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Brandszenarienkatalog TIBRO Realisierung von Brandsimulationen mit Ansys-CFX Alexander Saupe, Stefanie Schubert, Ulrich Krause Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland Kurzfassung: Der vorliegende Beitrag stellt Möglichkeiten vor, wie brandschutztechnische Phänomene, die keine unmittelbare Umsetzung in der Mehrzweck-Fluiddynamik-Software Ansys-CFX finden, durch vom Nutzer erstellte Routinen implementiert werden können sowie wie diese Modelle mit entsprechenden Realbrandbrandversuchen validiert werden. Es wird dargestellt, wie durch die Nutzung von stoffspezifischen Pyrolysedaten ein vereinfachtes Pyrolysemodell für brennbare Oberflächen in Ansys-CFX geschaffen werden kann. Zudem wird gezeigt, wie durch die Nutzung chemischer Analysen der Rauchgaszusammensetzung es möglich ist, Verbrennungsgleichungen zu erstellen, die die stoffspezifischen Pyrolysegase in einem Verbrennungsmodell umsetzen. Mithilfe von Cone-Kalorimeter-Tests wurde das Abbrandverhalten verschiedener Probenmaterialen ermittelt. Anhand dieser Datengrundlage wurde das Abbrandverhalten mit dem implementierten Modell simuliert und verglichen. Traten Abweichungen gegenüber den Ergebnissen aus der Probenuntersuche auf, wurden die Parameter in der Simulation soweit angepasst bis eine Abbildung des Abbrandverhaltens erreicht werden konnte. Die so ermittelten Parameter stellen die validierte Datenbasis für die Routinen dar. Beispielhaft wurde die Parameterstudie am Abbrandverhalten von Polyurethanschau dargestellt. 1. Grundlegendes Durch die kommerzielle Aufstellung von Ansys-CFX als Mehrzweck-Fluiddynamik- Programm steht eine große Auswahl an verschiedenen physikalischen Modellen für Turbulenz, Wärmestrahlung, Verbrennungsprozesse usw. zur Verfügung. Diese müssen entsprechend des zu untersuchenden Prozesses individuell gewählt werden. In einigen Fällen, wie z.B. pyrolytische Freisetzung brennbarer Gase aus Feststoffoberflächen, stehen geeignete Modellansätze in den Software-Modulen noch nicht zur Verfügung. Deshalb müssen benutzerdefinierte Routinen geschrieben werden, damit die thermische Aufbereitung von brennbaren Stoffen im Brandfall berücksichtigt sowie Verbrennungsreaktionen stoffspezifisch berechnet werden können. Die Abbildung 1 zeigt das Prinzip der Kopplung zwischen Feststoffoberfläche und umgebendem Fluid. Zwischen dem Feststoff und dem Fluid wird in der Simulation ein Interface gesetzt. Aus der Seite des Interfaces, welches sich auf der Fluid Seite befindet, wird ein Pyrolysemassenstrom (Edukte) in das Fluid abgegeben. Im Fluid erfolgt dann die eigentliche Verbrennungsreaktion, in der die brennbaren Gase mittels Verbrennungsmodell zu den Brandprodukten umgesetzt werden.

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Brandszenarienkatalog TIBRO

Realisierung von Brandsimulationen mit Ansys-CFX Alexander Saupe, Stefanie Schubert, Ulrich Krause

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland

Kurzfassung:

Der vorliegende Beitrag stellt Möglichkeiten vor, wie brandschutztechnische Phänomene, die

keine unmittelbare Umsetzung in der Mehrzweck-Fluiddynamik-Software Ansys-CFX finden,

durch vom Nutzer erstellte Routinen implementiert werden können sowie wie diese Modelle

mit entsprechenden Realbrandbrandversuchen validiert werden.

Es wird dargestellt, wie durch die Nutzung von stoffspezifischen Pyrolysedaten ein

vereinfachtes Pyrolysemodell für brennbare Oberflächen in Ansys-CFX geschaffen werden

kann. Zudem wird gezeigt, wie durch die Nutzung chemischer Analysen der

Rauchgaszusammensetzung es möglich ist, Verbrennungsgleichungen zu erstellen, die die

stoffspezifischen Pyrolysegase in einem Verbrennungsmodell umsetzen.

