Brauchen Tiere Arzneimittel? - bft-online.de · genden Erkrankungen um eine bakteri-elle...

4
im Blickpunkt Berichte aus der Tiergesundheitsindustrie in Europa TIER GESUNDHEIT 66 / Juni 2011 Kommentar 25 Jahre BfT A m 10. September 1986 wurde in Frankfurt der Bundesverband für Tiergesundheit gegründet. „Damit wurde eine notwendige strukturelle und organisatorische Anpassung an internationale Gegebenheiten auf dem Gebiet der Tiergesundheit vollzogen“, wie es in der Mitteilung zur Gründung heißt. Seit dieser Zeit hat die Industrie eine Reihe von markanten Innovatio- nen im Tierarzneimittel- und Impf- stoffbereich entwickelt und auf den Markt gebracht. Die vorliegende Aus- gabe des Blickpunktes beschäftigt sich ausführlich damit. Einige Beobachtungen jedoch stimmen nachdenklich. Während sich das Wachs- tum der – nach wie vor kleinen – Industrie stetig entwickelt hat, halbierte sich die Anzahl der international tätigen forschungsorientierten Firmen. Diese Fusionen sind nötig, um die Innova- tionskraft der Tiergesundheitsindustrie zu erhalten. Auf der im Inneren der Ausgabe dargestellten Grafik zu den Meilensteinen der Tierarzneimittel- entwicklung seit Mitte der 80er Jahre fehlen dennoch beispielsweise neue Antibiotikaklassen. Sie fehlen nicht aus Opportunität, sondern weil seit der Einführung der Fluorchinolone vor fast 30 Jahren für die Veterinär- medizin keine neue Substanzklasse mehr entwickelt wurde. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein wichtiger Grund für das Einstellen von Forschungsaktivitäten sind zu restriktive Rahmenbedingungen. Wenn die Betrachtung der Risikominimierung und die überbetonte Berücksichtigung „gefühlter“ Ängste die rationale Nutzen- Risikobewertung dominieren, ent- wickelt sich ein forschungsfeindliches Umfeld. Es bleibt zu hoffen, dass es in den nächsten Jahren gelingt, berechtigte Forderungen nach der Sicherheit von Tierarzneimitteln in Einklang zu bringen mit innovationsfreundlicheren Bedin- gungen. Nur dann kann die Tierarz- neimittelindustrie neue, wirksame und sichere Produkte entwickeln. (ms) BfT-Festsymposium zum 25-jährigen Bestehen Brauchen Tiere Arzneimittel? schen tierärztlichen Ausbildungsstätte in Europa, 1761 in Lyon, und der Ent- wicklung von auf wissenschaftlicher Forschung basierenden Tierarzneimitteln war es ein weiter Weg. In der anschließenden Podiumsdis- kussion mit Vertretern aus Tierärzte- schaft, Landwirtschaft, Industrie und Politik war die zentrale Frage dann auch folgerichtig „Brauchen Tiere Arzneimittel?“ Die Antwort hierauf war ein uneingeschränktes Ja. „Wer für Tierschutz ist, kann nicht gegen Tierarzneimittel sein“, brachte es der Präsident des Deutschen Bauernver- bandes Gerd Sonnleitner auf den Punkt. Auch Dr. Joachim Götz, Präsident des bpt, stellte fest, der Tierarzt brauche zur Behandlung von Tieren nicht nur das Wissen und die praktische An- wendung, sondern auch Tierarznei- mittel. „Tierärztliches Wissen und Tierarzneimittel gehören zusammen.“ Die eher kritische Wahrnehmung der Arzneimittelanwendung bei Nutz- tieren in der Öffentlichkeit wurde von Michael Goldmann, MdB, vor allem darauf zurückgeführt, dass die Be- völkerung die Landwirtschaft immer seltener auch aus eigener Anschauung kennt. Hier sei Aufklärung gefragt. Dieses gilt in noch viel stärkerem Maße für die Anwendung neuer Me- thoden wie der Gentechnologie, die zur Bewältigung künftiger Heraus- forderungen, beispielsweise durch neue Seuchen, eine Schlüsselrolle ein- nimmt. Z ahlreiche Gäste aus Parlament, Behörden, Politik und Wirt- schaft begrüßte der Präsident des Bundesverbandes für Tiergesundheit Dr. Dieter Schillinger am 26. Mai in Berlin bei einem Festsymposium zum 25-jährigen Bestehen des Verbandes. Tierarzneimittel und Tiergesundheit – gestern, heute und morgen, so lässt sich das Themenspektrum zusammen- fassen. Eine Spreefahrt und ein fest- liches Abendessen in der Orangerie des Schlosses Charlottenburg rundeten die Veranstaltung ab. Staatssekretär Dr. Robert Kloos betonte in seinem Grußwort die Bedeutung der Branche für die Tiergesundheit, aber auch für die Gesundheit des Menschen. „Kranke Tiere müssen ohne Wenn und Aber behandelt werden“, so sein State- ment. Die Gewinnung gesunder Lebens- mittel aus artgerecht gehaltenen Tieren bleibe die zentrale Aufgabe der Land- wirtschaft. Auch die Wirtschaftlichkeit müsse dabei gegeben sein. Einen Überblick über 4.000 Jahre Geschichte der Veterinärmedizin, 250 Jahre tiermedizinischer Ausbildung und 25 Jahre BfT gab der Festredner Prof. Dr. Dr. Johann Schäffer, Tierärztliche Hochschule Hannover. Geburtshilfe, Chirurgie und Arzneitherapie, die klassischen Untersuchungsmethoden Adspektion und Palpation sowie Diagnose und Therapie wurden bereits im Veterinärpapyrus von El Lahun um 1850 v. Chr. in der Literatur erwähnt. Bis zur Gründung der ersten akademi- Festsymposium. Im voll besetzten Vortragssaal konnten die Gäste einen spannenden und unterhalt- samen Festvortrag und eine lebhafte Podiumsdiskussion genießen.

