Brennpunkt 27: Politisches Pulverfass Sahel

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1 BRENNPUNKT 27/2012 Politisches Pulverfass Sahel BRENN PUNKT Schon zum dritten Mal in einem Jahrzehnt droht dieses Jahr eine akute Ernährungskrise in der Sahel-Zone. Verschiedene Frühwarn- systeme sagen voraus, dass der Höhepunkt der Krise Mitte des Jahres eintreten wird. Dann nämlich werden die wenigen Vorräte der überwiegend von bäuerlicher Subsistenz- wirtschaft lebenden Bevölkerung in den be- troffenen Gebieten zu Ende gehen und die nächste Ernte hat noch lange nicht begon- nen. Die regelmäßig auftretenden Dürren lassen den Bauern kaum Zeit, sich von der vorheri- gen Krise zu erholen. Ihre Ersparnisse sind aufgebraucht und der Bestand ihrer Viehher- den ist reduziert. Sie sind äußerst verwund- bar, ihre traditionellen Bewältigungsstrate- gien sind erschöpft und sie müssen auf nega- tive Bewältigungsstrategien wie Migration, die Veräußerung von Betriebsmitteln wie Zugtiere und Arbeitsgerät, Fahrrädern und Land, den Verzehr von qualitativ schlechten Nahrungsmitteln und von Saatgut etc. zu- rückgreifen. Die Zahl der Kinder, die nicht mehr die Schule besuchen, steigt. 1 Schon jetzt befinden sich rund 8 Millionen Menschen in einem Stadium akuter Ernäh- rungsunsicherheit und sind auf Nothilfe an- gewiesen. Das Risiko besteht, dass noch einmal die gleiche Zahl von Menschen sich nicht mehr ausreichend ernähren kann. Ge- schätzte 1 Million Kinder werden dieses Jahr an Unterernährung (Severe Acute Malnutriti- on – SAM) leiden. 2 Schwere Entwicklungs- schäden werden die Folge sein. Die internationale Gemeinschaft hat bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um der drohenden Krise zu begegnen. Allein, die Maßnahmen reichten bisher nicht aus, um die Krise abzuwenden. Das Welternährungs- programm (WFP) bereitet sich derzeit darauf vor, in den nächsten Monaten 570.000 Ton- 1 WFP 2012 : 1 2 European Commission 2012: 1 Politisches Pulverfass Sahel Bewaffnete Konflikte bedrohen Ernährungssicherheit Schon seit November vergangenen Jahres warnen Hilfsorganisationen, darunter auch die Welthungerhilfe, vor einer drohenden Nahrungsmittelkrise im Sahel. Trotz verschiedener Präventivmaßnahmen – die internationale Gemeinschaft hat dieses Mal unter dem Eindruck der Krise am Horn von Afrika schneller und entschlossener gehandelt – spitzt sich die Krise zu. Die bereit gestellten Mittel und Maßnahmen reichen nicht aus. Rund 8 Millionen Menschen in Mali, Niger, Burkina Faso, Mauretanien, Senegal und Tschad befinden sich bereits in einem Stadium akuter Ernährungsunsicherheit, weitere 7 Millionen drohen hinzuzukommen. Die Ursachen der Krise sind komplex. Vordergründiger Auslöser sind zahlreiche aufeinander folgende schwache bzw. unregelmäßige Regenfälle in den vergangenen Jahren. Andere Faktoren wie hohe Nahrungsmittelpreise, die Folgen des Kriegs in Libyen und andauernde Migrationsbewegungen erhöhen die Vulnerabilität der Bevölkerung zusätzlich. Um die drohende Hungersnot abzuwenden, müssen die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft drastisch erhöht werden. Gleichzeitig müssen auch die strukturellen Probleme der Region in Angriff genommen werden.

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Aktuelle politische Themen, verständlich erklärt: Das sind die Brennpunkte der Welthungerhilfe.

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BRENNPUNKT 27/2012 Politisches Pulverfass Sahel

BRENN PUNKT

Schon zum dritten Mal in einem Jahrzehnt

droht dieses Jahr eine akute Ernährungskrise

in der Sahel-Zone. Verschiedene Frühwarn-

systeme sagen voraus, dass der Höhepunkt

der Krise Mitte des Jahres eintreten wird.