Mithilfe von Cone-Kalorimeter-Tests wurde das Abbrandverhalten verschiedener

Probenmaterialen ermittelt. Anhand dieser Datengrundlage wurde das Abbrandverhalten mit

dem implementierten Modell simuliert und verglichen. Traten Abweichungen gegenüber den

Ergebnissen aus der Probenuntersuche auf, wurden die Parameter in der Simulation soweit

angepasst bis eine Abbildung des Abbrandverhaltens erreicht werden konnte. Die so

ermittelten Parameter stellen die validierte Datenbasis für die Routinen dar. Beispielhaft

wurde die Parameterstudie am Abbrandverhalten von Polyurethanschau dargestellt.

1. Grundlegendes

Durch die kommerzielle Aufstellung von Ansys-CFX als Mehrzweck-Fluiddynamik-

Programm steht eine große Auswahl an verschiedenen physikalischen Modellen für

Turbulenz, Wärmestrahlung, Verbrennungsprozesse usw. zur Verfügung. Diese müssen

entsprechend des zu untersuchenden Prozesses individuell gewählt werden.

In einigen Fällen, wie z.B. pyrolytische Freisetzung brennbarer Gase aus

Feststoffoberflächen, stehen geeignete Modellansätze in den Software-Modulen noch nicht

zur Verfügung. Deshalb müssen benutzerdefinierte Routinen geschrieben werden, damit die

thermische Aufbereitung von brennbaren Stoffen im Brandfall berücksichtigt sowie

Verbrennungsreaktionen stoffspezifisch berechnet werden können.

Die Abbildung 1 zeigt das Prinzip der Kopplung zwischen Feststoffoberfläche und

umgebendem Fluid. Zwischen dem Feststoff und dem Fluid wird in der Simulation ein

Interface gesetzt. Aus der Seite des Interfaces, welches sich auf der Fluid Seite befindet, wird

ein Pyrolysemassenstrom (Edukte) in das Fluid abgegeben. Im Fluid erfolgt dann die

eigentliche Verbrennungsreaktion, in der die brennbaren Gase mittels Verbrennungsmodell zu

den Brandprodukten umgesetzt werden.

Abbildung 1: Prinzipielle Darstellung der Verknüpfung zwischen Pyrolysemodell

(Oberflächenreaktion) und der Verbrennungsreaktion (Gasphasenreaktion)

Im Folgenden werden das Pyrolysemodell und die Herleitung der für die Verbrennung

notwendigen stoffspezifischen Verbrennungsreaktionen erläutert. Des Weiteren wird das

Prinzip der Validierung anhand von Versuchen am Cone-Kalorimeter vorgestellt, so dass der

Nachweis einer Wiedergabe der Realität für das implementierte Modell erreicht werden kann.

2. Pyrolysemodell

Das Prinzip des Pyrolysemodells sieht vor, dass für jede, auf einer Oberfläche eines

brennbaren Gegenstandes gelegene Zelle des Berechnungsgitters, ein Wärmestrom sowie

stoffspezifische Massenströme angesetzt werden.

Für die Vorgabe der Massenströme der Pyrolysegase ist die stoffliche Zusammensetzung des

pyrolysierenden Feststoffes in Form von Massenanteilen der einzelnen Komponenten

notwendig.

Anhand von veröffentlichten Gasanalysen zur thermischen Zersetzung fester brennbarer

Stoffe ist es möglich, die für die Eingabe in Ansys-CFX notwendigen Massenbrüche der

einzelnen Pyrolysegase abzuleiten. So konnte beispielsweise für Polypropylen (PP) nach [1]

die in der Tabelle 1 aufgeführten Pyrolysegase bestimmt werden und als Massenbrüche in

Ansys-CFX für PE-Oberflächen implementiert werden.

Den Beginn der Stofffreisetzung aus einer Oberfläche eines Materials in Ansys-CFX

bestimmt die Zersetzungs- bzw. Zündtemperatur [2]. Nach Möglichkeit wurden Datensätze

genutzt, die auch Angaben von Pyrolysegasen unterhalb der Zündtemperaturenthielten. So ist

es möglich, dass Pyrolysegase bereits ausströmen und erst dann in der chemischen Reaktion

umgesetzt werden, wenn die Zündtemperatur des jeweiligen Stoffes erreicht ist.

Liegen für einen Stoff Pyrolysedaten für verschiedene Temperaturen vor, so werden je nach

Temperatur einer Oberfläche, die jeweiligen Massenanteile der Pyrolysegase angepasst.

