BLAUES GOLD AUS SACHSEN - all-electronics.de · Herr Zijlstra, Ihre neue Fabrik ist auf Wachstum...

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BLAUES GOLD AUS SACHSEN Arise Technologies hat moderne Solarzellenfertigung in Betrieb genommen Wertschöpfung wurde in und um Dresden seit jeher groß geschrieben: Anfang des 18. Jahrhunderts entdeckte ein Alchimist beim „Goldmachen“ das Porzellan. Heute steht Silizium im Fokus: Mitte des Jahres hat Arise in Bischofswerda die zweite Linie einer hochmodernen Solarzellenfertigung in Betrieb genommen. Für Automatisierung und Me- dienversorgung zeichnete Actemium Controlmatic verantwortlich. Autor Armin Scheuermann, Redaktion B ei der Fertigung von Solarzellen zählt vor allem eines: der Wir- kungsgrad. Beim Zellenhersteller Arise im sächsischen Bischofswerda dreht sich alles darum, die beiden kon- tinuierlichen Fertigungslinien – eine für polykristalline Wafer (40 MW p.a.), eine für monokristallines Basismaterial (45 MW p.a.) – auf Lichtausbeute zu trimmen. „Im Januar haben wir bei unse- ren polykristallinen Zellen auf Linie 1 noch einen Mindestwirkungsgrad von 15,0 % erreicht. Sechs Monate später waren wir bereits bei 15,6 %“, verdeut- licht Sjouke Zijlstra, Geschäftsführer von Arise Technology Deutschland, die Ent- wicklung. Zijlstra: „Die Nachfrage nach Qualität nimmt deutlich zu.“ Um diese zu befriedigen, hat das kana- dische Unternehmen im Frühjahr eine zweite Linie für die Fertigung von mono- kristallinen Solarzellen installiert. Ge- genüber polykristallinen Zellen zeichnet sich das aus einem Kristall gesägte Mate- rial durch einen höheren Wirkungsgrad aus. Die hauchdünnen Siliziumwafer werden dabei in einem chemieintensiven kontinuierlichen Prozess veredelt: Zu- nächst werden dazu die Wafer von allen Seiten angeätzt und gereinigt um den oberflächennahen Bereich zu entfernen, der durch das Schneiden des Siliziums „geschädigt“ wurde. Danach wird in ei- nem bis 900 ° C heißen Ofen Phosphor eindiffundiert. Dadurch entsteht der p-n-Übergang, der für die Anregung der durch Licht erzeugten Ladungsträger ver- antwortlich ist. Durch Lichteinstrahlung PRODUKTIONSTECHNIK „Wir wollen uns zukünftig stark auf die Solarindustrie fokussieren“ Gerald Taraba ist Regionalgebietsleiter von Actemium Controlmatic In Bischofswerda werden Solar- zellen in einem kontinuierlichen Verfahren gefertigt CHEMIE TECHNIK · productronic · Elektronik Industrie · Special Photovoltaik 2009 24 Quelle Fachzeitschrift Photovoltaik -Produktion

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BLAUES GOLD AUS SACHSEN Arise Technologies hat moderne Solarzellenfertigung in Betrieb genommen Wertschöpfung wurde in und um Dresden seit jeher groß geschrieben: Anfang des 18. Jahrhunderts entdeckte ein Alchimist beim „Goldmachen“ das Porzellan. Heute steht Silizium im Fokus: Mitte des Jahres hat Arise in Bischofswerda die zweite Linie einer hochmodernen Solarzellenfertigung in Betrieb genommen. Für Automatisierung und Me-dienversorgung zeichnete Actemium Controlmatic verantwortlich.