Dann nämlich werden die wenigen Vorräte

der überwiegend von bäuerlicher Subsistenz-

wirtschaft lebenden Bevölkerung in den be-

troffenen Gebieten zu Ende gehen und die

nächste Ernte hat noch lange nicht begon-

nen.

Die regelmäßig auftretenden Dürren lassen

den Bauern kaum Zeit, sich von der vorheri-

gen Krise zu erholen. Ihre Ersparnisse sind

aufgebraucht und der Bestand ihrer Viehher-

den ist reduziert. Sie sind äußerst verwund-

bar, ihre traditionellen Bewältigungsstrate-

gien sind erschöpft und sie müssen auf nega-

tive Bewältigungsstrategien wie Migration,

die Veräußerung von Betriebsmitteln wie

Zugtiere und Arbeitsgerät, Fahrrädern und

Land, den Verzehr von qualitativ schlechten

Nahrungsmitteln und von Saatgut etc. zu-

rückgreifen. Die Zahl der Kinder, die nicht

mehr die Schule besuchen, steigt.1

Schon jetzt befinden sich rund 8 Millionen

Menschen in einem Stadium akuter Ernäh-

rungsunsicherheit und sind auf Nothilfe an-

gewiesen. Das Risiko besteht, dass noch

einmal die gleiche Zahl von Menschen sich

nicht mehr ausreichend ernähren kann. Ge-

schätzte 1 Million Kinder werden dieses Jahr

an Unterernährung (Severe Acute Malnutriti-

on – SAM) leiden.2 Schwere Entwicklungs-

schäden werden die Folge sein.

Die internationale Gemeinschaft hat bereits

erhebliche Anstrengungen unternommen, um

der drohenden Krise zu begegnen. Allein, die

Maßnahmen reichten bisher nicht aus, um

die Krise abzuwenden. Das Welternährungs-

programm (WFP) bereitet sich derzeit darauf

vor, in den nächsten Monaten 570.000 Ton-

1 WFP 2012 : 1

2 European Commission 2012: 1

Politisches Pulverfass Sahel Bewaffnete Konflikte bedrohen Ernährungssicherheit

Schon seit November vergangenen Jahres warnen Hilfsorganisationen, darunter auch die

Welthungerhilfe, vor einer drohenden Nahrungsmittelkrise im Sahel. Trotz verschiedener

Präventivmaßnahmen – die internationale Gemeinschaft hat dieses Mal unter dem Eindruck

der Krise am Horn von Afrika schneller und entschlossener gehandelt – spitzt sich die Krise

zu. Die bereit gestellten Mittel und Maßnahmen reichen nicht aus. Rund 8 Millionen

Menschen in Mali, Niger, Burkina Faso, Mauretanien, Senegal und Tschad befinden sich

bereits in einem Stadium akuter Ernährungsunsicherheit, weitere 7 Millionen drohen

hinzuzukommen. Die Ursachen der Krise sind komplex. Vordergründiger Auslöser sind

zahlreiche aufeinander folgende schwache bzw. unregelmäßige Regenfälle in den

vergangenen Jahren. Andere Faktoren wie hohe Nahrungsmittelpreise, die Folgen des Kriegs

in Libyen und andauernde Migrationsbewegungen erhöhen die Vulnerabilität der Bevölkerung

zusätzlich. Um die drohende Hungersnot abzuwenden, müssen die Anstrengungen der

internationalen Gemeinschaft drastisch erhöht werden. Gleichzeitig müssen auch die

strukturellen Probleme der Region in Angriff genommen werden.

2

BRENNPUNKT 27/2012 Politisches Pulverfass Sahel

nen Nahrungsmittel zu verteilen. Bisher steht

hierfür jedoch nur rund die Hälfte der benö-

tigten finanziellen Mittel zur Verfügung. 3

Genug Nahrungsmittel, aber zu hohe Preise

Ein wichtiger Grund für die Ernährungskrise

sind zeitlich verschobene und ausbleibende

Regenfälle in einigen Regionen. So leiden

insbesondere die Regionen Kayes, Koulikoro

und Mopti in Mali, Zentralsenegal, der Nor-

den, Osten und das nördliche Zentrum von

Burkina Faso, der gesamte Niger abgesehen

von den Regionen Maradi und Dosso sowie

die Regionen Logone und Tandjilé im

Tschad, einige Gebiete in Mauretanien und

Gambia sowie der Norden, das westliche und

das östliche Zentrum des Senegals unter

signifikanten Dürre bedingten Ernterückgän-

gen.4

Hinzu kommt ein eklatantes Defizit an Fut-

termitteln für das Vieh im gesamten Sahel.

