Fehlergeraden zu

aFehler =∆x

∆m=

21, 5mm

78g= 0, 276

mm

g

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 41 Temperaturmessung

Versuch 41

Temperaturmessung

Cu-Block mitPeltier-Element

Gasthermometer

PtRh-Thermoelement

Netzteil für dasPeltier-Element

Thermoelement

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Temperaturmessung.

I Messaufbau

• 1 mV-Meter

• Eiswurfel

• Thermometer -20◦C bis +100◦C

• Thermoelement fur mittlere Temperaturen

• kleines Dewargefaß fur Eis

• Gasthermometer

• Aluminium-Topf fur Temperaturbad

• Peltierelement mit Spannungsversorgung

• Glyzerin oder Glykol als Mittel zum Warmekontakt des Thermometers

• Thermoelement fur hohe Temperaturen (PtRh) mit Eichtabelle

• Butangas-Bunsenbrenner

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Temperatur, absoluter Nullpunkt, Gasgesetze, Zustandsanderungen des idea-len Gases, reale Gase, van der Waals- Gleichung, Thermoelement, Peltiereffekt.

Verstandnisfragen:

1. Was fur Thermometer gibt es? Auf welchen physikalischen Prinzipien be-ruhen sie? Welche Vor- oder Nachteile bei der Anwendung ergeben sichdaraus?

2. Wie funktioniert ein Gasthermometer? Warum ist dieses Thermometer fureine absolute Temperaturmessung gut geeignet? Kann man ein beliebigesGas nehmen? Bis zu welchen Temperaturen halten Sie ein Gasthermometerfur geeignet- welches Gas wurden Sie also nehmen?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 41 Temperaturmessung

3. Als Temperaturfixpunkte werden die Temperatur des kochenden Wassersund die Schmelztemperatur des Eises (Eis-Wassermischung) genommen,die relativ leicht realisiert werden konnen. Von welchen außeren Parame-tern hangen diese Fixpunkte ab?

4. Welche prinzipielle Moglichkeit zur Festlegung der Temperatur, un-abhangig von einer Arbeitssubstanz, gibt es?

5. Wie funktioniert ein Thermoelement?

6. Was versteht man unter dem Peltiereffekt? Wie erklart man ihn?

IV Aufgaben

• Mit Hilfe des Gasthermometers wird im Bereich zwischen 0◦C und demSiedepunkt des Wassers ein Thermoelement geeicht und die Eichung desThermometers kontrolliert.

• Das Thermoelement wird im Bereich von ca. -15◦C bis +5◦C gegen dasAlkoholthermometer geeicht.

• Als typische Anwendung eines Thermoelementes wird mit demPtRh-Element die Temperaturverteilung einer Bunsenbrennerflamme ge-messen.

V Grundlagen

Bei diesem Versuch werden Sie verschiedene Methoden der Temperaturmessunguntersuchen. Das Funktionsprinzip eines Gasthermometers lasst sich mit Hilfeder Idealen Gasgleichung beschreiben:

pV = NkT, (1)

wobei p den Druck, V das Volumen, T die absolute Temperatur, N die Teil-chenzahl und k die Boltzmann- Konstante darstellen.Befindet sich ein Gas in einem abgeschlossenen Behalter, so kann bei konstantgehaltenem Volumen die Temperatur des Gases durch eine Druckmessung be-stimmt werden (Gesetz von Amontons):

T ∝ p fur V = konstant. (2)

Luftdruck

Luft

Quecksilber-Manometer

hMessmarke

beweglicherSchenkel

Schlauch

Abbildung 2: Aufbau eines Gasthermometers.

Den Aufbau des im Praktikum eingesetzten Gasthermometers (Jolly’sches Luft-thermometer1) ist in Abbildung 2 skizziert. Ein mit Luft gefullter Glasballonist uber eine Kapillare mit einem Quecksilbermanometer verbunden. Im linkenSchenkel des Manometers ist zusatzlich eine Messmarke angebracht, die dazudient, das Volumen auf einen konstanten Wert einzustellen. Der rechte Schenkelist in vertikaler Richtung verschiebbar. Durch Anheben bzw. Absenken kann soder Quecksilberspiegel im linken Schenkel auf die Messmarke justiert werden.Nach der Einstellung des Volumens, kann der Druck der Luft in der Glaskugelaus der Hohendifferenz der beiden Quecksilbersaulen gemessen werden.

Die Genauigkeit, mit der die Lufttemperatur gemessen werden kann, hangtvon der Konstanz des Volumens ab. Dabei sollten Sie zwei systematische Feh-ler berucksichtigen. Zum einen dehnt sich der Glasballon bei Erwarmung aus,wodurch sich das Luftvolumen andert. Dieser Fehler kann aber aufgrund desviel großeren Ausdehnungskoeffizienten von Luft gegenuber dem von Glas ver-nachlassigt werden. Zum anderen bleibt die in der Kapillare zwischen Glas-

1benannt nach Philipp von Jolly, 1846 Professor fur Physik in Heidelberg.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 41 Temperaturmessung

kugel und Manometer eingeschlossene Luft annahernd auf Zimmertemperatur.Temperaturanderungen im Glasballon bewirken daher, dass dieses

”schadliche

Volumen“ komprimiert bzw. expandiert wird, wodurch sich ebenfalls das Luft-volumen andert. Wir werden an spaterer Stelle noch auf diesen systematischenFehler eingehen.

T2T1

Uth

T1

T2

a) b)

Kontaktstelle

I th

Uth

Abbildung 3: Funktionsprinzip eines Thermoelements.

Eine weitere Methode die Temperatur zu bestimmen, sind Messungen miteinem Thermoelement. Die Wirkungsweise beruht auf dem Seebeck- Effekt:Bringt man zwei unterschiedliche Metalle zueinander in Kontakt, so baut sichan der Kontaktstelle eine elektrische Spannung auf, deren Betrag von der Artdes Metalls und der Temperatur abhangt (Abbildung 3 links). Aus dem Me-tall mit der geringeren Austrittsarbeit fließen Elektronen in das Metall mit dergroßeren Austrittsarbeit. Es entsteht eine Thermospannung Uth. Bei geschlosse-nem Stromkreis fließt ein Thermostrom Ith; die dafur

”benotigte Energie“ wird

der Warmequelle entnommen.Betragt die Temperatur an der Kontaktstelle T1 und an den beiden Enden derMetalle T2, so folgt fur die Thermospannung:

Uth = K(T1 − T2), (3)

wobei K eine Konstante darstellt, die von beiden Metallen abhangt.Temperaturmessungen mit einem Thermoelement sind stets relative Mes-sungen. Soll die Temperatur T1 absolut bestimmt werden, so muss die

Vergleichstemperatur T2 bekannt sein. Fur einfache Messungen geringerGenauigkeit begnugt man sich mit der ungefahr konstanten RaumtemperaturT2 als Vergleichstemperatur (Bei Messungen von sehr hohen Temperaturenist auch diese Methode sehr genau). Fur prazise Messungen der absolutenTemperatur wird aber eine konstante Vergleichstemperatur benotigt. Dazuverwendet man ein Thermoelement mit zwei Kontaktstellen (Abbildung 3rechts), wobei ein Kontakt auf eine definierte Vergleichstemperatur T2 einge-stellt wird. Im Praktikumsversuch wird dies durch ein Eis-Wasser-Gemischrealisiert. Die Vergleichstemperatur entspricht somit 0◦C.

Frage:Wird ein Voltmeter in eine der beiden Metallleitungen eingebaut, so falltauch direkt an den Anschlussklemmen des Voltmeters eine Thermospannungab, sofern die Anschlusse aus einem anderen Metall gefertigt sind als dieMetallleitung des Thermoelements. Wieso hat diese Ubergangsspannungkeinen Einfluss auf die Temperaturmessung?

VI Durchfuhrung des Versuchs

Damit der Kupferblock bereits wahrend der Durchfuhrung der ersten Aufgabeheruntergekuhlt wird, schalten Sie zu Beginn des Versuchs das Netzgeratfur das Peltierelement ein und stulpen Sie die Warmeisolationsbox uber denKupferblock. So kann die zweite Aufgabe direkt in Anschluss an die erstedurchgefuhrt werden. Die erforderliche Wasserkuhlung wird zuvor zentral vomTechniker eingeschaltet. (Wenn das Kuhlwasser nicht fließt, ist die Stromzufuhrzu den Netzgeraten unterbrochen). Fur die Auswertung ist es wichtig, denWiderstand der Thermoelemente und den Innenwiderstand des mV-Meters zunotieren. Da die Siedetemperatur von Wasser vom Druck abhangt, mussenSie zusatzlich den außeren Luftdruck messen. Das Barometer befindet sich imTreppenhaus.

Hinweis fur das Arbeiten mit Flussigkeitsthermometern:

Die Justierung der Skalen von Flussigkeitsthermometern wird beim Her-steller in Abhangigkeit von der Eintauchtiefe vorgenommen. Die Eintauchtiefeist auf der Ruckseite vermerkt, oder durch einen umlaufenden Ring kenntlichgemacht. Fehlt eine Kennzeichnung, dann muss das Thermometer bis zurAblesestelle eingetaucht sein. Das Thermometer darf den Gefaßboden nicht

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beruhren. Alkoholthermometer sollen nicht flach hingelegt werden, da sonstTeile der Fullung in die obere Erweiterung der Kapillare gelangen, wodurchdie Anzeige falsch wird.

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau

2. Messungen mit dem Gasthermometer und dem Thermoele-ment fur mittlere Temperaturen

Zu Beginn des Versuches soll das rechte, gerade Rohr des Gasthermo-meters am unteren Anschlag sein. Stellen Sie den leeren Aluminiumtopf auf dienach unten gesenkte Kochplatte. Heben Sie anschließend die Kochplatte wiederan und tauchen Sie die Glaskugel des Gasthermometers so weit in den Topf,dass der Hg-Meniskus ca. 3 cm unterhalb der im Rohr befindlichen Messmarke(Glasspitze) steht. Platzieren Sie zusatzlich das zu eichende Thermometer undein Ende des Thermoelementes in den Topf. Das andere Ende des Thermo-elementes muss in das kleine Dewargefaß eingetaucht werden. Verwenden Siedazu die Halterung am Stativ. Fullen Sie nun den Topf und das Dewargefaßmit zerkleinerten Eiswurfeln und gießen Sie mit Wasser auf. Das Wasser solltevorher in dem Plastikkrug mit Eis vorgekuhlt werden. Die Glaskugel mussvollig mit Wasser bedeckt sein! Gegebenenfalls mussen Sie den Kocher vor-sichtig anheben. Vorsicht Glasbruchgefahr! Bei 0◦C muss die Glasspitzegerade den Hg-Meniskus beruhren. Die Temperatur des schmelzenden Eisesin Wasser als Fixpunkt und Nullpunkt der Temperaturskala muss moglichstgut erreicht werden. Sie mussen dazu das Minimum der Temperaturanzeigedes Alkoholthermometers abwarten. Beginnend mit diesem Null-Grad-Punktwird in Schritten von ca. 10◦C die Anzeige des Alkoholthermometers, dieThermospannung und der Druck im Gasthermometer notiert. Zur Ablesungdes Druckes (in mm Hg-Saule) wird das rechte Rohr jeweils so weit gehoben,dass die Spitze im linken Rohr gerade den Hg-Spiegel beruhrt. Somit istsichergestellt, dass stets bei gleichem Volumen gemessen wird. Notieren Sie dieLage der Spitze.

Schalten Sie die Heizplatte kurz vor dem Erreichen der gewunschten Tempe-ratur aus und ruhren Sie das Wasser gut um, damit sich eine gleichmaßigeTemperaturverteilung einstellen kann. Versuchen Sie nicht durch wiederholtesEin- und Ausschalten der Heizplatte, genau die Werte 10◦C, 20◦C, ...

”anzu-

fahren“ . Welcher Wert sich letztlich einstellt, ob 10◦C oder eben 11,5◦C, ist

vollig unerheblich. Ruhren Sie auch das Wasser im Dewargefaß gelegentlichum und fullen Sie bei Bedarf zusatzlich Eis nach.

Vorsicht: Nach Ende des Versuchs den beweglichen rech-ten Arm wieder senken, sonst schwappt beim AbkuhlenQuecksilber in die Glaskugel.

3. Messung mit dem Thermoelement bei Temperaturen unter 0◦C

Temperaturen unter 0◦C werden mit dem Peltierelement erzeugt. Begin-nend bei ca. -15◦C sind in Schritten von 3◦C die Temperaturanzeige amThermometer und die Thermospannung zu notieren. Das eine Ende desThermoelements, und zwar das gleiche wie bei Aufgabe 2, ist im Eiswasser(Dewargefaß) und das andere im Cu- Block zu platzieren. Achten Sie darauf,dass der Cu- Block gut mit Glycerin gefullt ist. (Der Warmekontakt istwichtig, sonst messen Thermometer und Thermoelement etwas Verschiedenes.)

