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tech forum ThyssenKrupp Ausgabe 1 I 2013 Wir entwickeln die Zukunft für Sie.

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Ausgabe 1 I 2013

Wir entwickeln die Zukunft für Sie.

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TitelbildSeit mehr als 50 Jahren errichtet ThyssenKrupp Uhde nunmehr Chlor-Alkali-Elektrolyse-Anlagen für die chemische Industrie. Bei der konventionellen Methode wird mittels dieser Anlagen Natriumchlorid, also Kochsalz, in einer wässrigen Lösung zer-setzt (Titelbild: mit dem Rasterelektronenmikroskop fotografierte Salz (NaCl)-Kristalle). Bei diesem Elektrolyse-Verfahren entstehen auf Seiten der Anode Chlor und kathoden- seitig Natronlauge sowie Wasserstoff. Technisch muss die Elektrolyse so durchgeführt werden, dass Anodenprodukt und Kathodenprodukte getrennt voneinander bleiben, weil sonst unerwünschte Nebenprodukte wie Chlorknallgas und Natriumhypochlorid entstehen würden. Chlor kommt bei der Synthese von nahezu zwei Dritteln aller chemischen Erzeugnisse zum Einsatz. Seine Herstellung aus Kochsalz mittels Elektrolyse ist sehr energie-aufwendig. Von den bisher entwickelten Elektrolyse-Verfahren, galt das Membran-Elektrolyse-Verfahren als das energieeffizienteste: Eine Tonne Chlor lässt sich mit diesem Verfahren mit 2.400 bis 3.000 kWh Strom erzeugen. Ende der 90er Jahre begann die Entwicklung einer Variante dieses Membran-Elektrolyse-Verfahrens seitens Experten von UHDENORA S.p.A., einem Joint Venture aus ThyssenKrupp Uhde und Industrie De Nora S.p.A. Bei diesem neuartigen Verfahren wird kein Wasserstoff produziert. Die Kathode wird durch eine sog. Sauerstoff-Verzehrkathode ersetzt. In ihr setzt sich eingeleiteter Sauerstoff mit Wasser in einer 3-Phasen-Reaktion um, wobei sich Hydroxyl-Ionen bilden. Weil demnach Sauerstoff verbraucht wird, nennt man die Gasdiffusionselektrode häufig Sauerstoff-Verzehr-Kathode (SVK). Die Reaktion läuft bei einer geringeren Spannung ab. Das bedeutet, dass der Stromverbrauch und der Emissionsausstoß im Vergleich zur bisher üblichen Membran-Elektrolyse weiter reduziert werden können. Deutschlandweit bedeutet dies, dass ein Prozent des gesamten Strombedarfes und rund drei Millionen Tonnen CO2

mit dieser neuen Technologie eingespart werden können. Weltweit liegt das Einspar-potenzial bei ca. 20 Millionen Tonnen CO2.

Das Verfahren der „Chlor-Alkali-Elektrolyse mit innovativer SVK-Technologie“ wurde mit dem ThyssenKrupp Innovationspreis 2012 ausgezeichnet.

Herausgeber

ThyssenKrupp AG, Corporate Center Technology, Innovation & Quality, ThyssenKrupp Allee 1, 45143 Essen

Redaktion: Guido Focke, Telefon: +49 201 844-536291, Fax: +49 201 8456-536291

Erscheinungsweise

‘ThyssenKrupp techforum’ erscheint ein- bis zweimal jährlich in deutscher und englischer Sprache.

Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers. Fotomechanische Vervielfältigung einzelner Aufsätze

ist erlaubt. Der Versand des ‘ThyssenKrupp techforum’ erfolgt über eine Adressdatei, die mit Hilfe

der automatisierten Datenverarbeitung geführt wird.

ISSN 1612-2763

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ThyssenKrupp techforum 1 I 2013

Vorwort / 03

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Innovationen sind die Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Dies gilt heute mehr als je zuvor. Denn langfristige Trends wie Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und die Globalisierung der Warenströme führen dazu, dass die Nachfrage kontinuierlich steigt. Die Welt braucht immer „mehr“. Doch die natürlichen Ressourcen sind begrenzt. Wir brauchen „bessere“ Lösungen und Produkte: Wir müssen Energie effizienter nutzen, Konsum- und Industriegüter umweltschonender produzieren und eine nachhaltigere Infrastruktur aufbauen. Wir als ThyssenKrupp können mit unserer Ingenieurkunst dazu beitragen, das weltweite Wachs-tum nachhaltig zu gestalten. In diesem techforum möchten wir Ihnen einige herausragende Innovationen vorstellen, insbesondere am Beispiel der Preisträger des letztjährigen ThyssenKrupp Innovationswettbewerbs, aber auch weitere erfolgreiche Projekte aus unserem Konzern. Den ersten Preis im Innovationswettbewerb hat ThyssenKrupp Uhde gewonnen. Das Unter-nehmen entwickelte ein neues, wesentlich energieeffizienteres Verfahren für die Chlor-Alkali-Elektrolyse. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, 13 Partner aus Industrie und Wissenschaft haben dabei zusammengearbeitet. Dass sich Windkraftanlagen auf See jetzt deutlich schneller, lärmgemindert und zu geringeren Kosten errichten lassen, ist das Ergebnis einer Neuentwicklung von ThyssenKrupp Tiefbau-technik. Das Unternehmen erhielt für die Entwicklung einer Vibrationsramme zur Gründung von Offshore-Windenergieanlagen den zweiten Preis beim ThyssenKrupp Innovationswettbewerb. Den dritten Preis erhielt ein Team von ThyssenKrupp Steel Europe für die Entwicklung des steifigkeitsoptimierten Stahl/Kunststoff/Stahl-Verbundwerkstoffes LITECOR®. Das in drei Lagen ausgeführte Composite-Material kombiniert die Festigkeit von Stahl mit dem niedrigen Gewicht von Kunststoff bei sehr hoher Biege- und Beulsteifigkeit. Einem Team von ThyssenKrupp Resource Technologies wurde für ein neues Antriebskonzept für Zementmühlen der Sonderinnovationspreis Energie und Umwelt verliehen. Mit der Vertikal-rollenmühle Quadropol RD können feinere Zemente mit höheren Fremdmaterialanteilen erzeugt werden. Der Anteil von Klinker im Zement kann reduziert werden, wodurch sich neben weiteren Vorteilen für den Anlagenbetreiber die CO2-Emissionen deutlich reduzieren lassen. Liebe Leserinnen und Leser: Wer Innovation nicht dem Zufall überlassen will, benötigt kreative Mitarbeiter, Netzwerke, Prozesse und Werkzeuge. Was ThyssenKrupp unternimmt, um techno-logischen Erfolg reproduzierbar zu machen, ist ein weiterer Schwerpunkt dieser Ausgabe. Exzellente Innovatoren sind rar gesät. In einem Bericht aus dem Corporate Center Human Resources lesen Sie, wie ThyssenKrupp seinen innovativen Nachwuchs findet, durch attraktive Programme an das Unternehmen bindet und welche weiteren Chancen sich den Programm-teilnehmern und damit auch letztlich unserem Konzern bieten. Weltweit unterhält ThyssenKrupp eine sehr große Zahl langjähriger Verbindungen zu wissen-schaftlichen Institutionen, mit deren Unterstützung wir in Kooperationen, Workshops und Weiter-bildungsprogrammen gemeinsam Projekte zum Erfolg führen. Unsere Kunden stehen im Zentrum all unserer Aktivitäten. Kundenanforderungen durch Prozessoptimierung und die Entwicklung neuer Produkte sowie Prozesse vollständig und profi-tabel zu erfüllen, sind Ziele der Six-Sigma-Methodik. Diese wollen wir Ihnen durch Berichte über beispielhafte Projekte näher bringen. Unter dem Stichwort ‘Industrie 4.0’ schließlich steht der Beitrag über leistungsfähige Software- und Engineering-Tools, mit denen unsere Unternehmen die Anforderungen der jüngsten indus-triellen Revolution umsetzen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre und interessante Einblicke in die Welt der Innovation.

Ihr

Dr.- Ing. Heinrich HiesingerVorsitzender des Vorstands

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04 / Inhalt

08 / Nahwärme für die Lackieranlage direkt vom Bauernhof

DIPL.-ING. RAINER SCHOLZ, DIPL.-ING. THOmAS WöRmANN ThyssenKrupp Bilstein GmbH

Früher entwich die Abwärme zweier Blockheizkraftwerke auf dem Ulmenhof bei Mandern in Rheinland-Pfalz in die Luft. Jetzt erhitzt Landwirt Backes damit Wasser und leitet es per Leitung ins benachbarte Werk von ThyssenKrupp Bilstein. Ein Paradebeispiel, wie Abwärmepotenziale im Rahmen von betrieblichen Prozessen nutzbar werden. Der Autozulieferer, der in Mandern mit mehr als 800 Mitarbeitern Stoßdämpfer und Luftfedersysteme für verschiedene nationale und internationale Automobilhersteller produziert, spart auf diese Weise die Hälfte seiner Energiekosten.

12 / EVOLUTION® BLUE Entwickelt für die Anforderungen von morgen

DIPL.-ING. (FH) CARSTEN BLESSING ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH

NICOLA DANGERFIELD ThyssenKrupp Aufzüge GmbH

Zukunft braucht Innovation. Mit dem neuen Aufzugdesignkonzept EVOLUTION® BLUE werden neue Maßstäbe imBereichFlexibilität,Schachteffizienz,EnergieeinsparungundDesignerzielt.DabeistehtderEinsatzhoch- wertigster Materialien im Mittelpunkt.

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Inhalt / 05

18 / Energiesparende Chlorproduktion Chlor-Alkali-Elektrolyse mit innovativer Kathoden-Technologie

DIPL.-ING. PETER WOLTERING, DR.-ING. PHILIPP HOFmANN, FRANK FuNCK, DR.-ING. RANDOLF KIEFER,

DR.-ING. uLF-STEFFEN BäumER, DR.-ING. DIPL.-WIRT.ING. DmITRI DONST, DR.-ING. CARSTEN SCHmITT Thyssen Krupp Uhde GmbH

Chlor kommt bei der Synthese von fast zwei Dritteln aller chemischen Erzeugnisse zum Einsatz. Seine Herstellung aus Kochsalz mittels Elektrolyse verbraucht sehr viel Energie. ThyssenKrupp Uhde und Industrie De Nora S.p.A. mit dem gemeinsamen Joint Venture UHDENORA S.p.A. haben einen wesentlichen Anteil daran, dass nun weltweit eine Technologie zur Verfügung steht, mit der bis zu 30 Prozent Energie gegenüber dem konventionellenVerfahreneingespartwerdenkann.DieTechnologieberuhtaufdemEinsatzeinerSauerstoff- Verzehr-Kathode und eines darauf abgestimmten innovativen Designs des Kathodenraumes im Uhde-Single- Element.AlleininDeutschlandwürdebeiflächendeckenderUmrüstungallerAnlagenaufdieneueTechnologie eine Strommenge eingespart, die ausreichen würde, um eine Großstadt wie Köln zu versorgen.

24 / Quadropol RD Weltweit erste Vertikalrollenmühle mit angetriebenen Rollen

DR.-ING. THOmAS SCHmITZ, DIPL.-ING. mARKuS BERGER, DIPL.-ING. HEIKO FORNEFELD,

DIPL.-ING. LuDGER KImmEyER ThyssenKrupp Resource Technologies GmbH

DieZementindustrieverlangtzunehmendnachMahlanlagen,mitdenenhochfeineZementeenergieeffizient hergestellt werden können. Die Vertikalmühle mit angetriebenen Rollen erfüllt aufgrund ihres innovativen Antriebskonzeptes diese Forderung. Obwohl in der Mühle selbst keinerlei CO2-Emissionen freigesetzt werden,trägtdieMühlebeiderErzeugungvonhochfeinenKompositzementenzurSenkungderspezifischen CO2-Emissionen eines Zementwerkes bei.

30 / Seegangsberechnung on board – Data Mining auf hoher See DR. RER. NAT. ANDREAS DIEKmANN, DR.-ING. FLORIAN DIGNATH, DR. RER. NAT. QINGHuA ZHENG TechCenter Control Technology

DIPL.-ING. mANuEL SCHARmACHER ThyssenKrupp Marine Systems GmbH

In einem Team aus dem TechCenter Control Technology und der ThyssenKrupp Marine Systems GmbH wurde einVerfahrenzurmathematischenBestimmungdesSeegangesdirektausdenBewegungsdateneinesSchiffes entwickelt, d.h. ohne den Einsatz zusätzlicher, z.B. radarbasierter Sensoren. Die Vorgehensweise basiert auf der Technik des Data Mining, die bisher vor allem zur Analyse komplexer Systeme u.a. in der Finanz- und Sozial- wissenschaft verwendet wurde. Mit der Entwicklung dieses Verfahrens konnte gezeigt werden, dass Data Mining auch im technischen Kontext für die Gewinnung von Größen, die nicht bzw. nicht unmittelbar messbar sind, wirkungsvoll angewandt werden kann. Dies ist vermehrt auch für Verfahren zur Prozesssteuerung und -opti- mierung in Industrieanlagen von Bedeutung.

36 / Virtuelle Inbetriebnahme von Produktionsanlagen mARCEL LIEBAuG, DR.-ING. mATTHIAS HARTmANN ThyssenKrupp System Engineering GmbH

Die Realisierung von Fertigungsanlagen im Karosserierohbau stellt eine hochkomplexe Aufgabe dar, die in einem sehr engen Zeitplan erfolgreich durchgeführt werden muss. ThyssenKrupp System Engineering setzt mit der Virtuellen Inbetriebnahme eine Methode aus dem Baukasten der digitalen Fabrik ein, mit der das zur VerfügungstehendeZeitfenstereffektivgenutztwirdundFehlerkostenreduziertwerden.DieMethodebasiert darauf, die digitalen dreidimensionalen CAD-Modelle (Computer Aided Design) der Anlage mit der in SPS- und Roboterprogrammen hinterlegten Funktionalität und Logik nach dem Prinzip ‘Hardware-in the-loop’ (HIL) so zu verknüpfen, dass Analysen und Korrekturen des programmierten Anlagenverhaltens möglich werden. Die Methode wird bei ThyssenKrupp System Engineering erfolgreich in Kundenprojekten eingesetzt und konti- nuierlich weiterentwickelt.

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06 / Inhalt

42 / GründungvonOffshoreWindenergieanlagen Entwicklung einer speziellen Vibrationsramme mit erweiterter Funktion

DR.-ING. JOHANNES KöCHER, DIPL.-ING. DIRK uLRICH ThyssenKrupp Tiefbautechnik GmbH

FürdiesichereVerankerungvonStahlgerüstfundamentenalsBasisstrukturvonOffshore-Windenergieanlagen, werden diese mit „Nägeln“ am Meeresboden verankert. Die Nägel bestehen aus Rohren mit Gewichten bis zu 140 t und werden mit Hilfe der Vibrationstechnik in den Meeresboden eingetrieben und durch anschließendes Nachschlagen verankert. ThyssenKrupp Tiefbautechnik hat eine Vibrationsramme dahingehend weiter entwickelt, dasssiedasRammgutdirektvomArbeitsschiffoderPontonausinderWaagerechtenaufnehmenunddann senkrechtindenBodeneinvibrierenkann.HierdurchwerdendieInstallationszeitensignifikantverkürztund damit die Gründungskosten deutlich gesenkt.

48 / LITECOR® Die neue Art, leicht zu bauen

DR.-ING. THORSTEN BöGER, DIPL.-KFm. (FH) OLIvER mIDDELHAuvE ThyssenKrupp Steel Europe AG

Kosten, Gewicht und Performance gelten als die drei zentralen Zielgrößen in der Automobilindustrie. Möglichst günstig, leicht und dabei gleichzeitig leistungsfähig und sicher sollen moderne Fahrzeuge sein. Dies stellt zu- nehmendhöhereAnsprücheandiedorteingesetztenWerkstoffe.DieZukunftkönntedabeidenHybridwerkstoffen gehören. Materialien wie LITECOR®,einemextrembiege-undbeulsteifenStahl-Polymer-Werkstoffverbund,der dieFestigkeitvonStahlmitdemniedrigenGewichtvonKunststoffkombiniertundsoneueImpulsebeispielsweise für den Karosserieleichtbau in der Automobilindustrie liefert.

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Inhalt / 07

54 / ThyssenKrupp – Akademischer Nachwuchs im Fokus Ingenieurkunst im Spannungsfeld zwischen Wachstum und Umweltschutz

m.A. HELGE KROLL, DIPL.-KFFR. (FH) SARAH HEIDELBERG, DIPL.-KFm./m.SC. ANDREAS BAuSENWEIN ThyssenKrupp AG

Die Präsenz an Universitäten und Fachhochschulen wird für ThyssenKrupp immer wichtiger. Der Technologie- konzern zeigt sich dort als attraktiver Arbeitgeber und knüpft frühzeitig Kontakte zu den Studierenden. Zu den Schwerpunktuniversitäten in Aachen, Berlin, Bochum, Dortmund und Dresden unterhält ThyssenKrupp seit Jahren enge Beziehungen. Hinzu kommen bundesweit viele weitere Partner-Universitäten und Fachhochschulen sowie Hochschulen in Brasilien, China, Japan und Russland. Die Berufseinstiegsprogramme richten sich an denspezifischenAnsprüchenderunterschiedlichenZielgruppenaus.DasPraktikantenbindungsprogramm „NEXT GENERATION“ nimmt die besten Praktikanten auf. In ausgewählten Veranstaltungen werden sie syste- matisch auf ihren späteren Berufseinstieg im Konzern vorbereitet. Für Akademiker mit Forschungsinteresse bietet das Doktorandenprogramm „YOUR INNOVATION“ die Möglichkeit, an den neuesten Technologien im Konzern mitzuarbeiten. Im Konzern-Traineeprogramm „Create (y)our future“ lernen die Trainees verschiedene Tätigkeitsbereiche und Business Areas strategisch und operativ kennen. Projekteinsätze im Ausland runden die Vorbereitung auf Schlüsselpositionen im Konzern ab.

60 / Innovationsfaktor Kooperation ThyssenKrupp Elevator setzt weltweit auf Hochschulpartnerschaften DIPL.-WIRTSCH.-INF. (FH)/mBA SASCHA FRömmING, DIPL.-ING. (FH) THOmAS EHRL ThyssenKrupp Elevator AG

DIPL.-ING./m.A.S. JAvIER SESmA ThyssenKrupp Elevator Innovation Center, DIPL.-ING. THOmAS FELIS ThyssenKrupp Elevator Americas

DIPL.-JOuRN. (FH) JENS HOLTGREFE ThyssenKrupp Business Services GmbH

Innovationen gelten gerade in einer Zeit fortschreitender Globalisierung und technologischen Wandels als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit und zum Wirtschaftswachstum. Doch dahinter verbergen sich nicht nur die Entwicklung und der Einsatz neuer Technologien: Nachhaltige Innovationsfähigkeit setzt vor allem hoch- qualifizierteFachkräftesowiezunehmendaucheinenverstärktenundumfassendenWissensaustauschzwischen Wirtschaft und Forschung voraus. Experten bewerten diese Zusammenarbeit sogar als maßgeblich für die zukünftige Leistungsfähigkeit von Industrie und Gesellschaft. ThyssenKrupp Elevator hat in den vergangenen Jahren seine weltweiten Kooperationen mit verschiedenen Hochschulen kontinuierlich ausgebaut. Begleitet wurde dieser Prozess von einer tiefgreifenden Veränderung und Stärkung des unternehmensweiten Innovationsmanagements.

66 / Six Sigma und Lean im Rahmen der Operational Excellence Aktivitäten bei ThyssenKrupp

DIPL.-ING. PETER KRECHEL ThyssenKrupp AG, B.ENG. mARCIO R. TASSONI ThyssenKrupp Metalúrgica Campo Limpo Ltda.

SIByLLE DEGENHARDT ThyssenKrupp Schulte GmbH, DIPL.-KFm. THORSTEN ZAuBER ThyssenKrupp Steel Europe AG

ThyssenKrupp stellt seine Prozesse und Produkte kontinuierlich auf den Prüfstand. Basis hierfür sind neben qualifiziertenundmotiviertenMitarbeiternhäufigVorgehenundWerkzeugeausdemBereichOperational Excellence, die in der Toolbox Operational Excellence zusammengefasst sind. Anhand mehrerer Beispiele wird der Einsatz der Tools in Administration, Produktion und Logistik gezeigt.

72 / Engineering Tools als eine Basis für Industrie 4.0

DR.-ING. DIRK ZIESING, DIPL.-ING. NIKLAS HOCHSTEIN ThyssenKrupp AG

Industrie 4.0 – die vierte industrielle Revolution – ist ein in der Fachpresse viel diskutiertes Thema. ThyssenKrupp steht dabei vor einer Reihe von Herausforderungen. Die Beherrschung wachsender Produktanteile aus Elektronik-undSoftware-Komponentenunddesimmerstrafferorganisiertenundhoch-integriertenEntwick- lungsprozessessowiedienahtloseundhoch-flexibleFertigungsanbindungsindSchlüsselkompetenzen,dieden Konzern in die Zukunft führen. Reales und virtuelles Produkt verschmelzen zusehends. Im Engineering einge- setzte Software Tools und deren nahtlose Verknüpfung spielen dabei eine zentrale Rolle als Infrastruktur für das Produktwissen.

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Nahwärme für die Lackieranlage direkt vom BauernhofDIPL.-ING. RAINER SCHOLZ Leiter Werksservice

ThyssenKrupp Bilstein GmbH Mandern

DIPL.-ING. THOmAS WöRmANN Leiter Marketing

ThyssenKrupp Bilstein GmbH Ennepetal

Die beiden Blockheizkraftwerke liefern mit Ihrer Abwärme die entsprechende Energie zur Nahwärmeversorgung.

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Nahwärme für die Lackieranlage direkt vom Bauernhof / 09

Wärmeversorgung im ThyssenKrupp Bilstein Werk in MandernFernwärme – den meisten ist diese Form der Versorgung ein Begriff. Die Idee, thermische Energie zu transportieren, ist nicht neu. Schon die Römer leiteten heißes Wasser in Gebäude, um den Boden zu heizen. Aber warum in die Ferne schweifen. Schließlich gibt es Nahwärme. Dass sich damit die Energiekosten ganzer Bereiche eines Produktionsstand- ortes um mehr als die Hälfte reduzieren lassen, beweist das Hans Bilstein Werk in Mandern, Rheinland-Pfalz, wo ThyssenKrupp Bilstein mit mehr

als 800 Mitarbeitern Stoßdämpfer und Luftfedersysteme für verschie-dene nationale und internationale Automobilhersteller von Smart über Mercedes-Benz bis Porsche produziert. Statt in die Luft, leitet der benachbarte landwirtschaftliche Betrieb „Ulmenhof“ die Abwärme zweier Blockheizkraftwerke über eine rund 700 Meter lange Hin- und Rückleitung in das Hans Bilstein Werk / Bilder 1 bis 3 /. Seit zwei Jahren nutzt dort der Fahrwerkspezialist das 90 °C heiße Wasser, um die Lackieranlage für Stoßdämpfer vor- zuheizen. Ein in doppelter Hinsicht lohnendes Experiment, denn seitdem sparte das ThyssenKrupp Unternehmen rund 218.000 Liter Heizöl pro Jahr. Auch die Umwelt profitiert: Seit der cleveren Nutzung der Nahwärme blies das Werk in Mandern rund 5,7 Tonnen weniger CO2 in die Atmosphäre.

Nahwärme vom benachbarten BauernhofDer Ulmenhof der Familie Backes, in Sichtweite des ThyssenKrupp Bilstein Werkes gelegen, betreibt seit 2006 eine Biogasanlage, die aus nachwachsenden Rohstoffen ein Gasgemisch mit 55 Prozent Methan-Anteil erzeugt. „Die Anlage funktioniert wie eine Kuh, die Mais, Gras oder Getreide frisst und neben Gülle auch Methan produziert“, erklärt Ralf Backes. Damit betrieb der findige Landwirt zunächst zwei Block- heizkraftwerke (BHKW). Deren Strom ging ins Netz, die Abwärme dagegen entwich ungenutzt in die Luft, was wiederum der geschäfts-tüchtige und umweltbewusste Energielieferant zutiefst bedauerte. Und so fügte sich schließlich zusammen, was aus energie- und umwelt-technischer Sicht zusammengehört. Denn nur 700 Meter entfernt zer- brach sich Rainer Scholz, Leiter Werksservice des ThyssenKrupp Bilstein Werkes, den Kopf, wie sich angesichts des Verbrauches von 22 Gigawatt Strom und 500.000 Litern Heizöl pro Jahr gleichzeitig Energiekosten und Umweltbelastung senken lassen. Schließlich wird nachhaltiges Produzieren bei ThyssenKrupp Bilstein von jeher groß- geschrieben.

Früher entwich die Abwärme zweier Blockheiz- kraftwerke auf dem Ulmenhof bei Mandern in Rheinland-Pfalz in die Luft. Jetzt erhitzt Landwirt Backes damit Wasser und leitet es per Leitung ins benachbarte Werk von ThyssenKrupp Bilstein. Ein Paradebeispiel, wie Abwärmepotenziale im Rahmen von betrieblichen Prozessen nutzbar werden. Der Autozulieferer, der in Mandern mit mehr als 800 Mitarbeitern Stoßdämpfer und Luftfedersysteme für verschiedene nationale und internationale Automobilhersteller pro-duziert, spart auf diese Weise die Hälfte seiner Energiekosten.

Bild 1 / Im Vordergrund der Ulmenhof der Familie Backes, der mit seiner Biogasanlage bis zu 500 kW Nahwärme an das dahinter liegende Hans Bilstein Werk

von ThyssenKrupp Bilstein liefert.

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10 / Nahwärme für die Lackieranlage direkt vom Bauernhof

Das Hans Bilstein Werk in der Nähe von Mandern, einem kleinen Ort im Landkreis Trier-Saarburg, beherbergt seit 1956 die Produktion für die Großserie. Bis zu 27.000 Einheiten verlassen derzeit pro Tag das Werk, bei Bedarf an sechs Tagen in der Woche rund um die Uhr. Das macht mehr als drei Millionen Dämpfer pro Jahr. Bis 2015 soll die Produktion auf fünf Millionen Einheiten ausgeweitet werden. Roboter mit vier beweglichen Achsen, zwei Greifarmen und zwei Halterungen schweißen Dämpferrohre und -augen zusammen, fertigen klassische Ein- und Zweirohrdämpfer sowie aktive Fahrwerksysteme. Andere Maschinen stanzen rund 600.000 Ventil-Federscheiben pro Tag. Es wird erhitzt, gelocht und gefräst. Im Rahmen der Produktion benötigt das Werk besonders viel Prozesswärme für die Vor- behandlung der Stoßdämpfer in Waschbädern sowie während der Phosphatierung in der Lackiererei. Kolbenstangen laufen hier durch Chrombäder. Im Abstand von zehn Zentimetern gleiten Dämpferrohre durch die Anlage, glänzen anschließend in gelb für Porsche, grün für Jaguar oder schwarz für Mercedes-Benz. Bis zum Anruf von Landwirt Backes war speziell dieser Bereich auf teures Heizöl angewiesen. Der Betrieb eines eigenen BHKW oder die Nutzung einer Photovoltaikanlage kamen aus technischen Gründen nicht in Frage. Für das BHKW fehlte der Gasanschluss. Die Montage der Sonnenkollektoren scheiterte an der Statik der Hallen. Auch Windkraft ist in der Tallage kein Thema. Die Lösung lieferte schließlich der Ulmenhof. Über Wärmetauscher wird das zur Kühlung der BHKWs verwendete Wasser durch die wiederum von den BHKWs erzeugte Wärmeenergie erhitzt. Die Wärme fließt also mit dem Wasser zum ThyssenKrupp Bilstein Werk, um dort ebenfalls über Wärme-tauscher an den Heizkreislauf der Lackieranlage abgegeben zu werden. Das abgekühlte Wasser fließt schließlich über das Rücklaufsystem wieder zum Ulmenhof zurück. Die Abgabe von ungenutzter Abwärme an die Umgebung war damit passé, der Gesamtnutzungsgrad der Anlage verbesserte sich immens.