Der niedrige Wasserstand des Nigerflusses

und die damit ausbleibende Überflutung von

Weideflächen führten zu früheren Wanderbe-

wegungen von Pastoralisten aus Mali, Niger,

Tschad und Mauretanien in die südlich gele-

genen Nachbarländer. Überweidung und

massive Konflikte mit sesshaften Bauern

werden die voraussichtliche Folge sein.

Die Ursachen der drohenden Krise allein in

ausbleibenden oder unregelmäßigen Regen-

3 WFP (2012)

4 UN-OCHA (2012a): 6

zeiten und schlechten Ernten zu suchen,

würde allerdings zu kurz greifen. Zwar folgte

eine schlechte Regenzeit im vergangenen

Jahrzehnt der nächsten – möglicherweise

auch als Folge des Klimawandels - doch fiel

die letzte Ernte in West-Afrika und der Sahel

Zone mit geschätzt 55.451.000 Tonnen

sogar um 4 Prozent besser als der Durch-

schnitt der vergangenen 5 Jahre aus.5 Im

Jahr 2010 wurde sogar eine Rekordernte

eingebracht.

Das Problem ist, dass der Regen in den ver-

schiedenen Regionen äußerst ungleich ver-

teilt fiel und damit auch die Ernten unter-

schiedlich ertragreich waren. Prinzipiell kön-

nen die Märkte in der Region den von der

Dürre bedingten Mangel an Nahrungsmitteln

in einigen Regionen ausgleichen. Das heißt

es sind genug Nahrungsmittel in der Region

vorhanden und diese erreichen auch fast alle

lokalen Märkte. Nur verfügen die Menschen

in abgelegenen Regionen nicht über genug

Einkommen, um ausreichend Nahrungsmittel

zuzukaufen. Die Ernährungskrise wird also

überwiegend nicht durch eine begrenzte

Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln verur-

sacht, sondern aufgrund von erschwertem

Zugang zu Nahrungsmitteln, weil die Preise

so hoch sind. Tatsächlich bewegen sich die

Preise für Nahrungsmittel in vielen Ländern

des Sahels auf höherem Niveau als gewöhn-

lich. Laut dem „Famine Early Warning Sys-

tem Network“ (FEWS-Net) liegen die Preise

für Getreide derzeit um rund 20 Prozent und

mehr über dem Durchschnitt. In einigen

Regionen berichten Welthungerhilfe-

Mitarbeiter von Preissteigerungen, die deut-

lich höher liegen. Während sich die Preise im

Februar und März zu stabilisieren schienen,

waren im April wieder hohe Preissteigerungs-

raten zu beobachten. Die hohen Preise tref-

fen vor allem die armen und sehr armen

Haushalte. Sie können sich keine Nahrungs-

mittel mehr leisten.6

Ob sich das Niveau der Nahrungsmittelpreise

weiter erhöht, hängt unter anderem auch von

5 UN-OCHA (2012a): 6

6 FEWS Net (2012a und 2012b)

Karte der wahrschein-

lichsten Entwicklung

der Ernährungssituati-

on zwischen Juli und

September 2012

Quelle: FEWS Net

2012

3

BRENNPUNKT 27/2012 Politisches Pulverfass Sahel

der politischen Lage in der Sahel-Region und

insbesondere in Mali ab.

Politisches Pulverfass Sahel

Ein rund 3.000.000 km² messendes wüsten-

artiges Gebiet, das sich über mehrere Län-

dergrenzen in der nördlichen Sahelzone hin-

weg erstreckt, hat sich zu einem rechtsfreien

Raum und zu einem Umschlagplatz für Dro-

gen sowie illegalem Waffen-, Personen- und

Autohandel entwickelt. Keinem der Sahel

Staaten gelingt es, sein gesamtes Territorium

zu kontrollieren. Ein undurchsichtiges Ge-

flecht von politisch und ökonomisch motivier-

ten bewaffneten Gruppen operiert von hier

aus.