Transcript of Brauchen Tiere Arzneimittel? - bft-online.de · genden Erkrankungen um eine bakteri-elle...

Page 1: Brauchen Tiere Arzneimittel? - bft-online.de · genden Erkrankungen um eine bakteri-elle Erkrankung, die durch Zecken übertragen wird, erweitert. Blickpunkt: Welche Schwerpunkte

imBlickpunkt

Berichte aus der Tiergesundheitsindustrie in Europa

TIER GESUNDHEIT66 / Juni 2011

Kommentar

25 Jahre BfT

Am 10. September 1986 wurde inFrankfurt der Bundesverband

für Tiergesundheit gegründet. „Damitwurde eine notwendige strukturelleund organisatorische Anpassung aninternationale Gegebenheiten auf demGebiet der Tiergesundheit vollzogen“,wie es in der Mitteilung zur Gründungheißt. Seit dieser Zeit hat die Industrieeine Reihe von markanten Innovatio-nen im Tierarzneimittel- und Impf-stoffbereich entwickelt und auf denMarkt gebracht. Die vorliegende Aus-gabe des Blickpunktes beschäftigt sichausführlich damit.

Einige Beobachtungen jedoch stimmennachdenklich. Während sich das Wachs-tum der – nach wie vor kleinen –Industrie stetig entwickelt hat, halbiertesich die Anzahl der international tätigenforschungsorientierten Firmen. DieseFusionen sind nötig, um die Innova-tionskraft der Tiergesundheitsindustriezu erhalten. Auf der im Inneren derAusgabe dargestellten Grafik zu denMeilensteinen der Tierarzneimittel-entwicklung seit Mitte der 80er Jahrefehlen dennoch beispielsweise neueAntibiotikaklassen. Sie fehlen nichtaus Opportunität, sondern weil seitder Einführung der Fluorchinolonevor fast 30 Jahren für die Veterinär-medizin keine neue Substanzklassemehr entwickelt wurde.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Einwichtiger Grund für das Einstellenvon Forschungsaktivitäten sind zurestriktive Rahmenbedingungen. Wenndie Betrachtung der Risikominimierungund die überbetonte Berücksichtigung„gefühlter“ Ängste die rationale Nutzen-Risikobewertung dominieren, ent-wickelt sich ein forschungsfeindlichesUmfeld.