Nach ersten Gesprächen begann Ende 2008 die Zusammenarbeit zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und hochmoderner Produktions-anlage. Ein Jahr später startete das Projekt offiziell mit einem Wärmeliefervertrag. Nachdem sich beide Seiten über alle Modalitäten verständigt hatten, investierte Backes rund 200.000 Euro in die Installation der notwendigen Wärmeleitungen.

Ressourcenschonung mit VorbildcharakterNach zweijähriger Genehmigungs- und Bauzeit fließt nun seit Frühjahr 2011 das heiße Wasser durch ein System aus mit Kunst- stoff ummantelten Stahlrohren vom Hof ins Werk. Die Anlage besteht aber nicht nur aus der Warmwasserhin- und -rückleitung, sondern entspricht in der Ausführung der Wärmetauscher und Regelung dem modernsten Stand der Technik. Ein Energiemanagementsystem reguliert exakt die Wärmemenge. Bis zu drei Millionen Kilowatt- stunden pro Jahr bei 400 kW Anschlussleistung sind möglich. Aktuell nutzt Mandern als Heizleistung für die Vorbehandlungs-, Spül- und Phosphatierbäder der Lackieranlage rund 280 kW. Da die Wärmeversorgung der Anlage noch nicht ausgereizt war, baute ThyssenKrupp Bilstein zusätzlich einen Wärmetauscher mit einer Leistung von 80 kW für die Trocknerzuluft der Lackieranlage ein. Damit wird die Trocknerluft auf 60 ˚C vorgeheizt. Bis heute hat die Anlage bereits 2.149 MWh geliefert. Dies entspricht einer Heizölein- sparung von 218.000 Litern pro Jahr oder mehr als 8.000 Litern pro Monat und einer CO2-Reduzierung von 5,7 t. Analog der Wärme- produktion stammen auch die Rohstoffe für die am Anfang der Kette stehende Biogasanlage aus nächster Nähe. 70 Prozent der Mais- und Grassilagen sowie die Gülle der 120 Rinder kommen aus der Produktion des Ulmenhofes / Bilder 4 bis 6 /. Für 250 kWh Energie werden pro Tag 12 t Silage benötigt. Der so genannte Gärrest kommt wieder als Dünger auf die Felder. So schließt sich der Ökokreislauf. Auch deshalb ist Rainer Scholz begeistert. „Ich kann nur an alle Unternehmen

Bild 2 / Mit dieser Pumpstation wird die Energie

ins benachbarte Hans Bilstein Werk gepumpt.

Bild 3 / Abschnitt der 700 m langen Versorgungsleitung, durch die bis

zu 90 ºC warmes Wasser im Vor- und Rücklauf ins Werk gepumpt wird.

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appellieren, die Gelegenheit zu prüfen, ob sich vergleichbare Energie-quellen in der näheren Umgebung nutzen lassen. Durch die nach-haltige Verwendung und den Schutz natürlicher Ressourcen ist Mandern Vorbild für andere Betriebe.“

Fazit und AusblickDie Anlage soll künftig auf 500 kW erweitert werden. Dann wird die verbliebene Energie in die Vorbehandlung der zweiten Lackieranlage eingebunden. Die Energiekosten von ThyssenKrupp Bilstein in Mandern können auf diese Weise noch weiter reduziert und die an- fallende Abwärme der beiden BHKW ökologisch noch sinnvoller genutzt werden. Mandern geht mit der Zeit. Denn ab diesem Jahr werden Energiemanagementsysteme für energieintensive Unternehmen notwendige Bedingung, wenn sie von Steuerermäßigungen profitieren wollen. Eine EU-Norm gibt künftig vor, wie solch ein betriebliches Energiemanagementsystem aufgebaut werden soll. Für die betroffenen Unternehmen lohnt es sich, frühzeitig aktiv zu werden. Denn neben Einsparungen können sie bei den Energiekosten auch von staat-

lichen Förderungen profitieren. Bereits seit 1997 ist ThyssenKrupp Bilstein nach ISO 14001 umweltzertifiziert. Nach Aufbau eines um- fassenden Energiemanagementsystems folgt in diesem Jahr die besagte Zertifizierung nach DIN ISO 50001, ein wichtiger Baustein zur weiteren Schonung von Ressourcen. Der Standort Mandern ist darüber hinaus Teilnehmer des Energieeffizienznetzwerkes Trier/ Rheinland-Pfalz, das vom Umweltministerium mit 30 deutschland-weiten Pilot-Netzwerken ins Leben gerufen wurde und eine Vielzahl von Einsparpotenzialen aufzeigte: Beleuchtung, Dach- und Fenster-isolation, Green IT, Einsatz von Energiesparmotoren und Pumpen-systemen sowie die Optimierung der eingesetzten Kompressoranlagen helfen, nachhaltig Energie zu sparen. Im Rahmen dieses Projektes lautete die Zielsetzung von ThyssenKrupp Bilstein, innerhalb der nächsten zwei Jahre 7,5 Prozent weniger Energie zu verbrauchen. Auch Dank des Nahwärmeprojektes wurde dieser Wert bereits nach einem Jahr erreicht.

Bild 4 / In den Reaktoren bildet sich aus der Mischung von Gülle und Grassilage Methangas, das dem Blockheizkraftwerk als Brennstoff bzw. Kraftstoff dient.

Bild 6 / Die „Energieerzeuger“ Bild 5 / Beschickung der Anlage mit Grassilage, die einen

wichtigen Anteil zur Vergärung in der Anlage darstellt

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EVOLUTION® BLUEEntwickelt für die Anforderungen von morgen

DIPL.-ING. (FH) CARSTEN BLESSING Head of Product Service

ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH Neuhausen

NICOLA DANGERFIELD Head of Sales Support /Marketing Communication

ThyssenKrupp Aufzüge GmbH Stuttgart

Das modulare Baukastensystem des EVOLUTION® BLUE ermöglicht maximale Flexibilität.

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EVOLUTION® BLUE – Entwickelt für die Anforderungen von morgen / 13

Zukunft braucht Innovation. Mit dem neuen Aufzugdesignkonzept EVOLUTION® BLUE werden neue Maßstäbe im Bereich Flexibilität, Schachteffizienz, Energieeinsparung und Design erzielt. Dabei steht der Einsatz hoch- wertigster Materialien im Mittelpunkt.

Maschinenraumloser Aufzug im intelligenten modularen BaukastensystemThyssenKrupp Aufzugswerke entwickelte den EVOLUTION®

BLUE für den Neuanlagen-Markt. Das System deckt insbe- sondere den Markt für hochwertige Verwaltungs- und Geschäftsgebäude sowie Projekte mit sehr hohen Anforde- rungen an Design, Nachhaltigkeit, Qualität, Zuverlässigkeit und Komfort ab. Doch der Aufzugsmarkt in Europa wandelt sich. 346.000 Bestandsanlagen stehen in den nächsten Jahren zur Modernisierung bzw. als Komplettersatz an. Auch dieses Potenzial ist ein weiterer Ansatzpunkt für das millimeter-flexibleEVOLUTION® BLUE System. Hinter dem EVOLUTION® BLUE verbirgt sich ein intel-ligentes modulares Baukastensystem für einen maschi-nenraumlosen Aufzug / siehe Titelbild Bericht /. Je nach Anwendung können somit entsprechende Komponenten eingesetzt werden. ThyssenKrupp Aufzugswerke bietet eine durchgängige Plattform mit einem einheitlichen Steuerungskonzept an, die es erlaubt, Aufzüge mit hohen Geschwindigkeiten für die Personenbeförderung bzw. für Gütertransporte in einem Gebäude anzubieten. Ebenso lassen sich verschiedene Anlagen durch das einheitliche Steuerungssystem einfach zu Aufzugsgruppen verbinden. Sie können so höhere Verkehrsaufkommen koordinieren und schneller bewältigen. Systembrüche zwischen neuen und modernisierten Aufzügen gehören somit der Ver-gangenheit an, Montage und Service werden vereinfacht. Das Plattformkonzept verfügt über eine durchgängige Nennlast von 320 bis 4.000 kg, kompakte Abmessungen mit einem Höchstmaß an Flexibilität, Kabinenbreiten von 1.000 bis 3.000 mm, Kabinentiefen von 1.100 bis 3.000 mm in Millimeterschritten, Geschwindigkeiten von bis zu 3,0 m/s und Förderhöhen von bis zu 100 m. Das Aufzugs-system EVOLUTION® BLUE wird somit den Anforderungen des Neuanlagen- und Modernisierungsmarktes gerecht.

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14 / EVOLUTION BLUE – Entwickelt für die Anforderungen von morgen

Energie von anderen Stromverbrauchern genutzt werden. EVOLUTION® BLUE agiert somit phasenweise als haus-interne Stromquelle, die Energie erzeugt und mitlaufende Verbraucher mit Energie versorgt. Für den Betreiber be-deutet dies eine erhebliche Reduzierung der gebäude- technischen Nebenkosten. Aber Energierückspeisung ist nicht alles. Um auch den Energiebedarf in Ruhezeiten zu reduzieren, verfügt die E.COR®-Steuerung über ein mehrstufiges System zurReduzierung des Energiebedarfes in Stillstandzeiten. Dabei werden Komponenten wie Bedienpaneel, Umrichter, Fahrkorblicht etc. zunächst in den Standby-Modus versetzt. In einem weiteren Schritt wird der Umrichter auf einen Sleep-Modus eingestellt, um die Betriebskosten auf ein Minimum zu reduzieren. Die installierten Anlagen können durch diese diversen Energiesparmöglichkeiten die Energie-effizienzklasseAgemäßVDI4707erreichen.

FlexibilitätDas System setztmit seiner hohen Schachteffizienz neueMaßstäbe: Bei einer Nennlast von 1.250 kg wird beispiels-weise ein hervorragendes Verhältnis von Kabinen- zu Schachtflächevonbiszu68 % erreicht / Bild 1 /. Jeder EVOLUTION® BLUE Aufzug wird bei ThyssenKrupp Aufzugswerke individuell berechnet, um dem wertanaly- tischen Ansatz gerecht zu werden. Das heißt schon in der Angebotsphase kann über ein komplexes Berechnungs-verfahren das preisliche sowie schachteffiziente Optimumangeboten werden. Ebenso ist eine Reduzierung der Schachtschutzräume – unter dem von der Norm vorge- gebenen Maß – in bestimmten Fällen möglich / Bild 2 /. Um den Kunden auch ein hohes Maß an Gestaltungs-möglichkeiten, z.B. bei der Kabinenausstattung, zu bieten, ermöglicht der EVOLUTION® BLUE ein hohes zusätzliches Fahrkorbgewicht. Neben dem ThyssenKrupp Bi-Colour Design können auf diese Weise Kundenwünsche und Qualitätsmerkmale individuell für höchste Anforderungen realisiert werden.

Herz des EVOLUTION BLUE®

Welche Innovation im EVOLUTION® BLUE steckt, beweist allein schon die zukunftsweisende E.COR®-Steuerung / Bild 3 /. Als Schaltzentrale des Systems ist E.COR® mit einem Verkehrsprognose-Tool ausgestattet, das in Sekundenschnelle erkennt, ob das Gebäude aktuell niedrig- oder hochfrequentiert wird. Die Parameter für Geschwin- digkeit,Beschleunigung,Verzögerungund„Türoffenhalte- zeit“ können dann individuell an das Nutzungsverhalten angepasst werden. Das System reagiert somit optimal auf die Anforderungen in einem Gebäude. Durch das auto-matische Umschalten in den High-Speed-Modus während Stoßzeiten sowie in den ECO-Modus während Phasen geringer Nutzung reduziert E.COR® die Warte- und Fahr- zeiten sowie den Energiebedarf weiter auf ein Minimum / Bild 4 /. Eine weitere Besonderheit des EVOLUTION® BLUE stellt die neuentwickelte, energierückspeisende Frequenz-umrichtergeneration dar / Bild 5 /. In Kombination mit der E.COR®-Steuerung kann die beim Aufzugfahren gewonnene

Bild 1 / Optimale Raumausnutzung dank modularem Komponentensystem

Kabinenbreite

Kabinenbreite ISO

Türbreite änderbar in 10 mm Schritten

Kabinentiefe EVOLUTION® BLUE

Kabinentiefe ISO

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Bild 2 / Optional ist eine Reduzierung des Schachtkopfes und der Schachtgrube möglich.

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Schachtgrube

Schachtgrundfläche

Schachtkopf

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16 / EVOLUTION BLUE – Entwickelt für die Anforderungen von morgen

(Leadership in Energy and Environmental Design), genügen, findenVerwendung.BeimBi-ColourDesignkannderKunde aus 29 Wandmaterialien das obere sowie untere Wand-paneel individuell aussuchen und kombinieren. Bei dieser Design-Vielfalt ist für nahezu jeden Geschmack etwas dabei. Der Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Bedruckte Wandpaneele sind auf Wunsch ebenso möglich. Eine zeitgemäße EVOLUTION® BLUE App für Apple iOS und Android sowie ein hochwertiger, detailgenauer Online-Kabinendesignkonfigurator unterstützen den Kunden beider Auswahl und dem Austesten seines bevorzugten Kabinendesigns. Seit kurzem bietet ein ePlanning-Tool zusätzlich schnelle und einfache Unterstützung bei der Bestimmung der Schachtmaße für EVOLUTION® BLUE. Das Online-Tool ermöglicht, ausgehend von dem aktu-ellen Bauprojekt, die einfache Berechnung einer opti-

Auch in Sachen Sicherheit setzt der EVOLUTION® BLUE neue Maßstäbe. Eine exakte Kabinenpositionierung in der Haltestelle mit einer Genauigkeit von +/-1 mm sorgt für eine Vermeidung der Stolpergefahr in Gebäuden. Damit wird eines der höchsten Unfallrisiken in Gebäuden verringert.

DesignDer EVOLUTION® BLUE verfügt bereits im Standard-lieferumfang über eine Vielzahl von Designmöglichkeiten. Neben dem klassischen Vertical Design mit seinen Edel- stahl- bzw. pulverbeschichteten Oberflächen, beeindrucktdas innovative ThyssenKrupp Bi-Colour Design mit seinen austauschbaren Wandpaneelen / Bild 6 /. Langlebige und recyclebare Materialen, die unter anderem auch den Anforderungen von Gebäudezertifikaten, wie z.B. DGNB(Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) und LEED

Bild 4 / Die Betriebsmodi von E.COR® werden für den Nutzer im Display angezeigt.

Bild 5 / RPI – der energierückspeisende FrequenzumrichterBild 3 / E.COR® – die intelligente Aufzugssteuerung

High-Speed-modusFür hohe Nutzungsfrequenzen

Eco-modeFür geringe Auslastung und Ruhephasen

Regenerations-modusSignalisert Energierückspeisung

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EVOLUTION® BLUE – Entwickelt für die Anforderungen von morgen / 17

Mit der energierückspeisenden Frequenzumrichtergene-ration in Kombination mit der innovativen E.COR®-Steue- rung kann die beim Aufzugfahren gewonnene Energie von anderen Stromverbrauchern genutzt werden. Der EVOLUTION® BLUE wird somit phasenweise zur hausinter-nen Stromquelle, die Energie erzeugt und mitlaufende Verbraucher mit Energie versorgt. Für den Betreiber bedeu-tet dies eine erhebliche Reduzierung der gebäudetech-nischen Nebenkosten. Mit diesem innovativen Gesamtpaket aus einem intel-ligenten, flexiblenAufzugssystemundmodernendigitalen Tools für Design und Technologie ist ThyssenKrupp Auf- zugswerke fit für die aufzugtechnischen Anforderungen der Zukunft.

mierten Kabine. Liegt beispielsweise ein vorhandenes Schachtmaß vor, berechnet ePlanning dank der flexiblenAbmessungen des EVOLUTION® BLUE schnell die größt-mögliche Kabinenbreite und -tiefe. Sind stattdessen kon- krete Kabinengrößen gewünscht, bestimmen unsere Kunden mit wenigen Klicks die Mindestmaße des Schachtes.

FazitEVOLUTION® BLUE ist ein Designkonzept, bei dem hochwer-tigste Materialien verwendet werden. Zahlreiche technische Innovationen gepaart mit einer einzigartigen Flexibilität, die eine millimetergenaue Dimensionierung ermöglicht, zeich-nen den maschinenraumlosen Personenaufzug aus. Ob Neuanlage oder Modernisierung – der modular aufgebaute EVOLUTION® BLUE lässt sich perfekt in bestehende oder geplante Gebäudeschächte einbauen.

Bild 6 / Die Wandpaneele des EVOLUTION® BLUE sind jederzeit und einfach austauschbar.

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Energiesparende ChlorproduktionChlor-Alkali-Elektrolyse mit innovativer Kathoden-TechnologieDIPL.-ING. PETER WOLTERING, DR.-ING. PHILIPP HOFmANN, FRANK FuNCK, DR.-ING. RANDOLF KIEFER, DR.-ING. uLF-STEFFEN BäumER,

DR.-ING. DIPL.-WIRT.ING. DmITRI DONST, DR.-ING. CARSTEN SCHmITT, Thyssen Krupp uhde GmbH Dortmund

Demonstrationsanlage bei Bayer MaterialScience, Uerdingen, Jahreskapazität 20.000 t/a

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Energiesparende Chlorproduktion – Chlor-Alkali-Elektrolyse mit innovativer Kathoden-Technologie / 19

Chlor kommt bei der Synthese von fast zwei Dritteln aller chemischen Erzeugnisse zum Einsatz. Seine Herstellung aus Kochsalz mittels Elektrolyse verbraucht sehr viel Energie. ThyssenKrupp Uhde und Industrie De Nora S.p.A. mit dem gemeinsamen Joint Venture UHDENORA S.p.A. haben einen wesentlichen Anteil daran, dass nun weltweit eine Technologie zur Verfügung steht, mit der bis zu 30 Prozent Energie gegenüber dem konventionellen Verfahren eingespart werden kann. Die Technologie beruht auf dem Einsatz einer Sauerstoff-Verzehr-Kathode und eines darauf abge-stimmten innovativen Designs des Kathodenraumes im Uhde-Single-Element. Allein in Deutschland würde bei flächendeckender Umrüstung aller Anlagen auf die neue Technologie eine Strommenge eingespart, die ausreichen würde, um eine Großstadt wie Köln zu versorgen.

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20 / Energiesparende Chlorproduktion – Chlor-Alkali-Elektrolyse mit innovativer Kathoden-Technologie

Konventionelle Chlor-HerstellungChlor ist eine der weltweit meist produzierten Grund-chemikalien: 80 Millionen Tonnen werden davon jährlich hergestellt, vorwiegend durch Chlor-Alkali-Elektrolyse. Benötigt wird das Element unter anderem, um Kunststoffe, Medikamente, Pflanzenschutzmittel, Produkte zur Trink-wasseraufbereitung und hochreines Silizium für die Elek-tronik oder die Photovoltaik zu synthetisieren. Bei der bisher üblichen Chlor-Alkali-Elektrolyse wird Natriumchlorid (Kochsalz) in einer wässrigen Lösung mittels elektrischer Energie zersetzt / Bild 1 /. Dabei wandern die negativen Chlorid-Ionen zu der positiv geladenen Elektrode (Anode) und geben dort jeweils ein Elektron ab: Gasförmiges Chlor (Cl2 ) entsteht. An der negativ geladenen Elektrode (Kathode) sind die Verhältnisse etwas komplizierter. In Wasser (H2O) liegen zu einem geringen Anteil immer Oxonium- (H2O+) und Hydroxyl-Ionen (OH-) vor. Die Oxonium-Ionen nehmen an der Kathode Elektronen auf und es entsteht gasförmiger Wasserstoff (H2 ). Übrig bleiben die Natrium- Ionen und die Hydroxyl-Ionen, die zusammen Natronlauge bilden. Insgesamt entstehen bei der konventionellen Chlor- Alkali-Elektrolyse neben dem Anodenprodukt Chlor also auch Natronlauge und Wasserstoff als Kathodenprodukte / Bild 2 /. Technisch muss die Elektrolyse so durchgeführt werden, dass Anodenprodukt und Kathodenprodukte getrennt von-einander bleiben, weil sonst unerwünschte Nebenprodukte, wie Chlorknallgas und Natriumhypochlorid, entstehen würden. Prinzipiell existieren drei industrielle Chlor-Alkali-Elektrolyseverfahren, die sich dadurch unterscheiden, wie diese Trennung erreicht wird: 1. Diaphragma-Verfahren seit 1885 2. Amalgam-Verfahren seit 1892 3. Membran-Elektrolyse, mit der erstmals 1975 im großtechnischen Maßstab Chlor erzeugt wurde.

ThyssenKrupp Uhde baut seit mehr als 50 Jahren Chlor-Alkali-Elektrolyse-Anlagen für seine Kunden aus der che- mischen Industrie, ursprünglich nach dem Amalgam- und Diaphragma-Verfahren. Doch schon seit einiger Zeit setzt das Unternehmen auf die umweltfreundliche Membran-Technologie. Ein Blick auf die Energiebilanz / Bild 3 / zeigt, warum: Für jede Tonne Chlor, die nach Amalgam- oder Diaphragma-Verfahren produziert wird, werden 3.100 bis 3.900 kWh Strom verbraucht. Bei der Membran-Elektrolyse liegt der Verbrauch um rund 30 Prozent niedriger: Eine Tonne Chlor lässt sich mit 2.400 bis 3.000 kWh Strom erzeugen.

Prinzip des neuen ElektrolyseverfahrensSeit Ende der 1990er Jahre ist ThyssenKrupp Uhde, später UHDENORA S.p.A, das Joint Venture von ThyssenKrupp Uhde und Industrie De Nora S.p.A., an der Entwicklung eines vierten Verfahrens beteiligt. Dabei handelt es sich einerseits um eine Variante der Membran-Elektrolyse, anderseits aber unterscheidet es sich deutlich von allen drei etablierten Methoden der Chlor-Alkali-Elektrolyse. Denn das Verfahren folgt einer anderen Reaktionsgleichung / Bild 4 / und es wird kein Wasserstoff produziert. Es bietet den Vorteil eines noch einmal deutlich reduzierten Stromverbrauches. Beim Anodenraum und bei der Membran, die diesen von der Kathode trennt, ändert sich beim neuen Verfahren nichts. Doch die übliche Kathode wird durch eine Sauerstoff-Verzehr-Kathode (SVK) ersetzt. In ihr setzt sich eingeleiteter Sauerstoff mit Wasser in einer 3-Phasen-Reaktion um, wobei sich Hydroxyl-Ionen bilden. Weil also Sauerstoff ver-braucht wird, nennt man die Gasdiffusionselektrode häufig Sauerstoff-Verzehr-Kathode (SVK). Die Reaktion läuft bei einer Spannung ab, die um rund ein Volt geringer ist als bei der üblichen Elektrolyse. Das ist letztlich auch der Grund für den reduzierten Stromverbrauch. Das Prinzip der Membran-Zelle mit SVK zeigt / Bild 5 /.

Bild 2 / Reaktionen konventionelle

Chlor-Alkali-ElektrolyseBild 1 / Konventionelle Chlor-Alkali-Elektrolyse

Membran KathodeAnode

2 NaCl + 2 H2O Cl2 + 2 NaOH + H2

verdünnte NaOH-Lösung

konzentrierte NaOH-Lösung

H2CI2

CI2

CI-

H2O

OH-CI-

Na+

H2O

OH-

H2

Reinsole

Dünnsole

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Energiesparende Chlorproduktion – Chlor-Alkali-Elektrolyse mit innovativer Kathoden-Technologie / 21

Erfolg durch KooperationDie Idee zu einer solchen Chlor-Alkali-Elektrolyse mit SVK ist mehr als 50 Jahre alt. Doch weil Strom lange Zeit wenig kostete, blieb trotz verschiedener Anläufe der Durchbruch für die Technologie aus. Den Erfolg brachte erst die Zu- sammenarbeit von Bayer MaterialScience mit ThyssenKrupp Uhde und Industrie De Nora S.p.A. sowie ein Verbund- projekt, an dem zehn weitere Partner aus Wissenschaft und Industrie beteiligt waren. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung förderte das Projekt von 2006 bis 2010 inner-halb des Programmes ‘klimazwei’. Am 13. Mai 2011 nahm Bayer MaterialScience am Standort Uerdingen eine De- monstrationsanlage / Bild 6 / mit einer Jahreskapazität von 20.000 Tonnen Chlor in Betrieb – gebaut von ThyssenKrupp Uhde. Nach mehr als zwei Betriebsjahren, in denen die Anlage die hohen Erwartungen hinsichtlich Zuverlässigkeit und Energieeinsparung sogar noch übertraf, bieten ThyssenKrupp Uhde und UHDENORA S.p.A. die neue Chlor-Alkali-Elektro- lyse mit SVK ab Juni 2013 weltweit an. Bedeutsam ist, dass sich bestehende Membran-Elektrolyseanlagen durch Aus- tausch der Kathode und Modifikationen der Zu- und Ablei-tungen problemlos umrüsten lassen.

Innovationen im DetailDie Projektpartner haben vor allem zwei Herausforde-rungen gemeistert: Zum einen hat Bayer MaterialScience die Sauerstoff-Verzehr-Kathoden entwickelt und hergestellt, die wie gefordert dauerhaft funktionieren und die selbst bei einer Fläche von fast 3 m2 chemisch und mechanisch sehr beständig sind. Zwar waren Sauerstoff-Verzehr-Kathoden schon zuvor in der Brennstoffzellentechnologie im Einsatz, doch waren sie kleiner als 0,05 m2. Ein einfaches Hoch- skalieren war nicht möglich: Die Entwickler mussten zahl- reiche Parameter wie Gasdichtigkeit, Katalysator und Natronlauge-Benetzbarkeit verändern. Zu den anzupassen- den Parametern gehörte auch die Porengröße der Elektrode. Durch die poröse Struktur der Elektrode vergrößert sich die Oberfläche enorm, an der die chemische Umsetzung stattfinden kann: Nur so ist es möglich, dass an einer ein- zigen Elektrode in einer Stunde rund 3 Kubikmeter Sauer-stoff umgesetzt werden. Zum anderen lösten die Ingenieure von ThyssenKrupp Uhde und Industrie De Nora S.p.A. ein Problem, das durch die erforderliche Bauhöhe der großtechnischen Elektrolyse- zellen hervorgerufen wird: Die Natronlauge im Kathoden-

Bild 3 / Energiebedarf der verschiedenen Verfahren der Chlor-Alkali-Elektrolyse

Amalgam-verfahren Diaphragma-verfahren membran-verfahren SvK-verfahren*

Gleichstromverbrauch kWh/t Chlor 3.200 – 3.600 2.300 – 2.900 2.200 – 2.600 1.600 – 1.700

Dampfbedarf für die Herstellung 0 800 – 1000 200 – 400 200 – 400

von 50%iger Natronlauge kWh/t Chlor

Gesamtenergiebedarf kWh/t Chlor 3.200 – 3.600 3.100 – 3.900 2.400 – 3.000 1.800 – 2.100

* Ergebnisse aus Pilotanlagen bei Bayer MaterialScience (Energiebedarf zur Herstellung des benötigten Sauerstoffes durch Luftzerlegung berücksichtigt)

Bild 5 / Chlor-Alkali-Elektrolyse mit SVK

Reinsole

verdünnte NaOH-Lösung

Dünnsole

konzentrierte NaOH-Lösung

CI2

Sv

K

CI2

CI-

O2H2O

O2

OH-

OH-CI-

O2 + H2O

Na+

H2O

Bild 4 / Reaktionen Chlor-Alkali-Elektrolyse

mit Sauerstoff-Verzehr-Kathode (SVK)

2 NaCl +H2O +½O2 Cl2 + 2 NaOH

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raum einer herkömmlich gebauten Zelle bildet eine Flüssig-keitssäule, an deren unterem Ende ein höherer hydro- statischer Druck herrscht als im oberen Bereich / Bild 7 /. Zugleich ist der Druck des Sauerstoffes über die gesamte Bauhöhe der Zelle konstant. Für die SVK bedeutet das: Natronlauge flutet in die Poren am unteren Ende der Elek-trode, während oben Sauerstoff in die Poren eindringt. Nur in der Mitte der Elektrode bildet sich die so genannte Drei-phasenzone heraus. Dort stehen in den Poren genügend Sauerstoff und genügend Natronlauge und zugleich eine elektrokatalytische Oberfläche zur Verfügung. Das bedeutet: Nur in der Mitte der SVK findet die elektrochemische Umsetzung statt und die Sauerstoff-Verzehr-Kathode (SVK) arbeitet wie gewünscht. Prinzipiell gibt es mehrere Möglichkeiten, Kathodenräume zu konstruieren, bei denen die Höhenabhängigkeit des hydrostatischen Druckes im Elektrolyten keine Rolle spielt. Beispielsweise ließe sich der Sauerstoffkanal in verschie-dene „Gastaschen“ unterteilen, in denen der Druck indi-viduell eingestellt wird / Bild 8 /. Innerhalb der Gastaschen kommt es dann zwar auch zu Druckdifferenzen, die aber von der SVK toleriert würden. Tatsächlich verfolgte Bayer MaterialScience mit seinen Kooperationspartnern dieses Baukonzept bis ins Jahr 2006. Dann wurde deutlich, dass dessen industrielle Umsetzung mit hohem technischen Aufwand verbunden ist. Daraufhin setzten die Partner auf ein anderes Prinzip, das von ThyssenKrupp Uhde und Industrie De Nora S.p.A. vorgeschlagen und bereits in kleinen Elektrolysezellen ge- testet worden war / Bild 9 /: Dabei läuft die Lauge von

oben durch ein poröses Material, sodass der Druck von Lauge und Sauerstoff über die gesamte Zelle hinweg konstant bleibt. Die Lauge bildet also einen „Trickle“-Film an dem porösen Material, dem ‘Percolator’. Die Demonstra- tionsanlage „Chlor-Alkali-Elektrolyse mit SVK“ in Uerdingen arbeitet äußerst zuverlässig nach diesem Prinzip.

