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21/07 2014 11:11 FAX 04131152943 VERGABEKAMMER LÜNEBURG 1410002/0014 GoC 'F O't-. 't Ol8.o1. UA't Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Auf der Hude 2, 21339 Lüneburg 2ar..IU '([ 05. t:a. l'f Lüneburg, den 18.07.2014 braunundzwetkow RECHTSANWÄLTE Az.: VgK-19/2014 Z 1. JULI 2014 EINGEGANGEN ß- Beschluss ln dem Nachprüfungsverfahren der GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer , geschäftsansässig ebenda, Verfahrensbevollmächtigte: , - Antragstellerin - gegen den Landkreis vertreten durch den Landrat , , Verfahrensbevollmächtigte: wegen - Antragsgegner - de-facto-Vergabe, Dienstleistungen im Bereich Rettungsdienst hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Bei- sitzerin BOR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer, RA Woll, im schriftlichen Verfahren am 18.07.2014 beschlossen: 21/07 2014 MO 11: 20 [ SE/EM NR 9216 I 141002

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21/07 2014 11:11 FAX 04131152943 VERGABEKAMMER LÜNEBURG 1410002/0014

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Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Auf der Hude 2, 21339 Lüneburg

2ar..IU ~ 'l~ '([ ~?·. 05. t:a. ~ ~5.s8. l'f Lüneburg, den 18.07.2014

braunundzwetkow RECHTSANWÄLTE

Az.: VgK-19/2014 Z 1. JULI 2014

EINGEGANGEN ß-Beschluss

ln dem Nachprüfungsverfahren

der GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer , geschäftsansässig ebenda,

Verfahrensbevollmächtigte: ,

- Antragstellerin -

gegen

den Landkreis vertreten durch den Landrat , ,

Verfahrensbevollmächtigte:

wegen

- Antragsgegner -

de-facto-Vergabe, Dienstleistungen im Bereich Rettungsdienst

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Bei­sitzerin BOR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer, RA Woll, im schriftlichen Verfahren am 18.07.2014 beschlossen:

21/07 2014 MO 11: 20 [ SE/EM NR 9216 I 141002

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1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerio zu tragen.

3. Die Kosten werden auf 4.475 € festgesetzt.

4. Die Antragstellerio hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für den Antragsgegner notwendig.

Begründung:

I.

Der Antragsgegner hat aktuell seinen Bedarfsplan fOr den Rettungsdienstbereich des Landkreises Ernstand gemäß § 4 Abs. 6 NRettG fortgeschrieben. Dem Entwurf kann man entnehmen, dass aktuell der ( drei Rettungswachen und das ( acht Rettungswachen im Kreisgebiet betreut. ln dem Entwurf ist u. a. vorgeschlagen, insgesamt fOnf Rettungswachen zu ertOchtigen und drei neue mobile RTW-Standorte einzurichten. Die Mehrkosten für diese Maß­nahmen beziffert der Antragsgegner insgesamt auf ca. 3 Mio. € pro Jahr. Streitbe­fangen ist die kOnftige Deckung dieses Mehrbedarfs und die Auswirkungen auf die derzeit bestehenden Vertragsverhältnisse.

Die Antragstellerio ist ein privater Dienstleister im Bereich des Rettungsdienstes. Sie hatte erstmals im November 2010 bereits gegenOber dem Antragsgegner ihr Interes­se bekundet, in Zukunft Leistungen des bodengebundenen Rettungsdienstes fOr den Antragsgegner zu erbringen und gefordert, die Antragstellerio an entsprechenden Ausschreibungen zu beteiligen. Aufgrund eines Zeitungsartikels in der örtlichen Presse am 23.05.2014 Ober die Sitzung des Feuerwehrausschusses, in dem der Plan vorgestellt worden war, sah sich die Antragstellerio veranlasst, mit Schreiben vom 28.05.2014 nochmals ihr Interesse an der DurchfOhrung der streitgegenständli­chen Dienstleistungen zu bekunden. Der Antragsgegner teilte ihr mit Schreiben vom 06.06.2014 mit, dass der Kreistag noch nicht Ober den Bedarfsplan fOr den Ret­tungsdienstbereich des Landkreises entschieden hat. Er bat um Verständnis, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt war, ob und ggf. in welchem Umfang eine Bedarfsveränderung vorzunehmen ist. Er teilte mit, dass erst anschließend etwaige Umsetzungsschritte zu planen sind.

