Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis...Die Theorie scheitert in der Praxis aber häufig daran,...

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event business eventpartner 4.2008 22 Z ur Person: Diplom-Oeconom Wolf Rübner studierte Wirtschaftswissen- schaften mit Schwerpunkt Marketing, war vier Jahre geschäftsführender Ge- sellschafter von Katz Lasertechnik und zehn Jahre Mitglied der Geschäftsleitung von kogag, Bremshey & Domning GmbH, Solingen. Aktuell ist er mit seinem Unter- nehmen eventcampus als Berater für Agenturen und Dienstleister der Event- Branche tätig, gibt Seminare im Bereich Event-Marketing, Kommunikation, Pro- jektmanagement und nimmt einen Lehr- auftrag an einer privaten Fachhochschule wahr. Ulrich Wünsch unterhielt sich über Wissen und Wunschdenken mit jeman- dem, der die Branche von innen bestens kennt und nun von außen eine eigene Sicht der Dinge hat. Interview Ulrich Wünsch: Herr Rübner, wo sehen Sie aus Ihrer Beratungsperspektive die aktuellen Defizite der Branche? Wolf Rübner: Sicher beim Thema strate- gische Unternehmensentwicklung – auf- grund der oft geringen Betriebsgröße ist der Geschäftsführer, der Unternehmer oder Inhaber viel zu stark in das Tagesge- schäft involviert. Er hat zu wenig Zeit zur Reflexion; ist auch häufig damit überfor- dert, weil ihm von seiner beruflichen Her- kunft her das Bewusstsein fehlt, dass ein Unternehmen nicht nur an den nächsten Tag und die nächste Veranstaltung den- ken muss, sondern auch daran: Wo muss ich in drei Jahren sein, was erwarten meine Kunden in der Zukunft von mir, wie muss ich die Fähigkeiten meiner Mit- arbeiter weiterentwickeln, und wie muss ich mein Angebot weiterentwickeln, da- mit es auch noch in Zukunft nachgefragt wird? Weitere Defizite sind im Bereich Marketing und Vertrieb zu finden. Da ha- ben wir es eigentlich mit dem gleichen Phänomen zu tun: Aufgrund der kleintei- ligen Betriebsstruktur, die wir im Agen- turenmarkt, aber auch im Dienstleister- Wolf Rübner ist mit seinem Unternehmen eventcampus u. a. als Berater für Agenturen und Dienstleister der Event-Branche tätig. Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis Interview mit Agenturberater Wolf Rübner zu Defiziten und Potenzialen der Event-Branche „Das Einzige, was wir Menschen, gerade auch als Unternehmer, mitbringen können und müssen, ist die Bereitschaft zum Lernen.“

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eventpar tner 4.200822

Zur Person: Diplom-Oeconom WolfRübner studierte Wirtschaftswissen-

schaften mit Schwerpunkt Marketing,war vier Jahre geschäftsführender Ge-sellschafter von Katz Lasertechnik und

zehn Jahre Mitglied der Geschäftsleitungvon kogag, Bremshey & Domning GmbH,Solingen. Aktuell ist er mit seinem Unter-nehmen eventcampus als Berater fürAgenturen und Dienstleister der Event-Branche tätig, gibt Seminare im BereichEvent-Marketing, Kommunikation, Pro-jektmanagement und nimmt einen Lehr-auftrag an einer privaten Fachhochschule

wahr. Ulrich Wünsch unterhielt sich überWissen und Wunschdenken mit jeman-dem, der die Branche von innen bestenskennt und nun von außen eine eigeneSicht der Dinge hat.

InterviewUlrich Wünsch: Herr Rübner, wo sehenSie aus Ihrer Beratungsperspektive dieaktuellen Defizite der Branche?Wolf Rübner: Sicher beim Thema strate-gische Unternehmensentwicklung – auf-grund der oft geringen Betriebsgröße istder Geschäftsführer, der Unternehmeroder Inhaber viel zu stark in das Tagesge-

schäft involviert. Er hat zu wenig Zeit zurReflexion; ist auch häufig damit überfor-dert, weil ihm von seiner beruflichen Her-kunft her das Bewusstsein fehlt, dass einUnternehmen nicht nur an den nächstenTag und die nächste Veranstaltung den-ken muss, sondern auch daran: Wo mussich in drei Jahren sein, was erwartenmeine Kunden in der Zukunft von mir,wie muss ich die Fähigkeiten meiner Mit-arbeiter weiterentwickeln, und wie mussich mein Angebot weiterentwickeln, da-mit es auch noch in Zukunft nachgefragtwird? Weitere Defizite sind im BereichMarketing und Vertrieb zu finden. Da ha-ben wir es eigentlich mit dem gleichenPhänomen zu tun: Aufgrund der kleintei-ligen Betriebsstruktur, die wir im Agen-turenmarkt, aber auch im Dienstleister-

