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DEUTSCHLAN D & E UROPA f Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg »…bis es ein freies Volk geworden…« 1848/49 Revolution Reihe für Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch, Kunst Heft 35 · November 1997

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»…bis es ein freies Volk geworden…«

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Titelbild: Philipp Veit – Germania, 1848Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Herausgeber:Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg,Direktor Siegfried Schiele

Redaktion:Dr. Walter-Siegfried Kircher

Anschrift der Redaktion:70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38,Telefon (0711) 2371-381/-391, Telefax (0711) 2371-496

Beirat:

Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart,Günter Gerstberger

Dr. Almut Satrapa-Schill

Ministerium für Kultus und Sport,Klaus Happold, Ministerialrat

Prof. Dr. Lothar Burchardt,Universität Konstanz

Dietrich Rolbetzki,Oberstudienrat, Filderstadt

Lothar Schaechterle,Studiendirektor, Stetten i. R.

Landeszentrale für politische Bildung,Dr. Walter-Siegfried Kircher

Deutschland&Europa erscheint zweimal im Jahr

Jahresbezugspreis DM 12,–

Satz:Vaihinger Satz + Druck GmbH71665 Vaihingen

Druck:Reclam Graphischer Betrieb GmbH71254 Ditzingen

Auflage: 17000

Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion

Mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, der Stiftung für Bildung und Behindertenför-derung und der Robert Bosch Stiftung.

Inhalt

Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Geleitwort des Ministeriums für Kultus und Sport . . . 2Autorinnen und Autoren dieses Heftes . . . . . . . . . . . 2

Einleitung: Europäische Dimensionen der . . . . . . . 3deutschen Revolution von 1848/49

I. Polenbegeisterung in Deutschland 1848/49? . 61. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

II. »Wo die Revolution ist, da ist des PolenVaterland.« Ein polnischer Oberbefehlshaberin Baden: Ludwig Mieroslawski . . . . . . . . . . . . 101. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

III. Robert Blum: Ein Tod in Wien – Tod dernationalen deutschen Revolution? . . . . . . . . . 141. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

IV. »Für eine europäische Republik«:Georg und Emma Herwegh 1848 . . . . . . . . . . 191. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

V. »Den Drachen Revolution töten« – Prinz Wilhelmvon Preußen. Berlin – London – Karlsruhe: Ein Gegenrevolutionär unterwegs . . . . . . . . . 241. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

VI. »Gleiche Rechte und Chancen!«Revolutionäre Frauen in Deutschland undFrankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

VIII. Großbritannien und die deutsche Revolution 1848/49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

IX. Nachwirkungen der Revolution . . . . . . . . . . . . 441. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49AV-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Hinweise

Die Hefte werden nur in geringer Anzahl an die Schulenverteilt. Zusätzliche Exemplare können bei der Landes-zentrale für politische Bildung, RedaktionssekretariatDeutschland und Europa, Fax (0711) 23 71- 496, oderschriftlich (Umschlagseite ☞Bestellungen) nachgefordertwerden.

D E U T S C H L A ND & EU R O PAHeft 35 · November 1997

D E U T S C H L A ND & EU R O PA

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Über dem Präsidentenpult in der Frankfurter Paulskirche hing als Hoheitszeichen für dieNationalversammlung ein über vier Meter hohes Transparent, die Germania, 1848 vonPhilipp Veit gemalt (siehe Titelbild). Die schwarz-rot-goldene Trikolore mag den Eindruckder rein innenpolitischen Ausrichtung der deutschen Revolution von 1848/49 erwecken.Doch diese isolierte Betrachtungsweise trügt. Weniger bekannt ist, daß der in der Paulskir-che rechts des monumentalen Germania-Gemäldes angebrachte Vierzeiler auf die interna-tionale Dimension der Freiheitsbewegungen hinweist, wie in den Kapiteln I und II des vor-liegenden Heftes erläutert wird. Auch der Untertitel »...bis es ein freies Volk geworden...«,ein kleiner Ausschnitt aus einer Rede Robert Blums in der Frankfurter Nationalversammlungim Juli 1848, muß im Gesamtzusammenhang gelesen und interpretiert werden, damit dereuropäische Wirkungszusammenhang deutlich wird (vgl. Einleitung: »Europäische Dimen-sionen der deutschen Revolution von 1848/49« und Kapitel III: »Ein Tod in Wien...«). Damit sind die Intentionen des vorliegenden Heftes angedeutet. Mit einer gezielten, vorwie-gend biographisch ausgerichteten Auswahl von Materialien sollen außer den südwestdeut-schen und nationalen auch die europäischen Aspekte der Revolution von 1848/49 zurSprache kommen. Für die Freiheit und Einheit sich einsetzende Menschen werden in denMittelpunkt gerückt. Aber auch ein Gegenrevolutionär in Gestalt des »Kartätschenprinzen«(des späteren Kaisers Wilhelm I.) wird vorgestellt (Kapitel V). Gustav Heinemann rief alsBundespräsident dazu auf, »in der Geschichte unseres Volkes nach jenen Kräften zu spüren... , die dafür gelebt und gekämpft haben, damit das deutsche Volk politisch mündig undmoralisch verantwortlich sein Leben und seine Ordnung selbst gestalten kann ...«. Dazugehören auch »revolutionäre Frauen«, die mit ihren Wünschen, Hoffnungen und Enttäu-schungen zu Wort kommen (Kapitel IV und VI). Grenzüberschreitungen und wechselndeSchauplätze (Südwestdeutschland, Berlin, Wien, London, USA/Kapitel VII) betonen immerwieder die europäischen und internationalen Aspekte der Geschehnisse. Die Gefahr eineseuropäischen Krieges wird am Beispiel der Haltung Großbritanniens diskutiert (Kapitel VIII).Abschließend beleuchtet Kapitel IX anhand der Jubiläumsfeiern 1873 bis 1948 die Wir-kungsgeschichte der Revolution.In der vorliegenden Zeitschriftenreihe war bereits Heft 2/1984 der Revolution von 1848/49gewidmet. Landeskundliche und nationale Schwerpunkte (»Baden und Mitteldeutschland«)standen im Vordergrund (das Heft ist vergriffen). Die Reihe »Die deutsche Frage im Unter-richt« erfuhr mit 1989/1990 eine programmatische Erweiterung in Richtung »Deutschlandund Europa«, ohne daß gegebene landespolitische und landesgeschichtliche Bezüge, wiedieses Heft veranschaulicht, wegfielen. Möge es angesichts der 1997-1999 stattfindendenzahlreichen lokalen, regionalen und nationalen Veranstaltungen und Feiern und auch überdiesen Zeitraum hinaus daran erinnern, daß die Revolution »Teil eines gemeinsameneuropäischen Erbes« ist (Wolfram Siemann, Einleitung).

Siegfried Schiele

Direktor der Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg

Ernst Jung 75 Jahre

Der frühere Projektleiter dieser Zeitschrift, Professor Ernst Jung, wurde im September 1997fünfundsiebzig Jahre alt. Herausgeber und Beirat gratulieren ihm herzlich. Bis zu seinemAusscheiden 1994 setzte sich Ernst Jung als maßgeblicher Mitinitiator dieser Reihe uner-müdlich für sie ein. Wir wünschen Ernst Jung weiterhin gute Gesundheit und Schaffens-kraft.

Siegfried Schiele

VorwortdesHerausgebers

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Die Revolution von 1849/49 kennzeichnet eine bedeutende Station deutscher Geschich-te auf dem schwierigen und langwierigen Weg zu nationaler Selbstbestimmung, zu Ein-heit und Freiheit, politischer Partizipation und zum Entwurf einer demokratischen Ver-fassung, gegründet auf der Garantie der Menschenrechte, auf Rechtsgleichheit undsozialer Gerechtigkeit. Im Zusammenhang der Ereignisse jener Zeit zwischen Restaura-tion einerseits und der Begründung der preußischen Hegemonie andererseits werden –wie in einem Fokus – die vielfältigen Probleme sichtbar, die sich mit der Verwirklichungder Idee eines modernen, freiheitlich-rechtsstaatlichen Gemeinwesens verbanden.Anzusprechen sind übergreifend Fragen der nationalen Einheit – zum Beispiel anknüp-fend an Plessners Thematisierung Deutschlands als »verspätete Nation« und dem sichdaraus letztlich bis zur Wiedervereinigung ergebenden »deutschen Sonderweg in dieModerne« – ebenso, wie grundlegende Probleme der Struktur demokratisch-rechtsstaat-licher Verfassungen oder Forderungen nach größerer sozialer Gerechtigkeit.Gesamteuropäische Dimensionen politischer und gesellschaftlicher Ideen und Ziel-setzungen, die diese Revolution charakterisierten, gewinnen – das Heft verweist darauf –vor dem Hintergrund des aktuellen europäischen Integrationsprozesses neue, interes-sante Perspektiven.Im Unterricht an der Schule eröffnen sich bei der Behandlung der damaligen Ereignissein besonderer Weise didaktische Möglichkeiten, die Geschichte Deutschlands im 19.Jahrhundert durch die Anbindung an lokale und regionale Bezüge unmittelbar, anschau-lich und interessant zu vermitteln: Waren es doch auch gerade die konstitutionell verfaß-ten süddeutschen Staaten mit ihren ständischen Volksvertretungen und liberalen Tradi-tionen, die im Verlauf der Revolution von 1848 eine zentrale Rolle beanspruchten. Namenwie Struve, Hecker, Blum oder Herwegh gehören heutzutage zur Grundausstattung nichtnur landesgeschichtlicher Allgemeinbildung.Das Heft trägt durch die facettenreiche, vielschichtige Präsentation der Revolutionser-eignisse von 1848/49 sicherlich dazu bei, Schülerinnen und Schülern – ausgehend vomunmittelbaren Geschehen im engeren Heimatraum – fortwirkende geschichtliche Zusam-menhänge zu verdeutlichen und ihnen – in nationalstaatlicher wie gesamteuropäischerDimension – die historischen, geistigen und politischen Wurzeln von Rechtsstaatlichkeit,Freiheit und Demokratie in Deutschland bewußt zu machen.

Klaus HappoldMinisterialrat

Dr. Christine Bütterlin, OStR, Rastatt (VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht?)Dr. Herbert Kraume, OStR, Freiburg (IV.«Für eine europäische Republik«: Georg und Emma Herwegh 1848 /IX. Nachwirkungen der Revolution)Karin Merz, AdL, Karlsruhe (VI. »Gleiche Rechte und Chancen«: Revolutionäre Frauen in Deutschland und Frankreich)Dr. Leonhard Müller, Präs. i.R., Karlsruhe(VIII. Großbritannien und die deutsche Revolution 1848/49)Roland Obenland, StD, Rastatt (III. Robert Blum: Ein Tod in Wien – Tod der nationalen deutschen Revolution?)Dr. Christof Rieber, StR, Mengen(Federführung / I. Polenbegeisterung in Deutschland 1848/49 / II. »Wo die Revolution ist, da ist desPolen Vaterland.«.../ V. »Den Drachen Revolution töten« - Prinz Wilhelm von Preußen...)Prof. Dr. Wolfram Siemann, Universität München, Institut für Neuere Geschichte(Einleitung: Europäische Dimensionen der deutschen Revolution von 1848/49)Elena Wallis, GLehrerin, Rastatt (VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht?)Maria Würfel, GProf, Schwäbisch Gmünd(V. »Den Drachen Revolution töten« - Prinz Wilhelm von Preußen. Berlin-London-Karlsruhe: EinGegenrevolutionär unterwegs)

Leiter des Projekts »Deutschland und Europa : Dr. Walter-Siegfried Kircher

Mitarbeiter der Werkstattseminare »1848/49 Revolution«vom 1. - 2. März 1996 in Neckartenzlingenvom 11. - 12. Oktober 1996 in Rastattvom 21. - 22. Februar 1997 in Rastattdie oben genannten Autorinnen und Autoren,außerdem: Günter Buchwald, Freiburg (WS I in Neckartenzlingen)und Dr. Annette Reiter, Marburg (WS II in Rastatt)

Geleitwort des Ministeriumsfür Kultus, Jugendund Sport

Autorinnen undAutoren diesesHeftes:

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»…bis es ein freies Volk geworden…«

1848/1849 RevolutionI. Europäische Dimensionen

der deutschen Revolutionvon 1848/49

»... daß Deutschland nicht eher Geltung in dem Bundeeuropäischer Völker gewinnen könne, als bis es ein frei-es Volk geworden« – diese Vision beschwor der Abge-ordnete der Demokraten Robert Blum am 22. Juli 1848 inder Frankfurter Nationalversammlung. Und er fügte hinzu:»Der Gedanke der Befreiung und Erlösung der Völker [...],der Gedanke der neuen Französischen Revolution sollund wird ebenfalls Propaganda machen in der ganzenWelt, und ich hoffe, er wird sie ausdehnen über Moskauhinaus und das Licht der Freiheit auch in jene Länder tra-gen, die jetzt noch schlummern in der tiefsten Knecht-schaft [...]. Das Ziel einer Verbrüderung des freigeworde-nen oder freiwerdenden Westens, das ist es, dem ichmeine Stimme leihe«.Diese Vision leiht auch dem vorliegenden Heft den Titel.Sie trägt utopische Züge und ist gefärbt durch religiöseAnspielungen. Sie zeigt, wie anziehend und befremdlichzugleich das historische Erbe dieser ersten deutschenRevolution ist: Sie bietet Anknüpfungspunkte, die außer-ordentlich modern und zeitgemäß klingen: ein freies Volkin einer parlamentarischen Demokratie, orientiert an denVerfassungskonzepten Westeuropas, friedlich mit denbenachbarten Nationen zusammenlebend. Doch zugleichklingt eine Bedenkenlosigkeit an, die Revolution voranzu-treiben und mit einem großen europäischen, bis nachMoskau reichenden Krieg zu verknüpfen, um das alte Sy-stem der östlichen Vormächte – Rußland, Österreich undPreußen – zu brechen. Blum schrieb an seine Frau Jenny:»Hoffentlich bricht der Krieg in einigen Tagen aus. [...]Hoffentlich wird Friedrich Wilhelm IV. das Schicksal Lud-wigs XVI. haben.« Hier offenbart das damals gefeierte na-tionale Prinzip seine gewalttätige Seite, deren Spreng-kraft den damaligen Zeitgenossen noch nicht bewußtwar, welche nach den Erfahrungen dieses Jahrhundertsaber keine unbefangene Identifikation mehr mit den Wor-ten Blums erlaubt. Nähe und Distanz: dazu verpflichtetder Umgang mit dem Erbe, das sich nicht einfach in kon-krete Anweisungen für den heutigen politischen Alltagummünzen läßt, das aber doch aus der historischen Er-fahrung heraus langfristig wirkendes Orientierungswissenvermitteln kann.Die Worte Blums dokumentieren zugleich, daß bereits dentieferblickenden Beobachtern von 1848 jener europäischeWirkungszusammenhang bewußt war, in dessen Dyna-mik, Ausbruch, Verlauf, Scheitern und langfristige Folgenauch die deutsche Revolution eingebettet war. DiesesHeft schenkt jener europäischen Dimension besondereAufmerksamkeit – zu Recht; auch die neueste historischeForschung betont, wie wichtig gerade die – lange ver-nachlässigten – europäischen Perspektiven in diesem

Zeitalter der entstehenden Nationalstaaten waren. Mit derEinigung des europäischen Kontinents seit 1989 greifenHistorikerinnen und Forscher aus Ost und West diese al-ten Fäden des Zusammenhangs verstärkt wieder auf.Es sind insgesamt acht Aspekte, welche den Ereignissenvon 1848 europäische Dimensionen zu verleihen imstandewaren. In einem knappen Überblick soll deshalb vorab skizziert werden, was das Thema Die deutsche Revolu-tion von 1848/49 und Europa alles umfaßt. Es werden die strukturellen Gemeinsamkeiten herausgestellt, welchemehrere europäische Staaten zugleich tangierten und dortrevolutionäre Kräfte begünstigten oder freisetzten.

Die sozialökonomische KriseAls erste Gemeinsamkeit ist die sozialökonomische Kri-se vorindustrieller, handwerklicher Berufe zu nennen;sie beruhte auf der vormärzlichen Übervölkerung ganzerRegionen und begünstigte die beginnende Proletarisie-rung der Großstädte sowie weiter Teile des flachen Lan-des. Europäisch daran war der endgültige Zusammen-bruch der alten Ständeordnung, die zugleich Rechts-, Le-bens- und Sozialordnung war. Pauperismus, Industriali-sierung, Marktorientierung von Berufen und Klassen so-wie die langanhaltende Krise des Handwerks sind dieneuen Begriffe, die den tiefgreifenden Wandel der beidenvorrevolutionären Jahrzehnte fassen. Wo diese Problemein der Bewegung von 1848/49 gipfelten, äußerte sichdiese der Art nach weniger als Akt politischer Befreiung,mehr hingegen als gesellschaftliche Krise, und man kannnoch verstärken: Diese Krise orientierte sich vorwiegendnach rückwärts – als Abwehr gegenüber dem Neuen –,äußerte sich in Maschinenstürmen, Judenverfolgungenoder Forderungen nach Zunftschutz des Handwerks vorder Konkurrenz des Kapitals. Die Bewegung von 1848/49war ihrem Wesen nach zwiespältig: Abwehrkrise undEmanzipationskampf. Das Erbe verweist nicht allein aufunsere Gegenwart, sondern zugleich zurück auf den Nie-dergang einer uns fremdgewordenen vormodernen Welt.

HungerkrisenEine zweite europäische Dimension wird faßbar in denMißernten – eine Folge der sich über Europa ausbreiten-den Kartoffelfäule – und in den nachfolgenden Hunger-und Teuerungskrisen der Jahre 1845 und 1846, gipfelnd1847. Auch die Reaktionen im Vorfeld der Revolutionnahmen europäische Dimensionen an. Sie äußerten sicheinesteils in regional zerstreuten, stoßweise sich ausbrei-tenden Hungertumulten, andernteils in einer vehementansteigenden Auswanderungswelle in der zweiten Hälf-te der 1840er Jahre, die ja den Namen der »hungryforties« erhalten haben. Hier existierte bereits lebhafterKontakt nach Übersee, bevor das politische Exil von 1849ihn verstärkte. Am schlimmsten war die Not vor der Re-volution in Irland, aber Hungersnöte in deutschen Regio-nen – nicht zuletzt in Schlesien – hatten große öffentlicheResonanz gefunden.

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Internationale KonjunkturkriseDie neuere Forschung zur Wirtschaftsgeschichte hat einedritte Dimension stärker bewußt gemacht, nämlich diebeginnende internationale Verflechtung der Handels-und Geldströme. Besonders Hans-Ulrich Wehler in sei-ner Gesellschaftsgeschichte hat für die Jahre zwischen1845 und 1848 eine – wenn auch abgeschnittene – inter-nationale Konjunkturkrise nachgewiesen, welche dieüberkommenen Hungerkrise noch überlagerte und imApril 1848 zu einer Streikwelle in mehreren deutschenStädten führte. Viele einzelne zusammengetragene Datenbestätigen einen tiefgreifenden Vorgang, der bereits Fried-rich Engels im Rückblick zu dem – gewiß überspitzten –Urteil veranlaßte, »daß die Welthandelskrise von 1847 dieeigentliche Mutter der Februar- und Märzrevolutionen«gewesen sei.

Kampf um Recht und VerfassungEine vierte europäische Dimension liegt in der System-verwandtheit konstitutioneller Forderungen. Dazu exi-stierten mehrere Anhaltspunkte: in der französischenCharte constitutionnelle von 1814, die Vorbild für alle ein-zelstaatlichen Verfassungen im vormärzlichen Deutsch-land wurde, ja sogar in der Deutschen Bundesakte von1815, die in ihrem berühmten Artikel 13 verhieß: »In allenBundesstaaten wird eine landständische Verfassungstattfinden«. Sprengkraft erhielt dieses Prinzip durch dieunerfüllten bürgerlichen Forderungen nach hinreichenderpolitischer Beteiligung in den Staaten der monarchisch-legitimistischen Restauration seit 1815. Überall ent-wickelten sich innere politische Kämpfe zum Kampf umeine neue Ordnung auf der Basis einer geschriebenenVerfassungsurkunde. Der revolutionäre Kampf äußertesich auf diese Weise europaweit als Kampf um Recht undVerfassung – um Bürgerrechte und Konstitution. Das warbereits in der Julirevolution von 1830 so, noch stärker ge-schah das aber in der Anlaufphase der Revolution von1848, die ihren Ausgangsimpuls ja nicht aus Frankreich,sondern aus der Schweiz und aus Italien erhielt. Stetsging es um Revision oder Erlaß einer neuen Verfassung:Nach dem Sonderbundskrieg im November 1847 konsti-tuierte sich die ehedem staatenbündlerische Schweiz alsBundesstaat mit fester Zentralgewalt und einer Bundes-hauptstadt in Bern. Die Revolution errang am 16. Februar1848 einen weiteren Sieg in Palermo, als König Ferdinand II.von Neapel-Sizilien eine Verfassung erließ. Der Zusam-menbruch der Julimonarchie in Frankreich entzündetesich am 22. Februar 1848 an Demonstrationen für dieWahlreform und veranlaßte einen Systemwechsel hin zur Republik. Im Zentrum der in Deutschland umlaufen-den sogenannten »Märzforderungen« standen verfas-sungspolitische Forderungen: Grundrechte, besondersPresse- und Versammlungsfreiheit, Geschworenenge-richte, Volksbewaffnung – was immer Unterschiedlichesman auch darunter verstand – und Wahlen zu einem na-tionalen Parlament.

Die Krise des internationalen Systems von 1815Eine fünfte europäische Dimension liegt im Charakter dertraditionellen internationalen Politik, gestützt auf völker-rechtliche Verträge und Beziehungen. Den zeitgenössi-schen Politikern, voran Metternich, war sogleich klar, daß

im Frühjahr 1848 zugleich das auf dem Wiener Kongreßbegründete internationale System auf dem Spiel stand.Hier handelte es sich um die Politik zwischen europäi-schen Staaten, und als ein solcher zählte auch der Deut-sche Bund, der 1815 als völkerrechtliches Subjekt ausder Taufe gehoben worden war. 1848 stand er zur Dispo-sition; schließlich übertrug er der revolutionären Proviso-rischen Zentralgewalt in Frankfurt alle Kompetenzen. DieInitiative dazu war von der Frankfurter Nationalversamm-lung ausgegangen. Ihre eigentliche Bestimmung war, eineReichsverfassung für ganz Deutschland zu entwerfen. Mitihrer ersten großen Tat griff die Nationalversammlung weitdarüber hinaus, indem sie eine nationale Regierung etab-lierte. Das war ein revolutionärer Akt. Am 28. Juni 1848begründete die Nationalversammlung eine Reichsregie-rung, bestehend aus einem Reichsverweser, einem Mini-sterpräsidenten und Reichsministern für das Äußere, In-nere, die Finanzen, Justiz, den Handel und Krieg. Damitbürdete sich die Nationalversammlung in mehrfacherHinsicht eine Hypothek auf. Sie bemühte sich gegenüberdem Ausland um völkerrechtliche Anerkennung. MitFrankreich tauschte man lediglich offiziöse Vertreter aus;dort erkannte man die neue Zentralgewalt nicht an. Dieenglische Königin Victoria und ihr deutscher PrinzgemahlAlbert hegten anfangs Sympathien für das Einigungs-werk. Diese verkehrten sich jedoch beim englischen Ka-binett ins Gegenteil, als sich die Zentralgewalt, getragenvon einer Woge der Begeisterung in der Öffentlichkeit, inden Krieg um Schleswig-Holstein einschaltete. Als einzi-ge Großmacht erkannten die Vereinigten Staaten dieReichsgewalt sofort an. Unter den kleineren Staaten folg-ten Schweden, die Niederlande, Belgien, Sardinien, Nea-pel, Griechenland und die Schweiz. In der Gesamtbewer-tung ist sich die Forschung heute einig, daß die Revoluti-on und auch das Einigungswerk nicht an einem apriori-schen Widerstand der europäischen Mächte gegen diedeutsche Einheit gescheitert seien. Wie die Rede RobertBlums bereits erkennen ließ, stieß die Revolution von1848/49 an den Rand eines möglichen großen europä-ischen Kriegs, welcher den Durchbruch des Nationalitä-tenprinzips hätte entfesseln und eine spätere Entwick-lung im 19. Jahrhundert hätte vorwegnehmen können.Die europäischen Mächte, voran England und Rußland,hatten dem entgegen gewirkt. Im Zentrum dieses Kon-flikts stand der Streit um Schleswig.

Die Politik der europäischen VerfolgungEine repressive Variante dieser internationalen Politik wardie konzertierte Aktion der Gegenrevolution. Hier beteilig-ten sich Österreich, Rußland, seit 1850 in polizeilicher Ko-operation auch Frankreich und Belgien. Diese Politik dereuropäischen Verfolgung – und der Niederringung der eu-ropäischen Revolution – stiftete eine sechste Dimension,welche ihrem europäischen Charakter entsprach: daseuropäische Exil. Die Schweiz und das Elsaß dientenvorübergehend dem Schutz, London entwickelte sichzum zentralen Durchgangsort, die USA zum eigentlichenFluchtort. England und die Vereinigten Staaten bildetenim Vergleich zu den anderen zufluchtgewährenden Staa-ten einen Sonderfall, da sie völlige Einwanderungs- undNiederlassungsfreiheit gewährten, also praktisch ein An-recht auf Asyl. Den Revolutionsflüchtlingen von 1849

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wurde im Gegensatz zu ihren Vorgängern der 1830er Jah-re das politische Asyl auf Dauer in den westeuropäischenStaaten des Kontinents – anders als in England – weitge-hend verweigert. Allerdings erhielten die Flüchtlinge inEngland keine finanzielle Unterstützung. Fanden sie keinAuskommen, waren sie gezwungen, in die USA weiterzu-ziehen. Frankreich und die Schweiz verweigerten in derRegel dauerhaftes Asyl, finanzierten aber die Auswande-rung der Revolutionsflüchtlinge.

Der europäische Charakter des NationalismusEine siebte Dimension hängt mit dem europäischen Cha-rakter des Nationalismus zusammen. Für viele Nationa-litäten bildete sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-derts der Mythos der »unerlösten« Nation; dazu waren inerster Linie die Griechen, Italiener, die Ungarn, die Polen,darüber hinaus auch die Tschechen und nach dem Wortlaut mancher oppositioneller Propaganda auch dieDeutschen zu rechnen. Die Wurzeln dieses Nationalismuslagen in der Französischen Revolution von 1789, welchedas Vorbild für nationale Symbole, Farben und Fahnenstiftete. Im Vormärz entwickelte sich unter dem Systemder Restauration der weitere Mythos des »Völkerfrüh-lings«. In den 1820er Jahren äußerte er sich europaweit inder Bewegung des Philhellenismus, in den 1830er Jahrennach dem gescheiterten Warschauer Aufstand vom No-vember 1830 in der gemeineuropäischen Welle der Po-lenfreundschaft.Diese vormärzliche Utopie zerbrach an der 1848 nunplötzlich sichtbaren Möglichkeit, die Nationalität in dieStaatsnation zu überführen. Hans Rothfels hat einmaltreffend die Nationalitäten des 19. Jahrhunderts als »eineArt Nationsanwärter« bezeichnet: als ethnische Minder-heiten, die nach mehr Eigenständigkeit strebten und ihrepolitische Einheit noch suchten. Einschneidend zeigtesich das am Beispiel der deutschen Polenfreundschaft.Am 20. März 1848 waren unter dem Druck Berliner Revo-lutionäre die polnischen politischen Gefangenen auspreußischer Haft freigelassen worden. Ihr Wortführer, derOffizier Ludwig von Mieroslawski, stellte sich an die Spit-ze eines polnischen Unabhängigkeitskampfes in Posenund warb dort für eine nationalpolnische Armee mit derParole: »Laßt uns dem zaristischen Rußland im Bunde mitdem befreiten Deutschland entgegentreten«. Noch imFrankfurter Vorparlament befürworteten die versammel-ten Landtagsabgeordneten mit überwältigender Mehrheitdie Wiederherstellung Polens als Staat. Selbst daspreußische Märzministerium hatte die »nationale Reorga-nisation« Polens verheißen. Anfang Mai 1848 verleugne-ten preußische Truppen das ursprüngliche Versprechenund intervenierten in Posen. Preußische Soldaten zwan-gen die polnischen Streitkräfte zur Kapitulation und hat-ten die erste Probe im Kampf gegen Revolutionäre be-standen. Seit dem 4. Juni 1848 trennte eine Demarkati-onslinie die Provinz Posen. Die Paulskirche hat sie da-nach bestätigt. Den wortgleichen Antrag des Vorparla-ments, Polen als Staat wiederherzustellen, lehnte sie nunmit Mehrheit ab.Es gilt auf das Prinzipielle zu achten: Immer wenn es dar-um ging, über die Zugehörigkeit von Territorien zu ent-scheiden und Grenzen zu ziehen, enthüllte der moderneNationalismus seine zerstörerische, kriegsträchtige

Sprengkraft. Es kennzeichnete die Nationalitätenkonflikteder nachfolgenden Zeit, daß jede Seite sich im Rechtfühlte und versuchte, die gesamte Nation zu mobilisieren:die Fraktion der Eiderdänen in der dänischen Ständever-sammlung, die deutsche Bevölkerung Schleswigs, diesich auf uraltes historisches Recht berief. Revolution undKrieg verbanden sich auf gefährliche Weise. Gerade dieDemokraten, die sonst das Selbstbestimmungsrecht derNationalitäten und das friedliche Miteinander der Natio-nen beschworen – eben den »Völkerfrühling« -, erkanntenin dem Krieg um Schleswig einen erneuten gewaltigenImpuls für den Fortgang der Revolution. Sie hofften aufeinen großen europäischen Befreiungskampf gegen dasZarenreich als die dominierende Macht im noch nichtvollends erschütterten System der »Reaktion«.Das Interessante an dem Vorgang ist, daß sich auch dieZeitgenossen dieser Entzauberung der Utopie vom Völ-kerfrühling bewußt wurden. Dieter Langewiesche nenntes den Weg vom Traum des Völkerfrühlings zum Alptraumder Nationalitäten und macht hierfür auf ein hervorragen-des Zeugnis aus der Hand des Peter Frank-Döfering, ei-nes Wiener Studenten aus Czernowitz, aufmerksam.Frank-Döfering registrierte die Begeisterung eines Kom-militonen über den Sieg des Generals Graf Radetzky überdie Italiener und schrieb dazu in sein Tagebuch:»Damit ist also die Gefahr aus dem Süden für unser Kaiserreichvorläufig gebannt, allein es bleibt ein seltsames Gefühl in denHerzen zurück, denn erinnert man sich an die Monate zuvor, soweiß ich von Verbrüderungen und Schwüren der ewig währendenFreundschaft. Solche Ewigkeit hatte allerdings ein kurzes Lebengehabt. Jetzt kehrt sich aber alles ins Gegenteil. Es scheint, alsob diese Szenen, welche ich selbst geschaut, ganz im Pulver-rauch des Schlachtfeldes aufgegangen wären. Ist es nicht oft so,liebes Väterchen, daß die Freiheit des einen die Unfreiheit des an-dern bewirken kann, so ist die Sache in Italien ebenso der Italie-ner Freiheit, aber auch die Bedrohung unseres deutschen Tirols.Es ist also schier zum Verzweifeln an solchen Fragen der Politikund der Philosophie. Was letztere wohlmeinend konstrurierte,kann die rauhe Politik ganz greulich verunstalten.«

»Von der Einheit der Nation zur Zwietracht der Nationa-litäten« – auf diese Formel ließe sich das Dilemma brin-gen. Es gab aber auch Gegenpole, und auf diese ist zuachten, um nicht ein Schwarz-Weiß-Gemälde zu produ-zieren, wie es der historischen Realität nicht entspricht.Der Prager Historiker und Exponent böhmischer Autono-mie, Franz Palacky, schrieb am 17. April 1848, die kleinenNationen besäßen in dem »Völkerverein« der Donaumon-archie ihren natürlichen Schutz: »Wahrlich, existierte derösterreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müß-te im Interesse Europas, im Interesse der Humanitätselbst sich beeilen, ihn zu schaffen.« Es zeigt die ganzeParadoxie der Situation: Nichtdeutsche Nationalitäten,die später den Bestand der Habsburgermonarchiesprengten, erwiesen sich 1848 noch als deren Stütze,nicht nur die Tschechen und Slowaken, auch die Kroaten;aus ihnen rekrutierten sich die Truppen, welche die Wie-ner Oktoberrevolution im Herbst 1848 erfolgreich nieder-zuschlagen halfen. Der europäische, übernationale Cha-rakter Österreichs wurde gewissermaßen als Präfigurati-on eines Völkerbundes begriffen. Nichtdeutsche Minder-heiten waren bestrebt, sich von dem ursprünglichenStaatsverband, dem Deutschen Bund, loszusagen, umihre nationale Eigenständigkeit bewahren zu können.