Es bleibt zu hoffen, dass es in dennächsten Jahren gelingt, berechtigteForderungen nach der Sicherheit vonTierarzneimitteln in Einklang zu bringenmit innovationsfreundlicheren Bedin-gungen. Nur dann kann die Tierarz-neimittelindustrie neue, wirksame undsichere Produkte entwickeln. (ms) �

• BfT-Festsymposium zum 25-jährigen Bestehen

Brauchen Tiere Arzneimittel?

schen tierärztlichen Ausbildungsstättein Europa, 1761 in Lyon, und der Ent-wicklung von auf wissenschaftlicherForschung basierenden Tierarzneimittelnwar es ein weiter Weg.

In der anschließenden Podiumsdis-kussion mit Vertretern aus Tierärzte-schaft, Landwirtschaft, Industrie undPolitik war die zentrale Frage dannauch folgerichtig „Brauchen TiereArzneimittel?“ Die Antwort hieraufwar ein uneingeschränktes Ja. „Wer fürTierschutz ist, kann nicht gegenTierarzneimittel sein“, brachte es derPräsident des Deutschen Bauernver-bandes Gerd Sonnleitner auf den Punkt.Auch Dr. Joachim Götz, Präsident desbpt, stellte fest, der Tierarzt brauchezur Behandlung von Tieren nicht nurdas Wissen und die praktische An-wendung, sondern auch Tierarznei-mittel. „Tierärztliches Wissen undTierarzneimittel gehören zusammen.“

Die eher kritische Wahrnehmung derArzneimittelanwendung bei Nutz-tieren in der Öffentlichkeit wurde vonMichael Goldmann, MdB, vor allemdarauf zurückgeführt, dass die Be-völkerung die Landwirtschaft immerseltener auch aus eigener Anschauungkennt. Hier sei Aufklärung gefragt.

Dieses gilt in noch viel stärkeremMaße für die Anwendung neuer Me-thoden wie der Gentechnologie, diezur Bewältigung künftiger Heraus-forderungen, beispielsweise durchneue Seuchen, eine Schlüsselrolle ein-nimmt. �

Z ahlreiche Gäste aus Parlament,Behörden, Politik und Wirt-

schaft begrüßte der Präsident desBundesverbandes für TiergesundheitDr. Dieter Schillinger am 26. Mai inBerlin bei einem Festsymposium zum25-jährigen Bestehen des Verbandes.Tierarzneimittel und Tiergesundheit– gestern, heute und morgen, so lässtsich das Themenspektrum zusammen-fassen. Eine Spreefahrt und ein fest-liches Abendessen in der Orangeriedes Schlosses Charlottenburg rundetendie Veranstaltung ab.

Staatssekretär Dr. Robert Kloos betontein seinem Grußwort die Bedeutung derBranche für die Tiergesundheit, aberauch für die Gesundheit des Menschen.„Kranke Tiere müssen ohne Wenn undAber behandelt werden“, so sein State-ment. Die Gewinnung gesunder Lebens-mittel aus artgerecht gehaltenen Tierenbleibe die zentrale Aufgabe der Land-wirtschaft. Auch die Wirtschaftlichkeitmüsse dabei gegeben sein.

Einen Überblick über 4.000 Jahre Geschichte der Veterinärmedizin, 250Jahre tiermedizinischer Ausbildung und25 Jahre BfT gab der Festredner Prof. Dr. Dr. Johann Schäffer, TierärztlicheHochschule Hannover. Geburtshilfe,Chirurgie und Arzneitherapie, die klassischen UntersuchungsmethodenAdspektion und Palpation sowieDiagnose und Therapie wurden bereitsim Veterinärpapyrus von El Lahun um1850 v. Chr. in der Literatur erwähnt.Bis zur Gründung der ersten akademi-

Festsymposium.Im voll besetzten Vortragssaal konnten die Gäste einen spannenden und unterhalt-samen Festvortrag und eine lebhafte Podiumsdiskussion genießen.

Page 2: Brauchen Tiere Arzneimittel? - bft-online.de · genden Erkrankungen um eine bakteri-elle Erkrankung, die durch Zecken übertragen wird, erweitert. Blickpunkt: Welche Schwerpunkte

TIERGESUNDHEIT im Blickpunkt 66 / Juni 20112

D er Bundesverband für Tierge-sundheit (BfT) hat vor wenigen

Tagen sein 25-jähriges Bestehen gefeiert.Der Blickpunkt sprach mit Dr. DieterSchillinger, Merial und Präsident desBfT, über Erfolge der Tiergesundheits-industrie und künftige Entwicklungen.