Wolf Rübner ist mit seinem Unternehmen eventcampus u. a. als Berater für Agenturenund Dienstleister der Event-Branche tätig.

Brückenbauer zwischen Theorie und PraxisInterview mit Agenturberater Wolf Rübner zu Defiziten und Potenzialen der Event-Branche

„Das Einzige, was wir Menschen, gerade auch als Unternehmer,mitbringen können und müssen, ist die Bereitschaft zum Lernen.“

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markt vorfinden, kümmert sich derUnternehmer selbst mit geringem Zeit-budget um alles und jedes.U.W.: Wodurch ist das entstanden? Hatdas historische Gründe, steht die Sehn-sucht nach schnellem Geschäft imVordergrund, spielt die Hektik heutigerMärkte eine Rolle?W.R.: Es gibt sicherlich historische Grün-de. Event ist ja nach wie vor eine ganzjunge Branche, und die Protagonistensind mit einer Geschäftsidee an denMarkt gegangen, die plötzlich ganz vielRückenwind in den 1990er Jahren bekam– die berühmte Goldgräberstimmung je-ner Zeit. Es ging in erster Linie darum,schnell genug Mitarbeiter zu finden, umdie bestehenden und angedrohten Auf-träge abzuwickeln. Es ging weniger umeine planmäßige Entwicklung des eige-nen Unternehmens. Die zunächst starkvom Tourismus oder Hotelwesen oder derTechnik her geprägte berufliche Herkunfthat natürlich auch die Gefahr der Blick-verengung: Man wird getrieben von dem,was man mal gelernt hat, perpetuiertdas, schaut weniger gern nach rechts undlinks und hat wenig Zeit zum Reflektie-ren. Das ist sicherlich kein Defizit, son-dern ein Ergebnis des wirtschaftlichenGeschehens. Das Einzige, was wir Men-schen, gerade auch als Unternehmer,mitbringen können und müssen, ist dieBereitschaft zum Lernen. Die vermisseich allerdings manchmal. Es fehlenmanchmal Umsicht und Weitblick, umdie eigenen Schwächen zu analysieren,etwa, was fehlt mir im Betrieb an Quali-fikationen, damit ich letztlich auchwachsen kann. Mangelndes Wissen undmangelnde Analyse sind irgendwann eineWachstumshürde.U.W.: Die strategische Entwicklung desUnternehmens, aber auch eines Projek-tes, wird – so scheint es mir – oft durchdie spezielle Eigenart des Event-Ge-schäfts verhindert: Es ist extrem termin-sensibel. Die Reaktion darauf: Man fängtan, Lösungen zu bieten, bevor es Proble-me gibt oder diese erkennbar wären. Manverfällt in puren sinnfreien Aktionismus,der mit Strategie wenig zu tun hat. Kön-nen Sie das bestätigen?W.R.: Ja absolut. Es gibt ja dieses netteBonmot: Nichts ist so alt wie der Event vongestern. Man wird von dem Liefertermingetrieben, der nun mal unverrückbar ist.Ich muss zur richtigen Zeit am richtigenOrt in der richtigen Qualität eine Veran-staltung abliefern. Das ist ein mörderischerDruck, dem alles andere untergeordnetwird, bis dahin, dass man im Geschäftsall-tag Versäumnisse beobachtet – etwa, dasseinfach nicht weit genug gedacht wird,

dass man sich auf die Aufträge des nächs-ten Jahres konzentrieren muss, und nichtnur auf das, was morgen ist.U.W.: Wie sieht es da mit dem ThemaAgenturmarke aus? Viele Event-Anbieterarbeiten für starke Marken, scheinen

aber kaum eigene Markenentwicklung zubetreiben?W.R.: Es sieht trostlos aus. Und das ineinem Marketingumfeld, in dem Unter-nehmen heute mehr denn je aufs höchs-te sensibilisiert sind für ihre Marke und