4. Messung von sehr hohen Temperaturen mit dem PtRh-Thermo-element

Messen Sie die Temperaturverteilung in der Flamme mit dem PtRh-Thermoelement bei starker Luftzufuhr und bei schwacher Luftzufuhr. DasPtRh-Thermoelement besteht aus zwei Platindrahten, die aber unterschied-lich stark mit Rhodium legiert sind. Beachten sie den unterschiedlichenAufbau des PtRh-Thermoelementes (nur eine

”Lotstelle“) gegenuber dem

Kupfer-Konstantan-Element mit zwei”Lotstellen“. Wie groß ist die Vergleichs-

temperatur? Zeichnen Sie die ungefahre Gestalt der Flamme und tragen siefur verschiedene Stellen die Thermospannung ein (funf Messungen bei starkerund schwacher Luftzufuhr). Drehen Sie nach Versuchsende das Gas ab undschutten Sie das Wasser und das Eis aus.

VII Auswertung

zu 2: Wegen des endlichen Innenwiderstands des mV-Meters zeigt dieses nichtdie volle Thermospannung an, sondern nur den Bruchteil RM/(RT + RM ),wobei RM der Innenwiderstand des Messinstruments, RT der Widerstand desThermoelementes ist. Uberlegen sie sich die Herleitung dieser Formel und kor-

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rigieren Sie Ihre Messwerte dementsprechend (siehe auch Versuch 23).Die exakte Formel zur Berechnung der Temperatur aus dem im Gasthermome-ter gemessenen Druck lautet:

T =[h(T ) + b]f(T ) − [h(0) + b]f(0)

α[h(0) + b]f(0). (4)

Hier beschreibt α den Spannungskoeffizienten (bei Verwendung des Luftther-mometers ist ein vom Spannungskoeffizienten des idealen Gases abweichenderSpannungskoeffizient zu benutzen (Luft = 0,003674◦C−1)), T die Temperaturin ◦C, h(0) die Hohen-Differenz der Hg-Saulen bei 0◦C (Hohe des Hg-Spiegelsrechts abzuglich der Hohe der Glasspitze links. Die Differenz kann auch nega-tiv werden!), h(T ) ist die Hohen-Differenz der Hg-Saulen bei T , b der Luft-druck (Lange der Hg-Saule im Barometer in mm/Hg bzw. Torr) und f(T ) istein Korrekturfaktor, der den Einfluss des sogenannten schadlichen Volumensberucksichtigt. Da ein kleiner Teil des Volumens nicht in das Temperaturbadeintaucht, sind alle gemessenen Drucke mit dem Faktor

f(T ) = 1 +v

V + v

T − Tz

TZ + 273, 15. (5)

zu multiplizieren. TZ steht hier fur die Zimmertemperatur in ◦C. Der Ausdruckv/(v + V ) beschreibt das relative

”schadliche Volumen“. Hierfur konnen Sie

einen Wert von 0,008 annehmen.Zur einfacheren Auswertung benutzen Sie zunachst die Formel

Tgas =h(T ) − h(0)

α [h(0) + b], (6)

die aus dem idealen Gasgesetz, unter der Voraussetzung das das Volumen kon-stant ist, folgt. (Diese Gleichung entspricht bis auf dem Korrekturfaktor Glei-chung (4)). Bestimmen Sie mit Gleichung (6) eine vorlaufige Eichkurve desThermometers. Uberprufen Sie die Große des Korrekturfaktors f(T ) fur diebeiden Grenztemperaturen T=0◦C und 100◦C und entscheiden Sie selbst, obdie Korrektur zu berucksichtigen sinnvoll ist.Es sind die Eichkurven des Alkoholthermometers und des Thermoelementsgegen das Gasthermometer (mit Fehlerbalken) zu zeichnen. Die Siedetempe-ratur des Wassers bei dem gemessenen Luftdruck ist bekannt (aushangendeTabellen). Vergleichen Sie mit dem Ergebnis des Gasthermometers.

zu 3: Fortsetzung der Eichkurve: Tragen Sie die Thermospannung gegen dieTemperatur des Gasthermometers bis hinab zu ca. -15◦C auf. Dazu verlangert,d.h. extrapoliert man die Eichkurve Gasthermometer-Alkoholthermometer line-ar zu negativen Temperaturen und entnimmt daraus die Temperaturwerte, diedas Gasthermometer bei den gemessenen Alkoholthermometer-Temperaturenanzeigen wurde.

zu 4: Skizzieren Sie die Flammengestalt und tragen Sie die Temperatu-ren fur schwache und fur starke Luftzufuhr ein. Die zu den Thermospannungengehorigen Temperaturen sind der ausgelegten Eichtabelle zu entnehmen.Auch hier mussen Sie wieder Korrekturen bezuglich des Innenwiderstandsvon Thermoelement und mV-Meter anbringen. Eine Fehlerrechnung ist hiernaturlich nicht notig.

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Versuch 42

Spezifische Warmekapazitat fester

Korper

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs spezifische Warmekapazitat fester Korper.

I Messaufbau

• Kalorimeter

• Elektrischer Kocher

• Stativ mit Drahthaken

• 3 große Versuchskorper (Graphit, Aluminium, Blei)

• Thermometer

• elektronische Waage

• Stoppuhr

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themenvor: Spezifische Warmekapazitat, Mischungskalorimeter, Dulong-Petit’schesGesetz, Grundbegriffe der kinetischen Warmetheorie (Aquipartitionsprinzip,Freiheitsgrade). Fur Physiker: Einfrieren von Freiheitsgraden (siehe Gerthsen:Aquipartitionsprinzip).

Verstandnisfragen:

1. Wo konnen Sie im Alltag beobachten, dass Warme eine Energieform ist?Was bedeutet Warme auf atomarer bzw. molekularer Ebene?

2. Was fur Freiheitsgrade gibt es in Gasen bzw. in Festkorpern? Was besagtdas Aquipartitionsprinzip? Was versteht man unter dem

”Einfrieren“ von

Freiheitsgraden? Schildern Sie das Messprinzip eines Mischungskalorime-ters und leiten Sie die entscheidenden Gleichungen her, denen man diespezifische Warme entnehmen kann.

3. Wie hangt die Warmekapazitat mit der Anzahl der Freiheitsgrade zusam-men? Was versteht man genau unter

”Freiheitsgrad“? Was besagt das

Dulong-Petit-Gesetz? Leiten Sie es her. Gilt es fur alle Festkorper? Wiesieht der Temperaturverlauf der Warmekapazitat qualitativ aus?

IV Aufgabe

• Messung der spezifischen Warmekapazitat mit der Mischungsmethode imTemperaturbereich zwischen 20◦C und 100◦C.

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V Grundlagen

Wird einem Korper die Warmemenge Q zugefuhrt, so erhoht sich, sofern keinPhasenubergang stattfindet, seine Temperatur um ∆T . Die Große

C =Q

∆T(1)

heißt Warmekapazitat des entsprechenden Korpers. Sie gibt an, welche Warme-menge einem Korper zugefuhrt werden muss um seine Temperatur um 1◦C zuerhohen. Die Warmekapazitat hangt von der Masse bzw. der Stoffmenge desKorpers ab. Daher unterscheidet man noch die spezifische Warmekapazitatoder einfach spezifische Warme

c =Q

m∆T(2)

und die molare Warmekapazitat (Molwarme)

cmol =M

m

Q

∆T, (3)

wobei m die Masse des Korpers und M die molare Masse beschreiben.

Prinzip der Messung:Das Verfahren der Mischungsmethode im Wasserkalorimeter beruht darauf,dass sich verschieden warme Korper bei Beruhrung durch Austausch vonWarmemengen in ihrer Temperatur ausgleichen. Ein Probekorper mit derTemperatur T1 wird in einem Kalorimetergefaß in ein Wasserbad der Tempe-ratur T2 gebracht. Es stellt sich eine Mischungstemperatur T ein. Nach demEnergiesatz gilt dann fur den Fall T1 > T2: Die vom Probekorper abgegebeneWarme

Q = mxcx(T1 − T ) (4)

ist gleich der vom Wasser und dem Kalorimeter aufgenommenen Warmemenge

Q = (mW cW + W )(T − T2) (5)

Die Große W stellt die Warmekapazitat des Kalorimeters dar, die auch alsWasserwert bezeichnet wird. Der Index w bezieht sich auf Wasser, x auf denProbekorper. Daraus ergibt sich die gesuchte spezifische Warmekapazitat cx zu

cx =(mW cW + W )(T − T2)

mx(T1 − T ). (6)

Die Warmekapazitat von Wasser betragt im Temperaturbereich von 15◦C bisungefahr 65◦C, cw =(4,186±0,004) J/(gK).

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Bestimmung des Wasserwertes:Bestimmen Sie zunachst die Masse des unbefullten Kalorimeters (Tem-peraturfuhler herausnehmen). Uberzeugen Sie sich vor dem Wiegen, dassdas Kalorimeter sowohl innen als auch außen vollig trocken ist. Andernfallstrocken Sie es mit einem Tuch gut ab.

Messen Sie mit dem Digitalthermometer die Zimmertemperatur. Diese ent-spricht der Anfangstemperatur T2 des Kalorimeters.

In einem Kocher wird Wasser auf T ≈50◦C erhitzt. Der Kocher wird abge-schaltet und gewartet bis die Temperatur sich unter standigem Umruhrennicht mehr andert. Notieren Sie diese Temperatur als AnfangstemperaturT1. Starten Sie anschließend die Uhr und befullen Sie das Kalorimeter zurHalfte mit dem heißen Wasser. Die Temperatur des Wassers im Kalorime-ter wird funf Minuten lang alle 30 Sekunden gemessen, bis sich ein linearerAbfall ergibt (siehe Abbildung 2). Um den Temperaturausgleich im Ka-lorimeter zu beschleunigen, sollte der Ruhrer standig bewegt werden. DerBugel darf allerdings nicht soweit angehoben werden, daß dadurch Wasserauf die Styroporisolierung des Deckels gelangt.

Messen Sie abschließend das Gewicht des befullten Kalorimeters. Hierauskonnen Sie die Masse des Wassers berechnen.

Der Temperaturausgleich im Kalorimetergefaß erfolgt so schnell, dass ermit dem Thermometer nicht verfolgt werden kann. Der Warmeverlust andie Außenluft wahrend des Temperaturausgleichs ist vernachlassigbar. DieMischungstemperatur T zum Zeitpunkt t0 des Einfullens wird durch Ex-trapolation des gemessenen Temperaturverlaufs bestimmt. Der Wasserwertkann aus der Bilanz der Warmemengen bestimmt werden:

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Tem

per

atu

r

Zeit

T1

-

0

T

t

Abbildung 2: Zur Bestimmung des Wasserwertes.

W = mW cW

T1 − T

T − T2

fur T1 > T2. (7)

3. Zur Messung der spezifischen Warmekapazitat wird das Kalorimeter zurHalfte mit frischem Leitungswasser gefullt und erneut gewogen. Es werdendie großen Probekorper benutzt, deren Masse zunachst zu bestimmen sind.

Fullen Sie den Kocher zur Halfte mit Wasser und hangen Sie einen Pro-bekorper mit Hilfe des Stativs in das siedende Wasser. Der Korper darfnicht den Boden des Kochers beruhren, da er sich sonst uber 100◦C auf-heizen wurde. Der Probekorper sollte mindestens 5 Minuten langim kochendem (sprudelndem) Wasser verbleiben.

Die Temperatur T1 des kochenden Wassers lasst sich aus dem Luftdruck pgemaß

T1 = 100◦C + 0, 0276◦C/hPa (p − 1013 hPa) (8)

bestimmen, wobei p den Luftdruck in hPa beschreibt. Messen Sie dazu denLuftdruck.

Schon vor dem Einbringen des ersten Korpers ist die Temperatur des Was-sers im Kalorimeter fur einige Minuten jede Minute zu messen. Umruhrennicht vergessen. Wenn der Probekorper mit Sicherheit die Temperatur deskochenden Wassers angenommen hat, wird er aus dem Wasserbad entfernt,kurz abgetropft und so schnell wie moglich zentrisch auf den Boden das

Kalorimeter gestellt. Kalorimeter sofort verschließen, mit dem Ruhren be-ginnen und alle 10 Sekunden die Temperatur notieren. Messen Sie solangedie Temperatur bis ein Temperaturmaximum erreicht wird, d.h. die Tem-peratur im Kalorimeter wieder zu fallen beginnt. Die MischungstemperaturT entspricht dann dem gemessenen Temperaturmaximum.

Die Messungen mit den verschiedenen Probekorpern konnen hintereinan-der im selben Wasserbad durchgefuhrt werden. Bestimmen Sie jedoch vorjeder Messung erneut durch Wagung des Kalorimeters, die Masse des Was-sers.