Tabelle 1: Massenanteile von gasförmigen Produkten aus der Pyrolyse von PP nach [1]

Pyrolysegas Massenbruch

Methan 0,0008

Ethan 0,0100

Propylene 0,1060

Isobutylene 0,0270

Pentene 0,1650

3-metyl-1pentan 0,1030

2,4 Dimethyl-heptene 0,4130

Der flächenspezifische Massenstrom des gesamten Pyrolysegas-Gemisches aus der

Oberfläche (�̇�𝑗) wird mithilfe der Massenverlustrate (MLR) eines jeweiligen Stoffes

beschrieben. Vereinfacht wird dabei auf die mittlere flächenspezifische Massenverlustrate

(�̇�′′) zurückgegriffen.

Die experimentellen Daten aus den Cone-Kalorimeter-Tests zeigen, dass die

flächenspezifische Massenverlustrate nach der Zündung des Feststoffes zunimmt und im

weiteren Verlauf einen Wert annimmt, welcher, über den zeitlichen Verlauf gemittelt, der

mittleren flächenspezifischen Massenverlustrate entspricht. Diese zeitliche Verzögerung wird

in Bezug auf den Massenstrom des Pyrolysegas-Gemisches durch die Verwendung einer

Exponentialfunktion berücksichtigt. Die Exponentialfunktion sollte dem Integral der

Messwerte für die MLR aus den Daten der Cone-Kalorimeter-Test annähernd entsprechen.

Der Zeitpunkt an dem der MLR dem �̇�′′ erstmalig entsprach, wurde als obere

Integrationsgrenze gewählt.

Beispielhaft soll dieses Verfahren an dem Kunststoff Polyethylen gezeigt werden:

�̇�′′ nach [3]: 0,0114 kg/(m²∙ s) (nach [3])

Dauer bis zum erstmaligen Erreichen der �̇�′′ nach [3]: 450s

∫ 𝑓(�̇�𝑃𝐸,𝐶𝑜𝑛𝑒)𝑑𝑡 ≈ 4800

450

0

𝑘𝑔/𝑚²

∫ 𝑓(�̇�𝑃𝐸,𝑆𝑖𝑚)𝑑𝑡 = −0,0114 ∙ (exp (−0,03 ∙ 𝑡) − 1) = 4750𝑘𝑔/𝑚²

450

0

�̇�𝑃𝐸,𝑆𝑖𝑚 = −0,0114 ∙ (exp (−0,03 ∙ 𝑡) − 1)) [kg/(m² s)]

Das beschriebene Verfahren wird analog für die flächenspezifische Wärmefreisetzungsrate

angewandt. Hierfür dienen ebenfalls die Cone-Kalorimeter-Daten als Grundlage für die

stoffspezifischen Parameter in der Exponentialfunktion.

Die Massenanteile der Komponenten des Pyrolysegas-Gemisches, bezogen auf die Masse des

festen Eduktes, sind Funktionen der Edukttemperatur, die wiederum von der auf die

Oberfläche des Feststoffes übertragenen Strahlungswärmestromdichte abhängt. In Ansys-CFX

können diese Massenanteile zeitbezogen als „Source“-Funktionen aus einer festen Oberfläche

in das von der Gasphase eingenommene Volumen übergehen.

Diese Pyrolysegase, die aus den thermisch aufbereiteten Oberflächen austreten, bilden die

Edukte für die Verbrennung in der Gasphase, deren Produkte wiederum die Rauchgase sind.

3. Reaktionsgleichung

Für die Gasphasenreaktion wird im vorliegenden Fall eine einstufige Reaktionsgleichung

aufgestellt, die die Pyrolysegase (Edukte) vollständig mit Sauerstoff zu den entsprechenden

Produkten umsetzt.

Die Massenanteile der ermittelten Pyrolysegase werden dabei in auf der Grundlage der Yield-

Faktoren aus Brandgaskonzentrationsanalysen, vorzugsweise aus Cone-Kalorimeter-Daten,

berechnet.

Da auf die Betrachtung von Zwischenreaktionen verzichtet wird, reicht es aus, dass jeder

Feststoff durch ein „Ersatzmolekül“ vereinfacht beschrieben wird. Bei Kunststoffen, die aus

langen Polymerketten bestehen, werden wiederholende Strukturen mit einer

Summenstrukturformel zusammengefasst. Damit ist es möglich die stöchiometrische

Beziehung für die Pyrolyse sowie der Verbrennungsreaktion vereinfacht zu beschreiben und

den Feststoffen eine molare Masse (g/mol) zuzuordnen. Die Vorgehensweise für das

Aufstellen der Verbrennungsreaktionsgleichung ist schematisch in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Ablaufschema zur Herleitung der Verbrennungsreaktion aus den Pyrolysedaten

und den Spezienausbeuten (Yield) aus Rauchgasanalysen

Dabei ist festzuhalten, dass bei der genannten Vorgehensweise die Bezugsgrundlage 1 mol des

Ausgangsstoffes ist. Die Richtigkeit dieses Verfahrens lässt sich über die Massenbilanz

prüfen.