„Also muss ich in meinem Betrieb Spezialisierungen schaffen; derAlleskönner oder Alles-ein-wenig-Könner ist ein Auslaufmodell.“

Europaweit kann das „Event-Wheel“ für

Outdoor-Veranstaltungen wie z.B. Auto-

rennen, Stadtfeste, Firmenjubiläen sowie

nationale und internationale Sportereig-

nisse gebucht werden. Neben der An-

mietung kann der Betreiber auf Wunsch

auch komplette Event-Konzepte im Full-

Service abwickeln. Auch ein individu-

elles Branding ist auf Wunsch möglich.

KONTAKT:WBP – Bürger + Partner KG

Alte Mühle in der Dong

47506 Neukirchen-Vluyn

Sonja Raimann

Tel. 0 28 45 / 3 90 61

Fax 0 28 45 / 3 17 22

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ihre Markenkommunikation. Aber ihrewesentlichen Berater und Macher im Be-reich Event-Marketing haben sehr wenigGefühl für die eigene Marke entwickelt.Das überrascht zunächst, weil man dasbei Werbe- und PR-Agenturen so nichtbeobachtet. Die machen deutlich, wer siesind und was sie von anderen unterschei-det. Diese wesentliche Marketingleistung– wie unterscheide ich mich – wird ent-weder nicht gesehen oder stark vernach-lässigt. Man könnte hier fast sagen, dassdie Event-Dienstleister fast weiter sindals die Mittler, die Agenturen.U.W.: Liegt das auch an mangelnder Aus-bildung?W.R.: Ich beobachte das schon seit vie-len Jahren – und auch die Agenturenbeklagen sich über mangelnde Qualifika-tion. Aber man muss genau schauen: Inwelchen Bereichen sind denn Defizite zuverzeichnen? Es gibt ja in großen Wis-sensgebieten, etwa Gewerkewissen, einegroße Spannbreite. Die zielen auf einehandwerkliche Komponente der Marke-tingkommunikation, nicht auf Manage-ment oder Marketing. Ich muss als Event-Manager natürlich ein guter Organisatorsein. Der Umgang mit Menschen mussmir liegen, ich muss in gewisser Weiseextrovertiert sein. Dann das konzeptio-nelle und strategische Denken, ein ge-sundes Allgemeinwissen über Wirtschaft,und vor allem die Fähigkeit, das konzep-tionelle Denken auch auf die eigene Be-triebsführung zu übertragen. Dazu mussich mir Leute holen, die das können,wenn ich es nicht selber kann. Also mussich in meinem Betrieb Spezialisierungenschaffen; der Alleskönner oder Alles-ein-wenig-Könner ist ein Auslaufmodell. Ichmuss zumindest eine Person haben, diesich als Hauptaufgabe um das Eigenmar-keting der Agentur kümmert, um diePressearbeit. Um überhaupt diesen Bedarfzu erkennen, muss man über den Teller-rand schauen können.

U.W.: Da reicht es wahrscheinlich nicht,wenn man sich in einem Nachmittagoder an einem Wochenende zum Event-Manager und Marketingspezialisten aus-bilden lässt und dabei vielleicht zweiStunden Management- und Marketing-halbwissen vermittelt bekommt – wennüberhaupt?W.R.: Da kommen wir zu einer weiterenAchillesferse in der Event-Branche, derQualitätssicherung der Ausbildung undder Definition dessen, was ein Event-Ma-nager können und wissen soll. Die Luft-

