Bpkmu 04 07_management3

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Mentoring, Teil 3 Entscheidungsmuster unter der Lupe Sie interessieren sich wahrscheinlich deshalb für das Thema Mentoring, weil Sie in Ihrem Betrieb immer stärker die Notwen- digkeit spüren, Führen durch Mentoring zu ergänzen. In dieser Artikelserie geben wir Beispiele dafür, mit welchen Verfahren Kompetenzen modelliert und weitergegeben werden können. 48 Blickpunkt:KMU 4/2007 MANAGEMENT Autor: Franz Stowasser K ompetenztransfer besteht nicht einfach aus nachmachen. Einstellungen, Werte, Hoffnungen und Erwartungen sollen so modelliert und transparent gemacht werden, dass sie zum gegenseitigen Verständnis bei- tragen. Aus unbewusster Inkompetenz soll im Mentoring unbewusste Kompetenz werden, damit der Mentoring-Partner ähnlich leicht, komplex und umsichtig reagieren kann wie der Mentor. Unbewusste Inkompetenz = Nicht wissen, dass wir etwas nicht wissen. Bewusste Inkompetenz = Bemerken, was wir nicht wissen. Bewusste Kompetenz = Gelernt, allerdings geht es noch etwas mühsam und will nicht sofort so richtig flott klappen. Unbewusste Kompetenz = Gelernt und eingeübt. Jetzt läuft es richtig flüssig, leicht und souverain. Die einzelnen Schritte und Techniken im Mentoring-Prozess helfen, diese Entwicklung hin zur unbewussten Kompetenz zu organi- sieren. Einige Grundfragen weisen den Weg zum konkreten Vorgehen: In welche Strukturen ordnen Sie Ihre sub- jektive Erfahrung und welche Strukturen bevorzugt Ihr Mentoring-Partner? Wie lassen sich bestimmte Verhaltens- und Denkmuster erkennen und formali- sieren? Wie kann man diese Muster zugänglich machen, möglicherweise verbessern und effektiver gestalten?

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Mentoring, Teil 3

Entscheidungsmuster unter der LupeSie interessieren sich wahrscheinlich deshalb für das ThemaMentoring, weil Sie in Ihrem Betrieb immer stärker die Notwen-digkeit spüren, Führen durch Mentoring zu ergänzen. In dieserArtikelserie geben wir Beispiele dafür, mit welchen VerfahrenKompetenzen modelliert und weitergegeben werden können.

48 Blickpunkt:KMU 4/2007

MANAGEMENT

Autor: Franz Stowasser

Kompetenztransfer besteht nicht einfachaus nachmachen. Einstellungen, Werte,

Hoffnungen und Erwartungen sollen so

modelliert und transparent gemacht werden,

dass sie zum gegenseitigen Verständnis bei-

tragen. Aus unbewusster Inkompetenz soll

im Mentoring unbewusste Kompetenz werden,

damit der Mentoring-Partner ähnlich leicht,

komplex und umsichtig reagieren kann wie

der Mentor.

Unbewusste Inkompetenz= Nicht wissen, dass wir etwas nicht wissen.

Bewusste Inkompetenz= Bemerken, was wir nicht wissen.

Bewusste Kompetenz= Gelernt, allerdings geht es noch etwas

mühsam und will nicht sofort so richtig

flott klappen.

Unbewusste Kompetenz= Gelernt und eingeübt. Jetzt läuft es

richtig flüssig, leicht und souverain.

Die einzelnen Schritte und Techniken im

Mentoring-Prozess helfen, diese Entwicklung

hin zur unbewussten Kompetenz zu organi-

sieren. Einige Grundfragen weisen den Weg

zum konkreten Vorgehen:

• In welche Strukturen ordnen Sie Ihre sub-

jektive Erfahrung und welche Strukturen

bevorzugt Ihr Mentoring-Partner?

• Wie lassen sich bestimmte Verhaltens-

und Denkmuster erkennen und formali-

sieren?

• Wie kann man diese Muster zugänglich

machen, möglicherweise verbessern und

effektiver gestalten?

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Überzeugungsmodus ZeitIn manchen Situationen werden nicht meh-

rere Beispiele als Entscheidungsgrundlage

genommen, sondern Zeit. Manchmal fordert

man Zeit, damit eine Entscheidung reifen

kann. „Da muss ich erst mal abwarten, nach-

denken oder darüber schlafen“, ist eine typi-

sche Formulierung in diesem Zusammen-

hang. Mehr oder weniger lange Zeiträume

für Überzeugungs- und Entscheidungspro-

zesse spielen hier eine Rolle.