Zu den wichtigsten Gruppierungen gehört die

2011 gegründete Bewegung zur Befreiung

von Azawad (Mouvement National de Libéra-tion de l’Azawad - MNLA). Die sich überwie-

gend aus Tuareg aus dem Norden von Mali

zusammensetzende Bewegung kämpft für die

Abspaltung der Region Azawad von Mali und

für die Errichtung eines

Tuareg-Staates. Grund

dafür ist auch die ekla-

tante Unterentwicklung

der Region. Zwischen

Januar und April brach-

te sie mehrere Städte

im Norden von Mali – darunter auch Timbuk-

tu – unter ihre Kontrolle. Unterstützt wird sie

dabei von der Gruppe Ansar Dine, die sich für die Einführung der Scharia in Mali einsetzt.

Der Machtverlust der malischen Regierung im

Norden des Landes führte im März zu einem

Putsch des Militärs mit dem Ziel, den Auf-

stand der Tuareg unter Kontrolle zu bringen.

Unter dem Druck der Nachbarländer überga-

ben die Streitkräfte aber im April die Macht

wieder an eine zivile Übergangsregierung

unter Parlamentspräsident Diouncounda

Traoré. Dieser sollte noch im Mai freie Wah-

len organisieren. Aufgrund der angespannten

Lage konnte dieser Plan jedoch nicht umge-

setzt werden. Wann demokratische Wahlen

stattfinden können, ist weiter unklar. Die

Spannungen in der Hauptstadt Bamako stei-

gen indes – auch weil Traoré als Vertreter des

alten und korrupten Systems gilt und von

Teilen der Bevölkerung nicht akzeptiert wird.7

Eine weitere wichtige Gruppierung, die in der

Sahel-Zone zunehmend Fuß fasst und die in

engem Kontakt zu Ansar Dine steht, ist Al Qaida im Maghreb (AQIM). Die auf den Bür-

gerkrieg in Algerien zurückgehende und ur-

sprünglich unter dem Namen „Groupe Sa-

lafiste pour la Prédication et le Combat“

(GSPC) operierende Gruppe hat sich dem

Djihadismus verschrieben. Ihr werden Kon-

takte zur von Osama Bin Laden gegründeten

Al Qaida nachgesagt. Im Jahr 2007 verübte

sie Anschläge auf den Amtssitz des algeri-

schen Ministerpräsidenten und ein Polizei-

kommissariat im Osten von Algier. In den

vergangenen Jahren trat die Gruppe insbe-

sondere durch die Entführung von Touristen

in der Sahel Region in die öffentliche Auf-

merksamkeit.8

Immer mehr entwickelt sich die Sahel Zone

auch zum Rückzugsgebiet von bewaffneten

Gruppen, die in den Nachbarländern kämp-

fen. So flohen hunderte Kämpfer der radikal-

islamischen Gruppe Boko Haram aus Nigeria

in den Niger und Tschad. Auch die Al-

Shabab Milizen suchen aufgrund von Gefech-

ten mit der äthiopischen und kenianischen

Armee zunehmend Zuflucht in der Sahel-

Zone.

Seit dem Ende des Libyen-Krieges hat sich

die Situation noch zugespitzt. Rund 400.000

Migranten, meist junge Männer ohne Zu-

kunftsperspektive, kehrten in die Sahel-Zone

zurück. Sie müssen nun von Ihren Familien

ernährt werden und erhöhen das Problem der

mangelnden Verfügbarkeit von Nahrungsmit-

teln. Aufgrund ihrer prekären Lage lassen sie

sich leicht von bewaffneten Gruppen rekrutie-

ren. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich

unter den Rückkehrern auch zahlreiche Tua-

reg befanden, die als Söldner für Gaddafi

gekämpft hatten und die sich nun anderen

bewaffneten Gruppen anschließen. Mit den

7 Leymarie (2012)

8 Zandt (2012): 2

Seit dem Ende des Libyen-

Krieges hat sich die Situation

zugespitzt“

4

BRENNPUNKT 27/2012 Politisches Pulverfass Sahel

Rückkehrern gelangten auch Waffen aus dem

Libyenkrieg

in die Sahel-Zone.9

Sicherheitslage verschärft Ernährungskrise

Die angespannte Sicherheitssituation wirkt

sich in verschiedener Weise negativ auf die

Ernährungslage im gesamten Sahel aus. 10

• Durch den Konflikt im Norden von Mali

werden Handelsrouten im Land selber

und zwischen den Ländern der Sahel-

Zone teilweise unterbrochen. Sowohl lo-

kale als auch grenzübergreifende Märkte

werden nur eingeschränkt mit Nah-

rungsmittel versorgt - mit der Folge von

weiter steigenden Preisen in den be-

troffenen Gebieten.