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Wenn auch die Woge der nationalen Leidenschaftenhochging in der Frankfurter Nationalversammlung, fandman doch zu einem vorbildlichen zukunftsweisenden Be-schluß in der Nationalitätenfrage im Innern. Der auf denVerfassungsstaat bezogene Nationalismus von 1848/49bot den Schutz nationaler Minderheiten bei Achtung ihrerheimischen Sprachen und Religiosität. Das hatte dieReichsverfassung von 1849 als Grundrecht in ihrem Para-graphen 188 zugesichert. Ähnlich gelang der Ausgleichim Entwurf, den der Verfassungsausschuß des WienerReichstages für den Vielvölkerstaat der Habsburgermon-archie vorlegte. Beide Verfassungen traten in dieser Formnicht ins Leben, wiesen aber doch den Weg eines friedli-chen Miteinanders verschiedener Nationalitäten in einemgeeinten Staat. Im revolutionären Kampf offenbarte sichdie Verbundenheit des ursprünglichen Völkerfrühlingsnoch einmal im Sommer 1849 in der badischen Revoluti-on, als sich im Großherzogtum und in der Pfalz Revolu-tionäre aus vielen Nationalitäten zum gemeinsamen Ab-wehrkampf zusammenfanden.

Der »pazifistische Internationalismus«Eine letzte – achte – europäische Dimension ist erst injüngster Zeit richtig wahrgenommen worden. Es ist der»pazifistische Internationalismus« (Dieter Langewiesche).Im September 1848 fand in Brüssel ein erster internatio-naler Friedenskongreß statt, im August 1849 tagte man in Paris und ein Jahr später in der Paulskirche. Die Kongresse forderten die Staaten auf, abzurüsten, die ste-henden Heere abzuschaffen, auf Interventionen zu ver-zichten und keine Kriege dritter Mächte zu finanzieren.Die in diesem Heft angebotene Auswahl an »Bausteinen«kann nicht alle europäischen Aspekte der deutschen Re-volution von 1848/49 berücksichtigen, aber sie bringtdoch wichtige in Quellen und Kommentar zur Sprache.Sie stellen handelnde Menschen in den Mittelpunkt: Lud-wig Mieroslawski, Robert Blum, Georg und Emma Her-wegh, Louise Otto, namenlose Frauen und Exilanten, denPrinzen Wilhelm von Preußen und viele andere. Sie spie-geln etwas von der Dynamik der Revolutionäre und ihrerWidersacher wider; sie dokumentieren die hochfliegen-den Hoffnungen und Visionen, aber auch die harte Rea-lität der politischen und militärischen Gewalten. Der »Völ-kerfrühling« und die Methoden der alten Gewalten, dieSprengkraft der Habsburgermonarchie, ihrer Generäleund Nationalitäten, die Utopie der »Volksbewaffnung«durch Milizen, die Forderung nach rechtlicher und politi-scher Mündigkeit der Frauen in Frankreich wie inDeutschland, das Fortwirken der Revolution – ungeachtetihres gewaltsamen Endes – in der demokratischen Tradi-tion der Vereinigten Staaten, die schwierige Balancepoli-tik einer Reichseinigung, welche das Völkerrecht zu ach-ten bestrebt war – alle diese Mosaiksteine fügen sich zu-sammen zu einem Kaleidoskop, das einlädt, die Revoluti-on in ihrer Komplexität zu betrachten und etwas mehr vondem zu verstehen, was sie heute ist: Sie ist Teil eines ge-meinsamen europäischen Erbes, dessen sich in diesenTagen unsere europäischen Nachbarn in Dänemark, Po-len, Tschechien, Ungarn, Österreich, der Schweiz, Frank-reich und England – je auf ihre Weise – gleichfalls erin-nern.

Wolfram Siemann

I. Polenbegeisterungin Deutschland 1848/49?

1. Erläuterungen

Deutsche und Polen gerieten 1848 wegen der Zukunft Po-sens, einer preußischen Provinz mit überwiegend polni-scher Bevölkerung, in einen sich zunehmend verschärfen-den Konflikt. Auf beiden Seiten loderte der Nationalismusheftig auf und bewog die Mehrzahl der deutschen Parla-mentarier dazu, ihr Versprechen, ein national unabhängi-ges Polen zu schaffen, zu brechen. Die internationalisti-sche Polenbegeisterung – im März noch von beiden Sei-ten in der Tradition des Völkerfrühlings beschworen – wicheiner Ernüchterung. Dies kam in Preußen den konservati-ven Kräften zupaß.Die Ausgestaltung der Paulskirche im Frühjahr 1848 solltedie Macht des zu schaffenden einigen Deutschlands sym-bolisch ausdrücken. Hinter dem Präsidentenplatz hing vorrotem Samtvorhang der schwarze deutsche Doppeladlermit roten Zungen auf goldenem Grund. Darüber war alsBekrönung das 1848 von Philipp Veit innerhalb wenigerTage neu geschaffene, mehr als vier Meter hohe Monu-mentalgemälde angebracht, auf dem Germania darge-stellt war, die Allegorie des zu schaffenden geeintenDeutschlands (vgl. Abbildung Titelseite). Mit Doppeladlerals Brustschild und Eichenkranz im Haar sollte sie zu-gleich Macht, Kampfbereitschaft und nationale Ehre ver-körpern. Das Schwert in ihrer Rechten ist von Lorbeer um-wunden. Zu ihren Füßen liegen zersprengte Fesseln, einHinweis darauf, daß die neue Freiheit durch die Revolutionerkämpft worden ist. Das Morgenrot erleuchtet den Hin-tergrund und symbolisiert den von Nationalgefühl getra-genen Neubeginn.Im März 1848 hielten deutsche und polnische Revolu-tionäre die Verwirklichung des deutschen Nationalstaats

(linker Vierzeiler) noch für vereinbar mit dem Gedan-ken des Völkerfrühlings bzw. Internationalismus (rechter Vierzeiler) und damit der Schaffung eines polni-schen Nationalstaats . Vorparlament und Nationalver-sammlung in Frankfurt bekannten sich zu beiden Zielen

, . Im Sommer 1848 dagegen, nachdem diedeutsche Minderheit in Posen ihre Zugehörigkeit zuDeutschland gefordert hatte und im April und Mai 1848 einpolnischer Aufstand von Preußen militärisch unterdrücktworden war , beschloß die Mehrheit der National-versammlung, die Mandate der im Mai 1848 in Posen ge-wählten Abgeordneten anzuerkennen und Posen, abgese-hen von dem kleinen für polnische Autonomie vorgesehe-nen Bezirk im Raum Gnesen, als Bestandteil Deutsch-lands zu akzeptieren . Damit sanktionierte sie die Tei-lung Posens.Der März 1848 steht noch im Zeichen des vormärzlichenVölkerfrühlings . Der König von Preußen muß am 20.März die eben aus dem Moabiter Gefängnis befreiten pol-nischen Patrioten vom Balkon des Berliner Stadtschlos-ses aus begrüßen . Sie waren wegen des Aufstandesvon 1846 zu langen Haftstrafen verurteilt und wurden nunim Triumphzug durch Berlin geführt. Ihr Anführer LudwigMieroslawski (vgl. II.) beschwor voller Pathos die Solida-

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rität des deutschen und polnischen Volkes gegen die Für-sten und einen revolutionären Krieg gegen Rußland zurBefreiung Russisch-Polens . Die Konservativen wa-ren über die Verbrüderung Berliner Revolutionäre mit denPolen empört . Indessen ließ das Vorparlament dieentscheidende Frage, wie Deutschlands Grenzen gegenü-ber Polen zu ziehen sind, offen, obwohl es Polens Rechtauf einen eigenen Nationalstaat anerkannte . SeitApril 1848 wurde auf deutscher Seite immer nach-haltiger gefordert, immer größere Teile Posens abzutren-nen und zu Deutschland zu schlagen. Auch wurde immerdeutlicher: keine der europäischen Großmächte mochteeinen Krieg gegen Rußland zur Befreiung von Russisch-Polen unterstützen . Rußland sah im Erhalt dieserpolnischen Gebiete ein nationales Anliegen.Die Polendebatte der Deutschen Nationalversammlungvom 24. bis 27. Juli 1848 zeigt, daß nur noch eineMinderheit internationalistisch für die Rechte der Polenauf einen eigenen Staat eintrat, während die Mehrheit Po-sen für den deutschen Nationalstaat beanspruchte. Jor-dans Rede wurde kontroversaufgenommen und erregte er-hebliches Aufsehen. Die Mehr-heit der Abgeordneten emp-fand sie als patriotisch und zu-gleich pragmatisch. Die Linkendagegen sahen in ihr opportu-nistischen Verrat am Gedan-ken des Völkerfrühlings. Indemsie die Aufteilung Posens aner-kannte, setzte sich die Mehr-heit der Nationalversammlungin offenen Widerspruch zumBeschluß des Vorparlamentsüber Polen und koope-rierte mit der preußischen Re-gierung. Kein führender Polewollte sich fortan an der Ver-waltung des für eine polnischeAutonomie übrig gelassenenFürstentums Gnesen beteili-gen.Die gemäßigte bzw. äußersteLinke (Robert Blum bzw. Ar-nold Ruge) war in der Paulskirche mit ihrem Eintreten füreinen polnischen Nationalstaat eine kleine Minderheit.Ruge verlangte in der Polendebatte einen europäischenKongreß, um Polen wiederherzustellen. Er trat auch sonstkonsequent für die Rechte der Nachbarvölker ein, was ihnzur Zielscheibe der politischen Karikatur machte.

Überlegungen zu den Materialien:

1) In welchem Verhältnis stehen internationalistische Be-kundungen der Völkerfreundschaft , , ,

zur tatsächlichen historischen Entwicklung? ,,

2) Warum fand ein Revolutionskrieg gegen Rußland nichtstatt? , , ,

2. Materialien

1848/49 waren in der Paulskirche hoch über demPräsidentenplatz zu beiden Seiten des monumentalenGermania-Gemäldes von Philipp Veit (vgl. Titelbild) gutlesbar zwei Vierzeiler angebracht:

Linke Seite: »DES VATERLAND’S GRÖSSEDES VATERLAND’S GLÜCK,O SCHAFFT SIE, O BRINGT SIEDEM VOLKE ZURÜCK!«

Rechte Seite: »O WALLE HIN, DU OPFERBRAND,HIN ÜBER LAND UND MEER!UND SCHLING EIN EINZIG LIEBESBANDUM ALLE VÖLKER HER!«

Historisches Museum Frankfurt a. M.

Triumphmarsch der Polen vor dem Berliner Königlichen Schloß nach ihrer Befreiung, 20. März 1848

»O nehmt uns auf, ihr Völker des Westens in Eu-ren Bund!« – Ludwig Mieroslawski: Ansprache andas Berliner Volk nach seiner Befreiung aus demGefängnis, 20. März 1848:

Plötzlich hielten die Wagen der befreiten Polen,Mieroslawski erhob sich und sprach, die schwarz-rot-gol-dene Fahne schwingend, die begeisterten Worte1: »Nichtdu, edles deutsches Volk, hast meinem unglücklichen Vaterlande Fesseln geschmiedet; deine Fürsten haben esgetan; sie haben mit der Teilung Polens ewige Schmachauf sich geladen.

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1 Nach dem Bericht von A. Wolff in seiner »Berliner Revolutionschronik«sprach Mieroslawski französisch, Wolff zitiert aus der Rede den Satz:»Das polnische Banner wird nun in Eintracht neben dem deutschenwehen.«

Museum Narodowe, Poznan/Posen

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Und wie es jüngst noch für Euch und uns als Verbrechengalt, nach des Vaterlandes Freiheit zu ringen, und wie sieuns darob, draußen im Kerker, in eiserne Bande schlugen,so warst du es, hochherziges Volk, dessen Blut in diesenTagen der Befreiung auch für unsere Freiheit floß. Wir dan-ken Euch! Eure Freiheit ist unsere Freiheit, und unsereFreiheit ist die Eure! Herr sein oder Sklave sein, eins wiedas andere läuft gegen die heiligen Gesetze der Natur. Nurfreie Menschen, nur freie Völker können sich achten. Onehmet uns auf, ihr Völker des Westens in Euren Bund,dessen Kreis sich von Stunde zu Stunde mit Riesenschrit-ten erweitert! Freie Völker, wollt ihr gewiß nur freie Gliederder großen Einigung. Freie Völker nur sollen sitzen am hei-ligen Bundes-Nachtmahl vor dem blutigen Morgen der of-fenen Feldschlacht gegen die Barbarenhorden im Osten.Bewahrt, Brüder, die teuern mit tausend Leichen undnoch offenen, blutenden Wunden erkauften Güter derHeimat! O helft sie uns in der eigenen Heimat erobern! Ohelft, daß zwischen den drei schwarzen Adlern2, die unse-re Eingeweide zerfleischen, die unser Herzblut versprit-zen, der weiße Adler unserer Freiheit sich erhebe!3 Jadeutsches Volk, wenn du willst, dann ist Polen noch nichtverloren4, und wir, Polens Jünglinge, Männer und Greise,wir werden nach unsern Kräften streiten und bluten fürdie höchsten Güter! Schaut auf die in Eurer Mitte gefalle-nen Opfer, denkt an Euern Sieg! – Aller Segen ist von derVölkerknechtung gewichen; fortan gib uns wieder den ei-genen Herd, laß den Sonnenschein deiner Gnade hernie-derfallen auf ein einiges, freies, polnisches Vaterland!«

Flugschrift »Die Öffnung des Polen-Kerkers in den blutigen Tagenin Berlin«, 1848, zit. nach Deutsche und Polen, S. 173f. HaraldBoldt Verlag, Boppard am Rhein

Otto von Bismarck, März 1848:

Die Befreiung der wegen Landesverrats verurteilten Polenist eine der Errungenschaften des Berliner Märzkampfes[...] Die Berliner haben die Polen mit ihrem Blut befreit [...]Ich hätte es erklärlich gefunden, wenn der erste Auf-schwung deutscher Kraft und Einheit sich damit Luft ge-macht hätte, Frankreich das Elsaß abzufordern und diedeutsche Fahne auf den Dom zu Straßburg zu pflanzen.

Manuskript zur Polenbegeisterung, zit. nach: Deutsches Histori-sches Museum: Bismarck – Preussen, Deutschland und Europa.Nicolai, Berlin 1990, S. 160

Auf Antrag von Gustav Struve aus Mannheim be-schließt das Vorparlament in Frankfurt am 31.März 1848 fast einhellig,

»daß es die heilige Pflicht des deutschen Volkes sei, Polenwiederherzustellen, indem die Teilung Polens als einschreiendes Unrecht erklärt werde«.

Verhandlungen des deutschen Parlaments, 1. Lieferung 1848, S. 31–35, zit. n. Deutsche und Polen in der Revolution von1848/49. Dokumente aus deutschen und polnischen Archiven,hrsg. für das Bundesarchiv von Hans Booms, Boldt Verlag, Bop-pard am Rhein, S. 233

Infotext: Die preußische Provinz Posen vor 1848:

1815 war das rund 29000 km2 große Großherzogtum Po-sen an Preußen gefallen. 1848 war es als Kornkammereine wirtschaftlich rückständige, landwirtschaftlich undhandwerklich geprägte Provinz. 1848 lebten von den 1,35Millionen Einwohnern drei Viertel auf dem Lande. GrößteStadt war Posen mit 44000 Einwohnern. In der ganzenProvinz gab es etwa 60% Polen (Katholiken), 34% Deut-sche (meist Protestanten) und 6% Juden, die überwie-gend in der Stadt lebten. Die Deutschen hatten regionaleine relative Mehrheit in den vier westlichen Kreisen desPosener und in den vier nördlichen des Bromberger Re-gierungsbezirks. Die zentralen und an der Ostgrenze gele-genen Kreise dagegen bewohnten wenige Deutsche. DieDeutschen stellten rund 40% der Stadtbevölkerung. Wirt-schaftlich waren die Deutschen, die in den nichtagrari-schen Berufen dominierten, in der Regel besser gestelltals die Polen. Unter deutschen Bauern gab es kaum Be-sitzlose, die meisten waren reiche oder mittlere Bauern.Der polnische Novemberaufstand von 1830 gegen Ruß-land erfaßte Posen nicht. Dennoch betrieb Preußen fortaneine antipolnische Unterdrückungspolitik. Unter FriedrichWilhelm IV. (seit 1840) wurde sie gemildert. Den für 1846geplanten Aufstand verhinderte Preußen durch Verhaftun-gen und Verhängung des Kriegszustandes. Die Unzufrie-denheit der Polen verschärfte sich durch Verurteilungenvon Aufständischen, Zensur und Auflösung von Klubs undKasinos. Hinzu kam die Mißernte von 1846, die vor derErntezeit des Jahres 1847 Hungerrevolten verursachte,bei denen sich nationale Probleme mit sozialen Spannun-gen mischten.

Nach Krzystof Makowski: Das Großherzogtum Posen im Revoluti-onsjahr 1848. In: Rudolf Jaworski/Robert Luft (Hrsg.): 1848/49 –Revolutionen in Ostmitteleuropa. Oldenbourg, München 1996, S. 149–172

Infotext: Posen in der Revolution 1848:

Während die Polen im März 1848 auf volle nationaleSelbständigkeit drangen und darin von Frankreich, aberauch vom neuen preußischen Außenminister unterstütztwurden, betrieb der preußische König am 18. März 1848die »Einverleibung« der nicht zum Deutschen Bundgehörenden Provinzen Preußens, und damit auch vonWestpreußen und Posen, in den künftigen deutschen Bun-desstaat. Der Formelkompromiß von der »National-Reor-ganisation«, den König Friedrich Wilhelm IV. Am 24. Märzgenehmigte, überdeckte vorläufig die Gegensätze. Polni-sche Patrioten wie Mieroslawski (Kapitel II) verstanden dar-unter die Bildung eines unabhängigen Großherzogtums»unter dem bloßen Schutze Preußens«. In vielen Gegendenhandelte die polnische Bevölkerung spontan, entfernte diepreußischen Adler, verjagte Landräte, übernahm die Kas-sen, bildete militärische Einheiten und organisierte die ein-berufenen Bewohner in einer Nationalgarde. Um Freiwilligezu gewinnen, erklärte das Nationalkomitee (d. h. die natio-nale Vertretung der Polen in Posen) am 24. März die Auf-hebung aller Standesunterschiede und versprach, dienoch bestehenden Lasten der Bauern zu vermindern. An-fang April änderte sich die politische Lage in Berlin. Der

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2 Die Wappentiere der drei Teilungsmächte Polens (Rußland, Österreichund Preußen)

3 Das Wappentier Polens4 Zitat aus der polnischen Nationalhymne

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König und seine Berater setzten sich mit ihrem Gegenkurszur polenfreundlichen Haltung der Regierung durch. Am14. April wurde die Teilung der Provinz angekündigt, weildie deutschen Einwohner es aus »nationalen« Gründenverlangt hatten. Die zugesagte nationale Reorganisationbeschränkte sich nun auf den »polnischen« Anteil der Pro-vinz, der in der Folgezeit immer wieder verkleinert wurde,indem er immer weiter nach Osten verschoben wurde, bisam Ende nur noch für wenige Landkreise im Raum GnesenAutonomie für die Polen versprochen wurde.Der König von Preußen suchte die Entwicklung wiederzurückzudrehen, indem er – ohne Wissen seiner Minister –den Truppen befahl, die polnischen Heerlager aufzulösenund die alte Ordnung wiederherzustellen. Je unwahr-scheinlicher ein Krieg Preußens gegen Rußland wurde,desto stärker traten die nationalen Spannungen zwischenPolen und Deutschen hervor.Da die Polen auf ihre nationale Unabhängigkeit und aufihren Plan, von Posen aus Russisch-Polen militärisch an-zugreifen, nicht verzichten wollten, kam es zu bewaffnetenKonflikten. Die aufständischen Truppen unter Mieroslaws-ki umfaßten 9000 Mann und waren fast nur mit Sensen be-waffnet . Sie hatten gegen die preußische Über-macht keine Chance und mußten nach wenigen Gefech-ten am 9. Mai 1848 kapitulieren. Das Nationalkomitee hat-te sich schon am 30. April aufgelöst.Die Deutschen in Posen traten im März noch für Verbrü-derung mit den Polen ein. Der von Deutschen majorisiertePosener Stadtrat plädierte sogar für eine Ausgliederungdes Großherzogtums aus der preußischen Monarchie. Alsdie Polen jedoch keine Deutschen in ihr Nationalkomiteeaufnahmen, entzweiten sich die beiden Bevölkerungs-gruppen am 27. März endgültig. Vielerorts gründeten dieDeutschen eigene nationale Komitees, vor allem in denGebieten, in denen sie in der Überzahl waren. Anfang Aprilkam es vielfach zu blutigen Zusammenstößen mit den Po-len. Nur einige wenige Deutsche traten den polnischenEinheiten bei, weit mehr Deutsche unterstützten diepreußischen Truppen in sogenannten Freischaren.

Nach Krzystof Makowski, Großherzogtum Posen, S. 149–172;Heinz Boberach: Die Posener Frage in der deutschen und preußi-schen Politik 1848–1849. In: Deutsche und Polen in der Revoluti-on von 1848/49, S. 17–57

»Nie und nimmermehr, bei Gott, werde ich den De-gen gegen Rußland ziehen.«

Friedrich Wilhelm IV. am 23. März 1848 gegenüber Heinrich vonGagern, der ihn aufgefordert hatte, Polen zu befreien

Auszüge aus der Debatte der Deutschen National-versammlung in Frankfurt über die Provinz Posen24./25. Juli 1848(Die Mandate der im Mai 1848 in der preußischen Provinz Posengewählten Abgeordneten wurden in der Deutschen Nationalver-sammlung am Ende der Debatte mehrheitlich anerkannt, obwohldie Polen die Wahl boykottiert hatten, indem sie nur einen einzi-gen polnischen Abgeordneten nach Frankfurt wählten. Mit 342:31Stimmen billigte die Nationalversammlung die Teilung Posens).

Arnold Ruge (Donnersberg): [...] Die Polen sind das Ele-ment der Freiheit, das in das Slawenthum geworfen wur-de. [...] im Namen der Humanität und der Gerechtigkeitverlange ich, daß Polen wieder hergestellt werde und daßwir das Vorparlament nicht Lügen strafen, welches erklärthat, die Theilung Polens sei ein schmachvolles Unrecht.Die Wiederherstellung Polens müssen wir anbahnen. [...]An der Ehre Deutschlands ist es, daß Deutschland dieFreiheit nach Osten propagiere und nicht an der Grenzevon Rußland und Polen damit stehen bleibe. An unsererEhre ist es, daß wir aufhören, Unterdrücker zu sein, daßwir Freunde aller befreiten Völker werden, daß wir die Ita-liener befreien und ihre Freunde werden und daß wir diePolen befreien und ihre Freunde werden. [...]Wilhelm Jordan (Deutscher Hof): [...] Soll eine halbe Milli-on Deutscher unter deutscher Regierung, unter deutschenBeamten leben und zum großen deutschen Vaterlandegehören, oder sollen sie sich in der secundären Rolle na-turalisirter Ausländer in die Unterthänigkeit einer anderenNationalität, die nicht soviel humanen Inhalt hat, als dasDeutschthum, begeben und hinausgestoßen werden indie Fremde? – Wer die letztere Frage mit ja beantwortet;wer da sagt, wir sollen diese deutschen Bewohner Posensden Polen hingeben und unter polnische Regierung stel-len, den halte ich mindestens für einen unbewußten Volks-verräther. (Bravo!) [...]Polen bloß deßwegen herstellen zu wollen, weil sein Unter-gang uns mit gerechter Trauer erfüllt, das nenne ich eine

schwachsinnige Sentimenta-lität. (Bravo von der Rechten,Zischen von der Linken) [...]Unser Recht ist kein anderesals das Recht des Stärkeren,das Recht der Eroberung. [...](Jordan wechselte später zurrechten Fraktion Landsberg)

Stenographischer Bericht überdie Verhandlungen der deut-schen constituirenden Ver-sammlung zu Frankfurt am Main,Bd. 2, S. 1184 ff., 1200

Gefecht zwischen pol-nischen bewaffneten Forma-tionen und preußischem Mi-litär bei Rogalin, 8. Mai 1848

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Dietz Verlag Bildarchiv, Berlin

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1. Erläuterungen

Warum entfachte Ludwig Mieroslawski in seinem Lebennicht nur in Polen mehrere Aufstände, sondern nahmauch an anderen Aufständen anderswo in Europa teil? Inwelcher Weise war das Gelingen einer europäischen Re-volution Voraussetzung für die Schaffung eines unabhän-gigen polnischen Nationalstaates?

Der Oberbefehlshaber des badischen Aufstandes von1849 konnte kein Deutsch. Seine Ansprachen, Flugblätterund Befehle mußten vom Französischen ins Deutscheübersetzt werden , . Französisch war seineMuttersprache. Dennoch fühlte sich Ludwig Mieroslawskistets als Pole. Indessen hielt er sich nur wenige Jahre sei-nes Lebens in Polen auf. Die meiste Zeit verbrachte er inFrankreich. Von dort aus brach er viele Male auf, um dort-hin zu eilen, wohin ihn gerade Revolutionäre gerufen hat-ten, nicht nur nach Polen, sondern einmal nach Badenund zweimal nach Italien . Zweimal saß er in preußi-scher Haft. Das erste Mal befreiten ihn Berliner Revolu-tionäre, die von der Utopie des »Völkerfrühlings« begei-stert waren (s. o. I: ), das zweite Mal bewirkte die In-tervention der französischen Revolutionsregierung dieFreilassung. Seine natürlich französisch vorgetrageneRede, die er am 20. März 1848 vor Berliner Revolu-tionären und mitbefreiten polnischen Patrioten gehaltenhat, ist nicht im genauen Wortlaut überliefert (s.o. Kap. I:

). Wie seine Aufrufe während des badischen Aufstan-des im Juni 1849 , war sie pathosgeladen.Während des Triumphzuges durch die Straßen Berlins am 20. März 1848 schien es so, als könnte er – die siegrei-chen Berliner Revolutionäre im Rücken – dem König von Preußen ein freies, unabhängiges Polen abtrotzen(s.o. Kap. I).

Ludwig Mieroslawski baute auf die Revolution nach derDevise, daß Polens Sache die Sache der Revolution ist,weil Polen nur durch Revolution, d.h. durch den Sturz derMacht des preußischen monarchischen Militarismus unddes despotischen Zarismus seine nationale Unabhängig-keit erlangen konnte. Um dieses Ziel zu erreichen, dem erEnde März 1848 sehr nahegekommen zu sein schien,schloß er sich Erhebungen von entschiedenen Republi-kanern und radikalen Demokraten in Deutschland undItalien an und hoffte dabei auf ein internationalesZusammenwirken der republikanischen Kräfte gegen dieGegenrevolution.

Angesichts der Übermacht der Gegenrevolution im Früh-jahr 1849 erschienen die Hoffnungen der Republikanerauf ein Wiedererstarken der europäischen Revolution imNachhinein als Wunschdenken. Dennoch haben solcheHoffnungen viele, die im Badischen Aufstand gekämpfthaben, beflügelt. Mieroslawski dagegen wußte von vorn-herein, daß er 1849 in Baden auf verlorenem Postenkämpfte. Er machte dafür Unterlassungen der für seinDenken zu gemäßigten demokratischen Politiker verant-wortlich . Wegen der Fremdherrschaft von Russen,Preußen und Österreichern in seiner polnischen Heimatsah er sich allerdings offenbar dazu verpflichtet, jedeauch noch so kleine Chance für die Sache der europäi-schen Revolution zu nutzen.

Das Einheits- und Freiheitsstreben der Deutschen unter-schied sich im 19. Jahrhundert von dem der Polen:Deutschland hatte zwar wie Polen noch keine nationaleEinheit erreicht, war aber doch frei von Fremdherrschaft.Auf diesem Hintergrund ist es zu verstehen, daß inDeutschland anders als in Polen der Wille zum bewaffne-ten Aufstand durch die Niederlage der Revolution von1848/1849 entscheidend geschwächt wurde.

Überlegungen zu den Materialien:

1) Warum wird ein Pole militärischer Oberbefehlshaber inBaden? ,

2) Mit welchen Argumenten sucht Mieroslawski aktiveUnterstützung für den Badischen Aufstand zu gewin-nen?

3) Wie wirkt Mieroslawski (in der Mitte mit gezogenemHut) im Vergleich zu den anderen Personen? ,

. Woran sind die Mitglieder der Mannheimer Volks-wehr als Freischärler zu erkennen?

4) Welche Motive dürfte Mieroslawski für seine Appellekurz vor Zerstörung der Murgfront bei Rastatt gehabthaben? , . Wie dürften die Badener auf denAufruf reagiert haben?

5) Wie wendet sich Mieroslawski an seine Truppen? Wel-che Probleme hat er dabei? , , ,

6) Warum wird Mieroslawski in Deutschland eher ge-gensätzlich, in Polen dagegen einhellig positiv beur-teilt? , , , M 9M 8M 5M 1

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II. »Wo die Revolution ist, da ist des Polen Vaterland.«Ein polnischer Oberbefehlshaber 1849 in Baden:

Ludwig Mieroslawski

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2. Materialien

Kampf für die Befreiung Europas: AleksanderZurkowski, im Badischen Aufstand Hauptmann undAdjutant Mieroslawskis:

Wo die Revolution ist, da ist des Polen Vaterland.Diese Revolution ist nicht nur badisch, sie ist nicht nurdeutsch, sondern auch europäisch ... Sie ist weder dieTochter, noch die Erbin, noch die Beschützerin des Frank-furter Reichstages, sondern seine Antithese ... Es sind ein-fach zwei Gegensätze.Alle unsere Gedanken hatten sich auf den Punkt konzen-triert, die Preußen zu schlagen. Wir hatten nicht nur einealte Rechnung miteinander abzumachen, sondern erblick-ten in ihnen die Vasallen von Rußland, die bis an den Rheinvorgeschobenen Posten des Zaren. Bei dem ersten Zu-sammentreffen stößt Mieroslawski auf denselben [preußi-schen] General Hirschfeld, den er das Jahr vorher bei Wre-schen im Großherzogtum Posen geschlagen hat.Hier galt es den Kampf nicht nur für die gemeinschaftli-che Sache, sondern auch gegen den gemeinschaftlichenFeind; denn Deutschlands Unterdrücker sind auch dieUnterdrücker Polens: sie unterjochen das eine durch dasandere. Überdies haben die Polen die ungeheuere Sym-pathie Deutschlands für ihre Sache im Jahre 1830/31noch nicht vergessen. Noch vor kaum einem Jahr hat dasVorparlament aus freiem Antrieb die WiederherstellungPolens beschlossen.