3.1. Bestimmung der Stoffmenge für die Reaktionsgleichung

3.1.1. Stoffmengen der Pyrolysegase (Edukte)

Im nachfolgenden wird die Bestimmung der Stoffmenge für die Eduktseite anhand von

Polypropylen beschreiben:

Ausgangsmaterial ist Polypropylen (PP) mit der Summenformel C3H6 und einer molaren

Masse von 42 g/mol. Da die Zündtemperatur im Mittel bei ca. 410 °C nach [2] und [4] liegt,

werden für die Aufstellung der Reaktionsgleichung Pyrolysewerte oberhalb von 400°C

verwendet. Diese stammen aus [1].

Bei 414°C entstehen bspw. nach [1] u.a. 0,0008 g CH4 je g PP und 0,01 g C2H6 je g PP. Diese

Massenanteile (wt) werden benutzt, um die Stoffmengen zu berechnen, die an der

Verbrennungsreaktion beteiligt sind. Für die beiden Beispielwerte ergeben sich, die folgenden

Stoffmengen:

0,0008gCH4gPP

16 gCH4mol

= 5 ∙ 10−5mol

gPP→ 5 ∙ 10−5

mol

gPP∙ 42

gPP

mol∙ 1mol = 0,002 mol (CH4)

0,01gC2H6

gPP

30 gC2H6

mol

= 3,3 ∙ 10−4mol

gPP→ 3,3 ∙ 10−4

mol

gPP∙ 42

gPP

mol∙ 1mol = 0,014 mol (C2H6)

Diese Vorgehensweise wird für alle Massenanteile angewandt, um die Stoffmengen der

Pyrolysegase auf der Eduktseite der Verbrennungsreaktion aufzustellen. Es ergeben sich für

Polypropylen folgende Stoffmengen aus den Pyrolysedaten (vgl. Tabelle 2):

Tabelle 2: Ermittelte Stoffmengen aus den Massenanteilen der Pyrolysegase

Pyrolysegas Molare Masse [g/mol] wt PP Stoffmenge [mol]

Methan 16 0,0008 0,002

Ethan 30 0,0100 0,014

Propylene 42,08 0,1060 0,106

Isobutylene 55,7 0,0270 0,020

Pentene 70 0,1650 0,099

3-metyl-1pentan 81,2 0,1030 0,053

2,4 Dimethyl-heptene 125,9 0,4130 0,138

Abschließend werden die Stoffmengen der Kohlenstoffe und Wasserstoffe der Edukte

summiert und für die Prüfung der Stöchiometrie in Abschnitt 3.2 verwendet. Aus den

ermittelten Stoffmengen der Pyrolysegase für PP ergeben sich 2,484 mol C und 5,275 mol H.

3.1.2. Stoffmenge Verbrennungsprodukte

Die Bestimmung der Stoffmengen für die Produktseite der Reaktionsgleichung erfolgt nach

dem gleichen Prinzips wie zur Bestimmung der Stoffmengen auf der Eduktseite.

Ausgangswerte sind die Spezienausbeuten (Yield-Werte) aus Messungen der

Rauchgaszusammensetzung für die jeweiligen Stoffe, vornehmlich aus eigenen

Brandversuchen am Cone Calorimeter [3] und Literaturwerten [5] [6] [7] [8]. Es wurden die

Spezienausbeuten von CO2, CO, und C (soot) sowie soweit vorhanden von HCN, HCL und

NO2 berücksichtigt.

Beispielhaft wird nachfolgend die Berechnung der Stoffmenge an PP beschrieben:

Tabelle 3: Zusammensetzung des chemischen „Ersatzmoleküls“ von PP sowie Angaben der

Yield-Werte von CO2, CO, und C (soot) aus der Analyse der Rauchgaszusammen-

setzung von PP

Stoff Summenformel g/mol y y y

C H Stoff CO2 CO C (soot)

PP 3 6 42 2,79 0,058 0,059

Die Bezugsgröße bildet nach wie vor ein Mol des Feststoffes, um die Stoffmengen aus den

Spezienausbeuten für die Produktseite der Verbrennungsreaktion zu bestimmen. Die folgende

Berechnung zeigt die Berechnung der Stoffmenge beispielhaft an der Ausbeute für CO2.