VII Anhang

Rel. Atommasse von Blei MPB = 207, 2 g/mol

Rel. Atommasse von Aluminium MAl = 26, 98 g/mol

Rel. Atommasse von Graphit MC = 12, 01 g/mol

Literaturwerte:

Spez. Warme von Blei (300 K) cPB = 0, 129 J/(gK)

Spez. Warme von Aluminium (300 K) cAl = 0, 90 J/(gK)

Spez. Warme von Graphit (300 K) cC = 0, 709 J/(gK)

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Versuch 26

Schallgeschwindigkeit

Stethoskop

Quincke'schesRohr

Stimmgabel

Handrad zumHeben und Senkendes Wasserpegels Wasserspiegel

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Schallgeschwindigkeit Teil I.

Sinusgenerator

Oszilloskop

Kasten mit Schalldämmungund eingebauten Lautsprecherund einem verschiebbarem Mikrofon

Stimmgabel

Taster

Abbildung 2: Aufbau des Versuchs Schallgeschwindigkeit Teil II.

I Messaufbau

Versuchsaufbau I

• Steigrohr mit Stethoskop

• Ausgleichsgefaß fur Wasser

• Gummihammer

• Stimmgabel

• Gasflasche mit Kohlendioxid, Reduzierventil, Drucktastenventil undZufuhrungsschlauchen fur das Gas; Streichholzer zur Kontrolle

Versuchsaufbau II

• Oszillograph HM 512

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• Sinusgenerator mit den Frequenzen 2 kHz, 5 kHz, 10 kHz

• Kasten mit Schalldammung, darin eingebaut: Lautsprecher und ein ver-schiebbares Mikrofon

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Grundlagen uber Wellen (transversale und longitudinale Wellen, stehendeund fortschreitende Wellen, Reflexion von Wellen, Schallausbreitung, Quin-cke’sches Rohr. Desweiteren sind Grundkentnisse in der Bedienung und demFunktionsprinzip eines Oszilloskops notwendig. Informationen diesbezuglichentnehmen Sie der Versuchsbeschreibung: Versuch 25, Oszilloskop, und derangegebenen Literatur.

Verstandnisfragen:

1. Was ist Schall? Beschreiben Sie den physikalischen Charakter einer Schall-welle. Warum kann es in Flussigkeiten und Gasen keine Transversalwellengeben (hochstens an Grenzflachen)? Welchen Frequenzbereich kann derMensch horen? Was ist die Großenordnung der Wellenlangen?

2. Welche Parameter eines Materials bestimmen die Schallgeschwindigkeit?

3. Warum ist die Schallgeschwindigkeit in Flussigkeiten oder Festkorperngroßer als in Gasen?

4. Zur Schallgeschwindigkeit in Gasen: Hat die Ausbreitungsgeschwindig-keit etwas mit der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung der Gasato-me/Gasmolekule zu tun?

5. Was ist eine stehende Welle und wie kann man sie erzeugen?

6. Wie hangen Wellenbauch-Wellenknoten und Druckbauch-Druckknoten zu-sammen? Welche Situation liegt also im Resonanzfall am geschlosse-nen/offenen Ende vor?

7. Eine andere Moglichkeit die Schallgeschwindigkeit zu bestimmen, ist dieMessung der Wellenlange einer fortlaufenden Schallwelle mittels der Pha-senverschiebung zwischen Lautsprecher und Mikrophon. Wieso genugt eshier nicht, allein das Signal des Mikrophons zu beobachten?

8. Wieso kann ich jemanden hinter einem (großen) Baum horen aber nichtsehen? Welche Materialien eignen sich gut fur die Schallabsorption (ver-gleiche Tonstudio)?

IV Aufgabe

• Die Schallgeschwindigkeit in Luft und in Kohlendioxid ist durch Beobach-tung stehender Wellen im Quincke’schen Rohr zu bestimmen.

• Die Anderung der Laufzeit einer Schallwelle zwischen dem Lautspre-cher und dem Mikrofon wird in Abhangigkeit des Abstandes Mikrofon-Lautsprecher gemessen; diese Messung wird nur fur Luft durchgefuhrt.

V Grundlagen

Die Schallgeschwindigkeit in Gasen kann mit Hilfe stehender Wellen gemessenwerden. Dazu benotigt man einen Schallgeber (Stimmgabel) und ein Rohr, andessen Ende sich ein Reflektor (Wasser) befindet (Quincke’sches Rohr). Dievon der Stimmgabel ausgehende Schallwelle trifft auf die Wasseroberflache undwird an dieser reflektiert. Die reflektierte Welle interferiert mit der einfallen-den, so dass es zur Ausbildung einer stehenden Welle kommen kann. Beruck-sichtigt man, dass die schwingende Luftsaule am Ort des Schallgebers einenWellenbauch und am Reflektor einen Wellenknoten aufweist, so gilt im Fallder Resonanz fur den Abstand h der Luftsaule (Abstand zwischen Sender undEmpfanger):

h =2n + 1

4λ, (1)

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Wassersäule

h

Stimmgabel

Abbildung 3: Stehende Welle im Quin-ckeschen Rohr.

wobei fur n ∈ N gilt und λ die Wellenlange bezeichnet.Die Schallgeschwindig-keit c ist mit λ und der Frequenz ν durch c = νλ verknupft. Uberlegen Sie sich,dass nur im Resonanzfall die Tonintensitat einen erheblichen Wert erreicht unddass nicht etwa beim Heben des Wasserspiegels, Maxima und Minima an deroberen Rohroffnung vorbeiwandern. Die Scharfe der Resonanz hangt von derDampfung des Resonators ab (siehe Versuch 13). Durch Variierung der Reso-natorlange h kann so ein ein Lautstarkemaximum eingestellt werden und damitindirekt uber die Wellenlange λ, die Schallgeschwindigkei c bestimmt werden.

Eine weitere Moglichkeit die Schallgeschwindigkeit in Gasen zu bestimmen, istdie Laufzeitmessung einer fortschreitenden Schallwelle. Bei diesem Experimentbefindet sich ein Mikrofon in einem einstellbarem Abstand von einem Lautspre-cher entfernt. Als Signalquelle fur den Lautsprecher wird ein Sinusgeneratorverwendet. Das Signal des Sinusgenerators wird gleichzeitig an den Lautspre-cher und an ein Oszilloskop angeschlossen. Die Signalzufuhr zum Lautsprecherkann durch einen Taster unterbrochen werden. Der Lautsprecher konvertiertdas Signal des Sinusgenerators in eine Schallwelle gleicher Frequenz, die sichmit der zu bestimmenden Schallgeschwindigkeit c ausbreitet. Nach Durchlau-fen einer einstellbaren Strecke h gelangt die Schallwelle zu einem Mikrofon woes in ein proportionales elektrisches Signal umgewandelt wird an den zweitenKanal des Oszilloskops dargestellt wird. Auf dem Oszilloskop werden nun zwei

10 kHz

h

Lautsprecher

Sinusgenerator

Taster

Mikrofon

Abbildung 4: Skizze zum Versuchsaufbau II.

Signale dargestellt. Kanal 1 zeigt das Signal des Sinusgenerators, das direkt denLautsprecher ansteuert, Kanal 2 zeigt das um die Schallgeschwindigkeit zeit-verzogerte Signal des Mikrofons. Um nun die Schallgeschwindigkeit zu bestim-men, misst man die Phasenverschiebung der Signale. Das vom Sinusgeneratorin das Oszilloskop direkt eingespeiste Signal wird nahezu ohne Zeitverzogerungdargestellt. Dagegen benotigt das Signal, das vom Lautsprecher zum Mikrofonlauft, die Zeit

τ = h/c. (2)

Hieraus kann durch Messung der Laufzeit der Schallwelle zwischen Lautspre-cher und Mikrofon und durch Messung der Laufstrecke h die Schallgeschwin-digkeit mit Hilfe eines Oszilloskops bestimmt werden.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

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2. Messung der Schallgeschwindigkeit in Luft und CO2 mit demQuincke’schen Rohr

Das Quincke’sche Rohr ist zunachst mit Luft gefullt. Die Stimmgabel wirdangeschlagen und durch Heben und Senken des Wasserspiegels die effektiveLange des Rohres variiert. Bei bestimmten Hohen wird die Resonanzbedingungerfullt. In diesem Fall ist ein deutlicher Ton zu horen (Lautstarkemaxima). ZurVermeidung psychologischer Nachwirkungen beim Einstellen blickt derjenige,der die Resonanz aufsucht, nicht auf die Skala; die Ablesung erfolgt durchden Partner. Suchen Sie die Positionen der Lautstarkemaxima auf. JedeEinstellung ist von jedem Partner 5 mal zu wiederholen. Notieren Sie sich dieFrequenz der Stimmgabel.

Messen Sie die Schallgeschwindigkeit in CO2: Drehen Sie den Flussigkeitsspiegelganz nach unten und platzieren Sie den CO2 Einfullschlauch etwas uber derWasseroberflache, so dass das spezifisch schwerere CO2 die Luft aus dem Rohrvon unten nach oben verdrangen kann. Durch Betatigung des Drucktastenventilwird die Rohre mit CO2 befullt. Es ist wichtig, dass die gesamte Rohre nur mitCO2 gefullt ist und kein Luftanteil mehr vorhanden ist. Als Probe kann manein brennendes Streichholz verwenden, das bei vollstandiger Befullung mit CO2

sofort erlischt. Falls Sie wahrend der Messung den Wasserspiegel absenken, somussen Sie die dadurch angesaugte Luft durch erneutes Nachstromenlassen vonGas verdrangen.

Die Bestimmung der Resonanzstellen der schwingenden CO2-Saule erfolgt wiebei der Messung in Luft. Notieren Sie sich zur Umrechnung der gemessenenSchallgeschwindigkeiten auf Normalbedingungen die Raumtemperatur! NachVersuchsende das Hauptventil schließen und den Wasserspiegel wieder ganznach unten absenken!

3. Teil II Bestimmung der Schallgeschwindigkeit durch eineLaufzeitmessung

a) Der Messaufbau befindet sich im Nebenzimmer! Zur Bedienung desOszilloskops: Die Messung wird mit einer Frequenz von 10 kHz durch-gefuhrt. Die vom Frequenzgenerator erzeugte Wechselspannung wird auf denLautsprecher und auf Kanal 1 des Oszilloskops (Trig. Ausg.-Buchse amFrequenzgenerator) gegeben.

Ein Schwingspulenmikrofon empfangt die Schallwelle und wandelt sie in ei-ne Wechselspannung von 10 kHz um, die auf den y-Eingang des Kanal 2 des

Oszilloskops angeschlossen wird.

Abbildung 5: Oszilloskop zur Messung der Phasenverschiebung.

Uberprufen Sie, ob der innere rote Drehknopf des TIME / DIV.-Einstellreglersin der Stellung CAL. steht, d.h der Pfeil nach links zeigt. Nur dann sind dieZeitangaben am Einstellknopf kalibriert (Abbildung 5).Beim Drucken der Tasters sollten auf dem Oszilloskop zwei Sinussignalesichtbar sein. Stellen Sie mit Hilfe des Spannungsbereichsschalters und derAblenkgeschwindigkeit das Bild der Sinusspannung in der gewunschten Großeein und legen Sie einen markanten Signalpunkt (z.B. Nulldurchgang) aufirgendeinen Rasterpunkt des Oszillographenschirmes. Vergroßert man denAbstand zwischen Mikrofon und Lautsprecher, so wandert das Signal auf demOszilloskop nach rechts: die Phase der am Mikrofon einlaufenden Welle ver-schiebt sich gegenuber der Phase der am Kanal 1 anliegenden Sinusspannung.Entspricht die Abstandsanderung gerade einer Wellenlange, so ist das Signalauf dem Schirm entsprechend der um τ = λ/c vergroßerten Laufzeit, um einePeriode verschoben (Phasenverschiebung 360◦). Bestimmen Sie zweimal alleAbstande zwischen Mikrofon und Lautsprecher, bei denen das Oszilloskopbildum jeweils eine Periode weitergewandert ist.

b) Bestimmen Sie aus der eingestellten x-Ablenkgeschwindigkeit durchAblesen der Periodenlange die Frequenz ν des Frequenzgenerators.

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4. Beobachten Sie zum Schluss das Spektrum Ihrer Stimme auf dem Os-zilloskop. Dazu Deckel des Kastens offnen.

5. Falls Sie die Phase genauer messen mochten, lesen Sie die Bemerkungim Anhang.

6. Der Frequenzgenerator liefert auch Sinussignale mit 2 kHz und 5 kHz. Siekonnen sich damit uberzeugen, dass die Schallgeschwindigkeit nicht von derFrequenz abhangt (qualitative Messung).