Mit Schreiben vom 10.06.2014 ragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin, jetzt Verfahrensbevollmächtigter, die "rechtswidrige De-facto-Vergabe" im Bereich des Rettungsdienstes und bewarb sich erneut auch um die Vergabe von Interimsaufträ­gen im Bereich des Rettungsdienstes. Die Antragstellerin führt aus, dass sie der Presse entnommen habe, dass der Antragsgegner im Rahmen einer freihändigen Vergabe ohne Teilnahmewettbewerb an Hilfsorganisationen, insbesondere das

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und den vergeben wird. Ihre Rüge umfasse den Bereich Krankentransport, Rettungsdienst und erweiterter Rettungsdienst. Ebenso beanstandet sie alle Leis­tungserweiterungen oder Beauftragungen, die im Bereich Rettungsdienst und Kran­kentransport an die bisher beauftragten Bestandserbringer ohne gemeinschaftskon­formes Ausschreibungsverfahren vergeben wurden.

Der Antragsgegner teilte der Antragstellerio mit Schreiben vom 06.06.2014 mit, dass bis zu einer Entscheidung des Kreistages, ob und ggf. in welchem Umfang eine Be­darfsänderung vorgenommen werden soll, keine etwaigen Umsetzungsschritte ge­plant seien.

Die Antragstellerio beantragte mit Telefax vom 16.06.2014, eingegangen in der Ver­gabekammer am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie be­gründet ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o. g. Rügeschreiben.

Ihrer Auffassung nach hat der Antragsgegner die Erbringung von Leistungen im Be­reich des Rettungsdienstes mit HUfsorganisationen abgesprochen und verletze dabei Vergabevorschriften, insbesondere im Bereich des Diskriminierungsverbots. Sie geht aufgrundder Beschlussvorlage und des Zeitungsartikels davon aus, dass rechtswid­rige De-facto-Vergaben stattfinden. Wann genau und durch wen die Beauftragung der Leistungen an das und den erfolgte, entziehe sich ihrer Kenntnis.

Der Nachprüfungsantrag diene auch der Feststellung, ob ein nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregeltes Vergabeverfahren bislang unterblieben ist

Sie weist darauf hin, dass sich nach ihren Informationen der Antragsgegner für das sog. Submissionsmodell entschieden habe und nicht für eine Dienstleistungskonzes­sion. Es liege daher ein Dienstleistungsauftrag bzw. mehrere Dienstleistungsaufträge vor, die der Ausschreibungspflicht unterliegen.

Der Antragsgegner habe einen konkreten Beschaffungsbedarf, den er im Rahmen eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens decken müsse und nicht durch eine freihändige Vergabe. Selbst wenn eventuell Interimsvergaben zur Überbrückung durchgeführt werden sollen, habe sie Interesse an diesen Aufträgen bekundet. Bei einer entsprechenden (Interims-) Vergabe an einen dritten Bieter wäre sie gemäߧ§ 101a, 101b GWB vorab zu informieren gewesen. Sie sieht auch keine besondere Dringlichkeit, eine freihändige Vergabe durchzuführen.

Die Antragstellerio macht auch geltend, dass aus ihrer Sicht ein Beihilfeverstoß zu­gunsten anderer HUfsorganisationen vorliegt, und dass weitere sonstige Ansprüche aufgrund von Verstößen durch die Antragsgegner bestehen.

Sie geht auch davon aus, dass die HUfsorganisationen ein rechtswidriges Kartell ge­bildet haben, da sie eine marktbeherrschende Stellung besitzen.

Soweit der Antragsgegner vortrage, dass selbst bei Vorliegen des Kreistagsbe­schlusses ,keine angreifbare Beschaffungsentscheidung vorliege und eine Entschei­dung gemäß § 5 NRettG noch nicht getroffen sei, liege dennoch ein interner Be­schaffungsentschluss des Antragsgegners vor. Dieser habe in seinen Rettungs­dienstbedarfsplan einen konkreten Bedarf festgestellt. Er habe auch bestimmte Maß-

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nahmen getroffen, das leistende Unternehmen mit dem Ziel eines Vertragsabschlus­ses zu ermitteln und auszuwählen. Sie geht davon aus, dass die zusätzlich anfallen­den Aufgaben an die bereits vor Ort tätigen Hilfsorganisationen vergeben werden sollen.

Der Antragsgegner habe im Rahmen der Entwicklung des Rettungsdienstbedarfs­plans 2014 die Hilfsorganisationen beteiligt, sonstige Anbieter von rettungsdienstli­ehen Leistungen, die nach den vergaberechtlichen Grundsätzen der Transparenz, Gleichbehandlung und des Wettbewerbs dann auch hätten beteiligt werden müssen, seien bewusst ausgeschlossen worden.