Blickpunkt: Herr Dr. Schillinger, Sieüberblicken 25 Jahre in der Tierge-sundheitsindustrie. Was waren ausIhrer Sicht die Meilensteine? WelcheErfolgsgeschichten gibt es?

Dr. Schillinger: Ja, es ist richtig, auchich bin seit 25 Jahren in der Tiergesund-heitsindustrie tätig. In dieser Zeit be-gann der Aufstieg der Avermectine, denersten Wirkstoffen, die gleichzeitig ge-gen Magen-Darm- und Lungenwürmerals auch gegen Parasiten der Haut, beispielsweise Räudemilben und Läusebei Rind und Schwein, wirkten.Ebenfalls vor 25 Jahren wurde dieAujeszky-Pflichtimpfung bei Schweineneingeführt, die damals zum ersten Malmit gendeletierten Markerimpfstoffendurchgeführt werden konnte und letzt-endlich in Deutschland zur Tilgung derKrankheit geführt hat.

In der Folge wurden mit Mykoplasmen-,PRRS- und Circo-Impfstoffen beimSchwein Prophylaxemaßnahmen einge-führt, die die Gesundheit in der Schweine-haltung deutlich verbessert haben. Einbesonderer Meilenstein war aber natür-lich auch die extrem schnelle Verfüg-barkeit von Blauzungenimpfstoffennach Ausbruch der Erkrankung beiWiederkäuern in Deutschland.

Blickpunkt: In der Öffentlichkeit kri-tisch diskutiert werden derzeit der Ein-satz von Antibiotika und auch Fragendes Tierschutzes. Welchen Beitrag kanndie Tiergesundheitsindustrie hier leisten?

Dr. Schillinger: Wo Infektionskrank-heiten nicht mit Impfstoffen vorgebeugtwerden kann, spielen Antibiotika auchweiterhin eine wichtige Rolle, um Tier-gesundheit und Tierschutz sicherzustellen.Moderne Wirkstoffe haben die Effizienzder antibiotischen Therapie deutlich ver-bessert. Selbstverständlich ist es, dass wirzusammen mit den Tierärzten um einenverantwortlichen Einsatz bemüht sind.

Eine wirkliche Innovation – auch imSinne des Tierschutzes – ist die imJahre 2009 eingeführte Impfung zurVermeidung des Ebergeruches beim

Schwein. Hiermit steht eine Ersatz-methode für die blutige Kastration vonFerkeln zur Verfügung. Auch bei derSchmerztherapie wurden mit der Ent-wicklung moderner nicht-steroidalerEntzündungshemmer wesentliche Fort-schritte erreicht. Dies gilt sowohl fürNutz- als auch für Hobbytiere.

Blickpunkt: Welche weiteren Entwick-lungen gab es im Kleintier-Bereich?Was waren die größten Erfolge?

Dr. Schillinger: Neue diagnostische,chirurgische und therapeutische An-sätze haben dazu geführt, dass Hundeund Katzen bei guter Gesundheit immerälter werden. Dieser Innovationsschub inder Kleintiermedizin wurde von zahl-reichen Neuentwicklungen im BereichTierarzneimittel begleitet. So begannim Jahre 1995 der Einzug der ACE-Hemmer zur Behandlung der Herzin-suffizienz bei Hunden – auch eineStandardtherapie beim Menschen. Eben-so verhält es sich mit der Behandlungdes Diabetes beim Hund mit Insulin.

Eine Revolution bei der Floh- undZeckenbekämpfung von Kleintieren wardie Einführung von Spot-on-Formulie-rungen. Durch Auftropfen auf das Fellliegt eine einfache und effektive An-wendung von parasitären Wirkstoffen vor.

Blickpunkt: Wie sieht es bei den Klein-tieren im Impfstoffbereich aus? Washat sich hier verändert?

Dr. Schillinger: Auch im Impfstoff-bereich sind erfolgreiche Entwicklungen

umgesetzt worden. Kombinationsimpf-stoffe erleichtern durch einmaligeImpfung sozusagen einen „Rundum-schutz“. Die Einführung von Borreliose-Impfstoffen für den Hund hat dasSpektrum der durch Impfung vorzubeu-genden Erkrankungen um eine bakteri-elle Erkrankung, die durch Zeckenübertragen wird, erweitert.