VII Auswertung

zu 2: Aus den gemessenen Hohen der Luftsaule im Resonanzfall ist die Schallge-schwindigkeit in Luft bzw. Kohlendioxid zu bestimmen; dabei benutzen Sie nurdie Hohendifferenzen. Die Schallgeschwindigkeit in Gasen ist durch die folgendeFormel wiedergegeben:

c =

κRT

M(3)

wobei κ den Adiabatenkoeffizienten (fur Luft κ=1,40, fur CO2 κ = 1, 30), Rdie allgemeine Gaskonstante, T die Temperatur des Gases in Kelvin und M dieMolekulmasse (Luft: M=29 g/mol, CO2: M=44 g/mol) bezeichnen.

Zur Umrechnung der gemessenen Schallgeschwindigkeit auf Normalbedingun-gen benutzen Sie die Gleichung:

c0

c=

T0

T. (4)

Benutzen Sie diese Formel, um die bei Zimmertemperatur gemessenen Werteauf 0◦C umzurechnen. Vergleichen Sie weiterhin das Verhaltnis der gemessenenSchallgeschwindigkeiten cLuft/cCO2

fur die beiden Gase mit dem entsprechen-den Wert den Sie aus Gleichung (3) gewinnen.

zu 3: Berechnen Sie den Mittelwert von λ und dessen Fehler. Fur dieBerechnung der Schallgeschwindigkeit gemaß

c = νλ (5)

verwenden Sie den sehr viel genaueren Wert von 10 kHz, der am NF-Generatorfest eingestellt werden kann. Auch hier wieder c auf Normalbedingungen um-rechnen.

VIII Anhang

Beim Aufsuchen der Abstande an denen die Phase gerade um 360◦ verschobenist, d.h. das Schirmbild wieder gleich aussieht, werden Sie festgestellt haben,dass dies nicht sehr genau durchzufuhren ist. Bei einer Ablenkung von 30 µs/cmist der Abstand zwischen zwei Nulldurchgangen (d.h. 180◦) ca. 17 mm. EinAblesefehler von 1 mm entspricht in diesem Fall einem Phasenfehler von ±10◦.Falls man wie hier die Phase zweier Sinussignal gleicher Frequenz vergleichenwill, gibt es ein empfindlicheres Verfahren: Man gibt das eine Signal auf die Y-Ablenkplatten und das andere anstelle des Sagezahns auf die X-Ablenkplatten.Dazu mussen Sie das Oszilloskop durch Drucken der Taste X - Y in den XY-Modus schalten. Auf dem Schirm entsteht eine sogenannte Lissajous-Figur.Die vertikale und horizontale Große der Ellipse konnen Sie mit den beidenY-Reglern einstellen.Gehen wir zunachst zur Vereinfachung davon aus, dass die beiden Amplitudengleich groß sind, so hat der Leuchtpunkt in jedem Augenblick die Koordinaten

x = a sin(ωt) (6)

y = a sin(ωt + α), (7)

wobei α den Phasenwinkel zwischen den beiden Signalen beschreibt. Die Figurist in einem Quadrat der Seitenlange 2a eingeschlossen (Abbildung 6).

0° 45° 90° 135° 180°

2a

Abbildung 6: Lissajous- Figuren bei unterschiedlichen Phasenwinkeln.

Einige Spezialfalle:α = 0◦, y = x: der Strahl lauft auf einer Diagonalen des Quadrates hin und her.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 26 Schallgeschwindigkeit

α = 180◦, y = −x: der Strahl lauft auf der orthogonal entgegengesetztenDiagonalen.

α = 90◦(−90◦), y = x: der Strahl beschreibt eine rechts- oder linkslaufendeKreisbahn.

Im allgemeinen Fall handelt es sich um in einem Quadrat einbeschriebene El-lipsen, deren Hauptachsen in Richtung der Diagonalen sind. Fur 2a=4 cm undα=10◦ ergibt sich fur die kleine Hauptachse 0,3 cm, d.h. die Ellipse ist ca. 0,5cm breit, was man bequem von einem Strich unterscheiden kann! Ist die X-Amplitude nicht gleich der Y-Amplitude, so muss man an Stelle des Quadratesein Rechteck annehmen.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 212 Zahigkeit von Flussigkeiten

Versuch 212

Zahigkeit von Flussigkeiten

Abbildung 1: Kugelfallviskosimeter und Kapillarviskosimeter.

I Messaufbau

• Messzylinder aus Hartglas mit Messskaler, gefullt mit Polyethylenglykol.

• Kugeln aus”Hostaform C“ mit folgenden Durchmessern: 2r = 3,0 / 4,0 /

5,0 / 6,0 / 8,0 mm (± 1%). Die Dichte der Kugeln ist jeweils angegeben.

• Thermometer

• Pinzetten, Becherglaser

• Maßstab

• Stoppuhren

• Zwei Kapillaren mit unterschiedlichen Durchmessern

• Diagramm mit der Dichte der Flussigkeit als Funktion der Temperatur.

II Literatur

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Demtroder, Experimentalphysik 1, Springer Verlag.

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themenvor: Reale Flussigkeiten, Kohasion, Adhasion, innere Reibung, Zahigkeit(Viskositat), Temperaturabhangigkeit der Zahigkeit, laminare Stromung,Turbulenz, Stokes’sches Gesetz, Gesetz von Hagen-Poiseuille, MariottescheFlasche.

Verstandnisfragen:

1. Welche Krafte wirken auf eine fallende Kugel in einer Flussigkeit und wielautet die Differentialgleichung?

2. Erlautern Sie den Unterschied zwischen laminarer und turbulenterStromung.

3. Welche Kraft wirkt, wenn zwei parallele Platten, zwischen denen sich eineFlussigkeit befindet, gegeneinander verschoben wird?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 212 Zahigkeit von Flussigkeiten

4. Was besagt das Gesetz von Hagen-Poiseuille?

5. Um welchen Faktor muß der Druckabfall verandert werden, damit der Vo-lumenstrom konstant bleibt, wenn der Durchmesser der Kapillare um 30%verringert wird?

IV Aufgaben

1. Bestimmen Sie die Viskositat von Polyethylenglykol nach Stokes mit einemKugelfallviskosimeter.

2. Bestimmen Sie die Zahigkeit von Wasser nach Hagen-Poiseuille.

V Grundlagen

Bewegt sich ein Korper mit konstanter Geschwindigkeit in einem fluidenoder gasformigen Medium, so ist trotz der gleichformigen Bewegung eine Kraftnotwendig, um die Bewegung aufrecht zu erhalten. Dies scheint zunachst wi-derspruchlich zum zweiten Newtonschen Gesetz zu sein, nach dem ein Korperbeschleunigt wird wenn auf ihn eine Kraft wirkt. Allerdings gilt dies nur im Va-kuum. Bei der Bewegung in einem Medium wirken zusatzlich Reibungskrafte,die dazu fuhren, dass bei einer konstanten außeren Kraft, die Nettokraft ver-schwindet und sich der Korper mit konstanter Geschwindigkeit bewegt.Die Reibung wird bei Flussigkeiten durch zwischenmolekulare Krafte verur-sacht. Diese fuhrt dazu, dass bei der Bewegung eines Korpers durch eineFlussigkeit, das Medium teilweise mitbewegt wird. Sie alle haben diesschon beim morgendliche Fruhstuck erlebt. Taucht man einen Loffel in einHonigglas und zieht diesen dann senkrecht nach oben heraus, so bleibt auf-grund der Adhasion eine dunne Honigschicht am Loffel haften. Diese Schichtwechselwirkt mit benachbarten Molekulen, so dass beim Herausziehen ein gan-zer Honigklumpen mitbewegt wird. Die Reibungskrafte lassen sich auch beimUmruhren von Honig oder Marmelade beobachten. Sie mussen eine deutlicheKraft aufwenden um den Loffel im Glas zu bewegen. Beim Umruhren von Kaf-fee ist dieser Effekt kaum wahrzunehmen. Offenbar hangt die Reibungskraftvon der

”Zahigkeit“ der Flussigkeit ab.

Um die Reibungskrafte eines Korpers in einer Flussigkeit zu quantifizieren,betrachten wir die Anordnung nach Abbildung 2. Bei diesem (Gedanken)-Experiment befindet sich zwischen zwei gleich großen Platten, die im Abstand z

F

v

z

Abbildung 2: Gedankenexperi-ment zur Bestimmung der inne-ren Reibung. Die Flussigkeit sollsich schichtweise in Richtung derKraft bewegen.

parallel zueinander ausgerichtet sind, eine Flussigkeit. Die untere Platte ruht.Auf die obere Platte wird eine Kraft ausgeubt, so dass sie sich mit konstanterGeschwindigkeit v bewegt. Da an der oberen Platte aufgrund der Adhasion einFlussigkeitsfilm haftet, bewegt sich dieser mit der Geschwindigkeit der Plattemit. Andererseits betragt die Geschwindigkeit des Flussigkeitsfilms die an derunteren, ruhenden Platte haftet, Null. Aus Stetigkeitsgrunden mussen daher diedazwischen liegenden Flussigkeitsschichten mit unterschiedlichen Geschwindig-keiten aneinander vorbeigleiten. Die oberste Flussigkeitschicht, die sich mit derPlatte mitbewegt, ubt auf die darunter liegende Schicht eine Tangentialkraftaus und beschleunigt diese auf eine Geschwindigkeit v′. So beschleunigt jedeSchicht die darunterliegende und wird gleichzeitig von dieser nach dem Reak-tionsprinzip gebremst.Experimentell zeigt sich, dass die Kraft F , die notwendig ist um die obe-re Platte zu bewegen, proportional zur Flache A und zur Geschwindigkeit vund umgekehrt proportional zum Abstand z ist. Bewegt sich die obere Plattegleichformig, so verschwindet die Nettokraft, d.h. die Reibungskraft Fr ist vomBetrag her gleich groß wie die auf die obere Platte ausgeubte Kraft F . Fur die(Newtonsche) Reibungskraft gilt dann:

Fr = η Av

z. (1)

Fur den allgemeinen Fall druckt man diese Gleichung besser durch den Ge-schwindigkeitsgradienten dv/dz aus:

Fr = η Adv

dz. (2)

Die Proportionalitatskonstante η ist eine flussigkeitsspezifische Große und wird

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als dynamische Viskositat, Zahigkeit oder meist auch nur als Viskositat bezeich-net. Fur die Maßeinheit gilt nach Gleichung (1): [η]=Pa s.1

Das Newtonsche Reibungsgesetz gilt naturlich auch fur andere Korpergeome-trien. Gleiten die einzelnen Flussigkeitschichten aneinader ab ohne sich zu ver-mischen, spricht man von einer Schichtstromung oder von einer laminarenStromung. Bei großen Geschwindigkeiten und bei speziellen Korpergeometri-en, ist dies nicht mehr der Fall. In der Flussigkeit kommt es dann zur Bildungvon Wirbeln, die die Schichten vermischen. Bei diesen turbulenten Stromun-gen ist der Sromungswiderstand viel großer als bei einer laminaren Stromung,so dass das Newtonsche Reibungsgesetz seine Gultigkeit (Abbildung 3) verliert.

Abbildung 3: Bewegung einer Kugel durch eine Flussigkeit. Links: LaminareStromung bei der die Flussigkeit den Korper symmetrisch umfließt. Die einzel-nen Schichten gleiten aneinander ab ohne sich zu vermischen. Rechts: Turbu-lente Stromung bei hohen Geschwindigkeiten. In Folge der Wirbelbildung kommtes zu einer Vermischung der Flussigkeit.

Bestimmung der Viskositat mit einem Kugelfallviskosimeter nachStokes

Bewegt sich eine Kugel mit dem Radius r mit konstanter Geschwindig-keit v durch eine Flussigkeit, so wirkt auf sie die Reibungskraft:

Fr = 6πηrv. (3)

Diese Gleichung wird als das Gesetz von Stokes bezeichnet. Die Herleitungfolgt aus dem Newtonschen Reibungsgesetz (1) und findet sich in den meisten

1In manchen Lehrbuchern findet man auch noch die Einheit Poise: 10 Poise=1 Pa s.

Lehrbuchern der theoretischen Mechanik. Zu beachten ist, dass das Stokes’scheGesetz eine Naherung fur laminare Stromungen mit Re <1 ist und nur furunendlich ausgedehnte Flussigkeiten gultig ist. Wir werden an spaterer Stelledaher noch Korrekturen anbringen mussen.

Fr Fa

FgMessbeginn

Messende

Thermometer

Lt

vsLt

=

Abbildung 4: Bestimmung der Visko-sitat einer Flussigkeit mit einem Kugel-fallviskosimeter. Bewegt sich die Kugelmit konstanter Geschwindigkeit, hebensich alle angreifenden Krafte auf.