1. WahrnehmungspositionIn der ersten Wahrnehmungsposition wird

die Welt durch die „eigene Brille“ wahrgenom-

men. Aus der eigenen Situation heraus, mit

den eigenen Interessen und Zielen, werden

Situationen beurteilt und entsprechend für

sich selbst gehandelt. In dieser Wahrnehmungs-

position fühlen Sie mit, was vor sich geht und

Sie reagieren auch direkt mit dem Gefühl.

2. WahrnehmungspositionHier wird versucht, sich in die Situation des

Gegenübers hinein zu versetzen. Wie sieht

die Welt aus, wenn man sich auf den Stuhl

des anderen setzt, dessen Interessen und

Ziele wahrnimmt? Auch in dieser Wahrneh-

mungsposition können Gefühle eine grosse

Rolle spielen. Auch Verständnis für die Situa-

tion des Gegenübers wird hier betont.

3. WahrnehmungspositionDies ist eine Abstandsposition. Aus einem

übergeordneten Blickwinkel wird die erste

und die zweite Wahrnehmungsposition

betrachtet und eventuell mit theoretischen

Inhalten angereichert. Aus dieser Position

heraus sehen Sie die Entwicklung der Dinge

und Sie sehen vor allem, wie Sie selbst mit

einer anderen Person interagieren, sich strei-

ten oder zusammenarbeiten. In dieser dritten

Wahrnehmungsposition können Sie sich

selbst Feedback geben, Sie können Ihre eige-

nen Verhaltensweisen verbessern.

Sie sehen, als Orientierungsmuster bezeich-

nen wir grundsätzliche Ausrichtungen der

Aufmerksamkeit. In unterschiedlichen Situa-

tionen werden Sie Ihre Aufmerksamkeit der

Aufgabe gemäss fokussieren. Mit wachsen-

der Erfahrung nutzen Sie Muster, die sich be-

währt haben. Im Mentoring wirkt es sehr viel

sinnvoller, diese Muster mitzuteilen als im-

mer wieder neu mit situativen Erkenntnissen

beeindrucken zu wollen. Und für den Mentor

wirkt es arbeitserleichternd, wenn er die

Ausprägung seiner Orientierungsmuster und

die seines Partners in einer Arbeitssituation

kennt und den Mentoring Prozess daran aus-

richtet.

Mit dem PartnerNavigator haben wir ein EDV

gestütztes Instrument geschaffen das es uns

erlaubt, Orientierungsmuster zu gewichten.

Diese Analyse wertet und gewichtet bis zu

40 unterschiedliche Muster. Die Darstellung

erfolgt in Prozent-Diagrammen und in einer

ausführlichen Beschreibung. So sieht ein Ver-

gleich von nur fünf Mustern aus:

Sogar mit diesen wenigen Mustern wird deut-

lich, wie unterschiedlich Mentor und Partner

eine geschäftliche Situation angehen. Wie

unterschiedlich sie gewichten und damit

ihre Werte und Überzeugungen zum Einsatz

bringen. Mit 70 Prozent Fokus auf die erste

Wahrnehmungsposition wir der Mentoring-

Partner in geschäftlichen Prozessen viel in-

tensiver und vor allem mit mehr Gefühlen

beteiligt sein als sein Mentor. Hier kann der

Mentor konkret einwirken und einer Stress-

gefahr vorbeugen. Er kann aufzeigen, wie er

selbst in seinem ereignisreichen Arbeitsleben

gelernt hat, mit Stressfaktoren anders umzu-

gehen, als sich direkt in stressige Situationen

hinein zu fühlen. Die gute Ausprägung der

Aufmerksamkeit des Partners auf 60 Prozent

in der dritten Wahrnehmungsposition wird

den Prozess einfach gestalten und zu einem

schnellen Erfolg führen. Auch der Wechsel

zwischen den Entscheidungsmodalitäten

„Beispiele“ und „Zeit“ könnte hier Mentoring-

Thema werden. Mit dem Ziel, die Entschei-

dungskompetenz des Mentoring-Partners zu

fördern, indem dieser seine Aufmerksamkeit

zumindest ausgeglichen auf „Zeit“ und „Bei-

spiele“ lenkt.

Wohlgemerkt, die Analyse bezieht sich auf

Arbeitssituationen, nicht auf die Person.

Deshalb wird es auch leicht, ein Muster zu

ergänzen, ein anderes vielleicht etwas weni-

ger auszuprägen. Das ist der Grund, warum

wir im Mentoring nicht die Person, sondern

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MANAGEMENT

• Wie organisieren Menschen ihre individu-

ellen Orientierungs-, Motivations-, Denk-

und Entscheidungsprozesse?

• Welche Modelle können erfolgreiche Ver-

haltens- und Denkstrategien Schritt für

Schritt beschreiben und damit vermittel-

bar machen?