Aleksander Zurkowski, 1849, zit. nach Krapp, Mieroslawski, in:ZGO 123 (1975), hrsg. von der Kommission für geschichtliche Lan-deskunde in Baden-Württemberg. Kohlhammer, Stuttgart, S. 228

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Mieroslawskiin Mannheimzusammen mitZivilkommissarTrützschler zuPferd vor derangetretenenMannheimerVolkswehr,Juni 1849.

Mannheim,Städt.

Reiss-Museum

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Aufruf MieroslawskisM 2

»Soldaten! Wehrmänner!« Hans Blum: Die deutsche Revo-lution 1848–49. Florenz und Leipzig 1898, FaksimilebeilageAus: Franz X. Vollmer, Der Traum von der Freiheit. 1983, S. 357, Abb. 302; © Theiss Verlag, Stuttgart

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Porträt: Ludwig Mieroslawski

Wehrgeschichtliches Museum Rastatt

Biographie

Ludwig Mieroslawski (1814–1878) wurde als Sohn einesemigrierten polnischen Offiziers und einer Französin in Ne-mours/Frankreich geboren und lebte seit 1820 in Polen.Bereits 1830 nahm er als 16jähriger Fähnrich an der polni-schen Erhebung gegen Rußland teil und emigrierte 1831nach Frankreich. Die gut einmonatige Reise durchDeutschland mit anderen polnischen Soldaten und Offizie-ren entwickelte sich zum Triumphzug. (1842 wurde Miero-slawski zum Mitglied der Zentralbehörde der polnischenEmigranten in Paris gewählt.) Nach dem durch Verrat ge-scheiterten Aufstandsversuch im zu Preußen gehörendenPosen von 1846 wurde er als dessen Organisator in Berlinzum Tod verurteilt, jedoch zu lebenslänglicher Gefängnis-strafe begnadigt, durch die Märzrevolution 1848 aber vonBerliner Demokraten aus dem Gefängnis Berlin-Moabit be-freit und begeistert gefeiert. In Posen bildete er daraufhineine polnische Freischar und begann sofort einen Aufstandzu organisieren (vgl. I: ). Trotz zweier siegreicher Ge-fechte scheiterte der Aufstand. Mieroslawski geriet im Mai1848 erneut in preußische Haft, wurde aber auf Interventi-on des revolutionären Frankreichs am 27. Juli 1848 begna-digt und nach Frankreich ausgewiesen. Von Paris aus rei-ste er Anfang 1849 nach Sizilien. Dort übernahm er den mi-litärischen Oberbefehl über die Aufständischen. Er bliebaber ohne Erfolg und zog sich im Kampf eine Verwundungzu. Um sie auszuheilen, kehrte er am 24. Mai 1849 nachParis zurück. Bereits am 9. Juni 1849 übernahm er in Ba-den den militärischen Oberbefehl und wurde zum direkten

Gegenspieler des Prinzen Wilhelm von Preußen (vgl. V.).Nach dem Zusammenbruch der Murgfront bei Rastatt leg-te er am 1. Juli 1849 den Oberbefehl nieder. Danach lebteer zunächst drei Monate in der Schweiz, dann in Paris alsPrivatlehrer. 1861 erhielt er von Guiseppe Garibaldi denBefehl über die internationale Legion in Italien, 1861–1862war er Kommandeur der polnischen Militärschule in Ge-nua. 1863 wurde er im polnischen Aufstand gegen Rußlandzum Diktator berufen, mußte aber über Krakau fliehen undkehrte nach Paris zurück. In den letzten Lebensjahren blieber ohne Einfluß. Er starb verarmt. Mieroslawski, der dieAufstände, an denen er teilgenommen hatte, nach ihrerNiederwerfung stets in einer Veröffentlichung analysierte,galt als ein Anhänger des permanenten Aufstandes undtrotz seiner Niederlagen als »polnischer Napoleon«.

Autorentext nach: Deutsches Historisches Museum: Bismarck –Preussen, Deutschland und Europa. Nicolai, Berlin 1990, S. 184:Nr. 3b/79; Meyers Konversations-Lexikon Bd. 11, Leipzig 1890, 4. Aufl.; Deutsche und Polen, S. 669f.; Krapp, Mieroslawski, S. 227–241

Militärpolitische Entscheidungen im Frühjahr1849

Am badisch-pfälzischen Aufstand beteiligten sich unge-fähr 200 Polen in der sogenannten polnisch-deutschenLegion. Noch von Paris aus forderte Mieroslawski eineAusweitung der Erhebung auf Württemberg. Sein Plan ei-nes militärischen Vorstoßes nach Württemberg setztesich allerdings nicht durch. In seinen nachträglichen Auf-zeichnungen rügte Mieroslawski diese Unterlassung derbadischen Revolutionsregierung, denn nach seiner Mei-nung bedeutete Zögern den Tod der Revolution. An Stel-le dessen wurde seinerzeit ein militärischer Vorstoß nachHessen Richtung Frankfurt unternommen, der jedochscheiterte. Außerdem war die Auffassung verbreitet,Württemberg könne die Revolution selbsttätig gegen sei-nen energischen König durchsetzen.

Autorentext nach: Krapp, Mieroslawski, S. 235f.

Kämpfe auf verlorenem Posten

Ludwig Mieroslawski urteilt nachträglich:

Ich kam, um für die badische Revolution eine heroischeLeichenfeier zu leiten; einer in ihrem politischen Prologverderbten Revolution kann man durch strategische Maß-nahmen nicht mehr aufhelfen.

Zit. n. Michael Kunze: Der Freiheit eine Gasse. Traum und Lebeneines deutschen Revolutionärs. Kindler, München 1990, S. 696

Bevollmächtigter bei der Neckararmee, HeinrichHoff, an die provisorische Regierung Badens, Lagebei der Neckararmee, Heidelberg, 8. Juni 1849:

[...]Wie es heißt, soll Morgen oder Übermorgen Mieroslaws-ki ankommen. Ich glaube, daß wenn dies auch der Fall ist,man doch zuerst noch Sigel das Kommando überlassenmuß, denn M(ieroslawski), der ohnehin kein Deutsch kannund zwar ein ausgezeichneter Theoretiker aber weniger

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Praktiker ist, würde wenigstens 14 Tage brauchen umsich zu orientieren; es wird daher am besten sein, wenn erzuerst sich längere Zeit einstudiert. [...]

Künftig abgedruckt in: Alfred Georg Frei/Kurt Hochstuhl: Wegbe-reiter der Demokratie. Die badische Revolution 1848/49. DerTraum von der Freiheit, Braun, Karlsruhe 1997

Urteil eines modernen Historikers

[...] Gegen diese Streitmacht von zwei preußischen Ar-meekorps unter dem Prinzen von Preußen [...] und einemBundeskorps, bestehend aus Hessen, Nassauern, Bay-ern, Württembergern und Mecklenburgern, mit zusam-men mehr als 50 000 Mann konnte Mieroslawski nichtmehr als etwa 10 000 Mann badischer Truppen und etwa15 000 Mann Volkswehren und Freischärler aufbieten.Seine Armee war nicht nur zahlenmäßig und in der Ausrü-stung unterlegen, auch ihre Disziplin war mangelhaft.Gleich in der Rede, mit der er am 10. Juni in Heidelbergvor seine Offiziere trat, appellierte Mieroslawski daran,»die schlechte Disziplin« zu bekämpfen. Er selbst hatspäter für seine Niederlage auch die Unentschlossenheitder Revolutionsregierung verantwortlich gemacht, der eineigentliches politisches Programm und der Wille gefehlthabe, die Insurrektion zur Revolution zu machen: »imGrunde wußten weder die Bürger noch die Soldaten, fürwas sie kämpfen sollten«. Daß er selbst nicht Deutsch,die Führer seiner Einheiten meist nur schlecht Franzö-

sisch sprachen, vergrößerte seine Schwierigkeiten eben-so wie die Gerüchte, die seine Gegner über seine angeb-lich maßlosen finanziellen Forderungen verbreiteten.

Heinz Boberach, 1991, in: Deutsche und Polen, S. 55

Gerichtsurteil gegen Mieroslawski:

In Untersuchungssachen gegen Ludwig Mieroslawski ausPolen wegen Hochverrats wird auf gepflogene Untersu-chung [...] zu Recht erkannt, Ludwig Mieroslawski [...] seider Teilnahme an dem im Jahre 1849 in Baden ausgebro-chenen hochverräterischen Aufruhr für schuldig zu er-klären und deswegen zu lebenslänglicher Zuchthausstra-fe, sowie zum samtverbindlich mit den übrigen Teilneh-mern an dem Aufruhr zu leistenden Ersatze des durchden Aufstand dem Staate gestifteten Schadens und zurTragung der Kosten der Untersuchung und seiner Strafer-stehung zu verurteilen.1

Mitteilung des Hofgerichts des Mittelrhein-Kreises an dieGeneral-Staatskasse in Karlsruhe, Bruchsal, 24. Mai1851

1 Nach einer sehr beschränkten Amnestie von 1852 wurde 1862 allen we-gen Beteiligung an der Revolution Verurteilten Straffreiheit gewährt, wassich nur für die Emigranten auswirkte, da die Strafen entweder vorherverbüßt oder die Gefangenen entlassen worden waren. Mieroslawski istnicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt.(Deutsche und Polen, S. 648)

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Aufruf des Obergenerals Ludwig Mieroslawski

Aus: F.X. Vollmer: Der Traum von der Freiheit. © Theiss, Stuttgart 1983, Abb. 350, S. 410

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III. Ein Tod in Wien – Tod dernationalen deutschenRevolution?

1. Erläuterungen

Der Weg Robert Blums, des modernen, volkstümlichenFührers der gemäßigten politischen Linken im FrankfurterPaulskirchenparlament, zur Unterstützung der WienerOktoberrevolution wird in Ausschnitten nachgezeichnet.Seine Hinrichtung in Wien am 9. November 1848 machtevielen Deutschen schlagartig klar, daß die Gegenrevoluti-on mit unnachgiebiger Entschlossenheit von der Regie-rung Schwarzenberg betrieben wurde, wohl aus Grün-den, die mit der Situation im Vielvölkerstaat Österreichund dessen traditionellen Machtinteressen in Deutsch-land und Europa zusammenhingen.

Die Freiheitsbewegung der Frankfurter Paulskirchenver-sammlung und in den meisten Einzelstaaten mußte er-kennen, daß ihre nationale und freiheitliche »redende«Revolution erneut von den »alten Mächten« abgelehntwurde.Robert Blum wurde durch seinen Tod zur Symbolfigur fürden Umbruch der Revolution zwischen Herbst 1848 undFrühjahr 1849. Wie dachte und redete er? Warum wurdeer verurteilt? (Vgl. , , , )Blum war unter den vielen Akademikern im Paulskir-chenparlament nach Herkunft, Werdegang und Vorbil-dung als »Mann des Volkes« eine große Ausnahme.Bereits vor 1848 war der Autodidakt ein in ganz Deutsch-land bekannter Führer der liberalen Opposition. Er glaub-te zu wissen, daß jedes Abweichen vom gesetzlichenWeg zur Herbeiführung von Fortschritt, jede putschisti-sche Aktion Unglück über alle Beteiligten bringt. Von ge-waltsamen Aktionen eines Hecker und Struve distanzier-te er sich deshalb entschieden.Im Briefwechsel mit seiner Frau Jenny lernt man sei-ne wirklichen Gedanken und Gefühle kennen. Er gibt preis,welche geheimen Wunschbilder vom Gang der Entwick-lung ihn erfüllen. Die Dinge verlaufen anders als erwartet,stürmische und kriegerische Zeiten kommen, den Preußenund deren König wünscht er ein schlimmes Schicksal, dieFranzösische Revolution wiederholt sich, die Republiksteht vor der Tür – oder die Russen kommen.Weil er vom Gang der Revolution enttäuscht war, konnteer sich weniger als die meisten anderen Parlamentariereine friedliche Entwicklung vorstellen und hielt, durch-drungen vom Gedanken der Befreiung und Erlösung derVölker vom Joch der »Dynastien« und von der Vorstellungeiner Verbrüderung des freiheitlichen Westeuropa (s. ), Gewalt gegen unaufgeklärte Fürsten in Ausnah-mesituationen für unvermeidlich.Aus Wut und Resignation trug er sich mit dem Gedanken,die Politik an den Nagel zu hängen und in die Idylle zuflüchten. Im September war er offenbar zu dem Entschlußgekommen, daß er im Frankfurter Parlament mit seinempolitischen Latein am Ende war. Sein Weggang nach Wien– er wurde auf eigenen Wunsch als Deputierter nach Wiengeschickt – war zunächst ein »Weg-von«, eine Flucht.

Kaum in Wien angekommen, wurde daraus jedoch ein»Hin-zu«, ein Eintauchen in alte Idealvorstellungen vomWerden und Gedeihen einer echten Volksbewegung. DemPessimisten Blum folgte wieder der »Enthusiast«, der sichmitreißen ließ, der wohl auch unbedachte Reden hielt undden Bitten örtlicher Stellen nicht widerstehen konnte, sichmehr oder weniger symbolisch als Ehrenmitglied im »Corps d’ élite« an Kampfhandlungen zu beteiligen. Werso den »Puls der Zeit« fühlte, der durfte wieder schwung-voll als politischer Repräsentant wirken.Dies wurde ihm zum Verhängnis: Er wurde, obwohl er mitder Immunität eines Parlamentariers ausgestattet war,wie andere Führer des Wiener Aufstands verurteilt und er-schossen ( , ), nahm auf eindrucksvolle Weisebrieflich Abschied von seiner Familie ( ) und ertrug ei-nen Tag vor seinem 41. Geburtstag seine Lebenskata-strophe würdig und gefaßt. Sein Tod erschütterte in allenTeilen Deutschlands die Massen ( , , ), of-fenbarte den Grad ihrer Politisierung und verschärfte dieSpannungen innerhalb der Freiheitsbewegung inDeutschland wie zwischen der Freiheitsbewegung insge-samt und den Kräften der Gegenrevolution.Gedrungen und knollennasig wie Sokrates, grobschläch-tig, versehen mit Revoluzzerbart, ausdrucksstarker Red-ner im Parlament wie vor den Massen, war es Blum weni-ger als anderen prominenten Abgeordneten möglich, sichvor Anfeindungen zu schützen.In der Karikatur wird er von seinen politischen Geg-nern als Demagoge und Feigling diffamiert: Er hat Waffenund Heckerhut bereits weggeworfen und seine parlamen-tarische Immunität durch eine Parlamentsschärpe her-vorgehoben, um ungeschoren davonzukommen und inBerlin sein zerstörerisches Werk gegen die preußischeMonarchie fortzusetzen.Gegenfigur zu Blum ist Schwarzenberg ( , ),der eiskalte Rechner. Er kämpft gegen die nationale Re-volution und für eine Rückkehr aller deutschen Staatenzum Deutschen Bund. Er hat folgende Hauptziele:Zentralistisches Großösterreich als deutsches wie eu-ropäisches Bedürfnis, Rückkehr aller Einzelstaaten zumDeutschen Bund unter österreichischer Vorherrschaft mitstarker Exekutivgewalt, der eine Volksvertretung als Fas-sade zugeordnet werden soll, in der neben Fürstenvertre-tern nur Abgeordnete sitzen, die den Fürsten genehmsind, Kooperation mit denjenigen Einzelstaaten, derenFürsten in der Lage sind, freiheitliche Bestrebungen nie-derzuhalten.Für das alte Österreich bedeuteten Blums republikani-sche Pläne, daß eine freiheitlich Reichsgewalt ohne maß-geblichen Einfluß der Fürsten hergestellt worden wäre,daß die nationale Reichseinigung unter Ausschluß nicht-deutscher Landesteile und Länder die gesamte Habsbur-germonarchie, die nur noch als lockere Personalunion zudenken gewesen wäre, zerschnitten hätte, weil dann diebundeszugehörigen und die bundesfremden GebietsteileÖsterreichs eine jeweils eigene Verfassung, Regierungund Verwaltung hätten bekommen müssen. Die Deut-schen innerhalb des Habsburgerreichs wären entschei-dend geschwächt, die Rivalität anderer Nationalitätenwäre verschärft worden, das »regulative Moment« dieserStruktur, die komplizierte Gemengelage der Völker ver-schiedener Nation, wäre gestört gewesen.

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Die nichtdeutschen Nationalitäten stützten als kleine Na-tionen mehrheitlich den übernationalen österreichischenKaiserstaat, im eigenen Interesse wie auch im InteresseEuropas und auch im »Interesse der Humanität«, wie diesder tschechische Historiker Palacky, der sich als »Böhmeslawischen Stammes« bezeichnet, formulierte (s. dazuauch ). Und Schwarzenberg als Deutschböhme undmit den Tschechen in Böhmen eng verbundene Personsah sich berechtigt, deren Eigenständigkeit im Gesamt-staat Österreich zu erhalten, zum Wohle aller Österrei-cher, auch der Deutschen, wie auch zum Wohle eines eu-ropäischen Machtverteilungskonzepts und gewiß auchzum Vorteil der Macht der altehrwürdigen »kaiserlichen«Habsburgermonarchie, deren jungen Monarchen, KaiserFranz Joseph, er in diese politische Welt im Spätherbst1848 hineinführte. Deshalb widersetzte er sich entschie-den der nationalen Reichsgründung und wollte mit derRevolution insgesamt brechen. Dafür hatte er in Öster-reich Rückhalt bei der Masse der Bevölkerung aller Natio-nalitäten außer der ungarischen. Die Donaumonarchiewurde damals noch nicht als unzeitgemäßer Vielvölker-staat, als »Völkerkerker« gesehen.Nach dem Tod von Blum und dem Sieg der Gegenrevolu-tion in Österreich wurde der Mehrheit in der Paulskirchenach und nach klar, daß nur noch mit Preußen eine Lö-sung der Deutschen Frage nach ihrem Selbstverständnismöglich war. Diese Rolle wollte und konnte Preußen nichtspielen. Es war weder bereit, auf eigene Rechte und aufunumschränkte Souveränität über die Armee zu verzich-ten; noch war es gewillt, wegen der Frage der nationalenEinheit Deutschlands sich mit Österreich und anderen eu-ropäischen Großmächten (z. B. Rußland) zu überwerfenund einen europäischen Krieg zu riskieren.Der Tod Robert Blums hatte weithin Illusionen vom dochnoch möglichen gesetzlichen Fortschritt zerstört. NeueVerhaltensweisen dem gewaltsamen politischen Gegnergegenüber kündigten sich an und gaben der Revolutionallmählich einen anderen, einen unversöhnlicheren Cha-rakter (s. auch ). Auf die Gegenrevolution in Wien imOktober 1848 folgte die radikale Revolution aus einigendeutschen Einzelstaaten. Dazu wurden neue Organisatio-nen (meist republikanische Volksvereine) aufgebaut, ummöglichst viele Deutsche für Konfrontation und für Ge-gengewalt zu gewinnen. Man durfte als Revolutionärnicht mehr »vor den Thronen« stehenbleiben und brauch-te ein »erzürntes Volk« (Gustav Struve), das zum Zurück-schlagen und zum Zuschlagen bereit war.

Überlegungen zu den Materialien:

1) Was zeichnet Blum als modernen nationalen, (west-)europäischen und volkstümlichen Politiker aus? Wel-ches sind die tieferen Gründe für seine Erschießung inWien? bis

2) Wie könnte man die Vorstellungswelt des den Deutsch-böhmen, den Tschechen und anderen Nationalitätender Donaumonarchie verbundenen Fürsten Schwar-zenberg charakterisieren? Wie sind seine Pläne, wie istsein Verhalten angesichts der komplexen Verhältnisseim Vielvölkerstaat Österreich und dessen Stellung im europäischen Mächtesystem zu beurteilen? ,

, ,

2. Materialien

Der Revolutionär Robert Blum und sein Tod in Wien

Debatte zur Außenpolitik in der Frankfurter Na-tionalversammlung am 22. Juli 1848. Robert Blumäußert sich über völkerrechtliche Verhältnisse:

Man sagt uns bei jeder Gelegenheit: die alte Zeit ist todt,die neue hat begonnen! Was war denn die alte Zeit ... inBeziehung auf die sogenannten völkerrechtlichen Ver-hältnisse? Sie war nichts Anderes als eine Reihe von Dy-nastenbündnissen ... die nur dazu dienten, entweder dergegenseitigen Herrschgier Schranken zu setzen, oder diegemeinsame Gewaltstellung zu erhalten und zu verstär-ken ... Diese Art von Bündnissen war es, die unser Vater-land eine undenkliche Zeit hindurch aufgehalten hat, einGroßes und Ganzes zu werden ... Sie war es, die dieFeindseligkeit der Stämme und die Spannungen der ein-zelnen Abtheilungen des Volkes hervorriefen, die soge-nannten Kirchthurminteressen in den Vordergrund scho-ben, um – die Blicke abzulenken von dem, was Noth that,von dem Bewußtsein, daß Deutschland nicht eher Gel-tung in dem Bunde europäischer Völker gewinnen könne,als bis es e i n f r e i e s Volk geworden. …(Der) Gedanke der Befreiung und Erlösung der Völker ...(der) Gedanke der neuen französischen Revolution sollund wird ebenfalls Propaganda machen in der ganzenWelt, und ich hoffe, er wird sie ausdehnen über Moskauhinaus, und das Licht der Freiheit auch in jene Länder tra-gen, die jetzt noch schlummern in der tiefsten Knecht-schaft. (Anhaltendes Bravo der Linken) …(Das) Ziel einer Verbrüderung des freigewordenen oderfreiwerdenden Westens, das ist es, dem ich meine Stim-me leihe. Mit der Erreichung dieses Ziels steht die Freiheitund der Friede in Europa gesichert, mit der Erreichungdieses Zieles steht die größte und intelligenteste Abthei-lung der europäischen Staatenfamilie in einer unbesieg-baren Vereinigung zusammen und kann mit Ruhe daraufhinblicken, wenn ein Despot ... (sie) ... verhöhnen oderdrohen wollte. ... Ich scheue den Spott nicht ... ich scheueihn nicht, weil ich weiß, daß ich einem Gedanken diene,auf dem die Zukunft, auf dem das Glück Europa’s beru-hen wird. (Anhaltender Beifall)

Zit. in: Stenographischer Bericht ... Hrsg. v. F. Wigard. ZweiterBand. Leipzig 1848, S. 1108f.

Urtheil

... Herr Robert Blum zu Köln in Rhein-Preußen gebürtig,40 Jahre alt, katholisch, verheiratet, Vater von 4 Kindern,Buchhändler zu Leipzig, welcher bei erhobenem Thatbe-stande durch sein Geständnis und durch Zeugen überwie-sen ist, am 23. Oktober ... in der Aula zu Wien durch Re-den in einer Versammlung zum Aufruhre aufgeregt, undam 26. Oktober ... an dem bewaffneten Aufruhr in Wien alsCommandant einer Compagnie des Elitecorps thätigenAntheil genommen zu haben ... soll nach Bestimmung derProclamation Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürstenzu Windischgrätz vom 20. und 23. Oktober ... mit demTode durch den Strang bestraft werden.So gesprochen in dem Standrechte ... Abends am 8. No-vember 1848.

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Vermerk: ist kundzumachen und in augenblicklicher Er-mangelung eines Freimannes mit Pulver und Blei durchErschießen zu vollziehen.

Zit. nach: Siegfried Schmidt: Robert Blum. Vom Leipziger Libera-len zum Märtyrer der deutschen Demokratie. Verlag HermannBöhlaus Nachfolger. Weimar 1971, S. 253f. (Leicht vereinfacht)

Robert Blum im Kreise seiner Familie

(Bild unten)

Robert Blum

1807 geb. am 10. 11. in Köln als Sohn eines Faßbinders,muß das Gymnasium in der 6. Klasse verlassen, um zumLebensunterhalt der Familie beizutragen; Lehre als Gold-schmied und Gelbgießer; Aufenthalt in Berlin, wo er alsNichtstudent Vorlesungen an der Universität besucht.Ab 1831 Arbeit als Theatersekretär und Bibliothekar inLeipzig; Herausgeber eines Theaterlexikons, Redner aufkulturellen und politischen Veranstaltungen. Er verehrtbesonders Schiller, dessen Geburtstag am 10. 11. mitdem seinen zusammenfällt.Ab 1839 Tätigkeit in der liberalen Opposition; Bekannt-schaft mit Führern des Liberalismus in ganz Deutschland;bekannt auch als Mitbegründer der deutschkatholischenBewegung, verheiratet, vier Kinder.Schon vor 1848 als Führer der sächsischen Liberalen De-mokrat und Republikaner; Mitglied im Vorparlament undAbgeordneter der Nationalversammlung in der Paulskir-che; Sprecher der linken Fraktion »Deutscher Hof«, die füreinen parlamentarisch-demokratischen Liberalismus, fürVolkssouveränität und für das allgemeine Wahlrecht ein-tritt. Schaltet sich in seiner Eigenschaft als Abgeordneterim Oktober 1848 in die Wiener Revolution ein und wird am9. November auf Wunsch von Schwarzenberg und auf An-ordnung von Windischgrätz standrechtlich erschossen.

Aus den Briefen Robert Blums an seine FrauJenny

Liebe Jenny,... heute mittag wählen wir den Reichsverwe-ser (Vermoderer!), die Mehrheit wählt den Erzherz. Jo-hann, einige Halbe, etwa 25-30 Gagern, wir wählen denalten Itzstein und eine Anzahl wählt gar nicht, weil sie den»unverantwortlichen« Kerl nicht mitwählen mag... Hof-fentlich bricht der Krieg in einigen Tagen aus; ehePreußens Verrat nicht klar ist, kommen wir auch nichtzum Ende; deshalb habe ich nichts dagegen, wenn dieRussen auch bis nach Berlin kommen. Hoffentlich wird Fr.Wilh. IV das Schicksal Ludwigs XVI. haben. In Leipzigwächst ja die Republik ungeheuer... (29. 6. 48)Liebe Jenny, ...Uns geht es ziemlich schlecht, die Mehr-heit wird alle Tage frecher und unverschämter, steckt mitden Regierungen unter einer Decke, spielt in und mit derVersammlung Komödie und treibt ihren Verrat ziemlich of-fen; es ist ganz 1789. Ob die Menschen niemals an 1793denken?... (5. 7. 48)Liebe Jenny,... In der National-Vers. verfolgt aus Bosheit,vom Volke in die traurigste Stellung gebracht aus Dumm-heit, von den Demokraten angefeindet und geächtet ausUnverstand stehen wir isolierter als jemals und habenvor- wie rückwärts keine Hoffnung... Nie bin ich so le-bens- oder wirkungsmüde gewesen wie jetzt; wäre esnicht eine Schande, sich im Unglück von den Kampfge-nossen zu trennen, ich würde zusammenraffen, was ich...habe und entweder auswandern oder mir in irgendeinemfriedlichen Tale des südlichen Deutschlands eine Mühleoder dergl. kaufen und nie wieder in die Welt zurückkeh-ren... (4. 10. 48)Liebe Jenny,... Wien ist prächtig, herrlich, die liebenswür-digste Stadt, die ich je gesehen; dabei revolutionär inFleisch und Blut. Die Leute treiben die Revolution gemüt-lich, aber gründlich... Wenn Wien nicht siegt, so bleibtnach der Stimmung nur ein Schutt- und Leichenhaufen

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Nach einer zeitgenössi-schen Lithographie von A. Hunger, LeipzigAus: Robert Blum 1848 • 1948. Ein Kämpfer für Einheitund Demokratie. Hrsg. v. Rat der Stadt Leipzig. Leipzig 1948, Tafel I

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übrig, unter welchem (ich mich) mit freudigem Stolze be-graben lassen würde... (17. 10. 48)Liebe Jenny,... Ich habe am Samstag noch einen sehrheißen Tag erlebt, eine Streifkugel hat mich sogar unmit-telbar am Herzen getroffen, aber nur den Rock verletzt.Wien kapituliert eben... (30. 10. 48)Meine liebe Jenny! (Ich) werde unfreiwillig hier zurückge-halten, bin verhaftet. Denke Dir indessen nichts Schreck-liches, ich bin in Gesellschaft Fröbels und wir werdensehr gut behandelt... (6. 11. 48)

Zit in: Ludwig Bergsträsser: Das Frankfurter Parlament in Briefenund Tagebüchern, Societäts-Druckerei, Abteilung Buchverlag,Frankfurt a. M. 1929, S. 380 ff.

Wien, 9. November 1848.Mein teures, gutes, liebes Weib, lebe wohl, wohl für dieZeit, die man ewig nennt, die es aber nicht sein wird. Er-ziehe unsre – jetzt Deine Kinder zu edlen Menschen, dannwerden sie ihrem Vater nimmer Schande machen. Unserkleines Vermögen verkaufe mit Hilfe unserer Freunde.Gott und gute Menschen werden Euch ja helfen. Alles,was ich empfinde, rinnt in Tränen dahin, daher nochmals;lebwohl, teures Weib!Betrachte unsere Kinder als teures Vermächtnis, mit demDu wuchern mußt, und ehre so Deinen treuen Gatten.Leb wohl, leb wohl! Tausend, tausend, die letzten Küssevon Deinem Robert.

Zit in: Schmidt, Robert Blum, S. 254; © Verlag Hermann BöhlausNachfolger, Weimar

Robert Blums letzte Stunde

»Aus jedem meiner Blutstropfen wird ein Märtyrer derFreiheit erstehen«

Aus einem Tagebuch

den 9. November.Ich erfuhr noch die näheren Umstände vom Tode RobertBlums... Heute Morgen 5 Uhr wurde ihm das Todesurtheilverkündet.

Er sagte ruhig: es trifft mich nicht unerwartet. Der Geistli-che vom Schottenthore, zu dessen Sprengel das Gefäng-niß Robert Blums gehörte, kam, um ihm die Beichte ab-zunehmen. Blum sagte, daß er nicht beichte, und derGeistliche sagte: er habe das gewußt...Mit drei Jägern und einem Offizier wurde er nach der Bri-gittenau geführt. Als er nach dem Richtplatze ging, stander mehrmals still und holte tief Athem. Er bat, daß manihm die Augen nicht verbinde. Der Offizier erwiderte: die-sem könne nicht willfahren werden, es geschehe der Soldaten wegen, und Blum band sich selbst das Tuch umdie Augen.... Von drei Kugeln getroffen, sank Blum nieder.Die eine traf in die Stirne, die anderen in die Brust. Seinletztes Wort war: »aus jedem Blutstropfen von mir wirdein Freiheitsmärtyrer erstehen.« Und das Wort wird Wahr-heit werden... Wo wird das enden? Welchen entsetzlichenGräueln sehen wir entgegen!...Wo solche Dinge geschehen, da ist alles Wort verloren,das gesprochene und das geschriebene.Als ich das Josephinum verließ, kam eben ein Trupp Sol-daten..., die trugen eine Bahre… drinnen lag wieder einMann, den sie mit raschem Blei kalt gemacht. Wer magdas sein? Wessen Herz hat aufgehört zu schlagen? Ichkonnte die Soldaten nicht fragen, denn zitternden Her-zens wußte ich, sie würden antworten: N i x d e u t s c h.