Unter Ausnutzung des Stokes’sche Gesetz lasst sich die Viskositat η einerFlussigkeit bestimmen. Beim Kugelfallviskosimeter wird eine Kugel mit demRadius r in die Flussigkeit, dessen Viskositat bestimmt werden soll, fallen gelas-sen. Nach einer Beschleunigungsphase bewegt sich die Kugel mit einer konstan-ten Sinkgeschwindigkeit vs. In diesem Fall verschwinden alle an die Kugel an-greifende Krafte, d.h. Gewichtskraft Fg = ρkVkg, Auftriebskraft Fa = −ρfVkgund Reibungskraft Fr = −6πηρfvs heben sich auf:

Fg + Fa + Fr = 0. (4)

Dabei beziehen sich die mit k indizierten Großen auf die Kugel und die mitf indizierten, auf die Flussigkeit. Einsetzen der einzelnen Krafte und Auflosennach η liefert fur die Viskositat der Flussigkeit:

η =2

9g(ρk − ρf )

vs

r2. (5)

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Durch Messung der Sinkgeschwindigkeit vs kann so die Viskositat bestimmtwerden.

Bestimmung der Viskositat nach Hagen-Poiseuille: LaminareRohrstromung

p1

p2

L

2R

Abbildung 5: Laminare Rohrstromung. Unter dem Einfluss der Druckdifferenzp1 − p2 stromt die Flussigkeit in einem zylindrischen Rohr mit einem para-belformigen Geschwindigkeitsprofil.

Eine andere Methode die Viskositat einer Flussigkeit zu bestimmen, ist die Mes-sung des Volumenstroms einer laminaren Rohrstromung. Betrachten wir dazuein Rohr der Lange L und Radius R (Abbildung 5). Damit eine Stromung uber-haupt moglich ist, muss an den Stirnflachen eine Druckdifferenz ∆p = p1 − p2

vorhanden sein. Im Fall einer laminaren Stromung kann die Bewegung derFlussigkeit wieder als Schichtstromung interpretiert werden, wobei bei einemRohr mit kreisformigen Querschnitt, einzelne Zylindermantel aneinander ab-gleiten. Auf einen koaxialen Teilzylinder in der Flussigkeit mit dem Radiusr < R, wirkt aufgrund der Druckdifferenz eine Kraft

Fp = πr2(p1 − p2). (6)

Andererseits wirkt auch die Newtonsche Reibungskraft

Fr = −2πrLηdv

dr. (7)

Bei einer stationaren Stromung, bei der sich die einzelnen Schichten mitkonstanter Geschwindigkeit bewegen, muss die Nettokraft verschwinden, d.h.Fp = Fr:

−2πrLηdv

dr= πr2(p1 − p2). (8)

Hieraus folgt fur den Geschwindigkeitsgradienten

dv

dr=

p1 − p2

2ηLr. (9)

Integration uber r unter Berucksichtigung der Randbedingung v(R) = 0, liefertfur die Geschwindigkeitsverteilung in der Flussigkeit

v(r) =p1 − p2

4ηL(R2 − r2). (10)

Diese Gleichung stellt ein Rotationsparaboloid dar. Die Flussigkeit besitzt dem-nach das in Abbildung 5 gezeigte parabolische Geschwindigkeitsprofil.Um den Volumenstrom, d.h. die Flussigkeitsmenge, die pro Zeiteinheit durchdie Querschnittsflache des Rohres stromt, zu bestimmen, mussen wir uber diegesamte Querschnittsflache integrieren:

dV

dt=

∫ R

0

2πrv(r)dr =π(p1 − p2)R

4

8ηL. (11)

Beachten Sie die Abhangigkeit von R4. Eine Verdopplung des Rohrradius ver-sechzehnfacht den Volumenstrom!Gleichung (11) wird nach dem deutschen Wasserbau-Ingenieur Gotthilf Hein-rich Ludwig Hagen und nach dem franzosischen Arzt und Physiologen Poiseuil-le, auch als das Gesetz von Hagen-Poiseuille bezeichnet.Sind Lange und Radius des Rohres und die Druckdifferenz bekannt, so kanndurch Messung des Volumenstroms die Viskositat bestimmt werden.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Bestimmung der Viskositat nach Stokes mit einem Kugelfallvis-kosimeter

Bei dem Versuch wird die Fallzeit ∆t der Kugel zwischen zwei im Ab-stand ∆s angebrachten Markierungen gemessen. Die Messungen mit demKugelfallviskosimeter sind entweder mit steigendem oder mit fallendem Ku-gelradius durchzufuhren. Notieren Sie sich die Temperaturen der Flussigkeitenwahrend der Messung mit den kleinsten Kugeln. Legen Sie die Fallstrecke derKugeln fest und notieren Sie diesen Wert. Der Abstand der ersten Messmarkevon der Flussigkeitsoberflache ist so zu wahlen, dass sich die Kugel beim

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Durchlaufen der ersten Messmarke, mit konstanter Geschwindigkeit bewegt.Lassen Sie von jedem Durchmesser 3 Kugeln die Fallstrecke moglichst inder Rohrachse durchfallen. Zur Bestimmung der Fallzeit dienen die zahlreichbeigegebenen Handstoppuhren. Bei den kleinsten Durchmessern empfiehltsich eine Simultanmessung von mehreren Kugeln durchzufuhren. Damit sichdie Messzeiten bei den kleinen Kugeln nicht uber einen zu langen Zeitraumerstrecken, konnen Sie hier eine kurzere Fallstrecke verwenden. Der Innen-durchmesser des Kugelfallgefaßes ist am Viskosimeter angegeben. VergessenSie nicht diesen Wert in Ihr Protokoll aufzunehmen.

Sie mussen bei der Durchfuhrung des Experiments unbedingt darauf achten,dass an den Kugeln keine Luftblaschen haften. Sortieren Sie daher vor demEinbringen der Kugeln in das Fallgefaß, zunachst einige Kugeln des jeweiligenDurchmessers in ein Becherglas und geben Sie etwas Flussigkeit mit hinein.Schwenken Sie das Becherglas vorsichtig um, so dass die Kugeln vollstandigbenetzt sind und keinerlei Luftblaschen mehr daran zu erkennen sind. Mitder Pinzette werden dann die mit der Flussigkeit benetzten Kugeln in dasFallgefaß gegeben.

2. Bestimmung der Viskositat nach Hagen-Poiseuille mit einemKapillarviskosimeter

(Warum?)

innen2R=2O

L

Kapillare

H

StellekonstantenDruckes

Druckrohr

Vorratsgefäß

Meßgefäß

Skala fürVolumen

H

H

2

1

Höhen mitMaßstab messen

Abbildung 6: Aufbau zur Bestimmung der Viskositat nach Hagen-Poiseuille.

a) Das Vorratsgefaß wird aufgefullt und mit dem Gummistopfen abgedichtet.Warten Sie solange, bis aus dem Druckrohr Luftblasen aufsteigen. Im Ver-lauf der Messung soll das Ende des Druckrohres im Vorratsgefaß immerunter Wasser sein (Mariottesche Flasche).

b) Bestimmen Sie vor Beginn der Messung die Temperatur (T) des Wassers.

c) Messen Sie mit dem Maßstab die Großen L, ℓ, H1 und H2 (s. Versuchsauf-bau). (Da fur die Auswertung nur die Druckdifferenz benotigt wird, istes gleichgultig wohin Sie den Fußpunkt der Langenmessungen legen, ermuß auf beiden Seiten gleich gewahlt werden. In der Zeichnung liegt er amunteren Rand der Kapillarenoffnung.)

d) Messen Sie dann die Zeit ∆t, die die Wassersaule im Meßgefaß braucht,um von einer bestimmten Marke zu einer anderen zu steigen. (Die Markengeben die Wassermengen in cm3 und nicht die Hohe in cm an!) Aus derDifferenz der Marken wird das durch die Kapillare gelaufene Flussigkeits-volumen ∆V berechnet (siehe Skizze).

e) In der gleichen unter a), b), c), d) angegebenen Weise verfahren Sie mitder zweiten Kapillare (anderer Durchmesser).

f) Schutten Sie nach Versuchsende das Wasser aus.

VII Auswertung

Zu 1)

a) Nach Gleichung (5) ergibt sich fur die Sinkgeschwindigkeit vs einer Kugelunter dem Einfluss Stokes’scher Reibung bei laminarer Stromung:

vs =2

9g

ρk − ρf

ηr2. (12)

Demnach ist die Fallgeschwindigkeit der Kugeln proportional zu r2. ZurUberprufung dieser Gesetzmaßigkeit tragen Sie die Fallgeschwindigkeituber r2 auf. Die Fallgeschwindigkeit ist aus dem Mittelwert der einzelnenFallzeiten bei dem jeweiligen Kugeldurchmesser zu berechnen.

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b) Ist der Radius der Kugel r nicht klein gegen den Radius des Fallrohres R,tritt die Stromung um die Kugel zusatzlich in Wechselwirkung mit derRohrwand. Dadurch erhoht sich der Reibungswiderstand und somit auchdie Fallzeit.

Dies lasst sich durch die sogenannte Ladenburg’sche Korrektur λ beruck-sichtigen:

λ =(

1 + 2, 4r

R

)

, (13)

Multiplizieren Sie die gemessenen Fallgeschwindigkeit mit λ und tragen Siedie so korrigierten Werte wie bei Aufgabe a) uber r2 auf. Legen Sie durchdie Punkte eine Gerade die durch den Nullpunkt geht und bestimmen Sieaus der Steigung die Viskositat. Schatzen Sie den Fehler ab.

Zu 2)

a) Mit Hilfe der Formel p = · g · h fur den Druck einer Flussigkeitssauleder Hohe h ist zunachst der Druckabfall ∆p uber der Kapillare zu bestim-men. Trotz der abnehmenden Wassersaule ist der Druck auf der linkenSeite (im Vorratsgefaß ) konstant. (In Hohe der Offnung des Druckrohresherrscht stets Luftdruck.) Im Mittel ist die Hohe der rechten Wassersauleh = (H1+H2)/2 und der Druck p2 = g (H1 + H2)/2. Damit ist im Mittel∆p = p1 − p2 = g(ℓ − (H1 + H2)/2).

b) Aus den fur beide Kapillaren gemessenen Großen ist die Zahigkeit vonWasser bei der entsprechenden Wassertemperatur zu bestimmen.

c) Fuhren Sie eine Fehlerrechnung durch.Zur Vereinfachung wird angenommen, dass die Absolutfehler derFlussigkeitshohen außer acht gelassen werden konnen (sowohl fur die∆p−Bestimmung als auch fur die ∆V -Bestimmung). Nehmen Sie fur dieZeitmessung einen absoluten Zeitfehler von 1 Sekunde an und fur den Ka-pillarradius einen absoluten Fehler von 1/20 mm. Wegen der R4 Abhangig-keit von η folgt fur den relativen Fehler:

∆η

η=

(4∆ R

R)2

+ (∆ t

t)2

Berechnen Sie damit ∆ηη

fur die beiden Messungen.

d) Um wieviel weichen die beiden Messungen der Zahigkeit voneinander ab?

VIII Anhang

Viskositat (η)

Stoff Pa · s

Blut (370C) 4.5 · 10−3

Wasser (00C) 1.8 · 10−3

Wasser (200C) 1.0 · 10−3

Wasser (600C) 0.65 · 10−3

Luft 0.018 · 10−3

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat

Grundlagen zu den Versuchen der

Radioaktivitat

I Das Geiger-Muller Zahlrohr

Das Geiger-Muller-Zahlrohr ist ein Nachweisgerat fur ionisierende Strahlung(α−, β−, γ und Rontgenstrahlen). Es besteht aus einem Metallzylinder und ei-nem darin axial verlaufenden Anodendraht (Abbildung 1). Das Rohr ist an bei-den Enden fest verschlossen und mit einem geeigneten Gasgemisch gefullt, bei-spielsweise Argon und Alkoholdampf. Soll mit dem Zahlrohr auch α-Strahlungdetektiert werden, so benotigt man ein sogenanntes Fensterzahlrohr. Bei diesemist eine Stirnseite mit einem nur schwach absorbierenden Fenster (z.B. Glim-mer) versehen, so dass auch α-Teilchen in das Zahlrohr eindringen konnen.Zwischen dem Anodendraht und dem Metallzylinder liegt eine Spannung voneinigen 100 bis 1000 Volt, die je nach Gasfullung und Abmessungen des Zahl-rohrs eingestellt werden muss.Das Grundprinzip eines Zahlrohres beruht auf der Ionisation des Fullgasesdurch ionisierende Strahlung. Gelangt ein schnelles, elektrisch geladenes Teil-chen, z.B. ein β-Teilchen, in das Zahlrohr, so entstehen durch Ionisation desZahlgases langs der Bahn des Teilchens freie Elektronen und positiv geladeneIonen. Die Elektronen werden aufgrund des elektrischen Feldes in Richtung desAnodendrahtes beschleunigt und konnen durch Stoße weitere Gasmolekule io-nisieren. Diese freien Elektronen leiten eine Gasentladung ein, die jedoch beigeeigneter Wahl der Spannung und einem entsprechend dimensionierten Vor-widerstand, nach etwa 10−5 Sekunden selbst erlischt. Bei dieser Gasentladungfließt fur kurze Zeit ein Strom im Zahlrohr, der an dem Widerstand einen Span-nungsimpuls verursacht. Dieser lasst sich elektronisch verstarken und mit einerZahlerschaltung registrieren.