Energie und Kosten sparenFür einen Vergleich des Energieverbrauches und der Wirt-schaftlichkeit der neuen Technologie mit SVK mit den eta-blierten Chlor-Alkali-Elektrolyseverfahren sind viele Faktoren

Bild 7 / Druckverhältnisse im Kathodenraum ohne

konstruktive Gegenmaßnahmen

Bild 6 / Demonstrations-Elektrolyseur bei Bayer MaterialScience in Uerdingen

Kathode unten

SVK(Sauerstoff-Verzehr-Kathode)

NaOHNach unten

ansteigender Laugendruck

O2

Konstanter Druck

∆p

∆p

Kathode oben

Mem

bran

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Energiesparende Chlorproduktion – Chlor-Alkali-Elektrolyse mit innovativer Kathoden-Technologie / 23

zu berücksichtigen. Auf der einen Seite stehen die reduzierte Zellspannung bei der Chlor-Alkali-SVK-Technologie und der resultierende deutlich verringerte Energiebedarf. Anderer- seits benötigt die neue Technologie im Gegensatz zu den kon- ventionellen Verfahren Sauerstoff, der üblicherweise durch Verflüssigung und Destillation von Luft hergestellt wird. Die dafür eingesetzte Energie verringert den Einspareffekt. Außerdem produzieren herkömmliche Anlagen neben Chlor und Natronlauge auch Wasserstoff, der je nach Standort sehr unterschiedlich weiter verwertet wird. Zum Teil wird er als Rohstoff für chemische Synthesen einge-setzt, zum Teil als Brennstoff verwendet, manchmal gänzlich nicht genutzt. Für die ökologische und ökonomische Gesamtbetrachtung macht dies einen großen Unterschied, denn als Rohstoff für chemische Synthesen ist Wasserstoff erheblich wertvoller als bei der Verwendung zu Brenn-stoffzwecken. Insofern bieten ThyssenKrupp Uhde und UHDENORA S.p.A. ihren Kunden stets an, die Kosten für eine Umrüstung oder eine neue Anlage standortspezifisch zu kalkulieren. Davon unabhängig hat die neue Technologie auf jeden Fall einen geringeren Energiebedarf als die eta- blierten Elektrolyseverfahren. Bis zu 30 Prozent Strom können eingespart werden / Bild 10 /. Entsprechend verringert sich der Kohlendioxid(CO2)-Ausstoß in den Kraftwerken.

FazitThyssenKrupp Uhde und UHDENORA S.p.A. starten in die-sen Wochen damit, eine neue Elektrolysetechnologie für die energiesparende Chlorproduktion weltweit zu vermarkten. Würden die deutschen Chlor-Alkali-Elektrolysen flächen-deckend auf diese SVK-Technologie umgerüstet, ließen

sich rund ein Prozent des gesamten deutschen Strom-bedarfes und rund drei Millionen Tonnen CO2 einsparen. Global hat die Technologie das Potenzial, die CO2- Emissionen um 20 Millionen Tonnen zu senken. Die Marktreife ver-dankt die Technologie einer engen und langjährigen Forschungskooperation von ThyssenKrupp Uhde und UHDENORA S.p.A. mit Bayer MaterialScience sowie einem öffentlich geförderten Verbundprojekt mit zehn weiteren Partnern aus Industrie und Wissenschaft.

Die „Chlor-Alkali-Elektrolyse mit innovativer SVK-Techno-logie“ wurde mit dem ersten Preis des ThyssenKrupp Innovationswettbewerbs 2012 ausgezeichnet.

Bild 8 / Gastaschen-Design der SVK-Kathode Bild 9 / Percolator-Design der SVK-Kathode

AuslaufGasglocke

Gasglocke 3/4

GDE (Gasdiffusionselektrode)

Gasglocke 2/3

Gasglocke 1/2

Kathodenspalt

O2 + NaOH 32% 210 g NaCl/l +Cl2

Downcomer

Membran

Baffle Plate

300 g NaCl

NaOH 30 %

Anodische Elektrode

Downcomer

Membran

Anodische Elektrode

Sammel-Kanal

300 g NaCl

NaOH 32% 210 g NaCl/l +Cl2

Stützstruktur

Elastisches Element

ODC

Percolator

O2

NaOH 30%

Bild 10 / Spezifischer Stromverbrauch und CO2-Emissionen

Chlor-Alkali-Elektrolyse, basierend auf 50 % Natronlauge

Amalgam Diaphragma

Membran

SVK

-30 %

-30 %

-50 %

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Quadropol RDWeltweit erste Vertikalrollenmühle mit angetriebenen Rollen

DR.-ING. THOmAS SCHmITZ Senior Executive Engineering Cement Production ThyssenKrupp Resource Technologies GmbH Neubeckum

DIPL.-ING. mARKuS BERGER R&D Automation ThyssenKrupp Resource Technologies GmbH Neubeckum

DIPL.-ING. HEIKO FORNEFELD Engineering Design Roller Mills ThyssenKrupp Resource Technologies GmbH Neubeckum

DIPL.-ING. LuDGER KImmEyER R&D Comminution Technology ThyssenKrupp Resource Technologies GmbH Neubeckum

Rolleneinheit mit Getriebe und Hydraulik

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Quadropol RD – Weltweit erste Vertikalrollenmühle mit angetriebenen Rollens / 25

Die Zementindustrie verlangt zunehmend nach Mahlanlagen, mit denen hochfeine Zemente energieeffizient hergestellt werden können. Die Vertikalmühle mit angetriebenen Rollen erfüllt aufgrund ihres innovativen Antriebskonzeptes diese Forderung. Obwohl in der Mühle selbst keinerlei CO2-Emissionen freigesetzt werden, trägt die Mühle bei der Erzeugung von hochfeinen Kompositzementen zur Senkung der spezifischen CO2-Emissionen eines Zementwerkes bei.

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26 / Quadropol RD – Weltweit erste Vertikalrollenmühle mit angetriebenen Rollen

Anforderungen aus dem ZementmarktDer Zementmarkt zeichnet sich durch kontinuierliches Wachstum aus. Dies wird getrieben durch die Megatrends Urbanisierung und Bevölkerungswachstum, die letztlich zu einem stetig steigenden Zementbedarf führen. Die größte umweltpolitische Herausforderung, der sich die Zement- industrie stellen muss, ist die Forderung nach einer Redu- zierung der spezifischen CO2-Emissionen, damit die stei- gende Zementproduktion nicht auch im gleichen Maße zu steigenden CO2-Emissionen führt. Die Zementindustrie ist heutzutage für immerhin 5 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Ziel ist es, die spezifischen CO2-Emissionen bis zum Jahre 2030 um ca. ein Drittel zu senken. Hauptbestandteil des Zements ist der Klinker, der in Drehofenanlagen bei Temperaturen von ca. 1.450 °C ge-brannt wird. Ausgangsprodukt bei der Klinkerherstellung ist ein mineralisches Rohstoffgemisch, das im Wesentlichen aus Kalkstein, Ton, Sand und etwas Eisenerz besteht. Das Gemisch wird fein aufgemahlen und der Drehofen-anlage als Rohmehl aufgegeben. Beim Brand reagie-ren die Komponenten des Rohstoffgemisches zu Klinker. Da sich während der Reaktion teilweise eine Schmelze bildet, liegt der Klinker in Form von Granalien vor. Zur Her- stellung von Portlandzement werden die Klinkergranalien mit ca. 4 % Gips, der als Erstarrungsregler zugegeben wird, staubfein aufgemahlen.

Bei der Klinkerherstellung fällt mit 97 % der weitaus größte Teil der CO2-Emissionen eines Zementwerkes an / Bild 1 /. Prozesstechnisch lassen sich die CO2-Emissionen bei der Zementherstellung den folgenden drei Quellen zuordnen: der größte Teil in Höhe von 61 % entsteht bei der Entsäuerung des Kalksteins, 32 % entstehen aus den Brennstoffen, deren Verbrennung die für den Klinkerbrand erforderliche Energie bereit stellt, und 7 % entstehen bei der Erzeugung des elektrischen Stroms, der bei der Herstellung des Zements – im Wesentlichen zur Mahlung und zum Transport – benötigt wird. Prozessoptimierungen, die zum Ziel haben, den Einsatz von thermischer Energie (Brennstoff) und elektrischer Energie zu reduzieren, beein- flussen nur etwa knapp 40 % der CO2-Emissionen. Da mehr als 60 % der Emissionen rohstoffbasiert sind, ist die Reduzierung des Klinkeranteiles im Zement durch den ver- mehrten Einsatz von CO2-emissionsfreien Zumahlstoffen ein sehr wirkungsvolles Mittel zur Senkung der spezifischen CO2-Emissionen. Um die Ziele Wachstum und Reduzierung der spezi-fischen CO2-Emissionen in Einklang zu bringen, verringert die Zementindustrie schon seit einiger Zeit den Anteil des Klinkers im Zement, d.h. der Klinker wird durch Flugasche, Kalkstein, Puzzolan oder auch Hochofenschlacke substituiert. Selbstverständlich müssen auch mit diesen Zementen – so genannte Kompositzemente – die angestrebten Beton- festigkeiten gewährleistet werden können.

Bild 1 / Neue Zemente vereinen Ziele nach Wachstum und CO2-Reduzierung – Geringerer Klinkeranteil im Zement als wirkungsvolles Mittel zur Reduktion des spezifischen CO2-Ausstoßes

Kalkstein

Ton

Sand

Bei der Klinkerherstellung fallen ~97 % der CO2-Emissionen an. Keine CO2-Emissionen aus den Zumahlstoffen.

Rohmehl Klinker

Brennstoff

Zementmühle

Zement

Gips

Kalkstein

Flugasche

Hochofenschlacke

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Die genannten Zumahlstoffe tragen zwar zur Endfestigkeit des Betons bei, reagieren allerdings wesentlich lang-samer als Klinker. Um gleichbleibende Festigkeitsverläufe zu erreichen, muss der Klinker entsprechend schneller reagieren. Dies wird dadurch erreicht, dass der Klinker feiner aufgemahlen wird, d.h. für die Abbindereaktion steht mehr Oberfläche zur Verfügung. Aus diesem Grund steigt die Feinheit der Zemente mit zunehmendem Anteil von Zumahlstoffen an. Die Nachfrage nach immer feineren Zementen stellt immer höhere Ansprüche und Anforde-rungen an die Mahl- und Sichttechnik.

Entwicklung und Einführung der Quadropol RD (Roller Driven)Diese erhöhten Anforderungen führten zur Entwicklung des Rollenantriebes für die Zementmühle Quadropol / Bild 2 /. In einer Vertikalrollenmühle wird üblicherweise der Teller angetrieben und das Mahlgut zwischen Mahlteller und Mahlrolle zerkleinert. Mit steigender Feinheit wird es aber mit diesem System immer schwieriger, einen kontinuier-lichen Betrieb aufrecht zu erhalten, da das Mahlbett zunehmend instabil wird und die Mühlen dann aufgrund

starker Vibrationen nicht mehr betrieben werden können. Werden statt des Tellers die einzelnen Rollen angetrieben, so stellen sich wesentlich stabilere Mahlverhältnisse ein. Auf diese Weise kann auch bei höheren Feinheiten ein kontinuierlicher Betrieb gewährleistet werden. Im weiteren Sinne kann man von der Übertragung der Allradtechno-logie aus der Automobilindustrie auf die Vertikalrollen- mühle sprechen. Die erhöhten Anforderungen aus dem Mahlbett für eine Rollenmühle sind durchaus mit erhöhten Straßenanforderungen für ein Auto vergleichbar. Die rollenangetriebene Quadropol erlaubt die Mahlung auch feinerer Zemente und vereint folgende umwelt- relevanten Vorteile auf sich: Zunächst die schon erwähnte Möglichkeit zur Reduktion der CO2-Emissionen, da höhere Feinheiten eine Reduzierung des Klinkeranteiles erlauben. Zusätzlich ergibt sich ein Einsparpotenzial an elektrischer Energie von bis zu 50 % gegenüber der konventionellen Kugelmühle, die das bislang bevorzugte Aggregat zur Herstellung hochfeiner Zemente darstellt. Weiterhin führt das deutlich stabilere Mahlbett zu einem niedrigeren Wasserbedarf im Vergleich zur traditionellen Rollen-mühlentechnik.

Quadropol RD – Weltweit erste Vertikalrollenmühle mit angetriebenen Rollen / 27

Bild 2 / Mühleninnenraum der Quadropol RD, Blick auf Mahlteller und Mahlrollen

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28 / Quadropol RD – Weltweit erste Vertikalrollenmühle mit angetriebenen Rollen

Entwicklungsschritte der neuen MühleIn den Jahren 2008 bis 2010 wurde das Konzept in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von ThyssenKruppResource Technologies entwickelt. Im Technikum wurden an einer Labormühle (0,6 m Tellerdurchmesser, 60 kW Antriebsleistung) umfangreiche Versuche durchgeführt. Auf Basis der Versuchsergebnisse wurden das Konzept und die Auslegung des Antriebes bestimmt. Im Jahre 2011 wurden an einer vorhandenen, industriellen Rollenmühle (3,2 m Tellerdurchmesser, 1.000 kW Antriebsleistung) zwei der vier traditionellen Rolleneinheiten mit Rollenantrieben aufgerüstet. Die Funktionalität des Konzeptes und die Aus- legung des neuen Antriebes konnten eindrucksvoll bestätigt werden. Im Oktober 2012 ist die erste industrielle Quadropol mit angetriebenen Rollen (5,1 m Tellerdurchmesser, 4.500 kW Antriebsleistung) erfolgreich in Betrieb gegangen. Die Markteinführung der Quadropol RD verlief derart erfolgreich, dass bereits schon zwei schlüsselfertige Anlagen verkauft werden konnten / Bild 3 /. Unter den Kunden ist einer der weltweit größten Zementkonzerne, der im Markt als Technologieführer gilt.

Quadropol RD – konstruktiver Aufbau und VorteileDie Quadropol RD besitzt drei Mahlrollen / Bild 4 /. Der generelle Aufbau der Mühle – von der Heißgaszufuhr, über die Mahlwerkzeuge bis zum Sichter – ist standardisiert. Eine hohe Verfügbarkeit und ein einfaches Wartungs- konzept hatten bei der Entwicklung höchste Priorität: die Quadropol zeichnet sich durch konsequente Minimierung von Lagern, Dichtungen und Hydraulikelementen sowie durch eine sehr gute Zugänglichkeit aller zu wartenden Teile aus. Anstelle des bei großen Einheiten oft störungs- anfälligen Großgetriebes unterhalb des Tellers kommen beim Rollenantrieb drei kleinere Getriebe und Motoren zum Einsatz / siehe Titelbild Bericht /, gleichzeitig reduziert sich das Antriebsmoment. Durch das neue Antriebskonzept wird eine optimale Anpassung der Mahlrollen- und Mahl- bahngeschwindigkeit und somit höchste Produktions-flexibilität bei optimiertem Durchsatz ermöglicht. Selbst bei Ausfall eines Antriebsstranges kann die Mühle infolge der Redundanz der Rollenantriebe mit bis zu 70 % der Nennleistung weiter betrieben und somit bestmögliche Verfügbarkeit sichergestellt werden.

Bild 3 / Blick auf die erste industrielle Quadropol RD in Mexiko. Im Vordergrund: Rollenantrieb mit Motor

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Quadropol RD – Weltweit erste Vertikalrollenmühle mit angetriebenen Rollen / 29

KundennutzenDie Quadropol kann Kunden aus der Zementindustrie bei der Reduktion der CO2-Emissionen unterstützen. Hierzu ein Zahlenbeispiel: Ein Zementwerk mit einer Produktion von 5.000 t Zement pro Tag senkt die CO2-Emissionen bei einer Reduzierung des Klinkerfaktors von 0,75 auf 0,65 um ca. 135.000 t CO2 pro Jahr, dies entspricht dem CO2-Ausstoß von 65.000 Pkw. Bezogen auf alle welt- weit installierten Zementwerke könnten so Emissionen von 275 Mio Tonnen CO2 pro Jahr vermieden werden. Dies entspräche dem jährlichen CO2-Ausstoß sämtlicher 140 Mio Pkw, die heute in Deutschland, Frankreich und England zugelassen sind. Der Nutzen für die Kundschaft ist beachtlich: Wiederum am Beispiel eines Zementwerkes mit einer Produktion von 5.000 t Zement pro Tag ergibt sich eine Kostenersparnis bei CO2-Zertifikaten von derzeit ca. 1 Mio € sowie eine Ersparnis an elektrischer Energie gegenüber traditionellen Kugelmühlen von bis zu 50 %, was etwa einer Ersparnis von 2,5 bis 3,0 Mio € entspricht. Der Wasserverbrauch wird um bis zu 60 % verringert. Die Verfügbarkeit und Pro-

duktionsflexibilität werden erhöht. Die Durchsatzleistungen pro Anlage können optimiert werden und führen somit zu geringeren spezifischen Investitionskosten.

FazitDer Rollenantrieb der Quadropol RD ermöglicht die Her-stellung auch hochfeiner Zemente in einer Rollenmühle. Durch den Einsatz einer Rollenmühle anstelle der traditio-nellen Kugelmühle lassen sich etwa 50 % der Mahlenergie einsparen. Somit können auch hochfeine Kompositzemente kostengünstig hergestellt werden. Diese zeichnen sich durch einen niedrigen Klinkeranteil aus und tragen dazu bei, die spezifische CO2-Emission zu reduzieren.

Die in diesem Artikel vorgestellte Quadropol RD-Vertikal- rollenmühle von ThyssenKrupp Resource Technologies wurde mit dem ThyssenKrupp Sonderinnovationspreis „Energie und Umwelt“ 2012 ausgezeichnet.

Bild 4 / Mühleninnenraum der Quadropol RD, Blick auf Mahlteller und Mahlrollen

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Die N.R.P. Tridente bei der Seeerprobung

Seegangsberechnung on board – Data Mining auf hoher SeeDR. RER. NAT. ANDREAS DIEKmANN Fachreferent Basistechnologien TechCenter Control Technology München

DR.-ING. FLORIAN DIGNATH Projektleiter TechCenter Control Technology München

DIPL.-ING. mANuEL SCHARmACHER Projektleiter ThyssenKrupp marine Systems GmbH Kiel

DR. RER. NAT. QINGHuA ZHENG Leiter Systemtechnik TechCenter Control Technology München

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Seegangsberechnung on board – Data Mining auf hoher See / 31

Bei ThyssenKrupp wurde aus diesem Grunde ein Verfahren zur mathematischen Bestimmung des Seeganges aus den Bewegungs-daten des jeweiligen Schiffes entwickelt. Ziel war es, den relevanten Anteil des Seeganges ohne zusätzliche Sensoren allein aus ohnehin vor- handenen Messdaten mittels mathematischer Methoden zu errechnen. Diese systematische Analyse von Messdaten wird Data Mining genannt. Data Mining hat in jüngster Vergangenheit in der Finanz- und Sozialwissenschaft zur Analyse komplexer Systeme enorm an Bedeu-tung gewonnen. Mit der Anwendung auf die hier vorgestellte Auf- gabenstellung der Seegangsanalyse konnte gezeigt werden, dass Data Mining auch im technischen und naturwissenschaftlichen Kontext erfolgreich angewandt werden kann. Dabei ist von besonderer Bedeutung, technisches Know-how des jeweiligen Anwendungs- gebietes mit fundierten Kompetenzen in Signaltechnik und mathe- matischer Analyse geeignet zu kombinieren. Die Voraussetzungen dazu konnten mit einem interdisziplinären Team aus den Bereichen TechCenter Control Technology und ThyssenKrupp Marine Systems geschaffen werden.

Vorgehensweise/MethodikDer englische Begriff ‘Mining’ im bergbaulichen Sinne bedeutet, wert- volle Rohstoffe, die zwar vorhanden, aber in der Erdkruste versteckt und verstreut sind, durch Abbau zu gewinnen. Übertragen auf die vorliegende Aufgabenstellung könnte man sagen, dass die gesuchten Kenngrößen des Seeganges zwar in irgendeiner Form in der Vielzahl der Daten vorhanden sind, diese aber erst durch Anwendung mathe-matischer, insbesondere mathematisch-statistischer Methoden, aus der Datenmenge extrahiert werden müssen; man betreibt durch Data Mining sozusagen Abbauarbeiten an einem Datenberg zwecks Informationsgewinnung. Ganz analog zu bergbaulichen Verfahren geht man auch im Data Mining schrittweise vor. Bezogen auf die vorliegende Aufgabenstellung können diese wie folgt beschrieben werden / Bild 1 /:

° Einlesen der Daten: Die Daten zur Schiffsbewegung werden über

einen Datenbus aus der Navigationsplattform und dem GPS-System (Global Positioning System) des Schiffes gewonnen.

° Datenvorbereitung: Da die aus Messungen gewonnenen Daten für

gewöhnlich verrauscht und fehlerbehaftet sind, werden diese zu- nächst durch entsprechende Methoden aufbereitet, etwa durch Filter mit geeigneten Zeit- bzw. Frequenzkonstanten. Solche Filter können auch dazu verwendet werden, zunächst die wesentliche Information aus den Daten zu extrahieren.

In einem Team aus dem TechCenter Control Technology und der ThyssenKrupp Marine Systems GmbH wurde ein Verfahren zur mathematischen Bestimmung des Seeganges direkt aus den Bewegungsdaten eines Schiffes entwickelt, d.h. ohne den Einsatz zusätzlicher, z.B. radarbasierter Sensoren. Die Vorgehensweise basiert auf der Technik des Data Mining, die bisher vor allem zur Analyse komplexer Systeme u.a. in der Finanz- und Sozialwissenschaft verwendet wurde. Mit der Entwicklung dieses Verfahrens konnte gezeigt werden, dass Data Mining auch im technischen Kontext für die Gewinnung von Größen, die nicht bzw. nicht unmittelbar messbar sind, wirkungsvoll angewandt werden kann. Dies ist vermehrt auch für Verfahren zur Prozesssteuerung und -optimierung in Industrieanlagen von Bedeutung.

Data Mining zur Analyse komplexer SystemeVor dem Ablegen geht der Blick an den Horizont und zu den Flaggen, auf See zum Verklicker an der Mastspitze oder den Anzeigen automa-tischer Windmesser – Wetterverhältnisse und insbesondere die Wind- richtung sind wichtige Eingangsgrößen für die Navigation eines Schiffes. Auf hoher See ist zusätzlich der Seegang von wesentlicher Bedeutung. Während die Messung der Windverhältnisse Standard ist, gestaltet sich die Messung des Seeganges jedoch wesentlich schwieriger; Wellen-höhe und -richtung lassen sich nicht mit einfachen Mitteln messen. Gerätehersteller beschäftigen sich daher mit der Entwicklung spezieller Beobachtungssensoren, z.B. unter Nutzung von Radar. Wie bei der Beobachtung von der Brücke aus ringen diese Systeme jedoch mit den Sichtverhältnissen in schwerem Wetter und der Bewertung der stochas-tischen Verhältnisse. Eine Alternative zum Radar, die automatische Auswertung des großräumig mittels Wetterstationen und Messbojen auf-genommenen Seewetters, leidet dagegen unter der Vernachlässigung lokaler Bedingungen in der Nähe des Schiffes.

Bild 1 / Angewandte Methodik zur Seegangsberechnung mittels Data Mining

messdaten

Anwendung

Navigationsplattform, GPS-Daten

Navigationsaufgaben

Messtechnik

Einlesen

vorbereiten

Auswerten

I/O über Datenbus

Filter, Skalierung

FFT (Fast Fourier Transform), Korrelation, Umlaufsinn, Hauptachsentransformation

Signaltechnik

Signalverarbeitung

Modellbasierte, mathematische Datenverarbeitung

Visualisierung

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32 / Seegangsberechnung on board – Data Mining auf hoher SeeEin neuer Meilenstein in der Fahrsteigindustrie

zu nennen. Unabhängig von der speziellen Gestalt der Ellipse, die sich aus o.g. Einflüssen ergibt, konnte gezeigt werden, dass die Ellipse eine Neigung in einer Richtung aufweist, die mit der Richtung der Wellen übereinstimmt oder zumindest stark mit dieser korreliert. Natürlich findet man im realen Seegang keine so einfachen Verhältnisse vor wie in / Bild 2a / dargestellt. Versucht man den Bewegungszustand eines Schiffes aus echten Positionsdaten zu ana-lysieren, sieht man sich aufgrund zahlreicher stochastischer Einflüsse vielmehr einer stark gestreuten Punktwolke gegenüber. / Bild 2b / zeigt reale Messungen von Positionsdaten über einen Zeitraum von 300 Sekunden, wobei der Anteil der Positionsänderung durch den schiffseigenen Antrieb mit einem entsprechenden Hochpass heraus-gefiltert wurde, um nur Seegangseinflüsse darzustellen. Im darge-stellten Beispiel lässt sich bereits ohne Anwendung komplexer mathe-matischer Hilfsmittel die Analogie zur theoretischen ellipsenförmigen Bahnkurve erkennen. Insbesondere gibt es jeweils eine ausgezeich- nete Richtung, in der das Schiff die größte Positionsänderung erfährt, die im Folgenden als Hauptbewegungsachse bezeichnet wird und über die mittels Projektion auf die Wasserebene die gesuchte Wellen-richtung ermittelt werden kann. Im Allgemeinen ist die Bestimmung der Hauptbewegungsachse jedoch nicht so offensichtlich.

° Datenauswertung: Über im Allgemeinen mehrere sich ergänzende

mathematische Auswertungsmethoden können schließlich die ge- wünschten Informationen, wie im vorliegenden Fall die Wellen- richtung, aus den aufbereiteten Daten gewonnen und für die Anwen- dungen bereitgestellt werden.