• Die traditionellen Migrationsrouten der

Pastoralisten wurden durch den Konflikt

im Norden von Mali unterbrochen. Der-

zeit werden große Mengen Vieh in Rich-

tung Süd-Mali und Burkina Faso, Maure-

tanien und Niger getrieben, wo Futter

und Nahrungsmittel sowie Wasser so

knapp sind, dass ihr Überleben teilweise

gefährdet ist. Auch gibt es schon erste

Konflikte zwischen ansässigen Bauern

und den Rindernomaden, die oft tödlich

ausgehen.

• Die Möglichkeiten der Menschen, Arbeit

und Einkommen jenseits der Landes-

grenzen zu suchen, eine traditionelle

Bewältigungsstrategie im Fall von Krisen,

sind durch den Konflikt eingeschränkt.

• Seit Januar wurden mehr als 240.000

Menschen aus dem Norden von Mali ver-

trieben. Etwa die Hälfte von ihnen kam

in den Nachbarländern unter. Die Flücht-

linge sind dringend auf Hilfe von außen

angewiesen.

• Aufgrund der prekären Sicherheitssitua-

tion können viele Flüchtlinge und intern

Vertriebene nicht von Hilfsorganisationen

erreicht werden. Es gibt bereits Berichte

über Plünderungen von Lagern.

9 Leymarie (2012)

10 Vgl. auch Oxfam et al. (2012)

Das Famine Early Warning System Network

(FEWS-Net) der amerikanischen Entwick-

lungsorganisation USAID prognostiziert, dass

bei einer weiteren Eskalation des Konfliktes

zwischen der malischen Regierung und den

Rebellen der MNLA die Ernährungssituation

in Mali sich drastisch verschlechtern wird.11

Auf vielen Ebenen ansetzen

Eine adäquate Antwort auf die Ernährungs-

krise muss an verschiedenen Stellen anset-

zen. Besonders wichtig sind aus Sicht der

Welthungerhilfe folgende Forderungen:

1. Fest steht, dass eine dauerhafte Lösung

der Krise nur möglich sein wird, wenn

sich auch die Sicherheitssituation in der

Sahel-Zone verbessert. Die derzeit unter-

nommenen Bemühungen der internatio-

nalen Gemeinschaft und einzelner Staa-

ten (u.a die USA, Frankreich und die

EU), die Sicherheitssituation mit militä-

rischen Mitteln anzugehen – entweder

durch die finanzielle Unterstützung des

Ausbaus von Militär und Polizeiapparat

in verschiedenen Ländern oder aber auch

durch direkte militärische Manöver wie

etwa die "Pan Sahel Initiative" und

"Trans-Sahara Counterterrorism Part-

nership" - haben sich allerdings bislang

als wenig erfolgreich erwiesen. Außerdem

gehen diese Bemühungen an den Ursa-

chen vorbei. Denn diese liegen wie im

Fall des Tuareg-Aufstands vor allem in

der Armut und Unterentwicklung der Re-

gion. Trotz der zunehmenden Rufe nach

militärischem Engagement in der Sahel-

Zone sollte die Bundesregierung daher

im Sicherheitsbereich eher auf friedens-

schaffende Maßnahmen setzen wie etwa

die Demobilisierung von Kämpfern aus

Libyen.