Blickpunkt: Welche Schwerpunkte undHerausforderungen für die Tiergesund-heitsindustrie sehen Sie für die Zukunft?

Dr. Schillinger: „Klein in Größe, großin Wirkung“, so würde ich die Bedeutungder Tiergesundheitsindustrie beschreiben.Der weltweite Umsatz unserer Industriebeträgt nur etwa zwei Prozent dessender Humanmedizin. Aber mit denAuswirkungen, die unsere Impfstoffeund Arzneimittel auf Tiergesundheit,Tierschutz und öffentliche Gesundheitsowie auf eine wirtschaftliche Produk-tion von tierischen Lebensmitteln haben,ist die Wirkung vielfältig und umfassend.

Eine große Herausforderung für die Zu-kunft ist das Auftreten von Krankheiten,die derzeit noch nicht von Bedeutung inDeutschland sind, beispielsweise Afrika-nische Schweinepest, Rifttal Fieber, neueStämme des Blauzungenvirus, Afrika-nische Pferdepest oder West Nil Fieber. �

Die Tiergesundheitsindustrie „Klein in Größe, groß in Wirkung“• Eine 25-jährige Erfolgsgeschichte

Das aktuelle Interview

BfT

1985 1990 1995 2000 2005 2010

Avermectine

Markerimpfstoffe gegen Aujeszky

Festlegung von Rückstandshöchstmengen (MRLs)

ACE-Hemmer

Insulin für Hunde

Spot-ons zur Floh- und Zeckenbehandlung

Mykoplasmen- und PRRS-Impfstoffe beim Schwein

IBR-Marker-Impfstoffe

neue NSAIDs

Borreliose-Impfstoffe beim Hund

Ileitis- und Circo-Impf-stoffe beim Schwein

Blauzungenimpfstoffe

Impfung gegenEbergeruchEinführung neuer Produkte

in der Veterinärmedizin

Page 3: Brauchen Tiere Arzneimittel? - bft-online.de · genden Erkrankungen um eine bakteri-elle Erkrankung, die durch Zecken übertragen wird, erweitert. Blickpunkt: Welche Schwerpunkte

TIERGESUNDHEIT im Blickpunkt 66 / Juni 2011 3

BfT

Tierarzneimittelmarkt 2010 in Deutschland• Fortgesetztes, aber abgeschwächtes Wachstum in nahezu allen Segmenten

Das Aussetzen der Pflichtimp-fung gegen die Blauzungen-

krankheit war ein wesentlicherGrund für das abgeschwächteWachstum des Tierarzneimittel-marktes im Jahr 2010. Nach 4,2Prozent im Jahr 2009 wuchs derMarkt im vergangenen Jahr ledig-lich um 3,8 Prozent.

Innerhalb des Biologikasegmentes,das Sera und Impfstoffe umfasst,zeigten Schweineimpfstoffe dagegenerneut ein gutes Wachstum. Impf-stoffe für Hunde konnten ebenfallseinen Zuwachs erzielen.

Das Antiinfektivasegment zeigte wieim vergangenen Jahr eine schwacheEntwicklung. Lediglich im Bereichder Injektionsantibiotika und derMastitisprodukte konnte ein Plus vonrund drei Prozent verzeichnet werden.

Der Umsatz der oral zu verabreichen-den Antibiotika, der seit mehrerenJahren stagniert, schrumpfte im ver-gangenen Jahr wiederum um ein Pro-zent. Insgesamt wuchs der TeilmarktAntiinfektiva im Jahr 2010 um rund zwei Prozent.

Bei den Arzneimitteln gegen innereund äußere Parasiten kam es zu einerdeutlichen Markterweiterung bei einemsehr guten Wachstum der Wurm- undEktoparasitenmittel für Hobbytiere.Diese Erweiterung basiert auf neuenProdukten und einer Intensivierungder Entwurmungsfrequenz. Insgesamtzeigte das Antiparasitikasegment eineZunahme um rund fünf Prozent.

Bei den pharmazeutischen Speziali-täten waren es im Wesentlichenschmerz- und entzündungshemmendeProdukte sowie Produkte zur Be-handlung des Ohres, die zu einemguten Wachstum des Marktes führten.Insbesondere auch die intensivereAnwendung der Schmerztherapie beiGroß- und Kleintieren trug zu derSteigerung von sieben Prozent in dementsprechenden Segment bei.