Berthold Auerbach: Tagebuch aus Wien, Von Latour bis auf Win-dischgrätz. Breslau 1849, S. 222-227

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Am unteren Bildrandsteht: »Druck und Ver-lag v. Ed. Gust May in Frankfurt a. M.«Bild in: Erinnerungsstät-te für Freiheitsbewe-gungen in der deut-schen Geschichte, Rastatt, Katalog Nr. 535

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Die Wiener Gegenrevolution

Schwarzenberg und Windischgrätz

Fürst Felix zu Schwarzenberg (1800-1852), einer dermächtigsten Aristokraten Böhmens. Die Fürstenfamilie,die eine übernationale, betont »böhmische« Haltung ein-nimmt, deren Mitglieder zweisprachig deutsch und tsche-chisch erzogen werden, besitzt etwa ein Dreizehntel derGesamtoberfläche des Königreichs Böhmen, Immobilienin Prag und Wien,auch Güter in Ungarn und bei Salzburg.Ab November 1848 Ministerpräsident und Außenministervon Gesamtösterreich.Fürst Alfred zu Windischgrätz (1787-1862), Oberbefehls-haber aller österreichischen Truppen, ebenfalls Deutsch-Böhme, ist sein Schwager und ihm eng verbunden, als ermit seiner aus Tschechen, Niederösterreichern und Kroa-ten (Banus Jellačic) bestehenden 70 000-Mann-Armee imOktober 1848 Wien einnimmt.

Konkurrierende Nationalitäten im VielvölkerstaatÖsterreich

Viele Tschechen in Böhmen und Mähren wünschennicht, daß sich die Deutschen in »Deutsch-Österreich«,Böhmen und Mähren einem deutschen Nationalstaat an-schließen. Viele Deutsche sind nicht dafür zu gewinnen,daß die Ungarn und die Tschechen sich zu einem unab-hängigen tschechischen oder ungarischen (National-)Staat zusammenschließen und die Deutschen in»Deutsch-Österreich« Teil eines deutschen National-staats werden. Viele Kroaten sind dagegen, daß Nordita-liener und Ungarn in die staatliche Unabhängigkeit ent-lassen werden.

Text: R. Obenland

Allerneuestes aus Wien

Schwarzenberg über Europa und Deutschland

Nicht in dem Zerreißen der (Habsburger-)Monarchie liegtdie Größe, nicht in ihrer Schwächung die KräftigungDeutschlands. Österreichs Fortbestand in staatlicher Ein-heit ist ein deutsches wie europäisches Bedürfnis. Vondieser Überzeugung durchdrungen, sehen wir der natürli-chen Entwicklung des noch nicht vollendeten Umgestal-tungsprozesses entgegen. (27. 11. 1848 vor dem öster-reichischen Reichstag)

Zit. in: Hans Fenske (Hrsg.): Vormärz und Revolution. (FSGA, C,Bd. 4.), Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 21991,Seite 370 (Ausz.)

Revolutionsende oder Revolutionswende

Revolutionäre und gegenrevolutionäre Entwicklungen

Vaterlandsvereine und demokratische Vereine riefen in ih-rer beispiellosen Empörung überall in Deutschland zuRobert-Blum-Trauerfeiern auf. Die österreichische Armeeunter Windischgrätz erschien Zeitgenossen (wie z.B.Ludwig Bamberger in Mainz) als »eine aus wilden Völker-schaften zusammengesetzte Barbarenhorde«, als »derplumpste Ausdruck brutaler Gewalt, welche den Geistüberwältigt«. Jellačic wurde mit »Dschingis-Khan« gleich-gesetzt.Republikanisches Gedankengut verbreitete sich zuneh-mend. Eine 1849 in der Pfalz und in Baden (Rastatt)kämpfende Truppe nannte sich demonstrativ »Robert-Blum-Legion«. Spendenaktionen in ganz Deutschland zu-gunsten der Familie Blum erbrachten bis zum 30. 12.1848 über 11000 Gulden, so daß Jenny Blum ihren Kin-dern in der Schweiz eine vorzügliche Ausbildung zukom-men lassen konnte. Der 9. November wurde in den Jah-

ren nach 1848 trotz Verbots oft mit Blum-Fei-ern (selbst im Ausland) verbunden. Wenn je-mand erschöpft war, konnte er sagen, er sei»tot wie Robert Blum«.Die Nationalversammlung in Frankfurt ließder österreichischen Regierung mitteilen,daß die »Erschießung Blums mit höchsterErregung und Entrüstung in ganz Deutsch-land aufgenommen sei, und zwar nicht nurvon der politischen Partei des Getöteten,sondern von allen Seiten«. Und sie fordertenSühne für die Erschießung Blums.In Österreich wurde jedoch niemand wegender Ermordung von Blum bestraft. Vielmehrforderte die Regierung Schwarzenberg nunoffen die Rückkehr zum Deutschen Bundund plante, notfalls eine von den Regierun-gen der Einzelstaaten angenommene Verfas-sung zu oktroyieren und gegen die Paulskir-chenversammlung militärisch zusammen mitPreußen vorzugehen. Unterstützt wurde die-se Politik von Frankreich, Rußland und wohlauch England.

Text: R. Obenland

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Sammlung Heil, Museum und Stadtarchiv Butzbach

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IV. »Für eine europäischeRepublik: Georg und EmmaHerwegh 1848«

1. Erläuterungen

Als eine Episode am Rande großer politischer Ereignissewird in historischen Darstellungen meist der Zug derdeutschen Demokraten von Paris nach Südbaden imApril 1848 behandelt. Hier werden die Motive, Zielvorstel-lungen und Irrtümer der deutschen demokratischen Legi-on dargestellt. Im Mittelpunkt stehen Georg und EmmaHerwegh, die ihrem Ziel der europäischen Republiküber 1848 und 1871 hinaus treu blieben.Ein Besuch in Berlin im Jahre 1842 wurde für den jungenErfolgsautor Georg Herwegh zur entscheidenden Wende.Hier begegnete er seiner künftigen Frau Emma Sieg-mund, der Tochter eines reichen Kaufmanns, die er einJahr später in der Schweiz heiratete. Das zweite Erlebniswar eine Audienz, zu der ihn König Friedrich Wilhelm IV.geladen hatte. Diese blieb zwar ergebnislos, diskreditier-te den Dichter aber bei manchen Gesinnungsgenossenund trieb ihn, der schon mit seinem Erstlingswerk ‘Gedichte eines Lebendigen’ (Winterthur 1841) scharfeKritik an den politischen Zuständen des vormärzlichenDeutschland geübt hatte, in radikalere Bahnen:»Dein war das Amt, der Freiheit Ring, den engen,Mit Meisterschlägen friedlich zu erweitern –Du hast’s verschmäht! Nun gilt es, ihn zu sprengen.« (138),1

schreibt er unter dem beziehungsreichen Titel ‘Auch dasgehört dem König’.

Der Augenblick, das Wort zur Tat werden zu lassen, kamerst im Februar 1848, den Herwegh in Paris, damals Zen-trum der Emigranten, erlebte. Die deutschen Exildemokra-ten, von denen manche auf den Pariser Barrikaden mit-gekämpft hatten, wählten ihn am 19. März zum Präsiden-ten ihres Zentralkomitees. ruft die Pariser Barrika-denkämpfer auf, ihre Waffen den Deutschen zu leihen, da-mit diese auch in Deutschland die Republik erkämpfenkönnten. Der Appell scheint wenig Resonanz hervorgeru-fen zu haben; in ihrer ersten Unterredung mit Hecker be-klagte Emma Herwegh den Mangel an Waffen und dasAusbleiben versprochener Lieferungen. Herweghs Be-hauptung, die Legion sei ein »wohlgerüstetes Hilfskorps«

, ist also irreführend. Seine Adresse an das französi-sche Volk verkündet sein politisches Programm – diedemokratische europäische Republik unter der Paten-schaft Frankreichs. Eine zu intensive Hilfe der II. Republikwird allerdings in diplomatischer Verklausulierung abge-lehnt – sollte Herwegh bereits ahnen, welchen Vorurteilendie deutschen Emigranten begegnen würden?In die konkreten Planungen führt . Die militärischenOperationen, die mit denen Johann Philipp Beckers undseiner ‘Deutschen Legion aus der Schweiz’ koordiniertwerden sollten, wurden von Anfang an bespitzelt und vonseiten der deutschen Regierungen mit Aufmarschbewe-gungen im Grenzgebiet beantwortet. Eine geschickte Pro-paganda suggerierte, daß ein französischer Einmarschdrohe, was bei der Bevölkerung am 25./26. März eine kol-lektive Panik auslöste. gibt Herweghs Versuch wie-der, das verlorene Terrain der öffentlichen Meinung zu-

rückzugewinnen. Nicht nur bei den Konstitutionellen derPaulskirche (s. ), sondern sogar bei Hecker scheintdie Propaganda gegen das Herweghsche Unternehmenverfangen zu haben. Emma Herwegh schildert ihre ver-zweifelten, unter großen Strapazen unternommenen Ver-suche, mit Hecker zu einer Absprache über ein gemeinsa-mes Vorgehen zu kommen. Von Straßburg aus suchte sieihn am 15. April in Engen, am 19., am Vorabend des Ge-fechts auf der Scheideck, in Kandern auf (s. ). DieVereinigung der Freischaren blieb aus, die Wandlung vomDandy zum revolutionären Freiheitskämpfer (Vergleich

und ) war vergebens. Als die HerweghscheSchar, von etwa 1500 auf weniger als die Hälfte ge-schrumpft, bei Kleinkems am 21./22. April endlich deut-schen Boden erreichte, war das entscheidende Gefechtbei Kandern bereits geschlagen und für die republikani-sche Sache verloren. Mehr aus Zufall kam es bei Dossen-bach doch noch zum Kampf. schildert das Gefechtaus der Sicht des Gegners und läßt die militärische In-kompetenz der Revolutionäre erkennen.Nicht nur Herweghs Rolle als aktiver Revolutionär war da-mit ausgespielt, es folgte der Rufmord am Dichter Her-wegh. Die unter Lebensgefahr gelungene Flucht in dieSchweiz wurde von seinen Gegnern zur feigen Desertionunter dem Spritzleder einer von Emma Herwegh gelenk-ten Kutsche umgeschrieben. »In keinem Ehrenkodexsteht, daß Revolutionsführer sich gefangennehmen las-sen müßten, um die Erschießung hinzunehmen.«, urteiltdagegen ein unvoreingenommener Historiker, Veit Valen-tin.2 Herwegh war nach dem Scheitern des Zuges poli-tisch kaltgestellt. Die Debatten der Paulskirche um dieVerfassung des Deutschen Reiches verfolgte er aus derFerne in ohnmächtigem Zorn mit bissigen Kommentaren

– die Legende vom schwatzenden Professorenpar-lament, von der Rechten wie von der Linken mit Eifer ge-pflegt, hat auch er mitgeschaffen; seine Verse sind ent-sprechend kritisch zu lesen.1866 kehrte er nach Deutschland zurück, verweigertesich aber konsequent den gängigen Anpassungsmusternvieler 48er. Vor allem die Reichsgründung von 1870/71fand keine Gnade in seinen Augen: »Dies ‘neue Deutsch-land’ bleib mir fern/Und zähle mich zu seinen Toten« (266)schrieb er schon vor dem Krieg von 1870. Eine politischeHeimat fand der Dichter in der Arbeiterbewegung, die ihmdas berühmte Bundeslied verdankt: »Alle Räder stehenstill, wenn dein starker Arm es will.« (233)

Anmerkungen1 Die Seitenzahlen der Zitate beziehen sich auf: Herweghs Werke in einemBand. Ausgewählt und eingeleitet von Hans-Georg Werner. Bibliothekdeutscher Klassiker. Berlin und Weimar (Aufbau-Verlag) 1980.

2 Veit Valentin: Geschichte der deutschen Revolution 1848–1849, Bd. 1, Ndr. Köln-Berlin (Kiepenheuer & Witsch) 1977, S. 500f.

Überlegungen zu den Materialien:

1) Welche Bedeutung hat die französische Februarrevolution von1848 für die deutsche Märzrevolution? und

2) Wie stellt sich Herwegh die Verwirklichung seiner Ziele vor?und

3) Welchen Vorurteilen begegnen die deutschen Exildemokra-ten? ,

4) Wie erklärt sich Heckers Zurückhaltung gegenüber Herwegh?, vgl.

5) Wie sind die militärischen Chancen der Deutschen Legion zubeurteilen? , M 9M 8

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2. Materialien

Georg Herwegh und Emma Siegmund 1842/43M 1

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Aufruf an die siegreichen französischen Republikaner, ihre Waffen den Exildeutschen zu leihenM 2

»Es lebe Frankreich, unsere Schwester für das Leben und den Tod!«

Aus: F.X. Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 96; © Theiss Verlag

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Adresse Herweghs 6. 3. 1848

An das französische Volk!Der Sieg der Demokratie für ganz Europa ist entschieden:Gruß und Dank vor allem Dir, französisches Volk! In dreigroßen Tagen hast Du mit der alten Zeit gebrochen unddas Banner der neuen aufgepflanzt für alle Völker derErde. [...]Französisches Volk, wir gehen Hand in Hand mit dir. [...]Erhalte allen deinen Kindern, was sie alle erkämpften, unddie einzige Hilfe, welche wir von dir begehren, ist, daß dustandhaft bleibst und uns zujauchzest, wenn wir von denZinnen des von deutschen Händen eroberten Deutsch-lands dir zurufen:Es lebe die Freiheit, die Gleichheit, die Bruderliebe! Eslebe die Demokratie! Es lebe die europäische Republik![...]

Briefe von und an Georg Herwegh, hrsg. von Marcel Herwegh.Verlag Albert Langen, Paris-Leipzig-München 1896, S. 133–135

Brief Herweghs an Hecker, 15. 3. 1848:

Paris, 15. März 1848.Die hiesigen Deutschen fangen an, sich zu organisierenund zu bewaffnen, und es ist Hoffnung vorhanden, in kur-zer Zeit ein Korps von 4–5000 Mann eingeübt und mit Of-fizieren versehen zur Disposition Deutschlands bereit zuhaben, welches auf das erste Signal von draußen, daß dieHilfe einer disziplinierten deutschen Armee nötig oder ge-wünscht wird, an den bezeichneten Ort marschiert. [...]Die Stimmung unter den hiesigen Deutschen ist sehr krie-gerisch, und sobald ein erstes Korps wirklich abmar-schiert wäre, würden tausende und vielleicht zehntausen-de organisiert und diszipliniert (um im Fall der Not auchLinientruppen Stand halten zu können) folgen.Köln, Frankfurt und das Großherzogtum Baden sind diePunkte, auf die sie ihr Hauptaugenmerk richten [...]Auf die Hilfe der Deutschen in Paris ist jeden Augenblickzu rechnen, und man würde unrecht thun, sie zu verach-ten, da viele von ihnen in den drei großen Tagen mitge-fochten und alle gesehen haben, wie man eine Revolutionmacht, und was ein Volk vermag.

Georg Herwegh.

Briefe von und an Georg Herwegh, S. 115–117

Aufruf Herweghs aus Straßburg,15. 4. 1848

Die Pariser deutsche demokratischeLegion.An unsere deutschen Mitkämpfer ausFrankreich und der Schweiz und an dasdeutsche Volk.Die Pariser deutsche demokratischeLegion ist an den Ufern des Rheins an-gekommen; sie hat hier deutsche Frei-heits-Legionen aus anderen StädtenFrankreichs und der Schweiz gefunden,

alle gekommen, um für die Freiheit des deutschen Volkeszu fechten. Ehe wir vereint zur ersten entscheidenden Tatschreiten, sei ein offenes Wort an unsere Freunde undMitkämpfer und an das ganze deutsche Volk gesprochen.Wir sind keine Freischaaren!Wir sind deutsche Demokraten, wollen Alles für das Volk,Alles durch das Volk! – Wir wollen die deutsche Republikmit dem Völker verbindenden Wahlspruche: Freiheit!Gleichheit! Bruderliebe!Wir sind keine Freischaaren!Wir sind ein wohlgerüstetes Hilfskorps im Dienste desdeutschen Volkes, bereit für Deutschlands Freiheit undGröße zu fechten bis auf den letzten Mann, gegen innereund äußere Feinde. [...]Deutsche Brüder in der Heimat! Eure Brüder aus derFremde, aus der Verbannung nahen, empfangt sie alsFreunde! Wir gedachten niemals als Feinde auf deut-schen Boden zu treten, niemals euch die Freiheit aufzu-dringen, niemals euren freien Willen zu beschränken,noch Euer Eigentum anzutasten. [...]Wir erklären euch aber auch zugleich, daß wir ungerufennicht kommen, daß es ferne von uns liegt, gewaltsam inDeutschland einzudringen, und daß, falls ihr unglückli-cherweise Deutschland für die vollständigste Staatsformder Freiheit: die Republik, noch nicht reif wähnt, wir weitentfernt sind, Euch unsere Überzeugung aufzudringen,oder Euch zwingen, freie Republikaner zu werden, wennIhr Unterthanen bleiben wollt.Wir werden dann dem neu erwachenden Polen zu Hilfeeilen, gegen Rußland kämpfen oder für Schleswig-Hol-steins deutsche Rechte in den Kampf ziehen [...]Gruß und Bruderschaft!Im Namen der deutschen demokratischen Legion vonParis, das Comité, Georg Herwegh.

Briefe von und an Georg Herwegh, S. 153ff.

Georg und Emma Herwegh als Freiheitskämpfer

Historisches Museum der Stadt Hanau, Schloß Philippsruhe-Hanauer Geschichtsverein

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Der Zug der Deutschen Legion durch Südbaden

Emma Herwegh über ihren zweiten Besuch beiHecker, Kandern, 19. 4. 1848:

Unser Wagen wurde angehalten, und erst nach genauerInspektion, unter bewaffneter Begleitung ins Hauptquar-tier geführt. Dies war die Nacht vor dem Gefecht, in demGagern fiel. Als mich Hecker aussteigen sah, rief er aus:Sie sind’s, Frau Herwegh? Na, Sie kommen grad recht,wir sitzen in der Mausfalle.Wie das?Von allen Seiten zieht sich das Militär zusammen, daswird einen heißen Kampf geben. [...]Endlich nahm ich ihn einen Augenblick beiseite und sag-te ihm: Der einzige Grund, weshalb ich Sie zum zweitenMale aufsuche, ist, um Sie nochmals in Herweghs Namenan Ihr gegebenes Wort zu erinnern, und Sie aufzufordern,ihm unverzüglich den Vereinigungspunkt zu bestimmen.Ehe mir diese Antwort nicht geworden, kehre ich nichtheim. [...] Unsere Mannschaft ist der ewigen Vertröstun-gen von einem Tage zum andern müde, und nicht mehr zuhalten, und die materiellen Mittel sind erschöpft. Es blei-ben uns jetzt nur drei Wege, entweder zu verhungern,auseinandergehen, oder uns Ihnen in kürzester Frist an-zuschließen. Darum bitte ich um eine entschiedene Ant-wort. [...] So sagen Sie Herwegh, rufen könne ich ihnnicht, aber wenn er kommen wolle, und recht bald und inrecht großer Anzahl, soll’s mir lieb sein. [...]So sehr mir Hecker gefiel, so wenig behagte mir sein Be-scheid, und ich ließ deshalb meinen Unmut an dem Er-sten aus, der mir in den Weg trat. Es war M. [Mögling].Wollt ihr wirklich nichts als eine badische Republik, sagtich ihm, so mögt ihr uns getrost ausschließen, denn wel-cher Mensch kann sich heutiges Tags dafür interessieren.Wollt ihr aber die Republik für ganz Deutschland, womög-lich für ganz Europa, und betrachtet, wie wir dies stetsvon Hecker vorausgesetzt, die badische nur als einen An-fang derselben, mit welchem Recht zögert ihr da, die Mit-wirkung Euerer Brüder und darunter Euerer besten Brü-der laut zu begehren?

F Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris. Von einer Hochverräterin. In: Briefe von und an Georg Herwegh, S. 175f.

Kämpfe auf Indianerweise im Hotzenwald

Bericht des württembergischen Hauptmanns Lipp überdas Gefecht bei Dossenbach, 27. 4. 1848:Die auf einer freien Stelle zwischen den Waldungen gela-gerte Legion griff zu den Waffen. Die deutschen Bannerwurden unter dem Kommandoruf »aux armes! aux ar-mes!« entfaltet. Ohne sich zu ordnen, und ohne ein weite-res Kommando abzuwarten, stürzte ein Schwarm mit wü-tendem Geschrei aus dem Walde, die Patrouille (derWürttemberger) mit einem Hagel von Kugeln begrüßend[...] Das Feuer der Legion blieb unerwidert, bis sie inschußgerechter Nähe gelangt war. Die Salve hatte Erfolg;Verwundete stürzten nieder und wurden dem Walde zu-getragen, wo die Legion die Ambulance errichtet hatte[...] Mit Ausnahme des Bataillons Schimmelpenning hattendie sogenannten Bataillone keine taktische Gliederungund rückten auf Indianerweise in ungeregelten Haufenvor, deckenden Terrainfalten nachziehend; ihre Schützenschwärmten in einem großen Bogen voran von Stellungzu Stellung, gedeckt durch die Obstbäume [...] Allesschrie, jeder wollte kommandieren und vermehrte dasDurcheinander, so daß trotz dem Mute, der viele der Legi-on beseelte, die innere Verbindung und Leitung abhan-denkam, und ein lähmendes Mißtrauen in die eigene Kraftsie um die letzte energische Anwendung derselben imentscheidenden Augenblick brachte.Darin stimmten übrigens ihre Schlachthaufen überein,daß sie zur Vermehrung solcher Unordnung ein Schlacht-geschrei anhuben, das kaum vom Knalle der Geschosseübertönt wurde. [...]

Friedrich Lautenschlager (Hrsg.): Volksstaat und Einherrschaft.Dokumente aus der badischen Revolution. Konstanz 1920, Verlag Reuß und Itta, S. 137–143

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Aus: Vollmer, Der Traum von der Freiheit, S. 126; © Theiss, Stuttgart

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Die Behandlung des »Falles Herwegh« in derPaulskirche (im Rahmen der Amnestiedebatteüber Hecker), 7. – 11. 8. 1848:

Brentano von Bruchsal:Es scheint, als habe man von Seiten der Reaction es ge-wünscht, daß irgend eine Emeute [Aufruhr] zu Standekäme, um die Zügel straffer und stärker anziehen zu kön-nen. Freilich, wenn dieses die Absicht gewesen sein soll-te, so hat der Erfolg die kühnsten Erwartungen der Reac-tion übertroffen. [...]Man hat absichtlich vorher verbreitet, es wollten fremdeZuzüger den Rhein überschreiten. Man hat unsere deut-schen Brüder, welche in Frankreich lebten, und nach derHeimath zurückkehren wollten, fremde Zuzüger genannt,und hat ein Zetergeschrei erhoben, als man die Truppen,die aus den Bundesstaaten kamen, gegenüber den badi-schen Truppen, fremde nannte; und noch heute sehe ichmit tiefem Schmerze in dem Ausschuß-Berichte unseredeutschen Brüder, welche aus Frankreich herüber ge-kommen sind, als Fremde bezeichnet. [...]

Welcker von Frankfurt:[...] Diese Männer [Struve und Fickler] sind zu mir gekom-men, als ich einen Herwegh’schen Brief in der Hand hat-te, worin er den deutschen Republikanern eine Hilfe von100 000 Franzosen versprach, wenn es Noth thue. – Ichhabe gesagt, der letzte Straßenkehrer in Paris würdeerröthen, an einem Unternehmen Theil zu nehmen, wel-ches den Landes-Verrath auf der Stirne trägt.

F Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deut-schen Constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt amMain. Hrsg. von Franz Wigard. Bd. 2 Ndr. München 1988, Sp.1437, 1453

Herweghs Meinung von der Nationalversamm-lung in der Paulskirche

[...]Zu Frankfurt an dem Main –Die Wäsche wird nicht rein;Sie bürsten, und sie bürsten,Die Fürsten bleiben Fürsten,Die Mohren bleiben MohrenTrotz aller ProfessorenIm Parla – Parla – ParlamentDas Reden nimmt kein End!

Zu Frankfurt an dem Main –So schlag der Teufel drein!Es steht die Welt in Flammen,Sie schwatzen noch zusammen,Wie lange soll das dauern?Dem König Schach, ihr Bauern!Dein Parla – Parla – Parlament,O Volk, mach ihm ein End!

Herweghs Werke in einem Band. Ausgewählt und eingeleitet vonHans-Georg Werner. Bibliothek deutscher Klassiker. Aufbau-Ver-lag, Berlin und Weimar 1980, S. 163f.

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Hauptmann Lipp im Gefecht mitReinhard Schim-melpenning(bei Dossenbach,April 1848)

Vorlage und Aufnahme: Gene-rallandesarchiv Karlsruhe

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1. Erläuterungen

Zeit seines Lebens setzte sich Prinz Wilhelm vonPreußen, der spätere Kaiser Wilhelm I., für den Erhalt ei-ner dominanten Stellung des Monarchen gegenüber demParlament, gestützt auf eine starke Armee, ein. Mit seinerPerson ist die Ablehnung des westeuropäischen Typs ei-ner parlamentarischen Monarchie aufs engste verbun-den.Im März 1848 wurde er vorübergehend nach London ge-schickt, weil er in Preußen als Scharfmacher (»Kartät-schenprinz«1) untragbar geworden war. Im Juni 1848 nachPreußen zurückgekehrt, wirkte er aktiv auf den Sieg derGegenrevolution hin. Im Juni 1849 übernahm Prinz Wil-helm den Oberbefehl bei der Niederwerfung des badisch-pfälzischen Aufstandes. Er sah darin einen Kampf gegen»Hochverräter« und eine gottgewollte Pflichterfüllung.Die folgenden Erläuterungen zu den Abbildungen bedür-fen keiner erklärenden Einbettung in den Gesamtzusam-menhang der Vorgänge von 1848/49. Diese leistet dieZeittafel , die eigens auf die Abbildungen abge-stimmte Schwerpunkte setzt und zugleich selbständigesErschließen der Revolutionsgeschichte anregen soll. Imübrigen eignen sich alle Materialien für ein fächerverbin-dendes Arbeiten in Geschichte, Deutsch und BildenderKunst.Die Karikatur lebt von der Schadenfreude der Be-trachter über die Fallhöhe der gestürzten Schlüsselfigu-ren der Reaktion, die nun, gleichsam im Niemandslandbefindlich, sich mit Attributen umgeben, die gemessen anihrer bisherigen politischen Bedeutung lächerlich wirken.Auf die frühere politische Schlüsselstellung der drei Exi-lierten verweist der Text unter dem Bild: »Sonst spielt ichmit Zepter mit Krone und Stern! Altes Lied, vielstimmigeingerichtet und zum beliebigen Gebrauch gewidmet denAllerhöchsten Herrschaften von N.N.« Die Exilierten wer-den jeweils mit für sie Typischem charakterisiert:– Louis Philippe, genannt »die Birne«, durch seine

großbürgerliche Kleidung als Bürgerkönig;– Prinz Wilhelm durch Uniform und anonymisierende

Rückenansicht als Militär schlechthin;– Metternich – durch seinen Habitus als Grandseigneur –

als Vertreter des untergehenden aristokratischen Zeit-alters.

Einen Hinweis auf die politischen Vorstellungen der Exi-lierten geben die Gegenstände, die sich als ihr Einsatz im(politischen) Spiel eignen würden: Louis Philippe könntevorschweben, die Stellung der alten Mächte durch mate-rielle Zuwendungen an das Großbürgertum wieder zufestigen (vgl. Geld und Handelsmann). Wilhelm, der Kar-

tätschenprinz, würde es gewaltsam mit Waffen versu-chen, seinem liebsten ‘Spielzeug’. Für Metternich, dersich mit Sektflaschen und diplomatischen Schriftstückenumgeben hat, läge es nahe, seine internationalen Bezie-hungen sowie seine Familienverbindungen (vgl. die aufdie Güter der Metternichs im Rheingau weisende Sektfla-schen-Aufschrift »Johannisberger«), zu nutzen, um derGegenrevolution zum Sieg zu verhelfen. Die Überschriftder Karikatur »Eine Whistgesellschaft! Vorerst nur einTisch mit einem Strohmann.« bezieht sich auf die Whist-Spielregeln2. Es entsteht der Eindruck des gehobenenNichtstuns. Von der Erschütterung des Prinzen (»Ich bin wie vernich-tet! Gar keine Aussicht in die Zukunft!«, Brief nach Pe-tersburg an seine Schwester, zit. n. Börner, Kaiser Wil-helm, S. 80) und seiner momentanen Offenheit für denFortschritt (»Erkennt das Rechte, und tut das Rechte zurrechten Zeit, damit es Euch nicht wie uns und Österreichgeht;...«, zit. n. ebenda) weiß die Karikatur nichts, eben-sowenig davon, daß er sich opportunistisch auf den Kon-stitutionalismus einließ .Der Sprachgebrauch in verrät die Grundhaltung desPrinzen: Gleichstellung der Armee mit ganz Preußen (Z.12 ff.); Ehrbegriffe und Selbstverständnis der Offiziere(Wahl der Adverbien und Adjektive, Z. 19 ff.); strikte Ab-grenzung des regulären Militärs von Verbänden wie z.B.einem Volksheer der Revolution, verbunden mit Abwer-tung (Z. 27 ff.); Selbstverständnis des Prinzen als Militär(Z. 38 ff.); Pathos der Grußformel (Z. 44).In wird einem bürgerlich gekleideten Herrn (Geh-rock, Zylinder) ein schlecht gekleideter Straßenverkäufergegenübergestellt, dessen Umhängetasche ihn ins Klei-neleute-Milieu der Zeitungsverkäufer verweist. Beide tra-gen die revolutionäre Kokarde und sympathisieren dem-zufolge trotz ihrer unterschiedlichen sozialen Stellung mitder Revolution. Der Straßenverkäufer will daher den Prin-zen zum niedrigsten Preis loswerden, der Bürger ihntrotzdem nicht kaufen (»Kofen Sie – ganz billig – der Prinzvon Preussen – Ganz billig. 6 Dreier« »Ne Junge – nich fürumsonst.«). Zur Mißliebigkeit des Prinzen in Berlin, wohindie Sprachform des Textes verweist, vgl. und dasLied des Bilderbogens , das ausdrücklich zwischenBerlin und hohenzollernfreundlicher Provinz unterschei-det.Bild und Text des Neuruppiner Bilderbogens und

sind Zeugnisse der wieder erstarkenden Gegenre-volution und sollten als Einheit betrachtet werden – auchwenn Verleger und Drucker Gustav Kühn nur den letzten

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V. »Den Drachen Revolution töten« – Prinz Wilhelm von Preußen.

Berlin – London – Karlsruhe: Ein Gegenrevolutionär unterwegs

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Abschnitt und das Lied verfaßt hat. Das übrige – ein Au-genzeugenbericht – stammt aus der Spenerschen Zei-tung vom 9. Juni 1848. Mit sicherem Gespür für die Neu-gier seines Publikums schildert Kühn – im Frühjahr 1848hatte er prorevolutionäre Blätter hergestellt! – den Einzugdes Prinzen Wilhelm anläßlich seiner Rückkehr aus demExil in England. Die das Bild beherrschende Ehrenpforte,der Blumenschmuck und die Fahnen – neben preußi-schen auch schwarz-rot-goldene als Zugeständnis an dienoch andauernde Revolution – sowie das Vivat der Um-stehenden sind Elemente einer Begrüßungsfeier für einengeschätzten Landesherrn oder siegreichen Feldherrn.Nichts erinnert daran, daß derselbe Mann knapp drei Mo-nate zuvor die revolutionären Berliner hatte zusammen-schießen lassen wollen und vor deren Wut hatte fliehenmüssen. Im Provinzort Nowawes, auch wenn es naheder Hauptstadt liegt, sind alle Bewohner treu dem Herr-scherhaus ergeben. Die Honoratioren stellen die Be-grüßungsdeputation (rechts im Bild). Lehrer und Dorf-pfarrer kümmern sich um den Chor der Schulkinder (linksim Bild).Im Text fällt obrigkeitsstaatlicher Untertanengeist auf: derOpportunismus, der sich im Gegensatz zum Serienunter-titel »Europäische Freiheitskämpfe« und zu der Formulie-rung des Bildtitels samt Untertitel ausdrückt; die Wort-wahl des Verschleierns und Vertuschens: ‘Reise nachLondon’ statt Exil in London, ‘Sturm der früheren Tage’statt Streit um die Rückberufung; die Umkehrung der Be-wertung: Der Prinz erscheint als verleumdet und ver-kannt; Liedtext: Der Prinz wird im Lied mit preußischemHurra-Patriotismus umgeben, der Tod für das Vaterlandmakaber popularisiert.Zu : Der Karikaturist spielt mit Versatzstücken desHerrscherbildes, an die man seit dem frühen Mittelaltergewohnt ist. Indessen verkehrt er in seinem Bild vonPreußens König – hintergründig auch des Thronfolgers –alles vom Positiven ins Negative:– Friedrich Wilhelm IV. lümmelt in menschenverachtender

Haltung (er tritt die toten Opfer der Gegenrevolution mitFüßen) auf einem Kanonenthron.