2,79gCO2

gPP

44 gCO2

mol

= 0,063mol

gPP→ 0,063

mol

gPP∙ 42

gPP

mol∙ 1mol = 2,66 mol (CO2)

Anhand dieser Vorgehensweise berechnen sich folgende Stoffmengen für die Produktseite der

Verbrennungsgleichung:

Tabelle 4: Stoffmengen der Produkte für die Verbrennungsgleichung von PP

CO2 CO C H2O

2,66 mol 0,087 mol 0,207 mol 3 mol

3.2. Vereinfachtes Ausgleichen der Reaktionsgleichung

Die Verbindungen der ermittelten Stoffmengen auf der Eduktseite und auf der Produktseite

müssen noch entsprechend ausgeglichen werden, um die stöchiometrische Gleichung zu

erfüllen.

Dazu werden zunächst die Stoffmengen von Kohlenstoff und Wasserstoff auf der Edukt und

Produktseite verglichen. Ausgehend von den Pyrolyse-Daten sind gemäß Abschnitt 3.1.1 auf

der Eduktseite 2,484 mol C und 5,275 mol H vorhanden. Gemäß Tabelle 4 müssen auf der

Produktseite insgesamt 2,96 mol C und 6 mol H erreicht werden.

Die auftretende Stoffmengendifferenz wird dem Pyrolysemassenstrom aus der

Oberflächenreaktion (vgl. Tabelle 1) hinzugefügt, so dass die Verbrennungsgleichung

stöchiometrisch ausgeglichen ist (siehe Abbildung 2). Im vorliegenden Beispiel werden

0,135 gKohlenstoff/gPP und 0,16 gWasserstoff/gPP dem Pyrolysemassenstrom hinzugegeben.

Da es sich bei Kohlenstoff prinzipiell um einen Feststoff handelt, wird in der Simulation

Kohlenstoff als ein gasförmiges Ersatzmolekül mit den entsprechenden Eigenschaften des

Feststoffs (wie bspw. molare Masse, Wärmekapazität usw.) beschrieben. Lediglich einige

thermodynamische Gaseigenschaften wie bspw. die dynamische Viskosität wurden von Luft

übernommen.

Abschließend erfolgt die Berechnung des benötigten Sauerstoffbedarfs (O2). Hierzu werden

die ggf. bereits in den Pyrolysegasen vorhanden Sauerstoffatome berücksichtigt und mit dem

Sauerstoffbedarf für die Rauchgasprodukte (CO2, CO, H2O, NO2) verrechnet. Gleiches gilt für

die Stoffmengen von Stickstoff (N2). Sollte es der Fall sein, dass in der Verbrennungsreaktion

Stoffmengen von NO2 oder HCN entstehen, obwohl kein atomarer Stickstoff im Feststoff

vorhanden ist, erfolgt der Ausgleich über den Stickstoff des umgebenden Fluids.

Für das verwendete Beispiel lautet die Verbrennungsgleichung für die Gasphasenreaktion von

PP:

0,002 CH4 + 0,014 C2H6 +0,106 C3H6 + 0,02 C4H8 + 0,099 CH5H10 + 0,053 C6H12 +

0,138 C9H20 + 0,473 CGas + 0,725 H2 + 4,2 O2

→ 2,663 CO2 + 0,087 CO + 0,207 C (Soot) + 3,0 H2O

Mit dem vorliegenden Verfahren können für alle stoffspezifischen Pyrolysedaten zusammen

mit den Yield-Werten der Rauchgaszusammensetzung stoffspezifische einstufige

Reaktionsgleichungen in Ansys-CFX implementiert werden.

Zur vollständigen Implementierung der Verbrennungsreaktion muss noch der Beginn des

Verbrennungsprozesses für das Verbrennungsmodell bestimmt werden. Dazu dienen Angaben

zu Entflammungstemperaturen der jeweiligen Stoffe (Zündung mit Pilotflamme), die als Wert

für die Extinktionstemperatur eingetragen werden. Damit dienen diese Temperaturangaben als

Grenztemperatur für das verwendete Verbrennungsmodell, unterer derer das

Verbrennungsmodell nicht mehr aktiv ist.

