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—1— BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 1784 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 13. April 2011 Praxis der Scheineheermittlung Der Bremer Ausländerbehörde wird vorgeworfen, ihre Ermessensspielräume bei der Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft zu restriktiv auszulegen, binationale Ehe- partnerinnen und Ehepartner dabei zu benachteiligen und mit Fragen zu konfron- tieren, die gegebenenfalls die Privatsphäre verletzen. Hintergrund: Von 2 500 bis 3 000 Ehen, die jährlich in Bremen und Bremerhaven geschlossen werden, ist ungefähr jede fünfte eine binationale Ehe. Das bedeutet, einer der Partner ist im Besitz einer anderen Staatsbürgerschaft als der deutschen. Das Grundgesetz stellt die eheliche Gemeinschaft unter besonderen Schutz des Staa- tes und der Gesellschaft. Nach geltendem Recht erwirbt nun der Ehepartner ohne deutschen Pass nach zwei Jahren ehelichen Zusammenlebens einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Missbrauch dieser Regelung ist als Scheineheschließung bekannt. Eine Schein- ehe wird ausschließlich zu dem Zweck des Erwerbs der Staatsbürgerschaft geschlos- sen. Die Ausländerbehörde hat durch den Bundesgesetzgeber den Auftrag bekom- men, die Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft bei eindeutigen Hinweisen auf Scheineheschließung zu verhindern. Mit Hilfe eines ausführlichen Fragebogens ver- sucht nun die Ausländerbehörde vor der Vergabe des Aufenthaltstitels zu überprü- fen, inwieweit die Partnerschaft den Charakter einer Ehe einnimmt, um so Schein- ehen von anderen Ehen zu unterscheiden. Der Katalog enthält über 100 Fragen, die teilweise die Privatsphäre der Partnerinnen bzw. Partner berührt und im Zweifelsfall verletzt, wie beispielsweise: „Wann und wo haben Sie Ihren Ehegatten kennengelernt?“, „Was haben Sie bei Ihrem ersten und zweiten Treffen gemacht?“ und „Haben Sie einen Kosenamen für Ihren Ehegatten?“. Der Ausländerbehörde wird vorgeworfen, dass der Fragebogen unnötig oft zur An- wendung kommt und auf diese Weise Personen aus binationalen Partnerschaften einem generellen Verdacht auf Scheineheschließung aussetzt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Seit wann wird der Fragebogen zur Ermittlung der Scheineheschließung in Bre- men angewendet, und wer hat den Einsatz angeordnet? Warum und durch wen wurde der Fragebogen zur Verschlusssache erklärt? 2. Wie viele Fälle von nachgewiesenen Scheineheschließungen gab es in den Jah- ren 2009 und 2010 in Bremen, und wie viele Ehen wurden aufgrund einer „feh- lerhaften“ Beantwortung des Fragebogens und/oder aufgrund einer Hausdurch- suchung zur Scheinehe erklärt (bitte in absoluter Zahl und in Prozent der Ehe- schließungen gesamt bzw. der binationalen Ehen)? 3. Welche Anhaltspunkte auf Scheineheschließung führen zum Einsatz des jetzt vorliegenden Fragebogens? 4. Wie viele Befragungen in Bremen (in absoluter Zahl und in Prozent der Ehe- schließungen) wurden seit der Anwendung dieses Fragebogens bis heute durch- geführt?

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B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F TLandtag17. Wahlperiode

Drucksache 17 / 1784

Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 13. April 2011

Praxis der Scheineheermittlung

Der Bremer Ausländerbehörde wird vorgeworfen, ihre Ermessensspielräume bei derVergabe der deutschen Staatsbürgerschaft zu restriktiv auszulegen, binationale Ehe-partnerinnen und Ehepartner dabei zu benachteiligen und mit Fragen zu konfron-tieren, die gegebenenfalls die Privatsphäre verletzen.

Hintergrund: Von 2 500 bis 3 000 Ehen, die jährlich in Bremen und Bremerhavengeschlossen werden, ist ungefähr jede fünfte eine binationale Ehe. Das bedeutet,einer der Partner ist im Besitz einer anderen Staatsbürgerschaft als der deutschen.Das Grundgesetz stellt die eheliche Gemeinschaft unter besonderen Schutz des Staa-tes und der Gesellschaft. Nach geltendem Recht erwirbt nun der Ehepartner ohnedeutschen Pass nach zwei Jahren ehelichen Zusammenlebens einen Anspruch aufdie deutsche Staatsbürgerschaft.