Eine besondere Schwierigkeit besteht natürlich darin, die jeweils geeig-neten Filter und mathematischen Auswertemethoden zu wählen sowie die drei oben genannten und logisch getrennten Module inhaltlich gut aufeinander abzustimmen. Dafür ist es notwendig, das Zustandekommen der Vielzahl von Messdaten zu verstehen. Es muss also zunächst eine Modellvorstellung über das System entwickelt werden, aus der dann auf geeignete mathematische Extraktionsmethoden geschlossen werden kann. Dieses Modell muss einerseits in der Lage sein, den relevanten Teil der Messdaten zu reproduzieren und andererseits so einfach aufgebaut sein, dass sich die gesuchten Effekte eindeutig identifizieren lassen. Grundlage hierfür ist eine fundierte Kenntnis der Schiffsdynamik, Kompetenz in der Durchführung von Simulationen der Schiffsbewegung im Seegang sowie Kenntnisse über den realen Seegang selbst. In dem interdisziplinären Team aus den Bereichen Schiffbau, Regelungs- und Signaltechnik, Experimentalphysik und Mathematik ist es durch einen systematischen Vergleich von simulierten Schiffs-bewegungen und Messdaten mittels verschiedener statistischer Ver- fahren gelungen, die primären, sich gegenseitig beeinflussenden Effekte zu identifizieren und einen entsprechenden Algorithmus zur Extraktion dieser Effekte zu formulieren. Die mathematischen Hauptverfahren sind dabei eine Hauptachsentransformation, eine Auto- und Kreuzkorre-lationsanalyse sowie eine Umlaufsinnberechnung, die geeignet mit-einander kombiniert werden, um möglichst in allen Situationen auf See ein eindeutiges Ergebnis zu liefern. Die individuellen Eigenschaften des Schiffes werden über die An- passung der Systemparameter in den Auswertealgorithmen berücksich-tigt. Unter anderem um diese zu ermitteln bzw. zu verifizieren, wurde das weiter unten beschriebene Rapid Control Prototyping Werkzeug aus Hard- und Software aufgebaut, mit dem ein einfacher und schneller Verifikationsbetrieb möglich ist.

AlgorithmusEs ist bekannt, dass ein Schiff vom Seegang zu einer Bewegung ange-regt wird. Aber erst durch die Anwendung des im vorherigen Abschnitt erläuterten Data Mining auf zahlreich vorliegende Bewegungsdaten von Schiffen im Seegang – etwa in Form von Positions-, Geschwindig-keits- oder Beschleunigungsmessungen – können Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob und wie diese Bewegung zur Seegangsberechnung genutzt werden kann. Diese Erkenntnisse dienen der Formulierung eines theoretischen Modelles, das schließlich mit Hilfe von Simulations-rechnungen verifiziert und validiert wird. Für die hier dargestellte Aufgabenstellung der Seegangsberechnung wurde zunächst gezeigt, dass ein Schiff im harmonischen Seegang – also im einfachsten Seegang in Form einer sinusförmigen Welle – auf-grund der Wechselwirkung von Auftriebs- und Gewichtskraft beim Durchlaufen von Wellenbergen und -tälern stark idealisierend einer ellipsenförmigen Bahnkurve folgt / Bild 2a /. Die Gestalt der Ellipse und die Richtung, in der diese durchlaufen wird, hängen sowohl vom Seegang als auch von den hydrodynamischen Eigenschaften des Schiffes ab; als wesentliche Größen sind hier die Wellenlänge sowie die Eigenfrequenzen des Schiffes für die Roll-, Hub- und Stampfbewegung

Bilder 2a und 2b / Analyse des Bewegungszustandes

x

y

z

Umlaufsinn

Hauptbewegungsachse

Wellenrichtung

y

Wellenrichtung

x

Hauptbewegungsachse

z

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Seegangsberechnung on board – Data Mining auf hoher See / 33

Als mathematisches Verfahren zur Berechnung der Hauptbewegungs-achse wird die sogenannte Hauptachsentransformation (auch als Haupt-komponentenanalyse bezeichnet) verwendet. Mit diesem Verfahren wird – vereinfachend dargestellt – eine Koordinatentransformation durchge- führt, die die Koordinatenachsen unter Berücksichtigung der Ortho-gonalität zueinander nach Größe der Positionsänderungen ausrichtet; die neue x-Achse ist also gerade die gesuchte Hauptbewegungsachse. Bei der beschriebenen Berechnung der Wellenrichtung aus der Hauptbewegungsachse wurde der zeitliche Aspekt der ausgewerteten Messdaten bisher nicht berücksichtigt. Man kann diesen dazu ver-wenden, den so genannten Umlaufsinn einzuführen, der – wieder am Beispiel der ellipsenförmigen Bahnkurve veranschaulicht / Bild 2a / – beschreibt, ob diese im mathematisch positiven oder negativen Sinne durchlaufen wird. Auch mit dieser Eigenschaft lässt sich ein statistischer Auswertealgorithmus formulieren, aus dem die Wellenrichtung errech-net werden kann. Schließlich werden die Auswertemethoden der zur Verfügung ste-henden Messdaten durch die so genannte Korrelationsanalyse kom- plettiert, mit der der zeitliche Zusammenhang verschiedener Daten – etwa Positions- und Geschwindigkeitsmessungen – untersucht werden kann und mit der zumindest grobe Aussagen über das Eintreffen der Wellen in Bezug auf die Kursrichtung des Schiffes gemacht werden

können. Außerdem wird dieses Verfahren verwendet, um einerseits die Eigenfrequenzen der Schiffsbewegung und andererseits die Begeg-nungsfrequenz des Schiffes mit den Wellen zu ermitteln, deren Relation zueinander in der Auswertung der Wellenrichtung berücksichtigt werden muss. Alle genannten Verfahren zur Berechnung der Wellenrichtung wur-den derart implementiert, dass sie jeweils zusätzlich auch die Güte der ermittelten Größe ausgeben und sich über diese Qualitätskriterien geeignet kombinieren lassen. Dies ist insofern von großem Nutzen, als mittels durchgeführter Simulationsrechnungen und Testreihen die unterschiedliche Eignung der einzelnen Verfahren in spezifischen See-gangssituationen nachgewiesen werden konnte.

Rapid Control PrototypingUm das Verfahren zur Seegangsberechnung flexibel auf verschiedenen Schiffen testen zu können, wurde ein autarkes System bestehend aus einer Trägheitsplattform und einem GPS-Empfänger zur Bereitstellung der Messdaten sowie aus einem Echtzeitrechnersystem (dSPACE AutoBox) zur Datenaufbereitung und -auswertung aufgebaut / Bild 3 /. Herzstück des Systems ist ein selbstentwickelter Signalverteiler, der die genannten Komponenten zusammenführt. Das System wird durch ein Notebook vervollständigt, das als Bedienoberfläche und zur Datenspeicherung

Bild 3 / Rapid Control Prototyping Werkzeug auf der „HDW Herkules“

Sensor

Laptop

Signalverteiler unddSpace AutoBox GPS-Empfänger

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34 / Seegangsberechnung on board – Data Mining auf hoher See

algorithmus über weite Strecken eindeutige Ergebnisse für die Seegangsverhältnisse ermittelt werden konnten. Diese konnten direkt auf der Brücke mit den Einschätzungen der Schiffsmannschaft ver-glichen und somit verifiziert werden. Nach einer Feinanpassung der Schiffsparameter im Algorithmus an die Eigenschaften der „HDW Herkules“ zeigt eine detaillierte Auswertung, dass die Richtung des Seeganges über alle gefahrenen Kurse und Geschwindigkeiten korrekt errechnet wird. In / Bild 4 / ist dies für einen Messtag dargestellt, an dem diskrete Kurse für jeweils zehn Minuten gefahren wurden. Die Wellenrichtung war über den dargestellten Zeitraum relativ konstant von Südwest, traf aber aufgrund der unterschiedlichen Kurse in unterschied-lichen Winkeln auf das Schiff. Mit den gefahrenen Kursen ist somit der gesamte Bereich der möglichen Wellenrichtungen relativ zum Schiff abgebildet. Im Bild sind beispielhaft Fotos für eine Fahrt gegen die Wellen und eine Fahrt mit den Wellen von Backbord achtern dargestellt. Der eingezeichnete Vergleich mit den Angaben der Schiffsmannschaft im Logbuch und dem Wetterbericht für das entsprechende Seegebiet bestätigt die Gültigkeit der ermittelten Wellenrichtung. Neben der Wellenrichtung werden durch das Verfahren weitere See-gangsparameter und Bewegungseigenschaften des Schiffes ausgewertet.

° Seegangsparameter:

Wellenrichtung, Wellenfrequenz und Begegnungsfrequenz mit dem Schiff

° Schiffsparameter:

Eigenfrequenzen für Roll-, Hub- und Stampfbewegung sowie Lage des Momentandrehpunktes

Da die Schiffsbewegung als Eingangsgröße verwendet wird, sind die ermittelten Größen umso genauer und robuster, je mehr das Schiff durch die Wellen zur Bewegung angeregt wird. Die detaillierte Auswertung zeigt, dass für die „HDW Herkules“ ab etwa zwei Metern Wellenhöhe zuverlässige Ergebnisse ermittelt werden. Der Zusammenhang zwischen Wellenhöhe und Qualität der errechneten Wellenrichtung lässt sich auch in / Bild 5 / erkennen, in dem Messergebnisse eines anderen Tages für die Einfahrt in eine Bucht dargestellt sind. Die errechnete Wellenrichtung

dient. Mit dem als Rapid Control Prototyping Werkzeug bezeich- neten System ist es möglich, das Verfahren zur Seegangsberechnung mit geringem Aufwand und ohne elektronische Schnittstellen auf jedem Schiff installieren und testen zu können. Der Test des Systems zur Seegangsberechnung unter realen Einsatz- bedingungen fand u.a. während des regulären Fahrbetriebes an Bord des Schiffes „HDW Herkules“ (Länge 54 m, Verdrängung 1.300 t) statt, das bei ThyssenKrupp Marine Systems zur Begleitung der See-Erpro-bung von Ubooten eingesetzt wird / Bild 3 /. Dabei wurde die Trägheitsplattform möglichst nahe am Drehpunkt des Schiffes platziert, um damit rotatorische Einflüsse in den trans-latorischen Bewegungsdaten zu minimieren. Die GPS-Antenne wurde im Freien montiert, um einen ungestörten Signalempfang zu gewähr- leisten, der Signalverteiler mit der dSPACE Auto-Box an zentraler Stelle auf dem Hauptdeck, wo er zum Datenaustausch mit den restlichen Komponenten des Systems leicht zugänglich war. Bediener und Notebook befanden sich auf der Brücke des Schiffes, um dem Kapitän die aktuell ermittelte Wellenrichtung direkt anzuzeigen und mit der beim Blick aus dem Fenster abgeschätzten Wellenrichtung vergleichen zu können. So konnte das Rapid Control Prototyping Werkzeug bei den zum Teil sehr rauen Wetter- und Seegangsverhältnissen seine Leistungs-fähigkeit unter Beweis stellen.

ErgebnisseMit dem beschriebenen Prüfaufbau auf der „HDW Herkules“ wurden an mehreren aufeinander folgenden Tagen in unterschiedlichen See-gebieten Probefahrten durchgeführt. Dabei variierten sowohl die aktu-ellen Wetterverhältnisse (Wind und Sicht) als auch der Seegang, der zum Teil als Folge der Windverhältnisse am Vortag bestand. Die Wellen-höhe lag im Tagesmaximum zwischen zwei und sechs Metern und deckt damit einen großen Bereich der mit der „HDW Herkules“ sinnvoll befahrbaren Seeverhältnisse ab. In einzelnen Wellentälern war die Sicht von der Brücke nur noch bis zum nächsten Wellenberg gegeben. Bereits bei den ersten Messungen zeigte sich, dass mittels des auf dem Rapid Control Prototyping Werkzeuges implementierten Auswerte-

Bild 4 / Ermittelte Wellenrichtung bei verschiedenen Kursen

Gefahrener Kurs

Wel

lenr

icht

ung

N

W

S

O

N

N W S O N

Durch das Verfahren errechnete Wellenrichtung

Wellenrichtung aus Logbuch und Seewetterbericht

mit Toleranzband

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Seegangsberechnung on board – Data Mining auf hoher See / 35

ist am jeweiligen Ort des Schiffes anhand weißer Striche dargestellt, deren Länge der Qualität der rechnerischen Ermittlung entspricht. Es ist gut zu erkennen, wie die Qualität in der Nähe des Festlandes abnimmt und sich die Wellenrichtung zur Buchtöffnung hin dreht. Nach einer gewissen Fahrstrecke in die Bucht hinein wird die Qualität der Rechen-ergebnisse zu gering, um die Wellenrichtung bestimmen zu können.

Zusammenfassung/AusblickAm Abend gehen alle Teilnehmer der Messkampagne wohlbehalten wie-der von Bord. Die Auswertung der handschriftlich geführten Protokolle zeigt eine deutliche Beeinträchtigung der menschlichen Leistung unter den Bedingungen in rauer See. Dagegen hat das elektronische Verfahren zuverlässig gearbeitet und die Seegangsparameter robust ermittelt. Das vorgestellte Verfahren stützt sich auf die Technik des Data Mining. Zur Seegangsberechnung werden nur bereits vorhandene Infor- mationen über die Bewegung des Schiffes verwendet, d.h. das Verfahren verwendet das Schiff selbst als Sensor. Daraus ergeben sich unmittelbar folgende Merkmale:

° Auf vielen Schiffen kommt das Verfahren ohne zusätzliche Sensoren

und damit quasi ohne Installationsaufwand aus. Bei Schiffen, auf denen die Bewegungsdaten bislang nicht aufgenommen werden, wird lediglich eine einfache, kostengünstige Messtechnik zur Auf- nahme der Schiffsbewegung benötigt.

° Es werden keine optischen oder radarbasierten Sensoren benötigt,

sodass das Verfahren robust gegenüber Wettereinflüssen ist.

° Das Verfahren liefert nur dann Ergebnisse, wenn der Seegang

Schiffsbewegungen erzeugt, d.h. wenn dieser für das Schiff tat- sächlich relevant ist.

° Bei mehreren sich kreuzenden Wellen liefert das Verfahren nur dann

Ergebnisse, wenn sich aus diesen eine relevante, resultierende Wirkung auf die Schiffsbewegung ergibt.Die positiven Ergebnisse der durchgeführten Testreihen zur „Seegangs-berechnung on board“ eröffnen viele Anwendungsmöglichkeiten für unter- schiedlichste Navigationsaufgaben und Einsatzzwecke. Das Verfahren wurde über mehrere Patentanmeldungen geschützt. Die vorgestellte Seegangsberechnung ist ein Beispiel für die Gewinnung von Zustandsinformationen über Systemgrößen, die nicht bzw. nicht unmittelbar messbar sind. Dies ist vermehrt auch in anderen Bereichen des Anlagenbaus von Bedeutung, z.B. bei Verfahren zur Prozesssteuerung und -optimierung in Industrieanlagen. Alle beteiligten Entwickler des TechCenter Control Technology und von ThyssenKrupp Marine Systems konnten bei dieser Zusammen-arbeit wertvolle Erfahrungen sammeln, wie mit jeweiliger spezifischer Fachkompetenz im Schiffbau, bei numerischen Verfahren sowie in Signal-, Modellierungs- und Simulationstechnik gemeinsam innovativ agiert werden kann. Im Kontext der Industrie 4.0, immer mehr kom-plexe Systeme, Anlagen und Prozesse informationstechnisch gekoppelt optimieren, beherrschen und operieren zu wollen, nimmt die Bedeutung der Fähigkeit effizienter Zusammenarbeit verschiedenster technischer Kompetenzen immer weiter zu. Die Erfahrungen dieser Zusammenarbeit werden auch in zukünftigen Projekten wertvoll eingesetzt werden können.

Bild 5 / Ermittelte Wellenrichtung bei Hafeneinfahrt (verzerrte Darstellung, Festland schematisch)

Gefahrener Kurs

Ermittelte Wellenrichtung(Länge der Striche entspricht Qualität der Rechenergebnisse)

Startpunkt der Messung

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Virtuelle Inbetriebnahme von ProduktionsanlagenmARCEL LIEBAuG Teamleader Virtual Production ThyssenKrupp System Engineering GmBH Heilbronn

DR.-ING. mATTHIAS HARTmANN VP Produktmanagement/FuE ThyssenKrupp System Engineering GmBH Bremen

Praxisbeispiel einer Karosserierohbauanlage

36 /

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Methoden der Digitalen FabrikDie Verkürzung der Produktentwicklungszyklen ist bei den Automobilherstellern seit Langem ein vorherrschendes Ziel, um am Markt attraktive und den Kundenwünschen ent-sprechende Fahrzeuge anbieten zu können. Dies hat bereits in den 1990er Jahren zur Einführung des Simultaneous Engineering (SE) Prozesses, d.h. einer zeitlichen Verschach- telung von Prozessen der Fahrzeugentwicklung und der Produktionsmittel, geführt. So steht heute für die Realisie-rung von Produktionsanlagen im Karosserierohbau deutlich weniger Zeit zur Verfügung als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Weiterhin steigern viele Kunden die Anzahl der Fahrzeugvarianten, was zur Folge hat, dass eine Produktionsanlage heute eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle (Produktflexibilität) produzieren können muss.Da zum Projektstart noch nicht alle Fahrzeugvarianten bekannt sind, startet das Projekt zur Realisierung der Anlage zunächst mit einem Teil des Produktspektrums. Weitere Fahrzeugvarianten werden später integriert, wenn dieAnlage sichbereits in derProduktionsphasebefindet.

Die Realisierung von Fertigungsanlagen im Karosserierohbau stellt eine hoch- komplexe Aufgabe dar, die in einem sehr engen Zeitplan erfolgreich durchgeführt werden muss. ThyssenKrupp System Engineering setzt mit der Virtuellen Inbetriebnahme eine Methode aus dem Baukasten der digitalen Fabrik ein, mit der das zur Verfügung stehende Zeit-fenster effektiv genutzt wird und Fehler-kosten reduziert werden. Die Methode basiert darauf, die digitalen dreidimen-sionalen CAD-Modelle (Computer Aided Design) der Anlage mit der in SPS- und Roboterprogrammen hinterlegten Funktionalität und Logik nach dem Prinzip ‘Hardware-in the-loop’ (HIL) so zu ver-knüpfen, dass Analysen und Korrekturen des programmierten Anlagenverhaltens möglich werden. Die Methode wird bei ThyssenKrupp System Engineering erfolg-reich in Kundenprojekten eingesetzt und kontinuierlich weiterentwickelt.

Virtuelle Inbetriebnahme von Produktionsanlagen / 37

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und dem Fertigungskonzept, die entsprechenden Grob- und Feinpläne der Anlage erstellt. Im Anschluss erfolgt die Detailkonstruktion der Anlage und ihrer Anlagenkom-ponenten. Danach startet die Phase der Automatisierung mit der Erstellung der entsprechenden Pläne der Auto-matisierungskomponenten für die pneumatischen, elek-trischen, und steuerungstechnischen Anteile. Als Abschluss dieser Phase ist die Anlage in Form von Stücklisten, CAD-Modellen, E-Plänen, Simulationen und weiteren tech-nischen Dokumenten vollständig beschrieben. Die Phase derAnfertigungundBeschaffungderAnlagenkomponentenkann jetzt beginnen. Um die in der Regel sechs Monate dauernde Zeitspanne der Beschaffungsphase für eineVerkürzung der Gesamtrealisierungszeit zu nutzen, setzt an diesem Punkt die Methode der Virtuellen Inbetriebnahme an / Bild 1 /. Das Prinzip der VIBN besteht darin, die in Form von digitalen Daten (3D-Modelle) beschriebene Anlage zu einem virtuellen Produktionssystem zusammenzusetzen undaufBasisderbereitsdurchOff-line-Programmierung erstellten Programme für Industrieroboter und Speicher- programmierbare Steuerungen (SPS) zum virtuellen Leben zu erwecken / Bilder 2 und 3 /. Zur Vorbereitung einer virtuellen Inbetriebnahme werden die real in der Anlage verwendeten Bedienpulte und die

In dieser Phase sind die Zeitfenster zur Integration weiterer Varianten in die Anlage – und somit der Umbau sowie die Erweiterung der Anlage durch den Fahrzeughersteller – zeitlich stark beschränkt, um möglichst wenig Produktions-zeit zu verlieren. Die Anwendung der vielfältigen Möglichkeiten und Methoden der digitalen Fabrik, wie beispielsweise PLM- Systeme (Product Lifecycle Management), CAx-Systeme oder die Virtuelle Produktion, stellen in diesem Zusammen-hang einen erfolgversprechenden Ansatz dar, um Anlagen in einem kürzeren Zeitfenster und mit reduziertem Projekt-risiko realisieren zu können. ThyssenKrupp System Engineering wendet als einer der führenden Hersteller für Fertigungsanlagen im Karosserie-rohbau verschiedene Methoden der Digitalen Fabrik (DiFa) erfolgreich an. Im Folgenden wird die Methode der Virtu- ellen Inbetriebnahme (VIBN) als eine Kerntechnologie der Virtuellen Produktion (VP) vorgestellt.

Virtuelle Inbetriebnahme von ProduktionsanlagenBei der Realisierung von Produktionsanlagen für den Karosserierohbau werden aus den mit dem Fahrzeug-hersteller (OEM – Original Equipment Manufacturer) abge- stimmten Informationen und Randbedingungen, wie z.B. den CAD-Daten des Fahrzeuges, einzusetzenden Fügeprozessen

Bild 1 / Projektdurchlauf im Karosserierohbau

38 / Virtuelle Inbetriebnahme von Produktionsanlagen

Anfrage Realisierung der montageanlage Anlagenhochlauf

Meilensteine

Workflow

Automatisierung: Hard-, Software-konstruktion Anfertigung,

Montage, AufbauInbetriebnahme, Optimierung

Produktion

AnfrageStart of Production SOPVergabe Auftrag

Betriebsfertige Übergabe der Anlage: BÜ

Engineering:Konstruktion, Simulation

Feinplanung

Angebot

Grob-planung

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realen Speicherprogrammierbaren Steuerungen in einem Bürobereich aufgebaut. Dann erfolgt die Verknüpfung mit der Software ‘WINMOD’, die zum einen die Schnittstelle zwischen realen Komponenten und virtueller Testumgebung bildet und zum anderen das mechatronische Verhalten der Anlagenkomponenten simuliert. Die Visualisierung der Anlage, der Materialfluss durch die Anlage und dieSimulation der Industrieroboter erfolgen mittels der Software ‘INVISION’. Somit sind alle Anlagenkomponenten mit ihrer Hauptkinematik – inklusive der in der Feldebene verschal-teten Sensoren und Aktoren sowie der Sicherheitselemente – integraler Bestandteil des Systems nach dem Prinzip ‘Hardware-in-the-loop’. Zur Durchführung der virtuellen Inbetriebnahme spielt das VIBN-Team nun alle relevanten Anlagensituationen durch und überprüft das Verhalten der Anlage. Dies geschieht mittels der auf eine Leinwand in 2D oder 3D projektierten Anlagenvisualisierung, der Rückmeldung der eingesetzten Software und der Status- bzw. Fehlermel-dungen an den Bedienpulten / Bild 4 /.Die folgenden Anlagensituationen werden typischerweise analysiert:

° Anlagensicherheit: Verschaltung der Sicherheits- bzw.

Not-Aus-Kreise

° Handbetrieb: Steuerung der Funktionen einzelner

Anlagenteile über die Bedienpulte

° Automatikbetrieb: Überprüfung des Automatikbetriebes

und der Kommunikation zwischen SPS und Roboter- steuerung

° Sonderbetriebsarten: Typwechsel, Voll-/Leerfahren,

Ein-/Ausschleusen von Bauteilen

° Betriebsstörungen: Anlagenverhalten bei ungeplanten

Situationen, wie Ausfall von Anlagenkomponenten, Roboterstörungen oder Fehlbedienungen

Der Ablauf der einzelnen Simulationsschritte wird anhand von Checklisten geplant. Diese werden ebenfalls zur Doku- mentation von unerwünschtem bzw. fehlerhaftem Anlagen-verhalten verwendet. Da die VIBNs von einem Team erfahre-ner SPS- und Roboterprogrammierer durchgeführt werden, können innerhalb des Teams Korrekturmaßnahmen zeitnah beschlossen und ggf. auch sofort umgesetzt werden. Die Methode der Virtuellen Inbetriebnahme ist seit 2007 bei ThyssenKrupp System Engineering im produktiven Einsatz und als Prozess im Unternehmen eingeführt. Sie wurde seither in 45 Projekten des Karosserierohbaus erfolg-reich eingesetzt, dabei wurden ca. 120 SPS-Kreise virtuell in Betrieb genommen. Hervorzuheben ist, dass hierbei bis zu vier SPS-Kreise pro VIBN gleichzeitig bearbeitet werden können und diese SPS-Kreise jeweils bis zu 15 Roboter beinhalten. Die projektspezifische Vorbereitungszeit für eine VIBN beträgt ca. sechs Tage für die Erstellung des

Bild 2 / Virtuelle Inbetriebnahme in der Prozesskette

Virtuelle Inbetriebnahme von Produktionsanlagen / 39

Engineering

Automatisierung

virtuelle Inbetriebnahme

Inbetriebnahme der Anlage

Leistungsprozess

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40 / Virtuelle Inbetriebnahme von Produktionsanlagen

weiterer Fahrzeugtypen zu einem späteren Zeitpunkt auf Basis des Anlagenmodelles der VIBN.

° Qualitätsverbesserung: Durch die Anwendung der

virtuellen Inbetriebnahme wird ein stabilerer Projekt- durchlauferzielt,dadieVIBNdieMöglichkeiteröffnet, die Ergebnisse einzelner Arbeitsschritte, wie z.B. die Erstellung eines Roboterprogramms, im Zusammenspiel mit den angrenzenden Schnittstellen zu prüfen, ohne auf das Vorhandensein der Gesamtanlage angewiesen zu sein. Dieses schrittweise Arbeiten mit ‘Quality Gates’ führtgeradebeikomplexenProjektenzueinerEntflech- tung der Strukturen und zu einer besseren Übersicht im Projekt.

° Weniger Erprobungsteile: Für das Einfahren und

Erproben der Anlagen werden Erprobungsteile wie z.B. Karosseriebauteile, benötigt. Diese Erprobungsteile sindhäufigalsVorserienteileinKleinstserienhergestellt, nur sehr eingeschränkt verfügbar und folglich ent- sprechend teuer. Hier kann bei Anwendung der VIBN ein weiterer Kundennutzen aufgezeigt werden. Da be- stimmteAnlagenfunktionen bereits in der virtuellen Produktion getestet wurden, sind somit weniger Erprobungsteile erforderlich. Neben den genannten Vorteilen und positiven Effekten können aufgrund der vorliegenden Erfahrungen auch die Grenzen des Verfahrens beschrieben werden:

statischen Modelles, das Einlesen der Roboterprogramme und die Erstellung des Kopplungsprojektes. Für die Durchführung der VIBN werden ca. zwei Wochen veran-schlagt / siehe Titelbild Bericht /. Für jedes Anlagenbauprojekt sind die Kriterien Qualität, Termineinhaltung und Kosten untrennbar miteinander ver-bunden. Im Rahmen der seitens ThyssenKrupp System Engineering durchgeführten Projekte ließen sich beim Einsatz der VIBN hinsichtlich dieser Kriterien folgende posi-tiveEffekteerzielen:

° Signifikante Reduzierung der Inbetriebnahmezeit auf

der Baustelle um bis zu 50 % durch Optimierung der Anlage und Fehlerbeseitigung im Rahmen der Inbetrieb- nahme vor der Baustellenphase. Die Fehlerkosten konntenebenfallssignifikantgesenktwerden.

° Verbessertes Änderungsmanagement: Zusammen-

führen aller internen Projektbeteiligten einschließlich des Kunden auf der Basis des virtuellen Anlagen- modelles; Das Anlagenmodell dient beispielsweise der Klärung von Änderungswünschen des Kunden.

° Verbesserte Einplanung der Arbeitsschritte von Werkern

an der Anlage in den Anlagenablauf

° Durchführung von Schulungen für die Anlagenführer

parallel zur Anlageninbetriebnahme, um die Anlagen- akzeptanz beim Kunden zu verbessern.

° Kürzerer Produktionsstillstand und sichere Integration

Bild 3 / Die Methode der Virtuellen Inbetriebnahme (Schematisch)

Steuerung

Echtzeit-Simulation mit BuS-Simulation3D-visualisierung,

materialfluss-Simulation, Original Roboterprogramme

visualisierung

SPS-Steuerung

Bedienpult HMI

Win MOD

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Virtuelle Inbetriebnahme von Produktionsanlagen / 41

° Das Anlagenmodell bildet die Realität nicht auf der

physikalischen, chemischen oder thermodynamischen Prozessebene ab. Prozess- oder Fügekräfte, das Ver- haltenbiegeschlafferBlechteile,Strömungsverhaltenvon Medien, Reibungsverhalten unterschiedlicher Materialien oder ähnliche Vorgänge werden nicht abgebildet. Daraus resultierende Optimierungsbedarfe können erst an der realen Anlage identifiziert und durchgeführt werden.