4. Validierung

Mithilfe von Cone-Kalorimeter-Tests wurde das Abbrandverhalten verschiedener

Probenmaterialen untersucht. Dabei wurden je Material mindestens drei Proben untersucht,

um eine hinreichende Sicherheit der Messergebnisse zu erreichen. Anschließend wurden die

ermittelten stoffspezifischen Werte wie bspw. Wärmefreisetzungsrate,

Kohlenmonoxidausbeute und Massenabbrandrate als arithmetisches Mittel in die

Verbrennungssimulation übernommen.

Gleichzeitig sollten die durchgeführten Cone-Kalorimeter-Tests als Validierung für das

implementierte Modell der Oberflächen- und Gasphasenreaktion sowie für die gesamten

vorgenommenen physikalischen Randbedingen und Submodelle dienen. Dazu wurde der

Verbrennungs- und Rauchabzugsbereich der Cone-Kalorimeter-Apparatur als Geometrie

erstellt, vernetzt und die Verbrennung der verschiedenen Materialen simuliert und mit Daten

aus dem Cone-Kalorimeter-Tests verglichen. Als Vergleichsgrundlage dienten die Messwerte

aus zwei verschiedenen Messstellen im Bereich der Rauchabführung. Hier waren Messstellen

für die Messung der Kohlenmonoxidkonzentration (CO) und der Temperaturmessung gemäß

ISO 5660 installiert.

Das in der Simulation genutzte Verbrennungsmodell (Eddy-Dissipation-Modell, EDM)

berechnet unter anderem die Wärmefreisetzung, welche bei der Reaktion der Reaktanden in

der Gasphase zu erwarten ist. Die Wärmefreisetzung aus dem Brandgut, die bei der

Verbrennung von Feststoffen ebenfalls entscheidend zur experimentell ermittelten

Wärmefreisetzungsrate eines Stoffes beiträgt, bleibt jedoch unberücksichtigt. Damit ist es für

die Simulation notwendig den Anteil der experimentell ermittelten Wärmefreisetzungsrate zu

bestimmen, der in der Simulation als flächenspezifischer Wärmestrom aus der

Brandgutoberfläche austritt.

Der Hintergrund dieser Herangehensweise liegt im Ansatzes einer idealen Plume [9] [10] .

Die beschreibt, dass nicht die gesamte Menge der Wärmefreisetzungsrate an der Entwicklung

der Flammentemperatur beteiligt ist. Der Grund liegt dafür in der Zusammensetzung von

konvektiven und strahlenden Anteilen der Wärmefreisetzungsrate. In der CFD-Simulation

wird der konvektive Anteil durch Reaktandenreaktion in der Gasphase (Verbrennungsmodell)

und der Strahlungsanteil durch den Wärmestrom aus der Brandgutoberfläche des umgebenden

Fluids bestimmt.

Neben der Ermittlung des Anteils der experimentell ermittelten Wärmefreisetzungsrate als

Wärmestrom aus der Brandgutoberfläche wurde ein weiterer entscheidender Punkt mithilfe

der Simulation der Cone-Kalorimeter-Tests hinsichtlich des verwendeten

Verbrennungsmodells ermittelt.

Das verwendete EDM-Verbrennungsmodell besitzt nach [11] den Nachteil, dass es in

Bereichen der endlichen Chemie den Brennstoffverbrauch überschätzt und damit stark

überhöhte Temperaturen ermittelt, als es in der Realität der Fall ist. Dieser Umstand ist durch

die Verwendung einer vorgegeben maximalen Verbrennungstemperatur (Tmax), bei der das

Modell die Umsetzung automatisch einstellt, beherrschbar.

Dahingehend wurde für jeden Feststoff, dessen Cone-Kalorimeter-Tests simuliert wurde, eine

Parameterstudie durchgeführt, in denen die maximalen Verbrennungstemperaturen und der

Anteil der experimentell ermittelten Wärmefreisetzungsrate als Wärmestrom aus der

Brandgutoberfläche variiert wurde.

Als Vergleichsbasis diente die Zeitspanne der flammenden Verbrennung des Feststoffes

(flaming phase) in denen die Messstellen im Cone-Kalorimeter Messwerte für CO-

Konzentration und Temperatur aufzeichneten. Das Ergebnis des arithmetischen Mittels der

jeweiligen Messwerte wurde mit den Ergebnissen aus der Simulation verglichen.