Autor

Armin Scheuermann, Redaktion

B ei der Fertigung von Solarzellen zählt vor allem eines: der Wir-kungsgrad. Beim Zellenhersteller

Arise im sächsischen Bischofswerda dreht sich alles darum, die beiden kon-tinuierlichen Fertigungslinien – eine für polykristalline Wafer (40 MW p.a.), eine für monokristallines Basismaterial (45 MW p.a.) – auf Lichtausbeute zu trimmen. „Im Januar haben wir bei unse-ren polykristallinen Zellen auf Linie 1 noch einen Mindestwirkungsgrad von 15,0 % erreicht. Sechs Monate später waren wir bereits bei 15,6 %“, verdeut-licht Sjouke Zijlstra, Geschäftsführer von Arise Technology Deutschland, die Ent-

wicklung. Zijlstra: „Die Nachfrage nach Qualität nimmt deutlich zu.“

Um diese zu befriedigen, hat das kana-dische Unternehmen im Frühjahr eine zweite Linie für die Fertigung von mono-kristallinen Solarzellen installiert. Ge-genüber polykristallinen Zellen zeichnet sich das aus einem Kristall gesägte Mate-rial durch einen höheren Wirkungsgrad aus. Die hauchdünnen Siliziumwafer werden dabei in einem chemieintensiven

kontinuierlichen Prozess veredelt: Zu-nächst werden dazu die Wafer von allen Seiten angeätzt und gereinigt um den oberflächennahen Bereich zu entfernen, der durch das Schneiden des Siliziums „geschädigt“ wurde. Danach wird in ei-nem bis 900 ° C heißen Ofen Phosphor eindiffundiert. Dadurch entsteht der p-n-Übergang, der für die Anregung der durch Licht erzeugten Ladungsträger ver-antwortlich ist. Durch Lichteinstrahlung

PRODUKTIONSTECHNIK

„Wir wollen uns zukünftig stark auf die Solarindustrie fokussieren“ Gerald Taraba ist Regionalgebietsleiter von Actemium Controlmatic

In Bischofswerda werden Solar-zellen in einem kontinuierlichen Verfahren gefertigt

CHEMIE TECHNIK · productronic · Elektronik Industrie · Special Photovoltaik 200924

Quelle Fachzeitschrift Photovoltaik -Produktion

werden positive und negative Ladungs-träger freigesetzt und es fließt elektri-scher Strom.

Bei der Diffusion bildet sich auf dem Wafer eine Oxidschicht, welche durch ei-ne Flusssäurebehandlung entfernt wer-den muss. Vor der Kontaktierung der bei-den Pole des p-n-Übergangs wird die Vor-derseite mit einer Antireflexschicht aus Siliziumnitrid vergütet. Schließlich wer-den auf der Vorder- und Rückseite Me-tallkontakte aufgedruckt; hinten als ganzflächige Schicht aus Aluminium so-wie zwei oder drei Busbars aus Silber und vorne in Form von dünnen „Fingern“ aus Silber und wiederum zwei oder drei Bus-

bars. Danach werden die aufgebrachten Schichten in einem Firing-Prozess verfes-tigt. Im letzten Schritt werden die Zellen gelastert um Vorder- und Rückseite von-einander zu isolieren und dann werden diese vermessen und klassifiziert.

Sichere Chemieversorgung Im Prozess müssen aggressive Chemika-lien wie Fluss-, Salpeter- und Salzsäure sowie toxische und brennbare Gase wie Silan und Ammoniak sicher gehandhabt werden. Die komplette Chemieversor-gung, das Vakuumsystem und die Steue-rung und Leittechnik der Anlage wurden vom Systemhaus Actemium Controlma-

Das Gebäude bietet Platz für vier Fertigungslinien. Im Vordergrund: Linie 2 für monokristalline Solarzellen

FOKUS SOLARINDUSTRIE Actemium automatisiert Solar-Si-Anlage für PV Crystalox In der im Februar 2009 von PV Crystalox So-lar in Bitterfeld eröffneten Anlage zur Pro-duktion von Solar-Silizium hat Actemium Controlmatik die MSR-Technik realisiert. Die Anlage basiert auf einer Modifikation des bewährten Siemens-Prozesses, der für die Solaranwendung optimiert wurde. Damit wird hochreines Silizium gewonnen, das die Anforderungen der eigenen multikristalli-nen Wafer-Technologie erfüllt. Evonik Degussa beliefert den Hersteller in Bitter-feld mit dem hochreinen Rohmaterial Chlorsilan (Siridion) im direkten Verbund.