Ihre Auffassung, dass bereits eine Vergabeakte vorhanden sei, begründet sie mit ihrem bisherigen Schriftverkehr mit dem Antragsgegner, dessen Vereinbarungen mit den bisherigen Leistungserbringern sowie dem zugrunde liegenden Schriftverkehr und weiteren Unterlagen.

Die Vergabekammer teilte der Antragstellerio mit verfahrensbegleitenden Schreiben vom 03.07.2014 mit, dass sie den Nachprüfungsantrag zum derzeitigen Zeitpunkt für unzulässig hält, da der Antragsgegner weder ein förmliches Vergabeverfahren einge­leitet hat noch eine Oe-facta-Vergabe von etwaigen künftigen zusätzlichen Dienstleis­tungsaufträgen an gemeinnützige HUfsorganisationen oder sonstigen Dritten erfolgt sei.

Die Antragstellerio ist überzeugt, dass sie konkrete Anzeichen aufgrund der veröf­fentlichten Zeitungsartikel dafür hat, dass bereits vor Einleitung ihres Nachprüfungs­antrages, insbesondere nach dem 07.07.2014, weitere Umsetzungsschritte durch den Antragsgegner stattfinden werden. Sie unterstellt, dass es nicht dem politischen Willen des Antragsgegners entspricht, ein gemeinschaftskonformes Vergabeverfah­ren durchzuführen.

Die Antragstellerio beantragt

1. ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 1 07 Abs. 1 GWB wird eingeleitet gegen eine bereits mit Dritten abgesprochene rechtswidrige Oe-facta-Vergabe hinsichtlich der Dienstleistungen im Bereich Rettungsdienst im Gebiet des Antragsgegners.

2. Es wird festgestellt,

- dass die Antragstellerio durch die o. g. De-facto-Vergabe in ihren Rechten ver­letzt ist,

- dass tatsächliche Beauftragungen im Bereich des Rettungsdienstes oberhalb der Schwellenwerte im Gebiet des Antragsgegners ohne ein gemeinschafts­rechtskonformes Auswahlverfahren rechtswidrig sind, die abgeschlossenen Verträge unwirksam sind und die Antragstellerio gemäß § 97 Abs. 7 GWB in ihren Rechten verletzen.

3. Der Antragsgegner ist verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht, Dienstleistungen in dem o. g. Bereich nur nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben.

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4. Hilfsweise: Die Kammer wirkt unabhängig von unseren Anträgen auf die Recht­mäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB).

5. Die Vergabeakten des Antragsgegners werden hinzugezogen.

6. Der Antragstellerio wird Einsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners ge­währt.

7. Der Nachprüfungsantrag wird dem Antragsgegner- notfalls per Telefax- unver­züglich zugestellt.

8. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerio wird fOr not­wendig erklärt

9. der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Antragsgegner beantragt,

1. den NachprOfungsantrag zurückzuweisen,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner gemäߧ 128 Abs. 4 GWB fOr notwendig zu erklären und

3. der Antragstellerio die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragsgegners aufzugeben.

Der Antragsgegner tritt dem Vortrag und der Rechtsauffassung der Antragstellerio entgegen.

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Er hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig, da seiner Auffassung nach keine De­facto-Vergabe vorliegt. Es gebe keinen Verfahrensgegenstand im Sinne eines Ver­gabevorganges.

Er weist darauf hin, dass die Unwirksamkeit eines Vertrages erst beschlossen wer­den könne, wenn ein Beauftragungsvertrag vorliege. Bislang sei weder mit dem noch mit dem ein solcher notwendiger öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlos­sen worden. Z. Zt. fehle es noch an der notwendigen Vergabereife.

Er sei lediglich seiner Pflicht zur Erstellung einer Leistungsanalyse und Ermittlung des konkreten Bedarfs anhand der tatsächlichen Gegebenheiten in Form eines Be­darfsplans nachgekommen. Eine Entscheidung darüber, wie der festgestellte Bedatf gedeckt werde, gehe damit nicht einher. Z. Zt. befinde sich sein Bedatfsplan lediglich in der Entwurfsphase. Erst wenn der Kreistag Ober den Bedarfsplan für den Ret­tungsdienstbereich Landkreis Emsland 2014 beschlossen habe, stehe fOr die Verwal­tung der konkrete Bedarf fest.

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Selbst durch den festgestellten Bedarf würden die bestehenden Verpflichtungen der Bestandsleistungserbringer grundsätzlich nicht tangiert. Eine Verpflichtung oder Be­rechtigung der bisherigen Leistungserbringer zur Deckung des festgestellten zusätz­lichen Bedarfs bestehe nicht und werde auch nicht durch den Bedarfsplan begründet.