Zusammenfassung und Ausblick Die virtuelle Inbetriebnahme hat sich aufgrund der posi-tiven Erfahrungen bei ThyssenKrupp System Engineering als Leistungsprozess in der Automatisierung etabliert. DiewesentlichenEffektesinddieVerkürzungderInbetrieb-nahmephase auf der Baustelle, die Reduzierung der Fehlerkosten durch das frühzeitige Erkennen von Fehlern sowie die Reduzierung von Risiken bei komplexen Projekten. Somit kann durch den Einsatz der virtuellen Inbetriebnahme auch ein direkter Kundennutzen erzielt werden. Einige OEMs haben den Prozess der virtuellen Inbetriebnahme bereits in ihreSpezifikationenmitaufgenommen. UmdieEffizienzunddieLeistungsfähigkeitderMethode weiter zu steigern, wird kontinuierlich an der Weiter-entwicklung der Methodik mit Systempartnern gearbeitet. Ein Ergebnis dieser in den letzten Jahren erreichten Entwick- lungsschritte stellt die hybride Inbetriebnahme von

Anlagen für den Karosserierohbau dar. Bei der hybriden Inbetriebnahme ist es gelungen, in der Virtuellen Inbetrieb-nahme das Anlagenverhalten von virtuellen Anlagenteilen mit dem Anlagenverhalten realer und bereits existierender Anlagenteile zu verknüpfen. Das Prinzip ‘Hardware-in-the- loop’ bezieht sich hier nicht nur auf die SPS und die Bedien-pulte sondern auch auf reale Anlagenkomponenten. Diese Erweiterung der Virtuellen Inbetriebnahme stellt eine hervor-ragende Möglichkeit dar, die Komplexität beim Umbau bzw. der Erweiterung von existierenden Anlagen beherrschbar zu halten. Gleichzeitig kann das typischerweise sehr kurze Zeitfenster zur Inbetriebnahme effektiver genutzt werden, da die Schnittstellen zwischen dem bereits vorhandenen Anlagenteil und dem zu ergänzenden Anlagenteil im Rahmen der VIBN getestet werden können. Auch die Kombination der Virtuellen Inbetriebnahme mit weiteren innovativen Methoden der virtuellen Produktion bietet Ansatzpunkte zur Optimierung von Anlagenbau-projekten. In diesem Kontext wurde bei ThyssenKrupp System Engineering die Methode des digitalen Anlagen-Scans erfolgreich mit der Virtuellen Inbetriebnahme kombi-niert. Beim digitalen Anlagen-Scan wird durch den Einsatz der 3-D-Scanner-Technologie ein exaktes dreidimensiona-les Abbild einer realen Anlage erzeugt. Die gewonnen Daten werden in der Virtuellen Inbetriebnahme weiterverarbeitet und reduzieren das Projektrisiko gerade bei komplexen Integrationsprojekten erheblich.

Bild 4 / VIBN Studio – Arbeitsumgebung der Virtuellen Inbetriebnahme bei ThyssenKrupp System Engineering

Bedienpult und Programmiergerät SPS

Projektspezifische SPS-Software: - STEP7- RS Logic

Virtuelles Anlagenverhalten

Software: - WinMOD

Virtuelles 3D-Modell

Software: - INVISION

Optional: ProgrammiergerätOFFLINE-Programmierung

Projektspezifische Software: - RobCAD, Process- Simulate, IGrip, - OFFICE-PC, Robot-Studio, Robo-Guide

Präsentationsfläche des virtuellen 3D-Modelles der Anlage als gemein-schaftliche Analyse- und Kommunikationsbasis

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42 /

GründungvonOffshoreWindenergieanlagenEntwicklung einer speziellen Vibrationsramme mit erweiterter Funktion

DR.-ING. JOHANNES KöCHER Geschäftsführer ThyssenKrupp Tiefbautechnik GmbH Alsfeld

DIPL.-ING. DIRK uLRICH Leiter Konstruktion / Entwicklung ThyssenKrupp Tiefbautechnik GmbH Alsfeld

Errichterschiff und Versorgungsschiff mit fertig verankertem Stahlgerüstfundament (Foto: RWE OLC GmbH)

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Gründung von Offshore-Windenergieanlagen – Entwicklung einer speziellen Vibrationsramme mit erweiterter Funktion / 43

Für die sichere Verankerung von Stahl-

gerüstfundamenten als Basisstruktur

vonOffshore-Windenergieanlagen,werden

diese mit „Nägeln“ am Meeresboden

verankert. Die Nägel bestehen aus Rohren

mit Gewichten bis zu 140 t und werden

mit Hilfe der Vibrationstechnik in den

Meeresboden eingetrieben und durch

anschließendes Nachschlagen verankert.

ThyssenKrupp Tiefbautechnik hat eine

Vibrationsramme dahingehend weiter

entwickelt, dass sie das Rammgut direkt

vomArbeitsschiffoderPontonausin

der Waagerechten aufnehmen und dann

senkrecht in den Boden einvibrieren kann.

Hierdurch werden die Installationszeiten

signifikantverkürztunddamitdieGrün-

dungskosten deutlich gesenkt.

Maschinen für die Ramm- und ZiehtechnikThyssenKrupp Tiefbautechnik beschäftigt sich seit Jahren mit der Herstellung von Maschinen für den Spezialtiefbau. Dies sind Maschinen für die Ramm- und Ziehtechnik, mit der Stahlbohlen, wie Träger, Rohre oder Spundwand-tafeln, in den Untergrund eingebracht werden können. Die Maschinen erzeugen mittels gegenläufig rotierender Wellen mit darauf montierten Unwuchten vertikale Schwingungen. Über ein Klemmelement, der so genannten Spannzange, werden diese Schwingungen mit Frequenzen von ca. 25 – 40 Hz in den Boden induziert. Der Boden wird durch die Schwingungen nahe um das einzubringende Ramm-element aufgelockert, quasi verflüssigt. Hierdurch werden die Mantelreibung und der Spitzenwiderstand derart stark reduziert, dass letztendlich die Bohle durch das Eigen-gewicht in den Boden einsinkt. Die Maschinen werden in der Regel an Kränen aufgehängt. Sie besitzen zur Elimi- nierung der Schwingungen zur Aufhängung hin deshalb oberhalb des eigentlichen Schwingungserregers eine Dämpfungseinheit bestehend aus einer Stahlhaube, die

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44 / Gründung von Offshore-Windenergieanlagen – Entwicklung einer speziellen Vibrationsramme mit erweiterter Funktion

über Gummifedern (Elastomere) mit dem Erreger verbunden ist. Angetrieben werden diese Maschinen über ein diesel- hydraulisches Aggregat, mit dem sie über Hydraulik- schläuche verbunden sind / Bild 1 /. Seit einigen Jahren werden die Maschinen verstärkt im Bereich der Umwelttechnik bzw. der Technik der erneuer-baren Energien eingesetzt und für diese Aufgaben entspre-chend konstruktiv angepasst bzw. erweitert.

Gründung von Offshore-Windenergieanlagen30 km nördlich von Helgoland errichtet RWE Innogy den ‘Windpark Nordsee Ost’ mit einer installierten Leistung von 395 Megawatt verteilt auf 48 Turbinen. Errichtet werden die Turbinen auf Stahlgerüstfundamenten mit Gewichten von ca. 550 t, sog. ‘Jackets’, die auf dem Meeresboden verankert werden. Hierzu werden vier „Nägel“ in den Unter- grund eingebracht. Dies sind offene Rohre mit einem Durchmesser von 2.438 mm, Längen bis zu 51 m und Gewichten bis zu 140 t. Ausgeführt werden die Arbeiten von einem speziellen Installationsschiff, der ‘Victoria Mathias’. Das Schiff verfügt über hydraulisch ausfahrbare Stahlbeine, die für sicheren Stand auf dem Meeresboden während der Installations-arbeiten sorgen. Kernstück des Schiffes ist der fest installierte Gittermastkran mit einer maximalen Hublast von 1.000 t bei einer Ausladung von 25 m / Bild 2 /.

Bei der Errichtung des Testfeldes ‘Alpha Ventus’ wurden erste Erfahrungen für die Errichtung von Stahlgerüst- fundamenten gesammelt. Es stellte sich heraus, dass die Arbeitsabläufe zur Gründung der Stahlgerüste in viele einzelne, auch unfallträchtige Arbeitsschritte aufgeteilt waren, die einen ständigen Wechsel der Arbeit des Hub- inselkranes erforderte. Aufgrund der hohen Gewichte ist mit jedem Wechsel der Arbeit ein zeitaufwändiges An- und Abschlagen der Hebemittel für Geräte und Materialien verbunden. Die Gesamtzeit zur Installation eines Funda- mentes erwies sich deshalb für die Zukunft als zu unwirt- schaftlich. Ziel bei dem neu zu errichtenden ‘Windpark Nordsee Ost’ war es daher, Arbeitschritte zu reduzieren und zu vereinfachen, um Installationszeit einzusparen.

Weiterentwicklung einer Vibrationseinheit für eine schnellere GründungEine Herausfordrung, die zu hohem Zeitaufwand bei der Errichtung des Testfeldes ‘Alpha Ventus’ führte, lag darin, dass die Gründungsrohre (Nägel) mit dem Kran aus der waagerechten Lage schwimmend im Wasser zunächst in die Vertikale aufgerichtet und in ein Haltegestell an der Hubinsel gesichert werden mussten. Daraufhin wurden die Aufhängebolzen zum Aufheben der Rohre abgetrennt. Anschließend wurde die Vibrationseinheit vom Kran auf das Rohr aufgesetzt und über Klemmelemente (hydraulische

Bild 1 / Funktionsprinzip Vibrationseinheit zum Rammen von Spundbohlen

vibrator

Federjoch zur Schwingungsdämpfung

Erregerzelle mit Motor(en)und rotierenden exzentrischen Gewichten Hydraulische Spannvorrichtung

Aggregat

Dieselmotor

Hydraulische Pumpe(n) Fernsteuerung

Hydraulik-Schläuche

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Spannzangen) mit dem Rohr verbunden. Als nächsten Schritt setzte der Kran die Vibrationseinheit mit dem Rohr in Führungen am Stahlgerüstfundament ein. Schließlich begann die Vibrationseinheit ihre Arbeit und vibrierte das Rohr lotrecht in den Meeresboden ein. Die Einbringung auf Endtiefe der Rohre wurde durch anschließend aufgesetzte schlagende Rammen erreicht. Bei dem Projekt ‘Windpark Nordsee Ost’ erfolgt der Antransport der Gründungsrohre durch das Installations-schiff – waagerecht liegend in einem Sicherungsgestell an Bord. Die Grundidee zur Zeitersparnis liegt darin, die Vibrationseinheit waagerecht auf die liegenden Rohre zu klemmen, diese mit der Vibrationseinheit als Hebezeug über eine Wippe senkrecht aufzurichten und direkt in die Führungen der ‘Jackets’ einzusetzen. Das für jedes Rohr bisher notwendige An- und Abschlagen der Hebemittel sowie die Anbringung und Entfernung von Aufhängebolzen entfallen. Des Weiteren können alle Arbeiten vom Personal sicher an Bord des Hubschiffes durchgeführt werden. In Abstimmung mit dem Kunden OLC GmbH wurde die bis dahin größte von ThyssenKrupp Tiefbautechnik ge- baute Vibrationsramme weiterentwickelt:

° Die Leistungsfähigkeit des Gerätes zum schnelleren

Einbringen der Rohre in den Untergrund wurde durch Steigerung der Schwingkraft um 20 % auf 5.160 kN erhöht.

Bild 2 / Errichterschiff mit auf dem Meeresboden abgesetztem ‘Jacket’ mit vier zum Nachschlagen vorbereiteten Nägeln (Foto: RWE OLC GmbH)

° Eine Aufnahmekonsole für vier Spannzangen wurde

verwendet, die zum einen so gestaltet ist, dass über große Hebelarme die Klemmkräfte beim Anheben der Rohre minimiert werden. Zum anderen ist sie mit zwei Zapfen versehen, die nach dem Einbringen der Rohre beim Ablegen der Einheit in ein speziell konstruiertes Ablagegestell die Vibrationseinheit in die Horizontale schwenkt.

° Um beim Aufheben die enormen Biegekräfte übertragen

zu können, wurden stärkere Klemmelemente (Spann- zangen) verwendet.

° Die Anzahl und Dimension der Verschraubungen wurden

den Biegekräften entsprechend erhöht.

° Das Dämpfungselement wurde mit zusätzlichen Federn

verstärkt, um im Falle einer Abweichung der Rohre beim Eindringen in den Untergrund aus der Vertikalen durch Anheben der Rohre während des Betriebes der Vibrationsramme Korrekturen durchführen zu können.

° Das Dämpfungselement wurde derart ausgestaltet,

dass die Federn über ein System von Gleitleisten in der horizontalen Lage arretiert und damit beim Aufheben gegen Überdehnung entlastet sind.

° Austarierte Anschlagpunkte für ein pendelfreies exaktes

horizontales Hochheben der Vibrationseinheit wurden angebracht.

/ 45

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46 / Gründung von Offshore-Windenergieanlagen – Entwicklung einer speziellen Vibrationsramme mit erweiterter Funktion

Nach erfolgter Zertifizierung konnte die Vibrationseinheit in der vorgesehenen Form auf dem Errichterschiff verwendet werden. Die / Bilder 5a bis 5g / verdeutlichen den Ablauf: Zunächst wird die Vibrationseinheit waagerecht aus dem Ablagegestell gehoben / a / und vor das erste Rohr ge-schwenkt. Dann werden die Klemmelemente in das Rohr eingefädelt / b / und verspannt. Anschließend wird das Hebelmittel abgeschlagen und die Vibrationseinheit am Aufhängebolzen über einen Seilschlupf mit dem Kran ver-bunden / c /. Die höchste Belastung aller Bauteile entsteht beim Anheben / d /. Die vertikale Position ist erreicht / e /, das Einvibrieren kann beginnen / f /. Schließlich wird die Einheit in das Ablagegestell abgelegt und in die Horizontale geschwenkt / g /. Die Vibrationseinheit mit dem zugehörigem Antriebs-aggregat wird vor Ort von Servicetechnikern rund um die Uhr überwacht. Beim Einvibrieren der Rohre werden die Arbeitsparameter der Vibrationseinheit gemessen und auf-

Test und Einsatz des Gerätes beim ‘Windpark Nordsee Ost’Um das Gerät im Offshore-Bereich auch als Hebemittel einsetzen zu können, war eine Zertifizierung der Vibrations-einheit durch den Germanischen Lloyd erforderlich. Neben der Verwendung von Materialen mit entsprechendem Werkszeugnis, der Prüfung von Schweißnähten sowie der Vorlage der genauen Berechnungsgrundlagen war schließ-lich ein Hebetest im Hafen von Bremerhaven unabding-bare Voraussetzung hierfür. / Bild 3 / zeigt die gesamte Einheit vor dem Installationsschiff in Bremerhaven vor dem Test. Gut zu erkennen sind die zusätzlichen Dämpfungs- elemente rechts und links der Erregerzelle sowie einer der gelb lackierten Umlenkzapfen zur Ablage. An das von den vier Klemmelementen gefasste Rohrstück wurden für den Test wassergefüllte Gewichtssäcke angehängt / Bild 4 /, sodass schließlich die geforderte Gesamtprüflast von 286 t am Kranhaken hing.

Bild 3 / Vibrationseinheit vorbereitet für den Belastungstest vor dem Errichterschiff

‘Victoria Mathias’ (Pfeilmarkierung: Umlenkzapfen)

Bild 4 / Belastungstest der Einheit mit wassergefüllten Gewichtssäcken

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Gründung von Offshore-Windenergieanlagen – Entwicklung einer speziellen Vibrationsramme mit erweiterter Funktion / 47

gezeichnet. Diese Maßnahmen stellen sicher, dass eine hohe Verfügbarkeit der Geräteeinheit und die sichere Durch- führung der Arbeiten gewährleistet sind.

FazitEine Maschine für Gründungsarbeiten durch das Einvibrieren von Rohren zusätzlich mit einer ungewöhnlichen Zusatz-funktion, der Nutzung als Hebemittel zu kombinieren, stellte die Ingenieure und Techniker von ThyssenKrupp Tiefbau-technik vor bis dahin nicht gekannte Herausforderungen. In enger Zusammenarbeit mit der OLC GmbH gelang es, die Vibrationseinheit derart zu modifizieren, dass sie alle Erfordernisse, insbesondere eine hohe Biegesteifigkeit

Bild 5 / Arbeitsablauf

im Moment des Anhebens der Rohre sicher erfüllt. Die Trag- fähigkeit der Einheit als Hebemittel wurde durch den Germanischen Lloyd geprüft und zertifiziert. Durch eine 24-Stunden/7-Tage-Serviceleistung wird eine 100%ige Verfügbarkeit der Einheit sichergestellt.

Die neue Vibrationstechnik zur Verankerung von Stahlgerüst- fundamenten als Basisstruktur von Offshore-Windenergie-anlagen wurde mit dem zweiten Preis des ThyssenKrupp Innovationswettbewerbes 2012 ausgezeichnet.

a / b / d /

c /

e /

f / g /

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48 /

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Neue Werkstoffkonzepte helfen der Industrie bei der Umsetzung von Leichtbauzielen.

LITECOR®

Die neue Art, leicht zu bauen

DR.-ING. THORSTEN BöGER Senior Engineer Vertrieb Auto

ThyssenKrupp Steel Europe AG Duisburg

DIPL.-KFm. (FH) OLIvER mIDDELHAuvE Produkteinführung Vertrieb Auto

ThyssenKrupp Steel Europe AG Duisburg

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LITECOR® – Die neue Art, leicht zu bauen / 49

HybridwerkstoffeModerne Hybrid- oder Verbundmaterialien gelten als die Werkstoffe der Zukunft. Ihre spezifischen Eigenschaften werden gezielt auf einen ganz bestimmten Anwendungs-zweck hin optimiert – häufig steht bei der Entwicklung die Gewichtsoptimierung von Bauteilen mit hohen Anfor- derungen an Festigkeit oder Steifigkeit im Vordergrund. Eine Vorreiterrolle beim Einsatz dieser Materialien nimmt die Luftfahrtindustrie ein. Flugzeuge, wie der Boeing 787 Dreamliner oder der Airbus A 350 XWB, bestehen schon zu rund 50 Prozent aus Verbundwerk- stoffen. Zukünftig werden derartige Hightech-Materialien auch bei der Automobilindustrie mehr und mehr zur Erfüllung von immer anspruchsvolleren Leichtbauzielen Einsatz finden. Das Grundprinzip ist einfach: In ihren Eigenschaften zum Teil sehr unterschiedliche Werkstoffe werden zu einem Verbundwerkstoff kombiniert, wobei gewünschte Eigenschaften der Ausgangsmaterialien erhalten, unerwünschte Eigenschaften nach Möglichkeit weitgehend eliminiert werden.

Automobilindustrie setzt auf wirtschaftlichen LeichtbauIm Gegensatz zum Flugzeugbau spielen die Leichtbau- kosten beim Massenprodukt Auto jedoch eine heraus- ragende Rolle. Soll individuelle Mobilität gleichermaßen nachhaltig und für den überwiegenden Teil der Gesellschaft bezahlbar bleiben, muss Leichtbau im Automobilbereich hochwirtschaftlich erfolgen – gänzlich ohne oder zu möglichst geringen Mehrkosten. Die weitgehend auto- matisierte Großserienfertigung in der Automobilproduktion stellt zudem hohe Anforderungen an die maschinelle

Kosten, Gewicht und Performance gelten als die drei zentralen Zielgrößen in der Automobil-

industrie. Möglichst günstig, leicht und dabei gleichzeitig leistungsfähig und sicher sollen

moderne Fahrzeuge sein. Dies stellt zunehmend höhere Ansprüche an die dort eingesetz-

tenWerkstoffe.DieZukunftkönntedabeidenHybridwerkstoffengehören.Materialienwie

LITECOR®,einemextrembiege-undbeulsteifenStahl-Polymer-Werkstoffverbund,derdie

FestigkeitvonStahlmitdemniedrigenGewichtvonKunststoffkombiniertundsoneue

Impulse beispielsweise für den Karosserieleichtbau in der Automobilindustrie liefert.

Verarbeitbarkeit und Prozesskompatibilität der eingesetz-ten Werkstoffe. In der Automobilindustrie beschränkt sich der Einsatz heute verfügbarer Verbundwerkstoffe daher in der Regel auf Prototypen und einzelne Bauteile für Kleinserien, beispielsweise für Supersportwagen. Für stückzahlenstarke Fahrzeugsegmente mit hohem Kosten-druck sind diese Materialien zu teuer und in Herstellung und Verarbeitung zu komplex. Das könnte sich kurzfristig ändern, denn Leichtbau-experten von ThyssenKrupp Steel Europe haben in enger Abstimmung mit führenden Automobilherstellern einen neuartigen Verbundwerkstoff für großflächige Bauteile wie Türen, Klappen und Dächer entwickelt. LITECOR® heißt das Stahl-Sandwich, das bereits in der nächsten Fahrzeuggeneration eine deutliche Gewichtsreduktion der Karosserie erlaubt / Bilder 1 und 2 /. Hatten Fahrzeugkonstrukteure bislang im Wesent- lichen die Auswahl zwischen Stahl und Aluminium als etablierte Leichtbauwerkstoffe in der Karosserie, können sie nun mit LITECOR® auf eine vollkommen neue Werkstoffklasse zurückgreifen. Der Verbundwerkstoff ist wesentlich leichter als konventionelles Stahlfein- blech und gleichzeitig kostengünstiger als Aluminium.LITECOR® verbindet so nicht nur die jeweils positiven Eigenschaften von Stahl und Kunststoff in einem neuen Werkstoff, sondern kombiniert darüber hinaus die Wirtschaftlichkeit des Stahlleichtbaus mit der Effektivität des Aluminiumleichtbaus. Das eröffnet neue Wege zur Gewichts- und Emissionsoptimierung von Fahrzeugen, bei denen der Einsatz kostspieliger Leichtmetalle und bislang verfügbarer Verbundwerk- stoffe schon unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten

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50 / LITECOR® – Die neue Art, leicht zu bauen

ren durch ihr geringes Gewicht Treibstoffverbrauch sowie Abgase der Fahrzeuge und lassen sich, ähnlich wie alle Stahlprodukte, qualitätsneutral nahezu unbegrenzt wieder-verwerten. Emissionsoptimierte Leichtbauwerkstoffe wie LITECOR® sind damit ein wichtiger Schritt in Richtung klimaschonender Mobilität.

Stahlleichtbau der 2. GenerationAusgangspunkt für die Entwicklung des innovativen Stahl-Sandwich-Werkstoffes als Ergänzung zu herkömm-lichen Leichtbaustählen war – wie so häufig – ein ganz konkretes Problem. Konventioneller Stahlleichtbau setzt auf die Substitution weniger fester Stähle durch Leicht-baustähle mit hohen Festigkeiten. Bei gleichen Crash-Eigenschaften können durch die höhere Festigkeit die Wandstärke und damit auch das Gewicht von Bauteilen reduziert werden. Bei Trägern und Säulen in Fahrzeugen funktioniert das problemlos, der Dickenreduzierung von großflächigen Blechen wie der Türaußenhaut, der Motor- haube oder des Daches sind jedoch Grenzen gesetzt. Die Biegesteifigkeit von Blechen sinkt bei abnehmender Materialstärke überproportional, was ohne entspre- chende Kompensationsmaßnahmen zu unerwünschten Erscheinungen, wie dem Flattern der Bleche im Fahrt-wind, führen kann. Heute werden bereits Außenbleche mit Dicken von nur noch 0,6 mm eingesetzt. Für wei-tere Gewichtsreduktionen durch noch dünnere Bleche sind im Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit und Fertigung der Bauteile noch technische Herausforderungen zu lösen.

nicht zielführend ist. Im europäischen Mark waren dies in den Fahrzeugklassen mit besonders hohem Kosten- druck, d.h. Kleinwagen bis Mittelklasse, rund drei Viertel aller Neuzulassungen im Jahr 2012. Daraus resultiert ein enormes Anwendungspotenzial für den neuen Werk-stoff LITECOR®.

Nachhaltiger Umweltschutz als Entwicklungsaufgabe Bei allen Bemühungen, die individuelle Mobilität bezahl-bar zu halten, ist eine rein wirtschaftliche Betrachtung der eingesetzten Werkstoffe, insbesondere vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung und knapper werdenden Ressourcen, nicht mehr zeitgemäß. Umweltverträglich-keit und mehr noch Nachhaltigkeit im Allgemeinen treten bei der Auswahl geeigneter Werkstoffe für die Fahrzeuge von morgen an die Seite einer rein kostenorientierten Betrachtung. Leichtbauwerkstoffe, deren Herstellung bereits übermäßig die Umwelt belastet oder für die keine praktikablen Recycling-Konzepte vorliegen, sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung mobilitäts-verursachter Umweltprobleme. Folgerichtig wurde bei der Entwicklung von LITECOR® konsequent darauf geachtet, in allen Phasen des Produktlebenszyklus eine weit- reichende Umweltverträglichkeit sicherzustellen, nachhaltig Ressourcen zu schonen und das Recycling des Materials unter Nutzung der bestehenden Infrastruktur in der Automobilindustrie zu gewährleisten. So verursachen Bauteile aus LITECOR® in der Herstellung weniger CO2-Emissionen als jeder andere Leichtbauwerkstoff, reduzie-

Bild 1 / Hohes Einsatzpotenzial in der Karosserie: LITECOR®

ermöglicht die Gewichtsoptimierung flächiger Bauteile.

Bild 2 / LITECOR® erlaubt Gewichtsreduktion zu

wirtschaftlich höchst attraktiven Leichtbaukosten.

Außenhaut

Innenteile

Aluminium

Bau

teilk

oste

n (h

öher

)

Gewicht (höher )

StahlLITECOR®

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LITECOR® – Die neue Art, leicht zu bauen / 51

Eine Lösung dieser Problematik bietet die Kombination von äußerst dünnen aber festen Stahldeckblechen mit einem relativ dicken aber extrem leichten Kunststoffkern. Dadurch nimmt der Verbundwerkstoff an Steifigkeit zu, ohne an Gewicht zuzulegen / Bild 3 /. Im Fall von LITECOR®

weisen die Deckbleche aus Stahl variable Dicken von in der Regel 0,2 bis 0,25 mm auf, die Kernschicht aus einem speziell entwickelten Polymer kann bis ca. 1 mm stark sein. Durch zielgerichtete Anpassung der einzelnen Schichtdicken können die mechanischen Eigenschaften des Verbundwerkstoffes maßgeschneidert auf den späteren Verwendungszweck eingestellt werden. Ein asymmetrischer Aufbau des Sandwich-Materials ist dabei möglich. Was einfach klingt, ist in der Praxis eine echte Herausforderung. Denn die drei schubsteif miteinander verbundenen Lagen des Stahl-Sandwiches dürfen sich weder bei Hitze, noch bei starker Verformung und auch nicht durch Alterung voneinander lösen. Auch die Herstellung von Blechen in Dicken von 0,2 bis 0,25 mm in der von der Automobilindustrie geforderten Oberflächenqualität ist technisch anspruchsvoll. Der genaue Fertigungsprozess des Verbundwerkstoffes ist natürlich ein gut gehütetes Geheimnis. Das richtige Zusammenspiel von Druck, Temperatur und Haftmecha- nismen sorgt schließlich dafür, dass die verschiedenen Lagen aus Stahl und Kunststoff untrennbar mit- einander verbunden werden und sich auch bei starken Verformungen keine der Schichten ablöst. Das gilt selbst für anspruchsvolle Verarbeitungsprozesse wie Bördeln und Falzen als Varianten eines Verfahrens zum Fügen von Blechen durch geeignete Umform-

operationen, mit denen üblicherweise Innen- und Außen- bleche von Bauteilen, wie Türen oder Klappen, mit- einander verbunden werden. Die Bleche werden hierzu dergestalt umgeformt, dass ohne weitere Fügeelemente eine unlösbare form- und kraftschlüssige Verbindung entsteht. Die dabei auftretenden Biegeradien sind zum Teil sehr klein, was zu einer starken Stauchung des innen- liegenden Deckbleches bei gleichzeitiger Streckung des äußeren Deckbleches führt. Sandwich-Werkstoffe, die bei dieser speziellen Belastung zur Delamination, also der Aufspaltung des Sandwiches neigen, sind für den Einsatz in der Automobilindustrie nicht geeignet. Daher wurde bei der Entwicklung von LITECOR® hoher Aufwand betrieben, um die Unlösbarkeit der Sandwich- Schichten zu gewährleisten, und in umfangreichen Tests die Eignung für das Falzen und Bördeln nachgewiesen.