– Die Halbmaske macht den Vorgang noch unheimlicher.– Die Knute in seiner Hand verweist auf die Gewaltherr-

schaft im zaristischen Rußland. Die von Preußen dro-hende Unterdrückung wird als wesensgleich angepran-gert.

– Der Thronbaldachin besteht aus einem Galgen, an demzwei Hingerichtete hängen.

– Die Stützen des Thrones bilden das Militär in der Ge-stalt des Prinzen Wilhelm und der Henker, der am Beil,den Handschellen und den Kerkerschlüsseln zu erken-nen ist: Hinweis auf die Todesurteile (vgl. BadischerAufstand).

– Das Staatssymbol über dem Baldachin besteht ausSkelett-Teilen, die für einen Doppeladler als Zeichen der preußisch-deutschen Kaiserwürde im geeintenDeutschland stehen.

– Den Hintergrund bilden Bajonette.– Die Froschperspektive erhöht den bedrohlichen Ein-

druck.– Die in Herrscherbildern übliche Überhöhung wird durch

Rauchwolken des ausgetretenen Revolutionsfeuers er-reicht.

– Die Darstellung der unterworfenen Gegner, auf die derSieger seinen Fuß setzt, ist ein seit der Antike traditio-nelles Motiv. Die Unterworfenen sind aber nicht wie üb-lich lebendig dargestellt, sondern als tote Opfer der Ge-genrevolution. Die Menschenrechte werden mit Füßengetreten (vgl. den Literaten, der noch die Feder in derHand hält, d.h. Knebelung der Presse).

– Gestürzte antike Säulen erinnern an die griechischenIdeale der Freiheit, und ausgetretene Feuerbrände sym-bolisieren die Niederlage der Revolution sowie die er-neute Unterdrückung.

Die Karikatur will anklagen und zugleich warnen, wie esum Deutschlands Zukunft bestellt sein würde, wennPreußen die Führung tatsächlich übernimmt. Die Maß-nahmen z.B. bei der Niederwerfung des Badischen Auf-standes schienen diese Befürchtungen zu bestätigen undzu bekräftigen.Die den Prinzen verherrlichende Darstellung ist einZeugnis für das Selbstverständnis der siegreichen Ge-genrevolution – Ausdruck des harten und konsequentenVorgehens gegen die revolutionäre Bewegung. Am 19.Juni 1848 verhängte Prinz Wilhelm den Kriegszustandüber Baden. Damit verfielen alle, die weiterhin Wider-stand leisteten, als Hochverräter dem Kriegsgericht. Da-durch legitimierte er das harte Durchgreifen. In zeitgenös-sischen Bildern spiegelt sich diese Einstellung in der Fi-gur des Drachentöters. Das pathosgeladene Bild ist diegraphische Umsetzung einer Motivik, die aus der Traditi-on der Reiterstandbilder kommt: Der Prinz als der demSieg entgegenstürmende Feldherr auf vorwärtssprengen-dem Pferd. Die Truppe verschwindet hinter der Hauptper-son des Prinzen in einer dichten Staubwolke. Der zu Bo-den Gestürzte wird durch seinen mit einer Hahnenfedergeschmückten Hut als Freischärler ausgewiesen. DerReiter setzt über ihn hinweg. Dieses Motiv ist Teil einerebenfalls mit dem Reiterstandbild verbundenen Topik:Zumindest seit der Kaiserzeit war es üblich, eine odermehrere Figuren unterworfener Gegner oder einer trau-ernde Allegorie der Besiegten dem Feldherrn als Aus-druck des Triumphes unter die Hufe seines Pferdes zu le-gen.

Anmerkungen:1 Kartätsche: mit Bleikugeln gefülltes Artilleriegeschoß2 Whist: aus England stammendes Kartenspiel für 4 Personen mit 52 Blät-tern; auch zwischen 3 Personen und einem Strohmann (dummy, vgl.

) möglich. Vorläufer des Bridge

Überlegungen zu den Materialien:

1) Welche Eindrücke und Kontraste ergeben sich beimVergleich der pro- und gegenrevolutionären Bild- undTextquellen? + , + , +

2) Die Zeittafel eignet sich dazu, das Auf und Ab in derpolitisch-militärischen Karriere des Prinzen Wilhelmvon Preußen zu verfolgen. In welche vier Abschnitteläßt sie sich gliedern?

3) Text und Bild – , – werben für die Hohen-zollernmonarchie und verraten ein Mißverstehen derkonstitutionellen Monarchie. Der Text ist ab Z. 10 kri-tisch zu interpretieren. Die abschließenden Liedstro-phen sind unter politischen und ethischen Fragestel-lungen zu hinterfragen.

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2. Materialien

Eine Whistgesellschaft

Karikatur (März/April 1848) von Friedrich Wilhelm Storck,© DHM Berlin

Brief des Prinzen Wilhelmvon Preußen an General vonPrittwitz, London, 21. April 1848

»An den General v. PrittwitzExc., Kommandierender Generaldes Gardekorps in Berlin. [...]Der furchtbare Umschwung derVerhältnisse seit wir uns nichtsahen, kann nicht ohne Rückwir-kung auf die Armee bleiben, undAlles was Sie darüber sagen, –leider auch mit der Zeit für dasGarde-Corps zu befürchten, istganz meine Überzeugung. Istdie Armee aber erst soweit, wiedas 8. Corps es schon ist, wasbleibt dann noch von Preußenübrig?Sie können und müssen stolzdarauf sein, über die Tat, wie Sieden Kampf am 18. Und 19. führ-ten, stolz, so herrliche Truppen geführt zu haben, undstolz auf das Vertrauen, was Ihnen dieselben jetzt nochbeweisen! Wer solche Stunden mit seinen Truppen be-steht, da ist das Vertrauen unauslöschlich. Sie haben denRuhm, nicht allein die Ehre und den Ruhm des Garde-Corps, sondern der Armee aus der Catastrophe, die unsbetroffen hat, unbefleckt gerettet zu haben. [...] Undebenso ehren- und ruhmvoll ist es, daß es Ihnen gelungenist, bisher die Ordnung und die Zucht in Ihrer Truppe zuerhalten, die dieselbe durchdringen muß, wenn sie nichtzu Freischaaren zurücksinken soll. Je schwieriger dieseAufgabe war, nach allem was dieser Truppe zugemuthetworden ist, – im Siege abberufen zu werden, durch Wort,That und Schrift verhöhnt zu werden! –, je höher liegt IhrVerdienst! Der Gedanke ist mir theuer, daß der Geist, wel-cher Ihnen Ihre Aufgabe möglich machte, in der Truppewenigstens von mir nicht unangeregt gewesen ist. DieserGedanke tröstet mich in meiner Lage, bei dem Gedanken,daß das Vergangene nicht wiederkehrt! Und daher bin ichauch stolz, Führer einer Truppe gewesen zu sein, die sol-che allgemeine Anerkennung der Kriegs-Welt sich erwor-ben hat! So nehmen Sie, von Ihrem ehemaligen Führer,den wärmsten und aufrichtigsten Dank hin, für die Ehre,die Sie den Truppen zu erhalten wußten, die zu führen ichsolange die Ehre das Glück hatte!!Bis in den Tod der Ihrige! Prinz von Preußen«

Aus: Karl Ludwig von Prittwitz. Berlin 1848. Das Erinnerungswerkdes Generalleutnants Karl Ludwig von Prittwitz und andere Quel-len zur Berliner Märzrevolution und zur Geschichte Preußens umdie Mitte des 19. Jahrhunderts. Bearbeitet und eingeleitet vonGerd Heinrich. Walter de Gruyter, Berlin-New York 1985, S. 488f.

Zeittafel

1848, 9. März Prinz Wilhelm wird zum Militärgouverneur desRheinlands und Westfalens ernannt, nachdem die Volksbewe-gung in den preußischen Westprovinzen bedrohliche Formen an-genommen hat; seine für den 15. März geplante Abreise insRheinland unterbleibt wegen der Revolution in Berlin.1848, 13. März In Berlin geht das Militär erstmals gegen das Volkvor; Prinz Wilhelm kritisiert die Unentschiedenheit und Ratlosig-keit der Regierung als großen Fehler und drängt auf schnelles undbrutales Zerschlagen der revolutionären Bewegung (»Kartät-schenprinz«).1848, 16. März Prinz Wilhelm flieht mit Familie in das königlicheSchloß, weil er sich durch eine Menge vor seinem Palais bedrohtfühlt, die in ihm die treibende Kraft der Gegenrevolution sieht.1848, 18. März Friedrich Wilhelm IV. läßt gegen Mittag verkünden,er wolle einige Forderungen der bürgerlichen Opposition erfüllen:

– Zusammentritt des Vereinigten Landtags am 2. April

– Einführung einer Konstitution

– Gewährung der Pressefreiheit

– Mitwirkung Preußens an der Schaffung eines deutschen Bun-desstaats

(Das Patent ist mitunterzeichnet vom Prinzen Wilhelm als Thron-folger, der aber gleichzeitig erreicht, daß der rücksichtslose Ge-neral von Prittwitz den Oberbefehl über die Truppen im BerlinerRaum erhält). Um 14 Uhr läßt Prittwitz den Schloßplatz gewalt-sam räumen, daraufhin Barrikadenbau und Barrikadenkämpfe;nach ersten militärischen Erfolgen im Straßenkampf fordert PrinzWilhelm, der König solle seine gerade gemachten Versprechun-gen wieder zurücknehmen; trotz des späteren Eingeständnissesder militärischen Niederlage stemmt er sich weiter gegen die Bil-dung eines Ministeriums aus gemäßigten Konservativen undrechten Liberalen.

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1848, Nacht zum 19. März Viele Offiziere erkennen, daß ein Siegüber die Barrikadenkämpfer unmöglich ist; Prinz Wilhelm ist amMorgen des 19. dennoch gegen einen bedingungslosen Truppen-abzug und schreit deshalb den König an: »Bisher habe ich wohlgewußt, daß Du ein Schwätzer bist, aber nicht, daß Du eine Mem-me bist! Dir kann man mit Ehren nicht mehr dienen.« FriedrichWilhelm IV. verfaßt seine Proklamation »An meine lieben Berliner«.1848, 19. März Die Truppen räumen bis auf wenige Kompanienim Schloß die Stadt. Der König muß den toten Revolutionären dieletzte Ehre erweisen, indem er sein Haupt entblößt, als die Totenim Schloßhof vorbeigetragen werden. Nachdem die Revolutionä-re empört von Prinz Wilhelm den Thronverzicht verlangen, ent-schließt sich dieser auf Drängen des Königs zum Verlassen Ber-lins und ist sogar zum formellen Verzicht auf die Krone bereit.Abends flieht er nach Spandau in die Zitadelle.1848, 20. März Das Berliner Palais des Prinzen wird vor Brand-stiftung und Zerstörung durch einen einfachen Mann gerettet, derauf die Wand des Palais die Worte »National-Eigentum« schreibt.In der Nacht zum 21. März löst in Berlin das Gerücht, Prinz Wil-helm stünde mit einer Invasionsarmee vor der Stadt, Sturmläutenund erneuten Barrikadenbau aus.1848, 21. März Deswegen flieht Prinz Wilhelm auf die Pfauenin-sel, unterwegs wird er in dem Fischerdorf Cladow erkannt, vondort aus drängt er den König zur militärischen Einschließung Ber-lins und zur Niederwerfung der Revolution, aber der König lehntab und bleibt in Berlin und anerkennt in einem Umritt in Berlin dieErgebnisse der Märzrevolution (»Preußen geht fortan in Deutsch-land auf«); er befiehlt Prinz Wilhelm, umgehend nach England zureisen, »um dem befreundeten englischen Hof Aufschluß undAufklärung über die hiesigen Zustände und die hiesigen Ereignis-se zu geben«.1848, 22. März Prinz Wilhelm fügt sich dem König, verlangt aber,der Reise »den Stempel einer Mission« zu geben, nachdem vomHof die Ankündigung der bevorstehenden Reise ins Exil bereitsder Presse mitgeteilt worden ist. Die Märzgefallenen werden aufdem Berliner Friedhof Friedrichshain begraben. Abends tritt PrinzWilhelm in Zivilkleidern, glattrasiert und unter falschem Namendie Flucht an.1848, 24. März Nach einer gefährlichen Flucht, auf der er zweimalerkannt wird, geht Prinz Wilhelm in Hamburg an Bord eines Schif-fes. Am 27. März quartiert er sich im preußischen Gesandt-schaftspalais in London ein. Unter der Einwirkung des preußi-schen Gesandten Bunsen und der englischen Königsfamilie wirdseine Haltung gegenüber dem monarchischen Verfassungsstaatoffener.1848, April Prinz Wilhelm läßt sich im Kreis Wirsitz (Provinz Po-sen) als Abgeordneter in die preußische Nationalversammlungwählen.1848, Mai Die Presse berichtet am 11. Mai, daß das Staatsmini-sterium am 8. Mai an den König den Antrag gestellt hat, demPrinzen von Preußen die Abkürzung seines Aufenthalts in Eng-land zu empfehlen und daß Prinz Wilhelm sich für das neue Sy-stem in Preußen ausgesprochen hat. Ende Mai demonstrieren10 000 Berliner gegen die Rückkehr des Prinzen Wilhelm. Am 30.Mai bekennt sich Prinz Wilhelm in Brüssel öffentlich und schrift-lich zur konstitutionellen Regierungsform in Preußen.1848, Juni Vor der Rückkehr des Prinzen Wilhelm entzieht ihmder König aus Rücksicht auf die Volksstimmung das Kommandoüber das Gardekorps, weswegen Prinz Wilhelm protestiert: »So-mit habe ich weder in der Armee noch im Staat eine Stellung.« Am7. Juni trifft Prinz Wilhelm in Potsdam ein und wird vom König undder Königin erwartet und in Potsdam abends feierlich durch dieBevölkerung von Nowawes nahe seinem Wohnsitz SchloßBabelsberg empfangen. Am 8. Juni erscheint Wilhelm in derpreußischen Nationalversammlung in Berlin, was geteilte Reak-tionen hervorruft. In seiner Rede als Abgeordneter bekennt ersich zwar voll und ganz zur konstitutionellen Regierungsform,kündigt aber gleichzeitig die Niederlegung seines Abgeordneten-mandats an; danach kehrt er nach Potsdam zurück.

1848, Sept. Das Ministerium unter General von Pfuel übernimmtdie Leitung des neuen Kabinetts. Einige der Minister sind auf Vor-schlag des Prinzen Wilhelm ernannt worden.1849, April König Friedrich Wilhelm IV. lehnt am 28. die ihm vonder Deutschen Nationalversammlung angetragene deutsche Kai-serkrone ab.1849, Mai Der Badische Aufstand beginnt mit Soldatenerhebun-gen in Rastatt, weswegen der Großherzog von Baden Preußenum militärische Hilfe ersucht.1849, Juni Prinz Wilhelm wird am 8. zum Kommandierenden der»Operationsarmee in Baden und in der Pfalz« ernannt. Am 13./14.Juni treten die beiden preußischen Korps den Vormarsch an. Am20. Juni überschreitet Prinz Wilhelm mit dem I. Korps bei Ger-mersheim den Rhein. Am 22. Juni siegen die Preußen im Gefechtbei Waghäusel, und Prinz Wilhelm zieht in Mannheim ein. Am 25.Juni zieht Prinz Wilhelm in Karlsruhe ein.1849, Juli Am 1. Juli ist die Festung Rastatt, die Zuflucht der Auf-ständischen, eingeschlossen. Am 23. Juli kapituliert die FestungRastatt; es folgt die Entwaffnung der Aufständischen im Beiseinvon Prinz Wilhelm. Von den 30 in Baden zum Tode verurteiltenRevolutionären werden bis August 27 standrechtlich erschossen.1849, August Am 19. zieht Prinz Wilhelm zusammen mit demGroßherzog von Baden in Karlsruhe feierlich ein.1849, Oktober Am 12. zieht Prinz Wilhelm an der Spitze vonTruppen, die in Baden gekämpft haben, in Berlin ein.

Karikatur auf die Rückberufung des Prinzen vonPreußen 1848.

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Lithographie von Wolfahrt. Dietz Verlag, Berlin, Bildarchiv

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Das merkwürdige Jahr 1848. [...] 19. Bild (Textwiedergabe von ):

»Der Empfang Sr. K. Hoheit des Prinzen von Preußen hier in No-wawes bei Potsdam war eben so feierlich, wie herzlich. Troz desSturmes der früheren Tage waren Ehrenpforten in großer Zahlgebaut, an deren erstere, die mit der deutschen und preußischenFahne und vielen Blumen geziert, der größte Theil der Einwoh-nerschaft versammelt war. In geordneten Reihen stand dieSchuljugend zu beiden Seiten des Weges, voran die weiß geklei-deten Mädchen mit vielen Kränzen, Sträußen und Guirlanden.[...]Schon seit zwei Tagen wurde der Prinz von Preußen erwartet.Auch hatte sich das Musikchor des ersten Garderegiments nachdem prinzlichen Schlosse auf den Babelsberg begeben, vondessen Zinnen herab die deutsche und die preußische Flaggevereinigt wehten. Heute Morgen um 10 Uhr kam Se. K. Hoheitauf der Eisenbahn von Magdeburg an, und wurde auf der Wild-parkstation von Sr. Maj.[estät] dem Könige mit einer Umarmungund den Worten: »sei mir herzlich willkommen«, empfangen. Manwill bei dieser rührenden Empfangsscene nach so großen undfolgenreichen Ereignissen Thränen in beider Fürsten Augen ge-sehen haben. [...]Mit Begeisterung empfing Preußen die constitutionellen Ver-heißungen – mit Vertrauen die neuen Minister – mit Zuversichtsieht Preußen den Arbeiten seiner Vertreter entgegen, und er-wartet von ihnen das Staatsgrundgesetz, aus freier Berathunghervorgehend. In unserer constitutionellen Monarchie muß Kro-ne und Volk mehr, wie je, Eins sein, fest verbunden durch Ach-tung und Vertrauen, stark durch gegenseitige Treue; und deshalbgehört der dem Throne am Nächsten – der Prinz von Preußen –

jetzt in des Volkes Mitte. Der hierauf bezügliche Antrag des Mini-steriums hat Aufregung in Berlin hervorgerufen. Diese hat aber inden Provinzen eine weit mächtigere, in dem entgegengesetztenSinn blitzschnell erzeugt, weil das Gerechtigkeitsgefühl den ver-leumdeten, verkannten Prinzen entschieden hier vertritt, und desLandes Selbständigkeit, Berlin niemals das Recht einräumenkann, dortige Parteibeschlüsse für unser gesammtes Vaterlandgeltend zu machen. –

Hurrah! Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen!Ruft das Volk, ruft das Heer,Nicht Berlin ist’s Volk, wo viele eifern,Reden hin, reden her.

Mit Lebehoch erwarten die ProvinzenSehnsuchtsvoll, muthig sein,Ihren hochgeliebten theuren Prinzen.Landwehr schlägt, fröhlich ein.

Uebung macht den Mann; an jedem OrteBildet sich Bürgerwehr.Doch nur um zu steh’n als treue HorteBeim Fürsten, Hochgeehrt!

Hurrah! laßt uns darum jubelnd rufenHurrah heran! wer da kann!Preußen wollen gerne fröhlich blutenFür Hohenzollern’s Stamm.

Original u. Eigenthum No. 2068.Neu Ruppin zu haben bei Gustav Kühn.«

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Das merk-würdige Jahr 1848.Eine neue Bilderzeitung

Neuruppiner Bilderbogen Nr. 2068Quelle: Berlin, Landesarchiv 1184a, © Bildarchiv preussischer Kultur-besitz 1997

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VI. »Gleiche Rechte und Chancen!«: RevolutionäreFrauen in Deutschland undFrankreich

1. Erläuterungen

Die Frauen finden im Vormärz und stärker noch in der Re-volution Anschluß an die allgemeine politische Bewe-gung, und dies zum ersten Mal in der deutschen Ge-schichte. Als benachteiligte gesellschaftliche Gruppewaren die Frauen von der Politik weitgehend ausge-schlossen gewesen.Weit entfernt von Gleichheit und Freiheit ist für siedie Teilnahme an politischen Fragen eine wichtige Vor-aussetzung für die Emanzipation. Frauenrechte sind ver-bunden mit der Durchsetzung der Grundrechte. DieFrauen, in öffentlichen Rollen meist nicht akzeptiert, arti-kulieren jetzt ihre Forderungen und Ziele , ,

, . Sie suchen nach passenden Ausdrucksfor-men , , , für ihre politischen Forde-rungen, die sie zum Teil ins Privatleben übertragen .In Frankreich erhält die dort bereits existierende Frauen-bewegung 1848, ausgehend von den Sozialistinnen,neue Impulse. Im Mittelpunkt des Interesses steht nebender Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen imprivaten und öffentlichen Bereich vor allem die so-ziale Frage, und damit für die Frauen vor allem das Pro-blem der Arbeitsorganisation .Daneben ist das aktive und passive Wahlrecht für dieWahl zur Nationalversammlung für die Frauen ein zentra-les kurzfristiges Ziel.Ausgehend von der Ankündigung der Regierung, dasWahlrecht nur Männern zuzusprechen, kommt es zu zahl-reichen Aktionen von Frauen, angeführt von AntonineAndrée des Saint-Gieles und Jeanne Deroin . Sie ar-gumentieren vor allem mit der Idee des republikanischenGleichheitsgedankens und damit im Interesse der ge-samten französischen Bevölkerung.Einzelne Frauen – schillernde Persönlichkeiten aus derSicht der Zeitgenossen – werden bekannt als »Emanzi-pierte«, als »Femmes scandaleuses«. Frauen wie LouiseAston, die geschieden sind, allein Lokale besuchen, Män-nerkleider tragen und Zigaretten rauchen, werden ver-lacht (vgl. die als Persiflage zu verstehende Sitzung desPolitischen Damenklubs, 1848: Abb. und Text ), aberauch bespitzelt und denunziert. Sie beschäftigen sich mitder Frage der sozialen Not und der Problematik der Ehe,einer ihrer Ansicht nach durch Ungleichheit und Abhän-gigkeit gekennzeichneten Institution , .Mit den Märzereignissen 1848 traten in Deutschland vie-le »namenlose« Frauen als Bestandteil des Volkes in Er-scheinung, sie blieben nicht im Hintergrund als Zu-schauerinnen, als zuhörende Ehefrauen, sondern nah-men aktiv am Revolutionsgeschehen teil , . Siebauen Barrikaden, begleiten die Freischarenzüge, stellenWaffen und Munition zur Verfügung, unterstützen Flücht-linge, tragen schwarz-rot-goldene Schals und Bänder, sierufen aber auch zum Frauen-Streik oder zur Hei-

ratsverweigerung auf . Sie schreiben Leserbriefe undPetitionen, in denen sie ihre Positionen und Forderungendarlegen , .Die Frauen versuchen über die Herausgabe von Zeitun-gen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ihreIdeen, Aktionen und Ziele einer breiteren Öffentlichkeitzugänglich zu machen und eine Plattform für Diskussio-nen zu bieten.Wichtigstes Publikationsorgan der Frauen in Frankreichist »La Voix des Femmes, journal socialiste et politique,organe des intérêts de toutes« . La Voix thematisiertalle Frauenprobleme, oft mit einer politischen Ausrich-tung, und behandelt schwerpunktmäßig die Lage der ar-beitenden Frauen.In Deutschland entstehen vier politische Frauenzeit-schriften. Die radikaldemokratische »Frauen-Zeitung«von Mathilde Franziska Anneke setzt die »Neue KölnischeZeitung« fort. Louise Astons »Der Freischärler. Für Kunstund Sociales Leben« ist ebenfalls der äußersten Linkenzuzuordnen. Eher philosophisch orientiert und den Zu-sammenhang zwischen privater und politischer Gewaltbetonend ist Louise Dittmars »Soziale Reform«. LouiseOttos im April 1849 erstmals erscheinende »Frauen-Zei-tung« wollte die Frauen als Unterstützerinnen fürdie demokratische Freiheitsbewegung gewinnen undgleichzeitig die Bedürfnisse und Interessen der Frauen in-nerhalb dieser Bewegung darstellen.Das Ende der politischen Frauenzeitschriften 1852 be-deutet auch das Ende der ersten deutschen Frauenbewe-gung, die Presse steht den Frauen nicht mehr als Instru-ment ihrer Interessen zur Verfügung.Neben der Verbreitung frauenspezifischer Themen durchdie Presse war die Organisation der Frauen in Vereinen,entsprechend dem allgemeinen Trend zur Vereinsbildung,eine weitere Möglichkeit für die Frauen, ihre Ziele und In-teressen zu artikulieren. Diese Zusammenschlüsse sindder Beginn der organisierten Frauenbewegung inDeutschland.Es entstehen demokratische Frauenvereine , dieals Wohltätigkeitsvereine praktische Hilfe für die Aufstän-dischen und Flüchtlinge leisten. Die Frauen nähen Fah-nen, sammeln Gelder, veranstalten Lotterien. Die Vereinesind aber auch Diskussionsforum und Ansprechpartnerfür nicht organisierte Frauen .Daneben entstehen Frauenbildungsvereine, die sich ge-treu dem Motto »Wissen ist Macht« der Erziehung vonFrauen und Mädchen widmen. Diese Bewegung findet ei-nen Niederschlag in der Gründung einer Frauenhoch-schule in Hamburg.Vereinzelt schließen sich auch Arbeiterinnen in Vereini-gungen zusammen.Französische Frauen werden in manchen Männerclubsals geduldete Zuhörerinnen zugelassen, gründen aberauch eigene Vereinigungen, z.B. den »Club des femmes«.

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»Les Vesuviennes«, eine Frauengruppe, die ein eigenesFrauenbataillon bildet, fordert in ihrem Manifest dieGleichheit von Mann und Frau mit gleichen Rechten undPflichten und damit z.B. den Frauenwehrdienst.Den sozialen Problemen in Frankreich entsprechend, istdort die Frage der Arbeitsorganisation für die Frauenvon besonderer Bedeutung. Die Idee der Nationalwerk-stätten, von denen die Frauen größtenteils ausgeschlos-sen waren, wird von der Frauenbewegung aufgegriffenund Konzepte von Assoziationen , Arbeiterinnen-vereinigungen, entwickelt, die durch eine unterschiedli-che Struktur gegenüber den herkömmlichen Betriebendie Situation der arbeitenden Frauen verbessern sollen.Trotz der unterschiedlichen Akzentsetzung in den Zielender einzelnen Frauen, in deren Aktionen, Zeitschriften undVereinen, kann man 1848/49 in Frankreich und Deutsch-land von einer auf das gleiche Ziel ausgerichteten Frau-enbewegung sprechen: hinter allen Aktivitäten steht letzt-lich die Forderung nach gleichen Rechten und Chancenund damit ein neues Frauenbild. Ein Frauenbild, das sich1848/49 weder in Frankreich, noch in Deutschland durch-setzen konnte.

Überlegungen zu den Materialien:

1) Erarbeiten Sie die Ziele der Frauen in der Revolution1848. Versuchen Sie dabei, die Ziele der verschiede-nen Bereiche zu gliedern! , , bis

2) In wieweit stimmen die Ziele der deutschen und fran-zösischen Frauen überein, in wieweit nicht? ,

bis3) Wie versuchen die Frauen, ihre Interessen durchzuset-

zen? bis , bis 4) Stellen Sie sich vor, im Jahr 1998 würden sich Frauen

versammeln und über ihre Rolle in der Familie, der Ge-sellschaft und der Politik diskutieren. Was würden siefordern und was würden sie ändern? Welche Mittelkönnten diese Frauen zur Durchsetzung ihrer Ziele ein-setzen?

2. Materialien

Politischer Damenklub, 1849

Aus: Der Satyr 1849, S. 14 f.; Sammlung Heil. Stadtarchiv undMuseum der Stadt Butzbach

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Ausschnitt aus einer Karikatur »Wenn Deutschland und Frank-reich Arm in Arm gehen...«

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Die 10 Gebote der Freiheit

7. Gebot:Du sollst das Weib als deines Gleichen schätzen.Kein Wesen ist dem Mann hier »untertan«,Du sollst das Recht nicht am Geschlecht verletzen;Denn offen Allen steht der Bildung Bahn!Du sollst dem Weib das Wirken nicht verwehren,Zum Heil der Menschheit, welcher Art es sei.Manch weiblich Herz kann Mut und Kraft dir lehren –Das ganze weibliche Geschlecht ist frei!Text: Harro Harring, in: Volks-Klänge, 1841

Aus: B. James, W. Moßmann: Glasbruch 1848.Flugblattlieder und Dokumente einer zerbrochenen Revolution.Luchterhand, München 1983, S. 96

Barrikade 1848

Mannheimer Barrikade am 26. April 1848 an der Brücke nach Ludwigshafen

Holzschnitt, Reiss-Museum der Stadt Mannheim

»Ehestands-Barricade«, 1848

1848 Frankfurt (Main) Federlithographie,handkoloriert (Fahne) Maße: 18,4u27,2

Unterhalb der Lithographie steht folgenderText: Frau – Du Stickstäuperos, bleib mer

von der Barricade, ich will dich nicht mer alsHaustyrann ... / Mann – Frau sei ruhig,

schwei norz, mer wolle uff der Stell a neuVerfassung mache, raum die Barricad aweg,

... (Auszug)

Sammlung Heil. Stadtarchiv und Museumder Stadt Butzbach

Beteiligung der Frauen an der Revolution

12. 4. 1851(Verurteilung). In Karlsruhe ist gegen Maria Antonia Steh-lin, Ehefrau des Schriftverfassers Achaz Stehlin aus Et-tenheim, die hofgerichtliche Erkenntnis, wodurch diesel-be wegen Beteiligung an der Revolution zu einer Zucht-hausstrafe von einem Jahr verurteilt war, vom Oberhofge-richte bestätigt worden. Die Verurteilte ist flüchtig.