Der Missbrauch dieser Regelung ist als Scheineheschließung bekannt. Eine Schein-ehe wird ausschließlich zu dem Zweck des Erwerbs der Staatsbürgerschaft geschlos-sen. Die Ausländerbehörde hat durch den Bundesgesetzgeber den Auftrag bekom-men, die Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft bei eindeutigen Hinweisen aufScheineheschließung zu verhindern. Mit Hilfe eines ausführlichen Fragebogens ver-sucht nun die Ausländerbehörde vor der Vergabe des Aufenthaltstitels zu überprü-fen, inwieweit die Partnerschaft den Charakter einer Ehe einnimmt, um so Schein-ehen von anderen Ehen zu unterscheiden.

Der Katalog enthält über 100 Fragen, die teilweise die Privatsphäre der Partnerinnenbzw. Partner berührt und im Zweifelsfall verletzt, wie beispielsweise: „Wann und wohaben Sie Ihren Ehegatten kennengelernt?“, „Was haben Sie bei Ihrem ersten undzweiten Treffen gemacht?“ und „Haben Sie einen Kosenamen für Ihren Ehegatten?“.Der Ausländerbehörde wird vorgeworfen, dass der Fragebogen unnötig oft zur An-wendung kommt und auf diese Weise Personen aus binationalen Partnerschafteneinem generellen Verdacht auf Scheineheschließung aussetzt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Seit wann wird der Fragebogen zur Ermittlung der Scheineheschließung in Bre-men angewendet, und wer hat den Einsatz angeordnet? Warum und durch wenwurde der Fragebogen zur Verschlusssache erklärt?

2. Wie viele Fälle von nachgewiesenen Scheineheschließungen gab es in den Jah-ren 2009 und 2010 in Bremen, und wie viele Ehen wurden aufgrund einer „feh-lerhaften“ Beantwortung des Fragebogens und/oder aufgrund einer Hausdurch-suchung zur Scheinehe erklärt (bitte in absoluter Zahl und in Prozent der Ehe-schließungen gesamt bzw. der binationalen Ehen)?

3. Welche Anhaltspunkte auf Scheineheschließung führen zum Einsatz des jetztvorliegenden Fragebogens?

4. Wie viele Befragungen in Bremen (in absoluter Zahl und in Prozent der Ehe-schließungen) wurden seit der Anwendung dieses Fragebogens bis heute durch-geführt?

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5. Welche Folgen hat eine „fehlerhafte“ Beantwortung der Fragen, und ab wann(Anzahl der Fragen und/oder subjektiver Eindruck des Interviewers) gilt die Be-antwortung als fehlerhaft im Sinne des Scheineheverdachts?

6. Wie wird gewährleistet, dass der in auf Deutsch verfasste Fragenkatalog fürMigrantinnen und Migranten verständlich ist? Gibt es Übersetzungen?

7. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2009 und 2010 Hausdurchsuchungenvorgenommen? Welche Ergebnisse hatten die Durchsuchungen, und wie vieleMenschen wurden aufgrund der Ergebnisse in ihr Herkunftsland ausgewiesen?

Wer ist bei der Hausdurchsuchung das durchführende Organ? Ist für die Durch-suchung eine richterliche Anordnung erforderlich, und welche Merkmale deu-ten bei einer Hausdurchsuchung auf eine Scheinehe hin bzw. von wem werdendiese Merkmale interpretiert?

Björn Fecker, Dr. Zahra Mohammazadeh,Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

D a z u

Antwort des Senats vom 31. Mai 2011

Vorbemerkung

Neben der formal wirksamen Ehe ist das Bestehen einer ehelichen Lebensgemein-schaft Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Rahmen des Ehe-gattennachzugs. Die Aufenthaltserlaubnis für ausländische Familienangehörige wirdnach § 27 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes zur Herstellung und Wahrung der familiä-ren Lebensgemeinschaft erteilt.

Das Aufenthaltsgesetz normiert in § 27 Abs. 1 a einen ausdrücklichen Ausschluss-grund für den Ehegattennachzug im Falle einer Scheinehe, eines Scheinverwandt-schaftsverhältnisses oder einer Zwangsverheiratung. Es geht dabei um Fälle, bei denendie Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlos-sen oder begründet wurde, dem Nachziehenden den Aufenthalt im Bundesgebiet zuermöglichen oder bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen,dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

Die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung kann nach den bundesweit gel-tenden Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltgesetz Ermittlungen anstellen, wennim Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte dafür bekannt werden, dass zumindest einEhegatte entgegen seiner Angaben keine eheliche Lebensgemeinschaft herstellenwill. Eine gleichzeitige Befragung beider Ehegatten ist zulässig und nach einem Be-schluss des Rates der Europäischen Union auch geboten. Die Ausländerbehördennutzen bei Zweifeln auch die Möglichkeit, eine kurz befristete Aufenthaltserlaubniszu erteilen, um bei einer Verlängerung das tatsächliche Bestehen der ehelichen Le-bensgemeinschaft festzustellen.