Neuer Werkstoff, bewährte ProzesseDie Formgebung von LITECOR® erfolgt mit den im Automobilbau üblichen kalten Umformverfahren unter Verwendung bestehender Produktionsanlagen. Mehr noch: das Sandwich-Material lässt sich nach nur moderaten Anpassungen von Radien und Design-Merkmalen in den gleichen Werkzeugen verarbeiten, die auch für Stahl- und Aluminiumbauteile genutzt werden. Das erleichtert nicht zuletzt auch den Umstieg auf den neuen Werk- stoff in der laufenden Serie. Im Gegensatz zu Verbund-materialien, wie faserverstärkte Kunststoffe, können die Gewichtsvorteile von LITECOR® ohne gravierende Änderung der Bauteilfertigung und vor allem ohne teure Investitionen in neue Anlagentechnik genutzt werden.

Bild 3 / Schematischer Aufbau des Stahl-Sandwich-Werkstoffes LITECOR®

Kunststoffkernschichtab ca. 0,3 mm

Stahldeckblech0,2 bis 0,3 mm

Stahldeckblech0,2 bis 0,3 mm

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52 / LITECOR® – Die neue Art, leicht zu bauen

Die für die Umformung maßgeblichen mechanischen Eigenschaften des Sandwich-Materials leiten sich in erster Linie von den Stahldeckblechen ab. Deren Festigkeit ist deutlich höher als die der Kunststoffkernschicht, sodass die umformtechnischen Grenzen vergleichbar zu mono-lithischen Stahlblechen sind. Prüftechnisch lässt sich diese Eigenschaft anhand der so genannten ‘Forming Limit Curve’ (FLC) nachweisen, die für LITECOR® nur knapp unterhalb der FLC eines vergleichbaren mono-lithischen Stahlbleches liegt. Zur Anpassung der Biege- und Beulsteifigkeit auf das Niveau eines konventionellen Stahlbleches muss die Gesamtdicke des Sandwich-Materials um etwa 0,1 mm höher ausgelegt werden. Dabei wird weitgehend gewichtsneutral die Schichtdicke des extrem leichten Polymerkerns angepasst, was zu einem überproportionalen Anstieg der Biegesteifigkeit führt. Die für das Umformen erforderlichen Platinen-zuschnitte können mittels Laserstrahlschneiden oder durch mechanischen Beschnitt mit einem auf ca. 0,05 mm verkleinerten Schneidspalt erfolgen.

Einfache Integration in die Karosserie Für die Integration der fertig umgeformten LITECOR® - Bauteile in die Rohkarosserie stehen zahlreiche be-währte Fügetechniken zur Verfügung. Aufgrund der Kunststoffkernschicht werden für LITECOR® mechanische Fügeverfahren in Kombination mit Kleben empfohlen. Bei thermischen Fügeverfahren kommt es infolge des hohen Wärmeeintrages zu einer thermischen Zerrüttung der Adhäsion zwischen Kunststoffkern und verzinkter Stahloberfläche bis hin zu einer Zerstörung des Kerns. Löten, Widerstandspunktschweißen, MIG/MAG- und Laser- schweißen können daher gar nicht oder nur mit Einschrän-kungen zum Einsatz gebracht werden. Im Rahmen der Produktentwicklung wurden bereits zahlreiche alternative Fügeverfahren wie Halbhohl- oder Vollstanznieten, Schrauben, Clinchen, Fließbohrschrauben und Kleben untersucht. Darüber hinaus wurden Verfahren zum Anbringen von Funktionselementen an Bauteile aus LITECOR® untersucht, darunter das Einbringen von Stehbolzen zur Fixierung von Anbauteilen. Bei mecha-nischen Fügeverfahren ist darauf zu achten, dass es unter der lokalen Druckbeanspruchung im Bereich der mecha-nischen Fügezone nicht zu kritischen Retardationseffekten (Kriechen) des Kunststoffkerns mit entsprechendem Verlust der Vorspannung der Niet- oder Schraubver-bindung kommt. Der Kriecheffekt stellt sich – wie bei allen thermoplastischen Polymeren – insbesondere bei erhöh-ten Betriebstemperaturen ein. Technische Lösungen, die auch unter großseriellen Produktionsbedingungen wirt- schaftlich interessant sind, werden aktuell in enger Zusammenarbeit mit den Kunden aus der Automobil- industrie erarbeitet. Allen Verfahren ist gemeinsam, dass sie ebenso wie die etablierten thermischen Fügeverfahren und das Widerstandspunktschweißen als geeignete Verfahren in der großseriellen Automobilproduktion ange-sehen werden.

Bei der thermischen Ausdehnung dominieren ebenso wie bei der Umformung die Eigenschaften der Stahldeckbleche das Verhalten des Sandwich-Materials. Der thermische Längenausdehnungskoeffizient von LITECOR® ist somit dem Ausdehnungskoeffizienten konventioneller Stahlbleche sehr ähnlich. Daraus ergibt sich, dass beim Einbau eines LITECOR®-Bauteiles in eine Stahlumgebung, beispiels- weise eines Sandwich-Daches in der Karosserie, keine thermisch induzierten Spannungen und Verformungen durch stark unterschiedliche Ausdehnungscharakteristika zwischen den Bauteilen auftreten – ein häufiges Problem bei Mischbauweisen (a.∆T-Problematik).

Korrosion – kein ThemaDie Stahldeckbleche sind bei LITECOR® jeweils beid-seitig elektrolytisch verzinkt. Die Dicke der aufgebrachten Zinkschicht kann für unterschiedliche Korrosionsschutz-anforderungen ca. zwischen 2,5 und 7,5 µm angepasst werden. Durch den vierseitigen Zinkbelag wird eine umfassende Korrosionsschutzwirkung in der Fläche und an den Schnittkanten gewährleistet. Dies bestätigen Korrosionstests nach unterschiedlichen Standards (VDA (Verband der Automobilindustrie)-Wechseltest, Salzsprüh- nebeltest) sowie unabhängige Untersuchungen von diversen Automobilherstellern. Mit den technischen Möglichkeiten an der Pilotanlage von ThyssenKrupp Steel Europe in Dortmund / Bild 4 / ist es bereits heute möglich, sehr hohe, serienreife Hafteigenschaften zwischen der Kunststoff-Kernfolie und der verzinkten Stahloberfläche reproduzierbar darzustellen. Neben der dadurch sicher vermiedenen Delamination beim Umformen der Sandwich- Platinen wird so auch umgangen, dass an der Schnitt-kante des Sandwich-Materials Feuchtemigration zu einer schädlichen Unterwanderung führt.

Meilenstein im AutomobilleichtbauAls erster einfach zu verarbeitender und dabei kosten-günstiger Hybridwerkstoff für die Verwendung in moder-nen Karosserien ermöglicht LITECOR® Gewichts- und Emissionsreduzierungen, die im Bereich der groß- flächigen Bauteile mit heutigen, konventionellen Stahl-leichtbaukonzepten nicht zu erreichen und bei Einsatz alternativer Leichtbauwerkstoffe vielfach nicht zu bezah-len sind. Der steifigkeitsoptimierte Stahl-Sandwich-Werkstoff hat daher das Potenzial, zu einem Meilenstein im Automobilleichtbau zu werden und den Karosseriebau der nächsten und übernächsten Generation entscheidend mit zu prägen.

DasneuentwickelteWerkstoffkonzeptüberzeugteauchdie Jury des ThyssenKrupp Innovationswettbewerbs 2012 – LITECOR® konnte sich mit dem dritten Preis erfolgreich in die Riege der ausgezeichneten Entwicklungsprojekte einreihen.

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LITECOR® – Die neue Art, leicht zu bauen / 53

Bild 4 / Über eine weltweit einmalige Pilotanlage wird bereits seriennahes LITECOR® gefertigt

und der Produktionsprozess für die industrielle Anwendung optimiert.

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Dipl.-Ing. Ingo Pletschen, ThyssenKrupp Elevator CENE,

Research & Development, Innovationen

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NExT GENERATION Das ThyssenKrupp Praktikantenprogramm

yOuR INNOvATIONDas ThyssenKrupp Doktorandenprogramm

ThyssenKrupp –Akademischer Nachwuchs im FokusIngenieurkunst im Spannungsfeldzwischen Wachstum und Umweltschutz

m.A. HELGE KROLL Teamleiter Hochschulmarketing ThyssenKrupp AG Essen

DIPL.-KFFR. (FH) SARAH HEIDELBERG Praktikantenbindungsprogramm NEXT GENERATION ThyssenKrupp AG Essen

DIPL.-KFm./m.SC. ANDREAS BAuSENWEIN Doktorandenprogramm YOUR INNOVATION ThyssenKrupp AG Essen

ThyssenKrupp als attraktiver Arbeitgeber Bei ThyssenKrupp arbeiten über 150.000 Mitarbeiter in rund 80 Ländern mit Leidenschaft und hoher Kompetenz an Produktlösungen für nach-haltigen Fortschritt. Ihre Qualifikation und ihr Engagement sind die Basis des Erfolges von ThyssenKrupp. Innovationen und technischer Fortschritt sind dabei Schlüsselfaktoren, um die weltweiten Heraus-forderungen rund um Ressourcen und Infrastrukturen zu meistern. Und gerade hier liegen die Stärken von ThyssenKrupp: Mit seiner Ingenieurkunst unterstützt ThyssenKrupp seine Kunden, die Nachfrage nach „mehr“ durch den Einsatz „besserer“ Lösungen bedienen zu können. Damit sind sie in der Lage, sich im weltweiten Wettbewerb zu differenzieren und innovative Produkte wirtschaftlich und ressourcen-schonend herzustellen. ThyssenKrupp legt bei der Entwicklung inno-vativer Werkstoffe, Komponenten, Systemlösungen und Anlagen seit jeher großen Wert auf die hierfür relevanten ökologischen und sozialen Aspekte, wie zum Beispiel Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz, Klima- schutz, Recyclingfähigkeit und Arbeitssicherheit. Wer sich für ein Studium entscheidet, erhofft sich gute Berufs-aussichten. Damit diese Gleichung aufgeht, bietet ThyssenKrupp eine Reihe von Möglichkeiten, schon während des Studiums praktische Erfahrungen zu sammeln, sich zu qualifizieren und die Erfolgschancen zu verbessern. Übrigens ganz unabhängig davon, was studiert wird: Ob Maschinenbau, Elektrotechnik, Wirtschaftsingenieurwesen, Wirt- schaftswissenschaften, Informatik etc., die Vielfalt der bei ThyssenKrupp vorhandenen Berufszweige gibt dem akademischen Nachwuchs großen Spielraum.

Bild 1 / Zusammensetzung des NEXT GENERATION-Pools nach Fachbereichen

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Die Präsenz an Universitäten und Fachhochschulen wird für ThyssenKrupp immer wichtiger. Der Techno-logiekonzern zeigt sich dort als attraktiver Arbeitgeber und knüpft frühzeitig Kontakte zu den Studierenden. Zu den Schwerpunktuniversitäten in Aachen, Berlin, Bochum, Dortmund und Dresden unterhält Thyssen-Krupp seit Jahren enge Beziehungen. Hinzu kommen bundesweit viele weitere Partner-Universitäten und Fachhochschulen sowie Hochschulen in Brasilien, China, Japan und Russland. Die Berufseinstiegspro-grammerichtensichandenspezifischenAnsprüchender unterschiedlichen Zielgruppen aus. Das Praktikan-tenbindungsprogramm „NEXT GENERATION“ nimmt die besten Praktikanten auf / Bild 1 /. In ausgewähl- ten Veranstaltungen werden sie systematisch auf ihren späteren Berufseinstieg im Konzern vorbereitet. Für Akademiker mit Forschungsinteresse bietet das Doktorandenprogramm „YOUR INNOVATION“ die Möglichkeit, an den neuesten Technologien im Kon-zern mitzuarbeiten. Im Konzern-Traineeprogramm „Create (y)our future“ lernen die Trainees verschie- dene Tätigkeitsbereiche und Business Areas strate-gisch und operativ kennen. Projekteinsätze im Aus-land runden die Vorbereitung auf Schlüsselpositionen im Konzern ab. ThyssenKrupp techforum 1 I 2012

Maschinenbau 27%

Wirtschafts-ingenieurwesen

19%

Luft- und Raumfahrt 4%Schiffbau 4%

Elektrotechnik 4%

BWL/Wirt- schaftswissenschaft 42%

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Erste Berufserfahrung kann innerhalb eines Praktikums gesammelt werden, Werkstudenten/-innen lernen den späteren Beruf genauer kennen, andere bereichern Ihre Abschlussarbeit mit konkreten Praxiserfahrungen. Auch Studienförderprogramme oder Projekte an den Schwerpunktuniversitäten von ThyssenKrupp stehen bereit. ThyssenKrupp bietet darüber hinaus im Anschluss an das Studium die Möglichkeit der Promotion. Wer dies nutzen will braucht klare Ziele, hohe Motivation, großes Engagement und hervorragende Noten. Als Gegenleistung unterstützt ThyssenKrupp die Studierenden in ihrer fachlichen und persönlichen Entwicklung und bietet interessante berufliche Perspektiven. Zudem bereiten maßgeschneiderte Trainee-Programme auf die erste verantwortliche Position bei ThyssenKrupp vor.

Praktika – Die besten Lehrbücher schreibt die PraxisDa können Studierende noch so viel Zeit in Hörsälen und Bibliotheken verbringen: Praktische Erfahrungen sind durch nichts zu ersetzen. Ein Praktikum bei ThyssenKrupp gibt die Chance, Gelerntes anhand realer Fakten zu überprüfen und in neue Zusammenhänge zu setzen. Dabei wird hautnah erlebt, wie innovative Produkte entwickelt, neue Märkte erschlossen oder Fertigungsprozesse optimiert werden. Ganz gleich, ob ein Praktikum in einem fachlichen, technischen oder kaufmännischen Bereich absolviert wird. Die Teilnehmer erleben die ThyssenKrupp Mitarbeiter bei der täglichen Arbeit, bringen sich mit ihrem Wissen, ihren Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit ein und knüpfen interessante Kontakte. Sie gewinnen damit nicht nur wertvolle Einblicke in ein international bedeutsames Unternehmen, sondern auch die besten Aussichten für einen erfolgreichen Berufseinstieg nach dem Studium.

56 / ThyssenKrupp – Akademischer Nachwuchs im Fokus – Ingenieurkunst im Spannungsfeld zwischen Wachstum und Umweltschutz

Das Praktikantenprogramm NEXT GENERATION –Teilnehmer knüpfen konzernübergreifendes NetzwerkViele Studierende, die ein Praktikum bei ThyssenKrupp absolvieren, zeigen, dass eine Menge in ihnen steckt. Sie bringen kreative Ideen ein, engagieren sich und beeindrucken mit hervorragenden Leistungen. Daher ist es wichtig, dass der Kontakt zu diesen vielversprechenden Talenten danach nicht verloren geht! Deshalb hat ThyssenKrupp mit NEXT GENERATION ein Programm entwickelt, das ehemalige Praktikanten und Praktikantinnen über die Entwicklungen – gerade im Jobbereich – bei ThyssenKrupp auf dem Laufenden hält, und die Möglichkeit er- öffnet, mit potenziellen Nachwuchskräften in Kontakt zu bleiben. Die besten Praktikanten werden nach ihrem Praktikum in das Praktikantenprogramm aufgenommen. Der Aufnahmeprozess erfolgt entsprechend der Grafik / Bild 2 /. So bleibt ThyssenKrupp bis zum Ende des Studiums – und auch darüber hinaus – mit Nachwuchs-talenten in Kontakt. Außerdem werden die NEXT GENERATION-Teilnehmer zu Seminaren oder Veranstaltungen eingeladen und erhalten die Möglichkeit zu weiteren Praktika. So vernetzen sich die ehemaligen Praktikanten und Praktikantinnen im Konzern und sind gut für den Karrierestart bei ThyssenKrupp vorbereitet. Während Niklas Klein-Avink / Bild 3 / im letzten Semester seines Master-Studiums als Werkstudent im Corporate Center Technology, Innovation and Quality der ThyssenKrupp AG beschäftigt ist, arbeitet Bastian Hofmann / Bild 4 / bereits als Messingenieur in der zentralen Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Anlagenbauspezialisten ThyssenKrupp Resource Technologies. Beide sind Mitglieder des Praktikantenprogrammes NEXT GENERATION. Für Niklas Klein-Avink

NExT GENERATION

Idealerweise 1 bis 2 Jahre

Praktikum bei ThyssenKrupp

Empfehlung für NEXT GENERATION

Interview mit Corporate Center Human Resources

Aufnahme in NEXT GENERATION

Studiumsende/ Berufseinstieg

idealerweise in den ThyssenKrupp Konzern

– Seminare im Bereich Soft Skillsoderfachspezifisch

– Werksbesichtigungen, Unternehmensvorstellungen und Impulsvorträge

– Individuelle Feedback- und Beratungsgespräche

– Ggf. individuelle Entwicklungsmaßnahmen

– Vermittlung von weiteren Praktika und Abschlussarbeiten

– Unterstützung bei der Vermittlung in den Job

– entsprechend der Aufnahmekriterien

– mit dem Empfehlungsbogen

Bild 2 / Empfehlungsprozess NEXT GENERATION

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Tätigkeit um eine regelmäßige langfristige Zusammenarbeit handelt. Das heißt, die Studierenden sind dauerhaft als Mitarbeiter bei ThyssenKrupp tätig und arbeiten während der Semesterferien oder auch studien- begleitend für das Unternehmen. Natürlich werden flexible Modelle angeboten, mit denen die Studien- und Arbeitszeiten optimal koor- diniert werden können. Schließlich sollen sich die Absolventen sowohl beruflich als auch im Studium voll entfalten können.

Abschlussarbeiten – Das Beste zum SchlussVor dem ersehnten Start ins Berufsleben haben die Prüfungsämter die Abschlussarbeit gestellt. Und diese soll natürlich qualifizierte Inhalte auf-weisen und von einem engen Praxisbezug gekennzeichnet sein. Genau dafür bietet ThyssenKrupp kompetente Unterstützung: Ob Bachelor-, Master- oder Diplomarbeit, vor allem bei Themen zu Technik, Forschung und Entwicklung erfahren Studierende umfassende Hilfe und können sich zugleich aktiv bei ThyssenKrupp einbringen. Darüber hinaus kann eine wissenschaftliche Arbeit auch zu einer erstklassigen Eintrittskarte für eine berufliche Karriere bei ThyssenKrupp werden.

Hochschulkooperationen – Direktverbindung zwischen Wissenschaft und TechnikTalentierte Studierende unterstützt ThyssenKrupp neben dem Engage-ment für eine praxisnahe Ausbildungs- und Studienförderung vor allem durch die intensive Zusammenarbeit mit Universitäten im In- und Ausland (siehe auch Artikel „Innovationsfaktor Kooperation“). Hier ent-steht in vielen interessanten Projekten ein intensiver Austausch zwischen

ein echter Gewinn: „Neben den zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten vermittelt vor allem der Besuch unterschiedlicher Standorte und Unternehmen ein viel besseres Verständnis für die Herausforderungen und Zusammenhänge in einem so großen Konzern. Die Teilnehmer kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Ohne NEXT GENERATION wäre es mir nicht möglich gewesen, so schnell ein eigenes, viel- fältiges Netzwerk aufzubauen. Nach dem Abschluss meines Studiums erscheint mir ein Traineeprogramm als Einstieg am besten geeignet. “Bastian Hofmann unterstreicht dies voll und ganz: „Dass man Leute aus anderen Geschäftsfeldern des Konzerns kennenlernt, ist ein großer Mehrwert. Vor welchen Problemen stehen sie, welche Lösungen haben sie gefunden? Hier konnte ich viel lernen und eine Menge Erfah- rungen sammeln.“ Genau das will Bastian Hofmann auch in seiner heutigen Funktion fortsetzen. Denn schließlich sei eine spätere Promotion denkbar.

Werkstudenten – Studieren Sie Ihren BerufFür Studierende, die einige Semester ihres Bachelor-Studiums absolviert haben oder im Masterstudium sind und bereits einen konkreten Berufs- wunsch vor Augen haben, bietet ThyssenKrupp die Chance, schon wäh-rend des Studiums voll ins Berufsleben einzusteigen. Werkstudentinnen oder Werkstudenten gehören fest zum Team und arbeiten eigenständig an konkreten Projekten. Sie machen praktische Erfahrungen im Fach-gebiet ihrer Wahl, können sich mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen austauschen und neue Kontakte knüpfen. Dabei ist zu beachten, dass es sich im Gegensatz zu einem Praktikum bei einer Werkstudenten-

Bild 3 / Niklas Klein-Avink, ThyssenKrupp AG, Corporate Center Technology, Innovation & Quality

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Einstieg bei ThyssenKrupp zu gewinnen. YOUR INNOVATION unterstützt einen möglichst schnellen und guten Promotionsabschluss sowie die Entwicklung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen. YOUR INNOVATION umfasst vier wesentliche Programmbausteine: Im Rahmen des Coachings begleitet und berät ein professioneller Coach den Promotionsprozess. Das Mentoring steht für die individu-elle Förderung durch eine berufserfahrene Fach- bzw. Führungskraft. Es besteht die Möglichkeit zur Teilnahme an fachlichen und über-fachlichen Seminaren und Workshops, zum Beispiel Wissenschaft- liches Schreiben, IT-basierte Literaturrecherche, Kreativitätsworkshops oder Kommunikationstrainings. Netzwerkbildung mit anderen Dokto-randen sowie Fach- und Führungskräften aus dem Konzern im Rahmen von Vorträgen oder Abendveranstaltungen sind eine weitere wichtige Komponente des Programmes.Eine Aufnahme in das Programm ist im Rahmen zweier Konstel- lationen möglich:

° Ein „Interner Doktorand“ schließt einen zweijährigen Doktoranden-

vertrag mit ThyssenKrupp plus ein Jahr Verlängerungsoption.

° Ein „Externer Doktorand“ verfügt über eine Anstellung an einer

Hochschule oder Forschungseinrichtung und kooperiert mit ThyssenKrupp im Rahmen eines Praxisprojekts. Als Auswahlkriterien dienen dabei folgenden Aspekte:

° Promotionsthema mit direktem Bezug zu einem

operativen Geschäft von ThyssenKrupp

° Sehr gute Studienleistungen

° Relevante Praxiserfahrung

° Internationalität/Auslandserfahrung

° Engagement und Leistungsorientierung

° Hohe Sozialkompetenz

Forschung, Lehre und Praxis. In Deutschland verfügt ThyssenKrupp über feste Kooperationen mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, der Technischen Universität Berlin, der Ruhr- Universität Bochum sowie den Technischen Universitäten in Dortmund und Dresden. Mit vielen weiteren Universitäten bestehen darüber hinaus ebenfalls Partnerschaften. Oberstes Ziel ist, vorhandene Kontakte aus- zubauen und für beide Seiten nutzbar zu machen. Weitere Ziele beste-hen darin, die verfügbaren Ressourcen der Partner im Hinblick auf die Förderung qualifizierter Studierender, die Weiterbildung und Lehre, den Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse sowie die Unterstützung universitärer Veranstaltungen in bestmöglicher Weise zu nutzen. Im Mittelpunkt stehen regelmäßige Fachvorträge, Werksbesichtigungen, Ringvorlesungen oder Planspiele, um so das gegenseitige Verständnis zu fördern und Einblicke zu bieten. Ähnlich wie an den ThyssenKrupp Schwerpunktuniversitäten in Deutschland werden auch an einigen ausländischen Standorten attraktive Förderungsprogramme und Projekte für die Studierenden unterstützt. Hierzu zählen die Staatliche Technische Universität Nizhny Novgorod (Russland), die Tongji Universität in Shanghai/China sowie die Waseda Universität in Tokio/Japan.

Das Doktorandenprogramm YOUR INNOVATION –Ideale Verbindung zwischen Wissenschaft und PraxisFür viele Absolventen ist die Möglichkeit zur Promotion bei der Auswahl des zukünftigen Arbeitgebers entscheidend. ThyssenKrupp bietet talentierten Doktoranden, die bei oder mit dem Technologiekonzern promovieren wollen, ein interessantes Angebot. Im Rahmen des zwei- jährigen Doktorandenprogrammes YOUR INNOVATION wird der aka-demische Nachwuchs gezielt gefördert und weiterentwickelt. Ziel ist es, Doktoranden praxisnah zu unterstützen und für einen langfristigen

Bild 4 / M.Sc. Bastian Hofmann, ThyssenKrupp Resource Technologies, Division Mining, Research & Development

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ThyssenKrupp – Akademischer Nachwuchs im Fokus – Ingenieurkunst im Spannungsfeld zwischen Wachstum und Umweltschutz / 59

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Trainee-Programme – Maßgeschneiderte Qualifikation im In- und AuslandFür Absolventen und Absolventinnen technischer und auch kaufmän-nischer Studienrichtungen hat sich neben dem Direkteinstieg der Berufs-start in Form eines Trainee-Programmes bei ThyssenKrupp bewährt. Interessierten wird dank eines breiten Portfolios unterschiedlicher Pro-gramme und den damit verbundenen Möglichkeiten ein hervorragender Einstieg geboten. In den 12 bis 24 Monate dauernden Ausbildungen werden Talente vor anspruchsvolle Herausforderungen gestellt. Sie werden im Team weiterentwickelt und mit einem starken Konzern im Rücken auf eine aussichtsreiche Fach- oder Führungslaufbahn vorbereitet. Durch ein individuelles Baukastenprinzip werden die Trainees systematisch – also Schritt für Schritt – in das Tagesgeschäft eingeführt und überneh-men im Hinblick auf ihre späteren Zielbereiche die Verantwortung für kleine, konkrete Projekte. Kurzum: Es erwarten die Teilnehmer keine festgezurrten Programme von der Stange, sondern maßgeschneiderte Qualifikationen, die das Beste aus jedem herausholen. Das Konzern-Trainee-Programm „Create (y)our future“ führt die Absolventen in einem Zeitraum von 18 Monaten in einen Holding-Bereich und zu einer Tochtergesellschaft im Ausland. Durch den Auslands-aufenthalt können Sprachkenntnisse weiterentwickelt und die inter-kulturelle Kompetenz gestärkt werden. Die Kurzzeit-Expatriats arbeiten an einem Projekt, knüpfen internationale Netzwerke und erleben die kulturelle Vielfalt von ThyssenKrupp. Über eine weitere Inlandsstation führt sie ihr Weg dann zurück zu ihrer Zielorganisation. Neben interessanten und zielgruppenorientierten Bindungspro-grammen sind optimale Kontakt- und Bewerbungsmöglichkeiten für ein erfolgreiches Recruiting von zentraler Bedeutung. Auch hier ist ThyssenKrupp gut aufgestellt: Die ThyssenKrupp Karriere-Homepage wurde 2013 erneut unter mehr als 140 Unternehmen als beste deutsche Karriereseite ausgezeichnet.

FazitAls diversifizierter Industriekonzern ist ThyssenKrupp mit seinen Kern-geschäften auf führende Marktpositionen in globalen Wachstums-regionen fokussiert. Die Mitarbeiter prägen das Bild des Konzerns und seinen Erfolg bei den Kunden und weiteren Geschäftspartnern. Deshalb sucht ThyssenKrupp ständig Nachwuchstalente im Wett-bewerb um die besten Köpfe, bildet Fach- und Führungskräfte fort und bietet anspruchsvolle Aufgaben und Berufschancen. Das umfassende Angebot richtet sich an Studierende im In- und Ausland und reicht von Praktika, über Trainee-Programme bis hin zur Begleitung während der Promotion. Die enge Partnerschaft mit zahlreichen Universitäten bildet den erfolgreichen Brückenschlag zwischen theoretischer Ausbildung und praktischer Anwendung. ThyssenKrupp bietet dem akademischen Nachwuchs innovative Produkte und ein global vernetztes, selbst-ständiges Arbeiten.