Aus: Gerlinde Hummel-Haasis (Hrsg.): Schwestern zerreißt eureKetten. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982, S. 139

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Louise Aston 1848

»Ich glaube allerdings nicht an die Notwendigkeit undHeiligkeit der Ehe, weil ich weiß, daß ihr Glück meistensein erlogenes und erheucheltes ist... Ich kann ein Institutnicht billigen, das mit der Anmaßung auftritt, das freieRecht der Persönlichkeit zu heiligen, ihm eine unendlicheWeihe zu ertheilen, während nirgends gerade das Rechtmehr mit Füßen getreten wird... Ich verwerfe die Ehe, weilsie zum Eigenthum macht, was immer Eigenthum seinkann: die freie Persönlichkeit; weil sie ein Recht giebt aufLiebe, auf die es kein Recht geben kann; bei der jedesRecht zum brutalen Unrecht wird.«

L. Aston: Meine Emancipation. Verweisung und Rechtfertigung,Brüssel 1848, zit. nach: Ute Gerhard: Unerhört. Die Geschichteder deutschen Frauenbewegung. rororo, Reinbek bei Hamburg,1990, S. 45

Anonymer Leserbrief vom 1. 4. 1848

»Daß die Frau nicht mehr unter der Herrschaft ihres Ehe-mannes sei; daß sie, wie er, handeln, verkaufen, kaufen,einen Vergleich abschließen könne. Wir wollen die Revisi-on des code civil, der besagt: – ‘Die Frau muß ihrem Ehe-mann untergeordnet sein.’ Irrtum, die Unterordnung derFrau, das ist die Tyrannei... Keine Sklaverei mehr, keinenHerren mehr, Gleichheit zwischen den Eheleuten, laßt unsdie Mißbräuche zerstören, es ist Zeit, daß wir unsereRechte verteidigen. Zu wollen, daß die Frau nicht überihre Güter verfügen, nicht verkaufen, verpfänden nochGeld anlegen könne, das ist despotisch. Nicht nur, daßsie über nichts für sich verfügt, sogar ohne Genehmigungihres Ehemannes, sondern sie verfügt auch über nichtsfür ihre Kinder. Der Ehemann dagegen kauft, verwaltet,verkauft, ohne jemanden zu befragen. Das Gesetz soll füralle gleich sein. Warum sollte die Frau also nicht ihre An-gelegenheiten regeln wie der Mann?«

In: La Voix des Femmes, Zit. nach: Antes Claudia, Schunder Elke:Frauenrechtsbewegung und Publizistik 1848 in Frankreich. PeterLang, Frankfurt a.M. 1992, S. 215f.

Jeanne Deroin, 1848

« Aux électeurs du département de la Seine.» Citoyens,» Je viens me présenter à vos suffrages par dévouementpour la consécration d’un grand principe, l’égalité civileet politique des deux sexes.» C’est au nom de la justice que je viens faire appel aupeuple souverain contre la négation des principes quisont la base de notre avenir social.» Si, usant de votre droit, vous appelez la femme à pren-dre part aux travaux de l’Assemblée législative, vous con-sacrerez dans toute leur intégrité nos dogmes républi-cains: liberté, égalité, fraternité, pour toutes comme pourtous.» Une Assemblée législative, entièrement composéed’hommes, est aussi incompétente pour faire les lois quirégissent une société composée d’hommes et de fem-

mes, que le serait une assemblée composée de privilé-giés pour discuter les intérêts des travailleurs, ou une as-semblée de capitalistes pour soutenir l’honneur du pays.

Aus: Albistur, Maité, Armogathe, Daniel: Histoire du féminismefrançais du moyen âge à nos jours; éditions des femmes, Paris1977, S. 305

Aus den Statuten des »Wiener demokratischenFrauenvereins« 1848

»Die Aufgabe des Vereins ist eine dreifache: eine politi-sche, eine soziale und eine humane:a) eine politische, um sich durch Lektüre und belehrende

Vorträge über das Wohl des Vaterlandes aufzuklären,das demokratische Prinzip in allen weiblichen Kreisenzu verbreiten, die Freiheitsliebe schon bei dem Begin-ne der Erziehung in der Kinderbrust anzufachen undzugleich das deutsche Element zu kräftigen;

b) eine soziale, um die Gleichberechtigung der Frauenanzustreben durch Gründung öffentlicher Volksschulenund höherer Bildungsanstalten, den weiblichen Unter-richt umzugestalten und die Lage der ärmerenMädchen durch liebevolle Erhebung zu veredeln;

c) eine humane, um den tiefgefühlten Dank der FrauenWiens für die Segnungen der Freiheit durch sorgsameVerpflegung aller Opfer der Revolution auszuspre-chen.«

Zit. nach: Hauch, Gabriella: Frau Biedermeier auf den Barrikaden.Frauenleben in der Wiener Revolution 1848. Verlag für Gesell-schaftskritik, Wien 1990, S. 235

An den Frauenklub in Wien, 5. 9. 1848

Geliebte Schwestern!Ich reiche Euch aus der Ferne die Hand zum Schwestern-bunde und versichere Euch meine innigste Sympathie.»Emanzipation der Frauen« sei die Perle, die wir vereintaus dem schwarzen Meere männlichen Despotismus he-rauszuholen gedenken. Kühn wollen wir untertauchenund die Klippen nicht scheuen; denn auch in unsere See-len ist der Auferstehungsruf »Es werde Licht« gedrungen.Der schwache Sklave allein bricht jetzt seine Ketten nicht.Ach, und wir haben deren so viele und so schwerdrückend! [...]Wir fordern gleiche Berechtigung in Ausübung der Künsteund Gewerbe, wozu wir ebenso befähigt sind wie dieMänner.Wir wollen Advokatinnen werden. Wir verspüren dazu dasgrößte Talent; denn wir streiten sehr gern und haben im-mer das letzte, entscheidende Wort. [...]Wir wollen Doktorinnen werden [...]Wir wollen ein Amazonenkorps bilden, nicht für Paraden,sondern für die Stunde der Gefahr [...]Wir wollen Hörerinnen der Staatspolitik sein, aber nie Mit-sprecherinnen, wenigstens nicht öffentlich [...]Wir wollen einen Verein bilden für gute, wohltätigeZwecke mit einem Ausschusse [...]Wir wollen Bildungsschulen für deutsche Hausfrauen zuerrichten beantragen.

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Wir wollen darauf bedacht sein, ein Mittel zu ersinnen,den verderblichen Putz aus unsern Kreisen zu bannen.Wir wollen mit guten Beispielen vorangehen und nament-lich in unsern Versammlungen ganz einfach erscheinen[...]

Ein deutsches WeibAus: Hummel-Haasis, Schwestern... © Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982, S. 150f.

Louise Otto-Peters in der »Deutschen Frauen-Zeitung« Nr. 1, 21. April 1849

Wohl auf denn, Schwestern, vereinigt Euch mit mir. DieGeschichte aller Zeiten, und die heutige ganz besonders,lehrt: daß diejenigen auch vergessen wurden, welche ansich selbst zu denken vergaßen!...Dieser selbe Erfahrungssatz ist es, welcher mich zur He-rausgabe einer Frauen-Zeitung veranlaßt. Mitten in dengroßen Umwälzungen, in denen wir uns alle befinden,werden sich die Frauen vergessen sehen, wenn sie selbstan sich zu denken vergessen!Wohlauf denn, meine Schwestern, vereinigt Euch mit mir,damit wir nicht zurückbleiben, wo alle und alles um unsund neben uns vorwärtsdrängt und kämpft. Wir wollenauch unseren Teil fordern und verdienen an der großenWelterlösung, welche der ganzen Menschheit, deren eineHälfte wir sind, endlich werden muß.Wir wollen unser Teil fordern: das Recht, das Rein-Menschliche in uns in freier Entwicklung aller unsererKräfte auszubilden, und das Recht der Mündigkeit undSelbständigkeit im Staat.Wir wollen unser Teil verdienen: wir wollen unsere Kräfteaufbieten, das Werk der Welterlösung zu fördern,zunächst dadurch, daß wir den großen Gedanken der Zu-kunft: Freiheit und Humanität ( was im Grunde zweigleichbedeutende Worte sind), auszubreiten suchen in al-len Kreisen, welche uns zugänglich sind, in den weiterendes größeren Lebens durch die Presse, in den engerender Familie durch Beispiel, Belehrung und Erziehung. Wirwollen unser Teil aber auch dadurch verdienen, daß wirnicht vereinzelt streben nur jede für sich, sondern viel-mehr jede für alle, und daß wir vor allem derer zumeistuns annehmen, welche in Armut, Elend und Unwissenheitvergessen und vernachlässigt schmachten.Wohlauf, meine Schwestern, helft mir zu diesem Werke!Helft mir für die hier angedeuteten Ideen zunächst durchdiese Zeitung wirken! –

Aus: Möhrmann Renate (Hrsg.): Frauenemanzipation im deut-schen Vormärz. Texte und Dokumente. Reclam, Stuttgart 1978, S. 203 ff

»Etudes d’associations« – ein Aktionsplan derNäherinnen

Artikel 1Die Näherinnen bilden eine Assoziation, deren Dauer undMitgliederzahl unbegrenzt sind. Es gibt verantwortlicheAssoziierte und freie Assoziierte.[...]

Artikel 4Die Arbeits-, Verkaufs-, Ankaufs- und Buchführungsdi-rektorinnen werden von und unter den verantwortlichenAssoziierten gewählt. Jede Direktorin erhält die Vollmachtder Gesellschaft für die Geschäfte in ihrem Bereich. DerBuchführungsdirektorin obliegen die Beziehungen zuGläubigern und Kommanditisten.Artikel 5Alle Tagelöhnerinnen sind freie Assoziierte. Sie haben einRecht auf Beteiligung am Gewinn entsprechend der An-zahl der in der Assoziation geleisteten Arbeitstage undein Recht auf Unterstützung gemäß der Entscheidung derim Rat versammelten verantwortlichen Mitglieder.Artikel 6Der Arbeitstag beginnt um 8 Uhr morgens und endet um 6 Uhr abends. Zum Mittagessen wird nur eine halbe Stun-de eingeräumt. (Diese Regelung wird getroffen, damit dieFrauen um 6 Uhr zu Hause sind, um den Haushalt zu ver-sorgen und mit der Familie zu Abend essen zu können.)[...]Artikel 8Die verantwortlichen Assoziierten können bei dringendenArbeiten keinesfalls von Überstunden befreit werden. DieStunden werden in Form von Urlaubsbons bezahlt, dieals Äquivalent für Ausfallzeiten gelten (morte saison).[...]Artikel 10Jeden Monat wird zu einem festen Termin die Bilanz derGesellschaft gezogen. Nach Abzug der Zinsen für dasKapital wird der Ertrag folgendermaßen aufgeteilt:– Ein Viertel wird im Verhältnis zu den in der Assoziation

geleisteten Arbeitstagen unter allen verantwortlichenund freien Assoziierten aufgeteilt;

– Drei Viertel dienen zur Einrichtung eines Reservefonds,der dreierlei Zwecke erfüllen soll:

1) Unterstützung im Falle von Krankheit oder Arbeitsun-fähigkeit eines Mitglieds,

2) Erziehungshilfe für Kinder,3) die Bildung von Renten, die nach einer bestimmten

Zeit den Mitgliedern ausbezahlt werden.Artikel 11 TabelleAusgaben im Verhältnis zur Zahl der Assoziierten30 Arbeiterinnen zu je 1,50 F 45,––

3 Zusammenlegerinnen, 1 Zuschneiderin,eine zweite Verkäuferin, 5 Personen à 1,75 8,75

1 zweite Probiermamsell 2,––1 Verziererin 2,251 Arbeitsdirektorin (erste Probiermamsell) 3,––1 Direktorin für An- und Verkauf 3,––1 Direktorin für die Buchhaltung 3,––1 Laufbursche 3,––

Summe pro Tag bei einer Gesamtzahlvon 40 Assoziierten 70,––

Notwendiger Vorschuß für 3 Monate Lohnbei 70 F pro Tag (75 Tage) 5250,––

Aus: La politique de femmes publiée pour les ouvrières. Liberté,égalité, fraternité pour tous et pour toutes, Juni 1848.Zit. nach: Helga Grubitsch/Loretta Lagpacan: Freiheit für dieFrauen, Freiheit für das Volk. Sozialistische Frauen in Frankreich,1830–1848. Syndikat Verlag, Frankfurt a. M. 1980, S. 224 f.

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VII. Revolutionäre in der Emigration: »AuswurfEuropas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht?

1. Erläuterungen

Anders als in Europa zeigte sich vor allem in den USA,daß freiheitliche und demokratische Bestrebungen in po-litische Wirklichkeit umgesetzt werden konnten. Was sichin Deutschland und Europa als Aderlaß für die demokrati-sche Freiheitsbewegung auswirkte, trug in den USA zueiner Stimulierung der kulturellen, wirtschaftlichen undauch politischen Verhältnisse bei. Für Europa und speziellfür Deutschland ist dieser Blick von außen bei der Beur-teilung der inneren Vorgänge, d.h. der Revolution und ih-res Ende von unschätzbarer Bedeutung.Die Szenerie Europas wird von der politischen Re-aktion bestimmt: Deutsche Revolutionäre werden vonPreußen in die Schweiz gekehrt, französische von LouisBonaparte per Zwangsemigration verschifft. Gleichzeitigmit dem Sieg der alten Mächte in Deutschland erfolgt dieNiederwerfung des unabhängigen Ungarn, was der Re-gierung in Wien nur mit russischer Hilfe gelingt, währendim übrigen Europa – siehe Warschau – das Licht schonausgegangen ist.England floriert unter Königin Victoria, in Dänemark trium-phiert der König. In Frankfurt aber verkümmert eine par-lamentarische Vogelscheuche.Das Ende der Revolution in München wird durch einenbayrischen Bierkrug in Mönchsgestalt symbolisiert.

Begriffsklärung: »Forty-Eighters«, »Forty-Niners«Seit den Jahren 1845/46 ist eine rasant zunehmendeSteigerung der Auswanderungszahlen nach den USA zubeobachten. Nach der endgültigen Niederschlagung derRevolution 1849 steigen die Zahlen jedoch explosionsar-tig an . Ihre Zahl wird auf insgesamt etwa 500 000Personen geschätzt.1 In den USA werden allerdings nurdie führenden Köpfe der politisch motivierten Auswande-rer als die »Forty-Eighters« bezeichnet. Ihre Zahl schätztman auf circa 4000 Personen.2 »Forty-Niners« werden da-gegen all diejenigen genannt, die sich seit 1849 auf dieGoldsuche nach Kalifornien begaben.3

Im Folgenden steht jedoch nicht die große Gruppe derMenschen, die aus überwiegend wirtschaftlichen Grün-den ihre Heimat verließen, im Brennpunkt des Interesses,sondern die politischen Flüchtlinge der Revolution von1848/49.Manche kehrten aus Amerika enttäuscht zurück.4 Gegendie Auswanderung in die USA war auch schon vor derRevolution Stimmung gemacht worden . Für die an-deren stellte sich die Frage, wieweit sie sich in dem neu-en Land assimilieren und integrieren konnten. FriedrichHecker blieb in Amerika im Grunde Zeit seines Lebens einemigrierter Deutscher. Andere assimilierten sich mehr. EinBeispiel für gelungene volle Integration stellt Carl Schurzdar. Die Skala reicht vom politischen Flüchtling über den

niedergelassenen Emigranten und Deutsch-Amerikanerbis zum Amerikaner deutscher Herkunft.

Zielländer und rechtliche Lage der politischen FlüchtlingeIn der Schweiz, Frankreich und England bildeten sich be-deutende deutsche Kolonien. Das »wichtigste Zielland«aber waren die USA. Die genannten europäischen Länderhatten kein Interesse an den politischen Flüchtlingen. Ih-nen kam der große geographische Abstand der USAäußerst gelegen, um unbequeme politische Flüchtlingeweit weg abzudrängen.In den USA wurden politisch Verfolgte unterschiedsloswie alle übrigen Einwanderer aufgenommen. MaterielleUnterstützung von seiten des Staates gab es nicht. Dochschlug den Ankömmlingen oft Anteilnahme und Sympa-thie entgegen. Nachdem sich die Ankömmlinge aber auch in Amerika fürihre politische Sache in Europa betätigten, stießen siehäufig auf Ablehnung. Man erwartete von ihnen Anpas-sung an die amerikanischen Gegebenheiten.Ein Großteil der politischen Flüchtlinge verließ Europaüber den französischen Hafen Le Havre, wo es leicht war,sich unter falschem Namen einzuschiffen. Auf der be-schwerlichen Überfahrt erkrankten viele Passagiere undstarben. Manche Schiffe sanken während der Überfahrt.Auch über die Ankunft der Emigranten und Flüchtlingeauf Ellis Island vor New York kann man in Berichten dra-stische Schilderungen lesen.

»Forty-Eighters« in den USANach der Niederschlagung der Revolution fanden sichvor allem Intellektuelle als die führenden Köpfe der Revo-lution unter den Auswanderern. Auch von ihnen versuch-ten einige zunächst, sich landwirtschaftlich zu betätigen.Für sie bildete sich der Begriff »Latin Farmers« heraus,weil man ihnen spöttisch nachsagte, sie gingen mit einemBuch hinter ihrem Pflug her und seien mit klassischenTexten von Cicero oder Horaz besser vertraut als mit demAckerbau. Auch Friedrich Hecker war einer von ihnen

, . Andere wiederum nahmen nach ihrer An-kunft in den USA regen Anteil am öffentlichen Leben, ar-beiteten als Journalisten, gründeten deutschsprachigeZeitungen oder fanden den Weg in die Politik. Auf dieseWeise entstand eine Vielfalt von deutschsprachigen Pu-blikationen. Amerikaweit gab es um 1890 mehr als 700deutsche Presseerzeugnisse. In vielen Städten entstan-den auf Anregung deutscher Emigranten hin Philhar-monie-Orchester und deutschsprachige Bühnen, Ge-sang- und Turnvereine. Letztere waren Zentren politischer

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Betätigung, weil man nach dem Sport zu lebhaften Dis-kussionen zusammenblieb.Cincinnati ist die erste Stadt, die einen Turnverein grün-dete (1848); Friedrich Hecker war sein Leiter . Weite-re Turnvereine mit sozialistischem Programm entstandenin Boston (Karl Heinzen), New York (Gustav Struve) undMilwaukee5 (vgl. ).Unter den zahlreichen deutschen Firmengründungennahmen die Brauereien eine besondere Stellung ein. Ent-sprechend wurde auch die Kultur der Biergärten gepflegt.Dadurch fielen die Deutschen aber bei den puritanischgesinnten Amerikanern eher unangenehm auf, weil diesekein Verständnis dafür aufbringen konnten, daß die Deut-schen sonntags bei Bier und Blasmusik zusammen-saßen. Dennoch konnten auch sie nicht verhindern, daßdas deutsche Wort »Gemütlichkeit« seither fester Be-standteil der amerikanischen Sprache ist. Dasselbe ge-schah mit dem Wort »Kindergarten«. Margarethe Schurzhatte 1856 in Watertown/Wisconsin den ersten amerika-nischen Kindergarten eröffnet.

Die deutschen Emigranten im BürgerkriegDeutsche hatten auch im amerikanischen Bürgerkriegzwischen den Nordstaaten und den Südstaaten1861–1865 (Sezessionskrieg) einen maßgeblichen Anteilam Kriegsgeschehen. Schätzungen zufolge kämpften andie 200 000 Deutsche im Bürgerkrieg mit, davon etwa176 000 allein auf Seiten der Nordstaaten, der »Union«.Es gab sogar rein deutsche Regimenter, die Bezeichnun-gen trugen wie »German Rifles«, »Steuben Regiment«,die »Neuner von Ohio« oder »Heckers Jäger«.6 Franz Si-gel, der im badischen Aufstand anfangs die aufständi-schen Truppen kommandiert hatte, wurde mit etwa 40anderen Ehemaligen im Laufe des Krieges in den Gene-ralsrang erhoben. Auch Carl Schurz, der spätere Innenmi-nister der USA, machte als Generalmajor militärische Kar-riere.

Die Bedeutung der »Forty-Eighters«Übereinstimmend kommt die amerikanische Forschungzu dem Ergebnis, daß die Leistungen der Achtundvierzi-ger für die Geschichte der USA in Deutschland selbst vielzu wenig zur Kenntnis genommen und überhaupt nichtangemessen gewürdigt würden. In den USA dagegen istman sich durchaus der Tatsache bewußt, daß die deut-schen Achtundvierziger einen bedeutenden Einfluß aufpolitischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet hat-ten, wo viele ihrer Ideen Fürchte trugen . Es gelangihnen vielerorts, in Amerika das umzusetzen, was sie inden Zeiten der Revolution in Deutschland gefordert hat-ten. Damit kam ihr Idealismus einem anderen Land alsihrem Geburtsland zugute. Zu einer Zeit, da in Europa dieDemokratie niedergeschlagen wurde, bewies Amerika,daß Demokratie wirklich gelebt werden konnte. Dies er-möglichte z.B. eine eindrückliche Karriere: Carl Schurz,der in Rastatt standrechtlich erschossen werden sollte,konnte fliehen , in Amerika politisch reüssieren undbis zum Innenminister aufsteigen.In Deutschland als Revolutionäre eingekerkert oder sogarzum Tode verurteilt, in den europäischen Nachbarländernnur geduldet und gerne in die USA abgeschoben, konn-ten die politischen Flüchtlinge sich dort endlich als De-

mokraten bewähren. Man setzte ihnen sogar Denkmäler!Die Verschiedenheit der historischen Entwicklung und derMaßstäbe in Deutschland und Amerika wird besondersdeutlich, wenn man sieht, wie viele Achtundvierziger nachder Amnestie zurückkehrten, und wenn man weiß, daß ei-nige Revolutionäre geradezu eine späte Rehabilitation er-fuhren. Carl Schurz wurde von Bismarck zweimal emp-fangen (1868, 1888, vgl. ). Bismarck hat Schurz, dem»Hochverräter« von ehedem, offenbar sogar ein politi-sches Amt angeboten. Auf jeden Fall hat er ihn zur Rück-kehr nach Deutschland ermuntern wollen. Doch Schurzlehnte ab. Damit fällt von außen ein Licht auf die Vorgän-ge in Europa. Revolutionäre werden nachträglich alsKämpfer für Freiheit und Demokratie gewürdigt.

Anmerkungen1 Michael Rehs/Hans Joachim Haager: Wurzeln in fremder Erde. Zur Ge-schichte der südwestdeutschen Auswanderung nach Amerika, DRW-Verlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen, 1984.

2 Vgl. Rehs/Haager, Wurzeln, S. 883 Webster’s New Encyclopedic Dictionary, 19944 Vgl. Ferdinand Kürnberger: Der Amerikamüde. Insel-Verlag Frank-furt/Main 1986

5 Vgl. Henry Marx: Deutsche in der Neuen Welt. Westermann Verlag,Braunschweig 1983, S. 403

6 Ebd., S. 100

Überlegungen zu den Materialien:

1) Welche Bildinformationen lassen auf Gründe für dieMassenauswanderung 1849 schließen?

2) Welche Vorwürfe erhebt der Vater gegenüber seinemSohn? Was rät er ihm? Welches Schicksal drohtihm, wenn er den väterlichen Rat nicht befolgt?

3) Welche Hoffnungen, Erfahrungen und Enttäuschungenkommen in den Liedtexten , zum Ausdruck?

4) Worin sieht Carl Schurz (s. und ) die Bedeu-tung der »Forty-Eighters« für die USA? M 9

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Heckers Farm in Summerville/IllinoisJournal of the Illinois State Society.Aus: Alfred G. Frei (Hrsg.): Friedrich Hecker in den USA.Eine deusch-amerikanische Spurensicherung. Stadler Verlag,Konstanz 1993, S. 25

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2. Materialien

»Rundgemaelde von Europa im August MDCCCXLIX«

Lithographie von F. Schröder, Düsseldorf, 1849. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster

Die Auswanderung in die USA

Graphik von Bong(Bernhard Bütter-lin). Nach: Klaus J. Bade (Hrsg.):Deutsche im Ausland. Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte undGegenwart. C. H. Beck Verlag,München, 1992

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Brief des Heidelberger UniversitätsprofessorsTiedemann an seinen Sohn Gustav Tiedemann inRastatt:

Heidelberg, den 16. Juli 1849Mein Sohn!Mit wahrer Betrübniß, muß ich offen bekennen, habe ichDeine Zeilen vom 10. Juli erhalten, die mir leider die trau-rige Gewißheit brachten, daß Du Dich in Rastatt befin-dest. Bisher hielt mich das Vertrauen zu Deiner Ehrenhaf-tigkeit und Besonnenheit davon ab, der in öffentlichenBlättern verbreiteten Nachricht, daß Du Kommandant vonRastatt seiest, Glauben zu schenken. Sehr schmerzhafthast Du mich aus dieser Täuschung gerissen.[...]Du wirst nun die Ueberzeu-gung gewinnen, daß Dunicht im Bunde bist mit eh-renhaften Männern, son-dern mit niederträchtigen,ehrsüchtigen, geld-gierigen,verblendeten Menschen,mit einer wahren Räuber-bande und dem Auswurfealler Nationen Europa’s,eine schändliche undschlechte Sache verthei-digst.[...]Du gehörst zu den wenigenedlen Gemüthern, die in derneuesten Zeit durch denglänzenden Wunsch, demdeutschen Volke Einheitund Freiheit erringen helfen,vom rechten Wege abge-lenkt und zum bedenklich-sten Aeußersten hingeris-sen sind. Das erkenne und bedenke! [...]Mache einen Versuch, wenn Du es vermagst, die irrege-leiteten und verblendeten Soldaten, welche ihrenFahneneid gebrochen, und im Rausche ihre Fahnen inden Kot getreten haben, unter denen Tausende gefoch-ten, geblutet und gesiegt, [...] zur Besinnung und Pflichtgegen das Vaterland zurückzuführen.[...] Solltest Du durch Gottes Gnade erleuchtet, zur Ein-sicht kommen, daß Du auf falschen Wegen wandelst, undsolltest Du meinen Bitten Gehör gebend, so glücklichsein, den Kampf in Rastatt zu beendigen, dann hoffe ichund wünsche ich, daß Du Gnade finden mögest.Verlasse alsdann Deutschland und Europa so schnell alsmöglich, und gehe zu Deinem durch Hecker verführtenjüngsten Bruder nach Amerika. Die Mittel zur Ueberfahrtwerde ich Dir bei Deinem Onkel in Bremen anweisen.Ernähre Dich als fleißiger Landmann. Es ist der einzigeWeg, der Dir im glücklichsten Fall übrig bleibt. [...]Nochmals beschwöre ich Dich, Dein Ohr nicht den Bittendem Rathe Deines alten Vaters und Deiner tiefbetrübtenMutter zu verschließen. Bedenke, daß alle die mannigfal-tigen Widerwärtigkeiten, die Dich im Leben betroffen ha-ben, vorzüglich daraus entsprungen, daß Du für gutenRath taub warst.Von Dir hängt es ab, ob Dies die letzten Zeilen sind, die

Du von der Hand Deines Vaters zu Gesicht bekommst.Gott erleuchte Dich, das ist jetzt der einzige Wunsch, denDein treuer Vater hegt.[gez.] Tiedemann.

C.B.A. Fickler: In Rastatt 1849. Rastatt 1899, S. 249ff.Nachdruck der 2. Auflage von 1899 im Hebel-Verlag Richard Grei-ser Nachfolger

Oberst Gustav Tiedemann, der Kommandant der in Ra-statt eingeschlossenen Truppen, wurde am 11. August1849 standrechtlich erschossen.

Abschiedslied: »Leb wohl, du teures Land«

2. Dort kennt man nicht die stolzen Fürstenknechte.Verprassend nur des Landmanns sauren Schweiß.Dort freut der Mensch sich seiner Menschenrechte,er erntet auch die Frucht von seinem Fleiß.Es quälen ihn nicht jene Müßiggänger,durch Fürstengunst betitelt und besternt.Das Sklavenwort »Euer Gnaden« und »Gestrengen«ist aus dem Reich der Sprache weit entfernt.3. Nach diesem Lande laßt uns, ihr Brüder, ziehen,es folge mir, der die Freiheit liebt und ehrt;ein neu’s Leben wird dort uns blühen,und Gott ist’s, der die Wünsche uns gewährt.Schon schlägt die längst ersehnte Stunde,der Abschiedstag, ihr Brüder, ist jetzt da,und bald erschallt aus unsrem Munde:Wie gut, wie gut ist’s in Amerika.

Aus der mündlichen Überlieferung, Mitte 19. Jahrhundert;Verfasser: Friedrich Hecker; Fassung: Hubert Stelker, Has-lach/Kinzigtal. Parodie auf ein in den 30er Jahren beliebtes Ab-schiedslied »Bertrands Abschied« (General Bertrand begleiteteNapoleon I. ins Exil nach St. Helena.)Nach einem französischen Urtext »Adieu Français. Adieu Francechérie« und einer Melodie von Fr. Glück. © Deutsches Volksliedarchiv Freiburg. 1. Strophe mit Noten überBerthold Schreiber/Christof Rieber

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Lied: »Freunde, bleibet hübsch im Lande«

1. Freunde, bleibet hübsch im Lande,Und ernährt euch redlich dort.Im amerikanischen SandeKommt ihr noch weit wen’ger fort.Sonne auf den Pelz euch brennt.Plagen, die ihr hier nicht kennt,Regnen dort auf euch herab,Und das Geld ist knapp.

»Fliegendes Blatt gedruckt zu Dresden«Mitte 19. JahrhundertVerf.: AnonymKomp.: AnonymDieses Lied wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf fliegen-den Blättern verbreitet und gegen die Massenauswanderungverwendet.

Willibald Walter. Sammlung deutscher Volkslieder, Leipzig 1841.Lied Nr. 115. S. 186–188 © DVA Freiburg

Carl Schurz’ »Flucht durch den Abwasserkanal«

[...] und nach einigen Stunden tiefen Schlafs wachte ichmit dem Gedanken auf: »Heute wirst du gefangen und viel-leicht morgen schon totgeschossen.« Um zwölf Uhr mit-tags sollten die Truppen aus den Toren marschieren unddraußen auf dem Glacis der Festung vorden dort aufgestelltenPreußen die Waffenstrecken. Ich hörte be-reits die Signale zum An-treten auf den Wällen undin den Kasernen, und ichmachte mich fertig, zumHauptquartier hinauf zugehen. Da schoß mirplötzlich ein Gedankedurch den Kopf. Ich erin-nerte mich, daß ich vorwenigen Tagen auf einenunterirdischen Abzugs-kanal für das Straßen-wasser aufmerksam ge-macht worden war, derbei dem Steinmaurer Toraus dem Innern der Stadtunter den Festungswer-ken durch ins Freie führ-te. Er war wahrscheinlichein Teil eines un-vollendeten Abzugssy-stems. Würde es mirnicht möglich sein, durchdiesen Kanal zu entkom-men? Würde ich nicht,wenn ich so das Freie erreichte, mich bis an den Rheindurchschleichen, dort einen Kahn finden und nach demfranzösischen Ufer übersetzen können? Mein Entschlußwar schnell gefaßt – ich wollte es versuchen.

Zusammen mit meinem Burschen Adam und einem mirbekannten Artillerieoffizier namens Neustädter folgte ichder letzten Kolonne eine kurze Strecke. Dann schlugenwir uns in eine Seitengasse und erreichten bald die inne-re Mündung unseres Kanals. Ohne Zaudern schlüpftenwir hinein. Es war zwischen ein und zwei Uhr nachmittagsam 23. Juli.

Nach abenteuerlicher Flucht durch den finsteren und en-gen Abwasserkanal und Überwindung zahlreicher uner-warteter Hindernisse erreichten die drei die Öffnung derKanalröhre außerhalb der Stadt. Ein Arbeiter half ihnen, inder dritten Nacht nach Beginn der Flucht einen Kahn zurÜberfahrt an das französische Rheinufer zu finden.

Aus: R. Wersich (Hrsg.): Carl Schurz – Revolutionär und Staats-mann. Sein Leben in Selbstzeugnissen, Bildern und Dokumenten.2. Aufl., mit freundlicher Genehmigung der Stadt Rastatt. 1986,S. 53Carl Schurz machte sich bereits ein Jahr später (1850) voll-ends zum Hochverräter, indem er seinen akademischenLehrer, Professor Gottfried Kinkel, unter abenteuerlichenUmständen aus lebenslänglicher preußischer Haft in Ber-lin-Spandau befreite und mit ihm nach England floh.