I.1 Kennlinie eines Zahlrohres

Die genauen Vorgange im Zahlrohr sind etwas komplizierter und hangen be-sonders von der Zahlrohrspannung ab:Dringt ionisierende Strahlung in das Zahlrohr ein, so ist die Anzahl der primarerzeugten Ladungstrager stets proportional zur Energie der einfallenden Strah-lung. Bei kleinen Zahlrohrspannungen erreicht aber nur ein Teil der Primarelek-tronen den Anodendraht, der Rest geht durch Rekombinationen verloren. Mit

Gasfüllung

10 MW

U ~ 500VZ

+-

Verstärker

Fenster(Glimmer, Mylar)

Anodendraht

Metallzylinder(Kathode)

1254

Zähler

be-

+

ionisierteGasteilchen

Abbildung 1: Aufbau eines Fensterzahlrohrs.

zunehmender Spannung sinkt die Rekombinationswahrscheinlichkeit und na-hezu alle Primarelektronen gelangen zur Anode. Der Strom durch das Zahl-rohr ist in diesem Spannungsbereich proportional zur Energie der einfallendenStrahlung. In diesem Bereich arbeitet beispielsweise eine Ionisationskammerzur Messung der Primardosisleistung. Im Versuch

”Absorption und Dosime-

trie von Rontgenstrahlen“ werden Sie sich mit diesem Gerat1 noch genauerbeschaftigen.

Wird die Zahlrohrspannung weiter erhoht, so werden die Primarelektronen ir-gendwann so stark beschleunigt, dass sie in der Lage sind durch Stoße weitereGasmolekule zu ionisieren. Es entstehen Sekundarelektronen dessen Anzahl al-lerdings immer noch proportional zur Zahl der Primarelektronen ist. DieserSpannungsbereich wird als Proportionalbereich bezeichnet. Bei noch hoher-en Spannungen werden neben den primar erzeugten Elektronen, auch die Se-kundarelektronen so stark beschleunigt, dass diese selbst das Fullgas ionisie-ren. Die Zahl der erzeugten Elektronen steigt derart an, dass jedes einfallendeTeilchen eine Elektronenlawine langs des Anodendrahtes hervorruft. Damit dieGasentladung nach kurzer Zeit wieder abklingt, ist dem Zahlrohr ein Loschgas

1Bei diesem Versuch wird allerdings kein Zahlrohr eingesetzt, sondern ein Aufbau miteiner anderen Geometrie. Das Grundprinzip entspricht aber den Erlauterungen im Text.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat

Anza

hl

Ele

ktr

onen

-Ionen

Paa

re

Zählrohrspannung

Rek

om

bin

atio

nen

Ionis

atio

nsk

amm

er

Pro

port

ional

ber

eich

Plateaubereich

Gas

entl

adung

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Charakteristik eines Zahlrohrs.

(z.B. Alkoholdampf) beigemengt. Dadurch erlischt die Entladung nach eini-gen 10−5 s von selbst. In diesem sogenannten Plateaubereich (bzw.Geiger-Muller-Bereich oder Auslosebereich) erzeugt jedes einfallen-de Teilchen, unabhangig von seiner Energie, ein gleich großes Entla-dungssignal. Allerdings geht dabei auch jegliche Information der Energie dereinfallenden Strahlung verloren. Ein im Auslosebereich betriebenes Zahlrohreignet sich daher nur zur Detektion von ionisierender Strahlung und wird spe-ziell fur Zahlanwendungen verwendet. Daher der Name Zahlrohr. Eine weitereErhohung der Zahlrohrspannung bewirkt zunachst keine Erhohung der Zahlder erzeugten freien Elektronen. Jede einfallende ionisierende Strahlung be-wirkt ja bereits, dass das Zahlrohr von einer Elektronenlawine durchsetzt wird.Die Zahlrohrkennlinie verlauft in diesem Bereich daher sehr flach, d.h. plateau-artig. Wird die Zahlrohrspannung weiter erhoht, so kommt man irgendwannin den Bereich, in dem eine Dauerentladung gezundet wird. Diese klingt nichtmehr selbststandig ab und fuhrt in der Regel zur Zerstorung des Zahlrohres.

I.2 Der Plateaubereich

Bei vielen Experimenten zur Radioaktivitat ist man nur daran interessiert, be-stimmte Ereignisse nachzuweisen. Ein Beispiel ist der radioaktive Zerfall einesinstabilen Elements, bei dem man die Zahl der pro Zeiteinheit zerfallenen Ato-me messen mochte. Ein anderes Beispiel sind Absorptionsmessungen von ra-dioaktiver Strahlung. Hierbei mochte man untersuchen, welcher Bruchteil dereinfallenden Strahlung einen Absorber durchdringen kann. All dies sind reineZahlaufgaben, die mit einem Zahlrohr im Plateaubereich durchgefuhrt werden.In diesem Bereich ist der im Zahlrohr erzeugte Stromimpuls unabhangig vonder Energie der Strahlung. Jedes einfallende ionisierende Teilchen liefert dasgleiche Ausgangssignal, welches der nachgeschalteten Elektronik als Triggersi-gnal eines elektronischen Zahlers dient und den Zahlerstand um Eins erhoht.

Plateau

Zäh

lrat

eZählrohrspannung

Einsatzspannung UE

Abbildung 3: Gemessener Pla-teaubereich eines Geiger-Muller-Zahlrohres.

Tragt man die gemessene Zahlrate eines radioaktiven Praparates konstanterAktivitat als Funktion der Zahlrohrspannung auf, so erhalt man einen Ver-lauf, wie er in Abbildung 3 dargestellt ist. Im Idealfall wurde man erwarten,dass die Zahlrate mit zunehmender Spannung im Plateaubereich uberhauptnicht steigt. In der Praxis ist dennoch ein gewisser Anstieg zu beobachten.Die Ursachen hierfur sind zum einen auf Inhomogenitaten des elektrischen Fel-des zuruckzufuhren, die zu einer unregelmaßigen Ladungsverteilung langs desAnodendrahtes fuhren. Zum anderen tragen auch Nachentladungen zum Pla-teauanstieg bei. Bei guten Zahlrohren sollte der Plateubereich langer als 100 V

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat

sein und nur eine geringe Steigung von wenigen Prozent pro 100 V aufweisen.

Beim Betrieb eines Geiger-Muller-Zahlrohres im Auslosebereich, muss die Zahl-rohrspannung so gewahlt werden, dass bei zufalligen Spannungsschwankungen,die Einsatzspannung UE nicht unterschritten wird. Dazu muss zunachst derPlateaubereich gemaß Abbildung 3 ausgemessen werden. Anschließend wirddie Betriebsspannung so eingestellt, dass diese ca. 50 bis 100 V großer ist alsdie Einsatzspannung.

I.3 Totzeit eines Zahlrohres

Nach jedem Entladungsimpuls ist das Zahlrohr fur eine gewisse Zeit lang un-empfindlich gegen neu eintretende Strahlung. Erst nach Ablauf dieser Totzeit(typischerweise 10−4 s) ist das Zahlrohr zum Nachweis eines Teilchens erneutbereit. Der Hauptgrund hierfur liegt bei den positiv geladenen Ionen des Zahl-gases, die das Feld der Anode abschirmen und aufgrund ihrer großen Massenur langsam driften. Erst wenn die Ionen zur Kathode gedriftet sind und hierentladen werden, ist das Zahlrohr wieder einsatzbereit.

Sollen bei einem bestimmten Experiment die Ereignisse nicht nur detektiertsondern auch quantitativ ausgewertet werden, so mussen bereits bei wenigenhundert Ereignissen pro Sekunde Totzeitkorrekturen vorgenommen werden.Dies ist auch der Grund dafur, dass bei dem Versuch

”Statistik des radioakti-

ven Zerfalls“ die Messzeit nicht beliebig klein gewahlt werden darf. Bei diesemVersuch messen Sie viele Male hintereinander die Anzahl der Zerfalle eines ra-dioaktiven Praparates innerhalb eines bestimmten Zeitraums und werten diesemit Hilfe statistischer Methoden aus. Um eine gute Statistik zu bekommen,benotigt man in der Regel viele Messwerte, was eine lange Experimentierzeitmit sich bringt. Nun konnte man vermuten, dass die Anzahl der Messwerte inder Weise erhoht werden kann, indem die Messzeit einer Einzelmessung ver-kleinert und dafur die Ereignissrate erhoht (z.B. das Praparat naher an dasZahlrohr bringen) wird. Dies ist aber nur dann moglich, wenn die Zahlratenicht zu groß wird. Bereits bei 200 Impulse/s hat die Totzeit bei diesem Ver-such einen solch großen Einfluss, dass die experimentellen Werte erheblich vonden theoretischen abweichen.

I.4 Statistische Schwankungen

Die Zahl der Teilchen, die aus einem Praparat in das Zahlrohr eindringen, iststatistischen Schwankungen unterworfen. Daher streuen wiederholte Messun-

gen derselben Zahlrate um einen Mittelwert. Der mittlere statistische Feh-ler einer Zahlung von n Teilchen ist gegeben durch

√n, der mittlere

relative Fehler also√

n/n = 1/√

n. Werden beispielsweise 1000 Ereignissegezahlt, so betragt der absolute Fehler 32 Ereignisse bzw. der relative Feh-ler 3%. Bei 10000 Ereignissen betragt der relative Fehler nur noch 1%. Beiallen graphischen Darstellungen werden die Messpunkte mit Fehlerbalken ent-sprechend dem mittleren Fehler versehen. Eine detaillierte Einfuhrung in dieStatistik des radioaktiven Zerfalls, erhalten Sie in der Versuchsbeschreibung

”Statistik des radioaktiven Zerfalls“ und in dem Aufsatz

”Wir wollen richtige

Fehler“ zu Beginn dieser Anleitung.

I.5 Nulleffekt

Auch ohne Praparat zahlt das Zahlrohr eine gewisse Zahlrate (ca. 50 Ereignissepro Minute). Dieser Nulleffekt wird durch die uberall in geringer Konzentrationvorhandene naturliche Radioaktivitat und die Hohenstrahlung verursacht. Fallsder Nulleffekt nicht klein gegen den statistischen Fehler des Messwertes ist,muss dieser bei Messungen an einem radioaktiven Praparat abgezogen werden.

II Betriebsanleitung des Zahlgerates BF-SG 11

Inbetriebnahme des Zahlgerates - Einstellung der Einsatzspannung:

1. Kontrollieren Sie, ob die Hochspannung ausgeschaltet ist!

2. Falls das Zahlrohr noch nicht angeschlossen ist, schließen Sie dieses an dieBuchse GM (Geiger-Muller) an. Der Kippschalter daneben, muss in derStellung GM sein. Im Bedienfeld daneben, lasst sich die Triggerschwelleeinstellen. Da wir diese Funktion nicht benotigen, drehen Sie den Regler

”Untere Schwelle“ ganz nach links und den Regler

”Obere Schwelle“ ganz

nach rechts. Anschließend konnen Sie das Gerat einschalten. Der Netz-schalter befindet sich unten rechts.

3. Ziehen Sie den Regler fur die Hochspannungseinstellung leicht heraus undstellen Sie diesen auf ca. 40 (entspricht 400 V) ein. Durch Drucken kanndieser Knopf spater gegen Verdrehen gesichert werden.

4. Schalten Sie nun die Hochspannung ein. Den genauen Wert konnen Sieauf dem Anzeige-Instrument ablesen. Dazu mussen die Schalter unter demInstrument auf

”HV“ (High Voltage) und

”1 kV“ gestellt werden.

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 0.2 Stand 09/2006

43

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat

Lautstärke-regler

ZeitbasisAnschluss für

externen Zähler Netzschalter

RESET sec

min

8

Zählersteuerung

START STOP

Anschluss für Zählrohr

Hochspannung Interner Zähler

OBEN

x 10 [V]

EIN

Schwelle

UNTEN

Regler für Zählrohrspannung

Anzeige-InstrumentAUS

Abbildung 4: Frontplatte des Zahlgerates BF-SG 11.

5. Schrauben Sie das Praparat in die Halterung vor dem Zahlrohr.

6. Das Zahlgerat besitzt einen integrierten Lautsprecher, mit dem Sie dieregistrierten Ereignisse akustisch verfolgen konnen. Drehen Sie dazu denLautstarkeregler etwa eine halbe Umdrehung nach rechts.

7. Erhohen Sie nun langsam die Zahlrohrspannung bis Sie ein sprungartigeinsetzendes akustisches Signal horen. Dieser Spannungswert entsprichtder Einsatzspannung VE .