Im Auftrag von Siemens war Actemium verantwortlich für das Softwareenginee-ring des Leitsystems (PCS7 V7.0), des MES-Systems, der Sicherheitssteuerung und der MSR-Montage. Die hohen Sicherheitsan-forderungen des Prozesses machten den Einsatz von fehlersicheren Steuerungen nötig. Zur effizienten Instandhaltung im EMSR-Bereich wurde das Asset Manage-ment des Leitsystems inklusive PDM und Pactware 3.0 SP5 eingesezt. Die Installati-on umfasst 3 500 I/Os, 21 Automatisie-rungssysteme, 20 s7-Steuerungen und die Vernetzung via Profibus PA.

Herr der Zellen: Sjou-ke Zijlstra verantwor-tet für Arise Technolo-gies die Sparte Solar-zellen

„Ingenieure mit Erfah-rungen in der Solarindu-strie sind Mangelware“ Sjouke Zijlstra ist Geschäftsführer Arise Technologies Deutschland GmbH

INTERVIEW MIT SJOUKE ZIJLSTRA, GESCHÄFTSFÜHRER ARISE TECHNOLOGIES DEUTSCHLAND GMBH

Herr Zijlstra, Ihre neue Fabrik ist auf Wachstum geplant – wie ge-hen Sie mit der derzeitigen Situation im PV-Markt um? Zijlstra: Der Markt erholt sich Gott sei Dank wieder. Im ersten Halbjahr hat uns der Preisverfall bei Modulen ganz schön unter Druck gesetzt; denn Silizium war in den vergangenen Jahren knapp – und deshalb wurden langfristige Lieferverträge mit den Waferherstellern abgeschlossen, in denen einerseits Abnahme-mengen, andererseits auch Preise festgeschrieben sind.

Ist dadurch der Druck gestiegen, möglichst effizient zu fertigen? Zijlstra: Die Durchlaufzeiten sind durch den Prozess vorgege-ben. Wir arbeiten daran, Ausschuss zu reduzieren und die Ver-fügbarkeit der Anlagen zu erhöhen. Aber noch viel wichtiger ist es, den Wirkungsgrad der Zellen zu steigern. Denn Qualität ist das entscheidende Verkaufsargument. 0,5 % Wirkungsgrad entscheiden darüber, ob und zu welchem Preis man verkauft. Um die Lichtausbeute unserer Zellen zu steigern, arbeiten wir verstärkt mit unabhängigen Instituten und Know-how-Trägern zusammen. So konnten wir den Wirkungsgrad unserer poly-kristallinen Zellen im Zeitraum von Januar bis Juli 2009 von 15,0 auf 15,6 % erhöhen. Welche Faktoren haben den größten Einfluss? Zijlstra: Einerseits ist es natürlich die Qualifikation der Mitarbei-ter. Hier haben wir in den vergangenen Monaten durch Schu-lung bereits große Fortschritte erzielt. Aber das größte Problem im Hinblick auf den Wirkungsgrad ist in der gesamten Branche der Mangel an Ingenieuren mit Erfahrung in der Solarindustrie. Eine wichtige Rolle spielen die eingesetzten Chemikalien – tes-tet man hier neue Stoffe, hat das sofort Einfluss auf alle Prozess-