Das stärkere Wachstum der Hobby-tierprodukte im vergangenen Jahrführte zu einer weiteren Umsatz-angleichung der beiden Bereiche. Die Verteilung Hobbytiere zu Nutz-tiere wird auf 49 zu 51 Prozent desMarktes geschätzt. �

BundesrepublikDeutschland 2009 2010

Rinder, gesamt 12,9 12,7davon Milchkühe 4,2 4,2

Schweine, gesamt 26,8 26,9davon Zuchtsauen 2,2 2,2

Schafe, gesamt 2,4 2,1davon Zuchtschafe 1,4 1,4

Broiler Einstallungen 636,0 707,8

Legehennen 26,8 29,9

Hunde 5,5 5,4

Katzen 8,2 8,2

Pferde 1,0 1,0

Quelle: Statistisches Bundesamt, Zählung zum Jahresende,Schafe Mai 2009/März 2010; Broiler MEG/StatistischesBundesamt; Hund, Katze, Pferd eigene Schätzung

Tierbestand in Deutschland 2009 - 2010 in Mio.

BfT-Vorstand neu gewähltA ls Präsident wurde Dr. Dieter

Schillinger, Merial, wieder-gewählt.

Jörg Hannemann, Virbac, wurde zumVizepräsidenten gewählt, Armin Thur,aniMedica übernahm das Amt desSchatzmeisters. Ebenfalls wiederge-wählt wurde Hubert Papp, BoehringerIngelheim Vetmedica. Neue Mitgliederdes Vorstandes sind Dr. Daniel Sicher,Intervet Deutschland und Dr. GerfriedZeller, Albrecht. �

Tierarzneimittelmarkt 2010

Der neue Vorstand.v.li.: Hubert Papp, Armin Thur, Dieter Schillinger, Gerfried Zeller, Jörg Hannemann, Daniel Sicher.

Page 4: Brauchen Tiere Arzneimittel? - bft-online.de · genden Erkrankungen um eine bakteri-elle Erkrankung, die durch Zecken übertragen wird, erweitert. Blickpunkt: Welche Schwerpunkte

TIERGESUNDHEIT im Blickpunkt 66 / Juni 20114

Impressum:

Herausgegeben vom Bundesverband für Tiergesundheit e.V. (BfT), Mitglied des europäischen VerbandesIFAH-Europe und des Weltverbandes IFAH.

Konzept und Realisierung: agro-kontakt GmbH, Nörvenich.

Nachdruck – auch auszugsweise – ohneGenehmigung des Herausgebers erlaubt;Quellenangabe und Beleg erbeten.

V.i.S.d.P.: Dr. Martin Schneidereit (ms),Bundesverband für Tiergesundheit,Schwertberger Straße 14, 53177 Bonn, Telefon: 02 28/ 318296,e-mail: [email protected]

Fotos: BfT

BfT

D ie Akademie für Tiergesund-heit hatte in diesem Frühjahr

nationale und internationale Ver-treter aus Wissenschaft, Politik,Wirtschaft, Veterinärmedizin, Öf-fentlichkeit und Landwirtschaftnach Wiesbaden-Naurod eingeladen,um einen Überblick über den aktu-ellen Stand und neue Entwicklungenin der europäischen Seuchenpolitikzu geben sowie neue Strategien zurBekämpfung von Tierseuchen zudiskutieren.

Angesichts der massiven Keulungen inden vergangenen Seuchenzügen standdie Notwendigkeit neue Wege zu be-schreiten für die Experten außer Frage.Auch die dafür benötigten Instrumente– in Form moderner Impfstoffe undneuer diagnostischer Methoden –stehen jetzt zur Verfügung. Noch aberverhindern zu viele Restriktionen, dassdiese Möglichkeiten ausgenutzt werdenkönnen.