Bedienung des Internen Zahlers:

1. Um die Anzahl der registrierten Ereigniss quantitativ festzuhalten, besitztdas Zahlgerat einen internen Zahler. Die Zahlung wird automatisch nacheiner vorgegebenen Zeit (Zeitbasis, Torzeit) gestoppt, die Sie an den bei-den Digitalschaltern und dem Umschalter

”sec/∞/min“ einstellen konnen.

Dabei steht”sec“ fur Sekunden,

”∞“ fur eine Dauermessung ohne Stopp-

funktion und”min“ fur Minuten.

2. Die Ausgabe des Zahlerstandes kann entweder nur an die Anzeige erfolgenoder zusatzlich an einen externen Drucker. Fur den Druckerbetrieb mussder Schalter

”Drucker“ auf

”EIN“ gestellt werden.

3. Drucken Sie die”Start“-Taste um den Zahler zu starten. Der Zahlvorgang

wird automatisch nach der eingestellten Torzeit gestoppt oder manuelldurch Drucken der

”Stop“-Taste. Um den Zahlerstand auf Null zu setzen,

mussen Sie die”Reset“-Taste drucken. Wenn die linke Reset-LED leuchtet

(dauert ca. 2 Sekunden) konnen Sie den Zahler erneut starten.

4. Den Schalter”×1“ bzw.

”×10“ neben der Zahleranzeige, sollten Sie stets

in der Position”×1“ stehen haben. In der Stellung

”×10“ wird nur jeder

zehnte Impuls gezahlt!

Messung des Zahlrohrplateaus:

1. Erhohen Sie die Zahlrohrspannung um 50 V uber der Einsatzspannung VE

und bringen Sie das Praparat (60Co oder 137Cs) in einen solchen Abstand,dass ca. 50 bis 100 Ereignisse pro Sekunde gezahlt werden.

2. Ausgehend von VE wird nun ein Teil des Plateaubereichs ausgemessen.Stellen Sie fur die Messzeit 30 Sekunden ein und messen Sie bis zu einerSpannung von VE+150 V in Schritten von 25 V. Tragen Sie die Messwertesofort in ein Diagramm gemaß Abbildung 3 ein.

3. Stellen Sie nach der Messung die Zahlrohrspannung auf die Mitte des ge-messenen Plateaubereichs ein.

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 0.2 Stand 09/2006

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251/252 - 1

251/252 Statistik; Halbwertszeit Zubehör: Zählgerät mit automatischer Stoppvorrichtung (Zeitvorwahl), Zählrohr, Präparatehalterung mit Abschirmung, Präparat zum Einschrauben (60Co oder 137Cs), Indiumfolie auf Träger (vom Assistenten) Nachzulesen unter: Erläuterungen zu Versuch 251 am Ende des Anleitungstextes; Gerthsen: Physik, Abschn. 13 (Zerfallsgesetz); Westphal-Praktikum; Feynman I, 6; Tippler (Radioaktivität).

Teil I: Statistik Grundlagen: Statistische Schwankungen Wenn man mit einem Zählrohr die Zahl der von einem radioaktiven Präparat emittierten Teilchen unter unveränderten Versuchsbedingungen mehrmals misst, wird man im allgemeinen bei jeder Messung eine etwas andere Teilchenzahl erhalten. Der Grund hierfür ist, dass jeweils während der Messzeit nur ein kleiner Bruchteil der radioaktiven Atome zerfällt, und dass die einzelnen Zerfallsprozesse ganz unabhängig voneinander stattfinden. Die genaue Zahl der innerhalb der Messzeit zerfallenden Atome bleibt daher dem Zufall überlassen. Mit den Methoden der mathematischen Statistik kann man in diesem Fall vorhersagen, wie die einzelnen Messwerte n der Teilchenzahl um den Mittelwert n einer Messreihe streuen. Es ergibt sich die sog. Poisson-Verteilung. Da die relativen Schwankungen der Teilchenzahl um so kleiner werden, je mehr Teilchen registriert werden, richtet man in der Praxis alle Experimente so ein, dass in der Messzeit möglichst viele Teilchen gezählt werden. Dadurch wird auch die mathematische Behandlung der Schwankungserscheinungen erheblich vereinfacht, denn wenn n einigermaßen groß ist, größer als etwa 50, kann die Poisson-Verteilung in sehr guter Näherung ersetzt werden durch eine Gauß-Verteilung:

W(n,n ) ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung n Teilchen gezählt werden, wobei man den Mittelwert n einer sehr langen Messreihe als gegeben an-nimmt.

)1(e21),( 2

)( 2

nnn

nnnW

−−

251/252 - 2

Als Maß für die Streuung der Messwerte um den Mittelwert verwendet man, wie in der Fehlerrechnung üblich, die mittlere Schwankung σ (meist Standard-Abweichung, mittlerer statistischer Fehler genannt):

σ = n − n ( )2 =n1 − n ( )2 + n2 − n ( )2 +. ....

Gesamtzahl der Messungen

Die Berechnung des Erwartungswertes von σ mit Gl.(1) ergibt das bemerkenswert einfache Resultat: σ = n (2) Für den relativen statistischen Fehler erhält man

σ rel =σn

=1n (2')

Die Gaußverteilung Gl (1) ist in Fig. 1 graphisch dargestellt.

Die Flächen unter der Kurve im Bereich n > n + σ und n < n − σ sind schraffiert. Ihre Größe gibt die Wahrscheinlichkeit, dass n um mehr als eine Standardabweichung vom Mittelwert abweicht. Diese Wahrscheinlichkeit ist bei der Gaußkurve 30 %. Analog erhält man die Wahrscheinlichkeiten für Abweichungen vonn um mehr als ±2σ, ±3σ usw.:

Tabelle 1 Eine Abweichung von n um mehr als:

±σ

±2σ

±3σ

σ = n

hat die Wahrscheinlichkeit: 30% 5% 0,3% Im ersten Teil dieses Versuchs werden wir eine lange Messreihe durchführen und Gl.(2) sowie die Voraussagen der Tabelle 1 nachprüfen. Dieses Experiment ergibt einen experimentellen Beweis für die statistische Natur des radioaktiven Zerfalls.

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251/252 - 3

)( 21 nn +=

In der Praxis ist der Mittelwert n einer sehr langen Messreihe meist nicht gegeben, sondern nur das Resultat n einer einzigen Messung. Auch in diesem Fall kann man etwas mit Gl (1) anfangen, indem man sie folgendermaßen interpretiert:

),( nnW ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine sehr lange Messreihe den Mittel- wert n ergeben würde, wobei das Resultat n einer einzigen Messung gegeben ist.

Da Gl (1) besagt, dass n undn nicht stark voneinander abweichen, können wir auf-grund einer einzigen Messung auch einen Näherungswert für die Standard-Abweichung angeben: σ = n (2a) Es ist üblich, das Resultat einer solchen Zählung anzugeben in der Form n ± n (3) Dies ist also eine Abkürzung für die Sätze: "Ich habe n Teilchen gezählt. Daraus schließe ich, wegen Gl (1) und Tab. 1, dass der Mittelwert einer sehr langen Messreihe mit 70 % Wahrscheinlichkeit im Bereich n ± √n liegt, mit 95 % Wahr-scheinlichkeit im Bereich n ± 2√n und nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,3 % außerhalb des Bereichs n ± 3√n ". Die Betrachtung der statistischen Fehler ist besonders wichtig, wenn man herausfinden will, ob die Differenz zweier Zählergebnisse, n1 und n2, allein durch statistische Schwankungen erklärt werden kann oder auf eine Änderung der Ver-suchsbedingungen zurückzuführen ist. Viele Experimente laufen auf diese Frage-stellung hinaus. Nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz erhält man den mittleren statistischen Fehler der Differenz durch quadratisches Addieren der Einzelfehler: Es sei ∆ = n1 − n2 ; σ1 = n1; σ2 = n2 Dann ist σ∆ = σ1

2 + σ22 = n1 + n2

Man schreibt dies meistens in der Form: ∆ = (n1 − n2 ) ± n1 + n2 (4) Für die Wahrscheinlichkeit, dass ∆ allein aufgrund von statistischen Schwankungen von Null um mehr als eine, zwei oder drei Standardabweichungen ab-weicht, gilt wieder die Tabelle 1. Meistens hält man den Einfluss einer Änderung der

251/252 - 4

Versuchsbedingungen für erwiesen, wenn ∆ um mehr als 3 Standardabweichungen von Null abweicht. In diesem Fall bezeichnet man die Differenz ∆ als signifikant. Aufgaben: 1.) Im Bereich von VE bis ca. VE + 250 V messe man die Zählrohrcharakteristik. 2.) Der Anstieg der Zählrate im Plateau des Zählrohrs ist unter Berücksichtigung der

statistischen Schwankungen zu untersuchen. 3.) Anhand einer langen Messreihe sind die statistischen Schwankungen der Zählrate

experimentell zu untersuchen. Durchführung: Die bei diesem Versuch verwendeten Zählgeräte haben eine automatische Stoppvorrichtung, die auf die entsprechende Zeit einzustellen ist. Inbetriebnahme des Zählrohrs und des Druckers nach Anleitung (s. Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivität, II Betriebsanleitung des Zählgerätes). 1) Wählen Sie ein Vo als Arbeitspunkt, je nach Länge des Plateaus Vo = VE + 50 V

bis Vo = VE + 100 V. 2) Bringen Sie das Präparat möglichst dicht ans Zählrohr und messen Sie jeweils

1 min und 3 min lang die Zählrate bei Vo, Vo + 50 V, Vo + 100 V. 3) Stellen Sie wieder Vo ein. Nähern Sie das Präparat durch Verschieben des Reiters

dem Zählrohr an, bis ca. 100 Teilchen in 2 bzw. 3 Sekunden (je nach Quellen-stärke) gezählt werden. Schalten Sie den Drucker ein und starten Sie die Messreihe. Es sind 200 Messungen der Teilchenzahl n durchzuführen. Nach diesen 200 Messungen wird die Messreihe von der automatischen Stopp-vorrichtung beendet. Schon während der Messung werden die beiden ersten Spalten der folgenden Tabelle gedruckt:

Nr. der Messung n n − n (n − n )2 1 2 ...

96 101 ....

Auswertung: Zu 2) Werten Sie die Differenzen [n (Vo + 50) - n (Vo)] und [n (Vo + 100) - n (Vo)]

getrennt aus. Geben Sie den Plateauanstieg in % / 100 Volt mit statistischem Fehler an. (Jeweils für die Messung mit einer Minute und mit drei Minuten.) Sind die Differenzen signifikant? Sie können dies auswerten, während die Automatik Aufgabe 3 misst.

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251/252 - 5

Zu 3) Anmerkung: Um Zeit zu sparen, können Sie diesen Punkt auswerten während die Apparatur für etwa 50 min den radioaktiven Zerfall von Indium (Teil II des Versuchs) misst.

Berechnen Sie den Mittelwert ∑= 200/inn der Messserie und die ex-

perimentelle Schwankung 200/)( 22exp nni −= ∑σ . Benutzen Sie hierbei

einen abgerundeten Wert von n (ohne Dezimalen!). Stellen Sie fest, wie viel Messungen um mehr als ± σexp, ± 2σexp, ± 3σexp, ± 4σexp von n abweichen. Machen Sie eine Zusammenstellung dieser experimentellen Zahlen und der theoretisch erwarteten Zahlen (nach Gl (2) und Tabelle 1). Tragen Sie in einem Diagramm wie in Figur 2 ein, wie oft die einzelnen ni auftraten.

Damit Sie bei den relativ wenigen Messungen die Kurve besser erkennen können, tragen Sie z.B. je die Werte zu n = 80 und n = 81, zu n = 82 und n = 83 usf. zu-sammen auf. Sei H(84,5) die Anzahl der Fälle mit n = 84 oder 85, dann lässt sich in sehr guter Näherung mit dem Diagramm berechnen (70% Zeitersparnis):

n = 1

200...+ 80,5⋅ H(80,5) + 82,5 ⋅ H(82,5) + 84,5 ⋅ H(84,5)+...[ ]

σ2 =

1200

... (80,5 − n )2 ⋅ H(80,5) + (82,5 − n )2 ⋅ H(82,5)+...[ ] (5)

Anmerkung: Gl (1) lässt sich relativ leicht aus der in vielen Lehrbüchern diskutierten Binomial-Verteilung ableiten, die angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit von N Proben n günstig ausfallen, wenn die Wahrscheinlichkeit für den günstigen Fall einer Probe p

251/252 - 6

ελ ⋅∆⋅= tp

nN

),( nnW Npn ⋅=

und die für den ungünstigen q = 1- p ist:

W(n) =

Nn

pn (1 − p)N−n wo

Nn

=

N !n!(N − n)!