Er weist nochmals darauf hin, dass die Deckung des durch den Kreistag festgestell­ten Bedarfs, gemäß § 5 NRettG in einem gesonderten Schritt erfolgt, der ggf. ein Vergabeverfahren erforderlich machen würde. ln welcher Form dies erfolgen soll, sei aber noch nicht entschieden. Erst anschließend könne sich die Frage nach der (Nicht-)Durchführung eines Vergabeverfahrens stellen.

Soweit die Antragstellerin beantragt, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht, Dienstleistungen nur nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben, sei dieser Antragper se schon unzulässig, da er vorbeugend auf zukünfti­ges Beschaffungsverhalten des Antragsgegners gerichtet ist. Die Antragstellerin könne in einem Vergabeverfahren nur Rechte und Ansprüche geltend machen, die auf Vornahme oder Unterlassung einer Handlung im Vergabeverfahren gerichtet sind. Für vorbeugende Ansprüche, die zukünftige Vergabeverfahren betreffen, gebe es keine Handhabe.

Da ein Vergabeverfahren bisher nicht stattgefunden hat, habe sie weder eine Verga­beakte noch bestehe eine rechtliche Verpflichtung, eine solche anzulegen und ggf. offenzulegen. Die Pflicht zur Dokumentation von Vergabevorgängen entstehe erst, wenn der Auftraggeber die Entscheidung zur Beschaffung konkreter Leistungen ge­troffen habe und in die Vorbereitung eines Vergabeverfahrens eintritt. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehe daher keine Verpflichtung zur Erstellung einer Vergabeakte.

Selbst wenn man zum jetzigen Zeitpunkt unterstelle, dass zum derzeitigen Zeitpunkt bereits eine Vergabeakte anzulegen sei, habe die Antragstellerin keinen Anspruch auf Akteneinsicht, da der Nachprüfungsantrag unzulässig sei und darüber hinaus die Rügen ins Blaue erfolgten.

Mit Schriftsatz vom 11.07.2014, konkretisiert mit Schriftsatz vom 16.07.2014, teilte der Antragsgegner mit, dass der Kreistag die Aktualisierung des Rettungsdienstbe­darfsplanes am 07.07.2014 beschlossen hat und er jetzt unverzüglich mit der Vorbe­reitung der Ausschreibung des festgestellten Bedarfs beginnen werde. Er habe u. a. beschlossen, zumindest einen Teil des zusätzlichen Bedarfs eine vergaberechtskon­forme Interimsvergabe unter Beteiligung der Antragstellerin bis zum Abschluss eines rechtskonformen Vergabeverfahrens zu überbrücken.

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst An­lagen Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragsleiterin ist nicht antragsbefugt i. S. des § 107 Abs. 2 GWB, da der Antragsgegner bislang weder ein förmliches Ver­gabeverfahren i. S. des§ 101 GWB eingeleitet hat noch eine gegen§ 101 b GWB verstoßende de-facto-Vergabe von etwaigen künftigen zusätzlichen Dienstleistungs-

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aufträgen an gemeinnützige HUfsorganisationen oder sonstige Dritte erfolgt oder auch nur eingeleitet ist. Der Primärrechtsschutz des vierten Teils des GWB erstreckt sich aber nicht auf begehrte vorbeugende Maßnahmen in Bezug auf ein - mögliches -künftiges Beschaffungsverhalten eines öffentlichen Auftraggebers (vgl. OLG Düs­seldorf, Beschluss vom 10.03.2014- VII-Verg 11/14).

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Gemäß § 104 Abs. 2 GWB können von einem Antragsteller (ausschließlich) Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber gel­tend gemacht werden, die auf Vornahme oder Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind. Dagegen ist es dem Antragsteller verwehrt, gewis­sermaßen vorbeugend Ansprüche zu stellen, die ein erst künftig einzuleitendes Ver­gabeverfahren, die Verfahrensart oder Form oder den Zeitpunkt des Beginns betref­fen. Für solche Zwecke gibt das Vergabeprozessrecht keine Handhabe. Vielmehr muss sich der Antragsteller in einem solchen, einem Vergabeverfahren vorgelagerten Zeitpunkt, ggfl. einer Klage vor dem Zivilgerichten bedienen, weil die Beschaffung sog. Fiskalhandeln der öffentlichen Hand ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.05.2007- 6 B 10.07 = NZBau 2007, Seite 389). § 114 Abs. 2 GWB begrenzt zugleich die Entscheidungsbefugnis der Vergabenachprüfungsinstanzen. Jedwede vorbeugende, nicht in einem Vergabeverfahren ergehende und auf ein künftiges Be­schaffungsverhalten des Auftraggebers gerichtete Entscheidung ist der Vergabe­kammer untersagt (vgl. Düsseldorf, a. a. 0.).