Im Rahmen eines Visumverfahrens erfolgt eine Befragung häufig auf Initiative derAuslandsvertretungen.

Die Tätigkeit der Ausländerbehörden und der Auslandsvertretungen vollzieht sichin einem sensiblen Bereich. Es geht einerseits darum, einen Missbrauch des Familien-nachzugsrechts bei sogenannten Scheinehen oder Zwangsverheiratungen zu ver-hindern, andererseits die Intimsphäre der Betroffenen zu wahren. Die Frage nachden Lebensumständen in Bezug auf die Gestaltung der ehelichen Lebensgemein-schaft ist bei der Befragung zulässig und erforderlich, nicht aber ein Eingriff in dieIntimsphäre der Betroffenen. Die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten der eheli-chen Lebensgemeinschaft sind bei der Beurteilung der Frage, ob ein Missbrauchsfallvorliegt, zu berücksichtigen.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ausländerbehörden im Land Bremenwird über ein dv-gestütztes Sachbearbeitungsprogramm ein Fragenkatalog zur Ver-fügung gestellt, aus dem sie einzelfallbezogen Fragen zusammenstellen können, so-fern Anlass zu der Annahme besteht, es könnte sich um einen Missbrauchsfall han-deln. Dieser Fragenkatalog ist aktuell in Abstimmung mit der Landesbeauftragtenfür den Datenschutz und Informationsfreiheit überarbeitet worden.

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Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Kleine Anfrage wie folgt:

1. Seit wann wird der Fragebogen zur Ermittlung der Scheineheschließung in Bre-men angewendet, und wer hat den Einsatz angeordnet? Warum und durch wenwurde der Fragebogen zur Verschlusssache erklärt?

Einen einzelnen Fragebogen zur Ermittlung von Missbrauchsfällen hat es in derAusländerbehörde nicht gegeben. Schon aufgrund der unterschiedlichen Fall-konstellationen wäre die Verwendung eines einzelnen Fragebogens nicht mög-lich gewesen. Derzeit werden Fragen aus einem Fragenpool zusammengestellt,um den unterschiedlichen Lebenssituationen der Betroffenen gerecht werdenzu können. Hinzu kommen jene Fälle, hauptsächlich in Visumverfahren, in de-nen Fragen von den jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretungen vor-geschlagen werden.

2. Wie viele Fälle von nachgewiesenen Scheineheschließungen gab es in den Jah-ren 2009 und 2010 in Bremen, und wie viele Ehen wurden aufgrund einer „feh-lerhaften“ Beantwortung des Fragebogens und/oder aufgrund einer Hausdurch-suchung zur Scheinehe erklärt (bitte in absoluter Zahl und in Prozent der Ehe-schließungen gesamt bzw. der binationalen Ehen)?

Die Frage kann nicht beantwortet werden. Statistische Angaben über die Zahlfestgestellter Scheinehen oder Zwangsverheiratungen liegen nicht vor.

3. Welche Anhaltspunkte auf Scheineheschließung führen zum Einsatz des jetztvorliegenden Fragebogens?

Anhaltspunkte, die zu einer Scheinehenbefragung führen können, ergeben sichregelmäßig aus den Umständen des jeweiligen Falles. Folgende, in Nummer27.1.a. 1.1.7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz ge-nannten Umstände lassen vermuten, dass trotz formal geschlossener Ehe keineHerstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland beabsichtigtist:

• Ehepartner sind sich vor ihrer Ehe nie oder nur auffallend kurz begegnet;

• Ehepartner machen widersprüchliche Angaben zu ihren jeweiligen Perso-nalien (Name, Adresse, Staatsangehörigkeit, Beruf), den (objektivierbaren)Umständen ihres Kennenlernens oder sonstigen sie betreffenden wichtigenpersönlichen Informationen (unter „wichtigen persönlichen Informationen“sind nur Angaben außerhalb der Intimsphäre zu verstehen, die für beideEhepartner und die geplante Herstellung einer Lebensgemeinschaft vonwesentlicher Bedeutung sind);

• Ehepartner sprechen keine für beide verständliche Sprache und es gibt auchkeine erkennbaren Bemühungen zur Herstellung einer gemeinsamen Kom-munikationsbasis;