Kontakt: [email protected]/karriere

Die Ingenieurin Diana Neubert / Bild 5 / und der Elektrotechniker Ingo Pletschen gehören zu den Absolventen des Doktorandenprogrammes von ThyssenKrupp. Im Rückblick heben beide insbesondere die Mög- lichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung durch Coaching und Mentoring und zum Networking hervor: „Es wurde viel miteinander gesprochen. Wir haben gelernt, Lösungsstrategien für unterschiedliche Probleme zu entwickeln. Meine Kompetenz hinsichtlich der hierfür anzuwendenden Methoden wurde deutlich gestärkt“, so Diana Neubert. „Ich habe so viel gelernt und für mich mitgenommen. Ein richtig tolles Programm!“ Ingo Pletschen ist heute für die Abteilung „Innovationen“ im Bereich Research & Development der ThyssenKrupp Elevator CENE verantwortlich. Er ergänzt: „Auch für Elektrotechniker ist ThyssenKrupp ein interessanter Konzern mit vielen Möglichkeiten. Durch YOUR INNOVATION habe ich sowohl das Unternehmen intensiv als auch Ansprechpartner für unterschiedliche Fragestellungen kennengelernt. Die im Rahmen des Programmes erworbenen Kenntnisse hinsichtlich Zeitmanagement, Präsentieren etc. nutze ich heute in meinem beruf- lichen Alltag.“ Auch für Diana Neubert geht es nach dem Programm bei ThyssenKrupp weiter. Sie ist seit April 2013 in der Forschung und Ent-wicklung für Organische Analytik bei ThyssenKrupp Steel Europe tätig.

Bild 5 / M.Sc. Diana Neubert, ThyssenKrupp Steel Europe,

Research and Development, Organische Analytik

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Innovationsfaktor KooperationThyssenKrupp Elevator setzt weltweit auf Hochschulpartnerschaften

DIPL.-WIRTSCH.-INF. (FH)/mBA SASCHA FRömmING Manager Innovation ThyssenKrupp Elevator AG Essen

DIPL.-ING./m.A.S. JAvIER SESmA Managing Director ThyssenKrupp Elevator Innovation Center Gijón/Spanien

DIPL.-ING. THOmAS FELIS VP Innovation Management ThyssenKrupp Elevator Americas Atlanta, GA/USA

DIPL.-ING. (FH) THOmAS EHRL Engineering Training Manager ThyssenKrupp Elevator AG Essen

DIPL.-JOuRN. (FH) JENS HOLTGREFE Referent Corporate Communications ThyssenKrupp Business Services GmbH Essen

Kreative Ideenschmiede: ThyssenKrupp Elevator Innovation Center in Gijón/Spanien

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Innovationsfaktor Kooperation – ThyssenKrupp Elevator setzt weltweit auf Hochschulpartnerschaften / 61

Open InnovationOpen Innovation, zu Deutsch: „offene Innovation“, ist einer der am häufigsten verwendeten Begriffe in Forschung und Entwicklung, seit dieser 2003 durch Henry Chesbrough, einem Professor an der Haas School of Business der University of California, Berkeley/USA, formuliert und verankert wurde. Dahinter verbirgt sich eine Strategie, mit der Unternehmen auch auf externes Wissen zurückgreifen und dieses für sich nutzbar machen. Auf diese Weise wird die eigene Innovations- basis gezielt um Ideen und Technologien von außerhalb erweitert. Seit 2010 nutzt auch ThyssenKrupp Elevator zunehmend diesen Ansatz. Dafür wurde an der unternehmenseigenen und weltweiten Weiterbildungs- und Trainingsplattform SEED Campus eigens ein ‘Innovationsmanagement Think Tank’ gegründet. Diese „Denkfabrik“ ist langfristig angelegt und insbesondere auf Forschungsthemen ausgerichtet. Die Mitwirkung erfolgt projektbezogen und fungiert als Austauschplattform für Ideen. Mitarbeiter aus der ganzen Welt – hierarchie- wie funktionsübergreifend – haben darin einen eigenen Innovationsmanagement-Prozess definiert, der in erster Linie über-greifende, globale Ziele verfolgt, dabei aber auch die lokalen Bedürf- nisse sowie die dezentralen Organisationsstrukturen des Unterneh- mens berücksichtigt. Bis Ende 2013 soll das neue Innovations- management an den drei ‘Research and Innovation Centers’ in den USA, Deutschland und Spanien implementiert werden. Zentraler Leitsatz: ‘Think Global – Develop Local!’

Fest mit dem Konzernleitbild verzahntDas grundliegende Verständnis von Open Innovation geht jedoch weit über die geografische Denkweise hinaus: Werte wie Vielfalt, Ehrlich- keit, Offenheit und Zusammenarbeit spiegeln das neue Konzernleitbild „Wir sind ThyssenKrupp“ wider. Darin sind unter anderem Kompetenz und Vielfalt, globale Vernetzung, die Beschreitung neuer Wege sowie die Förderung der Kompetenzen und die Entwicklung der Mitarbeiter veran-kert. Die Weichen für eine Unternehmenskultur, in der Open Innovation einen hohen Stellenwert einnimmt, sind damit gestellt. Nun gilt es, ein innovatives Umfeld und eine nachhaltige Innovationskultur zu schaffen. Wie viele Unternehmen im ThyssenKrupp Konzern setzt auch ThyssenKrupp Elevator dabei unter anderem auf Kooperationen mit Hochschulen – eine „Win-Win-Situation“ für beide Seiten: Zum einen lässt sich auf diese Weise ein entscheidender Beitrag zur praxisnahen Ausbildung der Studierenden erzielen, zum anderen können die Hochschulen im Bereich Forschung und Entwicklung bestimmte Dienstleistungen übernehmen.

Innovationen gelten gerade in einer Zeit fortschreitender Globalisierung und technologischen Wandels als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit und zum Wirtschaftswachstum. Doch dahinter verbergen sich nicht nur die Entwicklung und der Einsatz neuer Technologien: Nachhaltige Innovationsfähigkeit setzt vor allem hochqualifizierte Fachkräfte sowie zunehmend auch einen verstärkten und umfassen- den Wissensaustausch zwischen Wirtschaft und Forschung voraus. Experten bewerten diese Zusammenarbeit sogar als maßgeblich für die zukünftige Leistungsfähigkeit von Industrie und Gesellschaft. ThyssenKrupp Elevator hat in den vergangenen Jahren seine weltweiten Kooperationen mit verschiedenen Hochschulen kontinuierlich ausgebaut. Begleitet wurde dieser Prozess von einer tiefgreifenden Veränderung und Stärkung des unternehmensweiten Innovationsmanagements.

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Die Ergebnisse von Zusammenarbeit und Austausch zahlen sich meist noch nach Jahren aus, wie die Kooperation mit der Universität Oviedo – einer der ältesten und traditionsreichsten Bildungseinrichtungen Spaniens – zeigt.

Universidad de Oviedo (Spanien)In Asturien, im Norden Spaniens, finden die Ingenieure von ThyssenKrupp Elevator optimale Voraussetzungen zur Entwicklung neuer Produkte: Das ThyssenKrupp Elevator Innovation Center mit Testlabor, in dem Baugruppen und Systeme im Maßstab 1:1 erprobt werden können, sowie Büroräumen ist in der Universidad Laboral in der Küstenstadt Gijón untergebracht – gut 25 Kilometer nördlich von Oviedo / Bilder 1 und 2 /. Hier, auf dem Campus und im nahegelegenen Technologiepark, haben sich in den vergangenen Jahren verschiedenste Unternehmen aus Wissenschaft, Industrie und der Kreativbranche mit über 10.000 Mitarbeitern angesiedelt; eine außergewöhnliche Verbindung zwischen Theorie und Praxis mit besonders hoher Innovationskraft.

Seit der Unterzeichnung des ersten Rahmenvertrages mit der Poly- technischen Universität von Gijón im Jahr 2001 hat ThyssenKrupp Elevator die Zusammenarbeit mit den akademischen Forschungs-gruppen fortlaufend gestärkt. Ein zweiter Rahmenvertrag wurde 2007 unterzeichnet. Er umfasst unter anderem Stipendien und Praktika für Master-Studierende der Universität Oviedo. Auf diese Weise ist es möglich, schon während des Studiums praktische Erfahrungen in einem weltweit operierenden Unternehmen zu sammeln – für viele Firmen eine wichtige Voraussetzung bei der Einstellung neuer Mitarbeiter. Der Kontrakt beinhaltet weiterhin die Zusammenarbeit in verschiedenen Ebenen von Forschung, Entwicklung und Innovation sowie eine Intensivierung der Praxispartnerschaften zwischen der Hochschule und den verschiedenen Produktions- und Verwaltungs-standorten von ThyssenKrupp Elevator in der Region / Bild 3 /. Schwer- punkt war zunächst die Festlegung bestimmter Forschungsreihen und Doktorandenprogramme, die sich in erster Linie mit Fahrtreppen, Fahr- steigen und Fluggastbrücken beschäftigen. Nun sind auch Technologien für Aufzüge hinzugekommen, sodass Innovationen über die gesamte Business Area abgedeckt sind.

Konsequent innovativBis heute sind aus der Kooperation zwischen ThyssenKrupp Elevator und der Universität Oviedo zahlreiche Innovationen hervorgegangen – technische Neuerungen, wie die Optimierung der Kraftübertragung oder das schmierfreie Palettenband / Bild 4 /, die sich aktuell in verschiedenen in Serie befindlichen Produkten von ThyssenKrupp Elevator – darunter der iwalk® (siehe auch ThyssenKrupp techforum, Ausgabe 1/2012) – wiederfinden. Der neuartige Anlagentyp gilt als Meilenstein der Fahrsteigindustrie. Größter Vorteil: Der Platzbedarf wurde im Vergleich zu herkömmlichen Modellen gleich in mehreren

Bilder 1 und 2 / Die Universidad Laboral in Gijón/Spanien bietet den

Ingenieuren von ThyssenKrupp Elevator optimale Arbeitsbedingungen.

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Dimensionen verringert. Das neue Design reduziert die Einbautiefe um mehr als 50 Prozent – so kann die Horizontalvariante des iwalk® direkt auf dem vorhandenen Boden installiert werden. Das senkt den Konstruktionsaufwand für die Installation sowie die Kosten. Gleichzeitig sorgt ein modulares Konzept für eine größere Flexibilität. Durch die Zusammenarbeit mit der Universität Oviedo und dem Einsatz modernster Simulationssoftware ist es gelungen, die mechanischen Komponenten in Bezug auf Langlebigkeit und Lastverhalten zu optimieren. Zwei weitere Patente – „beschleunigte Fahrsteige“ und „Handläufe für variable Geschwindigkeiten“ – unterstreichen den Innovationserfolg der gemeinsamen Zusammenarbeit.

Georgia Institute of Technology (USA)Auch in den USA hat ThyssenKrupp Elevator einen regionalen Zweckverbund initiiert: Seit Januar 2013 besteht die Kooperation mit dem Georgia Institute of Technology in Atlanta/USA – eine der führen- den technischen Hochschulen des Landes mit mehr als 900 Dozenten und über 21.500 Studierenden / Bild 5 /. Initiiert wurde die Zusammen-arbeit im Bereich Innovationsmanagement seitens der Operating Unit Americas (AMS) von ThyssenKrupp Elevator. Durch die Gründung einer gemeinsamen Innovationsmanagement-Gruppe wird ein signifikanter Mehrwert in der Schnittstelle zwischen Forschern in Spitzentechno- logie-Sektoren und dem Unternehmen erreicht. Damit gestaltet sich neuer Raum für zukunftsweisendes Denken und neue Ansätze für verbesserte Produkteigenschaften. Neben der globalen Vernetzung der Universität mit vielen Kontakten zu internationalen Partnerhochschulen war auch das angeschlossene technische Gründerzentrum ausschlaggebend bei der Auswahl eines adäquaten Kooperationspartners. Die rund 340 hier angesiedelten Start-up-Unternehmen erleichtern ThyssenKrupp Elevator den Zugang

zu neuesten Technologien. Doch auch die Arbeitsumgebung stimmt: Das Innovationsmanagement-Büro von ThyssenKrupp Elevator befindet sich in dem Partner-Gebäude der Hochschule. Hier sitzen die Mit- arbeiter Tür an Tür mit 40 verschiedenen Start-up-Firmen und inter- nationalen Industrieunternehmen – ebenfalls ein optimales Umfeld für eine erfolgreiche Innovationskultur. Seit Januar wurden bereits mit zwei Start-up-Unternehmen gemeinsame Entwicklungsvereinbarungen unterschrieben. Diese Übereinkommen ermöglichen es ThyssenKrupp Elevator, Spitzentechnologie zu identifizieren und die Entwicklung neuer Anwendungen und Funktionen voranzutreiben. Beides sind wichtige Voraussetzungen, um die führende Position im US-amerikanischen Markt zu festigen und auszubauen.

Bild 3 / Wissenstransfer in der Praxis bei ThyssenKrupp Norte S.A. in Mieres/Spanien Bild 4 / Ein Ergebnis der Hochschulkooperation in Spanien:

Das schmierfreie Palettenband

Bild 5 / Georgia Institute of Technology in Atlanta/USA

Innovationsfaktor Kooperation – ThyssenKrupp Elevator setzt weltweit auf Hochschulpartnerschaften / 63

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64 / Innovationsfaktor Kooperation – ThyssenKrupp Elevator setzt weltweit auf Hochschulpartnerschaften

Die ersten Ergebnisansätze haben bereits gezeigt, dass die Kooperation zukünftig einen Wertzuwachs in vielen verschiedenen Bereichen des Unternehmens schafft. Das strategische Ziel der Generierung von offenen, kreativen Ideen wird von einem bewusst heterogenen Personal-auswahlkonzept begleitet.

Universität Northampton (Großbritannien)Eine weitere vertraglich geregelte Kooperation besteht seit 2012 mit der School of Science and Technology der Universität Northampton in Zentralengland / Bild 6 /. Das Corporate Department Product/R&D der ThyssenKrupp Elevator AG hatte die Zusammenarbeit mit der Hochschule, die als eine der wenigen Universitäten weltweit spezielle Studiengänge für Aufzugtechnik anbietet, initiiert. Angeboten werden Aufbaustudiengänge für den Master of Science (MSc), den Master of Philosophy (MPhil) sowie der Doctor of Philosophy (PhD), der wissen- schaftliche Doktorgrad und höchste Abschluss des Postgraduierten-studiums. Aufbauend auf bereits bestehenden Beziehungen hat sich so eine Plattform für die Ausweitung langfristiger gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungsvorhaben gebildet. „Wir freuen uns, dass diese prestigeträchtige Partnerschaft geschmiedet wurde“, kommentiert Professor Kamal Bechkoum, geschäftsführender Dekan der School of Science and Technology die Vereinbarung. „In Anbetracht des gegen- wärtigen weltweiten Interesses an der Entwicklung sicherer und kosten- effizienter Beförderungsanlagen für den vertikalen Transport ist dies ein international bedeutendes Programm für die Zusammenarbeit im

Bereich moderner Aufzugtechnik. Die Partnerschaft dokumentiert die Anerkennung der hohen Standards unseres Forschungsprogramms durch ThyssenKrupp. Im Ergebnis werden wir einen beidseitigen Ausbau der Forschungs- und Entwicklungsarbeit erleben, an dessen Ende die Erschaffung neuer und effizienterer Transportsysteme für die höchsten Gebäude der Welt steht.“

Eine lebendige und offene Innovationskultur ist Basis für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg.

Bild 6 / Forschungsschwerpunkt Aufzugtechnik: Die School of Science and Technology –

Universität Northampton/Großbritannien

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Innovationsfaktor Kooperation – ThyssenKrupp Elevator setzt weltweit auf Hochschulpartnerschaften / 65

Den Ausbau der Forschungs- und Ent-wicklungsaktivitäten auf der einen, die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern und Studierenden auf der anderen Seite – die enge Vernetzung von Hochschule und Unternehmen bietet zahlreiche Vorteile und neue Möglichkeiten für beide Seiten. Welche das sind, erklärt Steve Allen (49), Entwicklungsingenieur im Research and Innovation Center von ThyssenKrupp Elevator in Horn Lake (USA) und Masterstudent an der Universität Northampton im Interview:

Herr Allen, Sie studieren derzeit an der Universität Northampton. Können Sie erklären, was solch ein Teilzeitstudium beinhaltet? Welche sind die Hauptthemen/-fächer und wie lange werden Sie in Großbritannien bleiben?

Ich bin derzeit im MSc-Programm Aufzugtechnik an der Universität Northampton eingeschrieben. Der MSc in dieser Fach- richtung konzentriert sich auf technische Themen aus den Bereichen Aufzugkonstruktion, -instandhaltung und Sicherheits-standards; zusätzlich zu wirtschaftlichen und betrieblichen Aspekten der Aufzugindustrie. Das Programm ist als Fernstudium aufgebaut, sodass ein Hochschulabschluss außerhalb des Campus und berufsbegleitend möglich ist. Der Studienablauf basiert auf verschiedenen Studienmodulen, von denen einige zwingend vorgeschrieben sind: Aufzugs- und Anwendungstechnik, Rechtsvorschriften und Normen, Handhabung von Verträgen mit der Bauindustrie sowie eine Dissertation. Es gibt auch Wahl-module, die dem Studierenden eine Spezialisierung auf bestimmte Interessensgebiete erlauben oder die Konzentration auf Studien, die spezifisch für seine beruflichen Anforderungen sind. Im Durchschnitt erfordert der MSc-Abschluss drei Jahre – zwei Jahre für das Absolvieren der Studienmodule und ein Jahr für die auf einer Forschungsarbeit basierende Dissertation.

Wie können Sie dieses Wissen für Ihren zukünftigen Werde- gang nutzen?

Das Hochschulstudium der Aufzugtechnik an der Universität Northampton hat meine Kenntnisse – sowohl in Hinblick auf tech-nische als auch auf wirtschaftliche Aspekte der Aufzugindustrie – stark erweitert. Dieses Wissen hat sich für meine derzeitige Aufgabe als Forschungsingenieur als wertvoll erwiesen und mir für meine berufliche Entwicklung nützliche Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt.

Welche Lehr- und Forschungsmöglichkeiten bietet die Universität Northampton Wissenschaftlern und Studenten der Aufzugtechnik? Was begeistert Sie an diesem Forschungsgebiet?

Die Universität Northampton bietet Studenten der Aufzugtechnik eine Vielzahl von Forschungsmöglichkeiten auf verschiedenen Stufen durch die postgraduierten Programme. Der MSc-Abschluss erfordert eine Dissertation, die auf einer auf die Aufzugindustrie

bezogenen Forschungsstudie basiert. Die Universität bietet auch die Forschungs-Studienabschlüsse MPhil und PhD (Dr.) an, die zusätzliche Möglichkeiten für erweiterte Forschungen bieten. Die Forschungsinhalte decken ein breites für Theorie und Praxis in der Aufzugindustrie relevantes Spektrum ab.

Was genau umfasst ein Studienprogramm im Fach Aufzugtechnik? Wie fach-/praxisbezogen und innovativ ist solch ein Programm?

Das Aufzugtechnik-Programm ist einzigartig, weil in einem fach-bezogenen Studienplan Elemente aus verschiedenen für die Aufzugindustrie relevanten technischen Lehrfächern und Führungs- methoden zusammengefasst sind. Meines Wissens hat die Universität Northampton als einzige Universität der Welt dieses Angebot. Sie bietet eine große Auswahl an Programmen für die Aufzugtechnik sowohl für Studierende als auch für Graduierte. Dieses Fernstudium ermöglicht allen den Zugang zu den Diplom-Programmen und zieht Ingenieure, Berater und Manager aus der ganzen Welt an.

Wie würden Sie eine Zusammenarbeit wie diese zwischen der Universität Northampton und ThyssenKrupp Elevator bewerten und welchen Nutzen ziehen beide Seiten aus dieser Verbindung? Warum benötigt man Ihrer Meinung nach eine derartige Kooperation?

Aus meiner Sicht ist die Zusammenarbeit zwischen ThyssenKrupp Elevator und der Universität Northampton für beide Seiten von Nutzen. Für unser Unternehmen bedeutet diese Kooperation die Möglichkeit einer Partnerschaft mit der führenden Ausbildungs- und Forschungsinstitution auf diesem Gebiet zur Unterstützung von ThyssenKrupp Mitarbeitern bei ihrer weiteren Entwicklung in Forschung und Beruf. Der Universität Northampton bietet die Partnerschaft mit einem der weltweit führenden Aufzugs- anbieter die Möglichkeit zur Forschung in vielen praxisnahen Themenfeldern.

FazitDer technologische Wandel hat sich in den vergangenen zwei Jahr- zehnten stark beschleunigt. Innovations- und Produktlebenszyklen haben sich stark verkürzt, neues Wissen und innovative Technologien sind zur Grundlage von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum geworden. Voraussetzung sind jedoch ein erfolgreicher Transfer von Forschungsansätzen und -ergebnissen sowie ein grenzenloser, ungebremster Wissensaustausch. Hier setzt die interaktive Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen an. Dabei gilt: Je besser die Austauschprozesse zwischen Wirt-schaft und Wissenschaft funktionieren, umso erfolgreicher die Forschungsarbeit. Diesen Umstand haben sich auch die Verant-wortlichen bei ThyssenKrupp Elevator zunutze gemacht und die Prozesse Innovation und Wertschöpfung durch verschiedene Kooperationsabkommen intensiviert. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Entwicklung, der Netzwerkbildung aber auch der Aus- und Weiterbildung sowie der Vermittlung von Praktika und Abschlussarbeiten wird für beide Seiten ein erstklassiger Interessenausgleich erreicht.

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Six Sigma und Lean im Rahmen der Operational ExcellenceAktivitäten bei ThyssenKruppDIPL.-ING. PETER KRECHEL Master Black Belt, Koordination Six Sigma/Lean ThyssenKrupp AG Essen

B.ENG. mARCIO R. TASSONI Six Sigma Black Belt ThyssenKrupp metalúrgica Campo Limpo Ltda. Campo Limpo/Brasilien

SIByLLE DEGENHARDT Referentin Prozessverbesserungen, Qualifizierung E-Learning ThyssenKrupp Schulte GmbH Essen

DIPL.-KFm. THORSTEN ZAuBER Leiter Materialversorgung im Bereich Einkauf u. Logistik ThyssenKrupp Steel Europe AG Duisburg

66 /

Schmieden einer Kurbelwelle

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Six Sigma und Lean im Rahmen der Operational Excellence Aktivitäten bei ThyssenKrupp / 67

Operational Excellence bei ThyssenKruppFür ein kundenorientiertes Produktions- und Dienstleistungs-unternehmen wie ThyssenKrupp ist es selbstverständlich, Produkte und Prozesse kontinuierlich und nachhaltig zu verbessern. Zum einen sichert ständige Verbesserung, dass der Kunde sich auf die Erfüllung der zugesicherten Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung verlassen kann – zum anderen ermöglicht sie auch, wett-bewerbsfähige Preise und Leistungen anzubieten. Die zum ThyssenKrupp Konzern gehörenden Unternehmen nutzen eine Vielzahl bewährter und leistungsfähiger Werkzeuge und Methoden aus dem Bereich der Operational Excellence. Die Operational Excellence Aktivitäten im Konzern tragen signifikant zum Erfolg des konzernweiten impact-Programmes bei, mit dem ThyssenKrupp seinen strate-gischen Veränderungsprozess begleitet und umsetzt. Das Programm wird auf Konzernebene vorangetrieben und über impact-Koordinatoren in den Business Areas bis auf das einzelne Konzernunternehmen herunter gebrochen. Für besondere Leistungen im Rahmen von impact werden alljährlich die impact Awards in Verbindung mit dem ThyssenKrupp Innovationspreis vergeben und die konzern-weite Black Belt Zertifizierung durchgeführt.

methoden und Werkzeuge von Operational ExcellenceAnalog zu den diversifizierten Unternehmensteilen des Industriekonzerns ist auch die Methodenlandschaft zur ständigen Verbesserung vielfältig. So haben sich von aus- geprägten 6S-Programmen in den Handels- und Dienst-leistungsbereichen der Business Area Materials Services bis hin zu umfassenden Produktionssystemen – mit bewährten Methoden, wie z.B. Six Sigma, Total Productive Maintenance (TPM), Flow/Just-in-Time (JIT) bei den Automobilzulieferern der Business Area Components Technology – verschiedene Systeme etabliert, die alle eines zum Ziel haben: Kunden-anforderungen sicher, zuverlässig und effizient zu erfüllen / Bild 1 /.

ThyssenKrupp stellt seine Prozesse und Produkte kontinuierlich auf den Prüfstand. Basis hierfür sind neben qualifizierten und motivierten Mitarbeitern häufig Vorgehen und Werk-zeuge aus dem Bereich Operational Excellence, die in der Toolbox Operational Excellence zusammengefasst sind. Anhand mehrerer Beispiele wird der Einsatz der Tools in Adminis- tration, Produktion und Logistik gezeigt.

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68 / Six Sigma und Lean im Rahmen der Operational Excellence Aktivitäten bei ThyssenKrupp

im Vordergrund. Das analytische Verarbeiten der Kunden- anforderungen bietet für die ThyssenKrupp Unternehmen die Chance, Produkte und Dienstleistungen noch wett-bewerbsfähiger und passgenauer auf die Bedürfnisse der Kunden zuzuschneiden. Aus diesem Grund wurden mehrere Leuchtturmprojekte gestartet, bei denen die Werk- zeuge aus dem Design for Six Sigma/Lean (DFSS) Baukasten genutzt werden. Die Rückmeldungen aus den Projekten sind durchweg positiv. Konzernunternehmen mit sehr detaillierten Entwicklungsprozessen haben ausgewählte DFSS-Werkzeuge ergänzt und so ihre Aktivitäten noch stärker fokussiert. Andere Unternehmen mit einem weniger vereinheitlichten Entwicklungsprozess profitieren nicht allein von den Werkzeugen, sondern auch vom strukturierten, sehr stringenten Vorgehen an Hand der fünf DFSS-Phasen Define, Measure, Analyze, Design und Verify. Auf diese Weise werden nicht nur die Kundenanforderungen messbar, nachvollziehbar und transparent in Produkte und Prozesse hinein entwickelt, sondern auch eine gute Basis zur Steue-rung und kontinuierlichen Verbesserung der Prozesse, wie z.B. bei einer Adaption an neue oder veränderte Kunden-anforderungen, geschaffen.

Toolbox Operational ExcellenceIn intensiver Zusammenarbeit mit Experten aus verschie-denen Konzernunternehmen der Business Areas wurde eine gemeinschaftliche Toolbox erarbeitet, die die bei ThyssenKrupp genutzten Methoden miteinander verbindet und für den Konzern standardisiert zur Verfügung stellt

Verbesserung bestehender Prozesse – Six Sigma/Lean Zur universellen Problemlösung werden neben den spezi-fischen Verfahren verschiedene strukturierte Methoden an- gewendet, die vorhandene Handlungsfelder analysieren, Kernursachen der Probleme nachweisen und so gezielte und nachhaltige Verbesserung ermöglichen. Zur Verbesserung bestehender Prozesse im Projektrahmen nutzt ThyssenKrupp eine Kombination aus Lean und Six Sigma – eine Methode, die in allen Business Areas zur Prozessoptimierung ange- wendet wird. Durch die Kombination der zugehörigen Tools entsteht ein Werkzeugkoffer zur Prozessoptimierung aus dem – basierend auf dem strukturierten, 5-phasigen DMAIC Vorgehen (Define, Measure, Analyze, Improve, Control) und der daraus entstehenden Roadmap – situationsbezogen die richtigen Werkzeuge genutzt werden können. Alle gängigen Methoden und Werkzeuge sind im „Werkzeugkoffer“ ent- halten und stehen zur Verfügung. Um die richtigen Tools auszuwählen, werden die Projektleiter durch ein Set von Leitfragen unterstützt, das sie mit der standardisierten Projektdokumentation an die Hand bekommen. Auf diese Weise wird der Einsatz verpflichtender Werkzeuge vermie-den und ein zielorientiertes Vorgehen auf die Leitfragen ausgerichtet unterstützt.