Aus diesem Grunde ist unverzichtbare Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 1 07 Abs. 2 GWB, dass Oberhaupt ein konkreter Vergabevorgang vorliegt. Ansonsten kann das für § 107 Abs. 2 GWB erforderliche Interesse an einem zu vergebenden Auftrag von vornherein nicht bestehen (vgl. Reidt in: Reidt/Stickler/Giahs, VergabeR, 3.Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 17). Voraussetzung für die Einleitung eines Nachprü­fungsverfahrens ist danach grundsätzlich, dass ein formelles Vergabeverfahren statt­gefunden hat bzw. eingeleitet wurde. Diese grundsätzliche Anforderung regeln neben der bereits zitierten Vorschrift des § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB auch bereits § 97 Abs. 7 GWB, der den Unternehmen einen Anspruch auf die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren einräumt sowie § 1 07 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, der die Rügepflicht innerhalb eines Vergabeverfahrens regelt. Ein formelles Vergabeverfah­ren beginnt nach der Rechtssprechung erst dann, wenn die Vergabestelle nach au­ßen erkennbar den ersten Schritt zur Durchführung desjenigen Verfahrens in die Wege leitet, welches zu einem konkreten Vertragsabschluss führen soll. Bei europa­weiten Vergaben ist dies z. B. die Absendung der Vergabebekanntmachung an das EU-Amtsblatt (vgl. OLG München, Beschluss vom 19.07.2012- Verg 8/2012 und Be­schluss vom 12.11.2010- Verg 21/10, zitiert nach ibr-online). Die Antragsbefugnis nach § 1 07 Abs. 2 GWB ist gleichwohl nicht auf förmliche Vergabeverfahren i. S. des § 101 GWB beschränkt. Auch in Fällen, in denen ein Auftraggeber zu Unrecht kein Vergabeverfahren durchführt, gleichwohl jedoch die Erteilung eines Auftrages erfol­gen soll, ist gern.§ 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB ein Nachprüfungsverfahren zulässig. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine unzulässige Direktvergabe/de-facto-Vergabe erfolgt ist oder eingeleitet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2005- X ZB 27/04 = VergabeR 2005, Seite 328; Reidt, a. a. 0., § 107 GWB, Rdnr. 17). ln solchen Fäl­len fehlt es zwar an einem formellen Vergabeverfahren, wenn der Auftraggeber von einer Ausschreibung Abstand nimmt und ohne Ausschreibung mit einem oder mehre­ren Unternehmen verhandelt. Würde man den Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB auf formelle Vergabeverfahren beschränken, wäre jedoch ein Rechtsschutz gegen Direktvergaben in Form eines Nachprüfungsverfahrens nicht möglich, obwohl

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ein schwerwiegender Verstoß gegen Vergabevorschriften vorliegen kann. Die Rechtssprechung hat es deshalb ein ausreichend angesehen, dass ein Vergabever­fahren in einem "materiellen" Sinn stattgefunden hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 19.07.2012- Verg 8/2012, zitiert nach ibr-online). Fürden Beginn eines mate­riellen Vergabeverfahrens soll es daher ausreichend sein, dass sich der öffentliche Auftraggeber zur Deckung eines bestimmten Bedarf entschlossen und mit dem Ziel eines Vertragsschlusses mit organisatorischen oder planarischen Schritten zur Durchführung des Beschaffungsvorganges begonnen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Be­schluss vom 20.06.2001 - Verg 3/01 und vom 30.04.2003- Verg 67/12; BayOBLG, Beschluss vom 22.01.2002- Verg 18/01 und vom 27.02.2003- Verg 1/03). Dies ist der Fall, wenn ein Auftraggeber z. B. Angebote eingeholt, Bietergespräche geführt oder sogar bereits gewertet und sich für ein Angebot entschieden hat.