Abbildung 3 zeigt die Temperaturverteilung einer stationären Simulationsrechnung nach

Erreichen des Konvergenzkriteriums für die flammende Verbrennung einer Probe

Polypropylen in einem Schnitt in der x-y-Ebene durch die Verbrennungszone des Cone-

Kalorimeters.

Abbildung 3: Zweidimensionale Temperaturverteilung nach Erreichen des

Konvergenzkriteriums für die flammende Verbrennung von Polypropylen

Je nach Variation der beschriebenen Parameter konnten Abweichung von den Messwerten

dokumentiert werden. Die Parameter, welche die geringsten Abweichungen zu den

experimentellen Daten lieferten, wurden unveränderlich in die Datenbasis der

benutzerdefinierte Routinen aufgenommen und bildeten die Validierungsbasis für die

stoffspezifischen Modelle und Routinen in Ansys-CFX.

Um die geringste Abweichung bestimmen zu können, wurde ein Fehlerquotient (𝐴𝐵 ⃡ )

berechnet. Die mathematische Grundlage zur Berechnung des Fehlerquotienten bildet die

Grenzwertbetrachtung der Differenzen zwischen den Ergebnissen der Messwerten und der

Simulationen. Damit wurde eine vektorielle Notation im Sinne einer Varianz erzeugt.

Allgemein berechnet sich der Fehlerquotient wie folgt:

(𝐴𝐵 ⃡ ) = √(𝜗𝐶𝑜𝑛𝑒 − 𝜗𝑆𝑖𝑚)2 + (𝑐𝐶𝑂𝐶𝑜𝑛𝑒 − 𝑐𝐶𝑂𝑆𝑖𝑚)2

Abbildung 4: Ergebnisse der Parametervariation für die Cone-Kalorimter-Simulationen von

Polyurethan in Bezug auf die Abweichung zwischen Experiment und Simualtion

Die Abbildung 4 zeigt eine beispielhafte Auswahl der Parameterstudie von Polyurethan. Der

grüne Balken gibt den Wert mit dem kleinsten Fehlerquotienten wieder. Die entsprechende

Parameter werden in die benutzerdefinierte Routinen fest integriert und bilden die

Validierungsbasis für die Verbrennungssimulation von Polyurethan für weiterführende

Simulation mit Ansys-CFX.

5. Schlussfolgerung

Mit den vorliegenden Routinen wurde für Ansys-CFX eine Modifikation geschaffen, um

Oberflächenreaktionen von Materialen (Bildung von Pyrolysegasen) sowie die

Verbrennungsreaktion in der Gasphase für verschiedene feste Ausgangsstoffe zu

berücksichtigen und erweiternd in die Mehrzweck-Fluiddynamik-Software zu

implementieren.

Diese Modellerweiterung wurde durch den Vergleich mit Daten zu Verbrennungsversuchen

am Cone-Kalorimeter, welches als Prüfapparatur zur Bestimmung von

brandschutztechnischen Materialeigenschaften standardisiert Verwendung findet, validiert.

Das vorliegende Pyrolysemodell schafft damit die Möglichkeit mit Ansys-CFX die

Branddynamik von Realbrandereignissen genauer als bisher möglich zu simulieren.

Allerdings ist bei der Simulation von Brandereignissen in geschlossenen Räumen

(Wohnräume, Gewerberäume), die vor allem nach der Flashover-Phase durch unterventilierte

Verhältnisse geprägt sind, zu erwarten, dass mit dem vorliegenden Modell die berechneten

Schadgaskonzentrationen (bspw. von CO) und die Gastemperaturen in der Postflashover-

Phase von Messungen in Realbrandversuchen abweichen werden. Dies beruht vor allem auf

der Randbedingung, dass das vorliegende Modell aus Daten von Probenversuchen am Cone

Kalorimeter erstellt wurde. Bei den Probenuntersuchungen am Cone Kalorimeter liegt ein

nahezu stöchiometrisches Verbrennungsluftverhältnis (λ≈1) vor, was sich zum einen aus den

gemessenen Daten zur vorhanden Sauerstoffkonzentration bei den vorliegenden Versuchen

ableiten lässt. Zum anderen lässt sich die nahezu stöchiometrische Verbrennung des

Feststoffes an den niedrigen Rauchgasausbeuten von Gasen, die für eine unvollständige

Verbrennung typisch sind (bspw. CO), ableiten. Dadurch wird vom zu untersuchenden

Material eine Spezies-Ausbeute (Yield-Faktor) erzielt, die sich von unterventilierten

Verbrennungsverhältnissen wesentlich unterscheidet. So beträgt bspw. der CO-Yield von PUR

in Versuchen am Cone Calorimeter 0,01- 0,05 kg/kg [3] [6] [12] und bei unterventilierten

Verhältnissen 0,075-0,25 kg/kg nach [12] [13].