Die Antworten auf diese Fragen liegen in der

Modellbildung. Beide Mentoring Partner mo-

dellieren ihre Verhaltensmuster in konkreten

Situationen, um sie dann miteinander abzu-

gleichen und gegebenenfalls zu vermitteln.

Konkrete Handlungsweisen werden in Orien-

tierungsmustern abgebildet und prozentual

gemessen. So entstehen Vergleichsmöglich-

keiten. Hier einige Orientierungsmuster:

Überzeugungsmodus BeispieleDieses Orientierungsmuster zeigt, wie stark

Beispiele in Entscheidungsprozessen gewich-

tet werden. Die Frage ist hier: „Wie viel Bei-

spiele brauche ich, um mich von einer Sache

zu überzeugen“? Nehmen Sie den Entwurf

einer Werbekampagne, wie viele Beispiele

und Möglichkeiten wollen Sie vom kreativen

Team sehen, bevor Sie mit der Auswahl be-

ginnen und sich entscheiden?

Mentor Partner

70 % 30 % Überzeugung Beispiele

40 % 60 % Überzeugung Zeit

20 % 70 % 1. Wahrnehmungsposition

60 % 40 % 2. Wahrnehmungsposition

70 % 60 % 3. Wahrnehmungsposition

Z u m A u t o r

Franz Stowasser(E-Mail: [email protected])Dipl.Soziologe, Betriebswirt, Ind. Kfm.,arbeitet seit über 20 Jahren in der Industrieund eigener Praxis als Coach und Mentor.Als Autor mehrerer Fachbücher hat ersich intensiv mit dem Modellieren vonKnow-how-Transfer beschäftigt.

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deren Verhalten in einer bestimmten geschäft-

lichen Situation analysieren wollen.

Der Medien- und Informationsphilosoph Vilém

Flusser sagte zum Beispiel in einem Vortrag

mit dem Titel „Die Informationsgesellschaft,

Phantom oder Realität?“, dass die Frage nach

dem Sein des Menschen eine sinnlose Frage

sei. Denn: „Wir sind nicht etwas, sondern ein

Wie sich Relationen verknoten“. Knoten von

Bindungen in der Kommunikation, der Be-

gegnung, der Zusammenarbeit, der sozialen

Beziehungen. In seinen Ausführungen über

die telematische Gesellschaft beschreibt

Flusser die Tendenz der heutigen Entwick-

lung. Sie liegt seiner Ansicht nach im Näher-

bringen von Entferntem. Durch TV-Bilder, In-

ternet und andere technische Entwicklungen

werden wir Knoten von neuen, uns näher

gebrachten Bindungen.

Diese Vorstellung eines kommunikativen

Netzes hat vor allem im Business starke Aus-

wirkungen auf das, was wir als unsere Iden-

tität definieren. Identität ist nicht länger eine

Sache, die wir beschreiben und als Beschrei-

bung angeben, wenn uns jemand fragt, wer

wir sind. „Identität und Differenz implizieren

einander“, schliessen einander ein, nicht

mehr aus. Zu früheren Zeiten war es viel-

leicht wichtig, genau anzugeben, was ich bin

und was ich nicht bin, welche Identität ich

habe respektive welche nicht. Heute, und vor

allem in Zukunft wird diese Ausschliesslich-

keit nicht mehr genügen. DAS oder JENES zu

sein reicht nicht mehr. Identität wird immer

mehr als „DAS und auch JENES“ beschrieben

werden. Wenn wir diese Vorstellung auch in

der Geschäftswelt ein wenig weiter denken

und die Auswirkungen auf das Mentoring

im Business betrachten, dann können wir

sehen, wie sich die lineare Entwicklung einer

Identität verflüchtigt.

Das Modellieren mit Orientierungsmustern

verzichtet völlig darauf, die Person, mit der

MANAGEMENT

wir im Mentoring zusammenarbeiten, nach

Inhalten in Bezug auf die individuelle Ge-

schichte zu fragen, wie es zum Beispiel ein

Psychologe tun würde. Wir beziehen uns auf

die Gegenwart, betrachten das Verhalten in

einer geschäftlichen Situation und modellie-

ren für die Zukunft. Das Ziel ist die Schaf-

fung von mehr Wahlmöglichkeiten im Han-

deln. Mentor und Mentoring-Partner optimie-

ren ihre Lernsituation, wenn sie sich auf

gemeinsame Orientierungsmuster beziehen

können. ø

O n l i n e - T i p p

Sie haben die ersten beiden Teile der Serie

über Mentoring verpasst? Im Wissensarchiv

auf www.blickpunktkmu.ch stehen die

Artikel im pdf-Format in der Rubrik Manage-

ment zum kostenlosen Download bereit.