• für das Eingehen der Ehe wird ein Geldbetrag an den Ehegatten überge-ben (abgesehen von im Rahmen einer Mitgift übergebenen Beträgen beiAngehörigen von Drittländern, in denen das Einbringen einer Mitgift in dieEhe oder das Übergeben eines Geldbetrages an die Eltern gängige Praxisist);

• Fehlen einer Planung über eine angemessene Verteilung der Beiträge derEhepartner zu den Verpflichtungen aus der Ehe;

• Fehlen einer sonstigen gemeinsamen Lebensplanung oder erhebliche Ab-weichungen in diesem Punkt (möglicher Rückschluss auf mangelnde Kom-munikation und persönlichen Austausch zwischen den Eheleuten);

• es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein oder beide Ehegatte/n schonfrüher Scheinehen eingegangen ist/sind oder sich unbefugt bzw. im Rah-men eines Asylantrags in einem EU-Mitgliedstaat aufgehalten hat/haben(erkennbare Absicht, einen Aufenthalt zu begründen, auch unabhängig vomEhepartner).

Eine schematische Beurteilung durch die Ausländerbehörde erfolgt nicht; viel-mehr werden bei der Bewertung von Angaben jeweils die Umstände des Ein-zelfalls und das ortsübliche Verständnis der Ehe berücksichtigt.

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4. Wie viele Befragungen in Bremen (in absoluter Zahl und in Prozent der Ehe-schließungen) wurden seit der Anwendung dieses Fragebogens bis heute durch-geführt?

Die Frage kann nicht beantwortet werden. Statistische Angaben über die Zahlder Befragungen liegen nicht vor.

5. Welche Folgen hat eine fehlerhafte Beantwortung der Fragen, und ab wann(Anzahl der Fragen und/oder subjektiver Eindruck des Interviewers) gilt dieBeantwortung als fehlerhaft im Sinne des Scheineheverdachts?

Die Beurteilung des Befragungsergebnisses erfolgt im Rahmen einer Gesamt-würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Eine Quote im Sinne ei-ner fehlerhaften Beantwortung der Fragen besteht nicht.

6. Wie wird gewährleistet, dass der in Deutsch verfasste Fragenkatalog für Migran-tinnen und Migranten verständlich ist? Gibt es Übersetzungen?

Ist für den Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin erkennbar, dass es bei derBefragung zu Sprachschwierigkeiten kommen wird, so wird regelmäßig ein/eDolmetscher/-in hinzugezogen.

7. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2009 und 2010 Hausdurchsuchungenvorgenommen? Welche Ergebnisse hatten die Durchsuchungen, und wie vieleMenschen wurden aufgrund der Ergebnisse in ihr Herkunftsland ausgewiesen?

Die Zahl der strafprozessualen Hausdurchsuchungen nach den §§ 102, 103 StPOlässt sich den vorliegenden Justizstatistiken nicht entnehmen. Abgesehen hier-von stellt das deutsche Recht das Eingehen einer Scheinehe selbst nicht unterStrafe. In Betracht kommen Verstöße gegen § 95 Abs. 2 Nr. 2 des Aufenthalts-gesetzes oder etwa Urkundsdelikte (u. a. Urkundenfälschung, § 267 StGB, mit-telbare Falschbeurkundung, § 271 StGB). Wie viele solcher Verstöße im fragli-chen Zeitraum im Zusammenhang mit einer sogenannten Scheinehe begangenwurden, lässt sich den Justizstatistiken ebenso wenig entnehmen wie die Zahlder in einschlägigen Verfahren angeordneten strafprozessualen Zwangsmaß-nahmen.

8. Wer ist bei der Hausdurchsuchung das durchführende Organ? Ist für die Durch-suchung eine richterliche Anordnung erforderlich, und welche Merkmale deu-ten bei einer Hausdurchsuchung auf eine Scheinehe hin bzw. von wem werdendiese Merkmale interpretiert?

Strafprozessuale Hausdurchsuchungen werden von den Strafverfolgungsbe-hörden, in der Regel von der Polizei, durchgeführt. Durchsuchungen dürfen nurdurch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft unddie Polizei angeordnet werden. Voraussetzung jeder Durchsuchung ist das Vor-liegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass eine Straftat be-gangen worden ist. Der bloße Verdacht auf eine Scheinehe, die als solche nichtstrafbar ist, reicht zur Begründung einer Hausdurchsuchung durch Strafverfol-gungsorgane nicht aus. Welche Indizien auf Straftaten hindeuten, die im Zu-sammenhang mit einer Scheinehe auftreten können (siehe Antwort zu Frage 7),lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt von den konkreten Umständendes Einzelfalls ab.

Druck: Anker-Druck Bremen