Alternativen zur Keulung

Auf europäischer Ebene wird nachWegen gesucht, im akuten Seuchenfallauch bei hochkontagiösen Tierseuchenvon einer Impfung Gebrauch machenzu können. Als wirksames wissen-schaftliches Instrument für die Seu-chenbekämpfung wurde die Diagnostikmit ihren geradezu „revolutionären“Entwicklungen genannt. Es steht heuteeine Vielzahl von Analytikverfahren zurVerfügung, mit denen man sehr ziel-gerichtet und sehr schnell auf Erreger-suche gehen kann. Daneben tragenauch verbesserte Kommunikations-systeme zur erfolgreichen Seuchenbe-kämpfung bei. Die Übertragung vonDaten in „Echtzeit“ und die Etablierungvon Monitoring- und Surveillance-Datenbanken erlauben standardisierteepidemiologische Auswertungen, ande-re Informationssysteme ermöglichenVorhersagen zum Verlauf von Tier-seuchen oder die Beurteilung verschie-dener Bekämpfungsoptionen. DieseModelle sind deshalb so wichtig, weilStrategien zur Seuchenbekämpfungnicht „ausprobiert“ werden können.

So wurden am Beispiel der KlassischenSchweinepest verschiedene Bekämp-fungsszenarien sowie deren Kosten undErfolge unter Berücksichtigung prakti-scher Erkenntnisse berechnet. Sowohlim Sinne einer möglichst effektivenEindämmung eines Seuchengeschehens

„Die Entwicklungen in der molekularenDiagnostik von Tierseuchenerregern könnenals revolutionär bezeichnet werden“, urteilteDr. Timm Harder, Friedrich-Löffler-Institut,Insel Riems.

als auch aus wirtschaftlicher Sicht zeigtesich hier das Szenario mit Notimpfunggegenüber dem ausschließlich aufKeulung basierenden konventionellenBekämpfungsszenario als gleichwertigoder sogar überlegen.

Ja, aber ....

Neue Wege in der Seuchenbekämpfungsind nur auf internationaler Ebene undmit einem breiten Konsens der beteilig-ten Partner möglich. Eine Befragungbei den EU-Staaten zur Akzeptanz vonneuen Impf-/Diagnostikstrategien inNotfallsituationen sowie ein EU-Stra-tegiepapier wurden vorgestellt. Dem-nach herrscht grundsätzlich Überein-stimmung, dass die Notimpfung mitanschließender weiterer Nutzung derTiere eine sinnvolle Alternative zurKeulung darstellt. Das Umfrageergeb-nis machte aber auch deutlich, dass demzustimmenden „Ja“ sehr häufig ein eingrenzendes „aber“ folgt. Bedenkenseitens der Mitgliedstaaten wurdenhauptsächlich hinsichtlich Sicherheitder Impfstoffe, Zulassungsfragen undWirtschaftlichkeit sowie der Handel-barkeit geimpfter Tiere und derenErzeugnisse geäußert.

Der Dialog läuft

Die abschließende Podiumsdiskussionzeigte, dass eine Änderung der Be-kämpfungsstrategie grundsätzlich aufZustimmung stößt unter der Vorgabe,dass die Vermarktung gesunder, ge-impfter Tiere möglich ist. Einigkeitherrschte darüber, dass eine Antwortauf die Frage „Impfen statt Keulen?“ inFriedenszeiten, also möglichst schnell,gefunden werden muss. �

• Moderne Diagnostik und innovative Impfstoffe eröffnenMöglichkeiten für neue Bekämpfungsstrategien

Impfen statt Keulen? • Chemieunternehmenladen ein zum „Tag deroffenen Tür 2011“

Jahr der Chemie

D as Internationale Jahr derChemie 2011 wurde am 27.

und 28. Januar 2011 in Paris, demSitz der UNESCO, eröffnet.

Wer die spannende Welt der Chemie liveerleben möchte, der ist am 24. Sep-tember bei vielen deutschen Chemie-unternehmen und Hochschulen an derrichtigen Adresse. Dann heißt es beider deutschen Chemie: Türen auf.Beim siebten bundesweiten Tag deroffenen Tür der Chemie können dieBesucherinnen und Besucher direkt inden Produktionsbetrieben und Laborender Industrie, aber auch in vielenForschungsstätten von Hochschulenund wissenschaftlichen Institutionenerfahren, woran geforscht und was hergestellt wird. Fragen nach dem„Wer, wann und wo“ beantwortet dieInternetseitseite www.vci.de. �

• IFAH EuropeAnnual Report2010

Neu erschienen

Die Broschüre kann beider BfT-Geschäftsstelle alsprint-Version angefordertwerden, unter www.bft-online.de/publikationensteht sie auch als Down-load-Datei zur Verfügung.

• IFAH AnnualReport 2010Auch diese Broschüre istbeim BfT als print- odere-Version erhältlich.