Schurz bei Bismarck (1888)

Zweiter Besuch beim »Eisernen Kanzler«: Der Holzstich zeigt CarlSchurz und Otto von Bismarck im Jahre 1888 (1. Mai) im Reichs-kanzlerpalais, Berlin.

© Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin

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Hecker Illustration

Friedrich Heckers (1811–1881) politischer Kampf in Deutschlandund den USA: Oben links als badischer Landtagsabgeordneter, rechts als Führerder badischen Revolution, unten links als Offizier der Unionstrup-pen im amerikanischen Bürgerkrieg, rechts als politischer Rednerin seinen späten Jahren.

Aus: Wersich, Carl Schurz, S. 83. Hebel-Verlag R. Greiser; mitfreundlicher Genehmigung der Stadt Rastatt

Friedrich Hecker

geb. 1811 in Eichtersheim (Baden)gest. 1884 in Belleville (Illinois)

Friedrich Hecker kam als einer der ersten Revolutionärevon 1848 schon im Oktober dieses Jahres in New York an,wo er von einer großen Zahl von Deutschamerikanern mitschwarz-rot-goldenen Fahnen begrüßt wurde. Heckerkaufte sich eine Farm in der Nähe von Belleville, Illinois –

einer deutschen Siedlung – und kämpfte in derRepublikanischen Partei von Illinois für die Ab-schaffung der Sklaverei und die Wahl Lincolnszum Präsidenten. Im Bürgerkrieg kämpfte er ander Seite der Bataillone des Generals Sigel […],der ebenfalls aus Baden kam. […] In der Schlachtvon Chancellorsville, US-Bundesstaat Virginia, inder die Unionstruppen im Mai 1863 gegen dieSüdstaaten-Truppen unterlagen, wurde Hecker[…] verwundet. Zehn Jahre später stattete er sei-nem Geburtsort seinen einzigen Besuch ab, woll-te aber nicht in Deutschland bleiben, sondernkehrte auf seine Farm zurück, wo er starb. In St.Louis wurde Hecker ein Denkmal gesetzt.

Aus: Henry Marx: Deutsche in der Neuen Welt. Wester-mann Verlag, Braunschweig 1983, Biographischer An-hang ohne Seitenangabe

Carl Schurz: German »Forty-Eighters« in the USA

[…] the »Forty-Eighters« brought something likea wave of spring sunshine into that life. Theywere mostly high-spirited young people, inspiredby fresh ideals which they had failed to realize inthe old world, but hoped to realize here; ready toenter upon any activity they might be capable of;and eager not only to make that activity profit-able but also to render life merry and beautiful;and, withal, full of enthusiasm for the great Ame-rican Republic which was to be their home andthe home of their children. Some had broughtmoney with them; others had not. Some hadbeen educated at German universities for learnedprofessions, some were artists, some literarymen, some merchants. They at once proceededto enliven society with artistic enterprises. One oftheir first and most important achievements wasthe organization of the »Musical Society« of Milwaukee, which, in an amazingly short time,was able to produce oratorios and light operas in

a really creditable manner. The »German Turn-Verein« notonly cultivated the gymnastic arts for the benefits of itsown members, but it produced »living pictures« and simi-lar exhibitions of high artistic value. The Forty-Eightersthus awakened interests which a majority of the old population had hardly known, between the native Ameri-can and the new-comer. The establishment of a Germantheater was a matter of course, and its performances,which indeed deserved much praise, proved so attractivethat it became a sort of social center in the »GermanAthens of America«, as Milwaukee was called at thattime. It is also true that, in a few instances, the vivacity ofthis spirit ran into attempts to realize questionable or extravagant theories. But, on the whole, the inspirationproves itself exhilaratingly healthy, not only in the social,but soon also in the political sense.

Aus: The Lion and the Eagle. Ein amerikanisch-englisches Lese-buch. Von Karl Weiler. Verlag G. Braun, Karlsruhe 1968, S. 139–140

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VIII. Großbritannien und diedeutsche Revolution1848/49

1. Erläuterungen

Neben dem Kampf um politische Freiheit war 1848/49das Ringen um die Einheit der Deutschen ein Brenn-punkt der Auseinandersetzungen. Hätte dabei die Grün-dung eines Deutschen Reiches zu einem europäischenKrieg geführt?Das zaristische Rußland war ein entschiedener Gegnerder Revolution und wollte Preußen und Österreich, aberauch die Mittelstaaten uneingeschränkt erhalten wissen.In Frankreich sympathisierte man mit den Liberalen jen-seits des Rheins, doch die bisherige Denkweise herrsch-te weiterhin vor, wonach Deutschlands Schwäche dieStärke Frankreichs sei.Presseorgane in Großbritannien meinten, abwarten zu kön-nen. Die Darstellung mit dem Motto »There is no place likehome« charakterisiert das vorherrschende Selbstver-ständnis der Engländer. Das zufriedene Ehepaar mit neunKindern wärmt sich am Kamin. Ein Bild der jugendlichenKönigin Victoria leuchtet über der Idylle. Der Vater hat dieZeitung abgelegt, in der von den kontinentalen Staaten Eu-ropas berichtet wird. Die Randzeichnungen deuten auf dieUnruhen hin (von oben): Aufstände in Italien, Beschießungdes revolutionären Wiens durch kaiserliche Truppen, Vereh-rung napoleonischer Insignien in Paris, Barrikadenkämpfein Frankreich mit Parolen des Sozialismus und der Frauen-rechte, wobei der Anarchist Proudhon die Fahne schwingtmit seiner Parole »Eigentum ist Diebstahl«, Barrika-denkämpfe auch in Deutschland, ein fliehender Fürst, derseine Krone verliert, die Erschießung Robert Blums vorWien, das Spiel mit einer neuen deutschen Kaiserkronezwischen Konservativen, Liberalen und Radikalen, schließ-lich militärische Auseinandersetzungen, die in Italien, aberauch in Schleswig-Holstein stattfinden könnten.Großbritanniens Außenpolitik war auf den Erhalt desFriedens innerhalb eines europäischen Gleichgewichtsausgerichtet und wollte den wachsenden Handel im stän-dig größer werdenden Empire gesichert sehen. Da dieKönige von England bis 1837 zugleich Könige von Han-nover waren, bestand eine enge Verbindung mit demDeutschen Bund. Die Trennung dieser Personaluniondurch die Thronbesteigung Königin Viktorias mindertedas Interesse des englischen Hofes nicht, zumal Viktoriamit Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha einen Deut-schen geheiratet hatte. Durch ihn verstärkte sich am Hofdie Ansicht, daß angesichts der revolutionären öffentli-chen Meinung in Deutschland »die Ausbildung volkstüm-licher Regierungsformen und die Herstellung eines eini-gen Reiches [...] am dringendsten« zu fordern sei.Großbritanniens Regierung, Parlament und Presse nah-men aber unterschiedliche Standpunkte ein. Demnachhielten spätere deutsche Historiker nicht zuletzt die briti-sche Regierung dafür verantwortlich, die deutsche Ein-heit entscheidend verhindert zu haben, weil ein deut-sches Reich das europäische Gleichgewicht beeinträch-

tigt hätte . Die Politik Großbritanniens muß jedoch imZusammenhang mit der Entwicklung in Schleswig undHolstein gesehen werden , . Seit dem 17. Jahr-hundert war Schleswig dänisches Lehen, zugleich aber inRealunion mit Holstein, das sich seit 1815 im DeutschenBund befand. 1848 veröffentlichte die dänische Krone aufDrängen der Nationalliberalen eine Gesamtstaatsverfas-sung mit Einschluß Schleswigs. Beide Herzogtümer ver-suchten sich nun von Dänemark zu lösen, und das Frank-furter Vorparlament beschloß, Schleswig »unverzüglich inden Deutschen Bund aufzunehmen«. In den Herzogtü-mern bildete sich eine provisorische Regierung, derenTruppen allerdings den Dänen weit unterlegen waren.Darum bat man den preußischen König um Hilfe, der als-bald Garderegimenter unter General von Wrangel ent-sandte. Dieser führte im Auftrag des Deutschen Bundes,der die provisorische Regierung anerkannte, das 10.Bundesarmeekorps.In der Paulskirche fand der Widerstand in Schleswig-Hol-stein ein außerordentliches Echo, ja man wollte darin einExempel für den künftigen Rang eines vereinten Deutsch-lands erkennen. Die Dänen erhielten indessen durchSchweden diplomatische Unterstützung; Rußlands abso-lutistische Legitimisten konstatierten nur eine »Rebellion«in den Herzogtümern gegen die rechtmäßige Krone, unddie junge französische Republik versuchte, durch Einfluß-nahme internationales Prestige zu gewinnen. So wurdeder Konflikt rasch eine europäische Frage.Der britische Preminierminister Palmerston votierte für»nonintervention« und strebte Verhandlungen an. Manstand dabei zunächst auf dänischer Seite als demschwächeren Teil, unabhängig davon, ob Dänemark Ver-träge gebrochen habe und die Deutschen in Schleswig»dänisiere«. Man fragte sich, ob Deutschland ein besse-res Recht auf Schleswig habe als auf andere Regionen, indenen auch Deutsch gesprochen werde, wie Elsaß-Loth-ringen, Teilen der Schweiz und in russischen Ostseepro-vinzen. Außerdem betonten die Dänen immer wieder,Deutschland wolle sich eine Flotte schaffen, was dieführende Seemacht England und ihr Interesse am »Bos-porus der Ostsee« tangiere.Auf Drängen der Großmächte schloß Preußen am 26. 8.1848 den Waffenstillstand von Malmö, nachdem Wrangelschon Teile Jütlands besetzt hatte. Dies führte in Frank-furt zu einer Krise, weil besonders die Linken der Natio-nalversammlung, die dem Waffenstillstand zugestimmthatte, nationales Versagen vorwarfen. Die Paulskirchen-mehrheit erkannte die Ohnmacht von Reichsregierungund Parlament, konnte man doch Preußen nicht zwingen,den Krieg fortzuführen. (Vgl. )In Großbritannien war für den Fall der Annahme der Kai-serkrone durch Friedrich Wilhelm IV. ein Krieg zwischenPreußen und Österreich befürchtet worden. Obwohl ingesellschaftspolitischer Ausrichtung völlig konträr, näher-te sich Großbritannien Rußland an. Trotz preußischerTruppenerfolge nach Ablauf des Waffenstillstands dräng-te man auf erneute Waffenruhe, die im Frieden zu Berlin1850 besiegelt wurde: Schleswig verblieb bei Dänemark,jedoch mit eigener Verfassung. Der status quo wurde1852 im Londoner Protokoll formell wiederhergestellt.Aber hätte es auch eine andere Möglichkeit gegeben?( ). Das Gleichgewicht in Europa schien gesichert.M 4

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Überlegungen zu den Materialien:1) Welche historischen Entwicklungen um 1900 mögen

den Autor von nach dem Ersten Weltkrieg beein-flußt haben?

2) Wie unterscheidet sich der Autor von , der auchbritische Unterlagen auswertete, von ?

3) Haben sich die Abgeordneten der Paulskirche zu aus-

führlich mit den Grundrechten und einer Verfassungbeschäftigt, statt zügig eine staatliche Einheit derDeutschen herbeizuführen?

4) Wie verhielt sich Großbritannien bei der Reichsgrün-dung 1871 und bei der Vereinigung Deutschlands 1990unter den jeweils veränderten europäischen Gegeben-heiten?

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2. Materialien

Karikatur in der Zeitschrift »Punch« 1849

Punch 1849, Vol. 16, p. 27/28, London, published at the Office 85,Fleet Street © Badische Landesbibliothek Karlsruhe

– England und die deutsche Einheit

[...] Die Hoffnungen, mit denen man in Deutschland in denFrühlingstagen des Jahres 1848 auf England geschauthatte, erfüllten sich nicht. Ohne eingehende Kenntnis derpolitischen Faktoren hatte man geglaubt, daß auch in die-ser schicksalsschweren Krise, wie früher so oft, englischeund deutsche Interessen Hand in Hand gehen müßten.[...] Um England zu veranlassen, im Ringen um die deut-sche Einheit aus seiner kühlen Reserve herauszutreten,hätte es einer eingehenden diplomatischen Vorarbeit be-durft. In dieser Beziehung hatte man so gut wie nichts ge-tan.

[...] Welche Gesichtspunkte leiteten denn die englischePolitik? Zwei Dinge wollte man vor allem verhindern: eineweitere Stärkung der schon bedrohlich anwachsenden

Macht Rußlands und dieEntstehung eines Siebzig-millionenreiches auf mittel-europäischem Boden. Da-raus ergab sich als Folge:entweder Förderung der so-genannten kleindeutschenLösung oder das Bestreben,den alten deutschen Dualis-mus aufrecht zu erhalten,wobei es darauf ankam, dieRechte Österreichs nichtallzusehr zu schmälern.Wenn man diese beidenAnschauungen in die engli-sche Parteipolitik einordnenwill, so ergibt sich, daß fürdie erste Lösung mehr die li-beralen Kreise, für die zwei-te im wesentlichen die To-ries eintraten.[...] Mit dem Dasein der altenGroßstaaten Europas hatteman sich abgefunden, aberwas man im allgemeinennicht wollte, war, daß ausden deutschen Einheitsbe-

strebungen ein starker Staat herauswuchs, der zur Seeund im Handel England Schwierigkeiten bereitete.

Hans Precht: Englands Stellung zur deutschen Einheit 1848–50.Historische Zeitschrift, Beiheft 3. München und Berlin, 1925, S. 178

Die Gefahr eines allgemeinen europäischen Krieges, diePalmerston beschwor, um den Waffenstillstand von Mal-mö zu rechtfertigen, war in Wirklichkeit ein harmloser Kin-derschreck; und manche der Frankfurter Liberalen er-kannten, daß – was die auswärtigen Mächte betraf –Großbritannien ihnen eine Demütigung aufzwang, nichtFrankreich oder Rußland. [...] Die Schaffung eines »Klein-deutschland« hätte Großbritannien einen Ersatz für die»natürliche Allianz« mit Österreich geliefert – einen Ver-bündeten, der nicht nur geistesverwandter, sondern auchstärker war. Die britische Politik trug in der Schleswig-Holsteinischen Frage dazu bei, dieses Ergebnis zu ver-hindern; sie arbeitete für Frankreich und Rußland, ohne

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daß diese Mächte auch nur einen Finger rührten. Die dun-kle Ahnung dieses Widerspruchs erregte bei Palmerstonund anderen britischen Politikern Verärgerung über den»Haufen von Kindern« in Frankfurt. Als Palmerston einwenig später Bunsen, dem preußischen Gesandten inLondon, erklärte: »Gegen die Idee eines Deutschen Rei-ches läßt sich nichts sagen, außer daß niemand fähig zusein scheint, sie zu verwirklichen«, übte er in WirklichkeitKritik an denen, die Schleswig für einen unerläßlichen Be-standteil eines vereinigten Deutschland hielten.[...] Die deutsche Frage überraschte – in allen ihrenAspekten – die Staatsmänner Europas, und man behan-delte sie beiläufig, nicht als eine dringende Angelegen-heit.

A.J. Taylor: The Struggle for Mastery in Europe 1848–1918. Ox-ford 1954; aus »Die Deutsche Revolution von 1848/49«, hrsg. vonDieter Langewiesche, Wege der Forschung CLXIV, Wissenschaft-liche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1983, S. 193–221 (Auszug S.204)

Es ist doch gewiß ganz falsch zu sagen, daß Palmerstonoder ein anderes Mitglied des Kabinetts [...] die EinigungDeutschlands im Sinne Gagerns hätte verhindern wollen.Im übrigen ist auch gar nicht einzusehen, was für MotiveEngland auf einen solchen anti-deutschen Kurs hättendrängen sollen. Ein starkes, liberales Deutschland hättedie Mitte Europas beherrscht und dem Vordringen desrussischen Einflusses Einhalt gebieten können. Nichtshätte England willkommener sein können, als zu sehen,daß Deutschland den Bannkreis der Heiligen Allianz ver-ließ und sein Gewicht auf die Seite der Westmächtebrachte.Aus diesem Grunde fand Gagerns Plan ja auch die Zu-stimmung Palmerstons, sobald seine ersten UmrisseLondon mitgeteilt wurden. Und dieser Plan behielt die Zu-stimmung Palmerstons und des britischen Kabinetts, alsdie preußische Regierung beschloß, ihn ohne die Natio-nalversammlung auszuführen. [...]Daß England [...] wohlgesonnen war, wurde freilich inDeutschland wenig verstanden, denn wenige Deutschevermochten zu unterscheiden, daß England zwar diedeutsche Einigung billigte, aber nicht die Deutschen inder schleswig-holsteinischen Frage unterstützen wollte.Alle Schwierigkeiten in den deutsch-britischen Beziehun-gen in dieser Zeit entsprachen nicht irgendeinem wichti-gen Aspekt der deutschen Einheit, sondern hingen mitden Grenzfragen im Norden zusammen. Während die na-tionalistische Partei in Deutschland starke juristische Ar-gumente ins Feld führte, um Schleswig letzten Endes fürDeutschland zu gewinnen – in ähnlicher Weise, wie dieDänen aus nationalistischen Motiven das Herzogtum zubesitzen wünschten – waren andererseits die britischenStaatsmänner überzeugt, daß es den britischen Interes-sen entspreche, am Ausgang der Ostsee den territorialenStatus quo zu erhalten.

Günther Gillessen: Lord Palmerston und die Einigung Deutsch-lands. Die englische Politik von der Paulskirche bis zu den Dres-dner Konferenzen (1848–1851). Historische Studien Heft 384,Matthiesen Verlag, Lübeck und Hamburg, 1961, S. 152

IX. Die Nachwirkungen derRevolution

1. Erläuterungen

Welche Lehren zieht man aus der Geschichte der Revolu-tion von 1848/49? Jede Generation und jeder deutscheStaat zog aus dem Geschehen eigene Konsequenzen,die Revolution wurde zum Argument der politischen Aus-einandersetzung. Die Ergebnisse dieses Nachdenkenswurden vor allem bei Jubiläumsfeiern an die Öffentlich-keit getragen und verraten »auf diese Weise mehr überdie Feiernden als über das gefeierte Ereignis.«1

Die Wirkungsgeschichte der Revolution von 1848 be-ginnt bereits vor ihrem Ende. Während in Rastatt nochgekämpft wurde, begann die publizistische Auseinander-setzung um die Revolution und ihre Bedeutung, zumeistin Form von Schuldzuweisungen und Verratsbezichtigun-gen und darauf antwortenden Rechtfertigungen. Der emi-grierte Lorenz Brentano machte aus der Schweiz am 1.Juli 1849 den Anfang: »Von den Fürsten ein Hochver-räther, von Euern Vertretern in Freiburg (d.h. den Mitglie-dern der Verfassungsgebenden Versammlung) ein Lan-desverräther genannt, überlasse ich Euch das Urtheil, obich solche Behandlung verdiene.«2 Verrat, moralischesVersagen als Ursache der Revolution – berühmt wurde indiesem Zusammenhang die Rede des preußischen Kö-nigs über die Rolle der Lehrer und ihre »Afterweisheit«3 –oder als Grund ihres Scheiterns – das Urteil über diedeutsche Revolution von 1848/49 wird von jetzt an poli-tisch funktionalisiert, und jeder, der ein solches Urteil fällt,steht bewußt oder unbewußt in einem dieser Traditions-zusammenhänge. Vor allem die Jubiläen waren immerwieder Anlaß, die alten Legenden wiederzubeleben oderalte Rechnungen zu begleichen. So versagte der Gouver-neur von Rastatt 25 Jahre nach dem Fall der Festung dieGenehmigung zur Aufstellung eines Denkmals für die To-ten von 1849, und das großherzogliche Bezirksamt Lör-rach verbot noch 1898 eine Kranzniederlegung am Grabedes 1849 erschossenen Friedrich Neff (s. Photo unten).4

gibt Herweghs Rückblick am 25. Jahrestag derBerliner Barrikadenkämpfe wieder. Der Dichter ist inzwi-schen Sympathisant der Arbeiterbewegung gewordenund stellt sich in einen Traditionsrahmen, der fast partei-offiziell geworden ist: Die Sozialdemokraten feierten den18. März, während das nationalliberale Bürgertum am Se-danstag einer anderen Tradition huldigte und die eigenerevolutionäre Vergangenheit als Jugendsünde abtat. Her-weghs Drohung »Noch sind nicht alle Märze vorbei« wur-de von konservativer Seite aufgenommen ( ) und dieRevolution auch als Argument für obrigkeitsstaatlichesund militaristisches »Durchgreifen« verwendet. Daß dieSPD 1898 bereits den Revisionismus diskutierte undselbst Kautskys Formulierung, die Sozialdemokratie seieine »revolutionäre, nicht aber Revolutionen machendePartei« eine Absage an die »klassische« Form der Revo-lution enthält, blieb diesem Denken verborgen.Bestätigen wird sich dies erst nach der Novemberrevolu-tion von 1918. Das Jubiläum von 1923 ( ), das dieWeimarer Republik in schwerer Krise zu einer Vergewis-

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serung ihres Selbstbewußtseins inszenierte, fand am 18.Mai, dem Tag des Zusammentritts der Nationalversamm-lung, nicht am 18. März statt, und der SozialdemokratEbert präsentiert sich als Staatsmann der nationalen Ein-heit. Von Sozialismus oder Revolution ist in seiner An-sprache keine Rede, und nicht einmal ein klassenkämp-ferischer Appell zu mehr sozialer Gerechtigkeit stört dienationale Einheit. Daß das Erbe von 1848 nicht unumstrit-ten war, zeigen die Kurzmeldungen der ‘Frankfurter Zei-tung’. Von der Rechten wurde die Veranstaltung als Par-teiangelegenheit angesehen, ein Vorwurf, der bereits inden Verfassungsdebatten von 1919 – man denke nur anden Flaggenstreit – geäußert wurde. Der Versuch einerdemokratischen Traditionsstiftung für die Republik ge-lang nur bei denen, die ohnehin demokratisch dachten.Die Abwesenheit des bayerischen Ministerpräsidentenund ihre Begründung – ein halbes Jahr vor dem Hitler-Putsch – ist sicher kein Zufall.Daß die Wahl des Datums schon ein Politikum ist, zeigendie Feiern zum 100. Jahrestag 1948 ( ). Die SED unddie im »Antifaschistischen Block« verbündeten Parteienberufen sich auf das Erbe des 18. März; das »NeueDeutschland« vermerkt hämisch, daß eine Veranstaltungim Westen Berlins nur von 20 000 Teilnehmern besuchtworden sei, während der eigene Aufruf »Am Donnerstagdas ganze Volk« mehr als 100 000 Bürger des »fortschritt-lichen Berlin« vom Gendarmenmarkt zum Friedhof Fried-richshain an die Gräber der Märzgefallenen geführt habe.Die Reden der drei Parteivorsitzenden vor dem II. Volks-kongreß sind daher auch in erster Linie eine Abrechnungmit allen Kräften, die in den Westzonen auf die Gründungder Bundesrepublik hinarbeiteten.Der Aufruf zur Einheit unter SED-Vorzeichen scheint inSüdbaden auf kritisches Echo gestoßen zu sein. Auf derFreiburger Jahrhundertfeier am 25. April – am 24. April1848 war der Sturm der Freischaren Sigels auf Freiburgabgeschlagen, die Stadt von Regierungstruppen erobertworden – warnt der Kommentator vor einer Überbewer-tung der Einheit zu Lasten der Freiheit und kann sichdabei auf Rottecks »Badenweiler Toast« von 1832 beru-fen. Merkwürdig unpolitisch mutet aus heutiger Sicht die zen-trale Feier in Frankfurt am 18. Mai an. Kein künftiger »Ver-fassungsvater«, nicht Theodor Heuss oder Carlo Schmidhielt die Festrede, aus der sich das Selbstverständnis derkünftigen Republik hätte ablesen lassen, sondern einDichter und Schriftsteller, und nicht einmal einer der be-deutendsten, nicht Alfred Döblin oder Thomas Mann,sondern der expressionistische und pazifistische Drama-tiker Fritz von Unruh, der durch seine eigene Biographie –Offizier im Ersten Weltkrieg, 1932 Emigration nach Frank-reich, 1940 dort interniert, dann in die USA, nach 1945mehrmalige Rückkehr – als Zeuge deutscher Irrwegedazu berufen war. Seine Deutung des 1848er Gesche-hens und der Katastrophe des Nationalsozialismus – im Vergleich zu dem Feindbild, das die Politiker derkünftigen DDR bereits entwickelt haben – ist von einemetwas unbestimmten Idealismus. Die Anteilnahme derBevölkerung war nach dem Kommentar der »Zeit« zurückhaltend und weist auf die wahren Nöte der Zeit hin,die von der künstlichen Begeisterung des »NeuenDeutschland« übertüncht waren.

Anmerkungen1 W. Siemann: Auf der Suche nach einer Friedensordnung: Das Jubiläumder Revolution von 1848 im Nachkriegsdeutschland. Geschichte als Ar-gument. 41. Deutscher Historikertag München, 1996, Skriptenheft I, S.30

2 Lorenz Brentano: An das badische Volk. Feuerthalen..., den 1. Juli 1849.Stadtarchiv Freiburg.

3 Siehe Franzjörg Baumgart: Zwischen Reform und Reaktion. PreußischeSchulpolitik 1806–1859, Darmstadt 1990, S. 187

4 Siehe F.X. Vollmer: Vormärz und Revolution 1848/49 in Baden. Modellezur Landesgeschichte 1, Frankfurt-Berlin-München 1979, S. 187

Überlegungen zu den Materialien:

1) Worin sieht Herwegh ( ) die treibenden Kräfte derRevolution von 1848, und welche Konsequenzen ziehter aus dieser Sicht? Vgl. die konservative Deutung imKaiserreich in .

2) Wie versucht Reichspräsident Ebert ( ) die Revo-lution von 1848/49 zu aktualisieren? Läßt seine Redeerkennen, daß Ebert einer der in angeprangertenSozialdemokraten ist?

3) Revolutionsfeier Ost – Revolutionsfeier West ( ):Wie werden die Erfahrungen des »Dritten Reiches« ver-arbeitet, welche Konsequenzen und Schuldzuweisun-gen ergeben sich daraus? Welche Traditionslinien wer-den zur Revolution von 1848/49 gezogen?

Grabsäule für den 1849 in Freiburg standrechtlich erschossenenRevolutionär Friedrich Neff in Rümmingen/Krs. Lörrach.Die Inschrift »Wer so wie Du fürs Vaterland gestorben, der hatsich ew’gen Ruhm erworben!« mußte durch die Angehörigen wie-der entfernt werden und konnte erst nach 1918 wieder ange-bracht werden. Photo: H. Kraume

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2. Materialien

25 Jahre: Herweghs Rückblick am 18. März 1873:

Achtzehnter März

Achtzehnhundert vierzig und acht,Als im Lenze das Eis gekracht,Tage des Februar, Tage des Märzen,Waren es nicht Proletarierherzen,Die voll Hoffnung zuerst erwachtAchtzehnhundert vierzig und acht?

Achtzehnhundert vierzig und acht,Als du dich lange genug bedacht,Mutter Germania, glücklich verpreußte,Waren es nicht Proletarierfäuste,Die sich ans Werk der Befreiung gemachtAchtzehnhundert vierzig und acht?

Achtzehnhundert vierzig und acht,als du geruht von der nächtlichen Schlacht,Waren es nicht Proletarierleichen,Die du, Berlin, vor den zitternden, bleichenBarhaupt grüßenden Cäsar gebrachtAchtzehnhundert vierzig und acht?

Achtzehnhundert siebzig und drei,Reich der Reichen, da stehst du, juchhei!Aber wir Armen, verkauft und verraten,Denken der Proletariertaten –Noch sind nicht alle Märze vorbei,Achtzehnhundert siebzig und drei.

Herweghs Werke in einem Band. Ausgewählt und eingeleitet vonHans-Georg Werner. Bibliothek deutscher Klassiker. Aufbau-Ver-lag, Berlin und Weimar 1980, S. 283f.

50 Jahre – 1898

Vorwort zu einer 1899 erschienenen deutschen Quellen-sammlung zur Revolution von 1848/49:

[...] Seit 50 Jahren ist zwar unser teueres Vaterland vonweiteren Revolutionsausbrüchen verschont geblieben,der Revolutionsgeist jener Zeit ist aber leider auch heuti-gen Tags noch nicht verschwunden, und wer mit unbe-fangenem Blick in die Gegenwart hineinschaut, dem kannes nicht entgehen, daß es auch jetzt nicht an Geisternfehlt, welche mit Energie und Schlauheit darauf ausge-hen, den Samen der Unzufriedenheit unter das Volk aus-zustreuen und alle Klassen und Schichten desselben mitdem alten Revolutionsgeist zu erfüllen. [...]Die Sozialdemokraten unserer Tage sehen jene Zeit ge-wissermaßen als die klassische Zeit ihrer Partei an, siefeiern die damaligen Revolutionshelden als ihre Vorgän-ger und Vorkämpfer und sehnen sich nach einer Wieder-kehr jener goldenen Zeit, wo es manchmal so schöndrunter und drüber zuging. [...] Das fortgesetzte wüsteTreiben der Revolutionäre, das überall ein Stocken derGeschäfte und Unsicherheit aller Verhältnisse hervorrief,brachte es dann aber auch zuletzt dahin, daß nicht nurder bessere, sondern bald auch der größere Teil der Be-völkerung das Revoluzzen völlig satt bekam undsehnsüchtig nach den Regierungen und Männern aus-

schaute, die den Mut hatten zu sagen: »bis hierher undnicht weiter!« und die dann auch wirklich durch ihr ener-gisches Auftreten bewirkten, daß die über das Ufer hi-nausgetretenen wilden Gewässer sich verliefen oder in ihrnatürliches Strombett zurücktraten. [...]

K. Hagenmeyer: Die Revolutionsjahre 1848/49. Karlsruhe 1899, S. 1–4

75 Jahre – »Der Tag des ersten deutschen Parla-ments«. Frankfurt, 18. Mai 1923

Aus der Rede Reichspräsident Eberts in derPaulskirche:

[...] In den Freiheitskriegen hatte das deutsche Volk infreiwilliger und bewußter Hingabe an den Gedanken einerdeutschen Nation sich die äußere Freiheit errungen; seinStreben, nun auch aus der deutschen Vielstaaterei zumnationalen Staat auf freiheitlicher Grundlage, zum Reichzu kommen, scheiterte an dem Widerstand der deut-schen Fürsten, dem nationalen Gedanken ein Opfer anSouveränitätsrechten zu bringen. Treulich bewahrte trotzalledem das deutsche Volk seit den Freiheitskriegen imZeichen des schwarz-rot-goldenen Banners das Ideal derEinigung der deutschen Stämme und der inneren Freiheit.In der großen Volksbewegung, die 1848 wie andere Na-tionen auch die Deutschen erfaßte, sollte an dieser Stättedas politische Streben der Besten und Bedeutendstender Nation, sollte der Volksstaat des einigen und freienDeutschland Verwirklichung finden. Zum ersten Male gingaus allgemeinen Wahlen des ganzen deutschen Volkeseine Vertretung Deutschlands hervor, die Nationalver-sammlung, ein Parlament von hohem geistigen Schwung,von edelstem Wesen und starkem nationalen Bewußt-sein. Dieser ersten Nationalversammlung gelang es, dieGrundrechte des deutschen Volkes und die Verfassungdes einigen Deutschen Reiches zu schaffen, aber es ge-lang ihr nicht, das Reich selbst aufzurichten. Dazu fehltenihr die realen Machtmittel; am Geiste der Kleinstaatereischeiterte ihr nationaler Wille. [...] Dann, als wiederum, 70Jahre später, im Winter 1918/19 das deutsche Volk ge-zwungen war, sein Geschick selbst in die Hand zu neh-men, sein Staatswesen in den Nöten der Zeit neuaufzu-bauen, führte uns die Arbeit von Weimar zur FrankfurterPaulskirche zurück, zu den Leitgedanken, die einst andieser Stätte geboren sind. [...]Einheit, Freiheit und Vaterland! Diese drei Worte, jedesgleich betont und gleich wichtig, waren der Leitstern, un-ter dem die Paulskirche wirkte. Sie sind auch Kern undStern des Daseinskampfes, den wir heute an Rhein, Ruhrund Saar zu führen gezwungen sind. Dort stehen wir inentschlossener Abwehr, um das einige Reich, um unsereFreiheit zu erhalten, dort kämpfen alle Volksgenossen mitäußerster Hingabe für den Staat des deutschen Volkes.Diesen Geist der Einigkeit, der Freiheit und des Rechtes,der uns auch in dieser tiefsten Not erhebt, wollen wir be-wahren. Er soll und wird uns einer besseren Zukunft ent-gegenführen. [...]