schritte. Dieses Know-how muss mühsam aufgebaut und von Instituten zugekauft werden. Hersteller aus Asien haben den Markt in den vergangenen Mona-ten stark unter Preisdruck gesetzt. Wo sehen Sie Ihre Chancen? Zijlstra: Endabnehmer in Europa fragen häufig noch nach deut-schen Produkten. Außerdem gibt es hier enorm viel Know how in der Solartechnik. Falls die chinesische Regierung einen gro-ßen Fördertopf für Photovoltaik-Installationen im eigenen Land einrichtet, wird der chinesische Markt auch für europäi-sche Firmen interessant werden. Hier müssen die deutschen Hersteller Konzepte allerdings entwickeln, um im Wettbewerb mithalten zu können. Außerdem können wir mehr und mehr die Möglichkeit nutzen, gute Wafer günstig in Asien einzukau-fen. Zudem planen wir auf unserem Firmengelände in Bischofs-werda gemeinsam mit einem Energieversorger einen eigenen Solarpark zu errichten.

„DER WIRKUNGSGRAD IST ENTSCHEIDEND“

tic geplant und realisiert. Der in der Che-mie als Systemintegrator für Mess- und Regeltechnik bekannte Lieferant hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt auf die Solarbranche spezialisiert. „Wir ha-ben inzwischen verfahrenstechnische Kompetenz hinzugewonnen und wollen uns zukünftig stark auf die Solarindustrie fokussieren“, erklärt Gerald Taraba, Re-gionalgebietsleiter von Actemium Con-trolmatic (siehe Kasten).

Als Leitsystem kommt das PCS7 V7 von Siemens mit redundanter CPU zum Einsatz. Die Sicherheitssteuerung ist eine AS412FH vom selben Hersteller. In diese wurden die Komponenten einer Gas-warnanlage (Dräger) integriert. Alle an-deren Systeme wie die Wasseraufberei-tung, Gas- und Chemieversorgung etc. wurden via Bus (Profibus) und OPC-Ser-ver mit dem Leitsystem gekoppelt.

Das komplette Projekt wurde von ei-ner Arbeitsgemeinschaft zur technischen Gebäudeausrüstung (TGA) unter der Lei-

tung des niederländischen Planungs-büros DHV im Zeitraum von Dezember 2006 bis Dezember 2008 geplant und rea-lisiert. Klima- und Lüftungstechnik ka-men von Axima. „Wir haben große Er-fahrung in der Halbleiterindustrie hier in der Region und die Arbeitsgemeinschaft spart fehlerträchtige Schnittstellen“, er-klärt dazu Jens Schramm, bei Actemium Leiter der Business Unit Dresden.

Zweite Linie für monokristalline Zellen Aufgrund der guten Erfahrungen ent-schied sich Arise auch beim Bau der zwei-ten Linie für die Zusammenarbeit mit den bereits bewährten Partnern; diese wurde im Zeitraum von Januar bis April 2009 gebaut und im Juni für die Produktion freigegeben. Auch galt die Besonderheit, dass die Fertigung kontinuierlich – also ohne Zwischenpuffer – erfolgt. Da dies bei laufendem Betrieb geschehen musste, zahlte sich die Vorarbeit bei der Planung

der Gebäudestruktur aus: Sämtliche Ver-sorgungseinrichtungen wurden in einem eigenen Stockwerk unter der Fertigung untergebracht. Dazu gehören unter an-derem zwei ölfrei verdichtende, fre-quenzgesteuerte Kompressoren von At-las Copco (ZR 160), sechs Klauenvaku-umpumpen des Typs Mink von Busch Va-kuumpumpen sowie drei Pumpstände von Pfeiffer Vakuum.

Die Gebäudestruktur und der kon-tinuierliche Prozess machen es außerdem möglich, dass im endgültigen Ausbau mit dann insgesamt vier Linien, in dem Ge-bäude eine Produktionskapazität von über 200 MW p.a. erreicht werden kann. Die Produktion soll im Dreischichtbetrieb rund um die Uhr erfolgen und eine Ver-fügbarkeit von 90 % erreichen.

KONTAKT www.actemium.de

www.arisetech.com

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