Entwicklung neuer Prozesse / Produkte –Design for Six Sigma/LeanAuch bei der Entwicklung neuer Prozesse und Produkte stehen die Anforderungen der externen und internen Kunden

Bild 1 / Inhalte des 6S-Programmes der Business Area Materials Services / Produktionssystem Presta Steering

KaizenTeamarbeitAufgaben &Qualifikation

LeanAutomation

Just in TimeProduktion

TOPArbeitsplatz

Null Fehler

visuellesmanage-

ment

Aktive Führung

Design for manu- facturing

Supply Chain

manage-ment

Handeln

Planen

Aktionen

Checken

Sicherheit

Ablieferung

QualitätKosten

Selbst

disz

iplin

Simplifizieren

Stan

dard

isier

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Saube

rkeit

Sortie

ren

Sicher

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Six Sigma und Lean im Rahmen der Operational Excellence Aktivitäten bei ThyssenKrupp / 69

beitende Aufgabenstellung kommt, sehr komplex oder das zu erwartende Projekt zu umfangreich, werden sog. ‘Scoping’ Projekte eingesetzt, die das Thema auf mehrere, mit- einander verbundene und abgestimmte Projekte zuschnei-den und so eine transparente, gut koordinierbare Projekt-landschaft erzeugen.

Beispielprojekte (DMAIC)ThyssenKrupp Metalúrgica Campo Limpo in Brasilien pro- duziert für zwei wichtige Kunden auf einer der Bearbei-tungslinien für Heavy Duty Pleuelstangen über 744.000 Einheiten pro Jahr. Durch wachsende Kundenbedarfe war es erforderlich, die Ausbringungsmenge deutlich zu steigern. Aus diesem Grund wurde 2011/12 ein Projekt mit dem Ziel initiiert, die Taktzeit von 0,50 auf 0,42 min/Stck. zu reduzieren. Wesentliche Herausforderung war der gleich- zeitige Produktivitätszuwachs parallel zur Reduzierung von Lohnkosten. Man entschied, aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung Six Sigma (DMAIC) als Methodenset zu nutzen, nicht nur, weil auf diese Weise leistungsfähige, bewährte Werkzeuge zur Verfügung standen, sondern auch ein transparenter „Roter Faden“ eine gute Einbindung der motivierten Teammitglieder sicherstellen sollte. Zunächst wurden Lieferanten, Eingangs-/Ausgangs-größen, Prozess und Kunden identifiziert und die Prozess-grenzen innerhalb der Supply Chain festgelegt. Mit einer Wertstromanalyse und einer ‘Six Sigma Process Map’ wurden verschiedene Verbesserungspotenziale aufgezeigt und durch statistische Analysen abgesichert.

/ Bild 2 /. Die Toolbox stützt sich auf 50 Werkzeuge, die in sechs Methoden miteinander kombiniert werden. Jede Methode und jedes Werkzeug ist standardisiert abgebildet und wird den Mitarbeitern von ThyssenKrupp über das ‘worknet’, das Intranet des Konzerns, bereitgestellt. Im Gegensatz zu vielen anderen Toolboxen beginnt die ThyssenKrupp Lösung nicht erst bei der Projektdurch- führung, sondern enthält bereits generische und struktu- rierte Verfahren, um Projektideen zu entwickeln und an-schließend auszuwählen.

verbesserungsprojekte Six Sigma/Lean (DmAIC)

Breites ProjektportfolioAls diversifizierter Industriekonzern mit hoher Werkstoff- kompetenz erbringt ThyssenKrupp für seine Kunden eine große Bandbreite an Leistungen – vom Engineering und Projektmanagement beim Bau von Großanlagen, über die Entwicklung und Fertigung von Marineschiffen, die Auto- mobilzulieferung, die Konstruktion /Fertigung / Installation / Instandhaltung von Aufzügen und Fahrtreppen sowie damit verwandten Produkten bis hin zu Stahlerzeugung, Materialhandel sowie damit verbundenen Dienstleistungen. Jede dieser Leistungen basiert auf leistungsfähigen, extern und intern vernetzten Prozessen mit vielfältigen Kundenanforderungen. Diese Prozesse bilden eine perfekte Ausgangsposition für die Anwendung der Operational Excellence Methoden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Produktions-, Administrations- oder Dienstleistungs- prozesse handelt. Ist der Bereich, aus dem die zu bear-

Bild 2 / Ansatz der Toolbox Operational Excellence (TOPEX)

Exzellente Prozesse im FokusMethoden und Werkzeuge der Toolbox unterstützen bei Aufbau, Umsetzung und ständiger Verbesserung von Prozessen

Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit im Fokus der Aktivitäten von ThyssenKrupp

Prozess-Exzellenz

- Kundenanforderungen* identifizieren und verstehen

- Prozesse auf den Kunden ausrichten und gezielt steuern

- Effektive und effiziente Prozesse

sicher stellen

Ständige verbesserung

- Prozesse ständig überprüfen und verbessern

- Operative Prozesse

- Administrative Prozesse

Toolbox OperationalExcellence

* Im Sinne des Excellence Gedankens sind damit sowohl interne als auch externe Kunden gemeint.

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70 / Six Sigma und Lean im Rahmen der Operational Excellence Aktivitäten bei ThyssenKrupp

Qualifikationsprogramm basierend auf dem ausgeprägten, internen Wissen des Unternehmens unter Verbesserung der organisatorischen Prozesse aufzubauen. Die Projektleiterin analysierte die standortübergreifenden Abläufe und ent-wickelte gemeinsam mit ihrem crossfunktionalen Team eine ThyssenKrupp Schulte übergreifende Prozesslösung von „A“ – wie Anmeldung – bis „Z“ – wie Zertifikat. Zertifizierte Trainings der Vertriebsmitarbeiter, transparente Kennzahlen und Zielwerte sowie ein einheitlicher Prozess zur zentra-len und lokalen Steuerung der Ausbildung sichern den Kunden eine qualifizierte, zuverlässige Beratung – jetzt und in Zukunft.

Entwicklungsprojekte (Design for Six Sigma/Lean)

Erste AnsätzeDie Operational Excellence Verfahren werden auch zur Ver-besserung konzerninterner Prozesse und Leistungen einge-setzt. Der Projektleiter des Projektes „Lean Warehousing“, ausgezeichnet mit einem Six Sigma Black Belt, erkannte, dass eine reine Verbesserung des bestehenden 24 h / 7 Tage Ersatzteilversorgungsprozesses eines großen Werkes nicht ausreichte, sondern ein vollständiges Neudesign der Versorgungsprozesse in seinem Bereich inklusive einer neuen Logistikhalle als Herz der Ersatzteillogistik erforderlich war. Um den neuen Prozess in die bestehende Prozess-landschaft optimal einzupassen, wurde Design for Six Sigma ausgewählt. Kennzeichen der Methode ist – ganz im Sinne des Requirements Management – die Erfassung der Anfor-derungen aller am Prozess Beteiligten, sie zu priorisie-ren, messbar zu machen und anschließend im Grob- und Feinkonzept der Neuentwicklung zu detaillieren und anschließend umzusetzen.

Im Zuge der anstehenden Implementierung wurde mit Hilfe einer Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) das Zusammenspiel der verschiedenen Fertigungsstufen innerhalb des Prozesses untersucht und die erforderlichen Kernmaßnahmen priorisiert, um einen neuen, schlanken Prozess zu erzielen. Die Einbindung bislang nicht genutzter Maschinen im Zusammenspiel mit optimierten Maschinen- einstellungen und -parametern auf Basis von DoE (Design of Experiments – Statistische Versuchsplanung) brachte schließlich den Durchbruch. Die Projektmitglieder meister-ten die Herausforderung, die geforderte Prozessstabilität und -fähigkeit im Zusammenspiel der verschiedenen Ferti-gungsstufen zu erreichen. Auch hierzu konnten die Six Sigma Werkzeuge beitragen. Projektergebnisse: Die Taktzeit konnte – wie geplant – auf 0,42 min/Stck. reduziert werden. Durch weitere Ver- besserungspotenziale im Prozess wurden darüber hinaus erhebliche Einsparungen realisiert. Das Projekt erreichte nicht nur den dritten Platz beim ThyssenKrupp impact Award 2012, sondern wurde darüber hinaus auch vom Kunden aufgrund der herausragenden Ergebnisse prämiert. Um die Erkenntnisse aus dem Projekt zeitnah zu nutzen, wurde bereits im Projektverlauf ein Folgeprojekt definiert, das aktuell in Bearbeitung ist. Die Umsetzung ist für das Geschäftsjahr 2012/13 geplant. Ebenfalls erfolgreich umgesetzt wurde ein admini-stratives Projekt, das bei ThyssenKrupp Schulte dem führenden Werkstoffdienstleister für Stahl, Edelstahl und Nichteisenmetalle in Deutschland stattfand. Die Geschäfts-führung entschloss sich, ein Six Sigma Projekt anzusto-ßen, um den Wettbewerbsvorteil hinsichtlich qualifizierter Beratung und spartenübergreifenden Verkaufes aufrecht zu erhalten. Ziel war es, ein transparentes, flächendeckendes

Begeisterungsfaktor, z.B.

- Ankündigung Großteil per Avis

- Komplexe Teile nur mit

Handling-Anweisung

Leistungsfaktor, z.B.

- Einhaltung Zeitfenster

- 100 % vollständiger SAP

Stammdatensatz

Basisfaktoren, z.B.

- Arbeitssicherheit

- Ergonomie

- Vollständigkeit / Unversehrtheit

Erfüllungsgrad Anforderungen

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Bild 3 / Kundenanforderungen Ersatzteilprozess im ‘Kano-Modell’

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halb kürzester Zeit seine Ersatzteile zur Verfügung gestellt bekommt, sondern setzt neue Maßstäbe bezüglich Effizienz und Arbeitssicherheit / Bild 4 /.

AusblickLeistungsfähige, kundenorientierte sowie innovative Prozesse und Produkte sind Basis für den Geschäftserfolg von ThyssenKrupp. Basierend auf den Erfahrungen mit der Toolbox Operational Excellence befindet sich auch eine Innovation Toolbox im Aufbau, die konzernintern das Know-how zur Generierung von Ideen für neue innovative Prozesse und Produkte zur Verfügung stellen wird. DFSS- Tools bilden neben einer Vielzahl weiterer Werkzeuge die Basis dieser Toolbox.

Der Black Belt und sein Team nahmen weit über 20 ver- schiedene Kundenanforderungen auf – von der Produktion über den Einkauf, weitere technische Abteilungen bis hin zum Controlling. Anschließend wurden die Anforde- rungen hierarchisch gegliedert, bevor sie mittels des sog. ‘Kano-Modelles’ in unerlässliche Basisfaktoren und Leistungs- bzw. Begeisterungsfaktoren unterschieden und mit Zielwerten sowie Toleranzen messbar hinterlegt wurden / Bild 3 /. In der darauf folgenden Konzeptionierung wurden alter-native Groblösungen entwickelt und unter Nutzung von Lean Werkzeugen, wie ‘Poka Yoke’, ‘6S’ und Instandhaltungs-prinzipien aus dem Bereich Total Productive Maintenance (TPM) zu einer leistungsfähigen Lösung ausdetailliert. Der neu entstandene Prozess berücksichtigt nicht nur die Anforderungen des Produktionsbereiches, der inner-

Bild 4 / Planung des Reserveteilzentrums Lettebecken (in Duisburg-Schwelgern)

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Virtuelle Realität, eine zukunftsweisende Technik

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Engineering Tools als eine Basis für Industrie 4.0DR.-ING. DIRK ZIESING Abteilungsreferent Corporate Center Technology, Innovation & Quality ThyssenKrupp AG Essen

DIPL.-ING. NIKLAS HOCHSTEIN Referent Corporate Center Technology, Innovation & Quality ThyssenKrupp AG Essen

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Industrie 4.0Die Industrienationen – und ganz speziell Deutschland – stehen momentan an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Rückblickend fand die erste Revolution im 18. und frühen 19. Jahrhundert durch die Mechanisierung der bis dahin ausgeübten handwerklichen Tätigkeiten statt. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die von James Watt weiterentwickelte und 1769 zum Patent angemeldete Dampfmaschine. 1803 stellte Franz Dinnendahl in Essen seine erste Dampfmaschine her. Dieses Ereignis mag als gutes Omen dafür dienen, dass vom gleichen Ort aus ThyssenKrupp einen vergleichbaren Anteil am bevorste-henden Umbruch der industriellen Welt hat. Die zweite industrielle Revolution erfolgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Einführung der Serienproduktion am Fließband. Henry Ford, Pionier der Automobilindustrie, konnte damit im Jahr 1914 den Preis seines T-Modelles von 850 auf 370 Dollar verringern. Als dritten revolutionären Wandel bezeichnet man die ab ca. 1970 auf breiter Front einsetzende Automatisierung der Fertigungsanlagen unter Einsatz programmierbarer Steuerungen und Verwendung von Industrierobotern. Der erste, auf einem US-Patent von 1954 basierende, pro-grammierbare Manipulator versah ab 1961 bei General Motors seinen Dienst beim Handling von Spritzgussteilen.Nun revolutioniert Industrie 4.0 die Produktion erneut grundlegend. Die Stärke liegt nicht mehr in möglichst hohen Losgrößen stereotyper Produkte sondern viel-mehr in der Flexibilität, weitestgehender Automatisierung und der Kommunikation der Produktkomponenten mit den Produktionsanlagen und der beteiligten autonomen

Fertigungs-, Lager- und Versorgungssysteme untereinan-der. Diese Kommunikation wird nicht mehr an spezifische Protokolle und Bussysteme gebunden sein, sondern draht-los über das Internet der Dinge und Dienste erfolgen. Nicht nur im Bereich der Produktion, sondern auch auf der Seite der Produktentwicklung führt die vierte industrielle Revolution weg vom klassischen Produkt, das weitgehend durch seine mechanischen Eigenschaften defi-niert wurde, hin zu so genannten ‘Cyber Physical Systems’ (CPS), in denen die durch Elektronik und Software definierten Funktionen deutlich ausgeprägt sind. Elektronik treibt heute schon rund 80 Prozent aller Innovationen an, wobei die Elektronik selbst zu etwa 90 Prozent durch Softwarefunktionen bestimmt wird. Produkte werden intel-ligent. Innovative Aufzugsteuerungen von ThyssenKrupp Elevator Technology oder adaptive Fahrwerkskomponenten von ThyssenKrupp Chassis sind hervorragende Beispiele für diese Entwicklung. Der Industriestandort Deutschland steht insgesamt vor besonderen Herausforderungen, um seine Führungsposition in der Automatisierungstechnik sowie dem Maschinen- und Produktionsanlagenbau zu erhalten und zu stärken, und zwar unter den besonderen Gesichtspunkten der internatio-nalen Wettbewerbsfähigkeit, der Ressourcen- und Energie-effizienz und gesellschaftlicher Randbedingungen.

Engineering ToolsThyssenKrupp befindet sich in einer Phase des Um- und Aufbruches. Viele Ansätze, Initiativen und Projekte liefern die Basis für ein engeres WIR-Gefühl, das sich durch- aus auch bei den Engineering Tools ausdrücken kann. Unter dem Begriff Engineering Tools lassen sich alle software-technischen Hilfsmittel zusammenfassen, mit deren Hilfe Techniker und Ingenieure ihre Ideen und ihre Erfahrung in die Entwicklung der Produkte und Produk-tionsverfahren einfließen lassen. Die rund 16.000 konzern- weit bei ThyssenKrupp tätigen Ingenieure interagieren etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit computergestützten kom-plexen Werkzeugen. Die Zeiten, in denen diese kreativen Köpfe an Zeichen-brettern standen und mit Rechenschiebern hantierten, sind längst Vergangenheit. Heute ist der PC das Arbeitsmittel des Ingenieurs, ausgerüstet mit Software-Systemen, die alle technischen Tätigkeitsbereiche zielgerichtet unterstützen. Einerseits hoch spezialisiert, andererseits multifunktional und multiphysikalisch, bringen diese Engineering Tools eine besondere Komplexität mit sich. Die CA-Techniken (Computer Aided) lassen sich dabei im Hinblick auf ihre Anwendungs-gebiete entsprechend kategorisieren. An erster Stelle steht Computer Aided Design, dessen Abkürzung CAD inzwischen schon Eingang in den allge-meinen Sprachgebrauch gefunden hat. Bei einem diversi-fizierten Technologiekonzern treten allerdings CAD-Systeme in verschiedenen Spielarten auf. So bietet ein parametrisch aufgebautes 3D-System einen Leistungsumfang, der den Entwicklungsaufgaben einer Business Area Component Technologies gerecht wird. Bereiche des Anlagen- oder

Engineering Tools als eine Basis für Industrie 4.0 / 73

Industrie 4.0 – die vierte industrielle Revolution – ist ein

in der Fachpresse viel diskutiertes Thema. ThyssenKrupp

steht dabei vor einer Reihe von Herausforderungen. Die

Beherrschung wachsender Produktanteile aus Elektronik-

undSoftware-Komponentenunddesimmerstrafferorga-

nisierten und hoch-integrierten Entwicklungsprozesses

sowiedienahtloseundhoch-flexibleFertigungsanbindung

sind Schlüsselkompetenzen, die den Konzern in die Zukunft

führen. Reales und virtuelles Produkt verschmelzen zu-

sehends. Im Engineering eingesetzte Software Tools und

deren nahtlose Verknüpfung spielen dabei eine zentrale

Rolle als Infrastruktur für das Produktwissen.

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ThyssenKrupp techforum 1 I 2013

74 / Engineering Tools als eine Basis für Industrie 4.0

Schiffbaus verlangen dagegen nach anderen maßge-schneiderten CAD-Lösungen. Allen gemeinsam ist jedoch die Kreation eines virtuellen Modelles des zukünftigen Produktes. Dieses Modell kann im weiteren Verlauf der Entwicklung und Absicherung zielgerichteten Computer-Simulationen unterzogen werden. Die Finite-Elemente-Methode (FEM) versetzt auf der Basis der heute verfügbaren Anwendungs-Software und Hardware-Kapazitäten die Entwicklungs- teams in die Lage, vielfältige mechanische, thermische, akustische und/oder elektromagnetische Beanspruchungen zu simulieren, und dies nicht nur auf Komponentenbasis sondern auch für komplette Baugruppen bis hin zur Einbe-ziehung aller maßgeblichen umgebenden Anlagenbereiche. Im Bereich der flüssigen, gasförmigen und partikel-behafteten Medien wird das Simulationsspektrum durch Tools des Computational Fluid Designs (CFD) ergänzt. Zu- nehmende Bedeutung gewinnt daneben auch die Diskrete- Elemente-Methode (DEM) / Bild 1 / bei speziellen Schütt- gutanwendungen von ThyssenKrupp Resource Technologies, aber auch der Stahlwerksprozesse. CAM (Computer Aided Manufacturing), CAP (Computer Aided Planning), CIM (Computer Integrated Manufacturing) und CAQ (Computer Aided Quality Assurance) vervoll-ständigen den großen Katalog der Engineering Tools, um allen Phasen des Produktentstehungsprozesses gerecht zu werden.

Product Lifecycle Management (PLM)Damit ein in der Entstehung befindliches Produkt - welcher Art auch immer - den nächsten zu seiner Vervollkommnung notwendigen Prozessschritt vorhersagen kann, und die Produktionsanlage die entsprechenden Weichen dafür stellt, müssen die entsprechenden Informationen, Daten und Modelle bereitgestellt werden. Das Ganze mündet in das Product Lifecycle Management, dem als Basis ein interdis-

ziplinäres Produktdatenmanagement dient, das in den ein- zelnen Disziplinen von unterschiedlichen Engineering Tools gespeist wird. PLM bezeichnet das ganzheitliche und zielgerichtete Management von Produktinformationen von der Idee bis hin zum Recycling. Für den vollständigen und gesicherten Infor- mationsfluss ist eine Vernetzung der Engineering-Systeme extrem wichtig. Vor dem Hintergrund des Themas Industrie 4.0 werden diese Anforderungen nochmals gesteigert. Tagtäglich stellt sich in den beteiligten Unternehmen die Frage, wie zunehmend anwachsende Konstruktionsmodelle sicher und automatisiert zwischen Auftraggebern, Herstellern und Zulieferern ausgetauscht werden können. Erschwe- rend kann hinzukommen, dass dabei eine Datenkonver-tierung erforderlich wird, um die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Systemen zu ermöglichen / Bild 2 /.

Bild 1 / DEM-Simulation bei ThyssenKrupp Resource Technologies

Bild 2 / Insellösungen behindern den Informationsfluss (Quelle: CPO, ProSTEP iViP e.V.)

Hersteller A Zulieferer B Hersteller B

Stückliste

Produktdaten-Management

Lokales Daten-Management

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CAETDm

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CAD

StüLi StüLi

PDm

PDm 1 PDm 2StüLi

PDm2

PDm1

CADTDm 2

CAxCADTDm 1

CAD2

CAD1

CAE1

CAD

CAxTDm

PDm PDM beinhaltet TDM Funktionen

CADTDm

CAD Computer Aided Design

CAE Computer Aided Engineering

TDm Tool Data Management

Systeme von IT-Herstellern

oder Eigenentwicklungen

Page 75: tech ThyssenKrupp forum · PDF fileTitelbild Seit mehr als 50 Jahren errichtet ThyssenKrupp Uhde nunmehr Chlor-Alkali-Elektrolyse-Anlagen für die chemische Industrie. Bei der

Bild 3 / ThyssenKrupp Forging Group: Von der virtuellen zur realen Kurbelwelle

Engineering Tools als eine Basis für Industrie 4.0 / 75

deutige Objektgeometrien definiert, werden in eine maschinennahe Sprache übersetzt und direkt an die Fertigungsanlage übergeben. Dies kann zum Beispiel ein kombiniertes Bohr-Fräs-Zentrum sein, in dem mittels spanabhebender Technik komplexe Bauteile vollautoma-tisch realisiert werden können. Diese klassische Disziplin der computergestützten Produktion wird ständig weiter verfeinert, sodass die Interpretation der Geometriedaten in eine möglichst effektive Werkzeugauswahl und optimale Werkzeugbahnen mündet. Im Hinblick auf Industrie 4.0 wird das hohe Potenzial dieses Teilgebietes der Engineering Tools deutlich: Je intensiver das virtuelle Produkt, das reale Produkt und die Fertigungsmaschinen miteinander kommunizieren, desto flexibler und effizienter können die ineinandergreifenden Prozesse ausgestaltet werden. Eine durchgängige Verwendung der Geometriedaten findet bereits bei der ThyssenKrupp Forging Group statt. Dort gehen die Konturen des fertigen Endproduktes Kurbelwelle in die komplette Prozesskette ein, um das zu schmiedende Rohteil entsprechend zu interpretieren, die Gesenke hinsichtlich Standzeit und Qualität optimal auszulegen und die Bearbeitungsmaschinen zu steuern / Bild 3 /.

Dieser Komplexität kann nur durch eine engere Zusammen-arbeit von IT-Vendoren und Industriekunden begegnet werden. Vor diesem Hintergrund ist ThyssenKrupp gemein-sam mit mehr als vierzig Unternehmen der Initiative ‘Codex of PLM Openness’ (CPO) beigetreten und engagiert sich im Kernteam bei der Weiterentwicklung des Dokumentes. Das erklärte Ziel ist die Förderung des ungehin-derten – aber dennoch sicheren – Informationsflusses zwischen den Systemen. Standardisierte Schnittstellen, Austauschbarkeit einzelner System-Komponenten sowie die Möglichkeit, verschiedene Systeme zu einer integrierten Systemlandschaft aus Konstruktions-, Simulations- und Verwaltungssystemen zusammenzuschließen, sind hierbei die wichtigsten Ziele. Als Ergebnis dieser Zusammenarbeit werden strukturierte, wirtschaftliche und effiziente Systemlandschaften erwartet, mit deren Hilfe sich die Innovationszyklen verkürzen und die Entwicklungskosten reduzieren lassen.

CA-Voraussetzungen für Industrie 4.0Die Verbindung zwischen Computer Aided Design und Manufacturing ist ein wesentlicher Schritt zur direkten Anbindung des Engineerings an die Produktionsumgebung. Die Daten der Modelle, mit denen der Konstrukteur ein-

ThyssenKrupp techforum 1 I 2013

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Bild 4 / ThyssenKrupp Marine Systems: Interaktion mit einer Virtual Reality Power Wall

76 / Engineering Tools als eine Basis für Industrie 4.0

Virtual und Augmented RealityUnter der virtuellen oder auch der erweiterten Realität ver-steht man die immersive Darstellung von Geometriedaten mittels Technologien zur 3D-Visualisierung. Der Betrachter kann also in eine virtuelle Welt eintauchen und mit den Bauteilen sowie Baugruppen interagieren / Bild 4 /. Bei der erweiterten Technologie wird die reale Umgebung mit Bildern virtueller Objekte überlagert / Bild 5 /. Virtual Reality ist seit einiger Zeit bei ThyssenKrupp Marine Systems Bestandteil einer rechnerbasierten Trainings- plattform für Schiffsbesatzungen. Software-Anwendungen aus der Produktentwicklung werden hier mit Technologien aus dem Bereich der Game Engines verschmolzen und machen so die virtuelle Welt unmittelbar erfahrbar für den Endkunden / Bild 6 /. Parallel dazu liegt Augmented Reality auch im Fokus des Engineerings im Geschäftsbereich der Howaldtswerke Deutsche Werft. Zur Ablösung individuell angefertigter Kunststoffmodelle in der Uboot-Fertigung wird hier auf virtuelle Szenarien gesetzt, die über einen Tablet-Computer mit dem realen Baufortschritt im Inneren des

Bild 5 / ThyssenKrupp Marine Systems: Überlagerung

einer Testgeometrie mit virtuellen Daten

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Engineering Tools als eine Basis für Industrie 4.0 / 77

Ein weiterer Benefit entsteht durch ebenso frühzeitig mit- laufende Maßnahmen des Product Costings. Bereits bei der CAD-Konstruktion einzelner Bauteile kann dem Bearbeiter vor Augen geführt werden, welche monetären Auswir-kungen zum Beispiel eine soeben angelegte Bohr- oder Fräsoperation oder auch die Werkstoffauswahl in Bezug auf Produktionsstandort, Fertigungsart und Stückzahl zur Folge hätte. Kostentransparenz und Planungssicherheit sind so gewährleistet.

FazitDas intensivierte Zusammenspiel der angesprochenen Disziplinen und der damit einhergehende effiziente und strukturierte Informationsfluss über Menschen, Anlagen und Maschinen ist eine große Herausforderung, der sich ThyssenKrupp insgesamt stellen wird. Das Ergebnis ist ein mächtiges Werkzeug zur Umsetzung aller Anforderungen des Zeitalters der Industrie 4.0.

Bootes kombiniert werden. Speziell bei aufwendig anzu-passenden Rohrleitungen können so zukünftig erhebliche Zeitgewinne realisiert werden / Bild 7 /. Doch wie gelingt eine derartige Überlagerung der Realität mit der Fiktion? Zur Erfassung der aktuell vor-handenen Umwelttopologie kommt immer häufiger das 3D-Laserscan-Verfahren zum Einsatz. Dabei wird durch das Abtasten mit einem Laserstrahl eine farbechte, drei-dimensionale Abbildung aus Millionen einzelner Punkte erzeugt. Durch die Kombination mehrerer Aufnahmen aus unterschiedlichen Perspektiven entsteht eine Punkt-wolke, die mit entsprechenden Tools in ein CAD-Modell zu überführen ist. Der rechnerinterne Abgleich geometrischer Gemeinsamkeiten zwischen dem Aufmaß und den separat konstruierten Bauteilen ermöglicht sodann eine präzise Überlagerung und Visualisierung.

Product CostingDurch den Einsatz von Engineering Tools und die schon in einer frühen Phase des Entwicklungsprozesses einsetzende Virtualisierung lassen sich direkte Kosteneinsparungen erzielen und Risiken minimieren. Diese als ‘Frontloading’ bezeichnete Methode macht unter anderem frühzeitig Konstruktionsfehler deutlich, die dann mit deutlich gerin-gerem Aufwand behoben werden können, als es in einem fortgeschrittenen Stadium der Fall wäre. Das Worst-Case-Szenario wäre schließlich eine Rückrufaktion nach erfolgter Auslieferung der Produkte an die Endkunden.

Bild 6 / ThyssenKrupp Marine Systems: Virtuelles Trainingsszenario in einem Uboot Bild 7 / ThyssenKrupp Marine Systems: Augmented Reality

beim Routing von Rohrleitungen

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