hoheit über die Aus- und WeiterbildungEvent kann nur über die Verbände undstaatliche Qualitätssicherungsstellen aus-geübt werden. Heute liegt sie bei privatenWeiterbildungsinstitutionen. Wobei privatnicht negativ gemeint ist. Im akademi-schen Bereich gibt es da ja sehr positiveBeispiele. Aber gerade im klassischen Er-wachsenenbildungsbereich tummeln sichAnbieter, die aus ganz anderen Bereichenkommen, und die bei der Erstellung einesCurriculums oder bei der Akquisition vonentsprechenden Dozenten nicht das Spe-zialwissen der Branche verfügen. Da gibtes jede Menge Wildwuchs.U.W.: Wie sehen Sie die weitere Entwick-lung des Event- und Agenturmarktes?W.R.: Der Agenturmarkt wird sich sicher-lich noch weiter differenzieren und spe-zialisieren. Wir werden Entwicklungennachvollziehen, die der Markt der Werbe-und PR-Agenturen bereits vollzogen hat.Es werden sich sehr spezialisierte Agen-turen entwickeln. Etwa hochqualifizierte,beratungs- und konzeptionsstarke, mar-ketingstrategisch ausgerichtete Agentu-ren. Diese werden sicherlich ihre Stärkenin der kulturellen Umsetzung von Marke-tingbotschaften haben. Denn Kultur istfür mich einer der großen gesellschaft-lichen Trends – Kultur ist im Kommen,Identität ist im Kommen. In einer hoch-komplexen, dicht vernetzten Welt brau-chen wir starke Ankerpunkte. Und Kulturstiftet diese, stiftet Identität. Das ist eineganz einfache Formel, darauf besinnensich auch Marketingleute.U.W.: Stichwort Kultur: Bemerken Sieauch einen Trend, der möglicherweise mitdem von Ihnen benannten zur Kultur zu-sammenhängt, dass Unternehmen sichvermehrt im öffentlichen Raum mit Veran-staltungen präsentieren. Und zwar jenseitsvon Sponsoring mit eigenen Formaten –sei es Red Bull mit den Flugtagen oder an-dere – die eigentlich an alte Kulturtechni-ken wie Feste und Rituale anknüpfen?

W.R.: Im Ursprung war Event immer eineöffentliche Veranstaltung. Sei es Olym-pia, oder die Feier nach der geglücktenJagd, eben meist religiös gebundene Ri-ten. Dadurch, dass Kultur so viele unter-schiedliche Ausdrucksformen hat unddass das, was wir auf der Event-Bühnesehen, letztlich doch die Mittel des The-aters sind, sollten wir, die Event-Macher,die Konzeptioner, uns genau wieder dar-auf besinnen, um Menschen und um Ziel-gruppen zu erreichen. Wir müssen diekulturelle Sprache, die Brainscripts, die-se Drehbücher im Kopf aus Mythen undMärchen und Legenden und Metaphern,die sich tief in die Sprache und Vorstel-lungswelt eingegraben haben, richtigsprechen lernen. Um anzukommen, müs-sen wir genau damit arbeiten. U.W.: Und wie sieht es mit dem Zauber-wort der integrierten Kommunikation aus?W.R.: Jaaa – eine Forderung, die ich schonin meiner Studienzeit vor gut dreißigJahren gehört habe. Integrierte Kommuni-kation wird in der Praxis von einigenUnternehmen mit Erfolg praktiziert wird.Generell sind auch alle Marketingfachleu-te davon überzeugt, dass dort fantasti-sche Synergien drinstecken, sowohl inpuncto Qualität als auch Kostenreduktion.Die Theorie scheitert in der Praxis aberhäufig daran, dass die Kommunikations-instrumente in einzelnen Abteilungen or-ganisiert sind und wir es mit der mensch-lichen Psychologie zu tun bekommen. Dageht es um Rivalitäten und es wird umRessourcen konkurriert, wie das größteEckbüro und das größte Einzelbudget.U.W.: Ein positives Beispiel war sicher-lich das, was Tonio Kröger, heute Chef derDDB Group, bei Mercedes-Benz an stra-tegischer und integrierter Kommunika-tion gemacht hat?W.R.: Genau, mit der vorbildlichen „StarAlliance“, einem runden Tisch, an den erdie Agenturvertreter der unterschiedlichenKommunikationsdisziplinen versammelthat, um mit ihnen die Marke zu vertiefenund zu interpretieren. Das macht Sinn. Undschafft ein vertrauensvolles Miteinanderder Agenturen, denn oft sind ja Berüh-rungsängste da und Vorurteile, die sehrschnell aufgelöst werden können, wennman mal an einem Tisch sitzt und merkt,dass der Kollege von der PR oder Werbungeine Menge von seinem Metier versteht –vor allem auch mehr als man selbst – unddass man sich gegenseitig befruchtet. Daswird – hoffentlich – die Zukunft sein.

Text und Interview: Ulrich WünschFotos: Archiv; eventcampus

„Denn Kultur ist für mich einer der großen gesellschaftlichen Trends– Kultur ist im Kommen, Identität ist im Kommen.“

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