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Voraussetzung für den Beginn eines - der Nachprüfung unterliegenden - Vergabever­fahrens ist jedoch, dass der Auftraggeber über das Stadium bloßer Vorstudien des Marktes oder sonstiger rein vorbereitender Handlungen hinaus gelangt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 11.01.2005 - Rs. C-26/03; BGH, Urteil vom 01.02.2005 -X ZB 27/04). Der Beginn eines materiellen Vergabeverfahrens setzt einen internen Be­schaffungsentschluss der öffentlichen Hand sowie eine externe Umsetzung jener Entscheidung voraus, die darin bestehen muss, dass der Auftraggeber in einer Wei­se, die geeignet ist, nach außen wahrgenommen zu werden, bestimmte Maßnahmen ergreift, um das leistende Unternehmen mit dem Ziel eines Vertragsschlusses zu er­mitteln und auszuwählen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftragge­ber konkrete Vertragsverhandlungen mit einem Interessenten führt (vgl. OLG Mün­chen, Beschluss vom 19.07.2012- Verg 8/12; Diemon-Wies, PK Kartellvergaberecht, § 104 GWB, Rdnr. 29). Für einen dieser materiellen Vergabephase vorgelagerten, vorbeugenden Rechtsschutz ist das Nachprüfungsverfahren dagegen nicht geschaf­fen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.2008- VII Verg 35/08). Deshalb be­steht kein Nachprüfungsrecht der - potentiellen - Bieter, solange sich ein öffentlicher Auftraggeber im Stadium interner Willensbildung befindet, in dem noch keine Ent­scheidung getroffen und keine Willenserklärung nach außen hin abgegeben wurde (OLG Düsseldorf, a. a. 0.) Konkret liegt ein materielles Beschaffungsverfahren erst dann vor, wenn der öffentliche Auftraggeber zur Deckung seines festgestellten Be­darfs bereits in ein Verfahren eingetreten ist, das auf die Beschaffung etwa von Dienstleistungen am Markt ausgerichtet ist und mit der Vergabe des Auftrages sei­nen Abschluss finden soll (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2005- X ZB 27/04 = VergabeR 2005, Seite 330; Kus in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-VergabeR, 3. Aufl., § 102, Rdnr. 12).

Unter Zugrundeleguns dieses Maßstabes hat vorliegend ein materielles Vergabever­fahren hinsichtlich des durch den Kreistag des Antragsgegners zwischenzeitlich am 07.07.2014 unstreitig festgestellten künftigen Mehrbedarfs an Rettungsdienstleistun­gen noch nicht begonnen.

Die Verwaltung des Antragsgegners hat gern. § 4 Abs. 6 Nds. Rettungsdienstgesetz (NRettDG) den Bedarfsplan für den Rettungsdienstbereich fortgeschrieben und dabei festgestellt, dass fünf Rettungswachen ertüchtigt und zusätzlich drei mobile RTW­Standorte eingerichtet werden müssen. Ober diesen Bedarfsplan hat der Kreistag des Landkreises inzwischen am 07.07.2014 beraten und entsprechend der Vorlage der Verwaltung beschlossen. Durch den Beschluss des Kreistages über den aktualisierten Bedarfsplan hat der Antragsgegner zugleich den damit verbundenen -

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gegenüber den status quo zusätzlichen - Beschaffungsbedarf festgelegt. Da der Be­schaffungsbedarf zu einer wesentlichen Änderung der zurzeit laufenden, vom An­tragsgegner mit Rettungsdiensten (vorliegend und geschlossenen Dienstleistungsverträgen führt, stehen dem Antragsgegner als Träger des Rettungs­dienstes die Möglichkeiten des § 5 NRettDG zur künftigen Deckung des Bedarfs zur Verfügung. Sofern er die gesetzliche Aufgabe des Rettungsdienstes nicht selbst er­füllen kann oder will, kann er gern.§ 5 Abs. 2 NRettDG geeignete Dritte entweder durch Erteilung eines oder mehrerer - vergaberechtspflichtiger- Dienstleistungsauf­träge oder aber durch die Erteilung einer oder mehrerer - nicht vergaberechtspflichti­ger- Dienstleistungskonzessionen damit beauftragen. Mit Schriftsatz vom 11.07.2014 hat der Antragsgegner erklärt, dass er auf Grund des zustimmenden Be­schlusses des Kreistages zur Aktualisierung des Rettungsdienstbedarfsplanes nun­mehr unverzüglich mit der Vorbereitung der Ausschreibung des zusätzlich festgestell­ten Bedarfs beginnen wird, sofern dieser wesentliche Änderungen der bisherigen Vorhaltung betrifft. Da die Ausschreibung wegen der einzuhaltenden Fristen natur­gemäß Zeit in Anspruch nehmen werde und damit im Spannungsfeld zum Sicherstel­lungsauftrag des Antragsgegners nach § 2 NRettDG stehe, prüfe er derzeit auch, den zusätzlich festgestellten Bedarf vorab interimsweise zu beauftragen und so gern. § 2 NRettDG die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zeitnah sicherzustel­len. Auch bei einer solchen interimsweisen Vergabe werde sich der Antragsgegner an die vergaberechtlichen Vorgaben halten.