Es ist ebenfalls zu erwarten, dass die Gastemperaturen in der Postflashover-Phase der

Simulation höher liegen werden als bei Messungen in Realbrandversuchen. In der Simulation

liegt durch das verwendete Verbrennungsmodell eine Ein-Phasen-Reaktion vor, die eine

stöchiometrische Reaktion zugrunde legt. Dementsprechend wird so lange wie Sauerstoff im

Brandraum vorhanden ist, diese stöchiometrisch Reaktion stattfinden und die entsprechenden

Verbrennungstemperaturen berechnet werden. Der Umstand, dass im ventilationsgesteuerten

Realbrandereignis sich das stöchiometrische Verhältnis verschiebt und was auch u.a. zu einer

Absenkung der Verbrennungstemperatur führt, wird in der Simulation nicht berücksichtigt.

Vor allem in der Brandentstehungsphase, wenn bei einem Raumbrand noch

brandlastgesteuerte Verhältnisse vorliegen, bildet das vorliegende Modell den

Temperaturverlauf qualitativ ab. Dies konnte in [14] nachgewiesen werden. Besonders in der

Brandentstehungsphase bis zum Flashover ist die Bewertung der Personensicherheit wichtig,

um Aussagen über eine mögliche Eigen- und Fremdrettung treffen zu können.

Literaturverzeichnis

[1] R. F. Gould, Stabilization and Degradation of Polymers, American Chemical Society,

1978.

[2] H.-D. Steinleiter, Brandschutz- und Sicherheitstechnische Kennwerte gefährlicher Stoffe,

Berlin: Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, 1988.

[3] S.-K. Hahn und A. Saupe, „Cone Calorimeter Test Report,“ Hochschule Magdeburg-

Stendal, Magdeburg, 2013.

[4] V. Babrauskas, Ignition Handbook, Mattresses: Fire Science Publishers, 2001.

[5] National Bureau of Standards, „Fire Performance of Furnishings As Measured in the

NBS Furniture Calorimeter. Part I,“ U.S. Department of Commerce, Washington, DC,

1984.

[6] Society of Fire Protection Engineers, The SFPE Handbook of Fire Protection

Engineering, 4 Hrsg., N. F. P. A. (NFPA), Hrsg., Ouincy, Messachusetts, 2008.

[7] V. Babrauskas und J. Krasny, Fire Behavior of Upholstered Furniture, Gaithersburg:

National Bureau of Standards, 1985.

[8] S. Nowlen, Quantitative Data on the Fire Behavior of Combustible Materials Found in

Nuclear Power Plants: A Literature Review, Albuquerque. New Mexico: U. S. Nuclear

Regulatory Commission, 1987.

[9] Q. J. Karlsson B., Enclosure Fire Dynamics, London, New York, Washington, D.C.: CRC

Press LLC, 2000.

[10] D. Drysdale, An introduction to fire dynamics, Hoboken, N.Y.: John Wiley & Sons Ltd,

2011.

[11] B. F. Magnussen, The Eddy Dissipation Concept - A Bridge Between Science And

Technology, Lisbon: ECCOMAS Thematic Conference on Computational Combustion,

2005.

[12] F. Reisen, Inventory of major materials present in and around houses and their

combustion emission products, Aspendale, Vic: Bushfire CRC, 2010.

[13] K. Buff und H. Freim, Zivilschutz-Forschung (25): Abschätzung der gesundheitlichen

Folgen von Großbränden, Bonn: Bundesamt für Zivilschutz, 1997.

[14] S. Schubert, „Vergleich verschiedener Brandszenarien im Hinblick auf die

Personengefährdung,“ in Tagungsbericht - 4. Magdeburger Brand- und

Explosionsschutztag, Magdeburg, 2015.

[15] S. L. Madorsky, S. Straus, D. Thompson und L. Williamson, „Pyrolysis of Polyisobutene

(Vistanex), Polyisoprene, Polybutadiene, GR-S, and Polyethylene in a High Vacuum,“ in

Research Paper RP1989, Vol 42, Washington, National Bureau of Standards, 1949.