Frankfurter Zeitung vom 19. 5. 1923, Erstes Morgenblatt

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Begleitnotizen der Frankfurter Zeitung zuden Feierlichkeiten

Die Teilnahme des Hochschulrings

Das Presseamt des Frankfurter Hochschulrings ersuchtuns um die Aufnahme folgender Erklärung:»Der Hochschulring deutscher Art hat sich entschlossen,sich an den Parlamentsfeierlichkeiten in der Paulskirchezu beteiligen, obgleich er der Ansicht ist, daß diese Feiermit ihrem jetzigen Plan kein getreues Bild des politischenWollens unseres Volkes gibt.Wenn er sich trotzdem beteiligt, so tut er es in der Ab-sicht, deutlich in der Oeffentlichkeit alle einseitig politi-schen Bedenken zurückzustellen und zu zeigen, daß dieakademische Jugend weiß, daß ihr das Erbe von 1848gehört.

Frankfurter Zeitung vom 18. 5. 1923, Erstes Morgenblatt

Die Knillingsche Feier des 18. Mai

München, 25. Mai. Verschiedene Blätter haben sich mitder Tatsache beschäftigt, daß der bayrische Ministerprä-sident den 18. Mai, den Tag der Gedenkfeier in der Pauls-kirche, dazu benutzt hat, hier in München einer feierlichenMesse anläßlich des Geburtstages des ehemaligen Kron-prinzen Rupprecht beizuwohnen. Unter der Rubrik »Poli-tische Brunnenvergiftung« polemisiert heute die »Bayri-sche Staatszeitung« gegen das, was sie als »Tendenz-Falschmeldung« bezeichnet. Es habe sich um eine einfa-che Messe gehandelt; außerdem sei die Einladung zumfünfundsiebzigsten Gedenktage des Frankfurter Parla-ments vom bayrischen Ministerpräsidenten zu einer Zeitabgelehnt worden, als er von einer Abhaltung der Messenoch nicht unterrichtet gewesen sei. Die Polemik der»Staatszeitung« ist unwesentlich. Es steht fest, daß Herrvon Knilling den Besuch eines schlichten Gedenktages,an dem das Reich und alle seine Länder sich offiziell be-teiligten, abgelehnt hat mit der Begründung, es sei ge-genwärtig keine Zeit zum Feiern, – und daß er gleichzeitigfür eine Feierlichkeit Zeit fand, die der Person des bayri-schen Kronprätendenten galt. [...]

Frankfurter Zeitung vom 26. 5. 1923, Abendblatt

100 Jahre – ein zweigeteiltes Jubiläum im Zei-chen des Kalten Krieges: 18 März, 25. April oder18. Mai 1948?

Das Brandenburger Tor als Barrikade

Unter diesem Titel berichtet »Die Zeit« über die Feiernzum 18. 3. 1948 in Berlin:Man muß Radio haben, um die Weltgeschichte und seineeigene deutsche Erinnerung zu kennen. Und in Berlin, soerwies sich an diesem Jubiläumstage, vor allem das rich-tige Radio und nicht irgendein beliebiges. Denn aus demeinen erfuhr man, daß der »Volkskongreß« sich ent-schlossen habe, zu vollenden, was die Barrikadenkämp-fer 1848 angefangen hatten, und aus dem anderen, daß

die 1848 geforderten Freiheiten in der hinter dem Bran-denburger Tor beginnenden Welt heute ärger bedroht sei-en als vor hundert Jahren.Merkwürdig zwiespältig war dieser regenübergosseneFeiertag der unglücklichen Stadt Berlin. [...] Es war einWettrennen um die Symbole, das danach nicht mehr ab-riß. Alle kamen sie, die Feindlichen und die Freundlichen,die Sozialisten und die Bürger, die Liberalen und die Or-thodoxen, der Konsumverein und die Opfer des Faschis-mus, die Polizei und die Gewerkschaften, die Kommunis-ten und die Sozialdemokraten, und in das Mikrophon hi-nein versprachen sie, vollenden zu wollen, was »Die von48« begonnen hatten. [...]

Die Zeit, 25. 3. 1948

Berlin (Ost), 18. 3. 1948, Admiralspalast

Am 100. Jahrestag des Berliner Aufstands trat der vom»Antifaschistischen Block« organisierte II. Volkskongreßzusammen. Das »Neue Deutschland« gibt die Reden wie-der:Otto Grotewohl (SED):

Die deutsche Revolution von 1848 brachte nicht die Ge-burt eines bürgerlich deutschen Staates, sondern diepreußisch-militärische feudalistische Vormacht. Warumhat Deutschland nicht ein gleiches oder ähnlichesSchicksal erleben dürfen wie die Mächte der liberalenwestlichen Welt? Warum war der deutsche Imperialismusso explosiv und aggressiv in seinen Methoden? Warumwar der deutsche Geist überheblich, der deutsche Staatmilitärisch und die deutsche Demokratie 1933 zum Fa-schismus fähig? Hier muß die Geschichte Antwort geben.[...] Das deutsche Bürgertum konnte seine nationale Auf-gabe 1848 nicht erfüllen, weil seine politische Kampffrontdurch Uneinigkeit geschwächt war und weil die nationaleKampffront durch den Verzicht auf ein Bündnis mit denArbeitern und Bauern zu schmal war. [...] Die in der deut-schen Arbeiterbewegung organisierten Kräfte sind 1948,auf sich allein gestellt, ebensowenig fähig, die EinheitDeutschlands zu verwirklichen, wie es 1848 das auf sichgestellte Bürgertum nicht konnte. Die Bereitwilligkeit derSozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu einer brei-ten fortschrittlichen Bündnispolitik entspringt darum tief-ster politischer Ehrlichkeit und der Sorge um die Zukunftder ganzen deutschen Nation (Beifall). Das ist die ent-scheidende Lehre aus der Märzrevolution 1848.

Neues Deutschland, 18. 3. 1948 (Auszug)

Freiburg, Straßenbahnhalle, 25. 4. 1948:

Die badische Landesregierung und der Oberbürgermei-ster luden zu einer Jahrhundertfeier ein. Die ‘BadischeZeitung’ kommentierte:

[...]Auch wir sind heute nach den Jahren der nationalsoziali-stischen Tyrannei wieder am Werk, eine auf dem Funda-ment demokratischer Freiheit aufgebaute staatliche Ord-nung zu verwirklichen und die rechte Form für eine Ge-

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meinschaft der deutschen Länder und Landschaften zufinden. Das Beispiel von 1848 mahnt uns, dabei die poli-tischen Gegebenheiten nicht aus dem Auge zu verlierenund bei der Einschätzung der Reihenfolge der Werte denrechten Maßstab anzulegen. Ein Wegbereiter der Ideenvon 1848, der Freiburger Professor und Abgeordnete vonRotteck, sagte schon im Jahre 1832 auf einer liberalenVersammlung in Badenweiler: »Ich will lieber Freiheitohne Einheit als Einheit ohne Freiheit.« An Einheit hat esuns in den dunkelsten Jahren unserer Geschichte, die wirhinter uns haben, gewiß nicht gemangelt, und daß wir dieEinheit verloren haben, hatte sicher seine wesentlichsteUrsache darin, daß wir uns unter der Diktatur der Freiheitbegeben hatten. Wenn wir wieder zu dem unentbehrli-chen Maße von Einheit kommen wollen, dessen wir zumLeben bedürfen, werden wir es weder erringen noch be-haupten können ohne die Grundvoraussetzung der Frei-heit.

Badische Zeitung 23. 4. 1948

Frankfurt, 18. 5. 1948:

Tage der SelbstbesinnungDie Paulskirche ist das eindrucksvollste Sinnbild derdeutschen Demokratie. Aber sie ist es immer nur wenigengewesen. Ihre Tradition wurzelt nicht im Volk. Das warwohl der tiefere Grund für die Teilnahmslosigkeit der Be-völkerung gegenüber der Frankfurter Hundertjahr-Feier;sie hatte weder für den Aufbau der Kirche noch für diefestliche Akzentuierung der Gedenktage Verständnis. Ja,viele verfolgten die Feier sogar mit einer gewissen Feind-seligkeit. Es ging ihnen nicht ein, daß man eine Kircheaufbaute, wo es doch an Wohnhäusern fehlt. [...] EineFrau, die mit ihrem Kind als Ostflüchtling im FrankfurterHauptbahnhof vergeblich auf ein Obdach wartete, habe[...] gesagt: »Ich werde von Eurer Demokratie so viel hal-

ten, als ihr für mein Kind und mich tut, um uns vor demZugrundegehen zu schützen.« Das ist der Prüfstein desWahrheits- und Ehrlichkeitsgehaltes alles dessen, was inder Paulskirche und über sie gesprochen wurde.

Robert Strobel, Die Zeit vom 27. 5. 1948

Freiheit des Menschen – Freiheit des Staates

Rede des Dichters Fritz von Unruh zum 18. Mai 1948 inder Frankfurter PaulskircheAls sich vor hundert Jahren, am 18. Mai 1848, über drei-hundert Abgeordnete im Kaisersaal versammelten [...] –da faßte ein Gesandter aus Mailand die erregte Erwartungdes Augenblicks in die Worte: »Ganz Europa scheint zufühlen, daß der Schwerpunkt seiner Zukunft in der Pauls-kirche liegt!«Und heute? – Anno 1948. Heute. In dieser von der Kriegs-furie so gräßlich verwüsteten Stadt? Fühlen wir Heutigenden Schwerpunkt Europas hier in der Paulskirche? [...]1848, da fühlten unsere Vorväter noch in sich selber denSchwerpunkt! Er hieß: Wille zur Freiheit. [...]Keine klassenlose Gesellschaft, die auf ihren Bannernstatt das Hakenkreuz jetzt Hammer und Sichel schwingt!Sondern eine Gesellschaft von Einzelwillen, die sich zwi-schen dem »Ja« zum Recht und dem »Nein« zum Unrechtentschieden hat für den Gott in der eigenen Brust. Diesich in dem großen Advent der Menschheit, in dieserTrennungsstunde von Bestie und Mensch, entschiedenhat zu jener schon heraufdämmernden einigen Welt! Inder alle Völker zusammengeschweißt in einem einzigenWeltregiment die Erdgüter so weise verteilen, daß keineAtombombe mehr wie das Damoklesschwert über unshängt – sondern der Freude schöner Götterfunken unsalle eint in des Lebens neuer Gestaltung. [...]

Frankfurter Rundschau, 20. 5. 1948

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»1848/49.Die deutsche Revolution in Europa«

Seminar der Landeszentrale für politische Bildung vom 19. bis 21. Januar 1998 in Bad Urach

Zum Thema dieses Hefts veranstaltet die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg für Lehrer(innen) aller Schularten ein Seminar. Dabei stehenpolitische Lieder und politische Druckgrafik der Revolution im Mittelpunkt. Ihre(fächerverbindende) praktische Umsetzung für den Unterricht soll überwiegend teil-nehmerzentriert ausprobiert werden.U.a. mit öffentlichem Konzert der Gruppe »Gälfiaßler« mit ihrem neuen Programm»Katzenmusik – Ein himmlisches Singspiel aus der Revolution 1848/49« und mitEröffnungsreferat von Frau Privatdozentin Dr. Irmtraud Götz von Olenhusen/Univer-sität Freiburg

Leitung: Dr. Christof Rieber, Karl-Ulrich Templ, LpB –Auskünfte, Programm und Anmeldung bei Karl-Ulrich Templ, Lpb, 07 11/ 23 71–3 89

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Auswahlbibliographie

P Alter, Peter: Nationalismus. Frankfurt am Main 1985. 3.Aufl. 1990 = edition suhrkamp. Neue Historische Biblio-thek Bd. 1250

P Börner, Karl Heinz: Kaiser Wilhelm I. 1797 bis 1888.Deutscher Kaiser und König von Preußen. Eine Biogra-phie. Pahl-Rugenstein, Köln 1984 (fundierte DDR-Untersuchung)

P Deutsche und Polen in der Revolution von 1848/49:Dokumente aus deutschen und polnischen Archiven,hrsg. für das Bundesarchiv von Hans Booms, Boldt,Boppard am Rhein 1991

P Fenske, Hans (Hrsg.): Quellen zur deutschen Revoluti-on 1848–1849. Wissenschaftliche Buchgesellschaft,Darmstadt 1996 (neueste Quellensammlung)

P Frei, Alfred Georg/Hochstuhl, Kurt: Wegbereiter derDemokratie. Die badische Revolution 1848/49. DerTraum von der Freiheit. Braun, Karlsruhe 1997 (mitneuesten Literaturhinweisen)

P Hauser-Hauswirth, Angelika / Wehling, Hans-Georg(Hrsg.): Die großen Revolutionen im deutschen Südwe-sten. Band 27 Schriften zur politischen LandeskundeBaden-Württembergs. Kohlhammer Verlag, Stuttgart1998

P Hippel, Wolfgang von: Revolution im deutschen Süd-westen. Band 26 Schriften zur politischen Landeskun-de Baden-Württembergs. Kohlhammer Verlag, 1998

P Huber, Ernst Rudolf (Hrsg.): Dokumente zur deutschenVerfassungsgeschichte, Bd. 1: Deutsche Verfassungs-dokumente 1803–1850. Stuttgart 3. Aufl. 1978

P Hummel-Haasis, Gerlinde (Hrsg.): Schwestern zerreißteure Ketten. Zeugnisse zu Geschichte der Revolutionvon 1848/49. Deutscher Taschenbuch Verlag, Mün-chen 1982

P Krapp, Berthold: Ludwig Mieroslawski, »Obergeneral«der Revolutionsarmee. Die Mitwirkung von Polen ander badischen Volkserhebung des Jahres 1849 im Lich-te des gesamtpolnischen Freiheitskampfes. In: ZGO123 (1975), S. 227–241

P Krausnick, Michail: Die eiserne Lerche. Die Lebensge-schichte des Georg Herwegh. Beltz & Gelberg, Wein-heim 1993 (Jugendbuch)

P Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württem-berg (Hrsg.): Revolution 1848/49 in Baden und Mittel-deutschland. Stuttgart 1984 = Die deutsche Frage imUnterricht (jetzt: Deutschland & Europa) H. 2 (Unter-richtsvorschläge, Tafeln, Materialien, Erläuterungen)

P Langewiesche, Dieter: Die deutsche Revolution von1848/49 und die vorrevolutionäre Gesellschaft: For-schungsstand und Forschungsperspektiven. Teil II. In:Archiv für Sozialgeschichte Bd. 31 (1991), S. 331–443(kritische Gesamtschau u.a.hervorragend für gezielteFragen)

P Langewiesche, Dieter: Europa zwischen Restaurationund Revolution 1815–1849. Oldenbourg, München1993, 3. überarb. und erw. Auflage

P Makowski, Krzystof: Das Großherzogtum Posen imRevolutionsjahr 1848. In: Rudolf Jaworski/Robert Luft(Hrsg.): 1848/49 – Revolutionen in Ostmitteleuropa.Oldenbourg, München 1996, S. 149–172

P Müller, Michael G. / Schönemann, Bernd: Die »Polen-Debatte« in der Frankfurter Paulskirche. Darstellung,Lernziele, Materialien. Frankfurt 1991 = Studien zurinternationalen Schulbuchforschung Bd. 68

P Reiter, Annette: Die Sammlung A. W. Heil: PolitischeDruckgrafik des Vormärz und der Revolution 1848/49.Deutscher Sparkassen-Verlag, Stuttgart 1994, (zubeziehen nur bei Stadtarchiv Butzbach, Markplatz 1,35510 Butzbach) (Standardwerk für Bildquellen)

P Reiter, Herbert: Politisches Asyl im 19. Jahrhundert.Duncker und Humblot, Berlin 1992

P Siemann, Wolfram: Die deutsche Revolution von1848/49. Frankfurt am Main 1985. 5. Aufl. 1993 = editi-on suhrkamp Neue historische Bibliothek Bd. 1266(Gesamtdarstellung auf der methodischen Grundlage,die Wechselwirkung unterschiedlicher Handlungsebe-nen der Revolution zu erfassen, mit zahlreichen für denUnterricht geeigneten Tafeln und Tabellen)

P Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum National-staat. Deutschland 1806–1871. C.H. Beck: Neue Deut-sche Geschichte Bd. 7, München 1995 (dort die gesam-te weitere Literatur)

P Vollmer, Franz X: Der Traum von der Freiheit. Vormärzund 48er Revolution in Süddeutschland in zeitgenössi-schen Bildern. Theiss Verlag, Stuttgart 1983 (Fundgru-be für kommentierte Bildquellen).

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AV-MedienZusammengestellt von: Hanns-Georg Helwerth,Landesbildstelle Württemberg, Stuttgart.

P Reportagen aus der GeschichteBarrikaden für die RepublikSeptemberaufstand in FrankfurtVideo, 15 min, F, 1987Adressaten: SIAnhand der Bürgerunruhen des Septembers 1848 aufdem Frankfurter Römerberg thematisiert der Film inDokumentarspielszenen und simulierter »aktueller«Berichterstattung die Frage, warum der Traum vielerDeutscher von einem geeinten, demokratischenDeutschland scheiterte. 42 00892

P Das neunzehnte Jahrhundert; 5Die Revolution achtzehnhundertachtundvierzig bisachtzehnhundertneunundvierzig (1848–49)Ort der Hoffnung, Symbol der DemokratieVideo, 30 min, F+Sw, 1975Adressaten; SI, SII, J, EFebruar-Revolution, Barrikaden-Kämpfe in Wien undBerlin, Frankfurter Nationalversammlung, Scheiternder Revolution (s.a. 32 51640). 42 51346

P Das neunzehnte Jahrhundert; 9Parteien im Deutschen ReichVideo, 30 min, F, 1977Adressaten; SI, SII, J, EFraktionen der Frankfurter Nationalversammlung,politische Grundströmungen und Parteigründungenab 1860, Reichsverfassung, Wahlsystem, Hypothekendes deutschen Parteiensystems. (s.a. 32 51658)42 51350

P Die nationalen Symbole der DeutschenVideo, 22 min, F, 1992Adressaten; SI, SII, J, EDer Film schildert die wechselvolle Geschichte dernationalen Symbole der Deutschen vom ZeitalterNapoleons und der Befreiungskriege bis zur Wieder-erlangung der deutschen Einheit im Jahr 1990. Dabeiwird deutlich, daß Hymne und Fahne nicht nur denWunsch nach Einheit zum Ausdruck bringen.42 01490

P Die PaulskircheOrt der Hoffnung, Symbol der DemokratieVideo, 23 min, F+Sw, 1989Adressaten; SI, SII, J, EDer Film gibt einen Überblick über Ursachen, Zieleund Verlauf der bürgerlichen Revolution 1848/49 inDeutschland, eingebettet in die Geschichte desGebäudes der Paulskirche in Frankfurt. Zeitgenössi-sche Darstellungen zum politischen Geschehengeben zusammen mit Zitaten beteiligter Politiker einanschauliches Bild. 42 00849

P Die Revolution achtzehnhundertachtundvierzig bisachtzehnhundertneunundvierzig (1848–49)Video, 16 min, F, 1991Adressaten; SI, SIIAusgehend von der Februarrevolution in Paris werdenan zeitgenössischen Darstellungen die wichtigstenrevolutionären Ereignisse in den Ländern des Deut-schen Bundes, besonders in Österreich und Preußen,die Arbeit der Paulskirche und das Scheitern derRevolution gezeigt (s.a. 32 10116) 42 01963

P Reportagen der GeschichteDer Zug der Marburger DemokratenDie Turner und die RevolutionVideo, 15 min, F, 1987Adressaten: SI, J, EDas Videoband zeigt in Dokumentarbeispielszenenund simulierter »aktueller« Berichterstattung, wie sichDemokraten in Marburg entschlossen haben, unterder Schwarz-Rot-Goldnen Fahne, dem Symbol einesfreien, geeinten, demokratischen Deutschlands,bewaffnet nach Hanau zu ziehen, um dort die Revolu-tion zu unterstützen. 42 00891

P Der ZeugenbergEinblick in die Geschichte des HohenaspergVideo, 20 min, F, 1996Adressaten; SI, SII, J, ELängsschnitt durch die Geschichte des Hohenasperg.Die Schwerpunkte des Films liegen auf den folgendenThemen: Der Asperg als Sitz eines bedeutendenKeltenfürsten, der Ausbau des Hohenasperg zurLandesfestung im Mittelalter, der Hohenasperg als Ortder Unterdrückung der demokratischen Bewegung(Schubart, die Revolution von 1848/49, NS-Zeit), derHohenasperg als Gefängnis bzw. Gefängniskranken-haus. 42 61898

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Die Reihe »Deutschland und Europa (bis Heft 19 unter dem Titel »Die Deutsche Frage im Unterricht«) richtet sich in ersterLinie an Lehrkräfte der Unterrichtsfächer Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch und Bildende Kunst. Die Publikationen wenden sich darüber hinaus an alle interessierten Jugendlichen und Erwachsenen. Die Zeitschrift soll deutsche und europäische Themen in historischer und politischer Perspektive darstellen. Sie erscheint zweimal im Jahr und wird durch die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung für Bildung und Behindertenförde-rung finanziell unterstützt.Die Hefte mit Bausteinen und Unterrichtsmaterialien sind speziell für den Unterricht an den allgemeinbildenden Schulenerarbeitet. Die Exkursionshefte(*) sind für Schul- und Studienfahrten, für Partnerschaftsunternehmungen und auch für denfächerverbindenden Unterricht eine Hilfe.

Von den bisher erschienenen Heften sind noch lieferbar: (11.97)Heft 16 Der Harz und sein Vorland *

Heft 17 Philipp Melanchthon – ein Lehrer Deutschlands (Neudruck 1996)

Heft 26 Theodor Heuss

Heft 27 Wirtschaftlicher Umbruch Strukturwandel in den neuen Bundesländern

Heft 28 Zwischen Elbe und Neiße Nieder- und Oberlausitz *

Heft 29 Europäische Friedensschlüsse Deutschland in Europa 1648 -1815 -1919 - 1990

Heft 30 Sankt Petersburg Rußlands Fenster nach Europa *

Heft 31 Berlin Europäische Metropole und deutsche Hauptstadt *

Heft 32 Elsaß Europäische Region in Geschichte und Gegenwart *

Heft 33 Die Oder *

Heft 34 Wales *

Heft 35 »… bis es ein freies Volk geworden …« 1848/49: Revolution

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Tel. 0711/2371-391, Fax -495Reihe für Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch, Kunst

DEUTSCHLAND & EUROPA

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Unsere anderen Abonnement-Zeitschriften

Themen und Probleme, wissenschaftlich fundiert, komprimiert, auf den Punkt gebracht(4 Hefte zu 25,– DM/Jahr, im Abonnement)

Zeitschrift zur Gestaltung des politischen Unterrichts(4 Hefte zu 20,– DM/Jahr zzgl. Porto, das Abonnement ist direkt beim Neckar-Verlag, Pf. 1820, 78008 Villingen-Schwenningen, zu bestellen)

Vorbereitete Abo-Bestellabschnitte mit Verzeichnissen der noch lieferbaren Titel erhältlich über: Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart (Fax 0711/2371496)

DER BÜRGERIM STAAT

Politik und UnterrichtZeitschrift zur Gestaltung des politischen Unterrichts

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Unsere Spiele und Arbeitshilfen

Hinweise aus dem LpB-Referat Gedenkstättenarbeit

Zweiter Teil des Wegweisers zu Stätten des Widerstands undder Verfolgung erschienen

Der Studienkreis Deutscher Widerstand und die Vereinigung derVerfolgten des Naziregimes haben dieser Tage Teil 2 des Heimat-geschichtlichen Wegweisers zu Stätten des Widerstands und derVerfolgung 1933 bis 1945 für die Regierungsbezirke Freiburgund Tübingen herausgebracht. Das Projekt wurde durch die Lan-deszentrale für politische Bildung gefördert.Mit dem bereits 1991 erschienenen ersten Teil liegt nun eine Ge-

samtübersicht für das Land Baden-Württemberg vor. Die Recher-chen wurden jeweils auf Gemeindebasis durchgeführt und nachLandkreisen zusamengefaßt. Sie weisen auf der einen Seite nach,daß der Schrecken des NS-Systems allgegenwärtig war und kei-nen Landstrich verschonte; andererseits wird aber auch deutlich,daß es zwar kaum den »großen« Widerstand gab, aber doch zahl-reiche Versuche, sich den »aufrechten Gang« soweit wie möglichzu bewahren.Beide Bände sind unverzichtbar für eine aufgeklärte Heimatfor-schung, für eine orts- und personenbezogene Auseinandersetzungmit der jüngeren Geschichte und für die Vorbereitung von Exkur-sionen.

Die Bände sind erschienen im Verlag für akademische Schriften VAS, 60486 Frankfurt-Bockenheim, Kurfürstenstraße 18.

Band 5/1, Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe, ISBN 3-88864-032-6, Preis 38,– DMBand 5/2, Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen, ISBN 3-88864-204-3, Preis 39,– DM

(Die Preise verstehen sich zzgl. Versandkosten, bei Bestellungen von außerhalb Baden-Württembergs gelten die Preise in Klammern)

Spannendes Gedächtnisspiel mit 88 Bildkarten, Beiheft20,– DM (40,– DM)

Umfangreicher »Lernkoffer«, 56 große Puzzleteile, Landes- und Kreiskarten, Spielfiguren, BegleitheftSonderpreis 50,– DM (200,– DM)

Lernspiel mit 139 Teilen, Staaten-Infokarten, Beiheft50,– DM (100,– DM) Neuauflage im Frühjahr ’97

100 großformatige vielseitig einsetzbare Fotos, BeiheftSonderpreis50,– DM (50,– DM)

Aufblasbarer Würfel mit Bilder-Sätzen zu 10 Themen, Begleitheft40,– DM (80,– DM)

Frage- und Antwortspiel für 2 bis 4 Spieler200 Fragekarten, Spielfeld, Würfel, Spielanleitung14,90 DM(29,80 DM)

Europa-Kartenspiel45 Spielkarten zu Besonderheiten der EU-Staaten, mit Anleitung5,– DM (8,– DM)

Bestellungen und Anforderung von Prospekten an: Landeszentrale für politische Bildung, Referat Arbeitshilfen, HannerSeite 1, 72574 Bad Urach (Telefon 07125 / 152-134, Fax 07125 /152100)

Die Landeszentrale für politische Bildung vetreibt einen eigenen Internetserver. Sie istseit Mai 1996 im World Wide Web vertreten und ist erreichbar unter der Adresse:

http: // www.lpb.bwue.de

Seit 1994 ist die Mailbox der Landeszentrale mit einem PC, einem Modem und einer Terminalsoftware zu erreichen unter der Telefon-Nummer:

0 71 25/15 21 38 – 24 Stunden onlineMAILBOX

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Thema des nächsten Heftes:

»Flandern«

Reclam Graphischer Betrieb GmbH · 71254 Ditzingen

Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg

Stafflenbergstraße 38 · 70184 StuttgartTelefax (0711) 23 71-4 96 Telefon (07 11) 23 71-30Mailbox (0 71 25) 152-138Internet http://www.lpb.bwue.de

DurchwahlnummernDirektor: Siegfried Schiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -385Assistenz: Sabine Keitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -387Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -484

Abteilung I Verwaltung (Klaus Jentzsch)FachreferateI/1* Partnerfragen: Klaus Jentzsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -379I/2 Organisation und Haushalt: Jörg Harms . . . . . . . . . . . . . . -383I/3** Haus auf der Alb: Erika Höhne . . . . . . . . . . (0 71 25) 152 -109I/4 DV-Organisation Stuttgart: Wolfgang Herterich . . . . . . . . -492I/4* DV-Organisation Stuttgart: Cynthia Bertazzoni . . . . . . . . . -499I/4** DV-Organisation Bad Urach:

Siegfried Kloske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 7125) 152 -137

Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Direktor)FachreferateII/1 N.N.II/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse . . (0 7125) 152 -140II/3 Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . -390II/4* Schule, Hochschule, Schülerwettbewerb:

Reinhard Gaßmann, Ass. Monika Greiner . . . . . . . . . . . . . -373II/5 Außerschulische Jugendbildung: Wolfgang Berger . . . . . -369II/6** Öffentlicher Dienst: Eugen Baacke . . . . . . . (0 7125) 152 -136

Abteilung III Schwerpunkte (Konrad Pflug)FachreferateIII/1 Landeskunde/Landespolitik:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -392III/2 Frauenbildung: Christine Herfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -487III/3** Zukunft und Entwicklung:

Gottfried Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 7125) 152 -139III/4** Ökologie: Dr. Markus Hug . . . . . . . . . . . . . . (0 7125) 152 -146III/5* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Konrad Pflug . . . . . . . . . . -494III/6 Deutschland und Europa: Dr. Thomas Weber . . . . . . . . . . -488III/7* Massenkommunikation und Medienpädagogik: N.N.III/8* Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug . . . . . . . . . . . . . . . . . . -495

Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling)FachreferateIV/1 Wissenschaftliche Publikationen

Redaktion »Der Bürger im Staat«:Prof. Dr. Hans-Georg Wehling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -371

IV/2 Redaktion »Politik und Unterricht«: Otto Bauschert . . . . . -388IV/3 Redaktion »Deutschland und Europa«:

Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -391

IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech . . . . . . . . . . -482IV/6** Arbeitshilfen: Werner Fichter . . . . . . . . . . . (0 71 25) 1 52 -147

Abteilung V Regionale Arbeit (Hans-Joachim Mann)FachreferateV/1 Außenstelle Freiburg: Michael Wehner

(07 61) 2877377V/2 Außenstelle Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann

(0 62 21) 60 78-14V/3* Außenstelle Stuttgart: Hans-Joachim Mann

(0711) 2371374V/4 Außenstelle Tübingen: Rolf Müller

(0 70 71) 2 00 29 96

DienststellenZentrale in Stuttgart s.o.* 70178 Stuttgart, Sophienstraße 26-30, Telefax (0711) 2 3714 98** Haus auf der Alb, Hanner Steige 1,

72574 Bad Urach, Tel. (0 71 25) ·152-0, Telefax (0 7125) 152-100

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Publikationsausgabe StuttgartStafflenbergstraße 38Dienstag 9 – 12 Uhr, Donnerstag 14 –17 Uhr

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»Deutschland und Europa«Angelika Uhlig-Staudi, Telefon (0711) 23713 81

»Politik und Unterricht«Verena Richter , Telefon (0711) 2 37 13 78

»Der Bürger im Staat«Ulrike Hirsch , Telefon (0711) 2 37 1371

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