Mit Schriftsatz vom 16.07.2014 hat der Antragsgegner diese Ankündigung dahinge­hend konkretisiert, dass er zunächst intern beschlossen habe, den zusätzlichen Be­darf nicht selbst zu erbringen, sondern weiterhin an Dritte zu vergeben. Hierfür werde er zeitnah ein ordnungsgemäßes europaweites Vergabeverfahren durchführen.

Darüber hinaus habe er nun kurzfristig weiterhin beschlossen, zumindest einen Teil des im Bedarfsplan festgestellten Bedarfs zeitnah durch eine vergaberechtskonforme Interimsvergabe unter Beteiligung der Antragstellerio zu decken. Diese Interimsver­gabe solle dazu dienen, den festgestellten Bedarf zeitnah zu decken, den Sicherstel­lungsauftrag gern. § 2 NRettDG nachzukommen und den Zeitraum bis zum Ab­schluss eines rechtskonformen Vergabeverfahrens zu überbrücken. Weitergehende Entscheidungen hinsichtlich der Umsetzung dieses Interimsbedarfs seien noch nicht erfolgt. Weder seien Vertragsverhandlungen mit Leistungserbringern/Interessenten geführt, noch seien Kriterien für die Auswahlentscheidung festgelegt worden. Mo­mentan bestünden lediglich der Beschluss des Bedarfsplans und die verwaltungsin­terne Absicht, eine Interimsvergabe und ein europaweites Vergabeverfahren zeitnah durchzuführen.

Da vorliegend weder die Vorbereitungen für das erforderliche europaweite Vergabe­verfahren noch für die Durchführung einer Interimsvergabe unter Beteiligung der An­tragstellerin abgeschlossen sind, befindet sich der Antragsgegner vorliegend nach wie vor in einem internen Entscheidungsprozess, der einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nach dem 4.Teil des GWB nicht zugänglich ist. Das Vergaberecht sieht eine "vorsorgliche Rüge" künftigen fehlerhaften Verhaltens des Auftraggebers nicht vor. Der Gesetzeswortlaut knüpft die Rügepflicht und den Primärrechtsschutz vielmehr an einem vollzogenen und vom Rechtsschutz suchenden Bieter im Verga­beverfahren erkannten Vergabefehler an. Daran gemessen gehen eine vorsorgliche Rüge und ein vorsorglicher Nachprüfungsantrag, die aufschiebend bedingt eine noch gar nicht vollzogene Vergabemaßnahme beanstanden, von vornherein ins Leere

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{vgl. OLG München, Beschluss vom 15.03.2012- Verg 2/12 = NZBau 2012, Seite 460 ff.; Kadenbach in: Willenbruch/Wieddekind, VergabeR, 3.Aufl., 12. Los, § 107 GWB, Rdnr. 19).

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Da vorliegend weder ein förmliches Vergabeverfahren noch eine de-facto-Vergabe begonnen hat, ist es der Vergabekammer verwehrt, die Wirksamkeit eines etwaigen künftigen Vertrages zu prüfen. Die Antragstellerio kann zumindest derzeit noch nicht gern. § 104 Abs. 2 GWB Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in ein Vergabeverfahren gerichtet sind, geltend machen. Damit fehlt der Antragstellerio zugleich die Antragsbefugnis gern. § 107 Abs. 2 GWB.

Der NachprUfungsantrag war daher als unzulässig zurückzuweisen. Gemäߧ 112 Abs. 1 Satz 2 GWB konnte die Vergabekammer deshalb ohne mündliche Verhand­lung nach Lage der Akten entscheiden.

111. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus§ 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBI. I, S. 790).

Es wird eine Gebühr in Höhe von 4.475 € gemäߧ 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Da im vorliegenden Fall noch kein Vergabeverfahren oder eine de-facto-Vergabe durchgeführt wurde, lässt sich aus den Vergabeunterlagen kein am Angebotspreis orientierter Auftragswert ermitteln, der der Gebührenfestsetzung zugrunde gelegt werden könnte. Der Antragsgegner hat die streitbefangenen Bedarfsänderungen auf der Grundlage des fortgeschriebenen Bedarfsplans und der diesbezüglichen Sit­zungsvorlage vom 08.05.2014 für den Feuerschutzausschuss, den Kreisausschuss und den Kreistag ca. 3 Mio. € (brutto) pro Jahr geschätzt. Diesen Wert setzt die Ver­gabekammer als Gegenstandswert fest, zumal der Sachverhalt und die Entschei­dungslage bei dem Antragsgegner noch keine Anhaltspunkte für die Laufzeit des künftig auszuschreibenden Vertrages bieten.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellam­tes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestge­bühr von 2.500 € {§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschrei­bungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) ge­genübergestellt.