2. Neben friedenspolitischen Maßnahmen

ist die langfristige Investition in Entwick-

lungsmaßnahmen unabdingbar für eine

Stabilisierung der Region und die Ver-

besserung der Ernährungssituation der

Menschen in der Sahel Zone. Die Krise

im Sahel erscheint zwar akut, sie ist aber

in erster Linie chronisch. Schon in „nor-

11 FEWS-Net (2012b)

Welthungerhilfe im

Sahel Die Welthungerhilfe arbeitet seit den siebziger Jahren in verschiedenen Ländern der Sahel-Zone. Derzeit ist die Welthungerhilfe in Burkina Faso, Mali und Niger tätig. Sektorale Schwerpunkte der Arbeit sind landwirtschaftli-che Entwicklung, Ernäh-rungssicherung, Wasser- und Sanitärversorgung, Zivilgesellschaft, Gleichstel-lung von Männern und Frauen. Darüber hinaus unterstützt die Welthungerhilfe in Burkina Faso das Millenni-umsdorf Kongoussi. Im Rahmen der Millenni-umsdörfer Initiative leistet die Welthungerhilfe ge-meinsam mit den Dorfbe-wohnern einen Beitrag zur Erreichung von einem oder mehreren der Millenniums-entwicklungsziele. Das Millenniumsdorf in Kon-goussi existiert seit 2006. Nach der ersten Projektpha-se, die im Jahr 2010 ende-te, konnten bereits deutli-che Verbesserungen der Lebenssituation der Dorf-bewohner festgestellt wer-den, z.B. im Hinblick auf die wirtschaftliche Situati-on, auf Einschulungsquoten und den Gesundheitszu-stand.

5

BRENNPUNKT 27/2012 Politisches Pulverfass Sahel

malen“ Jahren sterben in der Sahel Zone

226.000 Kinder an Unterernährung. An-

gesichts von über 3 Prozent Bevölke-

rungswachstum, Umweltzerstörung, ho-

her Korruption und schlechter Regie-

rungsführung ist die nächste Krise ab-

sehbar. Die Bundesregierung sollte daher

vermehrt in die ländliche Entwicklung

und eine standortgerechte Landwirt-

schaft in den Ländern der Sahel Zone in-

vestieren. Sie sollte lokale Märkte stär-

ken und Infrastrukturmaßnahmen för-

dern, die den Transport und die Lage-

rung von Nahrungsmitteln ermöglichen.

Darüber hinaus sollte sie die Regierun-

gen der Länder der Sahel Zone dazu auf-

fordern, Ernährungssicherung zu einer

prioritären Aufgabe zu machen. Dazu ge-

hören Investitionen in die kurzfristige

Krisenprävention, z.B. durch die Verbes-

serung von Lagerhaltung, das Anlegen

von Finanzreserven und den Ausbau von

Krisenmanagementsystemen. Besonders

wichtig ist es aber auch, die langfristige

Stabilisierung der Situation in Angriff zu

nehmen. Die Aufwertung ländlicher

Räume und eine integrierte, transparente

und partizipative Regionalpolitik, die den

Agrarsektor besonders berücksichtigt und

dezentrale Strukturen für effiziente öf-

fentliche Dienstleistungen fördert wäre

hier ein wichtiger Schritt.

3. Aufgrund der geringen Investitionen in

langfristige Entwicklungsmaßnahmen ist

angesichts der akuten Not die zügige Be-

reitstellung von finanziellen Mitteln für

die drohende Katastrophe notwendig.

Laut Vereinten Nationen stehen für die

Sahel Krise mit rund 565 Millionen Dol-

lar derzeit nur 35% der benötigten Mit-

tel (rund 1,5 Milliarden Dollar) bereit

(Stand 29.5.2012, 16.30 Uhr). Diese

Finanzierungslücke muss unbedingt zü-

gig geschlossen werden. Eine Studie von

Oxfam und Save the Children aus dem

Jahr 2011, die im Zuge der Hungersnot

am Horn von Afrika erstellt wurde, zeigt,

dass sehr viel mehr Leben zu sehr viel

geringeren Kosten hätten gerettet werden

können, wenn die Mittel schon Monate

vor dem Ausbruch der akuten Hungers-

not bereit gestellt worden wären. Noch

kann das Schlimmste in der Sahel Regi-

on verhindert werden.

6

BRENNPUNKT 27/2012 Politisches Pulverfass Sahel

Quellen

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UNUNUNUN----Ocha (2012Ocha (2012Ocha (2012Ocha (2012aaaa), Response plan addressing the food and nu), Response plan addressing the food and nu), Response plan addressing the food and nu), Response plan addressing the food and nutrition crisis in the Sahel, Strategic Document, trition crisis in the Sahel, Strategic Document, trition crisis in the Sahel, Strategic Document, trition crisis in the Sahel, Strategic Document,

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http://www.kas.de/wf/doc/kas_30428-1522-1-30.pdf?120309152502

Autorin

Katrin RadtkeKatrin RadtkeKatrin RadtkeKatrin Radtke

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