(6)

W(n) ist das n-te Glied des entwickelten Binoms (q + p)N :

(q + p)N = q N +

N1

qN−1p + ... +

Nn

qN−n pn + ... p N

(7)

In unserem Fall (Zählung von Teilchen an einem radioaktiven Präparat) bedeuten: N = Gesamtzahl der radioaktiven Atome im Präparat n = Anzahl der in der Messzeit ∆ t gezählten Teilchen wobei λ die Zerfallskonstante der radioaktiven Substanz und ε die Nachweiswahrscheinlichkeit für ein Teilchen ist. Der Faktor berücksichtigt, dass wir nur an der Anzahl n der nachgewiesenen Atome und nicht an deren Individualität innerhalb der N Atome interessiert sind. Die Wahrscheinlichkeit für die Schwankung um den Mittelwert erhält man aus Gl. (6) mit folgenden Annahmen für die

Gauß-Verteilung Gl (1): n, N sehr groß, 1)(

<<−n

nn

Die Ableitungen der Formeln sind in den Erläuterungen zum Versuch 251 skizziert. Teil II Halbwertszeit Grundlagen: Radioaktives Zerfallsgesetz, ß-Strahlung, Isotope, Neutronen Die Neutronenquelle besteht aus einem Präparat, das Berylliumspäne und einen α-Strahler (241Am) enthält. Durch die Kernreaktion

9Be + α → 12C + n

entstehen Neutronen mit 1 - 10 MeV Energie. Diese schnellen Neutronen werden in dem die Neutronenquelle umgebenden Paraffinblock durch elastische Stöße mit den Wasserstoffkernen abgebremst, bis sie nahezu thermische Energie erreicht haben. Stöße gegen die Kohlenstoffkerne bremsen die Neutronen nur wenig ab. Bei einem

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elastischen Stoß gegen eine gleich schwere Masse (nämlich gegen ein Proton) verliert dagegen das Neutron im Mittel die Hälfte der Energie. Viele Atomkerne haben einen großen Wirkungsquerschnitt für den Einfang lang-samer Neutronen. Dabei entsteht ein Isotop des bestrahlten Elements mit einer um eins erhöhten Massenzahl. Wenn dieser Kern radioaktiv ist, stellt die Aktivierung durch langsame Neutronen die bequemste Möglichkeit zur Erzeugung dieses radio-aktiven Isotops dar, aber auch zum empfindlichen analytischen Nachweis des Grund-isotops in einer Probe. Bei Bestrahlung von Indium wird aus dem stabilen Isotop 115In der ß-Strahler 116In gebildet. Bei der Aktivierung wird pro Sekunde eine bestimmte Zahl von radioaktiven Kernen erzeugt. Die Zahl der pro Sekunde zerfallenden Kerne ist aber der Anzahl der jeweils vorhandenen radioaktiven Kerne proportional (Zerfallsgesetz). Daher nimmt die Aktivität a (d.h. die Zahl der Zerfälle pro sec) als Funktion der Bestrahlungsdauer t nach dem Gesetz

zu, bis ein Gleichgewicht eintritt, bei dem pro Sekunde gleichviel Kerne des radio-aktiven Isotops neu gebildet werden wie pro Sekunde zerfallen. Nach Ende der Aktivierung tritt dann nur noch der Zerfall nach dem radioaktivern Zerfallsgesetz

a(t) = ao ⋅ e−λt (9)

auf. Für die Halbwertszeit gilt

T =ln2λ

. (10)

Aufgabe: Die Halbwertszeit des 116In ist zu messen. Durchführung: Messen Sie für 2 mal 2 min (oder 4 min) ohne Präparat den Nulleffekt. Überzeugen Sie sich durch eine Testmessung, dass die Kobalt-Quelle die Untergrundmessung nicht mehr beeinflusst. Lassen Sie sich nun das Indium-Präparat vom Assistenten geben. Das Indium-Präparat wird mit der Indiumseite zum Zählrohr hin in die vorgesehene Aussparung gesteckt und mit einem 1 mm Alu-Blech dahinter fixiert. Stellen Sie die Zeitvorwahl auf 2 min und starten Sie die Messreihe. Stoppen Sie die Messreihe nach ca. 50 min durch Druck auf den gelben Reset-Knopf.

)8()e1)(()( tata λ−−∞=

251/252 - 8

Auswertung: Der Nulleffekt wird abgezogen. Die korrigierten Messwerte werden mit den entsprechenden statistischen Fehlern in einfach-logarithmisches Papier (1 Dekade) eingetragen. Durch die Messpunkte wird eine Gerade gelegt, an der die Halbwertszeit abgelesen wird. Fehlerabschätzung aus dem Spielraum, den man beim Zeichnen der Geraden hat. Berechnen Sie die Zerfallskonstante des 116In. ------------------------------------------------------------------------------------------

Erläuterungen zu Versuch 251 1.) Multiplikation und Addition von Wahrscheinlichkeiten a) Es seien W(A) und W(B) die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass bei einem Versuch das Ereignis A bzw. B eintritt. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Eintreten von A und B W(AB) = W(A) · W(B), falls die Ereignisse A und B voneinander "statistisch unabhängig" sind. Dazu folgendes Beispiel: Gegeben seien 2 Würfel. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei einem Wurf beide Würfel eine vorgegebene gleiche Zahl zeigen, ist 1/6 · 1/6 = 1/36. Das Ergebnis des einen Würfels ist statistisch unabhängig vom Ergebnis des zweiten Würfels. b) W(A) sei die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine aus der Bevölkerung heraus-gegriffene Person ein Mann ist. W(B) sei die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine aus der Bevölkerung herausgegriffene Person größer als 1,85 m ist. Die Wahr-scheinlichkeit dafür, dass eine aus der Bevölkerung herausgegriffene Person ein Mann mit einer Körpergröße von mehr als 1,85 m ist, ist jedoch höher als W(A)·W(B), da Männer im Mittel etwas größer als Frauen sind, also das Merkmal (= Ereignis) A = männlich und B = größer als 1,85 m statistisch nicht unabhängig sind. Im Falle statistischer Abhängigkeit gilt: W(AB) = W(A) · W(B|A) = W(B) ⋅ W(A|B) Wobei W(A|B) "bedingte Wahrscheinlichkeit" dafür ist, dass A eintritt, falls auch B eintritt.

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Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von A oder B ist: W(A+B) = W(A) + W(B) - W(AB) Falls sich die Ereignisse A und B gegenseitig ausschließen, also W(A|B) = 0 d.h. W(AB) = 0, erhält man W(A+B) = W(A) + W(B) 2.) Binomial-Verteilung Die Binomial-Verteilung ergibt sich aus folgender Fragestellung: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Ereignis A bei N voneinander statistisch unabhängigen Versuchen genau n-mal eintritt, wenn p die Wahrschein-lichkeit für das Eintreten von A bei einem Versuch ist, also 1-p die Wahrschein-lichkeit für das Nichteintreten? Man nimmt zunächst an, dass das Ereignis A gerade bei den ersten n Versuchen eintritt, bei den folgenden N-n Versuchen aber nicht. Da die Versuche voneinander statistisch unabhängig sein sollen, müssen die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Versuche multipliziert werden, d.h. man erhält pn (1 − p)N−n . Es war aber ursprünglich gar nicht verlangt, dass das Ereignis gerade bei den ersten n Versuchen auftritt; es sollte nur überhaupt n-mal in der Reihe der N Versuche vorkommen. Nun

gibt es aber Nn

Möglichkeiten, aus N Elementen n herauszugreifen (wenn die

Reihenfolge der herausgegriffenen Elemente keine Rolle spielt). Unter Beachtung des vorne angegebenen Additionsgesetzes für Wahrscheinlichkeiten erhält man die Binomial-Verteilung.

W(n) =Nn

pn (1 − p)N−n = N (N − 1)...( N − n + 1)

n!pn (1 − p)N −n

=N!

n!(N − n)!pn (1 − p)N −n

Die Binomial-Verteilung ist eine zweiparametrische Verteilung mit den Parametern N und p. Wenn man alle W(n) von n = 0 bis n =N aufsummiert, also alle möglichen Ergeb-nisse der N Versuche, erhält man logischerweise für diese Summe die Wahr-scheinlichkeit 1. In der Tat, und das erklärt den Namen der Verteilung, sind die W(n) gerade die Summanden beim Ausmultiplizieren der rechten Seite der Identität

251/252 - 10

1 = 1N = p + (1 − p)[ ]N

So kann man sich auch die Formel merken! 3.) Die Poisson-Verteilung als Grenzfall der Binomial-Verteilung Bezeichnet man den Mittelwert von n mit n = N ⋅ p, so lässt sich die Binomial-Verteilung folgendermaßen umschreiben

W n( ) =N N − 1( ) N − 2( ). ... N − n +1( )

n!⋅n n

N n 1−n_

N

N−n

=n n

n!1 −

n_

N

N

1 −n_

N

−n

1 −1N

⋅ 1−

2N

⋅.... ... 1 −

n −1N

Für N → ∞ und p → 0 derart, dass n = N ⋅ p endlich bleibt, erhält man die Poisson-Verteilung, da der zweite Faktor gegen den Grenzwert e−n strebt, während die weiteren Faktoren gegen 1 streben.

W(n,n )=n ne−n

n! Die Poisson-Verteilung ist eine einparametrische Verteilung mit dem Parameter n . Auch hier ist für jedes n

W(n ,n ) = 1n=0

∞∑ , denn die Reihenentwicklung von e +n ist ja e +n =

n n

n!n=0

∞∑ .

Auch dieser Hinweis sollte das Merken der Formel erleichtern. 4.) Die Normal- oder Gauß-Verteilung als Grenzfall der Binomial-Verteilung

W(n)=

Nn

pn(1−p)N−n =

N !n!( N − n)!

pn(1− p)N −n

Ersetzt man die Fakultäten durch die Stirling'sche Nährungsformel

nnnnn −= e2! π gültig für n >> 1, so erhält man nach Umordnung der Faktoren

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W(n) =

12πN

nN

−n−12 N − n

N

−(N−n)−12 1

p(1 − p)p

n+12 (1 − p)

N−n+12

=

12πNp (1 − p)

npN

− n+12

N − nN (1 − p)

− N−n+12

Führt man n = pN ein und beschränkt sich auf Werte n, so dass (n − n )

n << 1 ist

(was für große N und n sinnvoll ist), so kann man ersetzen

pN = n ; n = n + d ; N − n = N − n − d = N (1 − p) − d

wo dn

<< 1 ; dN

<< 1 ; dN − n

<< 1 usw.

Mit der Identität ab ≡ exp (b ⋅ ln a) ergibt sich

W(n) =1

2πNp(1− p)exp − n + d +

12

ln 1 +

dn

− N(1 − p) − d +

12

ln 1 −

dN (1 − p)

Man entwickelt den Logarithmus in eine Taylor-Reihe bis zum zweiten Glied und beschränkt sich dann auf die größten Glieder. (Man beachte: z.B. d 2

N>>

d3

N 2 ≥d 2

N2 . Dagegen haben d 2

n und

d 2

N (1 − p) gleiche Größenordnung.) Man

erhält damit

W(n) =

12πNp (1 − p)

exp −d2

2Np (1− p)

mit σ = Np (1 − p) ergibt sich

W(n) =

12π σ

exp −d2

2σ2

=

12π σ

exp −(n − n )2

2σ 2

(Mit den Voraussetzungen der Poisson-Verteilung, p → 0 und N → ∞ , erhält man σ = n . (Siehe auch Punkt 5.)

Die Übereinstimmung zwischen Normal- und Binomialverteilung ist umso besser, je größer N und n (Stirling'sche Näherung dann gut) und je näher p bei 1/2 liegt (Abbruch der Taylorentwicklung nach dem dominanten Glied dann sinnvoll). Die Normal-Verteilung ist eine zweiparametrische Verteilung mit den Parametern n und σ.

251/252 - 12

5.) Die Normal-Verteilung als Grenzfall der Poisson-Verteilung Für großes n (n ≈ 30 − 40) geht die Poisson-Verteilung in eine Normal-Verteilung über.

W(n,n ) =n ne−n

n!=

n ne−n

2πn nn e −n =e−(n −n)

2πn n n

n+12 =

e −(n −n)

2πn 1 +

n − nn

n+12

=

e−(n −n)

2πn exp n +

12

ln 1 +

n − nn

Entwickelt man die ln-Funktionen nach Taylor

ln 1 + x( )= x −

x 2

2+

x3

3−

x 4

4+ − ...

und bricht nach dem quadratischen Glied ab (n − n)

n<< 1 , so erhält man

W(n,n ) =

e−(n −n)

2πn exp n +

12

n − n

n−

12

(n − n)2

n2

Bei hinreichend großem n kann man n + 1/2 durch n ersetzen und erhält damit

W(n,n ) =

12πn

exp −(n − n)2

2n

Da

(n − n)

n<< 1 , kann man im Nenner des Exponenten n durch n ersetzen und

erhält damit eine Normal- oder Gauß-Verteilung mit σ = n , d.h. eine einpara-metrische Verteilung:

W(n,n ) =

12πn

exp −(n − n)2

2n

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