Bei einem Gegenstandswert von 3.000.000 € ergibt sich nach der Gebührentabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von 4.475 €.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

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Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus§ 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprü­fungsantrag keinen Erfolg hatte, weil der Antrag unzulässig ist.

Kosten des Antragsgegners:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat dieAntragstellerindem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen und damit die Anwaltskosten zu erstatten.

Die Erstattungspflicht der Antragstellerio bezüglich der Kosten des Antragsgegners, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus§ 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuzie­hung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner im konkreten Verfahren erfor­derlic~ war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Aus­schreibung erforderlichen Rechtsgrund lagen, insbesondere der VOLJA und der VOB/A verfügen, bedurfte der Antragsgegner für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistan­des.

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechts­anwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu beja­hen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll aller­dings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbe­hörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuzie­hung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorver­fahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutref­fende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfah­ren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine Oberdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das NachprOfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch pro­zessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenach-

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prüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Wider­spruchsverfahren nach der VwGO.

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Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach§ 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i. V. m. § 78 Satz 1 GWB zu er­statten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Ein­zelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 -13 Verg 17/10, Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Prob­lematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend ge­schultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungs­verfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weite­re, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Grundsätzlich trifft es auch immer noch zu, dass die Nachprüfungsverfahren unter einem enormen Beschleuni­gungs- und Zeitdruck stehen und das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus dem nationalen Recht und dem Europarecht darstellt, welche nicht immer im Gleichklang stehen. Auf der anderen Seite wird die Beauftragung ei­nes Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer re­gelmäßig eher nicht notwendig sein, wenn sich die darin aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung darüber erschöpfen, ob die Vergabestelle das von ihr im Rahmen des streitbefangenen Vergabeverfahrens ohnehin zu beachtende "materiel­le" Vergaberecht zutreffend angewandt hat, d. h. im Wesentlichen die Bestimmungen der Verdingungsordnung eingehalten sind. Denn dann ist - zumindest bei größeren Auftraggebern, die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen - der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren Ergebnisse zu rechtfertigen eine Vergabestalle grund­sätzlich auch ohne anwaltliehen Beistand in der Lage sein muss (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010- WVerg 0001/10, zitiert nach juris, Tz 15 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juni 2010- 15 Verg 4/10, zitiert nach juris, Tz 54; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2008 - Verg 6/08, zitiert nach juris, Tz 13).

Nach dieser Maßgabe war es für den Antragsgegner im vorliegenden Vergabeverfah­ren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Denn der Nachprüfungsan­trag betraf nicht allein und auch nicht in erster Linie Probleme des gewöhnlichen ma­teriellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, das eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltliehen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertre­ten muss. Streitgegenstand waren hier insbesondere auch die verfahrensrechtlichen Regelungen des GWB und dort insbesondere die Abgrenzung der vergaberechtsfrei­en Bedarfsfestlegung und auftraggeberinternen Vorbereitungshandlungen vom Be­ginn des vergaberechtspflichtigen materiellen Vergabeverfahrens und die dazu er­gangene umfangreiche obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Antragsgegner bedurfte daher anwaltlicher Unterstützung.

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VERGABEKAMMER LÜNEBURG

BVN 1410014/0014

s. 61/01

I~GABEKAMMER LONEBURG ~001410014

Die AntragsteJJerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 4.475 € unter Angabe des Kassen­zeichens

8001000634632

auf folgendes Konto zu Oberweisen:

NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto 106 022 312

JBAN: OE 94 2505 0000 0108 0223 12" SJC: NOLADE2HXXX

IV. Rechtsbehelf

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2

1 29221 Celle, schrift­

lich einzulegen. Oje Beschwerde ist gern. § 117 GWB binnen einer No«riat vgn zwei Wocben nach Zustellung der Entscbejdung eiwulf'{len.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht fOr Beschwerden von juristisChen Personen des öffentlichen Rechts.

Dia sofortige Beschwerde Ist gern. § 117 Abs. 2 GWB mjt ihrer Einlegung zu begrQn­den.

Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde st.01zt.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdefahrer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat aut"sehiebende Wirkung gegenOber der Entscheidung der Vergabekammer.

\JJJ Worr Schulte

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